Gesunder Mund – gesunder Appetit!

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ZAHNGESUNDHEIT
Bei solchen Anzeichen gilt es, im Team der
Pflegenden eine Fallbesprechung vorzunehmen
und die unterschiedlichen Beobachtungen
zusammen zu bringen. So kann die Frage nach
den Ursachen gestellt werden und wenn nötig,
eine zahnärztliche Überprüfung und Behandlung für den Bewohner eingeleitet werden.
Wichtige Gründe für die
Mundpflege
Zahngesundheit in der Einrichtung:
Gesunder Mund –
gesunder Appetit!
Bei der Zahngesundheit pflegebedürftiger Menschen liegt
einiges im argen – so ein Ergebnis des jüngsten Barmer GEKPflegereports. Demnach sind vor allem Menschen in stationären Pflegeeinrichtungen zahnmedizinisch unterversorgt.
Wir haben unsere Autorinnen befragt, wie man im Alltag die
Zahngesundheit der Bewohner am besten erhält – am praktischen Beispiel der Arbeit in ihrer Pflegeeinrichtung
Von Dagmar Hennings und Gabriele Henger
VERPFLEGEN
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flegende in Einrichtungen kennen das
Problem: Die Bewohner, die zu uns
kommen, sind in stärkerem Maße multimorbid als noch vor zehn oder 20 Jahren. Sie
sind im Schnitt älter und leiden häufig unter
mehreren teils schweren Erkrankungen.
Dazu gehört natürlich auch das Problem bei
Menschen mit vorangeschrittener Demenz.
Viele Bewohner sind schlicht nicht mehr in
der Lage, sich bei Problemen mit Zähnen
und Zahnfleisch von sich aus gegenüber den
Pflegenden zu artikulieren. Am Beginn einer
Behandlung steht also in einer Einrichtung die
stete teilnehmende Beobachtung durch die
Mitarbeiter der Pflege.
Genaues Hinschauen ist wichtig!
Es sind unterschiedliche Anzeichen, die im täglichen Umgang mit den Bewohnern auffallen
können:
• Ein Bewohner lehnt plötzlich die Mahlzeiten
ab, die er sonst immer sehr gerne isst.
• Ein Betroffener lehnt mit einem Male ab, dass
man ihm morgens seine Prothese einsetzt,
oder er nimmt sie selbst tagsüber immer
wieder aus dem Mund.
• Ein Bewohner zeigt deutliche Anzeichen von
Unwohlsein beim Kauen und lehnt Mahzeiten
sogar komplett ab.
Mit Hilfe moderner Vorbeugungs- und Pflegemethoden gelingt es immer häufiger, die
Zähne – zumindest zum Teil – bis ins hohe Alter
zu erhalten. Dies ist positiv, weil die eigenen
Zähne auch die Kaufähigkeit erhalten und
unterstützen. Doch hat der Erhalt der eigenen
Zähne durchaus auch eine Kehrseite: Sie müssen
nämlich intensiv gepflegt werden, sonst können
sie sich als Magnet für Probleme erweisen. Die
Gründe dafür sind:
• Der Mund als offenes System ist stets ein
wichtiges Einfallstor für Bakterien und andere
Organismen in den Körper.
• Mittlerweile hat die Medizin gesichert festgestellt, dass Bakterien, die auf Zähnen oder
Prothesen siedeln, einen Zusammenhang mit
anderen Krankheitsbildern haben können –
wie etwa Lungenerkrankungen oder dem Risiko für Schlaganfälle und Herzerkrankungen.
D
• ie Nahrungsaufnahme hat für pflegebedürftige Menschen neben der körperlichen auch
eine besonders wichtige psychische Seite.
Essen und Trinken beeinflussen maßgeblich
die Lebensqualität der Betroffenen. Diese
wichtige Funktion wird jedoch durch Schmerzen und Probleme beim Kauen behindert.
• Eine vorbeugende Mundpflege fördert also
nicht nur das Wohlbefinden des Bewohners
– sie trägt auch dazu bei, die Pflege für alle
Seiten attraktiver zu gestalten, weil der Bewohner die Nahrungsaufnahme mehr genießen und durch das Kauen mit seinen eigenen
Zähnen selbstbestimmter gestalten kann.
Die gute
Zusammenarbeit zählt!
Was aber, wenn nun ein Mundproblem festgestellt worden ist? Wenn unsere Kolleginnen und
Kollegen in der Pflege im Mundraum irgend
etwas feststellen, das behandlungsbedürftig
zu sein scheint, informieren sie den Zahnarzt.
Wichtig dazu ist die regelmäßige Schulung
unserer Mitarbeiter. Denn sie sind die ersten
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VERPFLEGEN
ZAHNGESUNDHEIT
Die Autorinnen
Gabriele Henger
ist Haus- und Pflegedienstleiterin im Martinshaus in
Kirchentellinsfurt
Ansprechpartner unserer Bewohner. Deshalb
werden sie regelmäßig darin fortgebildet, wie
man Erkrankungen im Mundraum erkennen
kann, etwa bei solchen Fragen wie: An welchen
Anzeichen erkennt man einen Soor? Dazu
bietet unsere Einrichtung mindestens einmal im
Jahr eine Fortbildung, wenn möglich, mit dem
Zahnarzt an, der unsere Bewohner behandelt.
Eine solche gute Zusammenarbeit mit dem
Zahnarzt vor Ort ist der Dreh- und Angelpunkt
aller Bemühungen um die Zahngesundheit für
die Bewohner. Im Falle der Zieglerschen Altenhilfe kommt der Zahnarzt regelmäßig ins Haus,
um seine Diagnosen und auch Teile der Behandlungen in der Einrichtung durchzuführen.
Dabei fällt uns als Pflegenden immer wieder
ein bedauerlicher Missstand auf: Bis heute gibt
es keine verfügbaren mobilen Behandlungseinrichtungen für Zahnärzte, die ihnen ermöglichen würden, zumindest einen Teil ihrer
Behandlungen am Bett des Bewohners oder
zumindest in der Einrichtung vorzunehmen. Es
wäre eine große Erleichterung für Betroffene
und Pflegende, wie sicherlich auch für die
Zahnärzte, wenn es zukünftig eine solche technische Möglichkeit geben könnte. Eine weitere
gute Möglichkeit wäre auch dadurch gegeben,
wenn sich die Praxis des Zahnarztes im gleichen
Haus oder in unmittelbarer Nachbarschaft
befinden würde.
Die Behandlung
in der Zahnarzt-Praxis
Je älter, multimorbider und stärker von
Demenz die Bewohner betroffen sind, desto
schwieriger wird es, sie allein schon in der Einrichtung zu einer Zahnbehandlung zu motivieren. Viele Menschen mit demenziellen Erscheinungen begreifen nämlich ab einem gewissen
Stadium nicht, warum sie eine Behandlung
machen. Dieses Problem potenziert sich noch,
sobald der Bewohner sein vertrautes Umfeld
verlassen muss, um eine Zahnarztpraxis aufzusuchen – die Betroffenen fühlen sich zusätzlich
verunsichert. Innerhalb der Praxis und auf dem
Behandlungsstuhl kann das zu großen Problemen führen.
In unserer Einrichtung in Bad Waldsee haben
wir zum Beispiel das Glück, dass unser betreuender Zahnarzt nur fünf Minuten zu Fuß
entfernt seine Praxis hat. In einem solchen Fall
muss die Einrichtung nicht extra einen Krankentransport organisieren, sondern kann Men-
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schen mit eingeschränkter Mobilität einfach
im Rahmen eines gemütlichen Spaziergangs
im Rollstuhl zur Behandlung begleiten. Doch
auch für Menschen im Pflegeheim gilt die freie
Arztwahl. Wer von einem anderen Zahnarzt
behandelt werden möchte als dem, der
halbjährlich in die Einrichtung kommt, muss
dorthin gebracht werden.
Hier kommt ein weiteres Problem hinzu: Die
Personalschlüssel in Pflegeheimen sind leider
so knapp bemessen, dass es den Mitarbeitern
außerordentlich schwer fällt, solche Arztbesuche zu begleiten. Viele Einrichtungen hoffen
in solchen Fällen auf die Unterstützung von
Angehörigen oder Ehrenamtlichen. Doch
solche Begleitungen sind nicht immer einfach:
Egal ob in einer stationären Einrichtung oder
in der Zahnarztpraxis: Viele Menschen mit
Demenz verstehen einfach nicht mehr, was bei
einer zahnärztlichen Untersuchung mit ihnen
passiert, und machen daher oft den Mund
gar nicht mehr auf. Der Umgang mit diesen
Bewohnern erfordert daher viel Fingerspitzengefühl, Ruhe und Fachwissen.
Die Zahnklinik
als Behandlungsort
Bei Bewohnern mit einer fortgeschrittenen
Demenzerkrankung besteht oft keine Möglichkeit mehr, die Behandlung ambulant in
einer Praxis durchzuführen. In solchen Fällen
kann dann die Einweisung in die Zahnklinik
die erfolgreichste Alternative sein, um eine
Behandlung doch noch zu ermöglichen. In der
Zahnklinik entscheidet dann der behandelnde
Zahnarzt im Zusammenspiel mit dem Hausarzt,
ob eine Behandlung in Vollnarkose in Betracht
gezogen werden sollte.
Bei der zahnärztlichen Behandlung von Menschen mit Demenz ist es wichtig, ganz viel
Einfühlungsvermögen aufzubringen. Denn nur
durch einen persönlichen Kontakt und Vertrauen in den Pflegenden können Betroffene
überhaupt dazu bewegt werden, den nötigen
Anweisungen des Zahnarztes Folge zu leisten.
Die Anwesenheit einer solchen Vertrauensperson ist in solchen Fällen immer hilfreich, weil sie
es ist, die einen Betroffenen beruhigen kann.
Überhaupt gilt bei der Pflege wie bei der
Behandlung gerade solch sensibler Bereiche
wie der Mundhöhle ein Grundsatz im Umgang
mit dementen Menschen: Die Pflegenden
brauchen Ruhe und Geduld. Auch die Kon-
trolle der Zähne und erst recht die Durchführung von Zahnprophylaxe selber zeigen, dass
Einfühlungsvermögen der Schlüssel zum Erfolg
ist. Doch sollten wir nicht vergessen: Ein solches
Vorgehen erfordert von den Mitarbeitern eine
hohe Kompetenz.
Eines der bewährten Mittel ist es, trotz der
schwierigen Situation, die der Zeitdruck in vielen Fällen im Pflegealltag mit sich bringt, dem
Bewohner bei solchen Behandlungen die Chance zu geben, ein Verhalten nachzumachen,
wenn es die Pflegenden sozusagen vormachen.
In der Einrichtung wiederum gibt es auch die
Strategie, bei einer Verweigerungshaltung
lieber nachzugeben, abzuwarten und erst nach
einer Viertelstunde zum Bewohner wieder zu
kommen – denn gegen Widerstand lässt sich
keine erfolgreiche Arbeit leisten.
In der Praxis heißt das zum Beispiel für die
Zahnprophylaxe: Man muss Mundspülungen
nicht einfach gleich uneingeschränkt verwenden, wenn man Widerstände spürt. Besser ist
es, sich als Pflegekraft individuell auf jeden
Bewohner einzustellen und so dem Bewohner
auch die Möglichkeit zu geben: „Nun mach es
ruhig mal selber!“ Dazu gehört, ihn zu aktivieren: Erst einmal selbst machen lassen, eigene
Kompetenzen ausprobieren lassen. Und erst,
wenn es nicht funktioniert, macht das die Pflegekraft selbst – eventuell fünf Minuten später.
Deshalb gilt hier die Erfahrung: Man kommt
dann einfach später wieder und versucht es
um eine andere Uhrzeit. Denn bei Menschen
mit Demenzerkrankung müssen Pflegende und
Angehörige raus aus ihrem normalen Denken:
Man muss in solchen Fällen flexibel reagieren.
Doch sollte man auch hier die Situation eines
Mitarbeiters nicht aus den Augen verlieren, der
ja auch eine Tagesform hat, und der sich auf
eine solch spezielle Betreuungssituation einlassen können muss.
Um dies zu organisieren, empfiehlt es sich
Kooperationsverträge zwischen Einrichtung
und Zahnarztpraxis einzurichten. Darin werden Rechte und Pflichten gegenseitig genau
festgehalten: Was stellen wir als Einrichtung zur
Verfügung, was muss der Zahnarzt leisten?
Grundsätzlich gilt: Der Austausch zwischen
Einrichtung und Zahnarzt vor Ort sollte gut und
vertrauensvoll sein. So geben in unseren Einrichtungen die behandelnden Zahnärzte auch
regelmäßige Schulungen für unsere Pflegenden
– das kommt außerordentlich gut an.
Themen wie die professionelle Prothesenpflege, Zahnhygiene oder die Vorbeugung von
Munderkrankungen werden vom gesamten
Pflegeteam gut und kompetent mit dem Zahnarzt zusammen erörtert.
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Die Autorinnen
Neue gesetzliche Chancen
für die Kooperation
Daneben bleibt die Forderung, dass mehr
Zahnärzte zu Kooperationen mit Pflegeheimen
bereit sein müssten, als aktuell bestehen. Nach §
119b SGB V können Pflegeheime und Zahnärzte mittlerweile einen Kooperationsvertrag
abschließen. Für die in diesem Rahmen erbrachten Leistungen kann der Kooperationszahnarzt
sogar eine zusätzliche Vergütung abrechnen.
Diese Regelung hatten die Kassenzahnärztliche
Bundesvereinigung und der GKV-Spitzenverband im April 2014 mit einer Rahmenvereinbarung auf den Weg gebracht.
Wir haben aber bisher nur zwei Einrichtungen,
die mit einem Zahnarzt einen solchen Kooperationsvertrag geschlossen haben. Wahrscheinlich
ist diese neue gesetzliche Möglichkeit unter den
Zahnärzten auch noch zu wenig bekannt.
Möglicherweise tragen die Ergebnisse des
Pflegereports aber jetzt auch zu einer Verbreitung dieses Modells bei und helfen so, die
zahnärztliche Versorgung für Pflegebedürftige
in Einrichtungen nachhaltig zu verbessern.
Dagmar Hennings
ist Regionalleiterin
der Zieglerschen Altenhilfe
und verantwortlich für die
pflegefachliche
Weiterentwicklung
Die Organisation der Zusammenarbeit mit dem Zahnarzt
In den meisten Einrichtungen gibt es keine
regelmäßigen Untersuchungen aller Patienten
wie das etwa beim Schularzt in Grundschulen
die Regel ist. Deshalb sind in den Einrichtungen
die Pflegekräfte als Schnittstelle wichtig. Es gibt
allerdings – wie in unserem Hause – Einrichtungen, da kommt der Zahnarzt regelmäßig
jedes halbe Jahr. Das ist allerdings von Einrichtung zu Einrichtung unterschiedlich geregelt.
Weiterführende Information
Die Zieglerschen betreiben 20 Pflegeheime und drei Diakonie-Sozialstationen in Baden-Württemberg mit über 1.000 Mitarbeitenden, die
rund 2.600 pflegebedürftige Personen betreuen. Weitere Informationen:
Die Zieglerschen, Sarah Benkißer, Leiterin Unternehmenskommunikation,
Saalplatz 4, 88271 Wilhelmsdorf, Tel.: 07503/929-257,
E-Mail: [email protected]
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