Leseprobe zum Titel: Afrika

Werbung
Inhalt
Afrika: Aspekte des globalen Wandels
Axel W. Drescher, Rdiger Glaser, Klaus Kremb
Syndrome des globalen Wandels . . . . . .
Syndromkontinent Afrika . . . . . . . . . .
Hungerkontinent Afrika . . . . . . . . . . .
Pandemiekontinent Afrika . . . . . . . . . .
Urbanisierungskontinent Afrika . . . . . . .
Zukunftskontinent Afrika . . . . . . . . . .
.
.
.
.
.
.
.
9
9
10
14
17
18
19
Der Klimawandel in Afrika: Physisch-geographische Befunde und
Klimamodellsimulationen
Heiko Paeth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Der Monsun als Lebensspender . . . . . . . . . . . . . . . . .
Klimatische Besonderheiten in Afrika . . . . . . . . . . . . . .
Die Saheldrre im 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . .
Menschliche Aktivitten und Klimawandel . . . . . . . . . . .
Ergebnisse der Klimamodellierung . . . . . . . . . . . . . . .
Mgliche Folgen des zuknftigen Klimawandels . . . . . . . .
Perspektiven im Klimaschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
23
25
26
27
28
31
32
Die ungleiche Wasserversorgung in Afrika:
Eine kontinentale Entwicklungshypothek
Steffen Niemann, Olivier Graefe . . . . .
Stdtische Rume . . . . . . . . . . . .
Wasserversorgungspolitik . . . . . . . .
Wassertransfer . . . . . . . . . . . . . .
Lndliche Rume . . . . . . . . . . . .
Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . .
Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . .
33
37
38
40
43
44
45
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
Desertifikation: Risikoraum Afrika
Roland Baumhauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Verbreitung, Indikatoren, Ursachen und
kausale Zusammenhnge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Beschleunigung der Desertifikation durch Klimawandel? . . .
48
52
Afrika: Ein Feuerkontinent
Daniel Kraus, Alex Held . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
kologische Grundlagen der Feuer in Afrika . . . . . . . . . .
56
57
47
6
Inhalt
Feuer und Mensch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Vom Berberzelt in die Moderne: Dynamische Siedlungsentwicklung und geokologische Disparitten in Libyen
Klaus Braun, Jacqueline Passon . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bevlkerungswachstum und Strukturpolitik . . . . . . . . .
Auswirkungen von Bevlkerungs- und Siedlungsentwicklung
auf den Kstenstreifen Tripolitaniens . . . . . . . . . . . . .
Libyens Weg zwischen soziokonomischer
Entwicklung und kologischem Anspruch . . . . . . . . . .
Migration von Westafrika nach Europa:
Nur ein Ausdruck von Umweltflucht?
Thomas Krings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Migrantenstrme und Migrationsrouten . . . . . . . .
Migration als Folge von Umweltvernderungen und
Deagrarisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Weitere Grnde fr die Emigration aus dem westlichen
Sahelraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
.
.
69
71
.
75
.
77
. . . .
. . . .
80
81
. . . .
84
. . . .
86
Die Kapverden: Inseln im Spannungsfeld zwischen
geokologischer Vielfalt und anthropogenem Nutzungsdruck
Alexander Siegmund, Simone Naumann . . . . . . . . . . .
Geokologische Vielfalt auf engstem Raum . . . . . . . .
Wirtschaftliche Inwertsetzung . . . . . . . . . . . . . . .
Die Frage nach der Tragfhigkeit . . . . . . . . . . . . . .
Malariabertragung in Westafrika:
Die Rolle natrlicher und anthropogener Determinanten
Daniel Karthe, Martin Kappas . . . . . . . . . . . . . . .
Malariabertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Natrliche und anthropogene Einflussfaktoren . . . . .
Die sahelo-sudanische Zone Westafrikas als
Malaria-Endemiegebiet . . . . . . . . . . . . . . . . .
Malaria-bertragungsdynamik in der Provinz Kossi . .
Zukunftsperspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
66
67
.
.
.
.
.
.
.
.
89
91
96
98
. . . .
. . . .
. . . .
101
102
104
. . . .
. . . .
. . . .
106
107
110
Der zentralafrikanische Regenwald: Ein sensitives kosystem im
Spannungsfeld von forstwirtschaftlicher Nutzung und
(sub-)rezenter Klimadynamik
Jrgen Runge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Klimatische Ansprche und
rezente Dynamik des Regenwaldes . . . . . . . . . . . . . . .
113
114
Inhalt
Der Regenwald als hoch sensitives kosystem . . . . . . . . .
Anthropogener Einfluss auf den Regenwald in der
Zentralafrikanischen Republik (ZAR) . . . . . . . . . . . . . .
Pleistozne (natrliche) Umweltvernderungen versus
Global-Change-Perspektiven in Zentralafrika . . . . . . . . .
116
119
120
Komplexe Problemlage: Naturgefahren und bewaffnete
Konflikte im Ostkongo
Martin Doevenspeck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Kivuregion im ostafrikanischen Riftsystem . . . . . . . .
Krieg und Geopolitik im Ostkongo . . . . . . . . . . . . . .
Rezenter Vulkanismus am Nordufer des Kivusees . . . . . .
Schwierige Katastrophenvorsorge . . . . . . . . . . . . . . .
Gas im Kivusee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Energiequelle Methan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Neue Ansatzpunkte fr Risikomanagement und Kooperation
.
.
.
.
.
.
.
.
123
124
125
128
129
131
132
134
Rumliche Muster und Auswirkungen der Urbanisierung:
Das Beispiel Dar es Salaam, Tansania
Axel W. Drescher, Stefan Dongus . . . . . . . . . . . . .
Folgen der Urbanisierung . . . . . . . . . . . . . . . .
Disparitten stdtischer Armut . . . . . . . . . . . . .
Dimensionen der stdtischen Ernhrungssicherung . .
Stdtische Landwirtschaft in Dar es Salaam . . . . . . .
Zukunftspotenzial Ressourcennischen? . . . . . . . . .
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
136
137
139
140
142
145
Leben mit dem Hochwasser:
Risikoanalyse von berflutungsgefahren in Antananarivo,
Madagaskar
Rdiger Glaser, Axel W. Drescher, Helga Dickow,
Serge Lala Rakotoson, Johannes Schnbein . . . . . . . .
Siedlungsraum Antananarivo . . . . . . . . . . . . . .
Landnutzungswandel . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Klimatrends . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Infrastrukturelle Problemlagen . . . . . . . . . . . . .
Vulnerabilitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ingenieurtechnische Anstze . . . . . . . . . . . . . .
Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
146
147
148
149
151
155
155
156
. . . . . .
. . . . . .
158
160
. . . . . .
. . . . . .
162
166
Die Kstenwste Namib: Eine der ltesten Wsten im
paloklimatischen Wandel
Bernhard Eitel, Bertil Mchtle . . . . . . . . . . . . .
Das Alter der Namib . . . . . . . . . . . . . . . . .
Monsunale Niederschlge und
die Verlagerungen des Wstenrandes . . . . . . . .
Der Einfluss des Menschen auf die Namib . . . . .
7
8
Inhalt
Mobilitt als Nachhaltigkeit: Zur Sozialkologie
halbnomadischer Kulturweise der Himba am Wstenrand
von Nordwest-Namibia
Eberhard Rothfuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die kulturelle und natrliche Landschaft der Himba . . . .
Halbnomadisches Mobilittsmuster . . . . . . . . . . . .
Pragmatische und moralische Strategien der Nachhaltigkeit
Landdegradation durch staatliche Interventionen und
Sesshaftwerdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
.
.
.
.
.
.
.
.
169
170
173
176
. .
. .
178
181
Landnutzungskonflikte im Namib-Naukluft-Park in Namibia:
Ausverkauf eines afrikanischen Nationalparks?
Rainer Glawion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Geokologische Ausstattung und Naturrume im
Namib-Naukluft-Park . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Historische und heutige Landnutzungskonflikte im
Namib-Naukluft-Park . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kann der Staat die Landnutzungs- und Ressourcenkonflikte im
Nationalpark lsen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . .
Nahrungsmittelproduktion, Biodiversitt und Wassernutzung
in Sdafrika: Auswirkungen von Produktionsmaßstab und
Produktionssystemen am Beispiel KwaZulu-Natal
Raymond Auerbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Nahrungsmittel-, Energie- und Wasserkrise . . . . . . . . .
Effiziente Wassernutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsziele . . . . . . . . . .
Vernderungen im Entwicklungsdenken . . . . . . . . . .
.
182
.
185
.
189
.
.
191
194
.
.
.
.
.
196
197
199
202
204
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
209
Sach- und Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
220
Verzeichnis der Autor(inn)en . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
223
.
.
.
.
.
Afrika: Aspekte des globalen Wandels
AXEL W. DRESCHER
RDIGER GLASER
KLAUS KREMB
Abb. 1.1: Negative
Auswirkungen des
Klimawandels auf den
afrikanischen Kontinent
(Grafik: WELTHUNGERHILFE)
Ruft man das Stichwort „Afrika“ in der Google-Suchmaschine auf, so erhlt
man fast 9.050.000 Ergebnisse, fr den Begriff „Africa“ sogar 42.900.000
(Stand Ende 2008). Unter den gesponserten Werbelinks kommt gleich der
Spendenaufruf „berlebenskampf in Afrika – Helfen Sie mit Ihrer Spende!“
der Deutschen Welthungerhilfe. In der Tat ist der Hunger, neben HIV/AIDS,
Kriegen, Korruption und Naturkatastrophen, wohl der am meisten assoziierte Begriff im Zusammenhang mit dem Kontinent (BPB 2004). Andere gngige Assoziationen sind „Afrika, der heiße Kontinent“, „Afrika, der berbevlkerte Kontinent“, „Afrika, der rckstndige Kontinent“ oder auch „Afrika,
der kranke Kontinent“. Scheint Afrika also ein gleich mehrfach verlorener
Kontinent zu sein?
Syndrome des globalen Wandels
Schlssige Antworten sind v.a. aus geokologischer Sicht zu erhoffen, zumal der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltvernderungen (WBGU) durch die Entwicklung eines integrativen Forschungsansatzes, des Syndromansatzes, die methodische Grundlage zum besseren
Verstndnis der globalen „Krankheitsbilder“ geschaffen hat. Der Ansatz soll
eine Operationalisierung des fr den Globalen Wandel erforderlichen vernetzten Denkens ermglichen. Dieser Ansatz geht ber die „klassische“ naturwissenschaftliche Umweltforschung hinaus und bezieht so die kologi-
Syndromansatz
10
Afrika: Aspekte des globalen Wandels
schen, konomischen und soziokulturellen Aspekte des Globalen Wandels
mit ein; dies soll eine strker problemorientierte Forschung ermglichen
(WBGU 1996).
Grundstzlich lassen sich drei große Gruppen von Syndromen unterscheiden:
* Syndrome als Folge einer unangepassten Nutzung von Naturressourcen
als Produktionsfaktoren: Syndromgruppe „Nutzung“,
* Mensch-Umwelt-Probleme, die sich aus nicht nachhaltigen Entwicklungsprozessen ergeben: Syndromgruppe „Entwicklung“,
* Umweltdegradation durch unangepasste zivilisatorische Entsorgung: Syndromgruppe „Senken“.
Unangepasste Nutzung von natrlichen Ressourcen
SahelSyndrom
Landwirtschaftliche
bernutzung marginaler Standorte
RaubbauSyndrom
Zerstrung
natrlicher
kosysteme
Dust-BowlSyndrom
Umweltdegradation
durch industrielle
Landwirtschaft
KatangaSyndrom
Umweltdegradation
durch Abbau nicht
erneuerbarer
Ressourcen
LandfluchtSyndrom
Umweltdegradation
durch Preisgabe
traditioneller Landnutzungsformen
Kleine-TigerSyndrom
Vernachlssigung
kologischer
Standards in rasch
wachsenden
Wirtschaftsrumen
der Dritten Welt
FavelaSyndrom
Umweltdegradation
und Verelendung
in Stdten durch
ungeregelte
Urbanisierung
HavarieSyndrom
Singulre menschengemachte
Umweltkatastrophen mit Langzeitwirkung
Nicht nachhaltige Entwicklungsprozesse
Grne-RevolutionSyndrom
Umweltprobleme
durch Verbreitung
standortfremder
landwirtschaftlicher
Produktionsverfahren
AralseeSyndrom
Umweltprobleme
durch großflchige
Umgestaltung von
Naturrumen
Unangepasste Entsorgung von Stoffen in Umweltmedien
Hoher-SchornsteinSyndrom
Umweltdegradation
durch weitrumige
Verteilung oft langlebiger Wirkstoffe
MllkippenSyndrom
Umweltdegradation
durch Deponierung
von Abfllen
AltlastenSyndrom
Umweltdegradation
im Einzugsbereich
von Altindustriestandorten
Abb. 1.2: Ausgewhlte Syndrome des globalen Wandels (GLASER/GEBHARDT 2006)
Syndromkontinent Afrika
Syndrommuster
Fr die afrikanische Situation sind es vor allem vier Syndrome aus der Syndromgruppe „Nutzung“, die fr die Erklrung von Krisen herangezogen
werden knnen:
* das Sahel-Syndrom,
* das Raubbau-Syndrom,
* das Katanga-Syndrom und
* das Landflucht-Syndrom.
Syndromkontinent Afrika
Aus den beiden weiteren Syndromgruppen entstehen besonders durch
* das Favela-Syndrom und
* das Mllkippen-Syndrom
relevante Problemkonstellationen.
Afrika kann deshalb als Syndromkontinent schlechthin gelten. Wie sehr damit existenzielle Risiken fr die Bevlkerung verbunden sind, offenbart z.B.
die Bodenerosion in Madagaskar.
Syndromraum Madagaskar
Dass Bodenerosion in Madagaskar ein enormes Problem darstellt, lsst sich
schon vom Weltraum aus sehen. Wie Astronauten berichten, sieht der afrikanische Inselstaat aus, als verblute er zu Tode – kraterartige rote Flchen erstrecken
sich ber ganze Landstriche. Vom Flugzeug aus ist es noch deutlicher zu erkennen: Von der Erde blutrot gefrbte Flsse ziehen sich wie Adern durch das Landesinnere und splen den fruchtbaren Boden ins Meer.
Im Nordwesten der Insel frisst sich zusehends eine beeindruckende Caon-Landschaft aus rotem Sandstein in die Hnge. Jahr fr Jahr geht dabei Land verloren.
Besonders dort, wo Bume gefllt wurden und somit den Boden nicht mehr stabilisieren, ist die Erosionsgefahr groß.
Ursprnglich war Madagaskar fast vollstndig bewaldet. Inzwischen sind fast
90 % des Landes Steppe und nackte Erde, die Wlder weitgehend gerodet – vor
allem, um Ackerland zu gewinnen und Holzkohle herzustellen. Die Folge ist,
dass Regen den fruchtbaren Boden auswscht, der Wasserhaushalt kippt, Bewsserungssysteme und Anbaugebiete versanden, die Bauern immer weniger Reis
ernten. Zudem werden besonders in der Regenzeit Straßen unpassierbar. Die infrastrukturellen Auswirkungen sind immens. Bodenerosion stellt somit eine zustzliche existenzielle Gefahr fr die ohnehin arme madagassische Bevlkerung
dar. (E+Z 1/2009)
Hinzu kommt in Afrika verbreitet das Favela-Syndrom, welches im Zuge der
rapiden Urbanisierung immer mehr an Bedeutung gewinnt und in extremer
Form zur Verelendung afrikanischer Stdte fhrt. Von Bedeutung ist auch
das Verbrannte-Erde-Syndrom, das die Umweltzerstrung durch militrische Nutzung beschreibt. Man denke nur an die Brgerkriege in Sudan, Mosambik, Somalia, Kongo, Tschad, Angola etc., wo zahlreiche Landstriche
nicht mehr nutzbar sind, weil sie vermint wurden (vgl. KRSCHNER-PELKMANN/KOSA 2005).
hnlich betrifft das Katanga-Syndrom, welches Landschaftszerstrungen
durch den Abbau natrlicher, nicht regenerierbarer Ressourcen erfasst, nicht
nur eine spezifische Lokalitt, sondern findet sich ber den ganzen Kontinent verstreut. Beispiele sind die namensgebende Provinz Katanga (Shaba)
in der DR Kongo mit ihren reichen Diamant-, Kobalt- und Kupfervorkommen sowie die sich im Nachbarland Sambia befindenden Kupferabbaugebiete, aber auch Edelsteinvorkommen in Angola, Sierra Leone und Madagaskar.
Sehen Geokologen hierbei strker die durch Rohstoffgewinnung verursachte Landschaftsdegradation, so Historiker wie der Wiener Afrikanist
Walter Schicho besonders die gesellschaftlichen Auswirkungen des Berg-
Kausalmuster
11
12
Afrika: Aspekte des globalen Wandels
Kritik des
Syndromansatzes
baus bis hin zu seinen machtpolitischen Dimensionen, wie sie im Begriff
„Blutdiamanten“ zum Ausdruck kommen (SCHICHO 1998). Damit sind wir
zugleich im berschneidungsfeld von Geokologie und Politischer kologie angelangt.
Unter solchen gedanklichen Anstzen wird vielfach auch das RaubbauSyndrom betrachtet. Es kommt besonders im tropischen Regenwald des Kongobeckens zum Ausdruck. Hier verfgt die DR Kongo mit rund 60 Mio. ha
Waldflche ber das zweitgrßte Regenwaldgebiet der Erde. Bis zum Jahr
2050 werden jedoch 40 % des Waldbestandes verloren gehen, wenn die Abholzung unverndert weitergeht. Die DR Kongo wrde dadurch zu einem der
grßten CO2-Emittenden weltweit. Denn ein Hektar Biomasse des tropischen
Regenwaldes kann bis zu 180 t CO2 speichern, von denen bei der Abholzung
bis zu 50 % freigesetzt werden (REDAKTION WELTALMANACH 2009, S. 284). Wie
stark sich dabei Geokologie und Politische kologie berschneiden, zeigt
sich darin, dass regulierende politische Maßnahmen – etwa ein Moratorium
fr Forst-Neukonzessionen – unterbleiben.
Einen weiteren Aspekt im berschneidungsbereich von Geokologie und
Politischer kologie thematisiert der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltvernderungen in seinem Gutachten 2008 „Sicherheitsrisiko Klimawandel“. Hierbei wird der Situation in Afrika besonders viel Raum zugestanden.
Denn: Aufgrund schwacher Staatsfhrung und geringer wirtschaftlicher Kapazitt besteht hier besonders wenig Pufferkapazitt fr Adaptionen an neue
klimatische Gegebenheiten.
Trotz seines differenzierten Ansatzes bleibt der Syndromansatz nicht
ohne Kritik. Ein Haupteinwand ist die starke Forschungsorientierung, die
insbesondere auf Umweltprobleme fixiert ist und wenig auf Entwicklungsproblematiken sowie -fragen eingeht und dabei den Fehler begeht, die Industriestaaten und z.B. globale Wirtschaftsinteressen (Stichwort: Welthandelsorganisation, Subventionen) aus der Diskussion um Entwicklung herauszuhalten. Außerdem stßt der systemare Ansatz an Grenzen, wenn es
darum geht, die Handlungen von Menschen zu erklren oder gar zu prognostizieren (GLASER/GEBHARDT 2006). Darber hinaus fehlt ein klares Konzept zur praktischen Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse. Die Umsetzung wird vor allem dort zum Thema, wo es sich um vorwiegend gesellschaftlich bedingte Syndromkomplexe handelt. Die am Beispiel des FavelaSyndroms beschriebenen Handlungsstrategien erscheinen relativ vage und
unpraktikabel. So wirft das dem globalen Sßwasserproblem gewidmete
WBGU-Gutachten 1997 die Frage auf: „Wie kann das Favela-Syndrom kuriert werden? Zunchst mssen die allgemeinen Ursachen, etwa die Landflucht, bekmpft werden, welche das Favela-Syndrom erst entstehen lassen
und die Wasserprobleme letztlich verursachen“ (WBGU 1997). Weitere
Kritikpunkte sind die Vernachlssigung der Akteure auf verschiedensten
Ebenen, die mit ihren Entscheidungen Umweltvernderungen bewirken, sowie der fehlende Bezug zu Machstrukturen, die auf Zugangsmglichkeiten
zu Ressourcen einwirken. Eine wenig differenzierte Betrachtung der
Mensch-Umwelt-Beziehungen und der sich daraus ableitenden Wirkungsketten, die sich mehr auf technische Informationen als auf das sozio-politische Umfeld berufen, luft Gefahr, eher das Symptom als die Ursache zu
bekmpfen (KRINGS 2002).
Syndromkontinent Afrika
Inzwischen wurde hier durch die Annherung an den Vulnerabilittsbegriff und die analytische Betrachtung der Millenniums-Entwicklungsziele
(Millennium Development Goals, MDGs) weiter gedacht (WBGU 2005).
Vulnerabilitt und
MillenniumsEntwicklungsziele
Vulnerabilitt
Der Begriff „Vulnerabilitt“ (von sptlat. vulnerabilis = verletzlich, verwundbar)
ist seit den 1980er-Jahren in der geographischen Entwicklungsforschung gebruchlich und bezeichnet ber den Mangel an materiellen Ressourcen und ungedeckten Bedrfnissen hinaus einen gesellschaftlichen Zustand, der durch Anflligkeit, Unsicherheit und Schutzlosigkeit geprgt ist. Dabei gehen konomische bzw. materielle Aspekte (Armut) Hand in Hand mit politischen und sozialen.
Millenniums-Entwicklungsziele
Die im Jahr 2000 bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen (United Nations, UN) in New York beschlossenen, weltweit gltigen Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs) sind der Maßstab der UN fr notwendige Maßnahmen in Afrika. Dabei handelt es sich um acht internationale Entwicklungsziele, die bis 2015
erreicht werden sollen:
MDG 1: Halbierung des Anteils der Weltbevlkerung, der unter extremer
Armut und Hunger leidet
MDG 2: Ermglichung eine Grundschulausbildung fr alle Kinder
MDG 3: Frderung der Gleichstellung der Geschlechter und die Strkung
der Rechte von Frauen
MDG 4: Verringerung der Kindersterblichkeit
MDG 5: Verbesserung der Gesundheit der Mtter
MDG 6: Bekmpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderer bertragbarer
Krankheiten
MDG 7: Verbesserung des Schutzes der Umwelt
MDG 8: Aufbau einer weltweiten Entwicklungspartnerschaft
Auch das Konzept der Millenniumsziele unterliegt zahlreicher Kritik, vor allem hinsichtlich der unscharfen Formulierung der Unterziele, der Definition
der Indikatoren, der Machbarkeit und der schleppenden Umsetzung bzw.
mangelnder finanzieller Untersttzung und „Geberkoordination“ (MARTENS
2005).
Dem ersten Millenniumsziel, der Bekmpfung von Armut und Hunger,
kommt derzeit die grßte Bedeutung zu. Angesichts fallender Produktivitt
der Landwirtschaft in Afrika fordert die UN zu Recht Interventionen im Bereich Landwirtschaft und Ernhrungssicherung. Eine „grne Revolution“ fr
Afrika soll hierbei die Ernteertrge verdoppeln. Zuerst sollen Kleinbauern
mit befristeten Subventionen fr Dnger und besseres Saatgut versorgt werden. Entwicklungshilfe fr die afrikanische Landwirtschaft muss von den
momentan zur Verfgung gestellten ein bis zwei Milliarden US-Dollar auf
acht Milliarden im Jahr 2010 steigen. Die finanzielle Untersttzung von Ernhrungsprogrammen sollte um zustzliche vier Milliarden US-Dollar bis
2010 steigen.
Grne Revolution
13
Sach- und Ortsregister
Adaptionsmechanismen 152
African Easterly Jet 25
African Easterly Waves 25
Agenda 21 48
AIDS vgl. HIV/AIDS
Altlasten-Syndrom 10
Ankumene 170
Antananarivo 146ff.
Aralsee-Syndrom 10
Aridittsindex 199
Armut 131, 138–139, 156
Benguela-Southern-Oscillation 159
Benguela-Zirkulation 162
Bevlkerungsdruck 67
Bevlkerungswachstum 71, 73
Bevlkerungszunahme 72
Bewsserungsfeldbau 96
Bewsserungslandwirtschaft 44
Beweidungsintensitt 177
Biodiversitt 95, 196
Bodendegradation 28, 30
Bodenerosion 200
Brandrodung 26, 28, 30
Burkina Faso 107–109
Dar es Salaam 136, 142ff.
Deagrarisierung 84–85
Degradation 50, 52, 119–120, 167,
178–180, 200
Desertifikation 26, 28, 47–53, 55, 167
Disparitt 34, 37, 69, 73,139
Dornsavanne 24
Drrekatastrophe 51, 84
Dust-Bowl-Syndrom 10
Entwicklung, nachholende 77
Entwicklungsdenken 204–205, 207
Entwicklungshypothek 33
Entwicklungszusammenarbeit 202
Erdbeben 128
Ernhrungssicherheit 31
Ernhrungssicherung 140–141, 197
Erosion 20
FAO 14–16, 206–207
Favela-Syndrom 10–12, 99
Feuchtsavanne 24
Feuermanagement 60, 66
Feuerpolitik 64
Feuerregime 62
Flchenverbrauch 99
Flchenversieglung 99
Gefahrenmanagement 123
Gentechnik 205
Gesundheit 132
Global Change 114, 122
Global Warming 55
Green Belt Movement 19
Grenze des Wachstums 98
Grundwasserreserve 191
Grne Revolution 13, 78
Grne-Revolution-Syndrom 10
Havarie-Syndrom 10
Hirtengesellschaft 171
HIV/AIDS 9, 17, 102, 139, 207
Hochwasser 146, 151–152
Hochwasserrisikoanalyse 154, 155
Hochwasserrisikogefhrdung 157
Hoher-Schornstein-Syndrom 10
Hunger 9, 14
Hungerindex 16
IAASTD 16, 203–205
Infektionskrankheiten 102
Informelle Siedlungen 137
Internationaler Whrungsfonds 38
Inwertsetzung 96–97, 133
IPCC 17, 52–53, 111, 149
ITCZ 24
Kapverden 89ff.
Katanga-Syndrom 10–11
Katastrophenvorbeugung 134
Katastrophenvorsorge 129
Kleine-Tiger-Syndrom 10
Klimadynamik 113
Klimaerwrmung 34
Klimafluktuation 164
Klimamodelle 29, 110, 149
Klimamodellierung 23, 28–29
Klimamodellsimulationen 22
Sach- und Ortsregister
Klimaphase 118
Klimaschwankung 48, 116, 165
Klimatrends 149
Klimawandel 22, 27–28, 31, 52–53, 55, 147,
198, 203
Kohlendioxid 121
Kohlenstoffdynamik 62
Kohlenstoffisotope 118
Kongo 123ff.
Kyoto-Protokoll 32
Landdegradation 26–27, 48, 180
Landflucht-Syndrom 10
Landnutzungskonflikt 182, 189
Landnutzungsmodell 65
Landnutzungswandel 148
Landschaftsdynamik 118
Landschaftswandel 180
Landwechselwirtschaft 50
Landwirtschaft, kologische 205
Libyen 69ff.
Madagaskar 11, 20, 146ff.
Malaria 18, 32, 101–107, 109–110, 124, 139, 144
Managementsystem 181
Marginalisierung 43, 151
Massentourismus-Syndrom 91
Migrantenstrme 81, 83
Migration 80, 84, 86–87
Migrationsdruck 82, 156
Migrationsrouten 81, 83
Migrationsursachen 81
Millenniums-Entwicklungsziele 13
Mobilitt 169, 174
Mobilittsmuster 173, 175
Mobilittsrhythmus 175
Monsun 23–24, 59, 162
Mllkippen-Syndrom 10–11
Nachhaltigkeit 79, 169, 176
Nachhaltigkeitsziele 202–203
Nachholende Entwicklung 15
Nahrungskrise 208
Namib 158, 160ff., 185ff.
Namibia 169ff., 182ff.
Naturgefahrenmanagement 124
Naturkatastrophe 84, 150
NGO 183, 191
Niederschlagsvariabilitt 180
Niederschlagsverteilung 35
Niederschlagszyklik 106
Nomadismus 171
Nutzungsdruck 89
kolandbau 204–205, 207–208
kosystemmanagement 65
kosystemschutz 193–194
kumene 170
Passat 93
Pest 153
Raubbau 78
Raubbau-Syndrom 10, 12
Regenfeldbau 174
Regenwald 28, 113–116, 119–120
Regenwald-Savannen-Grenze 114
Ressourcenallokation 43
Ressourcenkonflikt 191
Ressourcennischen 145
Ressourcennutzung 177
Risikofaktor 96
Risikomanagement 134
Ruanda 124
Sahel 33, 50, 111
Sahel-Staaten 19
Sahel-Syndrom 10, 169
Saheldrre 26–27
Sahelraum 86
Sahelzone 23, 25, 31
Saisonalitt 57
Salztonebene 188
Savanne 58–59, 120
Segmentierung 39
Slumbildung 151
Sozialkologie 169
Steppen 54
Subsistenzlandwirtschaft 67
Subsistenzwirtschaft 31, 51, 99, 191
Subtropen 54
Suburbanisierung 76
Suburbia-Syndrom 99
Sdafrika 196ff.
Syndrome 99
Tansania 136
Tektonik 124
Tragfhigkeit 31, 98–99
Transmigration 87
Transnationalismus 86
Treibhauseffekt 30
Treibhausgas 27–28, 54
Treibhausgaskonzentration 30
Trinkwasserversorgung 44
Trockenfeldbau 96
Trockenflsse 188
Trockengrenze 169
Trockenperiode 177
Trockenrume 54
221
222
Sach- und Ortsregister
Trockensavanne 24
Tropen 54
Tropenwaldbewirtschaftung 120
bernutzung 50
berfischung 85
berschwemmung 154
Umweltflucht 80, 84
Umweltflchtlinge 84
Umweltrisiken 146
Umweltvernderung 84
UNCOD 48
UNCTAD 16, 205–206
UNEP 16, 205
Urbanisierung 18–19, 136–137,
197
Verbrannte-Erde-Syndrom 11
Verschuldung 38
Verstdterung 37
Verwundbarkeit 169
Vulkanismus 91, 128
Vulnerabilitt 13, 91, 155
Wanderfeldbau 50
Wasserbewirtschaftung 42
Wasserhaushalt 53
Wasserknappheit 197
Wasserkreislauf 114
Wasserkrise 197
Wassermanagements 43
Wassermangel 34
Wassernutzung 196
Wasserressourcen 197
Wasserverfgbarkeit 34
Wasserversorgung 33–35, 37, 41, 46
Wasserversorgungsgrad 36
WBGU 9–10, 12–13
Weidemanagement 176, 178
Weideverknappung 181
Weltbank 38
WHO 101–102, 111, 139
WMO 140
Wsten 54
Wstengrenzen 166
Zentralafrikanische Republik 113, 119–120
Herunterladen