Grundtatsachen über das Universum Jörn Wilms Department of Physics University of Warwick http://astro.uni-tuebingen.de/~wilms/teach/cosmo AIT 0–2 Inhalt • „Alte“ Kosmologie – Raum und Zeit – Friedmann-Gleichungen – Weltmodelle • „Moderne“ Kosmologie – (Urknall) – (Inflation) – Kosmologische Konstante – Strukturentstehung • Zusammenfassung Inhalt 1 AIT 0–3 Alte Kosmologie Kosmologie beschäftigt sich mit den Fragen über das Universum als Ganzes: Wie entwickelte sich das Universum zu dem, was es heute ist? Dazu Annahme von vier Grundtatsachen: Das Universum • expandiert, • ist isotrop, • und ist homogen. („kosmologisches Prinzip“) Ferner (für uns) am wichtigsten: • Das Universum ist für Menschen bewohnbar. („anthropologisches Prinzip“) Alte Kosmologie 1 AIT 0–4 Expansion des Universums, I Hubble: Spektrallinien der Galaxien rotverschoben in Abhängigkeit von der Entfernung =⇒ “Expansion” Alte Kosmologie 2 AIT 0–5 Expansion des Universums, II Rotverschiebung: ∆λ z= λ interpretiert als Geschwindigkeit: v = cz wo c = 300000 km s−1 (Lichtgeschwindigkeit) 2dF QSO Redshift survey Alte Kosmologie 3 AIT 0–6 Expansion des Universums, III Hubble-Gesetz: v = H0 d wo H0 = 72 ± 8 km s−1 Mpc−1 Langjährige Diskussionen über H0 sind ausgestanden. . . (Freedman, 2001, Fig.4) Alte Kosmologie 4 AIT 0–7 Homogenität 2dF Survey, ∼220000 galaxies total Homogenität: „Das Universum sieht von jedem Ort aus gleich aus“ (auf Skalen 100 Mpc). Alte Kosmologie 5 AIT 0–8 Isotropie Das Universum ist isotrop ⇐⇒ Das Universum sieht in alle Richtungen gleich aus. Peebles (1993): Verteilung von 31000 Objekten aus dem Greenbank-Katalog (λ = 6 cm) Alte Kosmologie N.B. Homogenität impliziert keine Isotropie, ebenso wie Isotropie von einem Punkt aus Homogenität impliziert! 6 AIT 0–9 Friedmann Gleichungen, I Albert Einstein: Anwesenheit von Massen krümmt den Raum (=Gravitation) =⇒ Allgemeine Relativitätstheorie (ART) ART ist anwendbar auf Universum als ganzes! Alte Kosmologie 7 AIT 0–9 Friedmann Gleichungen, II Theoretische Kosmologie: Kombination von 1. Relativitätstheorie Alte Kosmologie 8 AIT 0–9 Friedmann Gleichungen, III Theoretische Kosmologie: Kombination von 1. Relativitätstheorie 2. Thermodynamik Alte Kosmologie 9 AIT 0–9 Friedmann Gleichungen, IV Theoretische Kosmologie: Kombination von 1. Relativitätstheorie 2. Thermodynamik 3. Quantenmechanik Alte Kosmologie 10 AIT 0–9 Friedmann Gleichungen, V Theoretische Kosmologie: Kombination von 1. Relativitätstheorie 2. Thermodynamik 3. Quantenmechanik =⇒ kompliziert Alte Kosmologie 11 AIT 0–9 Friedmann Gleichungen, VI Theoretische Kosmologie: Kombination von 1. Relativitätstheorie 2. Thermodynamik 3. Quantenmechanik =⇒ kompliziert Normalerweise Rechnung in drei Schritten: 1. Bestimme Metrik, die dem kosmologischen Prinzip entspricht 2. Erhalte Entwicklungsgleichung aus ART 3. Benutze Thermodynamik und Quantenmechanik für Zustandsgleichung Rest ist dann einfache Rechnung. . . Alte Kosmologie 12 AIT 0–10 Friedmann Gleichungen, VII Raum, der dem kosmologischen Prinzip genügt, wird durch Friedmann-Robertson-Walker-Lemaître Metrik beschrieben: 2 ds 2 =c dt 2 2 − R (t) dr 2 2 + Sk (r) dψ 2 Wichtig: Skalenfaktor R(t) liefert zeitliche Entwicklung des Universums, wird erhalten aus Lösung der Friedmann-Gleichungen: R̈ = − 2 A.A. Friedmann, 1888–1925 Alte Kosmologie Ṙ = + (k : Krümmung) 4πG 3 R ρ+ 8πGρ 3 3p c2 R2 − kc2 + + h1 ΛR i h1 3 i 3 ΛR2 13 AIT 0–11 Hubble Parameter, I Interpretation der kosmologischen Rotverschiebung: Raum dehnt sich aus (gemäß Friedmann-Gleichungen), Hubble-“Konstante“ ist Ṙ/R. Ferner gilt für Entwicklung des Hubble-Parameters: 2 H (t) = Definiere 2 Ṙ R = 8πGρ 3 ρ Ω= ρc 2 kc − 2 R wo 2 R bzw. c ρc = 8πG 3 ρ − H2 =k 3H 2 8πG so daß • Ω > 1 =⇒ k > 0 =⇒ geschlossenes Universum • Ω < 1 =⇒ k < 0 =⇒ offenes Universum Momentan: ρc ∼ 1.67 × 10−24 g cm−3 (3. . . 10 H-Atome/m3). Alte Kosmologie 14 AIT 0–12 Hubble Parameter, II Was trägt zu Ω bei? • Gravitierendes Material: Ωmatter (= Ωm) • Baryonische Materie: Ωb (Untermenge von Ωm) • Vakuum: ΩΛ ΩΛ = 8πGρV Λc2 = 3H 2 3H 2 Konsequenz aus Quantenfeldtheorie und ähnlichen Theorien. Vorhersage der Inflationstheorie: Ω = Ωm + ΩΛ = 1 =⇒ Muß durch Beobachtungen bestätigt werden. . . Alte Kosmologie 15 AIT 0–13 Weltmodelle, I 4 a(τ) 3 2 Heute 1 Loitering Phase 0 −3 −2 −1 τ=H0 t 0 1 “Loitering universe” mit Ωm = 0.55, ΩLambda = 2.055 Alte Kosmologie 16 AIT 0–14 Weltmodelle, II Expansion History of the Universe s nd r a p ex reve fo s se llap o c 0.01 0.1 1 1.5 0.001 relative brightness 0.0001 Perlmutter, Physics Today (2003) 1.0 d st e ec at l er –20 ed , n th e a ...or a 0.0 f ir 0.5 ted a r e le cc lwa ys dec ele rat ed After inflation, the expansion either... –10 redshift 0 past 0.5 1 1.5 2 3 today 0 future 10 Billions Years from Today Alte Kosmologie 17 AIT 0–15 Zusammenfassung Moderne Kosmologie = Bestimmung von H0, Ω und Λ aus Beobachtungsdaten und Vergleich mit Theorie Im folgenden: Beispiele für neue Messungen zur Bestimmung von Ω und Λ: • Supernova-Beobachtungen und • Kosmischer Mikrowellenhintergrund (WMAP). Allgemeine Hoffnung: Bestätigung von Ωm + ΩΛ = 1. Alte Kosmologie 18 SN1994d (HST WFPC) Supernovae: Leuchtkräfte vergleichbar zu Galaxien: ∼ 1051 erg/s in Licht, 100× mehr in Neutrinos. AIT 0–17 Supernovae, II SN Ia = Explosion von CO weißen Zwerg wenn er über Chandrasekhar-Grenze (1.4 M) gestoßen wird (via Accretion?). =⇒ Immer ähnlicher physikalischer Prozess =⇒ Sehr charakteristische Lichtkurven: fast rise, rapid fall, exponential decay (FRED) mit Halbwertszeit von ∼60 d. 60 d Skala aus radioaktivem Zerfall Ni56 → Co56 → Fe56 (“Selbstkalibration” der Lichtkurve wenn überall gleiche Menge Ni56 produziert wird.) Beobachtbar bis zu Entfernungen von 1 Gpc (L ∼ 109...10 L). Moderne Kosmologie 2 AIT 0–18 Supernovae, III Eichung durch Beobachtung naher (z < 0.1) SN Ia, generell stimmen Lichtkurven gut überein. =⇒ Standardkerze Mögliche Kritikpunkte: • Vorgeschichte des CO-Weißen Zwergs? (Elementhäufigkeiten?) • Extinktion in der Hostgalaxie? • Spektroskopische Pekularitäten • Verschiedene Abfallraten und Farben (allerdings gute Korrelation max. Helligkeit und Abfallgeschwindigkeit) Dennoch momentan beste Methode. Moderne Kosmologie 3 AIT 0–19 Supernovae, IV Supernova Cosmology Project Knop et al. (2003) ΩΜ , ΩΛ 0.25,0.75 0.25, 0 1, 0 24 22 effective mB Supernova-Daten werden gut durch Modelle mit Ωm = 0.25 und ΩΛ = 0.75 erklärt. Supernova Cosmology Project 20 ΩΛ = 0 wird durch Daten 18 Calan/Tololo & CfA ausgeschlossen. 16 14 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 redshift z Moderne Kosmologie 4 AIT 0–20 Supernovae, V 3 No Big Bang ΩΛ 2 99% 95% 90% 68% Konfidenzbereiche für ΩΛ und Ωm (Perlmutter et al., 1999). 1 dunkle Bereiche: 68% Konfidenz, außen: 90% expands forever lly recollapses eventua 0 0 ed os t cl la f en -1 op Flat Λ=0 Universe 1 2 3 ΩΜ Moderne Kosmologie 5 AIT 0–21 Mikrowellen-Hintergrund, I 10 10−17 Wavelength (cm) 1.0 Penzias & Wilson (1965): “Measurement of Excess Antenna Temperature at 4080 Mc/s” =⇒ Kosmischer Mikrowellenhintergrund (Cosmic Microwave Background; CMBR): 0.1 Iν (W m−2 sr−1 Hz−1) 10−18 10−19 2.726 K blackbody 10−20 FIRAS DMR UBC LBL-Italy Princeton Cyanogen 10−21 10−22 1 COBE satellite COBE satellite sounding rocket White Mt. & South Pole ground & balloon optical 10 100 Frequency (GHz) (Smoot et al., 1997, Fig. 1) Moderne Kosmologie 1000 CMB Spektrum konsistent mit Planck’schem Spektrum mit Temperatur TCMBR = 2.728 ± 0.004 K. =⇒ Relikt des Big Bang. 6 AIT 0–22 Mikrowellen-Hintergrund, II Entstehung der Hintergrundstrahlung: Frühes Universum war heiß und dicht =⇒ Gleichgewicht zwischen Strahlung und Materie: γ + γ ←→ e− + e+ oder durch Comptonstreuung: e− + γ −→ e− + γ Fällt Temperatur unter Ionisationstemperatur für Wasserstoff, H + γ 6↔ p + e− dann Entkopplung von Strahlung und Materie, Photonen kühlen sich seither adiabatisch ab. Entkopplung hängt ab vom Zustand des Universums am Ort der Entkopplung. Moderne Kosmologie 7 AIT 0–23 Mikrowellen-Hintergrund, III COBE (1992): Erste Karte der 3K-Hintergrundstrahlung T = 2.728 K Moderne Kosmologie 8 AIT 0–24 Mikrowellen-Hintergrund, IV Überlagert: Dipol Anisotropie durch Bewegung des Sonnensystems ∆T /T ∼ 10−4 Moderne Kosmologie 9 AIT 0–25 Mikrowellen-Hintergrund, V Auf Niveau von ∆T /T ∼ 10−5: Strukturen aufgrund von Form der Fläche der letzten Streuung. Moderne Kosmologie 10 AIT 0–26 Strukturentstehung courtesy Wayne Hu Kopplung Strahlung und Materie =⇒ Hohe Dichte = hohe Photonendichte Photonen aus überdichten Regionen: Gravitationsrotverschiebung =⇒ beobachtbar (Sachs Wolfe Effect) CMBR Fluktuationen = Gravitationspotential bei z ∼ 1100! Moderne Kosmologie 11 AIT 0–27 Strukturentstehung Beschreibe Temperaturvariation am Himmel mit Hilfe von Kugelflächenfunktionen X ∆T (θ, φ) = a`,mY`,m(θ, φ) T `,m Da rotationssymmetrisch (Isotropie) =⇒ Einfachere Darstellung mit Multipolkoeffizienten, C`: ∆T T = 1 4π X +X̀ ` |a`,m|P`(cos θ) =: m=−` 1 4π X (2` + 1)C`P`(cos θ) ` (gemittelt über alle φ). Plot von C` als Funktion von `: Power Spektrum Moderne Kosmologie 12 AIT 0–28 Strukturentstehung Was wird erwartet? ` klein: große Skalen (> Horizont beim Decoupling): flach („Sachs-Wolfe Effekt“) ` groß: kleine Skalen: Akustische Peaks: Modifikation wegen Strukturbildung: • Materie fällt in Minimum des Gravitationspotentials („Struktur“) • Druck baut sich auf • Oszillationen • Wechselwirkung Materie-Strahlung • „Akustische Peaks“ Dämpfung mancher Oszillationen durch Compton-Streuung, Photonendiffusion (Silk-Effekt, nach J. Silk). Moderne Kosmologie 13 AIT 0–29 Strukturentstehung Theorie: Position der Peaks hängt ab von Ωb H0 Ω0 COBE: 1. akustischer Peak bei Skalen < 7◦. Moderne Kosmologie 14 BOOMERANG (1998 Dec/1999 Jan); courtesy BOOMERANG team AIT 0–31 Strukturentstehung 1. akustischer Peak von BOOMERANG 1999 gefunden Courtesy M. Tegmark Moderne Kosmologie . . . seither von vielen Experimenten bestätigt. 16 Wilkinson Microwave Anisotropy Probe (WMAP): Start 2001 Juni 30, erste Veröffentlichungen 2003 Februar Vordergrundfeatures im Mikrowellenhimmel WMAP, K-Band, λ = 13 mm, ν = 22.8 GHz, θ = 0.83◦ FWHM WMAP, Q-Band, λ = 7.3 mm, ν = 40.7 GHz, θ = 0.49◦ FWHM WMAP, W-Band, λ = 3.2 mm, ν = 93.5 GHz, θ = 0.21◦ FWHM AIT 0–37 Strukturentstehung Spergel et al. (2003, Fig. 1) WMAP best fit Parameter (Annahme: Ω = 1, H0 =: h · 100 km s−1 Mpc−1 ): h = 0.72 ± 0.05 Ωmh2 = 0.14 ± 0.02 Ωb h2 = 0.024 ± 0.01 (für h = 0.72: Ωm = 0.27, Ωb = 0.05) Moderne Kosmologie 22 AIT 0–38 Zusammenfassung Supernova Cosmology Project Konfidenzbereiche für ΩΛ und Ωm. 3 Knop et al. (2003) Spergel et al. (2003) Allen et al. (2002) No Big Bang dunkle Bereiche: 68% Konfidenz, außen: 90% 2 Region unten rechts: Universen sind älter als älteste schwere Elemente. Supernovae 1 ΩΛ CMB expands forever lly recollapses eventua 0 Clusters Ω = 1.02 ± 0.02 Ωm = 0.14 . . . 0.3 H0 = 72 ± 5 km s−1 Mpc−1 clo se t fla d en op -1 0 1 2 3 ΩM Zusammenfassung 1