Wissensbasierte Diagnosesysteme

Werbung
Wissensbasierte Diagnosesysteme
Sibylle Schwarz
Westsächsische Hochschule Zwickau
Dr. Friedrichs-Ring 2a, RII 263
http://wwwstud.fh-zwickau.de/~sibsc/
[email protected]
WS 2011/2012
Motivation
Ziel: Hilfe beim schnellen und fehlerfreien Treffen von
Entscheidungen (z.B. in medizinischen Fragen)
Analogie zum menschlichen Denken
Grundlegende Fragen:
I
Was ist Wissen?
I
Wie lässt es sich darstellen?
I
Wie wird es genutzt, um Probleme zu lösen?
I
Wie lässt es sich erweitern / ändern?
Einordnung in die Informatik
Informatik Lehre von Darstellung und Verarbeitung von
Information
Information (neue) Auskunft über ein Ereignis, einen
Tatbestand oder einen Sachverhalt,
Beseitigung von Ungewissheit
Einordnung in die Teilgebiete der Informatik:
theoretische Informatik: Grundlagen
Logik, formale Sprachen
technische Informatik: Anwendung
technische Diagnose, z.B. Hardware
praktische Informatik: Grundlagen
Algorithmen für Suche, Planen, Regelauswertung
angewandte Informatik: Grundlagen
Expertensysteme, Wissensverarbeitende
Systeme, Datenbanken
Anwendung, z.B. in Medizin
Inhalt der Lehrveranstaltung
I
I
Daten, Information, Wissen
Wissensrepräsentation
I
I
I
I
Wiederholung Logik (Aussagen- und Prädikatenlogik)
Entscheidungsbäume, BDDs, Entscheidungstabellen
Regelsysteme
Wissensverarbeitung (Problemlösen)
I
I
I
Entscheidungsunterstützung
Klassifizierung
Planung
I
Darstellung und Verarbeitung unsicheren und unscharfen
Wissens
I
Ontologien, Beschreibungslogik
Literatur
Folien zur aktuellen Vorlesung unter
http://wwwstud.fh-zwickau.de/~sibsc/lehre/
ws11/wbds/
Bücher zu wissensbasierten Systemen:
I Cord Spreckelsen, Klaus Spitzer:
Wissensbasen und Expertensysteme in der Medizin
(Teubner, 2008)
I Ingo Boersch, Jochen Heinsohn, Rolf Socher:
Wissensverarbeitung (Spektrum, 2007)
I Ronald Brachman, Hector Levesque:
Knowledge Representation and Reasoning (Morgan
Kaufmann 2004)
I Stuart Russell, Peter Norvig:
Künstliche Intelligenz (Pearson 2004)
I George Luger: Künstliche Intelligenz (Pearson 2001)
Expertensystemshell d3web:
I http://d3web.sourceforge.net/
Organisation der Lehrveranstaltung
Vorlesungen bis Weihnachten
5 Termine, jeweils Doppel-LV:
I
Vorlesung
I
schriftliche Übungen
praktische Einführung in Expertensystem-Shell d3web
Praktikum im Januar 2012 (Vorleistung)
I
Diagnosesystem zu einem (medizinischen) Thema Ihrer
Wahl
(vor Weihnachten angeben)
I
Gruppen zu je zwei Studenten
I
Präsentation aller Projekte am 24.1.2012,
je Gruppe 20-30 min Vortrag, 10-15 min Diskussion
mündliche Prüfung: 30 min
(zusammen mit „Medizinische Terminologie“)
Intelligente Systeme
Umwelt
System
Eindrücke, Reize
Wahrnehmen, Beobachten
Daten
Erkennen, Verstehen
Information
Anwenden, Können
Wissen
Lernen, Reflektieren
Intelligenz
Wissen, Information, Daten
Daten Darstellungsform (Syntax)
Zeichenketten, Bilder, Ton, . . .
Information Bedeutung der Daten (Semantik)
in einem bestimmten Kontext
Wissen Information mit einem Nutzen
Anwendung beim Problemlösen
Beispiel:
Daten:
Information:
Wissen:
39.7
Körpertemperatur= 39.7◦
Fieber (behandeln)
Fakten- und Regelwissen
Faktenwissen
Fakten, Aussagen, Zusammenhänge, . . .
Beispiel:
I Tom ist ein Kind von Paul.
I Paul ist ein Kind von Anton.
Regelwissen kann zur Problemlösung (z.B. durch Herleitung
neuen Wissens) angewendet werden
Regeln, Algorithmen, Funktionen, . . .
Beispiel:
I Jedes Kind eines Kindes einer Person X
ist ein Enkel von X .
Aber: Repräsentationen von Regeln und Funktionen sind auch
Daten.
(deklarative Programmierung)
Explizites und implizites Wissen
implizit „unbewusst“ angewendtes Wissen
z.B. Bewegungsabläufe, Erkennen von Personen
(Objekten), Reflexe
explizit kommunizierbares Wissen
oft formale Darstellung
z.B. Personendaten, Gebrauchsanweisung,
Spielregeln
Lernvorgänge sind oft Transformationen
explizites → implizites Wissen
z.B. Autofahren, Grammatik in Fremdsprachen
zur maschinellen Wissensverarbeitung ist explizites Wissen
notwendig
Transformation notwendig:
implizites → explizites Wissen
anspruchsvoll, nicht immer möglich
Wissensbasis
Ziel: geeignete Darstellung des Wissens über einen
bestimmten Anwendungsbereich
Methode: Formalisierung, symbolische Darstellung
spezielle Form der Daten in der Wissensbasis abhängig von
I
Problembereich
I
geplante Verwendung
Wissensbasis
Wissen in Wissensbasis ist immer Abstraktion, beschreibt
Modelle der Realität
I
Auswahl von (für den Anwendungsbereich) wichtigem
Wissen
I
Vernachlässigung unwichtiger Details
Beispiele:
I
Liniennetzplan
I
Grundriss
I
Stundenplan
I
Kostenplan
I
Patientenakte
Wissensrepräsentation
Repräsentation des Wissens über einen Problembereich
Ziele:
I
für Problembereiche und Aufgabenstellung geeigneter
Repräsentationsformalismus
(Sprache mit Syntax und Semantik)
I
geeignete Begriffswelt (Ontologie)
I
geeignete Verfahren zur Verarbeitung des formalisierten
Wissens (z.B. logisches Schließen)
Expertenwissen
I
fachspezifisches Wissen in einem Anwendungsgebiet
I
Fähigkeit zur Lösung von speziellen Problemen auf diesem
Gebiet
(Kenntnis fachspezifischer Problemlöseverfahren)
I
Dialogfähigkeit
I
Fähigkeit, geeignete Rückfragen zu stellen
I
Einordnung in Kontextwissen (z.B. Alltagswissen)
I
Kenntnis der Grenzen des eigenen Wissens
I
Lernfähigkeit (Fachliteratur, Gespräche)
Welche dieser Eigenschaften lassen sich mechanisieren?
Wissensverarbeitung
I
kombinatorische Suchprobleme
I
I
algorithmische Suche in Zustandsräumen
logisches Schließen
Beispiel: n-Damen-Problem, kürzeste Wege in Graphen
I
Planen
Finden einer Folge von Aktionen zum Erreichen eines
Zieles
Beispiel: morgens Ankleiden
I
Klassifikation
Finden von Klassen (Diagnosen) anhand der
Merkmalswerte (Symptome)
Beispiel: Fahrzeugtypen, Krankheiten
I
Entscheidungsunterstützung
Bispiel: Kreditvergabe, Auswahl von Therapien, Auswahl
von Spielzügen
Wissensbasierte Systeme
Zentrale Komponenten:
I
Wissensbasis
I
Problemlösekomponente
Hilfs-Komponenten, z.B. für
Interview Abfrage fallspezifischer Information
Nutzer-Dialog
Erklärung Begründung der vorgeschlagenen Lösung
Nutzer-Dialog
Wissenserwerb konsistente Erweiterung der Wissensbasis
Experten-Dialog
Anwendungsbereiche
Analyse-Probleme ,z.B.
I medizinische Diagnosen
I technische Diagnosen
I Überwachung technischer Vorgänge
Synthese-Probleme ,z.B.
I Beratung (z.B. Finanzprodukte)
I Planung
I Konfiguration
Klassische medizinische Expertensysteme
MYCIN (1976) bakterielle Infektionskrankheiten
Trennung von Wissensbasis und
Problemlösekomponente
gewichtete Regeln, Rückwärtsverkettung
PIP (1976) Nierenkrankheiten
simuliert das differentialdiagnostische Vorgehen des
Arztes
Ein- und Ausschlusskriterien
CASNET (1978) Augenkrankheiten
strukturierte Wissensbasis, kausales Netz
INTERNIST-1/CADUCEUS (1982) innere Medizin
Generierung und schrittweiser Ausschluss von
Verdacht-Diagnosen anhand Merkmalskombinationen,
gezielte Rückfragen
APACHE III (1991) Sterberisiko in Intensivmedizin
dauerhaft eingesetzt, kommerziell erfolgreich
Kombination gewichteter Merkmalswerte
Moderne Einsatzgebiete wissensverarbeitender
Systeme im klinischen Routineeinsatz
I
akutmedizinische Systeme (z.B. Überwachung, Beatmung)
I
Entscheidungsunterstützung (z.B. bei Bluthochdruck)
I
Interpretation von Labortests
I
Systeme zu medizinischen Bildverarbeitung
I
Administration
I
Aus- und Weiterbildung
(z.B. Training an simulierten Fällen)
I
Qualitätssicherung
Anforderungen für den Einsatz
im medizinischen Alltag
I
Datenintegration: Nutzung vorhandener Daten,
z.B über Patienten, Krankheiten, Therapien
I
Funktionsintegration
in Standardprozesse im
Krankenhaus-Informationsmanagement
I
Kompetenzintegration
effektive Kombination der Kompetenzfelder von Arzt und
Maschine,
passende Interaktionsmodelle
Voraussetzungen für medizinischen Einsatz
technisch:
I genügend aussagefähige Modelle für Diagnose und
Therapie
(fachliche und theoretische Grundlagen)
I zuverlässige Verarbeitung unsicheren Wissens
I leistungsstarke und zuverlässige Geräte
(z.B. Sensoren, Messgeräte, Rechner)
I IT-Infrastruktur in medizinischen Einrichtungen,
Datenintegration
I regelmäßige Aktualisierung
psychologisch:
I Bedarf
I Referenzmodelle
I Effektivitätssteigerung gegenüber klinischen Routinen
tatsächlicher Einsatz selten, wegen
I Mangel an Vertrauen in maschinelle Verfahren
I hohen Entwicklungskosten
Qualitätskriterien der Wissensbasis
I
für Problembereich geeignete Abstraktion
enthält keine unwichtigen Informationen
I
vollständig
enthält alle zur Problemlösung notwendigen Informationen
I
effektiv, redundanzfrei
enthält keinen Informationen, die sich ableiten lassen
I
verständlich
I
erweiterbar
Repräsentationsformalismen
Anforderungen:
I hinreichende Ausdrucksstärke
I syntaktisch und semantisch eindeutig
I Möglichkeit der maschinellen Verarbeitung
I
klassische Aussagenlogik AL(P)
I
I
I
I
klassische Prädikatenlogik (der ersten Stufe) FOL
I
I
I
I
hinreichende Ausdrucksstärke: oft ja
syntaktisch und semantisch eindeutig: ja
Möglichkeit der maschinellen Verarbeitung: ja
(algorithmische Entscheidbarkeit)
hinreichende Ausdrucksstärke: meist ja
syntaktisch und semantisch eindeutig: ja
Möglichkeit der maschinellen Verarbeitung: meist ja
(Unentscheidbarkeit)
Alternativen: nichtklassische Logiken, z.B.
I
I
Modallogik, Beschreibungslogiken, Temporallogiken
mehrwertige Logiken, Fuzzy-Logik, probabilistische
Logiken
Wissensrepräsentation und -verarbeitung in Logiken
Wissensbasis Formelmenge Φ
Problem (Fragestellung): Formel ψ
Folgt ψ aus Φ?
Lösung
I
I
ja / nein
erfüllende Belegung
Möglichkeiten zum Ableiten neuen Wissens (Formel) aus einer
Wissensbasis (Formelmenge)
Folgern (semantisch): z.B. Wahrheitswerttabellen
Schließen (syntaktisch): z.B. Resolution
Beispiel
Wissensbasis Wenn der Zug zu spät kommt und kein Taxi am
Bahnhof steht, ist Tom nicht pünktlich. Der Zug
kam zu spät und Tom ist pünktlich.
Modellierung: z – Zugverspätung, t – Taxi da, p –
pünktlich
Φ = {z ∧ ¬t → ¬p, z ∧ p}
Problem Stand ein Taxi am Bahnhof? ψ = t
Folgt ψ aus Φ?
Lösung ?
Herunterladen