Zahnärztliche Betreuung bei Tumortherapie der Kopf-Hals

Werbung
CME-Fortbildung
Zahnärztliche Betreuung
bei Tumortherapie der Kopf-Hals-Region
– Teil 1: Radiatio
CME
885
Rubrikherausgeber:
H. Riechelmann,
Innsbruck
Dental Care in Case of Head and Neck Cancer
– Part I: Radiotherapy
Zusammenfassung
!
Die zahnärztliche Betreuung im Zusammenhang mit einer Bestrahlung bei Patienten mit KopfHals-Tumoren sollte von erfahrenen Zahnärzten durchgeführt werden. Nach einer gründlichen
Reinigung der Zähne sowie des Zahnersatzes ist für die Fokussuche im Vorfeld der Bestrahlung
nicht nur ein umfassender Röntgenstatus, sondern auch ein sorgfältiger klinischer Befund erforderlich, und Extraktionen müssen die spätere prothetische Versorgung sowie die finanziellen Möglichkeiten des Patienten berücksichtigen. Schleimhautdistraktoren zur Bestrahlung,
die auch als Fluoridierungsschienen genutzt werden können, aber auch Spreader zur Dosisreduzierung von Bereichen, die nicht bestrahlt werden müssen, kann der Zahnarzt anfertigen.
Während der Bestrahlung kann der Zahnarzt helfen, eine – den Umständen entsprechende –
gute Mundhygiene aufrecht zu erhalten. Vor allem nach der Bestrahlung sollte der Zahnarzt
durch engmaschiges Recall den Patienten begleiten, ggf. Speichelersatzmittel empfehlen,
Lymphdrainagen verordnen, die Mundöffnung kontrollieren und die regelmäßige Fluoridierung der Zähne zur Vermeidung radiogener Läsionen und damit zur Vermeidung von Osteoradionekrosen sicherstellen. Natürlich ist es – wenn nötig – auch die Aufgabe des Zahnarztes, zu
gegebenem Zeitpunkt durch Zahnersatz Ästhetik, Phonetik und Kaufunktion des Patienten
wieder herzustellen.
Schlüsselwörter
" zahnärztliche Betreuung
l
" Strahlentherapie
l
" Mukositis
l
" radiogene Läsionen
l
" Osteoradionekrose
l
" hyperbare Sauerstofftherapie
l
Key words
" dental care
l
" radiotherapy
l
" oral mucositis
l
" irradiation caries
l
" osteoradionecrosis
l
" hyperbaric oxygen therapy
l
Abstract
!
The dental care because of radiotherapy in case of head and neck cancer should be practiced by
skilled dentists. First the residual teeth and the dental restorations have to be cleaned and controlled very well. Radiographs complete examinations. Necessary extractions should consider
the later prosthodontic restoration with regard to the financial situation of the patient. Mucosal
distractors also useful for fluoridation of the teeth and spreader preventing areas which have
not necessarily to be irradiated can be manufactured by the dentist. During irradiation the dentist can help to keep up good oral hygiene. After irradiation a close monitoring may avoid dental
destruction and osteoradionecrosis of the jaws. The dentist should recommend strategies to
moderate xerostomia and he can subscribe lymphodrainage if necessary. He can survey the
opening of the mouth and the fluoridation of the teeth to limit irradiation caries and osteoradionecrosis. In the end the dentist has to reestablish esthetics, phonetics and chewing function by manufacturing dental restorations.
Zahnärztliche Tumorsprechstunde, Konsiliarzahnarzt des Universitätsklinikums Ulm
Ludwig E. Zahnärztliche Betreuung bei Tumortherapie … Laryngo-Rhino-Otol 2008; 87: 885 – 901
Bibliografie
DOI 10.1055/s-2008-1077778
Laryngo-Rhino-Otol 2008; 87:
885–901 Georg Thieme
Verlag KG Stuttgart · New York
ISSN 0935-8943
Korrespondenzadresse
Dr. med. dent. Elmar Ludwig
Zahnärztliche Tumorsprechstunde,
Konsiliarzahnarzt des
Universitätsklinikums Ulm
Klinik für Mund-, Kiefer- und
Gesichtschirurgie
Albert-Einstein-Allee 11
89081 Ulm
[email protected]
Heruntergeladen von: IP-Proxy Thieme IP Account, Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt.
E. Ludwig
CME
CME-Fortbildung
Einleitung
!
" Patienten mit Radiatio oder Resekl
tion von Tumoren im Kopf-HalsBereich sollten von entsprechend
versierten Zahnärzten betreut
werden.
Etwa 10 000 Menschen erkranken in Deutschland derzeit jedes Jahr an einem Tumor im MundRachen-Bereich. Sowohl die alleinige Bestrahlung als auch die kombinierte Radiochemotherapie und natürlich resektive Verfahren fordern den betreuenden Zahnarzt in der Wiederherstellung von Ästhetik, Phonetik und Kaufunktion in besonderer Weise heraus. Die Betreuung sollte
von Zahnärzten mit Behandlungsschwerpunkt im Bereich Zahnersatz durchgeführt werden,
damit den Patienten während und vor allem auch nach der Primärtherapie in der Phase der Rehabilitation ein kompetenter Ansprechpartner zur Seite steht, da oft im Vorfeld Zähne entfernt
werden müssen oder sogar ganze Kiefer-Gesichts-Bereiche zu rekonstruieren sind. Im ersten
Teil dieser Artikelserie wird die zahnärztliche Betreuung von Patienten mit Radiatio im KopfHals-Bereich dargestellt. Der 2. Teil beschäftigt sich mit den prothetisch-epithetischen Möglichkeiten nach Tumorresektion im Kiefer-Gesichts-Bereich. Der Autor war 8 Jahre lang Mitarbeiter der Klinik für Zahnärztliche Prothetik in Ulm und führt am Universitätsklinikum Ulm
seit 3 Jahren eine interdisziplinäre zahnärztliche Tumorsprechstunde – seit Kurzem als Konsiliarzahnarzt – zur Betreuung beider Patientengruppen.
Zahnärztliche Betreuung bei Radiatio – vor der Bestrahlung
!
" Eine gute zahnärztliche Fokusl
abklärung beinhaltet neben der
Entfernung weicher und harter
Beläge ein Orthopantomogramm,
einzelne Mundfilmaufnahmen und
einen sorgfältigen klinischen
Befund.
Für die Fokussuche sind harte und weiche Beläge zur sicheren Beurteilung der Zähne zu entfer" Abb. 1). Bei der Röntgendiagnostik ist das Orthopantomogramm (OPT) allein oft unzunen (l
reichend. Bissflügelaufnahmen und Mundfilme wurzelkanalbehandelter Zähne sowie solcher
Zähne, die sich im OPT durch Projektionsphänomene unscharf darstellen (z. B. Überlagerungen,
" Abb. 2).
Zähne außerhalb der Ebene), sollten ergänzend durchgeführt werden (l
Der abschließende klinische Befund konzentriert sich auf die Kariesdiagnostik und den Zustand des Parodontiums, der Schleimhäute sowie der Qualität des vorhandenen Zahnersatzes
(Lockerung von Brücken, Passungenauigkeiten von Prothesen).
Sanierung mit Augenmaß
" Der Unterkiefer-Seitenzahnbereich
l
muss aufgrund der Gefahr einer
Osteoradionekrose besonders
kritisch beurteilt werden.
Man sollte sich immer im Klaren darüber sein, dass die Patienten gerade mit einer schwerwiegenden Diagnose konfrontiert wurden. Leichtfertige Äußerungen und übertriebenes Sicherheitsdenken sollten sorgsam gegen das geplante Strahlenfeld und die geplante Strahlendosis
abgewogen werden. Nicht zuletzt müssen aber auch die Compliance und die finanziellen Möglichkeiten der Patienten in die Überlegungen mit einbezogen werden.
Besonders kritisch im Hinblick auf Spätkomplikationen sind Molaren im Unterkiefer zu beurteilen. Dieser Bereich wird allein durch ein Blutgefäß versorgt (Arteria alveolaris inferior)
und liegt meist voll im Strahlenfeld. Bei der üblichen applizierten Strahlendosis von 60 – 70 Gy
kann auch Jahre nach Abschluss der Strahlentherapie die zunehmende Hypovaskularisierung
eine Osteoradionekrose meist infolge chirurgischer Eingriffe bis hin zur Notwendigkeit von
Unterkieferteilresektionen nach sich ziehen. Der Unterkiefer-Frontzahnbereich liegt meist
nicht voll im Strahlenfeld und wird zudem von Anastomosen der Arteria facialis mitversorgt.
Der Oberkiefer ist insgesamt deutlich besser durchblutet und ebenfalls nicht immer voll im
Strahlenfeld.
Abb. 1 m-61 Jahre – Mundboden-Karzinom links – Zahnbeläge sollten vor der Fokussuche entfernt werden.
Ludwig E. Zahnärztliche Betreuung bei Tumortherapie … Laryngo-Rhino-Otol 2008; 87: 885 – 901
Heruntergeladen von: IP-Proxy Thieme IP Account, Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt.
886
CME
Abb. 2 m-69 Jahre – Hypopharynx-Karzinom – Das Orthopantomogramm stellt sowohl anatomische wie
pathologische Prozesse zum Teil unzureichend dar (a). Mundfilme zur Detaildarstellung sind bei der Fokussuche
oft hilfreich. Hier Karies jeweils distal an den Zähnen 38, 48 (b, c) sowie gute knöcherne Durchbauung im
Oberkiefer links (d, e).
Die Entfernung im Knochen unauffälliger retinierter Zähne ist aufgrund der großen Wunde, die
hier entsteht und der oft kurzen Zeit bis zum Beginn der Bestrahlung nicht angezeigt
" Abb. 3). Auch wurzelkanalbehandelte Zähne sowie osseointegrierte Implantate, die klinisch
(l
und röntgenologisch unauffällig sind, sollten heute, selbst wenn sie im Strahlenfeld liegen, belassen werden. Marx konnte zeigen, dass Osteoradionekrosen aufgrund präventiv entfernter
Risikozähne 3 Wochen vor Beginn der Radiatio sicher vermieden werden können. Mindestens
sollten aber 10 – 14 Tage als Zeitfenster der Wundheilung eingehalten werden [1].
" Die Radiatio sollte frühestens
l
10 – 14 Tage nach notwendigen
Extraktionen begonnen werden.
Hilfsmittel
Zur Schonung nicht notwendigerweise zu bestrahlender Bereiche können neben verfügbaren
konfektionierten Spreadern (Keile) über den Zahnarzt nach Rücksprache individuelle Spreader
" Abb. 4). Auch in der After-loading-Therapie sind individuell angefertigte
gefertigt werden (l
Strahlenapplikatoren durch den Zahnarzt realisierbar.
Der übliche Einsatz von Photonen führt an metallischen Oberflächen zur Entstehung von
Sekundärstrahlung (b-Bremsstrahlung), die eine Dosiserhöhung und damit stärkere Akutschädigung der direkt anliegenden Weichteile nach sich zieht. Durch Schleimhautdistraktoren im
Sinne von einfachen Tiefziehschienen mit einer Mindeststärke von 3 mm kann die Dosiserhö" Abb. 5). Überkronte Zähne haben zwar auch
hung weitestgehend kompensiert werden [2] (l
" Abb. 6), aber Bleiabschirmungen
eine günstigere Prognose als naturgesunde Zähne [3] (l
müssten für einen effektiven Schutz der Zähne 20 – 30 mm stark sein [4], haben dann unter
Umständen ungewünschte Strahlenschatten zur Folge und finden daher in der Klinik keine Anwendung [5].
Die Schleimhautdistraktoren können gleichzeitig als Medikamententräger zur Vorbeugung ra" Abb. 5). Neutrale Fluorid- und
diogener Läsionen („Strahlenkaries“) eingesetzt werden (l
Chlorhexidin-Präparate reduzieren die Entstehung des strahlenbedingten Zahnverfalls [6, 7].
Hauptursache des Zahnverfalls ist einerseits die Schädigung des Speicheldrüsenparenchyms
[8] bis hin zur Xerostomie mit der Folge einer herabgesetzten Immunkompetenz und reduzierter Remineralisationsfähigkeit des Zahnschmelzes. Auf der anderen Seite führen strahlenindu-
Ludwig E. Zahnärztliche Betreuung bei Tumortherapie … Laryngo-Rhino-Otol 2008; 87: 885 – 901
" Spreader können Bereiche, die
l
nicht bestrahlt werden sollen,
schonen.
" Tiefziehschienen mit einer Stärke
l
von mindestens 3 mm reduzieren
als Schleimhautdistraktoren
die Akutschädigung von Weichgeweben, die metallischen Zahnkronen anliegen.
" Als Medikamententräger können
l
die Schienen radiogene Läsionen
verhindern, aber nur, wenn sie
lebenslang regelmäßig eingesetzt werden (neutrale Fluoridgele, nicht länger als 5 min).
887
Heruntergeladen von: IP-Proxy Thieme IP Account, Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt.
CME-Fortbildung
CME
CME-Fortbildung
Abb. 3 m-57 Jahre – Hypopharynx-Karzinom – Während
der Zahn 16 aufgrund der im
Orthopantomogramm erkennbaren massiven Sekundärkaries
nicht erhaltungswürdig ist, sollte
der retinierte Weisheitszahn kurz
vor Beginn der Radiatio belassen
werden, da hier eher die Gefahr
eine Osteoradionekrose provoziert wird.
Abb. 4 m-23 Jahre –
Rhabdomyosarkom
Kieferhöhle links –
Ein individuell angefertigter Spreader auf der
Basis einer Tiefziehschiene hält bei weiter
Mundöffnung den Unterkiefer und die Zunge
aus dem Strahlenfeld.
zierte Veränderungen im Dentin zu einer Abnahme der kohäsiven Festigkeit sowie zu einem
verringerten E-Modul und verringerter Härte [8 – 10]. Wird auf dem Schmelzmantel aber durch
regelmäßige Fluoridierungen eine widerstandsfähige CaF-Schicht gebildet und Bakterien effektiv mit CHX-Präparaten reduziert, so lassen sich demineralisationsbedingte Schmelzabplatzungen auf dem erweichten Dentin (radiogene Läsion) und damit beschleunigte kariöse Zerstörungsprozesse der Zähne nachweislich einschränken [3]. Die Schienen müssen vor allem
nach Abschluss der Bestrahlung konsequent jeden Tag für 5 min weiter getragen werden – lebenslang! Dabei sollten neutrale Fluoridgele zum Einsatz kommen, um eventuell freiliegendes
Dentin nicht unnötig aufzulösen. Eine Fluoridierung von mehr als 5 min kann zudem der Bildung von Flusssäure Vorschub leisten und kehrt die beabsichtigte Wirkung der Fluoridierung
ins Gegenteil.
Während der Bestrahlung
!
Mukositis und Pilzerkrankungen
" Weiche Zahnbürste und milde
l
Zahnpasta können Pilzausbreitungen eindämmen helfen.
Eingliederung von schleimhautgetragenem Zahnersatz nur zu
bestimmten Zeitpunkten am Tag
und der Verzicht auf Haftvermittler sind sehr wichtig.
Auch wenn zur Behandlung und Milderung der akut auftretenden Mukositis eine Vielzahl an
Präparaten vereinzelt eingesetzt wird, so hat sich bis zum heutigen Tag kein wirklicher Stan" Abb. 7). Amifostin, TCM und hydrolytische Enzyme sind in ihrer Wirksamkeit
dard etabliert (l
in der Literatur am ehesten belegt [12].
Bei den regelmäßigen zahnärztlichen Kontrollen (alle 1 – 2 Wochen) während der Radiatio inspiziert der Zahnarzt die Mundhöhle. Neben Spülungen mit Panthenol, Salbeitee und Wasser
sowie Nystatin-Benzocain-Lösungen ist mit zunehmender Bestrahlungsdauer eine Umstellung
der Mundhygiene auf eine weiche Zahnbürste und eine milde Zahnpasta nötig, die von den Pa" Abb. 8). Die Patienten werden darauf hingewiesen, auch die
tienten gut toleriert wird (l
Schleimhautareale mit der Zahnbürste gesondert zu putzen, um überbordende Pilzausbreitun-
Ludwig E. Zahnärztliche Betreuung bei Tumortherapie … Laryngo-Rhino-Otol 2008; 87: 885 – 901
Heruntergeladen von: IP-Proxy Thieme IP Account, Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt.
888
CME-Fortbildung
CME
889
gen besser kontrollieren zu können. Zudem werden die Patienten wiederholt gemahnt,
schleimhautgetragenen Zahnersatz nur noch zu bestimmten Zeitpunkten am Tag (z. B. zu den
Mahlzeiten) einzugliedern. Der Einsatz von Haftvermittlern (Haftpulver, Haftcreme) ist bei zunehmender Mukositis nicht zu empfehlen.
Geschmack, Speichelfluss, Heiserkeit, Schluckstörungen
Der Zahnarzt kann die Veränderungen von Geschmack, Speichelfluss sowie eventuell Schluckstörungen und Heiserkeit nicht beeinflussen. Die Patienten sind trotzdem dankbar, wenn auch
der Zahnarzt die Veränderungen anspricht und seine Kompetenz hier erkennen lässt. Wenn die
großen Speicheldrüsen im Strahlenfeld sind, nimmt die stimulierte Speichelfließrate bereits
innerhalb der ersten Behandlungswoche von 1 – 3,5 ml/min auf unter 0,5 ml/min und im weiteren Verlauf auf 5 % der präradiotherapeutischen Fließrate ab [13]. Schleimlösende Substanzen werden bei Bedarf von den Strahlentherapeuten verordnet. Wie bei der Mukositis gibt es
Hinweise, dass Ethyol eine protektive Wirkung bezüglich der Xerostomie hat [14]. Auch die
Gabe von Cumarin/Troxerutin während der Strahlentherapie soll protektiv wirksam sein
[15,16].
Ludwig E. Zahnärztliche Betreuung bei Tumortherapie … Laryngo-Rhino-Otol 2008; 87: 885 – 901
Heruntergeladen von: IP-Proxy Thieme IP Account, Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt.
Abb. 5 m-72 Jahre –
Zungenrand-Karzinom rechts –
Die Fluoridierungsschiene (a)
kann durch die Verstärkung (b)
im Bereich der Vollgusskrone 36
(c) zusätzlich als Schleimhautdistraktor zur Reduzierung von
Dosiserhöhungen im Bereich der
anliegenden Wangenschleimhaut eingesetzt werden.
CME
CME-Fortbildung
Abb. 6 m-72 Jahre – Tonsillen-Karzinom – Die überkronten Zähne sind 2 Jahre nach Bestrahlung noch intakt,
die nativen seitlichen Schneidezähne im Unterkiefer sind dagegen radiogen zerstört (Dosis 60 Gy).
Abb. 7 m-57 Jahre – Oropharynx-Karzinom – Mukositis mit
Blasenbildungen im Verlauf der
Bestrahlung (54/66 Gy). Mundhygiene ist in diesem Stadium
nur noch mit weichen Zahnbürsten und milden Zahnpasten
möglich.
Abb. 8 m-47 Jahre – Oropharynx-Karzinom – fulminanter
Pilzbefall im Verlauf der Bestrahlung (48/66 Gy). Mit der Zahnbürste sollten hier auch die
Schleimhautbereiche vorsichtig
unterstützend mechanisch gereinigt werden.
Ludwig E. Zahnärztliche Betreuung bei Tumortherapie … Laryngo-Rhino-Otol 2008; 87: 885 – 901
Heruntergeladen von: IP-Proxy Thieme IP Account, Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt.
890
CME-Fortbildung
CME
891
Heruntergeladen von: IP-Proxy Thieme IP Account, Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt.
Abb. 9 m-62 Jahre – Zungenrand-Mundboden-Karzinom
rechts – Zustand nach Operation
und 0,5 Jahre nach Bestrahlung.
Der Lymphstau (a) führte zu
einer Zungenvergrößerung und
in Kombination mit der verkürzten Zahnreihe zu rezidivierenden
Einbissverletzungen (b). Ein
Zahnersatz kann Abhilfe schaffen
(c).
Nach der Bestrahlung
!
Mukositis, Geschmack, Speichelfluss
Während sich die Mukositis bereits nach etwa 10 Tagen post radiationem zu bessern beginnt,
und auch Heiserkeit und Schluckstörungen nach 4 Wochen klinisch in der Regel nicht mehr
auffällig sind, stellt die Geschmacksbeeinträchtigung die Patienten oft auf eine monatelange
Geduldsprobe [17]. Vor allem aber sind Lymphstau, Xerostomie, Trismus, radiogene Läsionen
und Osteoradionekrose mittelfristig und langfristig die Probleme, die es zu meistern gilt.
Lymphstau
Der Lymphstau ist ein häufig zu beobachtendes Phänomen, zum Teil schon beginnend während
der Radiotherapie. Zum einen führt die Schwellung im Bereich des Halses zu einer Einschränkung der Kopfbeweglichkeit. Vor allem intraoral kann eine Zungenschwellung – vor allem bei
" Abb. 9). Deshalb
ungünstigem Zahnstatus – zu rezidivierenden Einbissverletzungen führen (l
sollte frühzeitig mit Lymphdrainagen (2/Woche) begonnen werden. Zahnärzte verwenden
hierzu das Muster 16 und können 12 Lymphdrainagen verordnen.
Ludwig E. Zahnärztliche Betreuung bei Tumortherapie … Laryngo-Rhino-Otol 2008; 87: 885 – 901
" Radiogen bedingter Lymphstau
l
kann bei ungünstigem Zahnstatus zu rezidivierenden Einbissverletzungen der Zunge führen.
CME
CME-Fortbildung
Xerostomie und Mundflora
" Merke: Lang anhaltende Xerostomie
l
führt zur Auflösung der Zahnhartsubstanzen (Dentin und Schmelz).
Selbst bei intensitätsmodulierter Radiotherapie (IMRT), opponierenden Feldern und dem Einsatz von Spreadern gelingt es oft nicht, die Speicheldrüsen ausreichend aus dem Strahlenfeld
freizuhalten. Wenn eine Ohrspeicheldrüse nicht mindestens zu 50 % außerhalb des Strahlenfeldes liegt [18] oder die applizierte Strahlendosis nicht unter 26 Gy gehalten werden kann, muss
mit einer Xerostomie mit starker subjektiver Beeinträchtigung des Patienten gerechnet werden. Ab einer applizierten Dosis von über 40 Gy sind die Schädigungen der betroffenen Speicheldrüsen irreversibel [19, 20]. Mittels Adenoviren transferierte Aquaporin-1-cDNA wird in
verschiedenen Tierversuchen unterschiedlich erfolgreich bewertet [21, 22].
Neben den quantitativen müssen – gerade vom Zahnarzt – auch qualitative Veränderungen des
Speichels berücksichtigt werden. Der pH-Wert des Speichels nimmt von 6,8 auf 5,0 ab. Ab pHWerten unter 6,2 wird freiliegendes Dentin bereits aufgelöst (Schmelz < 5,5). Bikarbonat ist geringer konzentriert und damit die Pufferkapazität weiter eingeschränkt. [13]. Der Verlust der
immunologischen Kompetenz führt in Kombination mit der Mundtrockenheit zur Prävalenz
azidogener Mikroorganismen (Streptococcus mutans, Lactobazillen- und Candidaspezies) mit
einem Maximum etwa 3 – 6 Monate nach Bestrahlungsende [23, 24].
Trockener Mund – was tun?
" Bei trockenem Mund ist meist
l
eine Kombination verschiedener
Anwendungen sinnvoll – diese ist
immer individuell auf den jeweiligen Patienten abzustimmen.
Glandosane greift die Zähne an!
Aufgrund der vielen individuellen Parameter (IMRT, Strahlenfeld, Strahlenart, Strahlensensibilität, zahnärztliche Rekonstruktionen) hat sich gezeigt, dass jeder Patient unterschiedliche
Maßnahmen ergreifen kann und muss, um dem Problem der Mundtrockenheit zu begegnen
[25]. Die meisten Patienten gewöhnen sich schnell an, immer eine kleine Flasche oder einen
Dispenser mit Wasser oder Salbeitee bei sich zu tragen und nach Bedarf einzusetzen. Bei Spülungen gilt: Tränken ist nicht gleich Trinken. Für ein anhaltendes Feuchtigkeitsempfinden sollte die Flüssigkeit mindestens 2 min im Mund bewegt werden. Zuckerfreie Bonbons, besser
noch 3-mal täglich für 10 min Kaugummi kauen (wenn es der Zahnstatus des Patienten erlaubt), um die Speicheldrüsen auch mechanisch zu stimulieren, wird von den Patienten ebenfalls als hilfreich beurteilt. Bei schleimhautgetragenem Zahnersatz kann die Benetzung der Prothesenunterseite eine mechanische Traumatisierung der Schleimhäute vermeiden helfen.
Haftcreme – je weniger, desto besser – ist für den Halt einer Totalprothese oft unerlässlich. Spülungen mit Speiseöl sowie der Gebrauch von Margarine oder Butter für die Nacht ist für manche Patienten angenehm.
Speichelersatzmittel werden nach 3 verschiedenen Kriterien beurteilt: Das rheologische Verhalten (Haftung auf der Mundschleimhaut), das subjektive Empfinden und der Gehalt an mineralischen Substanzen. Glandosane beispielsweise ist ein weit verbreitetes Speichelersatzmittel. Aufgrund seines hohen Gehalts an titrierbarer Säure und dem geringen Gehalt an Mineralien sollte beim bezahnten Patienten auf dieses Mittel verzichtet werden, da sonst die Restzähne angegriffen werden können. Speichelersatzmittel werden auf der Basis von Carboxymethylcellulose (CMC), Muzin, Öl bzw. Glycerin-Gel hergestellt. Beigemengt werden zudem Kalzium- und Phosphatsalze zur Kariesprophylaxe sowie beispielsweise Lactoferrin oder Lysozym
zur Steigerung der Immunabwehr. Aldiamed-Mundgel bzw. -Mundspülung hat sich in der
Praxis des Autors sehr bewährt. Alle Speichelersatzmittel sollten aber aufgrund der Kosten für
den Patienten nur als Ergänzung (zum Beispiel für die Nacht oder wenn viel gesprochen werden muss) eingesetzt werden.
Medikamentöse Speichelstimulanzien, wie Pilocarpin, bedingen eine Restaktivität der Speicheldrüsen, die oft nicht gegeben ist und nicht zuletzt aufgrund der Nebenwirkungen finden
diese Mittel in der Praxis kaum Anwendung.
Trismus
" Um Trismus vorzubeugen sollte
l
mehrmals täglich der Mund weit
geöffnet werden und bei den
Nachsorgeuntersuchungen auch
die Mundöffnung stets kontrolliert werden.
Postoperative narbige Kontrakturen, Lymphstau sowie Schluckbeschwerden infolge radiochemotherapeutischer Behandlungsstrategien können eine eingeschränkte Mundöffnung zur Folge haben. Spatelübungen, konsequente physiotherapeutische Maßnahmen (auch Ultraschall
und Taping) sind wichtige Maßnahmen, um die Mundöffnung und die Kopf-Hals-Beweglichkeit zu verbessern. Auch das Therabite (Atos Medical GmbH, ca. =C 650,-, rezeptierbar) ist ein
geeignetes Trainingsgerät. Mehrmalige weite Mundöffnungen jeden Tag ab Beginn der Bestrah" Abb. 10).
lung stellen eine gute Trismusprophylaxe dar und sind deutlich kostengünstiger (l
Ludwig E. Zahnärztliche Betreuung bei Tumortherapie … Laryngo-Rhino-Otol 2008; 87: 885 – 901
Heruntergeladen von: IP-Proxy Thieme IP Account, Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt.
892
CME-Fortbildung
CME
893
Radiogene Läsionen
Die Fortführung regelmäßiger Fluoridierungen – gerade nach der Strahlentherapie – ist von
großer Wichtigkeit. Zahnpasten mit therapeutischen Zusätzen wie Kalzium und Phosphat
oder antibakteriellen Enzymen können als Ergänzung zu den Fluoridgelen durch ihre besondere remineralisierende Wirkung auch im Bereich des Wurzeldentins den Zuwachs kariöser
Läsionen signifikant reduzieren [26]. Zahnfreundlich ausgewiesene Nahrungsmittel sind in
Wahrheit „schmelzfreundlich“ (pH-Wert innerhalb von 30 min nach Verzehr nicht unter 5,7).
Im Gegensatz zu Sorbit und Mannit ist lediglich Xylit als nichtkalorischer Zuckeraustauschstoff
neben den Zuckerersatzstoffen („Süßstoffen“) Saccharin und Aspartam unproblematisch.
3-mal täglich xylithaltigen Kaugummi kauen – wenn möglich – stellt daher eine sinnvolle
Maßnahme zur Provokation der Restaktivität der Speicheldrüsen dar, und Xylit ist zudem bakterizid wirksam.
Eventuell müssen auch frühzeitige Überkronungen zur Vermeidung weiterer dentaler Destruktionen in Erwägung gezogen werden.
Werden all diese Maßnahmen versäumt, ist der radiogen bedingte Zahnverfall nicht aufzuhalten, und bereits in kurzer Zeit können umfangreiche Gebiss-Sanierungen mit der möglichen
" Abb. 11).
Komplikation einer Osteoradionekrose die Folge sein (l
Osteoradionekrose
Die Inzidenz der Osteoradionekrose ist sehr stark vom untersuchten Kollektiv [27] und der
Qualität der Betreuung der Patienten abhängig. In erster Linie ist der Unterkiefer-Seitenzahnbereich für die Entwicklung einer Osteoradionekrose gefährdet (Durchblutung, Strahlenfeld)
" Abb. 12).
[28] (l
Noch 1970 sah man die Osteoradionekrose als Folge einer traumabedingten Infektion des Knochens nach Bestrahlung an. Man sprach deshalb auch von der infizierten Osteoradionekrose
[29].
Ludwig E. Zahnärztliche Betreuung bei Tumortherapie … Laryngo-Rhino-Otol 2008; 87: 885 – 901
" Regelmäßige Fluoridierungen
l
und der Einsatz von Zahnpasten
mit therapeutischen Zusätzen
können radiogene Läsionen an
den Zahnhartsubstanzen reduzieren.
Heruntergeladen von: IP-Proxy Thieme IP Account, Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt.
Abb. 10 Trismus – Möglichkeiten zur Verbesserung der
Mundöffnung (7 ” 7 min pro
Tag). Prophylaktisch mehrmalige
weite Mundöffnung von Beginn
der Behandlung an kann das
Problem des Trismus vermeiden
helfen.
CME
CME-Fortbildung
Abb. 11 Stadien radiogener
Läsionen (in allen dargestellten
Fällen wurde eine konsequente
tägliche Fluoridierung der Zähne
nicht durchgeführt). Zunächst
nach 1 Jahr großflächige
Schmelzabplatzungen zahnhalsnah (a). Im Röntgenbild ist die
zirkuläre Zerstörung der Zähne
im Bereich der Zahnhälse deutlich erkennbar (b). Nach 2 Jahren
schließlich nur noch Wurzelreste
(c, anderer Patient).
" Osteoradionekrosen werden
l
verursacht durch eine Abnahme
des Sauerstoffpartialdrucks im
Gewebe und eine dadurch bedingte Hemmung bestimmter
Enzyme der Kollagen-Synthese.
" Bei Hochrisikopatienten (z. B.
l
therapieresistente Osteoradionekrose oder vor umfangreichen
Extraktionen im Unterkiefer Jahre
nach Bestrahlung) sollte die
Anwendung einer hyperbaren
Sauerstoff-Therapie nach dem
Marx-Protokoll in Erwägung
gezogen werden.
Robert E. Marx konnte in den 1980er-Jahren eindrücklich zeigen, dass diese These nicht zu halten ist. So waren beispielsweise spontan aufgetretene Osteoradionekrosen ohne erkennbares
Trauma nicht erklärbar. Zudem waren Osteoradionekrosen auch in Körperregionen beobachtet
worden, die primär keimfrei sind (Becken und Schlüsselbein), und schließlich waren nur oberflächlich Streptokokken und Candida festzustellen, also keine osteomyelitistypische Keimflora
[30]. Marx konnte nachweisen, dass vielmehr der Sauerstoffpartialdruck im Gewebe aufgrund
einer über die Jahre zunehmenden (!) Hypovaskularisierung (Endarteriitis obliterans und
Fibrosierung) abnimmt und diese Hypoxie bestimmte Enzyme der Kollagen-Synthese (Prolin-,
Lysinhydroxylase) hemmt. So führt die Hypozellularität schließlich zum Gewebeuntergang im
Sinne einer nicht heilenden Wunde [30].
In der Folge hat Marx in seiner Klinik das Marx-Protokoll zur Behandlung therapieresistenter
Osteoradionekrosen entwickelt und an einer Vielzahl der eigenen Patienten erfolgreich angewendet. Die hyperbare Sauerstofftherapie (HBO-Therapie) ist hierbei zentraler Bestandteil,
" Abb. 13). Eine erhöhte Gekombiniert mit bedarfsangepasster chirurgischer Intervention (l
fahr HBO-verursachter Tumorrezidive konnte Marx nicht feststellen. Marx empfiehlt die HBOTherapie zudem prophylaktisch bei umfangreichen Extraktionen im Unterkiefer-Seitenzahnbereich mehrere Jahre nach Bestrahlung im Kopf-Hals-Bereich [1, 30]. Viele andere Autoren haben
den Nutzen dieser Therapie bestätigt [31] – übrigens auch für eine verbesserte kumulative
Überlebensrate kraniofazialer Implantate, die nach Bestrahlung eingebracht wurden [32].
Ludwig E. Zahnärztliche Betreuung bei Tumortherapie … Laryngo-Rhino-Otol 2008; 87: 885 – 901
Heruntergeladen von: IP-Proxy Thieme IP Account, Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt.
894
CME-Fortbildung
CME
895
Obwohl Marx ebenfalls die Darstellung der persönlichen Vorteile der Betroffenen (reduzierte
Einnahme von Schmerzmitteln und Antibiotika, weniger Krankenhausaufenthalte), vor allem
aber die der wirtschaftlichen Vorteile seiner Therapiestrategie nicht schuldig blieb, bedarf es
in Deutschland noch heute großer Anstrengungen, die Überdrucktherapie für diese Patientengruppe durch die Krankenkassen erstattet zu bekommen. Neueste Übersichtsarbeiten stellen
die Evidenz der hyperbaren Sauerstoff-Therapie zwar wieder infrage [33], können aber kein
Verfahren nennen, das besser geeignet ist. Und schließlich bleibt anzumerken, dass es weltweit
bis heute kaum einen Wissenschaftler gibt, der die Osteoradionekrose so umfassend und detailliert untersucht hat.
Regelmäßiges Recall
Leider werden gerade Tumorpatienten oft zahnärztlich unzureichend betreut. Dabei wäre es
für die Lebensqualität vor allem auf mittlere und lange Sicht wichtig, diese Patienten in ein
engmaschiges Recall, mindestens alle 3 Monate, im Einzelfall auch alle 4 Wochen, einzubinden.
Die Etablierung und Kontrolle der situationsbezogenen Mundhygiene, die regelmäßige Fluoridierung, die Kontrolle der Mundöffnung, die bedarfsorientierte Rezeptierung von Lymphdrainage und Physiotherapie, die zahnstatusorientierte Auswahl von Speichelersatzmitteln, vor allem aber die Ermöglichung der Nahrungsaufnahme mit eigenen Zähnen bzw. mit suffizientem
Zahnersatz könnten durch den Zahnarzt unterstützt werden.
" Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren
l
sollten engmaschig in ein zahnärztliches Recall eingebunden
werden, um die Lebensqualität
der Betroffenen aufrechtzuerhalten bzw. zu verbessern.
Dentale Rehabilitation nach Radiatio
Für die Wiederherstellung von Ästhetik, Phonetik und Kaufunktion kann aufgrund der individuell sehr unterschiedlichen Situation bezüglich Zahnstatus, Strahlenfeld und Strahlendosis
kein festes Schema aufgestellt werden. Eine absolute Karenz herausnehmbarer schleimhautgetragener Prothesen für 3 – 6 Monate ist zwar aufgrund der strahlungsbedingt reduzierten
Schleimhautsensibilität mit der Gefahr der Ausbildung großer asymptomatischer Druckulzera
nachvollziehbar, den meisten Patienten aber nicht zuzumuten. Realistischer und klinisch bewährt ist die Empfehlung nächtlicher Prothesenkarenz sowie tagsüber für Stunden den tegumental getragenen Zahnersatz herauszunehmen. Im Rahmen der Recall-Termine ist zu prüfen,
ob vorhandene Prothesen zum Beispiel im Sinne einer Unterfütterung optimiert werden müssen. Die Fertigung von neuem Zahnersatz ist ebenfalls individuell abhängig (radiogene Läsionen, Totalsanierungen vor Radiatio) und kann bereits 1 – 2 Monate nach Radiatio sinnvoll sein.
Ludwig E. Zahnärztliche Betreuung bei Tumortherapie … Laryngo-Rhino-Otol 2008; 87: 885 – 901
" Für die dentale Rehabilitation
l
kann aufgrund der individuell
sehr unterschiedlichen Situation
bezüglich Zahnstatus, Strahlenfeld und Strahlendosis kein festes
Schema aufgestellt werden.
Heruntergeladen von: IP-Proxy Thieme IP Account, Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt.
Abb. 12 m-62 Jahre –
PEC der Mundschleimhaut rechts – Tief kariös
zerstörter Zahn 46 mit
arrodiertem Knochen
5 Jahre nach Bestrahlung mit 60 Gy (a, b).
Osteoradionekrose 2,5
Monate nach Extraktion
(c) trotz Antibiotikatherapie und sorgfältiger chirurgischer
Entfernung.
CME
CME-Fortbildung
Abb. 13 m-45 Jahre – Oropharynx-Karzinom
links – Zustand 3 Jahre nach Bestrahlung
(60 Gy) (a), direkt nach Extraktion (b), und
18 Wochen nach Extraktion (c) unter Einsatz
des HBO-Marx-Protokolls. Darunter Röntgenabfolge – Ausgangszustand 11/04 vor Primärtherapie (d), Zustand vor Extraktionstherapie
03/07 (e), Zustand nach HBO/Extraktion 08/07
(f), Zustand vor Zahnersatzversorgung 03/08
(g).
Sind Implantate zur Haltverbesserung angezeigt, so sollten diese im Unterkiefer interforaminär
frühestens 10 Monate nach Radiatio mit einer Einheilphase von mindestens 4 Monaten eingebracht werden (Erfolgsraten um 95 %). Aufgrund der ungünstigeren Knochenstrukturen beträgt
die Verlustrate von Implantaten im Oberkiefer 25 % und im Periorbita-Bereich bis zu 50 %, wenn
diese Bereiche im Strahlenfeld liegen. Die Implantation vor Radiatio (wenn möglich), alternativ
eine HBO-Begleittherapie kann die Verlustraten deutlich verbessern [34].
Ludwig E. Zahnärztliche Betreuung bei Tumortherapie … Laryngo-Rhino-Otol 2008; 87: 885 – 901
Heruntergeladen von: IP-Proxy Thieme IP Account, Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt.
896
CME-Fortbildung
CME
897
1 Marx RE, Johnson RP. Studies in the radiobiology of osteoradionecrosis and their clinical significance. Oral Surg
Oral Med Oral Pathol 1987; 64: 379 – 390
2 Reitemeier B, Reitemeier G, Schmidt A et al. Evaluation of a device for attenuation of electron release from dental
restorations in an therapeutic radiation field. J Prosth Dent 2002; 10: 323 – 327
3 Wöstmann B, Rasche KR. Einfluss einer Radiotherapie auf die Überlebenszeit von Zähnen und Zahnersatz. Studie
über die Patienten mit Kiefer-Gesichts-Defekten. Zahnärztl Welt 1995; 104: 627 – 633
4 Herzog M, Stoye-Herzog M. Physikalische Aspekte eines intraoralen Strahlenschutzes bei Radiotherapie. Dtsch
Zahnärztl Z 1986; 41: 188 – 190
5 DIN 6814 Begriffe in der radiologischen Technik, Teil 3: Dosisgrößen und Dosiseinheiten. Berlin: Beuth Verlag
GmbH, 2001
6 Epstein JB, Loh R, Stevenson-Moor P et al. Chlorhexidine rinse in radiation therapy. Oral Surg Oral Med Oral Pathol
1989; 68: 401 – 405
7 Katz S. the use of fluoride and chlorhexidine for the prevention of radiation caries. J Am Dent Assoc 1975; 91:
838 – 845
8 Leslie MD, Dische S. The early changes in salivary gland function during and after radiotherapy given for head an
neck cancer. Radiother Oncol 1994; 30: 26 – 32
9 Grötz KA, Duschner H, Kutzner J et al. Neue Erkenntnisse zur Ätiologie der sogenannten Strahlenkaries. Nachweis
direkt radiogener Veränderungen an der Schmelz-Dentin-Grenze. Strahlenther Onkol 1997; 173: 668 – 676
10 Pioch TH, Staehle HJ. Experimental investigation on the shear strengths of teeth in the region of the dentino-enamel junction. Quintessence Int 1996; 27: 711 – 714
11 Pioch TH. Untersuchungen über strahlenbedingte Veränderungen an Zahnhartsubstanzen. Habilitationsschrift,
Universität Heidelberg, 1998
12 Worthington HV, Clarkson JE, Eden OB. Interventions for preventing oral mucositis for patients with cancer receiving treatment. Cochrane Database Syst Rev 2007; 4 (CD000978)
13 Dreizen SA, Brown LR, Handler S et al. Radiation-induced xerostomia in cancer patients. Cancer 1976; 38: 273 –
278
14 Caglar M, Tuncel M, Alpar R. Scintigraphic evaluation of salivary gland dysfunction in patients with thyroid cancer
after radioiodine treatment. Clin Nucl Med 2002; 27: 767 – 771
15 Münzel M. Die Biochemie der menschlichen Speicheldrüsensekrete. Arch Oto-Rhino-Laryng 1976; : 213 – 309
16 Stratmann U, Pzeneka H, Maiwald HJ. Effect of masticatory stimulation on saliva flow rate and composition in
subjects with drug-induced xerostomia. Caries Res 1999; 33: 308
17 Mossman KL, Henkin RI. Radiation induces changes in taste acuity in cancer patients. Int J Radiat Oncol Biol Phys
1978; 4: 663 – 670
18 Cheng VST, Downs J, Herbert D et al. The function of the parotid gland following radiation therapy for head and
neck cancer. Int J Radiat Oncol Biol Phys 1981; 7: 253 – 258
19 Li Z, Zhao D, Gong B et al. Decreased saliva secretion and down-regulation of AQP5 in submandibular glands in
irradiated rats. Radiat Res 2006; 165: 678 – 684
20 Eichhorn W, Gehrke G, Bschorer R et al. Morphologische Veränderungen von kleinen Kopfspeicheldrüsen durch
Strahlentherapie. Dtsch Zahnärztl Z 1993; 48: 58
21 Shan Z, Li J, Zheng C et al. Increased fluid secretion after adenoviral-mediated transfer of the human aquaporin-1
cDNA to irradiated miniature pig parotid glands. Mol ther 2005; 11: 333 – 451
22 O’Connell AC, Baccaglini L, Fox PC et al. Safety and efficacy of adenovirus-mediated transfer of the human aquaporin-1 cDNA to irradiated parotid glands of non-human primates. Cancer Gene Ther 1999; 6: 505 – 513
23 Brown LR, Dreizen S, Hdaly TE et al. Interrelations of oral microorganisms, immunoglobulins, and dental caries
following radiotherapy. J Dent Res 1978; 57: 882 – 893
24 Brown LR, Dreizen S, Handler S et al. Effect of radiation-induced xerostomia on human oral microflora. J Dent Res
1975; 54: 740 – 751
25 Momm F, Volegova-Neher NJ, Schulte-Mönting J et al. Different saliva substitutes for treatment of xerostomia following radiotherapy. A prospective crossover study. Strahlenther Onkol 2005; 181: 231 – 236
26 Papas A, Russell D, Singh M et al. Caries clinical trial of a remineralising toothpaste in radiation patients. Gerodontology 2008; 25: 76 – 88
27 Meyer-Langenfeld T, Stüben G, Mohr C et al. Retrospektive Untersuchung zur infizierten Osteoradionekrose
(IORN) des Ober- und Unterkiefers in Folge moderner Radiotherapiekonzepte. Dtsch Zahnärztl Z 2004; 59:
284 – 287
28 Reuther T, Schuster T, Scheer M et al. Die Osteoradionekrose – ein aktuelles Problem in der Therapie von Tumorpatienten im Kopf-Halsbereich. Dtsch Zahnärztl Z 2003; 58: 674 – 679
29 Meyer I. Infectious diseases of the jaws. J Oral Surg 1970; 28: 17 – 26
30 Marx RE. Osteoradionecrosis of the jaws: review and update. HBO 1985; 5: 78 – 126
31 Feldmeier JJ, Hampson NB. A systematic review of the literature reporting the application of hyperbaric oxygen
prevention and treatment of delayed radiation injuries: an evidence based approach. Undersea Hyperb Med
2003; 30: 327 – 330
32 Granström G, Tjellström A, Braringnemark PI. Osseointegrated implants in irradiated bone: a case-controlled
study using adjunctive hyperbaric oxygen therapy. J Oral Maxillofac Surg 1999; 57: 493 – 499
33 Pitak-Arnnop P, Sader R, Dhanuthai K et al. Management of osteoradionecrosis of the jaws: an analysis of evidence. Eur J Surg Oncol 2008; 34: 1123 – 1134
34 Esser E, Krecht R, Wagner W. Radiogene Belastung des Gesichtsschädels als Risiko für enossale Implantate. Z
Zahnärztl Implantol 2001; 17: 111 – 115
Ludwig E. Zahnärztliche Betreuung bei Tumortherapie … Laryngo-Rhino-Otol 2008; 87: 885 – 901
Heruntergeladen von: IP-Proxy Thieme IP Account, Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt.
Literatur
Herunterladen