CNE Schwerpunkt | Nicht-invasive Beatmung NE (Certified Nursing Education) ist das multimediale Fortbildungsangebot von Thieme. C Es wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Deutschen Pflegerat e.V. (DPR) entwickelt. Weitere Informationen finden Sie unter cne.thieme.de Stärken, Schwächen und Einsatzmöglichkeiten Was sollten professionell Pflegende über NIV wissen? Diese Frage soll der CNE Schwerpunkt dieser Ausgabe umfassend beantworten. Unsere Autoren Dennis Müller und Nadine Svensson geben fundierte Informationen, Hilfestellungen und Tipps für die tägliche ­Praxis und bieten damit Rüstwerkzeug und Ermutigung für das therapeutische Team – für einen gelungenen Einsatz von NIV. rävention statt P Intubation: Die Patientin darf weiter aktiv am Leben teilnehmen, die Risiken invasiver Beatmung werden vermieden. – Dennis Müller, Nadine Svensson – Mit der Veröffentlichung der in 2015 aktualisierten S3-Leitlinie „Nicht-invasive Beatmung als Therapie der akuten respiratorischen Insuffizienz“ wurde ein klares Ziel formuliert: „(…) die weitere Verbreitung und Etablierung der nicht-invasiven Beatmung als Therapieform (…) mit der heute verfügbaren wissenschaftlichen Evidenz.“ Denn obwohl die NIV-Therapie mittlerweile in vielen Kliniken Einzug gehalten hat und evidente Belege für ihre Effektivität vorliegen – der flächendeckende und dementsprechend häufigere Einsatz ist weiterhin unzureichend.1 Expertengremien sind hier einer Meinung: Die Erfahrung des Teams ist ein enorm wichtiger Indikator für eine erfolgreich durchgeführte NIV-Therapie. Angefangen bei der Indikationsstellung über die Auswahl des optimalen Interfaces bis hin zur individuell eingestellten Synchronisation am Respirator stellt NIV komplexe Anforderungen an alle Beteiligten. intensiv 1|17 Was also sollten wir als professionell Pflegende über NIV wissen? Mit dieser Frage setzt sich dieser CNE-Schwerpunkt auseinander. Unterschiede zwischen invasiver und nicht-invasiver Beatmung Eine Intubation oder Kanülierung umgeht die oberen Atemwege – und blockiert somit wichtige schützende und abwehrende Funktionen. Hinzu kommen die durch die Invasivität dieser künstlichen Atemwegszugänge bedingten Verletzungsrisiken und assoziierte tracheale (Spät-)Schäden. Viele der Risiken i Definition Invasiv = „(…) hineinwachsend, eindringend (…), (…) in ein Organ eingreifend (…).“2 www.thieme.de/intensiv Heruntergeladen von: The Cochrane Library. Urheberrechtlich geschützt. Mehr NIV, bitte! Dennis Müller 30 CNE Schwerpunkt | Nicht-invasive Beatmung 31 Kriterium Invasive Beatmung Nicht-invasive Beatmung Zugang zu den Atemwegen Direkt Erschwert Sicherung der Atemwege Ja Nein Ventilator assoziierte Pneumonie/VAP Anstieg des Risikos ab dem 3.–4. Tag der Beatmung Selten Tracheale Früh- und Spätschäden Ja Nein Sedierung Häufig tief oder moderat Nein oder mild Intermittierende Applikation Selten möglich Häufig möglich Effektives Husten möglich Nein Ja Essen, Trinken möglich Erschwert (Tracheostoma) bis unmöglich (Endotrachealtubus) Ja Kommunikation möglich Erschwert bis unmöglich Ja Leckage Selten Häufig Aerophagie/Luftverschlucken Sehr selten Häufiger und Komplikationen sind verfahrensbedingt, sozusagen „hausgemacht“ – sie können durch einen adäquaten Einsatz von NIV oft vermieden, zumindest aber deutlich reduziert werden. Der nicht-invasive Atemwegszugang unterstützt „von außen“: Tubus oder Trachealkanüle werden nicht benötigt, erforderliche Beatmungsdrücke werden beispielsweise über eine dicht anliegende Maske appliziert. Der vorhandene physiologische Atemweg bleibt vollständig erhalten. ▬▬ Atemgasbefeuchtung und -erwärmung erfolgt weiterhin ▬▬ Keine Beeinträchtigung der mukozilliären und tussiven ­Clearance (effektives Abhusten benötigt Glottisschluss – ein Tubus verhindert diesen) ▬▬ Keine Behinderung des Schluckvorgangs –– Reduziertes Aspirationsrisiko Insgesamt kommt es dadurch seltener zu bronchopulmonalen Infekten. Darüber hinaus wird die Lebensqualität für den Patienten erhöht. ▬▬ Trinken und orale Nahrungszufuhr sind weiterhin möglich ▬▬ Kommunikationsmöglichkeiten bleiben erhalten = dem Patienten wird ermöglicht, auf gewohntem Wege mit seinem Umfeld zu kommunizieren ▬▬ Höhere Autonomie für den Patienten Weitere mögliche Vorteile durch die Anwendung von NIV sind: ▬▬ Sedierung ist kaum bis gar nicht notwendig –– Keine zusätzliche Kreislaufdestabilisierung –– Keine zusätzliche Einschränkung der Schutzreflexe ▬▬ Beenden des künstlichen Atemwegs muss nicht Beenden der Beatmung bedeuten → Risikoreduktion –– Schnellere Entwöhnung von der invasiven Beatmung Eine bereits eingeleitete Beatmung über einen künstlichen Atemweg kann potenziell früher beendet werden → Überforderungen und Re-Intubationen vermeiden www.thieme.de/intensiv Unterschiede der invasiven und nicht-invasiven Beatmung in der Gegenüberstellung – nach S3-Leitlinie (Auszug)1 zeigt → Tab. 1. Reduziertes Risiko und höhere Behandlungsqualität durch NIV Der Einsatz von NIV wirkt sich insgesamt positiv auf die Ergebnisqualität aus. So belegt die S3-Leitlinie: „(…) vor allem bei der hyperkapnischen, zu geringeren Anteilen auch bei der hypoxämischen Insuffizienz (eine) Reduktion (…)“ ▬▬ der Intubationshäufigkeit, ▬▬ der Mortalitätsrate, ▬▬ der Aufenthaltsdauer auf Intensivstation sowie im ­Krankenhaus, ▬▬ der Behandlungskosten. Zudem gilt es als erwiesen,3 dass durch den Einsatz von NIV ▬▬ die Entwöhnungszeit vom Respirator sich verkürzt, ▬▬ die Inzidenz nosokomialer Infektionen reduziert wird, ▬▬ sich medikamentöse Nebenwirkungen reduzieren lassen (Verzicht auf tiefe Sedierungen) Warnsymptome für hyperkapnische ARI – drohende ­Erschöpfung der Atempumpe erkennen! ▬▬ Deutlicher Einsatz der Atemhilfsmuskulatur (Zu beobachten: Sinnbildliches „Ziehen“ am Thorax, Einziehen des Jugulum) ▬▬ Ineffektive Atemzüge, z. B. Schaukelatmung (Zwerchfellbewegung erkennbar, jedoch asynchrones Hin- und Herpendeln in die Bauchgegend hinein. Der Zwerchfellbewegung folgt keine erkennbare Thoraxerweiterung) ▬▬ Flache, tachypnoeische Atmung (rapid shallow breathing index (rsbi) > 105, dabei bezeichnet rsbi das Verhältnis zwischen Atemfrequenz und Tidalvolumen (Af/Vt)) ▬▬ pH-Wert < 7,35 + PaCO2 > 45 mmHg intensiv 1|17 Heruntergeladen von: The Cochrane Library. Urheberrechtlich geschützt. Tab. 1 Unterschiede der invasiven und nicht-invasiven Beatmung. CNE Schwerpunkt | Nicht-invasive Beatmung Einen Überblick über Indikationen und Einsatzmöglichkeiten gibt → Tab. 2. Prädikatoren für ein NIV-Versagen Es gibt Prädikatoren, die ein NIV-Versagen wahrscheinlich machen – jedoch nie vorhersagen können. Daher ist bei einem i Kontraindikationen Absolute: ▬▬ Vollständig fehlende Spontanatmung/Schnappatmung ▬▬ Fehlende Schutzreflexe/Aspirationsgefahr ▬▬ Verlegung der Atemwege ▬▬ GI-Blutung oder Ileus ▬▬ Nicht-hyperkapnisches Koma Relative: ▬▬ Hyperkapnisches Koma ▬▬ Massive Agitation ▬▬ Schwergradiger Sekretverhalt trotz Bronchoskopie ▬▬ Hämodyn. Instabilität (kardiogener Schock, ­Myokardinfarkt) ▬▬ Interface Inkompatibilität (→ Wahl des Interfaces, S. 35) ▬▬ Schwergradige Hypoxämie oder Azidose (pH < 7,1) ▬▬ Z. n. Operationen am oberen Gastrointestinaltrakt ▬▬ Unzureichende Schutzreflexe ▬▬ Unzureichendes, ineffektives Abhusten ▬▬ Mildes ARDS qualifizierten, gut ausgerüsteten und geschulten Team ein NIVVersuch unter Intubationsbereitschaft gerechtfertigt. Zu den Prädiktoren zählen:1 ▬▬ pH-Wert vor Therapiebeginn < 7,25 ▬▬ GCS < 11 ▬▬ APACHE II Score > 29 ▬▬ Ausmaß an Komorbidität, Alter und reduzierter mentaler Status des Patienten ▬▬ Verzögerter Beginn mit NIV Kontraindikationen Bei Vorliegen einer relativen Kontraindikation sollte eine NIV nur durchgeführt werden, wenn das Team in der Anwendung von NIV erfahren sowie gut ausgerüstet ist. Gleichzeitig muss die ständige Bereitschaft und Möglichkeit zur Intubation gegeben sein (→ Info „Kontraindikationen“). Risiken, Nebenwirkungen, Folgeschäden Keine Behandlung ist frei von Nebenwirkungen. Nachteile der NIV sind:4 ▬▬ Mögliche Aerophagie ▬▬ Kein Aspirationsschutz ▬▬ Mögliche CO2-Rückatmung z. B. bei Einsatz eines Helms anstelle einer Maske als Interface ▬▬ Zusätzlich sind unphysiologische Beatmungsmuster wie z. B. eine hohe Beatmungsintensität nicht möglich Tab. 2 Indikationen für NIV. Gesicherte Indikationen Nicht eindeutig belegte Indikationen Akute und chronische respiratorische Insuffizienz Sehr gut wirksam, insbesondere bei hyperkapnisch bedingten Störungen Im individuellen Fall auch bei überwiegend hypoxämisch bedingten Störungen wirksam COPD, z. B. bei akuter Exazerbation (pH < 7,35 und PaCO2 > 45 mmHg) Dekompensierte Lungenfibrose Kardiales Lungenödem Lungenödem mit nicht kardialer Ursache Vermeiden von Extubationsversagen ARDS: Einsatz nur im milden Stadium, ohne zusätzlich begleitendes mittel- bis schwergradiges Organversagen Einsatz im Weaning vom Respirator – insbesondere bei prolongiertem Weaning oder COPD Pneumonie Intubation nicht gewünscht, aber NIV evtl. gewollt? (Patientenwille/Patientenverfügung) Palliativ: zur Linderung von Atemnot Einsatz bei Interventionen wie Bronchoskopie, PEGAnlage (Endoskopische Prozeduren und Diagnostik) Neuromuskuläre Erkrankungen, z. B. ALS Thoraxdeformitäten Atemantriebsstörungen, z. B. Obesitas-Hypoventilationssyndrom Schlafapnoesyndrom Einsatz bei immunsupprimierten Patienten, auch bei hypoxämischer respiratorischer Insuffizienz Effektivere Präoxygenierung vor Intubation intensiv 1|17 www.thieme.de/intensiv Heruntergeladen von: The Cochrane Library. Urheberrechtlich geschützt. 32 CNE Schwerpunkt | Nicht-invasive Beatmung 33 Einstellungen am Respirator Bei vielen Patienten ist eine assistierte, möglichst synchrone Beatmungsform gut geeignet. Der Patient sollte selbst an­ triggern und den Rhythmus mitbestimmen können. Dies gilt insbesondere in Notfallsituationen. Panische Patienten können sich kaum auf einen kontrollierten Modus einlassen, es kommt zum „Fighting“ mit dem Respirator: Die Asynchronität endet www.thieme.de/intensiv Abb. 1 „Welches Gerät wählen Sie?“ Nicht alle Intensivrespiratoren sind gleich gut für NIV geeignet. in einer unbedingt zu vermeidenden zusätzlichen Belastung der Atemmuskulatur. Generell gilt: Je ausgeglichener und synchroner das rhythmische Zusammenspiel zwischen Respirator und Patient, desto stärker ist die Entlastung der Atmung für den Patienten. Beobachten Sie, wie stark der Patient noch seine Atemhilfsmuskulatur einsetzt, um die aktuell am Patienten wirklich ankommende Unterstützung durch den Respirator erkennen zu können. Häufig muss für eine bessere Synchronisierung eine Anpassung der folgenden Parameter erfolgen: ▬▬ Pinsp, Rampe: Druck erhöhen und/oder Rampe verkürzen bei Lufthunger (entweder unterventiliert oder „Luft kommt zu langsam“) ▬▬ Triggerempfindlichkeit → siehe „Triggereinstellung“ im folgenden Abschnitt ▬▬ Verhältnis I:E anpassen, verbessert je nach verwendetem Beatmungsmodus das Zeitfenster zum Antriggern für den Patienten ▬▬ Ausreichend hohen PEEP wählen → Hyperkapnie benötigt Ventilation! Gefahr des Airtrappings bei COPD (siehe Abschnitt über COPD-Patienten auf Seite 34) ▬▬ Bei ausgeprägter, anders nicht zu behebender Asynchronität kann es sinnvoll sein, vorerst den Respirator vermehrt die i ARI Akute respiratorische Insuffizienz; klinisch ausgeprägte Störung der Atmung, deutliche pathologische Veränderungen in arterieller BGA (bspw. Hypoxie oder/und Hyperkapnie) intensiv 1|17 Heruntergeladen von: The Cochrane Library. Urheberrechtlich geschützt. NIV kann man optional mit den meisten Intensivrespiratoren durchführen, die über Druckluft betrieben werden – empfehlenswert ist dies allerdings nur bei den Respiratoren, die NIV explizit als Betriebsmodus anbieten. Neben diesen herkömmlichen Intensivrespiratoren gibt es auch auf die NIV-Therapie spezialisierte Beatmungsgeräte, die durch eine Turbine angetrieben werden. Ihre Bauart ermöglicht es ihnen, in deutlich kürzerer Zeit einen höheren Spitzenflow zu generieren. Konventionelle Intensivrespiratoren erreichen oft nur einen PEAK-Flow von 150 l/min – NIV-Geräte hingegen erreichen bis zu 260 l/min, und zwar kontinuierlich. Die dadurch bessere Leckagenkompensation ist eine wesentliche Voraussetzung für einen effizienten NIV-Betrieb. Viele dieser Respiratoren reduzieren zudem die systembedingte Atemarbeit in Respirator und Schlauchsystem. Sie halten einen höheren Basisflow im System aufrecht, was bedeutet, dass das Beatmungsschlauchsystem kontinuierlich mit mehr Frischgas versorgt wird. Zusätzlich verzichten sie oft auf ein magnetisches Exspirationsventil (siehe weiter unten: Maskenwahl, Vented/Non-vented). Die Stressreduktion für den Patienten ist ein weiteres entscheidendes Merkmal der erfolgreichen NIV-Anwendung, daher verfügen NIVRespiratoren über ein intelligenteres Alarmierungsmanagement. Diese Spezialisierung der Respiratoren auf die NIV-Therapie ermöglicht erst einen produktiven und auch komfortablen Einsatz von NIV – sowohl für den Patienten als auch für betreuende Pflegefachkräfte. Daher empfehlen die Autoren dieses Artikels insbesondere in Akutsituationen (→ ARI) oder bei kritisch erkrankten Patienten stets ein auf NIV spezialisiertes Gerät zu bevorzugen. Je nach Hersteller bieten die Geräte zusätzliche unterschiedliche für die NIV-Anwendung entwickelte Funktionen an. ▬▬ Automatischer Wake-up: Nach Aktivieren des NIV-Modus wartet das Gerät auf den ersten Atemzug über das angeschlossene System, erst danach wird hoher Flow abgegeben. So wird verhindert, dass dem Patienten bereits beim Aufsetzen des Interfaces unangenehm viel Luft entgegengeblasen wird. Fehlt diese Funktion, so würde der Patient bei Aufsetzen des Interfaces bei noch nicht aktiviertem Modus keine Luft bekommen. ▬▬ Automatische Leckagekompensationen und Triggerempfindlichkeit. ▬▬ Automatische Optimierung der Synchronität zwischen Patient und Gerät, auch unter sich verändernden Leckagen und sich änderndem Atemzugvolumen des Patienten. ▬▬ Insgesamt sensiblere, automatisch angepasste Steuerungsund Erkennungsfunktionen (Korrektes Einleiten der Einatmung und Beendigen selbiger unter sich veränderndem Leckageflow, schnelles Erreichen des Spitzenflows etc.). Dennis Müller Entscheidungshilfen für optimales NIV-Equipment – Wahl des Respirators Kontrolle über den Atemrhythmus übernehmen zu lassen: höhere Af als die fspont wählen Wenn es das Ausmaß der Erkrankung und der aktuelle respiratorische Zustand des Patienten zulässt, kann es hilfreich sein, die NIV-Therapie kurz zu pausieren und sich nach dem Befinden des Patienten zu erkundigen – insbesondere in Bezug auf mögliche verbessernde Einstellungsänderungen am Respirator.5 Eine leichte Sedierung (RASS 0 bis -1/ Ramsey-Score 2) kann die Synchronisation unterstützen. Generell muss eine Apnoeventilation immer im Hintergrund aktiv und passend eingestellt sein. Für die Wahl der Beatmungsdrücke allgemein gilt: Inspirationsdruck inklusive PEEP sollten unter 20 bis maximal 25 cmH2O liegen, ansonsten kann der Ösophagusverschlussdruck überschritten werden und es zur Mageninsufflation kommen (Magenüberblähung, Erbrechen, Aspiration). Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen müssen meist druck- bzw. volumenkontrolliert mit einer vorgegebenen Atemfrequenz beatmet werden. Ebenso wie Patienten mit Bradypnoe/ Apnoe. COPD Patienten kommen gut mit einem höheren assistierten Unterstützungsdruck klar (Pmax 15–25 mbar). Sie brauchen hohe Inspirationsflüsse, um eine ausreichende alveoläre Ventilation zu gewährleisten und um die Hyperkapnie zu beseitigen (Flowkurve beobachten – wie viel Inspiration erfolgt wirklich? Erfolgt auch eine vollständige Ausatmung? Airtrappinggefahr!). Damit reduziert sich dann auch ihre Atemarbeit. Allerdings kann es bei ! Merke Bessere Synchronisation = Reduzierte Atemarbeit = Effizientere NIV intensiv 1|17 Abb. 2 NasenMund-Maske in der Anwendung. erhöhtem intrinsischen PEEP und dynamischer Überblähung der Lunge manchmal zu Problemen mit dem Trigger kommen und somit zur Desynchronisation. Inspirationsbemühungen des Patienten werden dann nicht mehr mit einer Druckunterstützung belohnt. Um dem intrinsischen PEEP entgegenzuwirken und dem Patienten die Atemarbeit zu erleichtern, wird ein entsprechend gleich hoher oder höherer externer PEEP benötigt. Hypoxämische Patienten profitieren von einer inspiratorischen Druckunterstützung, um ein ausreichendes Tidalvolumen zu erlangen und einen adäquat hohen PEEP von ≥ 10–12 mbar, um eine alveoläre Derekrutierung zu vermeiden. Je nach aktueller Situation des Patienten sind zunächst niedrige Drücke zum Start geeignet, die dann langsam an das gewünschte Tidalvolumen, in der Regel 6 ml/kg ideales Körpergewicht (Körperlänge in cm minus 100) angepasst werden. Dyspnoeische, unruhige Patienten benötigen direkt höhere Drücke, damit sie eine schnelle Besserung ihrer Luftnot verspüren. Triggereinstellung Der Trigger sollte immer möglichst empfindlich eingestellt werden. Der Grad zur Selbsttriggerung ist jedoch oft schmal, diese führt wiederum zur Desynchronisation – der Trigger ist dann zu empfindlich eingestellt. Die Rampe wird nach Rücksprache mit dem Patienten optimiert. Dyspnoeische Menschen brauchen eine möglichst schnelle Unterstützung und somit keine Rampe. Die FiO2-Einstellung erfolgt nach SaO2 in der BGA und den individuellen Therapievorgaben des behandelnden Arztes (zeitige Absprachen treffen). NAVA Bei NAVA wird die Beatmung neuronal gesteuert: Eine spezielle Magensonde erfasst die Zwerchfellaktivität und leitet diese an das www.thieme.de/intensiv Heruntergeladen von: The Cochrane Library. Urheberrechtlich geschützt. CNE Schwerpunkt | Nicht-invasive Beatmung Dennis Müller 34 Entscheidungshilfen für optimales NIV-Equipment Wahl des Interfaces Dennis Müller Dennis Müller Wer Erfahrung in der Anästhesie oder im Rettungswesen hat, weiß um das Problem: Kaum ein Gesicht gleicht in seinen anatomischen Zügen dem anderen. Die Maske muss mit ausgefeilter, eingeübter Technik am Gesicht gehalten werden – erfolgreicher ist hier meist der Erfahrenere. Die Problematik bei NIV ist ähnlich. Allerdings ist hier neben dem richtigen Handling vor allem auch die Wahl des richtigen Equipments erfolgsentscheidend: Die Maske muss für einen meist längeren Zeitraum auf dem Gesicht fixiert werden. Dabei muss diese nicht nur möglichst dicht anliegen, sondern auch möglichst komfortabel sein – nicht selten scheitert die gesamte Durchführung der NIV, weil es hier Schwierigkeiten gibt. Die Maske bildet sozusagen die Schnittstelle/den Übergang vom Respirator zum Patienten und wird als Interface bezeich- net. Der Handel hält unzählige unterschiedlichste Varianten bereit (→ Abb. 3–7), sodass es für fast jedes Gesicht das passende Interface gibt. Sollte der Patient bereits ein Heimbeatmungsgerät oder ein Heim-CPAP-Gerät besitzen, so wird er auch schon über eine eigene auf ihn individuell angepasste Maske verfügen. Sofern hygienische Standards eingehalten werden, kann diese eventuell am klinikeigenen Respirator vorerst weiter genutzt werden. In allen anderen Fällen bleibt nur eins: die Auswahl eines passenden Interfaces. Mögliche Zielsetzungen bei der Wahl: ▬▬ Möglichst dicht anliegen → Therapie sicherstellen → Leckagen vermeiden → Schnelle Oxygenierung und Decarboxylierung (je nach Ursache der akuten respiratorischen Insuffizienz) ▬▬ Möglichst hoher Tragekomfort, nicht mit zu hohem Druck aufliegen → Dekubitusrisiko reduzieren → Compliance des Patienten erhalten Die Anbieter bieten zu ihren jeweiligen Masken meist Schablonen an, mit denen am Patienten die richtige Maskengröße ermittelt werden kann. Ein weiteres Kriterium zur Maskenauswahl sind die vermutlich notwendigen Beatmungsdrücke. Nicht alle Masken halten hohen Drücken gleich stand bzw. dicht. 5 Dennis Müller Dennis Müller 4 3 Dennis Müller entsprechend ausgerüstete Beatmungsgerät weiter, das durch diesen Impuls getriggert wird und einen unterstützenden Atemhub appliziert. Erste Untersuchungen mit NAVA unter NIV waren erfolgreich. Vor allem COPD-Patienten scheinen deutlich zu profitieren, da Fehltriggerungen markant reduziert werden. Die Wahl des richtigen Interfaces kann erfolgsentscheidend sein. Abb. 3 Nasenmaske. Abb. 4 Nasen-Mund-Maske. Abb. 5 Alternative Nasen-Mund-Maske mit freiem Sichtfeld. 6 7 www.thieme.de/intensiv 35 Abb. 6 Vollgesichtsmaske. Abb. 7 Helm. intensiv 1|17 Heruntergeladen von: The Cochrane Library. Urheberrechtlich geschützt. CNE Schwerpunkt | Nicht-invasive Beatmung CNE Schwerpunkt | Nicht-invasive Beatmung Die Komfortable Die effiziente Alternative Die Nasenmasken werden häufig als sehr angenehm empfunden. Sie eignen sich gut für kooperative Patienten, die nicht durch den Mund atmen. Von Vorteil sind ihre leichte Platzierung, das pro­ blemlose Abhusten von Sekret, die uneingeschränkte Möglichkeit zur Kommunikation sowie die gute Möglichkeit der oralen Nahrungsaufnahme. Kontraindikationen für die Nasenmaske können sein: Sinusitis/Rhinitis, einliegende Magensonde, Verletzungen oder anatomische Besonderheiten (in) der Nase. Vollgesichtsmasken eignen sich gut bei Menschen mit schwierigen anatomischen Verhältnissen des Gesichts, bei bereits vorhandenen Hautläsionen im Nasenbereich oder bei Intoleranz der zuvor im Artikel erwähnten Interfaces. Sie weisen durch breit anliegende Silikonlippen eine hohe Dichtigkeit auf – Leckagen direkt am Auge treten nicht mehr auf. Die Auflagedruckverteilung insgesamt ist eine gänzlich andere, weshalb diese Masken auch sehr gut als Alternative zur NasenMund-Maske oder im zeitlichen Wechsel mit dieser genutzt werden können. Allerdings bildet sich Kondenswasser innerhalb der Maske, was zur Sichtbehinderung durch Beschlagen führen und somit störend für den Patienten sein kann. Die Individuelle Nasale Prongs sind in der Klinikpraxis eher selten, da sie oft für den Patienten speziell angepasst werden müssen und somit eher für eine langfristige Therapie zu Hause geeignet sind. Ihre weichen Röhrchen schließen die Nasenlöcher luftdicht ab und halten auch mittelhohen Drücken stand. Die geringe Auflagefläche bietet einen großen Vorteil bei klaustrophobischen Patienten. Sie sind problemlos zu handhaben und erlauben beispielsweise sogar das Tragen von Brillen während der NIV. Bei den rein nasalen Interfaces ist eine sehr gute Patientencompliance für den Therapieerfolg der NIV essenziell: Wird durch den Mund geatmet, entweicht der applizierte Flow – die NIV wird unwirksam, die Schleimhäute werden durch den hohen Leckageflow unnötig belastet. Der wirksame Allrounder Die Nasen-Mund-Maske ist sicherlich die im Akutbereich am häufigsten verwendete Maske. Sie sitzt zwischen Nasenrücken und dem Bereich zwischen Kinn und Unterlippe perfekt – je nach Gesichtsform kann das Kinn auch mit in die Maske genommen werden. Da diese Masken den Mund mit abdecken, weisen sie insgesamt seltener Leckagen auf und eignen sich somit gut bei Patienten, die mit höheren Beatmungsdrücken beatmet werden müssen. Bei starker Dyspnoe oder bei COPD-Patienten sorgen sie für eine schnelle Reduktion der Hyperkapnie. Es kann jedoch vermehrt zum Verschlucken von Luft (Aerophagie) kommen, wodurch die Aspirationsgefahr deutlich erhöht werden kann. Darüber hinaus lösen sie ein stärkeres Engegefühl als reine Nasenmasken aus, die Beurteilung der Lippen ist erschwert und das Abhusten von Sekret wird mehr behindert. Je nach Anatomie des Patientengesichts ist es zudem häufig schwer, die Maske dicht abzuschließen – beispielsweise bei Bartträgern, tiefen Wangentaschen oder einfallenden/hängenden Mundwinkeln. Falls vorhanden und nicht kontraindiziert, können durch Einsetzen einer Zahnprothese die Wangentaschen stabilisiert und Leckagen reduziert werden. ! Merke Bei hyperkapnischer ARI (ventilatorischer Insuffizienz) sind kleine Interfaces am wirksamsten, bei hypoxämischer ARI (Oxygenierungsstörungen) können große mehr Sinn machen! intensiv 1|17 Der Spezialist bei hypoxämischer akuter respiratorischer Insuffizienz Der Helm besteht aus weichem Material und passt bei jeder Halsgröße. Für optimalen Sitz wird er unter den Armen mit einem zusätzlichen gepolsterten Halteband fixiert. Ebenso wie unter Vollgesichtsmasken kann eine hohe und zeitgerechte Aufsättigung erreicht werden. Von vielen Patienten wird der Helm gut toleriert. Sie können weiter kommunizieren, die Aspirationsgefahr ist durch verminderte Aerophagie deutlich minimiert und eine relativ großzügige freie Kopfbewegung ist möglich. Als einziges Interface ist er auch bei Gesichtsverletzungen anwendbar. Nachteilig sind jedoch der verhältnismäßig hohe Preis bei fehlender Möglichkeit zur Aufbereitung/Mehrfachverwendung, das kompliziertere Aufbauen/Anlegen sowie das verzögerte Entfernen im Notfall. Durch das große Innenvolumen des Helms muss der Patient mehr inspiratorische Triggerarbeit/Atemarbeit leisten, die dadurch erhöhte Gefahr der Triggerlatenz (-verzögerung) kann zu Desynchronisationsproblemen führen. Hohe Beatmungsdrücke erschweren bei Verwendung eines Helms aufgrund dessen Elastizität die Interpretation der Tidalvolumina – zudem sorgen sie bei einigen Patienten für ein unangenehmes Druckgefühl und teilweise auch für Ohrenschmerzen. Insgesamt ist die Geräuschbelästigung eher störend für den Patienten – Ohrstöpsel können hierbei ebenso hilfreich sein wie ein HME-Filter, der sozusagen als Schalldämpfer vor dem In- und Exspirationsanschluss platziert wird (Cave: Weitere Totraumerhöhung!). Beim Anlegen des Helms sollte unbedingt bereits Luft insuffliert werden, ansonsten entsteht Erstickungsangst. Vented/Non-Vented (entlüftet/nicht entlüftet) Grundsätzlich wird bei Masken zwischen Vented (mit Aus­ atemventil/-öffnung) und Non-Vented (ohne) unterschieden. Bei einem gewöhnlichen Intensivrespirator benötigt man meist Non-Vented-Masken, da die Ausatmung vollständig über das Beatmungsschlauchsystem und somit den Respirator erfolgen soll. Vented-Masken hingegen werden benötigt, wenn im Beatmungsgerät kein Exspirationsventil integriert ist – oft zu erkennen am Beatmungsschlauchsystem mit nur einem Schenkel/Schlauch. Sehr häufig ist dies z. B. bei auf NIV-Ventilation spezialisierten Turbinengeräten oder bei Heimbeatmungsgeräten der Fall. Der Patiwww.thieme.de/intensiv Heruntergeladen von: The Cochrane Library. Urheberrechtlich geschützt. 36 CNE Schwerpunkt | Nicht-invasive Beatmung i 37 Patientenerlebnisse mit NIV Das ging mir schon auf die Nerven. Da wird einem ordentlich Wind ins Gesicht gepumpt. Ich dachte: Was ist denn das für eine Windmaschine? Die pustet einem so die Lunge auf! Ob du willst oder nicht, du wirst ja dann zwangsbeatmet! Der Arzt hat mir erst etwas von einem Tubus erzählt, da hab ich gesagt: ,Hau mir ab damit.‘ Dann hat er von der Maske erzählt, und ich: ,Her damit!‘ Das war nicht laut – aber druckvoll! ent atmet dann über die dafür vorgesehenen Öffnungen oder das Ventil in der Maske aus. Ob es sich um eine Vented- oder Non-Vented-Maske handelt, kann man oft anhand des Winkelstücks/Kniestücks erkennen. Das sind die Adapter, die den Anschluss der jeweiligen Maske an den Beatmungsschlauch ermöglichen. Je nach Hersteller können diese unterschiedliche Ausatemöffnungen enthalten und teilweise auch gegeneinander getauscht werden. Farblich unterschiedliche Kodierungen dienen hierbei zur Unterscheidung der einzelnen Winkelstücke (→ Tab. 3, Seite 38). Atemgasklimatisierung Aus pathophysiologischer Sicht ist eine aktive Anfeuchtung der Atemgase nicht zwangsläufig notwendig, da die Anfeuchtung www.thieme.de/intensiv ach und beatmet – Eindrücke Betroffener, mitgeschrieben und W unkommentiert. Die haben mir das ja einfach so ins Gesicht gesetzt. Als das Ding dann lief, konnte ich nicht mehr reden. Die waren nicht geschult! Wenn man es einmal verstanden hat, dann bekommt man auch besser Luft. Ich hatte danach aber so einen pappigen ­(trockenen) Mund. weiterhin durch den Nasen-Rachen-Raum erfolgt. Zusätzlich erwärmte und angefeuchtete Luft kann von den Patienten auch als unangenehm empfunden werden. Dauerhaft appliziert kann der hohe kühle Luftstrom jedoch genauso unangenehm für den Patienten werden. Die Schleimhäute der oberen Atemwege trocknen aus – insbesondere, wenn der Patient über den Mund atmet und über vorgeschädigte oder sogar auch hyperreagible Atem- ! Cave! Wird an ein Einschlauchsystem eine Non-Vented-Maske angeschlossen, muss unbedingt ein Ausatemventil im Schlauchsystem selbst vorhanden sein! intensiv 1|17 Heruntergeladen von: The Cochrane Library. Urheberrechtlich geschützt. Wenn man keine Luft bekommt, ist das wirklich nicht schlecht! Das funktioniert gut. Dennis Müller Dann kam die Maske aufs Gesicht … ­Sicher habe ich darunter besser Luft ­bekommen. Die wollte, dass ich das nicht so lange mache – hätte das aber noch länger machen können. War eine Erleichterung – und ist ja auch nix Schlimmes.1 CNE Schwerpunkt | Nicht-invasive Beatmung Die wichtigste klinische Voraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz der NIV ist die Kooperationsfähigkeit des Patienten.1 CO2-Rückatmung Generell gilt bei allen Masken: Je größer sie sind, je mehr Volumen sie bieten, desto größer ist auch ihr potenzieller Totraum. Dieser kann zu vermehrter CO2-Rückatmung und teils auch zu erhöhter Atemarbeit führen. Entscheidend für die Qualität der Beatmung bei hyperkapnischen Patienten ist die Minimierung des Totraums in der Maske und in den zuführenden Schläuchen auf das jeweils notwendige Minimum. Wenn Respiratoren mit einem kontinuierlich hohem Basisflow (meist turbinengetriebene spezielle NIV-Geräte) mit einem gebräuchlichen Interface und HME-Filter kombiniert werden, ist dies unproblematisch. Der hohe Basisflow genügt meist, um den Totraum auszuwaschen. Ein höheres Risiko stellt hier jedoch der Helm dar. Dieser verfügt über einen beträchtlichen Totraum, der Flow kann hier schnell unzureichend sein und zu einer bedeutenden CO2-­ Rückatmung führen. Wird der Helm bei einem hyperkapnischen und geschwächt ventilierten Patienten eingesetzt, wäre die NIVAnwendung wegen der mangelnden Decarboxylierung unzureichend. Im schlimmsten Fall wird so ein NIV-Versagen mit anschließender Intubation provoziert. Eventuell zusätzliche in das Schlauchsystem integrierte Anbauteile wie Gänsegurgel oder Vernebler verstärken diese Problematik. Bezüglich der Decarboxylie- rung ist die Vollgesichtsmaske sowie die Nasen-Mund-Maske daher dem Helm überlegen. Tipps zum Interface-Handling Beim Anlegen von Masken ist zu beachten, dass viele von ihnen über eine Art zweischichtiges Luftkissenpolster in Form einer Silikon-Doppellippe verfügen. Diese wird durch den Beatmungsdruck mit Luft gefüllt und soll dafür sorgen, dass sich die Maske besser den Gesichtskonturen anpasst und luftdicht abschließt. Versucht man durch strammeres Anlegen der Maske diese dichter zu bekommen, verliert das Luftpolster schnell seine Wirkung und man erreicht das Gegenteil des Gewollten: Die Maske wird erneut undicht. Darüber hinaus fehlt dann der wichtige abpolsternde Effekt: Das Risiko für Druckulcera und Hautverletzungen nimmt zu – der Tragekomfort genauso wie die Compliance des Patienten nimmt jedoch ab. Gleiches gilt dann auch für die ebenfalls erhältlichen Masken mit Gelpolsterung. Bereits hohen Anpressdruck noch weiter zu verstärken führt meist zu keiner Verbesserung. Um Leckagen auszugleichen, ist es stattdessen hilfreicher, die Maske vollständig zu lösen und neu zu positionieren. Sollte dies nicht helfen, so ist die getroffene Maskenauswahl (Typ, Größe, etc.) zu überdenken. Um Druckstellen durch den Auflagedruck besser vorzubeugen, ist es immer günstig, direkt zwei unterschiedliche Masken anzupassen und dann für den Patienten vorzuhalten. So kann man regelmäßig zwischen den Masken wechseln und Druckstellen zum Beispiel am Nasenrücken (häufigste Stelle) gut vorbeugen. Die Auflagefläche der Maske insgesamt ist regelmäßig zu inspizieren, um potenziellen Schädigungen rechtzeitig entgegenzuwirken. Einmal defekte Haut macht die weitere Therapie für den Patienten schnell zur Tortur. Auch eine Hautschutzplatte zu Beginn der Therapie auf dem Nasenrücken kann das Risiko eines Dekubitus verringern. Masken machen die Beurteilung des durch sie abgedeckten Gesichtsbereichs schwierig bis unmöglich – eine regelmäßige Kon­ trolle ist daher unerlässlich. → Abb. 7 zeigt ein sehr eindrückliches Negativbeispiel hierfür. Tab. 3 Farbkodierungen der Winkelstücke. Farbe Funktion Blau Standard-Winkelstück, Non-Vented Weiß/durchsichtig Vented durch enthaltenes Anti-AsphyxieVentil, Leckagetyp 1 (für Einschlauchsysteme mit integriertem Ausatemventil) Orange Vented und zusätzliches Leckageventil, Leckagetyp 2 (für Einschlauchsysteme ohne integriertes Ausatemventil) → für spezielle Beatmungsgeräte, eher selten benötigt Grün Non-Vented, mit Bronchoskopieöffnung, Leckagetyp 1 intensiv 1|17 Abb. 7 Zu hoher Maskendruck an ungünstiger Stelle sorgte für die Perforation der Haut durch einen innenliegenden, einzelnen Zahn. www.thieme.de/intensiv Heruntergeladen von: The Cochrane Library. Urheberrechtlich geschützt. wege verfügt. Nur bei dicht sitzenden Masken kann ein HME-Filter ausreichen, der dann direkt auf die Maske platziert wird. Bei unbelüfteten Masken an zweischenkligen Beatmungsschlauchsystemen ist dies allerdings nicht unproblematisch: Der HME-Filter erhöht das Totraumvolumen, den Atemwegswiderstand und dadurch die Atemarbeit insgesamt etwas. Sobald Leckagen auftreten, ist der HME-Filter weniger effektiv. Lassen sich diese nicht beheben und müssen toleriert werden, ist eine aktive Anfeuchtung einzusetzen, die auch für hohen Flow geeignet ist. Nadine Svensson 38 Durchführung und Verlaufskontrolle NIV-spezifische Pflege Die Art und Weise, wie professionell Pflegende die NIV-Therapie am Patienten ankündigen, einleiten, kontrollieren, steuern und für ein möglichst optimales Setting sorgen, kann einen großen Einfluss auf die Compliance des Patienten und somit die NIV-Therapie insgesamt ausüben. Dies ist nicht zu unterschätzen. Tipps und Tricks zur Durchführung sind im Beitrag „Tief durchatmen“ nachzulesen (intensiv 05/2016, S. 260). Die Durchführung der NIV bei akuter respiratorischer Insuffizienz weist spezifische Besonderheiten auf: Der Betroffene mit akuter Atemnot ist auf die Durchführung der NIV angewiesen. Er benötigt diese dringend zur Linderung seiner Beschwerden, die sich je nach Situation auch in panikartiger Angst mit extremer Agitation äußern können. Die Erstanwendung bei einem NIV-unerfahrenem Patienten mit Atemnot fordert den Pflegenden einiges ab: Auch unter Zeitdruck ist eine besonders beruhigende Ausstrahlung kombiniert mit deutlicher, direktiv führender und dennoch freundlich zugewandter Kommunikation dem betroffenen Patienten gegenüber erfolgsentscheidend. Es kann nicht davon ausgegangen, B Fallbeispiel Ein üblicher Frühdienst am Montagmorgen auf einer der operativen Intensivstationen des Uniklinikums in Münster. Das gewohnte akustische Dauerrauschen der Station wird jäh vom schrillen Ton des Herzalarm-Telefons unterbrochen: Auf der peripheren Station der Herz-Thorax-Chirurgie gibt es einen Zwischenfall. Dort treffen die Kollegen auf Herrn Arnold (Name geändert), der mitten in der Mobilisation unerwartet plötzlich kraftlos zu Boden sackte und nun nach Luft ringt. Vor drei Jahren hatte Herr Arnold einen ausgeprägten Myokardinfarkt und ist seitdem auf ein LVAD angewiesen. Aktuell befand er sich aufgrund der Nachbehandlung eines schweren ARDS in der Uniklinik. Erste stabilisierende Maßnahmen erfolgen, um unverzüglich den Transport auf die operative Intensivstation vornehmen zu können. Als Herr Arnold dort eintrifft, sinkt der zwischenzeitlich stabilisierte SpO2 erneut bedrohlich auf 73 % ab, Herr Arnold weist deutlichste Zeichen der Dyspnoe auf: panische starke Unruhe – Erstickungsangst, deutlich sichtbare Zyanose, eine flache und stark tachypnoeische Atmung –, kalter Schweiß steht ihm auf der Stirn. Panisch hält er die Hand der hinzugeeilten Anästhesistin fest umklammert und lässt sie nicht los. Während das Team sich auf eine Intubation einstellt und www.thieme.de/intensiv sondern muss vermittelt werden, dass die Maske der notwendige Atemspender ist – und nicht nur etwas Unangenehmes, Drückendes, Einengendes. Nach dem Aufsetzen muss der Patient dies auch fühlen können: Leckagen und Synchronisationsprobleme sind insbesondere zu Beginn möglichst frühzeitig zu minimieren. Wenn der Patient versteht, was mit ihm geschieht, und er schnell merkt, dass ihm die Therapie hilft, wird er sie gut tolerieren. Hilfreich ist daher bei Erstanwendung in akuten Fällen stets mit mindestens einer weiteren in der Durchführung mit NIV vertrauten Person (pflegerische oder auch entsprechend qualifizierte medizinische Fachkraft) die Therapie einzuleiten. Atemabhängige Schmerzen sind so effektiv wie möglich vor und während der Durchführung zu reduzieren. Zudem ist vor der Durchführung – sofern keine Bewegungseinschränkungen vorliegen – immer eine mindestens halb aufrechte Position herzustellen.1 Für Patienten mit akuter Atemnot ist zu Beginn eine Nasen-Mund-Maske unumgänglich: Dyspnoeische Patienten atmen immer durch den Mund. Der Patient muss engmaschig überwacht werden, weil er z. B. unter der Maske erbrechen könnte. Die in diesem CNE-Schwerpunkt aufgeführten Tipps zum Interface-Handling berücksichtigen! entsprechend zügig alles vorbereitet, geht eine aufmerksame Kollegin einen anderen Weg: Sie organisiert eilig einen NIVfähigen Intensivrespirator (Dräger Infinity C500), rüstet diesen entsprechend auf und beginnt mit der Therapie. Als Einstiegsmodus wählt sie PC–AC (Bipap-Assist): Pinsp 23, PEEP 10, kurze Exspirationszeit I:E 1:4, Grundfrequenz von AF 15/min – dazu eine initiale FiO2 von 80 %. Die Ärztin unterstützt dieses Vorhaben mit der Gabe von 3 mg Morphin (i. v.). Innerhalb der ersten Minute nach NIV-Beginn verbessert sich die Dyspnoe-Symptomatik sehr deutlich, nach weiteren zwei Minuten hat sich der Zustand von Herrn Arnold unter NIV stabilisiert: Er ist nun insgesamt ruhiger, hat mittlerweile die Augen geschlossen und atmet gleichmäßig im Takt mit dem Respirator. Der SpO2 ist bei 97 %, sodass die FiO2 auf 40 % reduziert wird. Herr Arnold führt die NIV-Therapie für 2,5 Stunden durch, dann legt er eine Dreiviertelstunde Pause ein und meldet sich erneut, um die Maske zu erhalten. In der nächsten Pause erfolgt eine kurze Unterhaltung mit Herrn Arnold. Er zeigt auf die nun in der Nase sitzende O2-Brille: „Mit dem Dingen hier wäre ich erstickt. Ich war froh, dass ich diese andere Maske heute Morgen bekommen habe. Es hat nicht lange gedauert, dann ging es mir besser.“ Er hält kurz inne. „Das ging ratzfatz – Gott sei Dank! (…) Man bekommt zwar so ein trockenes Mundgefühl, die Maske sitzt schon stramm – aber es ist dennoch eine Erleichterung.“ Jedes Mal, wenn Herr Arnold die NIVTherapie pausiert, benötigt er eine unterschiedlich lange Zeitspanne, um sich wieder an das selbstständige Atmen zu gewöhnen. Er scheint sich dabei augenscheinlich sehr auf seine eigene Atmung zu konzentrieren. Es fällt deutlich auf, dass seine Atmung, wenn er dabei abgelenkt wird (z. B. durch seine Tochter oder die Pflegefachkraft), deutlich ruhiger und tiefer wird – ein wichtiger Beleg für die nicht zu unterschätzende Bedeutung angstreduzierender Maßnahmen. Herr Arnold trinkt nun einige Schluck Wasser und unterhält sich ein wenig mit seiner Tochter – Dinge, an die nach einer Intubation überhaupt nicht zu denken gewesen wäre. Der kurze Satz, der etwas später in einem ruhigeren Moment von der diensthabenden Anästhesistin gegenüber der aufmerksamen Kollegin fällt, bringt es auf den Punkt: „Du hast ihn vor der Intubation bewahrt!“ Die Befundung des durchgeführten Röntgen-Thorax ergibt: Herr Arnold hat eine neu aufgetretene Pneumonie und ein leichtes Lungenödem. intensiv 1|17 39 Heruntergeladen von: The Cochrane Library. Urheberrechtlich geschützt. CNE Schwerpunkt | Nicht-invasive Beatmung CNE Schwerpunkt | Nicht-invasive Beatmung fohlen. Innerhalb der ersten 1–2 Stunden nach Therapiebeginn sollte sich die Effektivität der NIV beurteilen lassen, im Normalfall tritt eine Verbesserung bereits innerhalb der ersten halben Stunde der Anwendung auf. Für die Beurteilung des Verlaufs gelten die aufgelisteten → Erfolgs- und Abbruchkriterien. Bei Auftreten der Abbruchkriterien oder auch rasch progredienter hämodynamischer Verschlechterung und rhythmogener Instabilität sollte der Patient ohne weitere Verzögerung intubiert werden. Tipps für den Alltag… „Ständig habe ich Leckagen“ Wenn Leckagen vorhanden sind, gilt es, folgende Faktoren zu bedenken: Johanna ist seit einem Jahr in der Intensivpflege tätig. Bei NIV muss ich sofort an Herrn D. denken, der neulich richtig von NIV profitiert hat. Er war recht wach, hatte unangenehm starken Tubusstress, konnte jedoch nicht ­geweant werden – er atmete leider noch unzureichend. Ich habe ihn dann mit dem Arzt zusammen über die Möglichkeit zur NIV aufgeklärt und er hat dem zugestimmt. Nach der intensiv 1|17 arco ist langM jährig erfahrener Facharzt in der universitären operativen Intensivmedizin. Wenn ich ehrlich sein soll: Für die meisten Patienten ist es eher nervig. Ich muss auch viel mehr reinrennen, als bei einem Intubierten – vor allem wegen Fehlalarmen und Leckagen. Die Maske sitzt oft zu stramm, durch die aktive Anfeuchtung schwitzen viele unter der Maske extrem, die ständigen Leckagen insbesondere an den Augen sind sehr unangenehm. Dazu können die Betroffenen wegen der Bewegungseinschränkung durch die Schläuche und der hohen Geräuschkulisse oft nicht Ex­tubation hat Herr D. sofort die Maske aufbekommen und war deutlich entspannter – ihn zu betreuen für mich dann ebenso. Das Material ist bei NIV sehr entscheidend – aber nicht nur bei den Masken. Schlauchsysteme zur aktiven Anfeuchtung sind beispielsweise meist arg kurz, sodass sie die Mobilisation auf die Bettkante sehr behindern – das erschwert es unnötig. NIV? Das ist eine wirklich gute Sache. Wir haben ­ordentliche Erfolge in der Anwendung von NIV. Wichtig ist, dass man um die Grenzen der Einsatzmöglichkeiten weiß – und dann auch klar erkennt, wann die Therapie ausgereizt ist und der Patient schlafen. Das ist mir selbst aber alles lieber, als wieder eine Intubation vorzubereiten. Richtig gut finde ich vor allem, dass man mit seinen Patienten noch uneingeschränkt kommunizieren kann – beispielsweise, was vielleicht noch verbessert werden kann, damit die Durchführung angenehmer wird. Durchgehendes pausenloses NIV ist eine Qual für die Patienten – sie sind dann zu sehr eingeschränkt. Im Endeffekt ist NIV insgesamt eine schöne Zwischenlösung als Alternative zur Intubation. Dennis Müller Dennis Müller Nachgefragt … bei Johanna, Lisa und Marco, die bei ihrer Tätigkeit auf der Intensivstation ständig mit NIV-Patienten zu tun haben. Was halten sie von der nicht-invasiven Beatmung? L isa ist derzeit in der Weiterbildung zur Fachkrankenschwester für Intensivpflege und Anästhesie. intubiert oder tracheotomiert werden muss. Wir machen das eigentlich viel zu selten und müssten es öfter machen, beispielsweise anstelle von High-Flow CPAP, um auch rechtzeitig die Atemmuskulatur zu entlasten und vor ­Überforderung zu schützen. www.thieme.de/intensiv Heruntergeladen von: The Cochrane Library. Urheberrechtlich geschützt. Zur weiteren Verbesserung der Synchronität zwischen Patient und Respirator kann eine leichte Sedierung (RASS 0 bis -1/Ramsey-Score 2) hilfreich sein. Morphin vermindert subjektive Atemnot durch zentrale Dämpfung und senkt somit die Atemfrequenz. Leichte Dosierungen von Propofol, Clonidin oder Dexmedetomidin sind denkbar. Eine medikamentöse Dämpfung des Atemantriebs ist zu vermeiden, Benzodiazepine sind daher nicht Mittel der Wahl. Eine Orientierungshilfe zu den Beatmungseinstellungen gibt dieser CNE-Schwerpunkt im Abschnitt „Entscheidungshilfen für optimales NIV-Equipment – Einstellungen am Respirator“. Vor allem innerhalb der ersten Zeitspanne nach Beginn der NIV-Therapie wird eine engmaschigere Therapiekontrolle emp- Dennis Müller 40 CNE Schwerpunkt | Nicht-invasive Beatmung i i Leckagencheck Um zu erkennen, ob und wo genau noch Leckagen auftreten, sollte man seinen Handrücken einmal rundherum an der Maske entlangführen. Wegen der hohen Sensibilität des Handrückens erkennt man sofort auch kleinste Luftzüge. Typische Stellen für Leckagen sind an den Augen, den Mundwinkeln sowie an einer eventuell einliegenden Magensonde. Erfolgs- und Abbruchkriterien Erfolgskriterien ▬▬ Sinkende Atemfrequenz bis in den Normbereich ▬▬ Sinkende Herzfrequenz ▬▬ Verbesserte alveoläre Ventilation in BGA sichtbar –– PaCO2 sinkt –– pH-Wert steigt ▬▬ Verbesserte Oxygenierung ▬▬ Klinische Symptomatik der Dyspnoe reduziert sich ▬▬ Vigilanzverbesserung Abbruchkriterien ▬▬ Entwickeln von Kontraindikationen ▬▬ Negative Entwicklung oben aufgeführter Erfolgskriterien ▬▬ Nicht beherrschbare Leckagen ▬▬ Mangelnde Kooperation, Intoleranz ▬▬ Sekretretention ▬▬ Keine Verbesserung der O2-Sättigung trotz hoher O2Zufuhr und adaptiertem PEEP in den ersten 15 Minuten ▬▬ Persistierende Hypoxämie nach 2h, SaO2 < 85 % trotz 50 % O2-Vorlage ▬▬ Hämodynamische Instabilität ▬▬ Ausgeprägte Aerophagie ▬▬ Schwere Aspiration ▬▬ Zunehmender Rapid Shallow Breathing Index (Af/Vt) www.thieme.de/intensiv mit moderaten Drücken sollten jedoch nur geringe Leckagen auftreten. Wichtig ist zu erkennen, wo genau die Leckagen auftreten (→ Leckagencheck). An den Augen beispielsweise sollten Leckagen möglichst nicht belassen werden, da die Gefahr der Augenreizung bis hin zur Konjunktivis besteht und der Komfortverlust („Augen muss ich immer geschlossen lassen“) zu hoch wäre. „Die Luft kommt zu schnell, ich werde aufgeblasen“ Hier kann man die Flowanstiegszeit/Rampe/Flanke erhöhen. So kommt die Luft langsamer. Ist der Inspirationsdruck vielleicht auch zu hoch gewählt? „Ich bekomme keine Luft“ Trigger runterstellen könnte eine Lösung sein. Eine weitere ist, den Inspirationsdruck zu erhöhen und die Flowanstiegszeit/Rampe/Flanke zu reduzieren/zu verkürzen. Ein zu hoch gewählter Trigger bedeutet unökonomische Atemarbeit für den Patienten – NIV soll den Patienten jedoch entlasten. „Mein Mund ist so trocken“ Eine regelmäßige Pflege der Schleimhäute ist wichtig, um sie vor dem Austrocknen zu schützen. Der Patient kann auch – sofern erlaubt – immer mal wieder etwas trinken oder sich zumindest den Mund ausspülen. Lippenpflegecremes und Nasenpflegeöl eignen sich gut zum Schutz und zur Steigerung des Wohlbefindens des Patienten. „Die Nase schmerzt/Ich habe Druck auf den Ohren“ Bei auftretenden Schmerzen in den Nasennebenhöhlen oder Ohren sollte man die Druckeinstellung überdenken, vielleicht ist auch ein niedrigerer Druck ausreichend. Abhilfe schafft auch der Wechsel auf ein anderes Interface. „Ich kann überhaupt nicht schlafen“ Durch die erhöhte Geräuschkulisse kann es zu Schlafstörungen und zu einer Ablehnung der Therapie durch den Patienten kommen. Ein weiterer Grund dafür, Leckagen auf das minimalste zu reduzieren: Die Alarmhäufigkeit und Desynchronisation insgesamt nimmt ab und die Anwendung insgesamt wird ruhiger. Im MRT würde kaum einer auf den Gedanken kommen, dem Patienten diese vorzuenthalten: Bieten Sie ihrem Patienten tagsüber für die Therapiezeit Musik an! NIV verstehen – Atempumpe entlasten, vor ­Überforderung schützen Mögliche Ursachen für das Auftreten einer ARI lassen sich in zwei Gruppen aufteilen: 1. Oxygenierungsstörungen/Pulmonale Erkrankungen → Hypoxämie, z. B. Pneumonien, ARDS, kardiales Lungenödem. Im Vordergrund steht hier das gestörte Verhältnis zwischen Ventilation und Perfusion mit ausgeprägter Gasaustauschstörung. Insbesondere die O2-Aufnahme ist aufgrund unterschiedlicher pathologischer Prozesse deutlich beeinträchtigt. 2. Ventilationsstörungen/Insuffizienz der Atempumpe → Hyperkapnie, z. B. COPD, Erschöpfung oder Überlastung der Atempumpe, postoperativer Narkoseüberhang. intensiv 1|17 Heruntergeladen von: The Cochrane Library. Urheberrechtlich geschützt. ▬▬ Habe ich die richtige Maskengröße und Typ gewählt? Sitzt ein anderes Interface besser? ▬▬ Sitzen die Kopfbänder korrekt? Sind diese vielleicht verrutscht, nicht stramm genug oder bereits zu stramm? Das Korrigieren der Bänder erfolgt immer seitengleich! Ansonsten sitzt die Maske schnell ungleichmäßig, was zu neuen Leckagen führt. ▬▬ Ist die Maske vielleicht defekt? ▬▬ Hat der Patient eine Magensonde, entweicht an ihr die Luft? Hier bieten einige Firmen sinnvolle Hilfsmittel zur Abdichtung an, z. B. Silikonbrücken. ▬▬ Ist der Patient agitiert und unruhig? Lässt sich das Problem irgendwie eingrenzen? Hat er Schmerzen? Möchte er etwas mitteilen? Ist die NIV-Einstellung nicht passend? Sind andere mögliche Ursachen ausgeschlossen: Wäre eine leichte Sedierung vielleicht hilfreich? ▬▬ Ein höherer Flow ist bei der NIV normal und wird oft allein für das konstante Aufrechterhalten eines PEEP benötigt, das geht nie ganz ohne Leckagen. Bei gut und dicht sitzenden Masken 41 CNE Schwerpunkt | Nicht-invasive Beatmung Im Vordergrund dieser Gruppe wird die verbrauchte Luft in den Alveolen gar nicht erst gegen neue ausgetauscht bzw. ­sozusagen „weggepumpt“. Mögliche Gründe hierfür sind beispielsweise ein für die Atempumpe zu hoch gewordener Kraftaufwand oder ein vorliegender zu hoher intrinsischer PEEP. Die Hyperkapnie dominiert hier klar, eine Hypoxämie ist hier oftmals eher die direkte Folge der fehlenden Ventila­ tion und nicht Folge von pathologischen Prozessen im Lungengewebe. Wenn möglich, sollte die NIV als Therapie der akuten ­respiratorischen Insuffizienz (ARI) eingesetzt werden, um die Komplikationen der invasiven Beatmung zu v­ ermeiden.1 Wo ist NIV besonders effektiv? Insbesondere in der zweiten Gruppe der Ventilationsstörungen kann die Anwendung von NIV unmittelbare Erfolge erzielen, da durch die unverzügliche Applikation der „Beatmung von außen“ schnell und wirkungsvoll die Atempumpe entlastet und kollaptische Atemwege und Lungenbereiche stabilisiert werden. Die Atem­arbeit wird wirkungsvoll reduziert, eine ausreichende Ventilation ist innerhalb kurzer Zeit wiederhergestellt und das CO2 sinkt – ohne erst zeit- und personalaufwendig für einen gesicherten invasiven Atemwegszugang sorgen zu müssen. In der Gruppe der Gasaustauschstörungen kann NIV ebenfalls eine sinnvolle Therapieoption sein. An der Schwelle zur kräftemäßigen Überforderung kann sie den Betroffenen sinnvoll entlasten – sei es auch nur intermittierend in regelmäßigen Abständen, um einer drohenden Erschöpfung der Atempumpe vorzubeugen. Ein differenzierter Blick auf die eigentliche Ursache der Atem­ einschränkung und etwas Kenntnisse der entsprechenden Pathophysiologie ermöglichen durchaus eine erste Einschätzung, wie hoch der Benefit für den jeweiligen Patienten durch die Anwendung von NIV sein wird. So lässt sich auch gut erklären, warum ein Patient von der NIV sehr gut profitiert – während sein Bettnachbar längst wieder intubiert werden musste. Extubation unmittelbar anschließende Zeitraum kann jedoch entscheidend dafür sein, ob das Weaning wirklich gelingt – oder ob es zum sogenannten Extubations- oder auch Weaningversagen kommt. Der Patient wäre dann im Nachhinein also der „WeaningVersager“. Was zusätzlich das Gewissen beruhigt: Der (Weaning-) Versager liegt ja im Bett. Provokante Gegenfrage: Zu welchem Anteil steht er auch vor dem Bett, in Form der in die Therapie und Versorgung involvierten Personen? Das Weaning vom Respirator immer abrupt mit der Extubation enden zu lassen, ist schlichtweg töricht – und genau hier ist einer der möglichen Ansatzpunkte von NIV: Auch ohne Vorhandensein eines invasiven Atemwegs kann die Entwöhnung vom Respirator schrittweise weiter erfolgen. Das Risiko eines Post-Extubationsversagens wird zudem deutlich reduziert.1 NIV im Weaning Die häufigste Ursache für ein prolongiertes Weaning ist eine mangelhafte Ventilation mit leitender Hyperkapnie – ein Missverhältnis zwischen zu leistender Atemarbeit und der noch zu erschöpften oder unzureichend innervierten Atemmuskulatur. Eine Criticall-Illness-Polyneuropathie oder Adipositas sind häufige Begleitumstände. Insbesondere hier kann NIV auch im Weaning seine Stärke ausspielen. So sollen beispielsweise COPD-Patienten – bei Fehlen von Kontraindikationen – möglichst frühzeitig extubiert und im direkten Anschluss mit NIV weiter therapiert werden. Dadurch wird die systembedingte Atemarbeit wirksamer als bei der invasiven Beatmung reduziert und der Gasaustausch verbessert. Um ein Weaning-Versagen zu verhindern, kann es besonders bei Vorliegen einer chronischen ventilatorischen Insuffizienz notwendig sein, auch Post-Extubation weiterhin eine regelmäßige NIV-Therapie durchzuführen: angefangen auf der Intensivstation und wenn nötig auch in Form einer Heimbeatmung fortgeführt über die Regelpflegestation und Reha-Einrichtung bis weit hin nach Entlassung. Durch fünf mit NIV behandelte Patienten wird eine Intubation verhindert. Durch acht mit NIV behandelte Patienten wird ein Todesfall verhindert.1 Weaning – nur vom Tubus? oder Den Alltag einmal anders sehen NIV nach Extubation Weaning bedeutet „Entwöhnung“.2 Jedoch nur Entwöhnung vom Tubus? Im Allgemeinen spricht man von der Beatmungsentwöhnung mit der Zielsetzung, dass der Patient bestenfalls dauerhaft selbstständig und vollkommen unabhängig vom Beatmungsgerät atmen soll. Professionelle Intensivpflegende kennen zahlreiche Maßnahmen des Weaning oder die Durchführung als solches bis hin zur Extubation. Betrachtet man jedoch den Zeitraum nach der Extubation/Dekanülierung, so wird die Liste an weaningbezogenen Maßnahmen oft merklich kürzer – bis geradezu leer. Ein etablierter wichtiger Leitsatz lautet: „Das Weaning beginnt mit der Intubation.“ Oft scheint im Umkehrschluss verankert zu sein, dass es dann auch mit der Extubation endet. Der sich an die Der direkte und frühzeitige (!) Einsatz von NIV wird bei Patienten empfohlen, die nach der Extubation eine hyperkapnische bedingte akute respiratorische Insuffizienz (ARI) entwickeln – sei es, weil sie beispielsweise unbeabsichtigt doch zu früh extubiert worden sind oder weil aus anderen Gründen eine erneute hyperkapnische ARI post-Extubation auftritt (z. B. Sekretverhalt). Der standardisierte Einsatz bei extubierten Patienten generell wird nicht empfohlen. „Post-Extubationsversagen ist mit einer hohen Komplikationsund Letalitätsrate verbunden. Die Krankenhausmortalität kann 30–40 % übersteigen“1 und sollte somit tunlichst vermieden werden – bei hyperkapnischer ARI ist NIV dazu ein geeignetes Mit- intensiv 1|17 www.thieme.de/intensiv Heruntergeladen von: The Cochrane Library. Urheberrechtlich geschützt. 42 CNE Schwerpunkt | Nicht-invasive Beatmung NIV zur Präoxygenierung Eine abgewandelte Form der Präoxygenierung wird durch die aktuelle Leitlinie in Erwägung gezogen: „Bei Patienten mit hypoxämischer ARI kann (…) NIV vor Intubation zur Verbesserung der Präoxygenierung eingesetzt werden.“ Auch dies ist ein interessanter Ansatz, NIV als zusätzliche und sinnvolle Ergänzung in standardisiertes Handling zu integrieren. Da der Patient intubiert werden soll, steht der aufgerüstete Intensivrespirator sowieso bereit. Es ist leicht, vor dem HME-Filter eine Maske aufzusetzen, den NIV-Modus im Respirator einzustellen und die Präoxygenierung mit moderaten NIV-Einstellungen zu applizieren. Anschließend den NIV-Modus im Gerät deaktivieren, die Maske entfernen und an den neu angelegten invasiven Atemweg anschließen – das alles natürlich nur unter vorsichtigem hygienisch korrektem Handling des Beatmungsschlauchsystems. Grenzen von NIV Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Einsatz von NIV also ein sinnvoller Ersatz der invasiven Beatmung sein. Sind diese Voraussetzungen jedoch nicht gegeben, ist eine Intubation unumgänglich – wie → „Kontraindikationen“ (S. 32) zeigt. Negativbeispiel ausgeprägtes ARDS: Krankhafte Lungenbereiche haben eine hohe Kollapsneigung, vielfach liegen Atelektasen vor, selbst kurzzeitige Unterbrechungen (0,2–0,4 Sekunden) der positiven Beatmungsdrücke sind zu vermeiden – dies wäre bei der Anwendung von NIV nicht sicher möglich, da die angewandten Beatmungsdrücke durch Leckagen oder Incompliance des Patienten unterbrochen werden könnten. ! [ ] Merke Faustregel: Je unterbrechungsfreier und höher die Beatmungsdrücke sein müssen, desto weniger sinnvoll ist der Einsatz von NIV. Literatur 1 AWMF/Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. S3Leitlinie: Nichtinvasive Beatmung als Therapie der akuten respiratorischen Insuffizienz. AWMF-Register-Nr. 020/004, 2015. Online unter www.awmf.org/ leitlinien/detail/ll/020-008.html, letzter Zugriff 21.08.2016 2 Dudenredaktion. Duden. Die deutsche Rechtschreibung. Mannheim: Bibliographisches Institut; 2014 3 Geiseler J, Kelbel C. Nichtinvasive Beatmung – Update. Intensivmedizin up2date 2013, 9: 101–112 4 Oczenski W. Atmen – Atemhilfen. Stuttgart: Thieme; 2012 5 Ullrich L, Stolecki D. Intensivpflege und Anästhesie. Stuttgart: Thieme; 2015 6 Pape HC et al. Physiologie. Stuttgart: Thieme; 2014 7 Silbernagl S, Despopoulos A. Taschenatlas Physiologie. Stuttgart: Thieme; 2012 8 Ellger B, Bösel J. SOP Entwöhnung von der Beatmung. Intensivmedizin up2date 2014, 10: 95–99 9 Keenan S et al. Clinical practice guidelines for the use of noninvasive positivepressure ventilation and noninvasive continuous positive airway pressure in the acute care setting. CMAJ 2011, DOI: 10.1503 Autoren Dennis Müller Fachgesundheits- & Krankenpfleger i. d. Intensivpflege und Anästhesie, Praxisanleiter operative Intensivpflege, Weiterbildungsstätte für Intensivpflege & Anästhesie und Pflege in der Onkologie, Münster. E-Mail: [email protected] Nadine Svensson Fachgesundheits- & Krankenpflegerin i.d. Intensivpflege und Anästhesie, Atmungstherapeutin operative Intensivstationen; Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie, Münster. E-Mail: [email protected] Bibliografie DOI 10.1055/s-0042-118514 Intensiv 2017; 25: 30-43 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0942-6035 Fazit Die NIV-Therapie insgesamt kann die invasive Beatmung nicht vollwertig ersetzen – sie als konkurrierendes Verfahren zu betrachten ist jedoch auch ein eher schräger, unpassender Blickwinkel. Vielmehr sollte sie als ergänzende und unterstützende Therapiemöglichkeit in den üblichen standardisierten Maßnahmenkatalog der Beatmung Einzug halten. Ihre Stärken spielt die NIV bei der flexiblen, jederzeit durchführbaren Entlastung der Atemmuskulatur aus. Oft wird diese eigentliche Stärke überhaupt erst dann genutzt, wenn es fast zu spät ist: Wenn der Patient sich bereits vollständig erschöpft hat. Ein strukturiert geplantes Wechselspiel zwischen der Be- und Entlastung der Atemmuskulatur wäre hier sicherlich angebrachter, um Überlastungen und Dekompensationen zu vermeiden. Gutes NIV bedarf eines Weaningplans – zum Weaning vom Respirator, nicht vom Tubus. Ein durchdachter, planvoller und somit auch frühzeitiger und indikationsbezogener Einsatz der NIV-Therapie kann nicht nur eine weitere Therapieeskalation begrenzen, sondern je nach Fall auch ermöglichen, diese ganz zu vermeiden. www.thieme.de/intensiv intensiv 1|17 Heruntergeladen von: The Cochrane Library. Urheberrechtlich geschützt. tel. Zudem mehren sich die Hinweise, dass auch eine postoperativ eingesetzte NIV Re-Intubationen gut vorbeugen kann – insbesondere nach Risikoeingriffen (aorto-koronare Bypässe, Thorax-, Abdominalchirurgie, Zwei-Höhlen-Eingriffe). 43