Kapitel 5 Gibbs-Energie Inhalt 5.1 Einleitung 5-3 5.2 System und Umgebung – Kombination beider Hauptsätze 5-3 5.3 Definition der Gibbs-Energie 5-6 5.4 Abgängigkeiten der Gibbs-Energie 5-8 5.5 Reaktions-Gibbs-Energie 5-12 5.6 Standard-Reaktions-Gibbs-Energie 5-13 5.7 Standard-Bildungs-Gibbs-Energie 5-14 5.8 Standard-Reaktions-Gibbs-Energie in Beispielen 5-15 5 Gibbs-Energie Verzeichnis der Beispiele Beispiel Beispiel Beispiel Beispiel Beispiel Beispiel 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 Hydrostatische Änderung der Gibbs-Energie von Wasser Gibbs-Energieänderung des Wasserdampfs bei zwei Bar Druck Änderung der Gibbs-Energie von Meerwasser bei 0 °C Standard-Reaktions-Gibbs-Energie im Bleiakkumulator, Nr. 1 Standard-Reaktions-Gibbs-Energie im Bleiakkumulator, Nr.2 Arbeit und Entropieänderung einer anaeroben Sulfidoxidation 5-8 5-9 5-11 5-15 5-15 5-16 Verzeichnis der Tabellen Tabelle 5.1 Tabelle 5.2 Tabelle 5.3 Partielle molare Standard-Entropien (298 K) 5-11 Standard-Bildungsenthalpien und partielle molare Standard-Entropien bei 298 K. 5-15 Standard-Bildungs-Gibbs-Energien bei 298 K 5-15 Verzeichnis der Figuren Figur 5.1 5-2 Änderung der System- und der Umgebungsentropie durch Reaktion 5-4 5.1 5.1 Einleitung Einleitung Für die Chemie ist die Gibbs-Funktion (Gibbs-Energie) G unter allen thermodynamischen Grössen die nützlichste. Sie fasst die Erkenntnisse aus Enthalpie- und Entropieänderungen zusammen und formt daraus eine einzige Grösse. Diese gibt Auskunft über eine Anzahl bedeutender Eigenschaften und Verhaltensweisen chemischer Reaktionen, wie: • Ob eine vorgegebene Reaktion je «spontan» ablaufen wird oder nie. • Bis zu welchem Endzustand eine Reaktion ablaufen wird. • Welche Substanzmischung in diesem Endzustand sein wird. • Wie sich ein Zustand ändert, wenn die Reaktionsbedingungen ändern. • Wie viel nutzbare Arbeit aus einer Reaktion im Maximum gewonnen werden kann. • Um wie viel sich die Entropie im Universum erhöhen wird wegen einer Reaktion. 5.2 System und Umgebung – Kombination beider Hauptsätze Der erste und der zweite Hauptsatz der Thermodynamik sind – wissenschaftlich gesagt – der Grund, dass sich die Welt bewegt: «Die Entropie der Welt strebt einem Maximum zu.» Und wie sich die Welt bewegt: «Die Energie der Welt ist konstant.» Eine so extreme Verkürzung eines so grossen Aussageinhalts mag sich vermessen anhören, aber noch nichts, was je irgendwann und irgendwo festgestellt wurde, widerspricht der einen oder der anderen Aussage! Teilen wir das Universum auf in das von uns betrachtete geschlossene System (S) und die Umgebung (U), als den Rest der Welt. Nehmen wir weiter an, System und Umgebung seien im thermischen Gleichgewicht, hätten also eine beliebige, aber gleiche Temperatur, mit T bezeichnet. Im System findet unter den Bedingungen von konstantem Druck und konstanter Temperatur (das können, müssen aber nicht, Standardbedingungen sein) eine Reaktion statt, von den Reaktanten (R) zu den Produkten (P), siehe Figur 5.1. Die meisten Reaktionen sind verbunden mit einer: • Enthalpieänderung im System, der Reaktionsenthalpie ∆rH S . • Entropieänderung im System, der Reaktionsentropie ∆rS S . Das geschlossene diatherme System transferiert seine Enthalpieänderung bei konstantem Druck an die Umgebung, und da die Umgebung beliebig gross ist, werden sich deren Druck und Temperatur dabei nicht ändern. Die Reaktion hat also Enthalpie an die Umgebung abgegeben oder von ihr aufgenommen bei konstanter und gleicher Temperatur von System und Umgebung. Der Erste Hauptsatz (Energieerhaltung) gibt an, um wie viel sich dabei die Enthalpie der Umgebung im System ändert: ∆H m, U = −∆H m, S = −∆rH S . (5-1) 5-3 5 Gibbs-Energie Im System haben wir jetzt (wegen Abgabe der Enthalpieänderung an Umgebung) dieselbe Enthalpie und auch dieselbe Temperatur wie vor Reaktion. Dazu haben wir noch die Entropieänderung, entstanden wegen neuen Stoffzusammensetzung. Diese Entropieänderung ∆rS kann – weil System geschlossen ist – nicht an die Umgebung abgeführt werden. die der der das In der Umgebung finden keine materiellen Änderungen statt, aber eine Enthalpieänderung (wegen der transferierten Reaktionsenthalpie, s. Gleichung (5-1)). Diese bewirkt die Entropieänderung der Umgebung. Die Entropieänderung hängt ab von der Wärmeänderung und der Temperatur, bei der diese stattfindet (s. Definitionsgleichung der Entropie, Gleichung (4-4)). Für die geltenden Randbedingungen mit konstantem Druck und konstanter Temperatur T und ∆H statt qrev gibt dies für die Umgebung U: ∆S U = ∆H U T = q rev T . (5-2) Durch Einsetzen von Gl. (5-1) in Gl. (5-2) können wir die entropische Änderung der Umgebung pro Mol Stoffumsatz quantitativ beschreiben durch eine enthalpische Änderung im System: ∆S U = −∆rH S T . (5-3) Wir haben jetzt einen Ausdruck für die Entropieänderung im System (Gleichung (5-2) und einen für die Entropieänderung in der Umgebung (Gleichung (5-3)). Dazu haben wir den zweiten Hauptsatz zur Entropieänderung im Universum: ∆S Universum = 5.2.1 ∆S S + ∆S U ≥ 0. (5-4) Entropieänderung im Universum: bestimmbar aus Reaktionsgrössen Mit den Gleichungen (5-1) bis (5-4) sind wir in der Lage, Entropieänderungen sowohl im Reaktionssystem, als auch in der gesamten Systemumgebung quantitativ angeben, und dies ausschliesslich mit Grössen des Reaktionssystems! Voraussetzung dazu sind (bei chemischen Reaktionen) eine bekannte Reaktionsstöchiometrie, die thermodynamischen Grunddaten der Standard-Bildungsenthalpien und der Standard-Entropien der Reaktionsteilnehmer, sowie das Einhalten der Prozessbedingungen (reversibel und p und T konstant). ∆HU = –∆HS ⇒ ∆SU = ∆HU T = –∆rH T Umgebung T System T Enthalpie- transfer ∆HS = ∆rH R P ∆SS = ∆rS Figur 5.1 Änderung der System- und der Umgebungsentropie durch Reaktion Zwei Systeminterne, durch Änderung der Stoffzusammensetzung bewirkte, thermodynamische Zustandsfunktionen – die Reaktionsenthalpie und die Reaktionsentropie – sind verantwortlich für die totale Entropieänderung im System und in der Umgebung (R = Reaktanten, P = Produkte). 5-4 5.2 System und Umgebung – Kombination beider Hauptsätze Ersichtlich wird dies, wenn wir Gleichung (5-4) ausdrücken mit den Gleichungen (5-2) und (5-3): ∆S Universum = ∆rS S − ∆S Univ ∆rS S ∆rH S T ∆r H S T > 0 für spontane Prozesse p,T konst. = 0 Gleichgewicht (5-5) Entropieänderung im Universum. Reaktionsentropie im System. Standard-Reaktionsenthalpie im System. Temperatur des Systems und der Umgebung. Die Gleichung (5-5) ist bedeutungsvoll: • Geschieht ein Prozess (irgendeine Änderung irgendwelcher Art irgendwo im Universum), so nimmt die Entropie im Universum zu. • Ist ein System im Gleichgewicht, so ist es nicht Ursprung einer Entropieänderung im Universum. • Die Möglichkeit, die Entropie im Universum zu erniedrigen, gibt es nicht. Die Gleichung (5-5) beschreibt anhand thermodynamischer Stoffdaten, ob eine Reaktion in die angegebene Richtung spontan abläuft: ∆S Univ > 0 , ob sie in angegebener Richtung unmöglich gehen kann: ∆S Univ < 0 , oder ob sie sich im Gleichgwicht befindet: ∆S Univ = 0 , sich also spontan in keine Richtung mehr bewegen wird. Die Gleichung (5-5) würde vollumfänglich genügen, um (zeitunabhängige) Aussagen über den Verlauf von Reaktionen zu machen, nur ist sie etwas unhandlich, da sie zwei Stoffeigenschaften (S und H) enthält, und leider liefert sie als Resultierende für alle spontanen Prozesse eine positive Grösse ( ∆S Univ > 0 ), wo doch die Erfahrung aus der Mechanik das Energieminimum als Ziel kennt. W. Gibbs hat Ende des 19. Jh. eine neue Zustandsfunktion definiert, die nur Systemgrössen enthält. Es handelt sich dabei um eine Energie und nicht um eine Entropie und jedes System tendiert dazu, sie möglichst klein werden zu lassen, was dann gleichermassen heisst, dass die Entropiezunahme maximal wird. 5-5 5 Gibbs-Energie 5.3 Definition der Gibbs-Energie Die Gibbs-Energie G ist als Zustandsfunktion definiert: G := H − T ⋅ S . G Gibbs-Energie [G] = J H Enthalpie [H] = J S Entropie T absolute Temperatur (5-6) [S] = J·K–1 [T] = K. Den Sinn dieser Definition können wir leicht einsehen, wenn wir die Gleichung (5-5) etwas umformen: Beide Seiten mit (–T) multiplizieren und die Summanden umstellen ergibt: −T ⋅ ∆S Universum = ∆r H S − T ⋅ ∆rS S . (5-7) Wenn alle Terme rechts Systemparameter sind, muss der links auch einer sein. Den Term ( −T ·∆S tot ) nennen wir Reaktions-Gibbs-Energie ∆rG . Unter Weglassen der Systembezeichnung wird die Reaktions-Gibbs-Energie: ∆rG(T ) = ∆rH (T ) − T ⋅ ∆rS (T ) . (5-8) Wegen der Multiplikation von Gleichung (5-5) mit minus T, kehrt das Ungleichheitszeichen um, und es gilt für die Reaktions-Gibbs-Energie ∆rG : ∆rG < 0 für spontane Prozesse (5-9) ∆rG = 0 für Gleichgewicht. Für die in der chemischen Thermodynamik sehr häufig verwendete Grösse G sind mehrere Namen im Gebrauch: «Gibbs-Energie», «freie Enthalpie», «Gibbs freie Energie». In älterer Literatur findet sich vor allem «freie Enthalpie», in der neueren eher «Gibbs freie Energie» und «Gibbs-Energie»1, als Symbol wird heute immer G verwendet. 5.3.1 • • • • Aussagen der Gibbs-Energie Aussage, ob ein Prozess (von links nach rechts) spontan ablaufen kann und auch wird, oder ob das niemals geschehen kann ohne Änderung der Zustandsbedingungen oder ohne Zufuhr von Energie. Aussage, dass ein System thermodynamisch instabil ist. Aussage, ob ein Prozess im Stillstand ist und keine Änderungen seines Zustandes und seiner Zustandsvariablen spontan möglich sind. Aussage, dass ein System stabil ist. Gleichgewichtsbeschreibung. Beschreibt den Zustand des Systems am Ende seines Prozessablaufs (im Gleichgewicht) exakt bezüglich aller Zustandsparameter: Zusammensetzung, Druck, Volumen, Entropie, Enthalpie, Temperatur, Dichte, Farbe, Brechungsindex, etc. Aussage über die maximal verrichtbare Arbeit des Systems. Quantitative Aussage, wie viel Arbeit (höchstwertige Energie) im Maximum aus einem Prozess gewonnen werden können. Dieses Maximum ist auch mit bester Ingenieurkunst niemals übertreffbar 5.3.2 Eigenschaften der Gibbs-Funktion • Sie besteht ausschliesslich aus Systemgrössen. Die Gibbs-Funktion beschreibt ein System und seine Änderungen ausschliesslich mit systeminternen Parametern. Der Zustand der Umgebung spielt keine Rolle, mit Ausnahme, dass der Druck und die Temperatur während des Prozesses konstant zu sein haben. Man lässt deshalb die Nennung, dass G , ∆G , ∆rG Systemgrössen sind (Subscript S), zur Vereinfachung weg. 1 5-6 Die IUPAC empfiehlt den Ausdruck «Gibbs-Energie». 5.3 Definition der Gibbs-Energie • Sie beschreibt den Innenzustand eines Systems. Äussere Parameter wie sein Ort im dreidimensionalen Raum, seine Lage und seine Bewegung werden nicht berücksichtigt, auch dann nicht, wenn sie einen Einfluss auf die Energie ( E kin , E pot ) bezüglich eines äusseren Bezugssystems haben. • Sie beschreibt den Zustand in Abhängigkeit der Zustandswerte ihrer Variablen: innere stofflichen Zusammensetzung (Art und Menge jeder enthaltenen Komponente) sowie zwei weiteren und an sich beliebigen Zustandsbedingungen. • Intensive Zustandsvariablen. Neben der extensiven Zusammensetzung eignen sich am besten: der Druck, p, und die Temperatur, T. Diese sind einfach zu messende und zu kontrollierende Zustandsgrössen. • Es ist nur die Änderung von G messbar. Absolutwerte von G kann man nicht bestimmen (die Definition enthält die nicht bestimmbare Grösse H). * Totales Differential der Gibbs-Funktion Das totale Differential der Gibbs-Funktion erzählt uns alles über die Funktion und ihre Abhängigkeiten. Es liefert eine vollständige Information, wie die Gibbs-Energie auf die unabhängigen, d.h. vom Beobachter steuerbaren, Zustandsvariablen reagiert. Es ist deshalb sinnvoll, alle Details ausführlich zu erläutern, um einen klaren Zusammenhang zwischen mathematischem Formalismus und inhaltlicher Bedeutung herzustellen. Man vergleiche auch mit dem totalen Differential der Enthalpie, Gleichung (3-22) und dem der Entropie, Gleichung (4-8). Das beliebige System mit unabhängigen Komponenten Die Gibbs-Energie eines Systems hat so viele Zustandsvariablen wie es Komponenten enthält plus 2 durch die Systemumgebung kontrollierbare Variablen: Den Druck und die Temperatur. Das ergibt die Zustandsfunktion: G = G ( p, T , n A , n B , …, nJ , …, n N ) . (5-10) Mit dem totalen Differential für N Komponenten: N ∂G ∂G ∂G dG = ⋅ dp + ⋅ dT + ∑ ⋅ dn J . ∂p ∂T ∂ n p, T J=A , , J T n p n B (5-11) B Das geschlossene Systems mit chemischer Reaktion Sind alle Stoffe in einem geschlossenen System über eine chemische Reaktion bekannter Reaktionsstöchiometrie miteinander gekoppelt, so können wir die Zusammensetzungsänderung als Reaktionsablauf von einem beliebigen Anfangszustand bis zu einem beliebigen Folgezustand über die Reaktionslaufzahl ξ beschreiben. Diese hat dann die Zustandsfunktion: G = G ( p, T , ξ ) (5-12) und das totale Differential: ∂G dG = ∂p T, ξ ∂G ⋅ dp + ∂T p, ξ ∂G ⋅ dT + ∂ξ ⋅ dξ . (5-13) p, T 5-7 5 Gibbs-Energie 5.4 Abhängigkeiten der Gibbs-Energie 5.4.1 Druckabhängigkeit der Gibbs-Energie Die Druckabhängigkeit zeigt, dass der Differentialquotient von G nach p, ( ∂G ∂p )T , ξ – also die Empfindlichkeit der Gibbs-Energie eines Systems auf eine Druckänderung – gerade so gross ist wie das Volumen des Systems: ∂G ∂p =V . (5-14) T, ξ Die Empfindlichkeit auf eine Druckänderung (Gleichung (5-14)) mal die Druckänderung (dp) ergibt die Änderung der Gibbs-Energie für diese Druckänderung: dG = V d p . (5-15) Volumetrisch kleine Systeme reagieren schwach und grosse stark auf eine bestimmte Druckänderung, und die Gibbs-Energie ändert sich in gleicher Richtung wie die vorgenommene Druckänderung, da das Volumen V immer eine positive Grösse ist. Um die Änderung der Gibbs-Energie bei einer Druckänderung zu erhalten, müssen wir die Gleichung (5-15) integrieren vom Druck p1 bis p2: p2 ∆G = ∫V dp (allgemein gültig). (5-16) p1 Jetzt haben wir zu entscheiden, ob das Volumen V vom Druck abhängt. Tut es dies – wie bei Gasen – so muss die Funktion dieser Abhängigkeit: V = V(p) im Integral über dp integriert werden, tut es das nicht, oder ist das Ausmass vernachlässigbar gering, so kann V als Konstante vor das Integral kommen. 5.4.1.1 Druckabhängigkeit von G in kondensierter Phasen Festkörper und Flüssigkeiten sind erstens (nahezu) inkompressibel, d.h. ihr Volumen bleibt (nahezu) gleich, unabhängig vom auf sie einwirkenden 3 Druck, und zweitens ist ihr Volumen (immer auszudrücken in m (!)) vergleichsweise sehr klein: Für kondensierte Stoffe kann man die Druckabhängigkeit der Gibbs-Energie i. A. vernachlässigen, es sei denn, es handle sich um Druckänderungen im Kilobar-Bereich, wie sie im Erdinneren vorkommen. Für diese Fälle erhalten wir für die Änderung von G (also ∆G ) wegen einer Druckänderung von p1 auf p2 für inkompressible Systeme: ∆G = V (p2 − p1 ) . Beispiel 5.1 (5-17) Hydrostatische Änderung der Gibbs-Energie von Wasser Man berechne den Einfluss des Drucks auf die Gibbs-Energie von 1 Liter Wasser am tiefsten Punkt des Meers, bei ca. 11000 m, und einer Temperatur von (angenommenen) 25 °C. a) Wie gross ist die Differenz der Gibbs-Energien des Oberflächen- bzw. Tiefenwassers? b) Wie gross ist die absolute Gibbs-Energie in 11000 m Wassertiefe? 5-8 5.4 Abhängigkeiten der Gibbs-Energie Daten: ρMeerwasser ( 25 °C ) = 1045 kg m−3 ; g = 9.81 m s−2 ; V = konstant (d.h. das Meerwasser wird als inkompressibel behandelt). Lösung a) Wir verwenden Gleichung (5-17), müssen aber vorerst die Druckdifferenz durch die 11 km Wassertiefe berechnen (MW = Meerwasser): mMW · g V F = = MW ρMW · g = h · ρMW · g = 1.128 ·108 N m−2 . A A A ∆p = 3 Damit wird die Zunahme der Gibbs-Energie von 1 dm Meerwasser: ∆GMW = 10−3 m 3 ·1.128 ·108 N m−2 = 1.128 ·105 N m = 112.8 kJ . b) Eine Fangfrage! Absolute Energiewerte irgendeines Systems oder irgendeiner Substanz sind nicht bekannt – eine Aussage des ersten Hauptsatzes: U ist unbekannt, damit ist H unbekannt und damit auch G. Wir kennen den Wert der Gibbs-Energie weder bei Standarddruck noch bei sonst einem Druck! Es ist keine Antwort möglich. 5.4.1.2 Druckabhängigkeit idealer Gase Gase sind – das liegt auf der Hand – empfindlicher auf Druckänderungen. Ihr molares Volumen ist ein- bis zweitausend Mal grösser, als es ihr Flüssig- oder Festvolumen ist, damit wird die Druckabhängigkeit, die eine Funktion des Volumens ist, auch ein- bis zweitausend Mal grösser. Zusätzlich aber ist das Volumen, das ja laut Gleichung (5-16) über dp zu integrieren ist, eine Funktion des Drucks. Die Druckabhängigkeit des Volumens idealer Gase ist: V = n RT p . (5-18) Wird der Ausdruck (5-18) für das Volumen eines idealen Gases bei konstanter Stoffmenge und Temperatur in Gleichung (5-16) eingesetzt, so ergibt dies für die druckabhängige Änderung der Gibbs-Energie: p2 ∆G = n R T ∫ p1 dp p (id. Gase, T konst.). (5-19) Die Integration ergibt eine logarithmische Druckabhängigkeit idealer Gase: ∆G = n R T ln p2 p1 . (5-20) Die Gibbs-Energie nimmt bei idealen Gasen nicht proportional zum Druck zu, sondern nur proportional zum Logarithmus des Druckverhältnisses. Beispiel 5.2 Gibbs-Energieänderung des Wasserdampfs bei zwei Bar Druck Um wie viel ändert sich die Gibbs-Energie von 55.3 Mol Wasserdampf (entspricht der Stoffmenge von 1 Liter flüssigem Wasser), wenn er bei 25 °C unter 2 Bar Druck steht, im Vergleich zu seinem Sättigungsdruck bei 25 °C? -1 Druckabhängigkeit der GibbsEnergie Bei kondensierten Phasen kann die Druckabhängigkeit der Gibbs-Energie i. A. vernachlässigt werden. -1 Daten: n = 55.3 mol; R = 8.31 J·K ·mol ; T = 298 K; p = 2 bar; 2 p = 31.5 mbar. 1 Lösung Wir verwenden die Gleichung (5-20) und setzen alle Werte ein: : ∆G = 55.3 mol ·8.31JK-1mol -1 ·298 K· ln 2.00 = 568 kJ . 0.0315 5-9 5 Gibbs-Energie Interpretation Man vergleiche die beiden Resultate von Beispiel 5.1 und Beispiel 5.2: 3 Die Gibbs-Energie von 55.3 Mol Flüssigkeit (1 dm Meerwasser) hat bei ei– ner Druckdifferenz von über 1000 bar gerade einmal um 112 kJ zugenommen. Dieselbe Stoffmenge eines idealen Gases (Wasserdampf) hat bei einer Druckdifferenz von weniger als 2 bar um 568 kJ zugenommen, also um viermal mehr 5.4.2 Temperaturabhängigkeiten der Gibbs-Energie Die Temperaturabhängigkeit der Gibbs-Energie ist von wesentlich grösserer Bedeutung, als ihre Druckabhängigkeit. Dies kommt auch daher, dass der normale Temperaturbereich von Prozessen im Bereich anthropogener Tätigkeit ca. von –30 °C bis +1000 °C reicht (250 K bis 1300 K), der Druck aber nur unter geologischen Bedingungen wesentlich anders ist als 1 bar ± 1 bar. Der zweite Grund ist die grössere Empfindlichkeit thermodynamischer Funktionen auf Temperaturänderungen als auf Druckänderungen. Auf die Berücksichtigung der Druckabhängigkeit kondensierter Stoffe kann verzichtet werden, nicht aber auf ihre Temperaturabhängigkeit. Die Herleitung der Temperaturabhängigkeit ergibt, dass die Temperaturempfindlichkeit der Gibbs-Energie eines Systems der negative Wert seiner Entropie ist: ∂G = −S . ∂T p, ξ (5-21) Bei konstantem Druck und konstanter Zusammensetzung ergibt dies für dG: dG = −S ⋅ dT . (5-22) Die Änderung der Gibbs-Energie bei einer realen Temperaturänderung von T1 bis T2 ergibt sich durch Integration der Gleichung (5-22): ∫ G (T ) dG (T ) = − T2 ∫ S (T ) dT . (5-23) T1 Als Resultat erhalten wir wiederum nur die Änderung der Gibbs-Energie. Ihr Absolutwert ist nicht bekannt. Aber wir können eine Richtung der GibbsEnergieänderung vorhersagen, denn die Entropie ist immer eine positive Grösse. Die Gibbs-Energie muss abnehmen bei einer Temperaturzunahme und umgekehrt. Obige Gleichung (5-23) heisst allgemein gültig, weil sie noch offen lässt, ob die Entropie als konstant im Temperaturintervall ∆T angesehen wird, oder ob man ihre Temperaturabhängigkeit berücksichtigen will (s. Kapitel 4.3.5). Genauer ist immer eine Berücksichtigung, aber rechnerisch auch deutlich aufwändiger und deshalb im Normalfall, bei geringeren Temperaturdifferenzen, nicht empfehlenswert. Betrachten wir die Entropie in obiger Funktion (5-23) als (über ∆T ) konstante Grösse, so können wir sie vor das Integral nehmen und bekommen den viel einfacheren Ausdruck: ∆G (T ) = − S ⋅ (T2 − T1 ) . 5-10 (5-24) 5.4 5.4.2.1 Abhängigkeiten der Gibbs-Energie Temperaturabhängigkeit der Gibbs-Energie von Festkörpern, Flüssigkeiten und Gasen Um die Empfindlichkeit der drei verschiedenen Aggregatszustände auf eine Temperaturänderung zu vergleichen, müssen wir ihre molaren Entropien vergleichen. Die Festkörper haben die kleinste, Flüssigkeiten etwas grössere und Gase deutlich grössere Entropien, entsprechend sind ihre Temperaturabhängigkeiten. Die Unterschiede sind aber bei weitem nicht vergleichbar mit den Unterschieden der vorher behandelten Volumina. Bei 25 °C haben anorgani–1 –1 sche Festkörper molare Entropien von ca. 30 bis ca. 150 J K ·mol . –1 –1 Ausnahmen sind Diamant, Graphit und Be, mit 2.4 bis 10 J K ·mol . –1 –1 Flüssigkeiten haben meist molare Entropien von etwa 70 bis 150 J K mol –1 –1 und Gase solche zwischen etwa 125 bis 250 J K ·mol . Die Extremwerte liegen innerhalb eines Faktors 10. Beispiel 5.3 Temperaturabhängigkeit der Gibbs-Energie Sie ist für Festkörper, für Flüssigkeiten und für Gase ähnlich stark. Änderung der Gibbs-Energie von Meerwasser bei 0 °C Die Temperatur des Oberflächenwassers des Mittelmeers sei im Sommer 25 °C, diejenige des Tiefenwassers ist konstant 0 °C. Man berechne den Einfluss 3 der Temperaturabnahme auf die Gibbs-Energie von 1 dm Meerwasser bei p°. Hinweise: Meerwasser hat wegen seines hohen Salzgehalts (ca. 0.5 M NaCl) seine höchste Dichte bei 0 °C und nicht, wie reines Wasser, bei 4 °C; das Tiefenwasser der Meere ist deshalb relativ konstant 0 °C. Die Zusammensetzung des Meerwassers ist von hoher Konstanz über das ganze Volumen, aber verschiedene Meere können sich darin geringfügig unterscheiden. 25° Daten: Die Dichte von Meerwasser bei 25 °C ist: ρMW = 1023.4 kg m –3 . Für die partiellen molaren Standard-Entropien S B s. Tabelle 8.1. Lösung Spezies B He(g) 126.15 H2(g) 130.684 O2(g) 205.138 H2O(l) 69.91 C(Graphit) 5.740 C(Diamant) 2.377 + H (aq) + 3 Aus der gegebenen molaren Entropie müssen wir die Entropie von 1 dm der Lösung Meerwasser berechnen, dazu brauchen wir die Stoffmenge Wasser in 1 Liter Salzlösung. 1 Liter Meerwasser hat die Masse 1023.4 g, davon sind 0.5 mol NaCl, also 29.2 g; dann sind in 1 Liter Meerwasser ca. 994.2 g oder n H O = 55.2 mol mit der Entropie: S B J K -1 mol -1 Na (aq) 0 59.0 – Tabelle 5.1 Partielle molare Standard-Entropien (298 K) 2 S H O, l = n H O, l · S H O, l = 55.2 mol ·69.91J K−1 mol−1 = 3859 J K−1 . 2 2 2 + – Die Ionen Na (aq) und Cl (aq) sind für die Standardkonzentration definiert –3 (s. Kap. 4.5.8.4), Meerwasser hat je eine Konzentration von 0.5 mol·dm : S Na + , aq = cNa + ,aq · S S Cl – , aq = cCl – , aq · S Na + ,aq Cl – , aq ·Vsln = 0.5 M·59.0 J K-1 = 29.5 J K-1 . ·Vsln = 0.5 M·56.5 J K -1 = 28.25 J K -1 . 3 –1 Die Summe aller drei Entropieanteile ergibt für 1 dm : 3.92 kJ K . 3 Mit dieser Entropie von 1 dm Meerwasser ist es nun ein Leichtes, die Änderung der Gibbs-Energie mit der Gleichung (5-24) zu berechnen: ∆G (T ) = − 3.92 ⋅ 103 J K−1 ·(273 K − 298 K) = +98 kJ . Wie oben vermerkt, muss die Gibbs-Energie zunehmen bei einer Temperaturabnahme. Man beachte, dass der Effekt durch Abkühlen um nur 25 K (–10 % der absoluten Temperatur!) praktisch gleich gross ist, wie der Effekt durch einen Faktor 1000 beim Druck aus Beispiel 5.1. 5-11 5 Gibbs-Energie 5.4.3 Zusammensetzungsabhängigkeit der Gibbs-Energie Wird beispielsweise die Stoffmenge von B um dnB geändert, so ändert sich die Gibbs-Energie des Systems, abhängig davon, welchen Einfluss B auf die Gibbs-Energie hat. 5.4.3.1 Partielle molare Gibbs-Energie Die partielle molare Gibbs-Energie einer Spezies: ∂G GB = ∂n B p,T ,n . (5-25) J≠ B hat in der chemischen Thermodynamik eine derart herausragende Bedeutung, dass sie von W. Gibbs einen extra Namen und ein eigenes Symbol bekam. Sie heisst «Chemisches Potential µ». 5.4.3.2 Chemisches Potential Das chemische Potential einer Spezies B ist identisch zur partiellen molaren Gibbs-Energie von B: ∂G µB : = . (5-26) ∂n B p,T ,nJ≠ B µB : chemisches Potential des Stoffs B (alles ausser nB ist konstant). ∂G : infinitesimale Änderung der Gibbs-Energie des gesamten Systems ∂nB : infinitesimale Änderung der Stoffmenge B im System. Wegen seiner herausragenden Bedeutung als eigenständige Grösse wird es das Thema des Kapitels 6 sein. 5.5 Reaktions-Gibbs-Energie In der exakt gleichen Art und Weise, wie für die Reaktionsenthalpie und die Reaktionsentropie, wird auch die Reaktions-Gibbs-Energie definiert und benutzt. Sie gilt für konstanten Druck und konstante Temperatur während des Reaktionsablaufs. Sie ist sinnvoll für alle über die Reaktionslaufzahl ξ gekoppelten Stoffänderungen, wie sie in chemischen Reaktionen typisch sind. Die Reaktions-Gibbs-Energie beschreibt die Änderung der Gibbs-Energie über den gesamten möglichen Reaktionsablauf von nur Produkten ( ξmin ) über eine Mischung von Reaktanten und Produkten bis zu nur Produkten ( ξmax ), wobei Reaktanten und Produkte gemischt sind, nicht ungemischt wie unter Standardbedingungen. Für Reaktionsbedingungen bei beliebigem, aber konstantem Druck und beliebiger, aber konstanter Temperatur, gilt: ∂G ∆rG = . ∂ξ p, T (5-27) Über die Definitionsgleichung der Gibbs-Funktion (5-6) ergibt sich die Reaktions-Gibbs-Energie auch aus der Reaktionsenthalpie und der -entropie: ∆rG = ∆rH − T ∆rS . 5-12 (5-8) 5.6 5.6 Standard-Reaktions-Gibbs-Energie 5.6.1 Standard-Bedingungen Standard-Reaktions-Gibbs-Energie Idealisierte Bedingungen für die Reaktionspartner und den Reaktionsablauf: Alle Reaktanten und alle Produkte liegen rein vor, d.h. sie sind nicht miteinander vermischt. Die Werte sind bezogen auf 1 mol Stoffmenge. Anfangszustand, Reaktionsablauf und Endzustand sind bei Standard-Druck und der angegebenen Temperatur T. Die Standardbedingungen sind in Kapitel 3.8.2.1 aufgeführt. 5.6.2 Standard-Reaktions-Gibbs-Energie Die Standard-Reaktions-Gibbs-Energie, ∆rG ° (T ) , ist die Änderung der Gibbs-Energie bei der Temperatur T, wenn die Reaktanten im Standardzustand zu Produkten im Standardzustand umgewandelt werden. StandardGibbs-Energien von Substanzen und Ionen in wässriger Lösung findet man in thermodynamischen Tabellen als Standard-Bildungs-Gibbs-Energien ∆fG ° (T ) . Die Standard-Reaktions-Gibbs-Energie für eine beliebige Reaktion lässt sich aus den derart tabellierten Werten berechnen mit: ∆rG (T ) = ∑ J νJ ⋅ ∆fGJ (T ) (5-28) Die Gleichung und das Rechenverfahren sind analog zu dem der StandardReaktionsenthalpie (3-35) bzw. der Standard-Reaktionsentropie (4-25). Auch für die Standard-Reaktions-Gibbs-Energie gilt die Definitionsgleichung: ∆rG 5.6.3 (T ) = ∆rH (T ) − T · ∆rS (T ) (5-29) Druckabhängigkeit der Standard-Reaktions-Gibbs-Energie Die Standard-Reaktions-Gibbs-Energie ist per Konventionem die ReaktionsGibbs-Energie bei einem festgelegten Standarddruck p°. 5.6.4 Temperaturabhängigkeit der Standard-Reaktions-Gibbs-Energie In der Gleichung (5-28) ist die Variable T explizit aufgeführt als ∆rG ° (T ) , weil ∆rG ° temperaturabhängig ist, weil es die Standard-Bildungs-GibbsEnergien, ∆fG ° (T ) auch sind. Die Temperaturabhängigkeit der GibbsEnergie (die Grundgrösse von ∆rG ° (T ) ) ist im Kapitel 5.4.2 aufgeführt. Wenn bei konstantem p und konstanter Zusammensetzung gilt: ∂G ∂T = −S , (5-21) dann gilt bei konstantem p° und Standard-Zusammensetzung: ∂ ∆rG ∂T (T ) = −∆rS . (5-30) 5-13 5 Gibbs-Energie Mit obiger Gleichung kann man (bei über ∆T konstantem ∆rS°) die ∆rG ° Werte von der einen auf eine beliebige andere Temperatur umrechnen mit: ∆rG (T2 ) = ∆rG (T1 ) − ∆rS ⋅ (T2 − T1 ) (5-31) Vorgehen: Wir berechnen bei T1 (das ist üblicherweise die Referenztemperatur TR = 298 K) über die Standard-Bildungs-Gibbs-Energien die ∆rG ° der Reaktion, das ist dann ∆rG ° (T1 ) . Dann berechnen wir von derselben Reaktion die Standard-Reaktionsentropie ∆rS ° (T1) und ziehen das Produkt aus ∆rS ° mal die Temperaturdifferenz ∆T = (T2 − T1 ) von ∆rG ° (T1 ) ab und haben die Standard-Reaktions-Gibbs-Energie bei der Temperatur T2. 5.7 Standard-Bildungs-Gibbs-Energie Wie mehrfach erwähnt, gibt es keine Möglichkeit irgendeine Art von Energie einer Substanz oder eines Substanzgemischs zu bestimmen, man muss deshalb auch für die Gibbs-Energie Bezugswerte definieren. Auch für sie, wie für die Enthalpie, werden die elementaren Stoffe als Bezugssubstanzen gewählt und ebenso auf den Wert null gesetzt. 5.7.1 Standard-Bildungs-Gibbs-Energie elementarer Stoffe Die Standard-Bildungs-Gibbs-Energie ∆fG° elementarer Stoffe in ihrem Referenzzustand ist definiert auf 0 Jmol-1, bei jeder Temperatur. Der Referenzzustand eines elementaren Stoffs ist sein stabilster Zustand bei der angegebenen Temperatur und Standarddruck. Als einzige Ausnahme gilt Phosphor, für den weisser Phosphor als Referenzzustand definiert ist: ∆fG ° ( elementare Substanz, Referenzzustand ) : = 0 . 5.7.2 (5-32) Standard-Bildungs-Gibbs-Energie von H+(aq) Für alle ionischen Spezies in Lösung ist das aquatisierte Proton im Referenzzustand der Lösung und in der Standardkonzentration c° die Bezugsgrösse. Seine Standard-Bildungs-Gibbs-Energie ist bei jeder Temperatur definiert: ∆fG ° ( H+ aq , c ° ) : = 0 . 5.7.3 Exergonische Reaktion ∆rG° < 0 Endergonische Reaktion ∆rG° > 0 5-14 (5-33) Standard-Bildungs-Gibbs-Energie reiner Stoffe Die Standard-Bildungs-Gibbs-Energie einer Substanz bei einer Temperatur T ist die Standard-Reaktions-Gibbs-Energie der Bildung der Substanz aus den elementaren Stoffen in ihrem Referenzzustand bei der Temperatur T. Die Bildung einer Substanz aus den elementaren Stoffen ist in den allermeisten Fällen exergonisch, d.h. die Reaktions-Gibbs-Energie ist negativ, (bei endergonischen ist sie positiv) deshalb haben der überwiegende Teil der Stoffe eine negative Standard-Bildungs-Gibbs-Energie (s. Tabelle 5.3). 5.8 Standard-Reaktions-Gibbs-Energie in Beispielen Beispiel 5.4 Standard-Reaktions-Gibbs-Energie im Bleiakkumulator, Nr. 1 Man berechne die Standard-Reaktions-Gibbs-Energie bei der Stromentnahme aus dem Bleiakkumulator (Autobatterie) bei 25 °C nach Gleichung (5-29). Reaktionsgleichung: Pb ( s ) + PbO2 ( s ) + 2 H2SO4 ( aq ) = 2 PbSO4 ( s ) + 2 H2O ( l ) . Daten: In der Tabelle 5.2 sind Daten der Standard-Bildungsenthalpien und der partiellen molaren Entropien. Lösung: Wir schreiben die Reaktionsgleichung in der Form: − Pb ( s ) − PbO2 ( s ) − 2 H2 SO4 ( aq ) + 2 PbSO4 ( aq ) + 2 H2O ( l ) = 0 . Wenn keine Standard-Bildungs-Gibbs-Energiedaten zur Verfügung stehen, benutzt man die Grunddaten der Enthalpie- und der Entropiewerte und berechnet die Standard-Reaktions-Gibbs-Energie nach Gleichung (5-29): N ∆rH (298) = ∑ νJ · ∆f H J (298) = −315.72 kJ mol−1 ,siehe Beispiel 3.4. J=A Spezies Pb(s) PbO2(s) PbSO4(s) H2O(l) H2SO4(aq) ∆f H / SB / kJ·mol JK mol –1 0 –277.4 –920.0 –285.83 –909.27 –1 –1 64.81 68.6 149 69.91 20.1 N ∆rS (298) = ∑ νJ · SJ (298) = 264.21J K-1 mol -1 , siehe Beispiel 4.3. J=A ∆rG ° ( 298 ) = − 315.72·10 J mol − 298.15 K ⋅ 264.21 J K mol 3 -1 −1 −1 = −394.49 kJ mol -1 . Tabelle 5.2 Standard-Bildungsenthalpien und partielle molare Standard-Entropien bei 298 K. Für je 1 Mol Stoffumsatz der Substanzen Bleimetall und Bleidioxid beträgt die Reaktions-Gibbs-Energie unter Standardbedingungen –394.49 Kilojoule; bezogen auf den Stoffumsatz von Schwefelsäure, Bleisulfat und Wasser ist dies aber pro je 2 Mol oder: –197.25 kJ/mol PbSO4. Beispiel 5.5 Standard-Reaktions-Gibbs-Energie im Bleiakkumulator, Nr.2 a) Man berechne die Standard-Reaktions-Gibbs-Energie bei der Stromentnahme aus dem Bleiakkumulator (Autobatterie) bei 25 °C nach Gleichung (5-28). Die Reaktionsgleichung ist: Pb ( s ) + PbO2 ( s ) + 2 H2SO4 ( aq ) = 2 PbSO4 ( s ) + 2 H2O ( l ) . b) Welche Arbeit kann die Autobatterie bei dieser Temperatur erbringen, wenn sie bis zur Erschöpfung (vollständige Entladung) 2 kg Blei umsetzt: i) in Joule? ii) in kWh? Daten: In der Tabelle 5.3 sind die Daten der Standard-Bildungs-GibbsEnergien aller benötigten Spezies. Umrechnung: 1 J = 1 Ws. Lösung: Spezies B Pb(s) PbO2(s) H2SO4(aq) PbSO4(s) H2O(l) ∆fG°/kJmol 0 –217.33 –744.53 –813.2 –237.13 -1 Tabelle 5.3 Standard-Bildungs-Gibbs-Energien bei 298 K a) Wir schreiben die Reaktionsgleichung in der Form: − Pb ( s ) − PbO2 ( s ) − 2 H2 SO4 ( aq ) + 2 PbSO4 ( aq ) + 2 H2O ( l ) = 0 . Wenn Standard-Bildungs-Gibbs-Energiedaten zur Verfügung stehen, benutzt man diese und berechnet die Standard-Reaktions-Gibbs-Energie nach Gleichung (5-28): 5-15 5 Gibbs-Energie ∆rG ° ( 298 ) = ( −1 )·0 – 1( −217.33 ) – 2 ( −744.53 ) + 2 ( −813.2 ) + 2 ( −237.13 ) = –394.27 kJmol -1 . b) n Pb, s = m Pb, s M Pb, s = 9.65 mol . 1 3 i) ∆G = n · ∆rG = 9.65 molPb, s · 394 kJ mol− Pb = 3.80·10 k J . ii) 3800 k J = 3800 kW·s = 3800 kW·s 3600 s·h –1 = 1.06 kWh . Dieser Wert ist realistisch für eine Autobatterie (ca. 90 Ah, 12 V). Beispiel 5.6 Arbeit und Entropieänderung einer anaeroben Sulfidoxidation Gegeben ist die Reaktion unter Standardbedingungen bei TR: 5 HS– ( aq ) + 8 NO3– ( aq ) + 3 H+ ( aq ) = 4 N2 ( g ) + 4 H2O ( l ) + 5 SO4– ( aq ) . a) Wie viel Arbeit lässt sich maximal aus dem Reaktionsablauf unter Standardbedingungen gewinnen? b) Um wie viel ändert sich dabei die Entropie des Systems? c) Um wie viel ändert sich die Entropie der Umgebung? d) Um wie viel ändert sich die Entropie des Universums? Lösung a) ∆rG ° (TR ) ergibt die «Arbeitsänderung» im System, und −∆rG ° (TR ) die maximal nutzbare Arbeit in der Umgebung. ∆rG = −5 ( 12.08 ) − 8 ( −108.74 ) − 3 ( 0 ) + 4 ( 0 ) + 5 ( −744.53 ) + 4 ( −237.13 ) kJ 1 . = −3861.65 = −965.41kJ mol− N2 4 mol N 2 Es lassen sich maximal +965.41 kJ·molN2 b) ∆rS c) (TR ) = − 335.02 J K –1 / 4 molN ∆S U (TR ) = ∆H U (TR ) TR = 3322 J K d) Entweder: –1 = 2 TR Arbeit nutzen. –1 , = − 83.755 J K –1 mol N −∆rH S (TR ) –1 mol N 2 -1 2 = − ( −3961.67 ) k J 298.15 K· 4 molN 2 . 1 ∆S Univ = ∆S S + ∆S U = ∆rS + ∆S U = 3238 J K -1 mol− . N 2 oder: ∆S Univ = 5-16 −∆rG TR (TR ) 1 = 3238 J K-1 mol− . (nach Gl. (5-7)). N 2