GELD & MEHR 33 FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG, 19. OK TOBER 2014, NR. 42 „Wer reich werden will, muss Unternehmer werden“ Thomas Rüschen berät die Superreichen bei der Geldanlage. Er verrät, wovor sie sich fürchten und was Privatanleger von ihnen lernen können. Herr Rüschen, verraten Sie uns: Wie wird man reich? Durch Unternehmergeist. Die Deutsche Oppenheim kümmert sich um die Vermögen von etwa hundert reichen Familien in Deutschland, und in den Gesprächen mit unseren Kunden fällt mir eines immer wieder auf: Die meisten von ihnen sind zu Geld gekommen, weil sie zu einem bestimmten Zeitpunkt in ihrem Leben ein hohes Risiko eingegangen sind und eine Firma gegründet haben. Am Anfang steht natürlich immer eine Geschäftsidee, aber das allein reicht nicht aus: Man braucht dann auch den Mut und das Selbstvertrauen, diese in die Tat umzusetzen. Wer sich dagegen scheut, selbst etwas zu wagen, wird in den seltensten Fällen reich. Kann man es nicht auch durch eine gute Anlagestrategie zu viel Geld bringen? Sicher, das ist möglich, kommt aber nicht häufig vor. Oder fällt Ihnen auf Anhieb ein Deutscher ein, der es durch geschicktes Spekulieren an den Märkten zu großem Reichtum gebracht hat? Nein, die hohe Zahl erfolgreicher Mittelständler in unserem Lande zeigt: Reich werden vor allem Unternehmer – und natürlich ihre Erben. Wie reich muss man denn sein, um bei Ihnen Kunde zu werden? Über ein liquides Vermögen von 30 Millionen Euro sollten Sie schon verfügen. Nach oben gibt es selbstverständlich keine Grenze. Ganz schön wählerisch. Schadet es Ihnen nicht, dass der Name Oppenheim der deutschen Öffentlichkeit vor allem wegen vieler juristischer Streitigkeiten bekannt ist? Zunächst einmal muss ich klarstellen: Die Privatbank Sal. Oppenheim ist zwar eine Schwestergesellschaft, die wie wir unter dem Dach der Deutschen Bank angesiedelt ist. Mit den juristischen Auseinandersetzungen bei Sal. Oppenheim haben wir aber gar nichts zu tun. Und man kann wirklich nicht sagen, dass uns die Kunden wegen des Namens meiden würden. Das Gegenteil ist der Fall: Immer mehr Vermögende interessieren sich für unser Angebot. Sie kümmern sich nicht nur ums Geld, sondern suchen Ihren Kunden beispielsweise auch eine neue Haushälterin oder reservieren Karten für den Opernabend? Nein, wir sind als klassisches Family Office tätig. In erster Linie bedeutet dies: Wir verschaffen unseren Kunden zunächst einmal einen Überblick über die genaue Thomas Rüschen leitet seit dem 1. September die Deutsche Oppenheim Family Office AG, die mehr als zehn Milliarden Euro an Kundengeldern verwaltet. Höhe ihres Vermögens – das ist bei den Summen, um die es geht, oft gar nicht so einfach: Da hat man mal eine Immobilie hier gekauft und mal eine Firmenbeteiligung dort. Häufig sind unsere Kunden zudem beruflich so eingespannt, dass sie nicht mehr die Zeit finden, sich um all dies zu kümmern. Wir versuchen dann in gemeinsamen Gesprächen, eine für sie sinnvolle Anlagestrategie zu entwickeln. Dabei geht es weniger um die Frage, wie sich der Dollar in den kommenden sechs Monaten entwickeln wird. Sondern darum, wie viel Rendite ein Kunde in Zukunft mit seinem Vermögen erzielen möchte. Wir vermuten: Die Rendite kann gar nicht hoch genug sein. Mitnichten. Natürlich gibt es auch unter reichen Menschen sowohl konservative als auch offensive Anleger. Aber die meisten haben eine ziemlich realistische Vorstellung davon, was bei einer gewissen Risikobereitschaft in diesen Zeiten möglich ist – nach Abzug aller Steuern und Kosten sind dies etwa vier Prozent Rendite im Jahr. Vier Prozent? Klingt wenig angesichts der Tatsache, dass Sie sich Ihre Dienste gut bezahlen lassen. Sie müssen schon berücksichtigen, in welchem Marktumfeld sich Anleger derzeit bewegen: Die Zinsen sind niedrig wie nie, gleichzeitig schwanken die Börsen stark. Da können Sie nicht einfach das Blaue vom Himmel versprechen. Um es konkret zu machen: Kun- den mit etwas Risikobereitschaft empfehlen wir derzeit in etwa folgende Vermögensaufteilung: Gut ein Viertel des Geldes sollte in Aktien fließen, vor allem in deutsche und europäische Titel, ein weiteres Viertel in Anleihen. Hinzu kommt ein Anteil von 20 Prozent in Immobilien, weitere zehn Prozent, die in private Beteiligungen (Private Equity) investiert werden – und dann noch einmal etwas mehr als zehn Prozent, die man zur ständigen Verfügbarkeit in Cash halten sollte. Wieso empfehlen Sie ausgerechnet europäische Aktien? Europas Börsen sind gerade auf den tiefsten Stand seit 2013 gefallen. Aber schauen Sie sich doch einmal die Alternative an: Die Renditen © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv. von Bundesanleihen notieren auf dem niedrigsten Stand in ihrer Geschichte, gerade darum sind Aktien so unverzichtbar für jedes Portfolio. Und trotz der jüngsten Korrektur sind wir von europäischen Aktien überzeugt, sie werden sich in Zukunft besser entwickeln als amerikanische Papiere. Aus einem einfachen Grund: Aus vielen Gesprächen mit Unternehmern wissen wir, dass die Stimmung in der Wirtschaft derzeit zu negativ dargestellt wird – unserer Ansicht nach geht es Europas Firmen deutlich besser, als viele befürchten. Zumal die jüngste Schwäche des Euro für die Unternehmen von Vorteil ist. Das erleichtert Exporte und erhöht die Wettbewerbsfähigkeit. Foto Wolfgang Eilmes Mit Verlaub: Alle Experten besorgt der Zustand der europäischen Konjunktur. Das muss doch auch Ihre Kunden beunruhigen. Ja, es gibt eine gewisse Verunsicherung. Schließlich erleben wir derzeit so heftig wie lange nicht mehr, dass sich die Risiken an den Märkten in kürzester Zeit ändern können: Auf einmal bestimmen der Terror des IS in Syrien, die europäische Konjunktur und die Angst vor Ebola auch im Gespräch mit unseren Kunden die Diskussionen – alles Themen, die zu Anfang des Jahres niemand auf der Rechnung hatte. Gerade die Auswirkungen von Ebola scheint die Welt unterschätzt zu haben: Wenn vermehrt Fälle in Europa und Amerika auftreten, hätte dies sogleich Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Weil Menschen nicht mehr reisen, weil Länder abgeschottet würden – und, und, und. Genau darum spricht alles dafür, sein Vermögen so breit zu streuen wie möglich. Weil eben niemand solche Gefahren vorhersehen kann. Was ist mit der Euro-Krise? Fürchten die Reichen noch einen Zusammenbruch der Währung? Nein, das ist überhaupt kein Thema mehr. Was nicht bedeutet, dass durch die Maßnahmen der Zentralbanken das Problem auf lange Sicht gelöst wäre – doch die Angst vor dem Währungskollaps treibt derzeit niemanden um. Böse Zungen behaupten, reichen Menschen ginge es vor allem darum, Steuern zu sparen. Können Sie das bestätigen? Niemand zahlt gerne zu viel Steuern, das gilt für alle Bevölkerungsschichten. Darum ist auch unseren Kunden der steuerliche Aspekt wichtig – im Rahmen des legal Zulässigen selbstverständlich. Gibt es so etwas wie eine Lieblingsanlage aller Reichen? Ja, nach wie vor spielen Immobilien in den meisten Portfolios eine herausragende Rolle. Was kein Fehler ist: Immobilien leisten im Niedrigzinsumfeld einen äußerst wichtigen Beitrag zur Rendite. Ist der Häuserboom nicht allmählich an sein Ende angelangt? Nein, gerade für die Preise deutscher Immobilien sehen wir das noch nicht. Hierzulande gab es ja nie solche Überbewertungen wie in London oder Paris. Abhängig von der Lage bleiben Immobilien ein attraktives Investment. Häuser kaufen? Ist es das, was Privatanleger von den Reichen lernen können? Das würde ich so sehen. Wobei ein Privatanleger wohl besser daran tut, offene Immobilienfonds zu kaufen – sonst steckt er all sein Vermögen in ein einzelnes Haus, was unter dem Gesichtspunkt der Streuung nicht gerade zu empfehlen ist. Grundsätzlich würde ich jedem Privatanleger außerdem dazu raten, genau das zu tun, was wir mit unseren reichen Kunden auch machen – eine ehrliche Bestandsaufnahme des eigenen Vermögens vorzunehmen. Wie viel besitzt man? Wie hoch ist der eigene monatliche Bedarf? Wie wird er sich in Zukunft verändern? Davon muss die eigene Anlagestrategie wesentlich abhängen. Reich wird man allein dadurch zwar noch nicht. Aber es ist immerhin ein Anfang. Das Gespräch führten Dennis Kremer und Georg Meck.