A. Thiede Werkstoffe der Elektrotechnik 6. Ladungsträgertransportmechanismen a) Drift und Diffusion: Die für einen elektrischen Stromfluss, genauer gesagt für einen Konvektionsstrom in Halbleitern verantwortliche gerichtete Bewegung von Elektronen und Löchern kann grundsätzlich zwei verschiedene Ursachen haben: · Wie in Bild III.15 nochmals visualisiert bewegen sich Elektronen und Löcher unter dem Einfluss eines elektrischen Feldes. Dieser Strom wird als Felddrift- oder auch kurz als Driftstrom bezeichnet. Die Driftstromdichte ist r r r ur ur J = Jn + Jp = q × µn × n × E + q × µ p × p × E (III.58) · Aber auch Konzentrationsunterschiede, wie in Bild III.16 am Beispiel einer exponentiell abfallenden Löcherkonzentration gezeigt, rufen eine gerichtete Bewegung der Ladungsträger und damit einen sogenannten Diffusionsstrom hervor. Die Diffusionsstromdichte ist r r r J = J n + J p = q × D n × grad n - q × Dp × grad p (III.59) p(x) E x Bild III.15: Driftstrom Bild III.16: Diffusionsstromstrom Dn und Dp sind die Diffusionskonstanten der Elektronen und Löcher. Sie stehen mit den jeweiligen Beweglichkeiten in der nach Nernst, Townsend und Einstein oder oft auch nur kurz nach Einstein benannten Beziehung Dp Dn k × T (III.60) = = = UT µp µn q UT ist die Temperaturspannung. Sie beträgt bei 300 K, also bei Raumtemperatur, etwa 26 mV. Fasst man jeweils den Drift- und Diffusionsanteil zusammen, so erhält man für die Elektronen und Löcherstromdichten im eindimensionalen Fall dn ö dn ö æ æ (III.61) J n,x = q × ç µ n × n × E x + Dn × ÷ = q × µ n × ç n × E x + U T × ÷ dx ø dx ø è è dp ö dp ö æ æ (III.62) J p,x = q × ç µ p × p × E x - D p × ÷ = q × µ p × ç p × E x - U T × ÷ dx ø dx ø è è b) Quasi-Fermi-Niveau: Außerhalb des thermodynamischen Gleichgewichts, und damit bei jeder Art von Stromfluss, verliert das Fermi-Niveau seinen Sinn, da die Ladungsträgerkonzentrationen von den Gleichgewichtswerten durch äußere Störungen abweichen und insbesondere das Massenwirkungsgesetz entsprechend Gleichung III.37 nicht mehr gilt. Die formale Einführung der sogenannten Quasi-Fermi-Niveaus EFn und EFp - EC - E Fn - E Fp - E V n = N C × e k ×T p = N V × e k ×T (III.63) als reine Rechengrößen erweist sich aber für die Veranschaulichung des Ladungsträgertransports als sehr hilfreich. Als Produkt der Elektronen- und Löcherkonzentration erhält man dann p × n = NC × NV × e - E Fn - E Fp Eg k ×T ×e k ×T 2 = ni × e E Fn - E Fp (III.64) k ×T 57 A. Thiede Werkstoffe der Elektrotechnik Liegt das Quasi-Fermi-Niveau der Elektronen über dem der Löcher 2 E Fn > E Fp ® p × n > ni (III.65) so übersteigt das Produkt aus Elektronen- und Löcherkonzentrationen den Gleichgewichtswert ni2 , d.h. es kommt zu einer Anreicherung von Ladungsträgern Andernfalls 2 E Fn < E Fp ® p × n < ni (III.65) tritt eine Verarmung auf. Die Gradienten der Ladungsträgerkonzentrationen nach Gleichung III.63 sind E -E - C Fn grad E Fn - grad E C 1 grad n = × N C × e k ×T = × (grad E Fn - grad E C ) × n (III.66) k ×T k ×T E Fp - E V grad E V - grad E Fp 1 × N V × e k ×T = × (grad E V - grad E Fp ) × p (III.67) grad p = k ×T k ×T Wir multiplizieren nun die Gleichungen III.66 und 67 mit µn × k × T bzw. µp × k × T , stellen um µ n × n × grad E Fn = µ n × k × T × grad n + µ n × n × grad E C (III.68) µ p × p × grad E Fp = -µ p × k × T × grad p + µ p × p × grad E V (III.69) und erhalten wegen der aus der Parallelität der Bandkanten und des Makropotentials folgenden Beziehung ur grad E C = grad E V = -q × grad j = q × E (III.70) schließlich für die Elektronen- und Löcherstromdichten r r J n = µ n × n × grad E Fn J p = µ p × p × grad E Fp (III.71) Die Gleichungen III.71 besagen anschaulich aber nichts anderes, als dass offensichtlich die Neigung der Quasi-Fermi-Niveaus proportional der Summe aus Drift- und Diffusionsströmen ist. Zur Veranschaulichung der Arbeit mit den Quasi-Fermi-Niveaus sind in Bild III.17 als Beispiele deren Verläufe für einen reinen Driftstrom, einen reinen Elektronendiffusionsstrom und einen reinen Löcherdiffusionsstrom dargestellt. JDrift EC EFn JDiff JDiff EFp EC EC EFn EFn EFp EFp EV ur grad E C = grad E V = q × E grad E Fn = grad E C , grad n = 0 grad E Fp = grad E V , grad p = 0 EV ur grad E C = grad E V = 0, E = 0 grad E Fn <0, grad E C = 0, grad n<0 grad E Fp = grad E V = grad p = 0 EV ur grad E C = grad E V = 0, E = 0 grad E Fn = grad E C = grad n = 0 grad E Fp >0, grad E V = 0, grad p<0 reiner Driftstrom reiner Elektronendiffusionsstrom reiner Löcherdiffusionsstrom Bild III.17: Quasi-Fermi-Niveaus bei reinem Drift-, Elektronendiffusions- und Löcherdiffusionsstrom 58 A. Thiede Werkstoffe der Elektrotechnik c) Injektion, Akkumulation, Extraktion, Exklusion: Betrachtet man den Antransport und Abtransport hinsichtlich einer Grenzfläche zwischen zwei Halbleitergebieten, so kann man grundsätzlich die in Bild III.18-21 gezeigten Fälle unterscheiden: · Von Injektion spricht man, wenn der Antransport den Abtransport übersteigt und es zu einer Erhöhung der Ladungsträgerkonzentration im Gebiet II kommt, bis die dadurch verursachte Abdiffusion den Abtransport in ausreichendem Maße unterstützt. · Von Akkumulation spricht man, wenn der Antransport den Abtransport übersteigt und es zu einer Erhöhung der Ladungsträgerkonzentration im Gebiet I kommt, bis die dadurch verursachte Rückdiffusion dem Antransport in ausreichendem Maße entgegenwirkt. · Von Extraktion spricht man, wenn der Abtransport den Antransport übersteigt und es zu einer Absenkung der Ladungsträgerkonzentration im Gebiet I kommt, bis die dadurch verursachte Hindiffusion den Antransport in ausreichendem Maße unterstützt. · Von Exklusion spricht man, wenn der Abtransport den Antransport übersteigt und es zu einer Absenkung der Ladungsträgerkonzentration im Gebiet II kommt, bis die dadurch verursachte Rückdiffusion den Abtransport in ausreichendem Maße entgegenwirkt. Antransport Abtransport Antransport Abdiffusion Rückdiffusion Gebiet II Gebiet I Gebiet I Bild III.18: Injektion Antransport Gebiet II Bild III.19: Akkumulation Abtransport Antransport Hindiffusion Gebiet I Abtransport Abtransport Rückdiffusion Gebiet I Gebiet II Bild III.20: Extraktion Gebiet II Bild III.21: Exklusion d) Kontinuitätsgleichung: Betrachtet man die Feldlinien der elektrischen Stromdichte als Summe der Konvektionsstromdichte und der zeitlichen Ableitung der Verschiebungsstromdichte, so müssen diese stets geschlossen sein. Man sagt auch, das Feld ist quellenfrei. Mathematisch wird dies durch die Divergenz, einen Differentialoperator, ausgedrückt: ur æ r ¶D ö ¶ æ ¶D y ö ¶ æ ¶D x ö ¶ æ ¶Dz ö (III.72) div ç J + ÷= ÷ + ç Jz + ç Jx + ÷ + ç Jy + ÷=0 ¶t ø ¶x è ¶t ø ¶y è ¶t ø ¶z è ¶t ø è Diese Aussage ist also eine Verallgemeinerung des bereits aus der Netzwerkberechnung bekannten Knotensatzes, der ja auch besagt, dass die Summe der in einen Knoten hineinfließenden Ströme gleich der Summe der aus ihm herausfließenden Ströme sein muss, da in einem Knoten eben weder ein Strom 59 A. Thiede Werkstoffe der Elektrotechnik generiert noch vernichtet werden kann. Wollen wir diesen grundsätzlichen Sachverhalt nun auch zur Grundlage der Berechnung elektronischer Bauelemente machen, so haben wir lediglich zu beachten, dass die Konvektionsstromdichte sich stets aus einer Elektronen- und einer Löcherstromdichte zusammensetzen kann. Wir erhalten somit die als Kontinuitätsgleichung bezeichnete Formulierung ur ær r ¶E ö (III.73) div ç J n + J p + e H ÷=0 ¶ t è ø In engem Zusammenhang hiermit stehen die sogenannten Bilanzgleichungen der Elektronen und Löcher r r ¶n 1 ¶p 1 = × div J n - R n = - × div J p - R p (III.74) ¶t q ¶t q Sie besagen, dass sich die Konzentration der Elektronen bzw. Löcher nur infolge eines Elektronen- bzw.Löcherstromes oder durch Rekombination von Elektronen bzw. Löchern verändern kann. Dabei sind Rn und Rp die Rekombinationsraten der Elektronen bzw. Löcher. Sie beschreiben den je Zeit- und Volumeneinheit eintretenden Verlust an Leitungselektronen und Valenzbandlöchern, wobei sowohl die Rekombination von Elektron-Loch-Paaren und das Einfangen von Elektronen bzw. Löchern durch Haftstellen als auch mit negativem Vorzeichen die Freisetzung von Elektronen bzw. Löchern aus solchen Haftstellen und die Generation von Elektron-Loch-Paaren berücksichtigt werden. Diesem Thema werden wir uns im nächsten Abschnitt genauer zuwenden. An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass die Bilanzgleichungen in einfacher Weise aus der Kontinuitätsgleichung abgeleitet werden können. Hierzu wird jedoch als weitere Grundgleichung die Poisson-Gleichung benötigt, die wir erst zu einem späteren Zeitpunkt kennen lernen werden. 7. Generation und Rekombination a) Direkte Rekombination: φ EC Eg Photon EV Bild III.22: Direkte Rekombination Fällt ein Elektron aus seinem energetisch höheren Zustand im Leitband direkt in das Valenzband zurück, so werden gleichzeitig ein Elektron und ein Loch vernichtet und ein Photon erzeugt. In diesem Fall spricht man von direkter Rekombination. Deren spontanes Auftreten wird in Leuchtdioden (LED) ausgenutzt. Dagegen wird in einem Halbleiterlaser die direkte Rekombination und damit die Emission eines Photons von einem anderen Photon stimuliert. Die Rekombinationsrate 2 R = σ r × v th × n × p - n i (III.75) ( ) ist vom Wirkungsquerschnitt σr , der mittleren thermischen Geschwindigkeit vth und den Trägerdichten n und p abhängig. Eine direkte Rekombination kann lediglich bei Halbleitern mit einem direkten Bandübergang auftreten, da die andernfalls auftretende Impulsdifferenz vom Photon nicht aufgenommen werden kann. Eine gleichzeitige Wechselwirkung mit einem Phonon ist aber sehr unwahrscheinlich. b) Indirekte Rekombination: Bei der indirekten Rekombination erfolgt der Übergang des Elektrons aus seinem energetisch höheren Zustand im Leitband in das Valenzband durch Wechselwirkung mit Phononen. Da diese die dabei frei werdende Energie nicht aufnehmen können, ist lediglich ein stufenweiser Übergang über Zwischenniveaus, die auch als Traps bezeichnet werden, im verbotenen Band erforderlich. Die Rekombinationsrate 60 A. Thiede Werkstoffe der Elektrotechnik 2 p × n - ni (III.76) τ p0 × ( n + n1 ) + τ n0 × ( p + p1 ) ist wiederum von den Trägerdichten n und p, den effektiven Lebensdauern τn0 und τp0 der Elektronen bzw. Löcher und von der energetischen Lage Et des Zwischenniveaus über die Dichten R= - EC - E t k ×T - Et -EV k ×T n1 = N C × e p1 = N V × e (III.77) abhängig. Da es sich bei der indirekten Rekombination um einen nichtstrahlenden Übergang handelt, muss dieser Rekombinationsmechanismus bei Leuchtdioden φ und Lasern verhindert werden. Dies bedeutet praktisch, dass die Konzentration der Zwischenniveaus im verbotenen Band so EC gering wie möglich zu halten ist. Diese werden hauptsächlich Phonon gebildet durch E t Eg · tiefe Donatoren und Akzeptoren, Phonon · Gitterstörungen und EV · Oberflächenzustände, was speziell zum Begriff der Bild III.23: Indirekte Rekombination Oberflächenrekombination führt. c) Auger-Rekombination: φ Eg EC Et EV Bild III.24: Auger-Rekombination Die Auger-Rekombination ist ebenfalls eine indirekte Rekombination. Hierbei erfolgen aber die Wechselwirkungen zwischen den Ladungsträgern selbst. Sie tritt daher insbesondere bei hohen Dotierungen auf. Als Beispiel zeigt Bild III.24 einen Elektron-Elektron-Stoß. Dabei wird von einem Elektron die Energiedifferenz EC-Et abgegeben und vom zweiten Elektron aufgenommen. In gleicher Weise sind Loch-Loch- und ElektronLoch-Wechselwirkungen möglich. d) Ladungsträgerlebensdauer: Tritt in einem Halbleitergebiet eine Abweichung der Elektronenkonzentration n von der Gleichgewichtsdichte n0 auf, so muss aufgrund der Neutralitätsbedingung die Löcherkonzentration p in gleicher Weise von der Gleichgewichtsdichte p0 abweichen, d.h. Dn = n - n 0 = p - p 0 (III.78) Mit Hilfe der Rekombinationsrate R kann man dann eine Ladungsträgerlebensdauer definieren: Dn τ= (III.79) R e) Thermische Generation: Haben wir bisher Rekombinationsmechanismen betrachtet, so wollen wir uns nun der Generation von Ladungsträgern zuwenden. Den Fall der thermischen Generation haben wir bereits im Zusammenhang mit der Eigenleitung kennengelernt. Darunter wollten wir verstehen, dass Elektronen allein aufgrund ihrer thermischen Energie die verbotene Zone überwinden können, wobei gleichzeitig ein Leitbandelektron und ein Valenzbandloch entstehen. 61 A. Thiede Werkstoffe der Elektrotechnik f) Stoßionisation: Werden Elektronen bzw. Löcher im elektrischen Feld stark beschleunigt, so können sie bei einem Stoß diese kinetische Energie auf ein zweites Elektron übertragen und diesem somit ermöglichen, vom Valenzin das Leitband zu gelangen. Die mittlere Zahl der ionisierenden Stöße pro Wegeinheit ist exponentiell von der Stärke des elektrischen Feldes abhängig: a = f ( E ) » a 0 × e λ ×E (III.80) Damit ergibt sich die Generationsrate G = G n = G p = n × vn × a n + p × vp × a p (III.81) oder unter Verwendung der Stromdichten J n = q × n × vn J p = q × p × vp (III.82) 1 × ( Jn × a n + Jp × a p ) (III.83) q Die auf diese Weise erzeugten Elektronen und Löcher können nun natürlich ihrerseits beschleunigt werden und weitere Elektron-Loch-Paare erzeugen. Die lawinenartige Zunahme der Ladungsträger wird als Lawinen- oder Avalanche-Effekt bezeichnet und ist einer der für den Durchbruch elektronischer Bauelemente verantwortlichen Mechanismen. G= g) Photogeneration: In Umkehrung der direkten, strahlenden Rekombination kann die Energie eines einfallenden Photons natürlich auch genutzt werden, ein Elektron vom Valenz- in das Leitband anzuheben. Die EC Generationsrate Photon -a λ × x Eg G = a (l) × F × e ( ) (III.84) wird durch den wellenlängenabhängigen Absorptionskoeffizienten EV α und die Photonenflussdichte Φ bestimmt. Dieser Effekt wird Bild III.25: Photogeneration z.B. in Fotodioden oder Solarzellen ausgenutzt. Auch hier sind jedoch wieder Halbleitern mit einem direkten Bandübergang zu bevorzugen, da andernfalls für die auftretende Impulsdifferenz wiederum eine sehr unwahrscheinliche, gleichzeitige Wechselwirkung mit einem Phonon oder aber eine deutlich höhere Energie erforderlich wäre. φ 8. Raumladung und Potential Eine der Grundgleichungen der Elektrotechnik, die auch unter dem Namen Maxwell'sche Gleichungen ur zusammengefasst werden, besagt, dass die Quelle einer Verschiebungsstromdichte D , oder mathematische ausgedrückt deren Divergenz, nur eine Raumladung der Dichte ρ sein kann. Ersetzt man in dieser Formulierung ur div D = ρ (III.85) ur die Verschiebungsstromdichte D durch ur ur (III.86) D = ε×E ur und die elektrische Feldstärke E wiederum durch ur E = -grad j (III.87) so erhält man schließlich 62 A. Thiede Werkstoffe der Elektrotechnik ρ ε oder wieder für den eindimensionalen Fall d2j ρ =2 dx ε div grad j = - (III.88) (III.89) Diese hier in verschiedenen Notationen eingeführte Gleichung wird als Poisson-Gleichung bezeichnet. Sie stellt also den bereits für die Ableitung der Bilanzgleichungen III.74 benötigten Zusammenhang zwischen Raumladungen und den durch sie verursachten Potentialverläufen her. Die Raumladung kann dabei in einem Halbleiter sowohl durch die beweglichen Elektronen und Löcher als auch die ortsfesten ionisierten Donatoren und Akzeptoren gebildet werden und ist also + ρ = q × p - n + ND - NA (III.90) ρ x E ( x φ x Bild III.26: Beispiel zur Verkopplung von Raumladung, Feldstärke und Potential ) Bild III.26 zeigt beispielhaft eine mögliche örtlich eindimensionale Verteilung der Raumladungsdichte und die daraus jeweils durch Integration abzuleitenden Feldstärke- und Potentialverläufe. Bezüglich des Banddiagramms wollen wir an dieser Stelle festhalten, dass eine positive Krümmung des Makropotentials also auf eine negative Raumladung und umgekehrt eine negative Krümmung auf eine positive Raumladung hindeuten. 9. Zusammenfassung: Das System der makroskopischen Halbleitergleichungen Elektronische Halbleiterbauelemente können auf verschiedenen Abstraktionsebenen analysiert werden, wobei für reale Bauelementestrukturen meist nur numerische Verfahren einsetzbar sind. Sogenannte Drift-Diffusions-Modelle gehen von den makroskopischen Halbleitergleichungen aus: r ur J n = q × µ n × n × E + U T × grad n Transportgleichungen (III.91) r ur J p = q × µ p × p × E - U T × grad p r ¶n 1 = + × div J n - R n ¶t q Kontinuitätsgleichung bzw. Bilanzgleichungen (III.92) r ¶p 1 = - × div J p - R p ¶t q ρ div grad j = Poisson-Gleichung (III.93) ε Diese Gleichungen werden makroskopisch genannt, weil sie als Lösung die makroskopisch zugänglichen Größen Elektronendichte, Löcherdichte und Potential ergeben. Natürlich basieren auch diese Gleichungen in der dargestellten Weise auf den mikroskopischen, festkörperphysikalischen Grundlagen. Wird dieser Satz makroskopischer Gleichungen durch eine Energiebilanz der Träger erweitert, so spricht man von hydrodynamischen Modellen. Sie erlauben zusätzlich die Erfassung von heißen Ladungsträgern. Sollen dagegen Effekte berücksichtigt werden, die ausschließlich mikroskopisch modelliert werden können, so muss i.A. zumindest bereichsweise die Schrödinger-Gleichung gelöst werden. Dies bedingt ( ( ) ) 63 A. Thiede Werkstoffe der Elektrotechnik natürlich einen weitaus größeren Rechenaufwand. Die zunehmende Miniaturisierung elektronischer Bauelemente macht es aber in immer stärkerem Maße notwendig, derartige Effekte in die Simulation einzubeziehen. Beispiele hierfür sind z.B. der Tunneleffekt an immer dünner werdenden Barrieren oder Quantisierungseffekte in extrem dünnen Schichten, dünnen Drähten und kleinen leitfähigen Gebieten. Wir wollen im Folgenden die Anwendung der makroskopischen Halbleitergleichungen III.91-93 an drei Beispielen demonstrieren. Beispiel 1: Zeitliche Relaxation Wir wollen davon ausgehen, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt aus einer hier nicht näher zu spezifizierenden Ursache die Trägerkonzentrationen gegenüber den Gleichgewichtskonzentrationen n0 und p0 um ∆n bzw. ∆p erhöht werden, die Störungen Dn = n 0 Dp = p 0 (III.94) jedoch klein gegen die Gleichgewichtsdichten sind, und interessieren uns nun für den Abbau dieser Störung. Aufgrund des schnellen Abbaus einer solchen Störung spielt im Normalfall die Rekombination praktisch keine Rolle, so dass wir diese Terme in den Bilanzgleichungen III.92 vernachlässigen können. Durch Addition dieser beiden Gleichungen erhält man dann für den örtlich eindimensionalen Fall ¶J ¶J ¶J æ ¶p ¶n ö = - p - n = q ×ç - ÷ (III.95) ¶x ¶x ¶x è ¶t ¶t ø Aus dem gleichen Grund tritt auch eine Diffusion praktisch nicht auf, so dass wir diese Terme in den Transportgleichungen III.91 vernachlässigen können. Anschließend werden auch diese beiden Gleichungen addiert und unter Berücksichtigung von n»n0 bzw. p»p0 die Divergenz, also im örtlich eindimensionalen Fall die Ableitung nach der Ortskoordinate x gebildet. dv ö ¶E æ dv ¶J = q × ç n 0 × n + p0 × p ÷ × (III.96) ¶x dE dE ø ¶x è Dabei gehen wir zunächst im Unterschied zu Gleichung III.91 nicht von einer konstanten Beweglichkeit sondern einem nichtlinearen v(E)-Zusammenhang aus. Schließlich stellen wir mit Hilfe der Poisson-Gleichung den Zusammenhang zwischen dem elektrischen Feld und der durch die Störung erzeugten Raumladung her: ¶E q × ( Dp - Dn ) = (III.97) ¶x εr × ε0 Da die Gleichgewichtsdichten zeitlich konstant sind, muss gelten: ¶n ¶Dn ¶p ¶Dp = = (III.98) ¶t ¶t ¶t ¶t Nun können wir die Gleichungen III.95 und 97 in Gleichung III.96 einsetzen dv ö q × ( Dp - Dn ) ¶ ( Dp - D n ) æ dv + ç n 0 × n + p0 × p ÷ × =0 (III.99) ¶t dE dE ø εr × ε0 è und erhalten als Lösung dieser Differentialgleichung III.99 in der Variable ( Dp - Dn ) ( Dp - Dn ) = ( Dp ( 0 ) - Dn ( 0 ) ) × e - t τR (III.100) mit der als Relaxationszeit bezeichneten Zeitkonstanten εr × ε0 τR = dv ö æ dv q × ç n 0 × n + p0 × p ÷ dE dE ø è 64 (III.101) A. Thiede Werkstoffe der Elektrotechnik Zur weiteren Auswertung wollen wir zwei Fälle unterscheiden: Fall 1: Die v(E)-Charakteristik ist linear, so dass v = µ×E und folglich ε r × ε0 τR = q × ( n 0 × µn + p0 × µp ) Fall 2: (III.102) (III.103) In diesem Fall wird τR dielektrische Relaxationszeit genannt. Die v(E)-Charakteristik sei nichtlinear und insbesondere sei zumindest bereichsweise entsprechend Bild III.10 dv <0 (III.104) dE In diesem Fall würden wir eine negative Relaxationszeit erhalten, was praktisch nichts anderes bedeutet, als dass eine Störung nicht abgebaut sondern verstärkt wird. Derartige Störungen werden daher auch als Gunn-Domäne bezeichnet und können ebenfalls zur Schwingungserzeugung ausgenutzt werden. Beispiel 2: Räumliche Relaxation Wir gehen nun von einer stationären Dichtestörung z.B. hervorgerufen durch Oberflächenladungen aus und wollen die Frage beantworten, wie tief eine solche Störung in den Halbleiter hinein spürbar ist. Bild III.27 zeigt eine negative Oberflächenladung ρ auf einem n-Halbleiter. Eine gleichgroße positive ρ0 Ladung kann im Halbleiter durch die ortsfesten x ionisierten Donatoratome gebildet werden, wenn die sie kompensierenden Elektronen aus diesem Gebiet verdrängt werden. Dieser grau markierte E Bereich wird Raumladungszone genannt. Da wir hier ein stationäres Problem behandeln und x lediglich Elektronen zu berücksichtigen haben E(0) erhalten wir das Gleichungssystem: ¶J ¶ æ ¶n ö φ (III.105) = ç q × µn × n × E + q × D × ÷ ¶x ¶x è ¶x ø φS ¶n ¶p 1 ¶J = = × =0 (III.106) ¶t ¶t q ¶x x ¶E q × Dn(x) (III.107) =Bild III.27: Raumladung, Feldstärke ¶x εr × ε0 und Potential infolge einer Das negative Vorzeichen in der PoissonOberflächenladung Gleichung ergibt sich aus der Tatsache, dass die Abweichung der Elektronenkonzentration von der Gleichgewichtskonzentration negativ ist. Wir bilden nun wieder die Ableitung der Gleichung III.105 nach der Ortskoordinate x und setzen in das Ergebnis die Gleichungen III.106 und 107 ein. æ q × Dn ( x ) ö ¶n ¶2n + × × (III.108) 0 = q × µn × E × + q × µn × n × ç q D ÷ ¶x ¶x 2 εr × ε0 ø è Da die Gleichgewichtsdichten auch räumlich konstant sind und als groß gegen die Störung angenommen werden sollen, können wir 65 A. Thiede Werkstoffe der Elektrotechnik ¶n ¶Dn = und n » n0 » ND (III.109) ¶t ¶t setzen. Damit erhalten wir eine Differentialgleichung zweiter Ordnung mit konstanten Koeffizienten in der Störung ∆n(x) æ q × Dn ( x ) ö ¶Dn ( x ) ¶ 2 Dn ( x ) (III.110) 0 = q × µn × E × q D + q × µn × N D × ç + × × ÷ εr × ε0 ø ¶x ¶x 2 è oder in der Raumladung ρ ( x ) = -q × Dn ( x ) (III.111) 0 = -µn × E × ¶ρ ( x ) + q × µn × N D × ρ(x) - D× ¶ 2ρ ( x ) (III.112) ¶x ¶x 2 εr × ε0 Den aus der Änderung der Leitfähigkeit resultierenden Term können wir für kleine Störungen ebenfalls vernachlässigen und erhalten somit endgültig ρ(x) ¶ 2ρ ( x ) (III.113) - D× 0 = q × µn × N D × ¶x 2 εr × ε0 Das Einsetzen des Lösungsansatzes ρ ( x ) = C × e λ×x (III.114) ergibt q × µn × N D (III.115) D × C × λ 2 × e λ×x × C × e λ×x = 0 εr × ε0 und somit erhalten wir für λ q × µn × N D (III.116) λ = D × εr × ε0 Aus den Randwerten ρ ( 0) = ρ0 und lim ρ ( x ) = 0 (III.117) x ®¥ kann die Integrationskonstante C = ρ 0 bestimmt und geschlussfolgert werden, dass λ negativ sein muss. Damit erhalten wir als Lösung x LD D × εr × ε0 (III.118) q × µn × N D Der dotierungsabhängige Materialparameter LD wird als Debeye-Länge bezeichnet. Er entspricht gemäß Gleichung III.118 der Strecke, über der eine Störung auf das 1/e-fache absinkt. ρ ( x ) = ρ0 × e - mit LD = Beispiel 3: Raumladungsbegrenzter Stromfluss Bisher sind wir stets davon ausgegangen, dass Ladungsträger sich in einem von außen angelegten elektrischen Feld bewegen, ohne ihrerseits dieses Feld zu beeinflussen. Dies ist jedoch sicher nur für geringe Trägerkonzentrationen zulässig. Andernfalls können z.B. entsprechend Bild III.28 Elektronen die rechte Elektrode abschirmen, da die Feldlinien bereits auf diesen Elektronen enden. Gesucht ist die in diesem Fall durch die eingebrachte Raumladung begrenzte Stromdichte als Funktion der angelegten Spannung. Wir gehen von der Transport- und der Poisson-Gleichung aus, brauchen jedoch nur Elektronen und Driftströme berücksichtigen. J = q ×µn × n × E (III.119) 66 A. Thiede Werkstoffe der Elektrotechnik E=E(0) dE q×n =dx ε Durch Einsetzen erhalten wir dann dE J = -µ n × ε × E × dx und durch Integration E=0 n0=p0=0 0 x L L 0 0 E(0) (III.120) (III.121) ò J dx = - ò ε × µ n × E dE (III.122) J × L = ε × µn × E(0) 2 2 (III.123) Ferner gilt U Bild III.28: Raumladungsbegrenzter Stromfluss L U = ò E(x) dx (III.124) 0 oder mit µ ×ε×E × dE dx = - n J entsprechend Gleichung III.121 0 µ n × ε × E2 µ n × ε × E(0)3 U=- ò dE = J 3× J E(0) (III.125) (III.126) Stellt man die Gleichungen III.123 und 126 jeweils nach E(0)6 um und setzt sie gleich J 3 × L3 U2 × 9 × J2 6 (III.127) 8 × 3 3 = E(0) = 2 ε × µn µn × ε2 so erhält man schließlich das Mott-Gurney-Gesetz 9 µ ×ε (III.128) J = × n 3 × U2 8 L 67