ColloqSenologie_2013_165+13mm_RZ_BuchCover 22.10.13 12:50 Seite 1 Die Buchreihe „Colloquium Senologie“ richtet sich an alle Ärztinnen und Ärzte, die sich mit der Diagnostik und Therapie von Patientinnen mit Mammakarzinom beschäftigen. Die Herausgeber Michael Untch, Nadia Harbeck, Christoph Thomssen und Serban-Dan Costa beschreiben zusammen mit ihrem Autorenteam die klinik- und praxisrelevanten Entwicklungen des Jahres 2012/2013. In jedem Kapitel wird zunächst kurz der State of the Art skizziert, um anschließend die für das jeweilige Thema wichtigen Erkenntnisse aus der internationalen Literatur zusammenzufassen. Abgerundet wird das Buch schließlich durch Berichte von den wichtigen internationalen Kongressen, beginnend beim San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS) über die St.-Gallen-Konsensuskonferenz bis hin zur Jahrestagung der US-amerikanischen Gesellschaft für klinische Onkologie (ASCO) im Juni 2013. Herausgegeben von Die Herausgeber sind seit mehr als zehn Jahren in der Leitlinienkommission der AGO tätig, Christoph Thomssen ist langjähriger Sprecher der Gruppe. Michael Untch ist Mitglied im internationalen St.-Gallen-Kommittee. Alle vier Herausgeber haben maßgeblich an Studien der kooperativen deutschen Studiengruppen AGO B, GBG, WSG, NOGGO und SUCCESS mitgearbeitet. Diese Studien finden auf internationalen Kongressen große Beachtung und werden hochrangig publiziert. Prof. Dr. med. Michael Untch, Chefarzt der Frauenklinik und Leiter des Interdisziplinären Brustzentrums im Helios-Klinikum Berlin-Buch Prof. Dr. med. Nadia Harbeck, Leitung Brustzentrum, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Klinikums der Universität München (LMU) Prof. Dr. med. Christoph Thomssen, Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Gynäkologie sowie des interdisziplinären Brustzentrums am Universitätsklinikum Halle Prof. Dr. med. Dr. h.c. Serban-Dan Costa, Direktor der Universitätsfrauenklinik am Universitätsklinikum Magdeburg Prof. Dr. med. Michael Untch Prof. Dr. med. Nadia Harbeck Prof. Dr. med. Christoph Thomssen Prof. Dr. med. Dr. h.c. Serban-Dan Costa 9 783939 415169 > ISBN 978-3-939415-16-9 PNr. 0.801013/29.50 Colloquium Senologie 2013 Colloquium Michael Untch Nadia Harbeck Christoph Thomssen Serban-Dan Costa Relevante Erkenntnisse zur Diagnostik und Therapie von Patientinnen mit Mammakarzinom Mit einem Geleitwort von Tanja Fehm 2013 M. Untch · N. Harbeck · C. Thomssen · S. D. Costa Colloquium Senologie 2013 Verlag und Gesundheitsakademie GmbH München M. Untch · N. Harbeck · C.Thomssen · S.D. Costa Colloquium Senologie 2013 Mit 45 größtenteils farbigen Abbildungen und 37 Tabellen Verlag und Gesundheitsakademie GmbH München Auslieferung: Agileum Verlag und Gesundheitsakademie GmbH Landsberger Straße 480a 81241 München Telefon 0 89 / 82 07 37-27 0 89 / 82 07 37-28 Fax [email protected] www.agileum.de Digitale Auslieferung (E-Book): ciando GmbH Eisenheimer Straße 50 80687 München Tel.: 0 89 / 520 57 59-0 www.ciando.com Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Wichtiger Hinweis Forschung und klinische Erfahrung tragen dazu bei, dass sich die Erkenntnisse bezüglich Behandlung und medikamentöser Therapie ständig erweitern. Autoren und Verlag haben größte Sorgfalt darauf verwandt, Angaben zur Dosierung und Applikation von Medikamenten gemäß dem aktuellen Stand des Wissens zu dokumentieren. Für die Richtigkeit dieser Angaben können Autoren und Verlag allerdings keine Gewähr übernehmen. Jeder Leser ist angehalten, durch sorgfältiges Studium der jeweiligen Beipackzettel und/oder durch Konsultation eines kompetenten Experten zu prüfen, ob die in diesem Werk festgehaltenen Angaben zu Indikation, Kontraindikation und Dosierung noch dem aktuellen Stand des Wissens entsprechen. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu in Verkehr gebracht worden sind. Jede Anwendung eines in diesem Werk empfohlenen Arzneimittels oder einer empfohlenen Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Für Korrekturhinweise oder Verbesserungsvorschläge seitens der Leser sind Autoren und Verlag immer offen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechts bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Sind gesetzlich geschützte Warennamen ohne besondere Kennzeichnung (Warenzeichen) aufgeführt, berechtigt dies nicht zur Annahme, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. ISBN: 978-3-939415-16-9 © 2013 by Agileum Verlag und Gesundheitsakademie GmbH, Landsberger Straße 480a, 81241 München Printed in Germany Das Buch wurde klimaneutral mit mineralölfreien Farben gedruckt Planung: Manfred Just, München Redaktion: Ludger Wahlers (verant.), München; Kathrin Nühse, Mannheim Umschlaggestaltung: Charlotte Schmitz, Haan Layout, Satzherstellung und Digitalisierung der Abbildungen: Fotosatz-Service Köhler GmbH – Reinhold Schöberl, Würzburg IV Impressum Zum Geleit Liebe Kolleginnen und Kollegen, die rasanten Fortschritte in der Diagnostik sowie der operativen und systemischen Therapie des Mammakarzinoms haben in den letzten Jahrzehnten dazu geführt, dass in immer kürzeren Abständen eine Aktualisierung des Wissensstandes für die große Zahl der Kollegen, die sich mit dieser heterogen Erkrankung interdisziplinär beschäftigen, notwendig ist. Wie passend und folgerichtig ist deshalb das hier in der nunmehr dritten Auflage vorgelegte „Colloquium Senologie“. Für eine breite Leserschaft aus verschiedenen Fachdisziplinen werden von ausgewiesenen Experten die wichtigsten Neuerungen in übersichtlicher und verständlicher Weise zusammengefasst und hinsichtlich ihrer Bedeutung für den klinischen Alltag kommentiert. Die beiden vorherigen Auflagen haben auf Grund ihrer breiten Akzeptanz die Notwendigkeit einer solchen Buchreihe bestätigt. In der nun vorgelegten dritten Auflage widmen sich die Herausgeber und Autoren in besonderer Weise den Fortschritten und neuen Entwicklungen auf dem Gebiet der Tumorbiologie. Besonders hier haben die Fortschritte auf den Gebieten der Genom- und Proteomanalyse zu einer neuen Klassifikation des Mammakarzinoms geführt und zugleich Wege hin zu neuen diagnostischen Tests, prognostischen und prädiktiven Markern sowie therapeutischen Targets und daraus folgend neuen Substanzen geebnet. Da die Vielzahl der Analysen und Publikationen nur für wenige Ärzte in ihrer Gesamtheit verfügbar und überschaubar ist, erlangt die hier vorgelegte Zusammenfassung sowohl für jüngere als auch langjährig erfahrene Kollegen eine zentrale Bedeutung. Das vorliegende Werk schließt somit eine wichtige Lücke auf dem Sektor der senologischen Wissensvermittlung. Auf diesem Wege möchte ich daher allen Beteiligten für ihre Bemühungen, die neuesten Erkenntnisse für uns zusammenzufassen und für den klinischen Alltag zu bewerten, herzlich danken. Düsseldorf, im Juni 2013 Tanja Fehm Universitätsfrauenklinik der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie e.V. Zum Geleit V Partner in der Personalisierten Medizin: gemeinsam in die Zukunft Ich teste zuverlässig den HER2-Status … … damit ich zielgerichtet und erfolgreich therapieren kann … … damit ich optimale Chancen auf Heilung habe! In der Onkologie findet derzeit ein Paradigmenwechsel statt: Mithilfe von Biomarkern können einzelne Tumorentitäten genauer charakterisiert und Patienten einer maßgeschneiderten Therapie zugeführt werden. Die enge Zusammenarbeit zwischen Pathologen und Onkologen nimmt hierbei eine Schlüsselposition ein: Nur diejenigen Patienten, die zuverlässig getestet werden, können auch von zielgerichteten Therapien profitieren. Roche ist in der einzigartigen Position, Spitzenexpertise aus den Bereichen Diagnostik und zielgerichtete Therapie unter einem Dach zu vereinen. Biomarkers of Excellence Zuverlässig testen. Zielgerichtet therapieren. Inhaltsverzeichnis Mammographie-Screening und Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (W. Heindel, S. Weigel, H.-W. Hense) 1 Pathologie, Prognose und Prädiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (H. H. Kreipe, M. Schmidt) 15 Lokale Therapie beim Mammakarzinom Sentinel-Lymphknoten-Operationen (C. Liedtke). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Strahlentherapie (M. Ehmann, F. Wenz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Systemische Behandlung beim frühen Mammakarzinom Hormonrezeptor-positive, HER2-negative Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Systemische Behandlung von Patientinnen mit Luminal-A-Tumoren (C. Thomssen) . . . . 2. Systemische Behandlung von Patientinnen mit Luminal-B-Tumoren (N. Harbeck) . . . . . 69 71 94 HER2-positive Mammakarzinome (V. Müller) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Tripelnegatives Mammakarzinom (C. Liedtke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Familiäre Mammakarzinome (C. Mau) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Behandlung beim späten Mammakarzinom Lokoregionale Rezidive beim Mammakarzinom (S. D. Costa) . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Fernmetastasiertes Mammakarzinom . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Metastasiertes, endokrin empfindliches Mammakarzinom (S. Loibl) 3. Metastasiertes, endokrin nichtempfindliches Mammakarzinom . . 3.1 HER2-positives Mammakarzinom (J. Bischoff) . . . . . . . . . 3.2 HER2-negatives Mammakarzinom (O. Gluz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 185 185 195 195 210 Osteoonkologie (I. Diehl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Supportive Maßnahmen bei Therapie mit Zytostatika und zielgerichteten Substanzen . . . . 257 (K. Jordan, P. Ortner, H. Link, E. J. Kantelhardt) Komplementäre Verfahren in Prävention und Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 (P. Voiß, S. Lange, P. Klose, H. Cramer, S. Conrad, A. Paul, G. Dobos, S. Kümmel) Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Studienverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 Inhaltsverzeichnis VII Zu diesem Buch M. Untch N. Harbeck C. Thomssen S.-D. Costa Liebe Leserin, Lieber Leser, In diesem Jahr erscheint das Colloquium Senologie zum dritten Mal – und seit der ersten Auflage ist eine Menge geschehen. Damit ist mehr gemeint als die Optimierung lokaler und systemischer Therapien. Immer mehr sehen wir, dass unser klinisches Handeln wesentlich durch die Weiterentwicklungen in Pathologie und molokulargenetischen Untersuchungsmethoden bestimmt ist. Nicht mehr nur Tumorgröße, Malignitätsgrad, Nodalstatus und histologische Typisierung sind wichtig – es wird zunehmend klar, dass der therapeutische Erfolg wesentlich von der Berücksichtigung molekularbiologischer Marker abhängt. Die intrinsischen Subtypen – Luminal-A und -B, der HER2-Subtyp und der tripelnegative Subtyp – sind bei der Therapieentscheidung zu berücksichtigen. Wir haben uns deshalb entschlossen, die klassische, auf die Chronologie der therapeutischen Ereignisse gestützte, deskriptive Einteilung zumindest der systemischen Behandlung zu verlassen. Nicht mehr neoadjuvante, endokrine, adjuvante oder sequenzielle und zielgerichtete Therapien bilden die strukturellen Eckpfeiler der Einteilung unseres Werkes. Stattdessen haben wir versucht, eine Synthese aus gewohntem pathologisch-klinischem Denken und einer Neuorientierung im Sinne der intrinsischen Subtypen zu schaffen. Lokale und systemische Therapie des Mammakarzinoms müssen passgenau auf die Belange der einzelnen Patientin abgestimmt sein. Auf das Pathologie-Kapitel folgt deshalb ein Abschnitt, in dem die wichtigsten Neuigkeiten zur chirurgischen Behandlung und zur Strahlentherapie dargelegt werden. Ganz neu in diesem Buch ist schließlich auch der Beitrag zur Supportivtherapie in der Senologie, den wir Ihnen ganz besonders empfehlen möchten. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass alle Kapitel dieses Buches strukturell ähnlich aufgebaut sind. Die Autoren beschreiben zunächst den Gesamtzusammenhang ihres Themas und geben einen Überblick zum derzeitigen Stand des Wissens. Anschließend wird vorgetragen, was zum jeweiligen Thema in den vorangegangenen zwölf Monaten neu und wichtig war. Berücksichtigt werden dabei nicht nur Originalpublikationen, sondern auch Vorträge auf großen internationalen Kongressen. Im VIII Zu diesem Buch dritten Teil jedes Kapitels schließt sich ein Ausblick auf die zu erwartenden Entwicklungen des kommenden Jahres an, und alle Artikel enden mit einer praxisrelevanten Zusammenfassung. Wir hoffen, dass dieses Buch einen Beitrag dazu leisten wird, relevantes Wissen aus Diagnostik und Therapie in die klinische Praxis zu transferieren. Colloquium Senologie soll ein Hilfsmittel und ein Begleiter sein für alle Kolleginnen und Kollegen, die sich tagtäglich der Betreuung von Mammakarzinom-Patientinnen widmen. Berlin, München, Halle, Magdeburg im Juni 2013 Michael Untch, Nadia Harbeck, Christoph Thomssen, Serban-Dan Costa Zu diesem Buch IX Mammographie-Screening und Epidemiologie W. Heindel, S. Weigel, H.-W. HenSe 1 Einführung 3 1.1 Aufbau des Mammographie-Screening-Programms in Deutschland 3 1.2 Was hat sich für den senologisch tätigen Gynäkologen durch das Mammographie-Screening verändert? 4 1.3 Wofür braucht das Screeningprogramm die Epidemiologie? 5 2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 Epidemiologie der Brustkrebserkrankung in Deutschland Hintergrund 6 Neuerkrankungen (Inzidenzraten) 8 Stadienverteilung 8 Intervallkarzinome 8 Fortgeschrittene Stadien 9 Mortalität 9 Operationsstatistik 10 3 Ausblick Literatur 10 12 6 1 Einführung 1.1 Aufbau des Mammographie-Screening-Programms in Deutschland Der deutsche Bundestag hat am 28.6.2002 einstimmig beschlossen, ein organisiertes, bevölkerungsbezogenes und qualitätsgesichertes Früherkennungsprogramm für Brustkrebs bei Frauen ohne Symptome flächendeckend einzuführen – das sogenannte Mammographie-ScreeningProgramm (MSP). Brustkrebs ist in Deutschland nicht nur die häufigste Tumorerkrankung bei Frauen, sondern gleichzeitig auch die häufigste tumorbedingte Todesursache [33]. Unter Minimierung der potenziellen Nachteile wie Strahlenexposition, falsch-negativer und falsch-positiver Befunde ist ein Hauptziel des MSP, die Brustkrebssterblichkeitsrate im genannten Altersbereich zu verringern. Internationale, randomisierte Studien zum Mammographie-Screening haben eine Mor- Fazit Brustkrebs ist in Deutschland die häufigste talitätssenkung von 20 bis 35% bei Frauen im Alter zwi- tumorbedingte Todesursache. schen 50 und 69 Jahren gezeigt [4, 13, 26]. Das deutsche MSP wurde in der Folge unter paritätischer Leitung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Bundesverbände der Krankenkassen – heute GKV-Spitzenverband – aufgebaut. Einerseits wurde auf der Bundesebene eine zentrale Geschäftsstelle, die sogenannte Kooperationsgemeinschaft Mammographie in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung, als Gesellschaft bürgerlichen Rechts eingerichtet, andererseits wurden nach Ausschreibung und einem kompetitiven Bewerbungsverfahren fünf nationale Referenzzentren Mammographie (RZs) gegründet, die für die lokale Betreuung der Screening-Einheiten in Deutschland zuständig sind. Gleichzeitig wurden von den kassenärztlichen Vereinigungen im jeweiligen Zuständigkeitsbereich Regionen als Screeningeinheiten (SEs) definiert und entsprechende Versorgungsaufträge ausgeschrieben. Gesetzliche Grundlage des Programms ist in Deutschland die Krebsfrüherkennungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 92 Abs. 4 Nr. 3 i.V.m. § 25a des SGB V und Anlage 9.2 [16]. Inhaltlich lehnen sich viele der deutschen Vorgaben an die European guidelines for quality assurance and breast cancer screening and diagnosis an [20, 28]. Die praktische Umsetzung dieses Krebsfrüherkennungsprogramms nach den europäischen Leitlinien begann 2005. Das Ziel der Flächendeckung wurde in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2009 erreicht. Mammographie-Screening und Epidemiologie 3 Abbildung 1: Darstellung der Versorgungskette des Mammographie-Screening-Programms. 1.2 Was hat sich für den senologisch tätigen Gynäkologen durch das Mammographie-Screening verändert? Die Verzahnung zwischen der ambulanten Versorgungskette des MSP (Abb. 1) und den zertifizierten Brustzentren in den Kliniken ist inzwischen bundesweit etabliert. Eine enge diagnostisch-therapeutische Zusammenarbeit verspricht Vorteile in der Patientinnenführung. Des Weiteren ergibt sich daraus eine Therapieoptimierung, da durch die Einführung der systematischen Brustkrebsfrüherkennung eine Verschiebung zu günstigeren Tumorstadien stattgefunden hat [15, 30]. Im Gegensatz zum symptomatisch diagnostizierten Brustkrebs, d. h. beispielsweise durch einen Tastbefund oder Mamillenveränderungen, verschiebt sich das Spektrum der durch das Screening detektierter Mammakarzinome immer weiter zu kleinen, nichtpalpablen Tumoren. Bei mehr als einem Drittel der im Screening diagnostizierten MamFazit makarzinome ist der maximale Tumordurchmesser kleiner Bei mehr als 1/3 der im Screening diagnosti- oder gleich 1 cm [8]. Gleichzeitig sind bei etwa 80% aller zierten Mammakarzinome ist der maximale im Screening in den Folgerunden diagnostizierten KarziTumordurchmesser ≤1 cm. nome die axilllären Lymphknotenstationen tumorfrei. Daraus ergeben sich für den Operateur neue Anforderungen, die idealerweise durch eine sektor- und fächerübergreifende Zusammenarbeit zwischen den Kerndisziplinen ³ Radiologie, ³ Pathologie und ³ Gynäkologie 4 W. Heindel et al. im Rahmen der obligaten sogenannten Multidisziplinären (MD-)Konferenzen gelöst werden. Im Rahmen der präoperativen Konferenz mit obligater Teilnahmepflicht des Programmverantwortlichen Arztes der Screeningeinheit und des Pathologen muss die Korrelation des bildgebenden Befunds mit der Histopathologie geprüft werden. Im Fall einer Operationsindikation wird durch den eingebundenen Gynäkologen die Umsetzung der Operation geplant. Beim diagnostizierten Mammakarzinom wird wegen der kleinen Größe der Tumoren ggf. ergänzende Diagnostik (z. B. MR-Mammographie beim lobulären Karzinom) und immer öfter die präoperative Markierung des nicht tastbaren Karzinoms abgesprochen, um ein Vorgehen, das den onkologischen Kriterien gerecht wird, mit möglichst einzeitiger Operation und ausreichenden Sicherheitsabständen umsetzen zu können. Die Festlegung des endgültigen Tumorstadiums sowie die Überprüfung der präoperativen Diagnose und Planung erfolgt in der postoperativen Konferenz (Abb. 1). Die systematische Früherkennung durch das MammographieScreening hat zu einem deutlichen Anstieg der duktalen Krebsvorstufen (duktales Carcinoma in situ, DCIS) geführt. Wissenschaftliche Arbeiten der letzten Jahre weltweit haben bestätigt, dass die digitale Mammographie durch das höhere Kontrast-zu-Rausch-Verhältnis gruppierten Mikrokalk als ein typisches Röntgensymptom des DCIS besser erkennen lässt als die Film-Folien-Mammographie [6, 29]. Der Einsatz digitaler Mammographietechniken im Screening in Deutschland führt zu DCIS-Raten typischerweise um 20% [15]. 1.3 Wofür braucht das Screeningprogramm die Epidemiologie? Anders als in der Vergangenheit im sogenannten „grauen Screening“ werden im MSP die einzelnen Prozessschritte (Abb. 1) prospektiv elektronisch dokumentiert und sind damit flächendeckend zu bewerten. Die aggregierten Daten der einzelnen Screeningeinheiten werden vom jeweils zuständigen Referenzzentrum evaluiert und auf der Bundesebene durch die Kooperationsgemeinschaft Mammographie (KoopG, s.o. Einführung) für Deutschland zusammengeführt und veröffentlicht [15]. Die Diagnosevorverlegung durch das Mammographie-Screening ermöglicht für die betroffene Frau immer häufiger eine schonendere Behandlung mit Fazit ³ brusterhaltender Therapie anstatt Mastektomie, Die Diagnosevorverlegung durch das Mammographie-Screening führt immer ³ Sentinel-Lymphknoten-Biopsie anstatt axillärer häufiger zu einer schonenderen Behandlung Lymphknotendissektion und der betroffenen Patientin. ³ fehlender Notwendigkeit einer Chemotherapie. Diese auf Ebene der Brustzentren auswertbaren Daten werden durch die vom Gesetzgeber beschlossenen klinischen Krebsregister zukünftig in Deutschland ebenfalls systematisch evaluierbar sein. Mammographie-Screening und Epidemiologie 5 Die Evaluation des Kernparameters Mortalitätssenkung ist unter anderem an flächendeckende epidemiologische Krebsregister gebunden. Aufgrund der föderalen Struktur existieren bundesweit Unterschiede in deren Funktionalität. Bevor der Kernparameter Mortalität aber bewertbar sein wird, können zeitlich vorverlagert Surrogatparameter erhoben werden, um den zu erwartenden Programmeffekt zu analysieren und u. a. daraus wissenschaftliche Rückschlüsse zu gewinnen. Dazu gehören auch Analysen zu möglichen Grenzen der mammographischen Brustkrebsfrüherkennung. Inhaltlich geht es beispielsweise ³ um die Bestimmung der Intervallkarzinomrate oder ³ um Analysen zu möglichen sogenannten Überdiagnosen. Im nachfolgenden Abschnitt werden diese für die Bewertung des Screeningprogramms wichtigen epidemiologischen Aspekte systematisch dargestellt. 2 Epidemiologie der Brustkrebserkrankung in Deutschland 2.1 Hintergrund Wie in der Einführung angesprochen, haben sich die epidemiologischen Charakteristika der Brustkrebserkrankung in Deutschland unter dem Einfluss des seit 2005 eingeführten MSP deutlich verändert. Die dabei nachweisbaren Effekte lassen sich systematisch analysieren [12]: ³ Als Frühindikatoren eines Screeningeffekts werden die sich ändernde Brustkrebsinzidenz (Neuerkrankungsrate) sowie die Anteile früher Tumorstadien unter allen neu diagnostizierten Brustkrebsen genutzt. ³ Als intermediäre Indikatoren der Screeningeffekte gelten die Rate der Intervallkarzinome sowie der Nachweis einer abnehmenden Inzidenzrate für fortgeschrittene Tumorstadien. ³ Die Senkung der Sterblichkeit durch Brustkrebs ist hingegen ein Spätindikator, der frühestens 10 Jahre nach Screeningstart nachweisbar sein wird. Im Folgenden soll auf den gegenwärtigen Stand bei den einzelnen Indikatoren eingegangen werden. Dabei wird die Situation in Deutschland in eine Perspektive mit der aktuellen internationalen Diskussion gebracht. 6 W. Heindel et al. Abbildung 2: Entwicklung der Neuerkrankungsraten für invasiven Brustkrebs von 2000 bis 2011. Anstiege sind mit Einführung des Mammographie-Screening-Programms (senkrechte Linie) vor allem bei Frauen in der anspruchsberechtigten Altersgruppe 50 bis 69 Jahre zu verzeichnen. Daten für den Regierungsbezirk Münster (Quelle: Hense HW: Epidemiologische Entwicklung bei Brustkrebs in der Bevölkerung unter dem Einfluss des Mammographie-ScreeningProgramms; Vortrag Deutsche Gesellschaft für Senologie, 27. Juni 2013, München). Mammographie-Screening und Epidemiologie 7 2.2 Neuerkrankungen (Inzidenzraten) Abhängig vom Screeningstart ließ sich zunächst regional [30], inzwischen in ganz Deutschland eine Zunahme der Neuerkrankungsrate an Brustkrebs beobachten [8, 33]. Diese Auswirkung war zu erwarten, da vor allem in der Erstrunde des Screenings (sogenanntes Prävalenzscreening) viele klinisch noch nicht manifeste Brustkrebserkrankungen entdeckt werden. Screening bedeutet deshalb für die anspruchsberechtigte Altersgruppe immer eine Erhöhung der Inzidenz im Vergleich zu der Zeit vor dem Programmstart. Die Größenordnung der Erhöhung (nach europäischer Leitlinie größer als das Dreifache der vor Programmstart beobachteten Inzidenz; [20]) lag in der Mehrzahl der Screeningeinheiten im Bereich der Vorgaben [15]. Nach dieser „Bugwelle“ der Inzidenzerhöhung seit 2005 unter Erstteilnehmerinnen (Abb. 2), bedingt durch die Vorverlegung der Diagnosestellung, ist in den Folgerunden wieder eine Absenkung der Inzidenz zu erwarten. 2.3 Stadienverteilung Mit der Erhöhung der Inzidenzraten ging bei den anspruchsberechtigten Frauen eine Verschiebung der Tumorstadien einher. Der Anteil von DCISDiagnosen und kleinen invasiven Tumoren nahm in dieser Altersgruppe erheblich zu. Dies war unter den Teilnehmerinnen am MammographieScreening im Vergleich mit den Nichtteilnehmerinnen erwartungsgemäß stark ausgeprägt [15, 30]. Der Anteil der In-situ-Karzinome betrug unter den beim Screening entdeckten Tumoren zwischen 15 bis 20%, mehr als 50% aller invasiven Tumoren waren kleiner als 15 mm [15]. 2.4 Intervallkarzinome Um erste Hinweise auf die Effektivität des Brustkrebsfrüherkennungsprogramms zu erlangen, empfehlen die EU-Leitlinien die Auswertung und Beurteilung von Surrogatparametern [20]. Intervallkarzinome sind Brustkrebserkrankungen bei Screeningteilnehmerinnen mit unauffällig befundeter Mammographie, die im Intervall bis zur nächsten Screeninguntersuchung (24 Monate) außerhalb des Krebsfrüherkennungsprogramms entdeckt werden. Aus epidemiologischer Sicht sind Auswertungen der Daten frühestens 4 Jahre nach Abschluss einer Screeningrunde zu ermitteln [31]. Analysen stehen derzeit für die Jahre 2005 bis 2008 aus dem epidemiologischen Krebsregister NRW zur Verfügung. Den Analysen lagen 885.940 Erstuntersuchungen bei Teilnehmerinnen des MSP zugrunde. Im Zeitraum von 24 Monaten nach Erstuntersuchung trat bei 2036 Frauen ein Intervallkarzinom auf. Dies entsprach einer Intervall- 8 W. Heindel et al. karzinomrate (IKR) von 23,2 pro 10.000 negativ befundeter Frauen. Die Intervallkarzinomraten liegen im Vergleich zu den Ergebnissen anderer europäischer Staaten in einem günstigen Bereich [9]. Der Begriff Intervallkarzinom ist keineswegs gleichzusetzen mit einem im Screening übersehenen Karzinom, sondern umfasst verschiedene Kategorien [9, 20]: ³ Echte Intervallkarzinome ohne sichtbares Korrelat in der Screeninguntersuchung und radiologisch „okkulte“ Intervallkarzinome, die auch zum Diagnosezeitpunkt mammographisch nicht abgrenzbar sind (richtig-negative Befundung). Diese Kategorie ist am häufigsten. ³ Intervallkarzinome mit minimalen mammographischen Anzeichen. ³ Intervallkarzinome, bei denen das Mammographie-Screening aufgrund einer Einschränkung der Bildqualität oder eines Befundungsfehlers als unauffällig beurteilt wurde (falsch-negative Befundung). 2.5 Fortgeschrittene Stadien Ein Effekt des Screenings mit vorverlegtem Diagnosezeitpunkt und Entdeckung früher Tumorstadien sollte darin bestehen, dass fortgeschrittene Stadien von Brustkrebs in der Folge des Fazit Mammographie-Screenings seltener auftreten. Diese Ef- Fortgeschrittene Stadien sollten aufgrund der fekte sind etwa 5 bis 10 Jahre nach Screeningstart er- früheren Entdeckung und daraus resultiekennbar [31] und deshalb im deutschen MSP noch nicht render vorverlegter Diagnosestellung seltener auftreten. sicher nachweisbar. In der internationalen Literatur wird zurzeit kontrovers über das Ausmaß diskutiert. Während eine italienische Studiengruppe aktuell über die Abnahme der Inzidenzraten für Tumorstadien T2 und größer um bis zu 29% etwa 6 bis 8 Jahre nach Screeningbeginn berichtet [7], fanden frühere Studien eher widersprüchliche Hinweise auf eine Abnahme der Neuerkrankungsraten für fortgeschrittene Mammakarzinome [3]. Erste vorläufige Resultate aus dem Regierungsbezirk Münster deuten darauf hin, dass auch im deutschen MSP etwa ab dem 5. Jahr nach Screeningbeginn eine Abnahme der Inzidenzraten für fortgeschrittene Mammakarzinome in der Gruppe aller anspruchsberechtigten Frauen zu beobachten ist. 2.6 Mortalität Für die Bewertung der Auswirkung des deutschen MSP auf die brustkrebsbedingte Sterblichkeit ist es definitiv noch zu früh. Die EUROSCREEN-Studiengruppe präsentierte Ende 2012 eine zusammenfassende Analyse aller nichtrandomisierten Beobachtungsstudien aus den europäischen MSP [19]. Sie kommt zu der Schlussfolgerung, dass diese Studien eine Mortalitätssenkung zwischen 25% und 31% nahelegen. Eine aktuelle Studie aus dem norwegischen MSP beziffert die MortaliMammographie-Screening und Epidemiologie 9 Pathologie, Prognose und Prädiktion H. H. Kreipe, M. ScHMidt 1 Einführung 2 2.1 2.2 2.3 2.4 Überblick – State of the Art Intrinsische Subtypen 17 Therapieoptionen 19 Prädiktive Faktoren 19 Genexpressionsprofile 20 3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 Neue Entwicklungen 21 Histologische Typisierung 21 Histopathologisches Grading 22 Tumorausbreitung und Einzelzelldissemination 23 Genexpressionssignaturen und intrinsische Subtypen Invasionsfaktoren Urokinase-Typ Plasminogen-Aktivator/ Plasminogen-Aktivator-Inhibitor-1 30 4 Zukunft der intrinsischen oder molekularen Subtypen 5 Ausblick auf laufende Studien Literatur 33 17 17 31 24 30 1 Einführung Die beeindruckenden Erfolge in der Behandlung des Mammakarzinoms sind eng an die Fortschritte der Pathologie geknüpft. Erst die histomorphologische Untersuchung ermöglicht die genaue Klassifizierung des Tumors hinsichtlich ³ Typisierung, ³ Graduierung und ³ Ausbreitung. Die Ergebnisse therapiebegleitender pathologischer Untersuchungen und ihre Beziehung zu konkreten Behandlungsformen haben die Formulierung prognostischer Faktoren möglich gemacht. Mit den Fortschritten in der pathologischen Forschung verbessern sich aber auch die Möglichkeiten der Prädiktion, also die Prüfung einer Behandlungsoption im Einzelfall vor der jeweiligen Behandlung. Im Mittelpunkt dieses Beitrags stehen Neuigkeiten zu ³ Pathologie, ³ Prognose und ³ Prädiktion. Vor allem das tumorbiologische Konzept der intrinsischen Subtypen hat massiven Einfluss auf die klinische Praxis von Ärzten, die Mammakarzinom-Patientinnen behandeln. 2 Überblick – State of the Art Die Weiterentwicklung der modernen onkologischen Pathologie zeigt sich in der Diagnostik und Therapie des Mammakarzinoms geradezu exemplarisch. Genexpressionsprofile bzw. Biomarker-Untersuchungen begründen ein neues Klassifikationsprinzip, das ganz auf therapeutische Konsequenzen ausgerichtet ist und damit die traditionelle histomorphologische Klassifikation – bestehend aus Typisierung, Graduierung und Ausbreitung – überlagert, teilweise ersetzt oder auch verdrängt. 2.1 Intrinsische Subtypen Die Rede ist von den sogenannten intrinsischen Subtypen des Mammakarzinoms. Als Subtypen werden sie nicht nur wegen der wörtlichen Übersetzung aus dem Englischen (subtypes) bezeichnet. Vielmehr soll mit diesem Terminus verdeutlicht werden, dass die intrinsischen Subtypen in keiner eindeutigen Beziehung zu den 37 verschiedenen histologischen Typen invasiver Mammakarzinome stehen, wie sie die WHO im Jahr 2012 veröffentlicht hat [30]. Pathologie, Prognose und Prädiktion 17 Tabelle 1: Immunhistochemische Charakterisierung der intrinsischen Subtypen des Mammakarzinoms. Luminal A Luminal B HER2-negativ Luminal B HER2-positiv HER2 (non-luminal) Tripelnegativ (basal-like)* ER Positiv Positiv Positiv Negativ Negativ PR Positiv (≥20%) Positiv/negativ Positiv/negativ Negativ Negativ HER2 Negativ Negativ Positiv Positiv Negativ Ki67 <20% ≥20% G G1, G2 G2, G3 G2, G3 G2, G3 G1, G2, G3 ER Östrogenrezeptor, PR Progesteronrezeptor, HER2 humaner epidermaler Wachstumsfaktor 2, G Grading. *Die tripelnegativen und die basal-like Mammakarzinome sind nur in etwa 60–80% deckungsgleich (s. auch S. 133). Abbildung 1: Die intrinsischen Subtypen des Mammakarzinoms sind eigentlich durch Genexpressionsprofile definiert, jedoch werden immunhistochemische Analoga, wie hier durch den St.-Gallen-Konsens, zunehmend angewandt [15]. Die für die Klassifizierung entscheidenden Befunde sind farbig hinterlegt. Histologische Färbungen zum HER2-Status des Luminal-B-Subtyps werden meist nicht angefertigt. 18 H. H. Kreipe, M. Schmidt Unterschieden werden auf der Grundlage von Genexpressionssignaturen respektive mRNA-Expressionsprofilen heute vier bzw. fünf intrinsische Subtypen, die zumindest zum Teil mit immunhistochemischen Algorithmen überlappen (Tab. 1, Abb. 1): ³ Luminal-A- und -B-Typen sind Hormonrezeptor-positiv, unterscheiden sich klinisch gesehen allerdings im Rezidiv- bzw. Metastasierungsrisiko. Luminal-B-Typen können HER2-positiv oder -negativ sein. ³ Der isolierte HER2-Typ zeichnet sich durch die Überexpression von HER2-Rezeptoren aus. ³ Der Basal-like-Typ ist Hormonrezeptor- und HER2-negativ und in etwa 60 bis 80% der Fälle deckungsgleich mit tripelnegativen Mammakarzinomen. 2.2 Therapieoptionen Mit jedem dieser Subtypen ist eine andere Form der adjuvanten Therapie verbunden. Ausschließlich endokrin werden nur Luminal-A-Tumoren behandelt. Zusätzlich chemotherapeutisch sind die meisten Luminal-B-Tumoren zu therapieren, ebenso wie HER2-Typen, gegen die gleichzeitig HER2-spezifische Therapeutika zum Einsatz kommen. Chemotherapie allein ist beim tripelnegativen Mammakarzinom indiziert (Tab. 2). 2.3 Prädiktive Faktoren Der Nachweis von Hormon- und HER2-Rezeptoren ist für das Ansprechen auf eine endokrine, respektive eine gegen HER2 gerichtete Therapie prädiktiv. Tabelle 2: Therapeutische Implikationen bei intrinsischen Subtypen [mod. nach 16]. Intrinsischer Subtyp Therapie Luminal A ET Luminal B (HER2-negativ) ET +/– CT („nach Risikoabwägung“) Luminal B (HER2-positiv) CT + Anti-HER2 + ET HER2-positiv (non-luminal) CT + Anti-HER2 Tripelnegativ (basal-like*) CT ET Endokrine Therapie, CT Chemotherapie, Anti-HER2 Therapie mit AntiHER2-Therapeutika. *Die tripelnegativen und die basal-like Mammakarzinome sind nur in etwa 60–80% deckungsgleich (s. auch S. 133). Pathologie, Prognose und Prädiktion 19 Solche prädiktiven Faktoren existieren in Bezug auf eine bestimmte Chemotherapie bislang noch nicht auf dem höchsten Evidenzlevel. Die Indikationsstellung für eine Chemotherapie erfolgt deshalb auf Grundlage prognostischer Marker. Damit wird nochmals klar, dass die Klassifikation in intrinsische Subtypen nicht auf einer Fazit biologisch begründeten Ableitung aus potenziellen VorDie Indikationsstellung für eine Chemoläuferzellen beruht. Vielmehr stützt sie sich auf die thetherapie erfolgt auf Grundlage prognostischer rapeutische Konsequenz einer Kombination von prädikMarker. tiven und prognostischen Biomarkern. Mit den im klinischen Alltag eingesetzten traditionellen pathologischen, prognostischen und prädiktiven Parametern ist eine eindeutige Zuordnung der Mammakarzinome zu den intrinsischen Subtypen nicht in jedem Fall zu gewährleisten. Insbesondere die Abgrenzung der Subtypen Luminal A zu Luminal B stellt häufig ein Problem dar. Wegen der überragenden tumorbiologischen Bedeutung der Proliferation kommt häufig der immunhistochemische Proliferationsmarker Ki67 zum Einsatz. Neuere Studien zeigen für diesen Marker auch eine prädiktive Potenz im Hinblick auf die Art der Chemotherapie. Allerdings ist die Methodik der Ki67-Bestimmung nur begrenzt standardisiert. 2.4 Genexpressionsprofile Eine Präzisierung der Zuordnung versprechen Genexpressionsprofile. Die Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) bewertet die derzeit kommerziell verfügbaren Genexpressionssignaturen mit +/–: ³ Endopredict®, ³ MammaPrint®, ³ Oncotype DX® und ³ PAM50. Diese Signaturen der ersten Generation messen vor allem Östrogenrezeptor-regulierte und proliferationsassoziierte Gene. Sie haben deshalb die stärkste prognostische Aussagekraft bei Östrogenrezeptor-positiven Mammakarzinomen. Derzeit noch nicht kommerziell verfügbare Genexpressionssignaturen der zweiten Generation berücksichtigen demgegenüber Immunzelltranskripte und haben prognostische Bedeutung vor allem bei ERnegativen und HER2-positiven sowie schnell proliferierenden Mammakarzinomen. 20 H. H. Kreipe, M. Schmidt 3 Neue Entwicklungen 3.1 Histologische Typisierung Im Juli 2012 hat die Weltgesundheitsorganisation eine neue WHOKlassifikation der Mammakarzinome publiziert [25]. Sie unterscheidet 37 unterschiedliche Typen invasiver Karzinome. Die wichtigsten Änderungen zur vorherigen Klassifikation sind die folgenden (Abb. 2): ³ Der häufigste und 70–80% der Fälle ausmachende histologische Typ wird wegen der für diese Form nicht spezifischen Abstammung von den Zellen des duktulo-lobulären Übergangs nicht mehr als „duktal invasives Karzinom", sondern als invasives Karzinom vom unspezifischen Typ bezeichnet. ³ Alle anderen histologischen Typen (lobulär, tubulär, muzinös etc.) werden als invasive Karzinome vom spezifischen Typ geführt. Voraussetzung ist, dass mindestens 90% des Tumors diese Differenzierung aufweisen. ³ Wenn ein Karzinom nur zu 10 bis <50% dem spezifischen Typ zuzuordnen ist, wird es als Karzinom vom gemischten Typ bezeichnet. ³ Wenn ein Karzinom zu 50 bis <90% einem spezifischen Typ zuzuordnen ist, wird es als Mammakarzinom mit partieller spezifischer Differenzierung bezeichnet. Metaplastische Karzinome stellen einen eigenen Subtyp innerhalb der spezifischen Karzinome dar. Dazu gehören ³ das niedriggradige adenosquamöse Karzinom (8570/3) und ³ das fibromatoseartige metaplastische Karzinom (8572/3). Apokrine und medulläre Karzinome werden in der WHO-Klassifikation nicht mehr als eigene pathologische Subtypen geführt, sondern als Karzinome mit apokriner Differenzierung bzw. als Karzinome mit medullären Eigenschaften bezeichnet, da es sich um vorwiegend deskriptive Kategorien handelt, die allein keine therapeutische Entscheidung begründen. Die fast immer unspezifischen Karzinome mit medullären Eigenschaften lassen sich unterteilen in ³ das klassische medulläre Karzinom (8510/3), ³ das atypische medulläre Karzinom (8513/3) und ³ das invasive Karzinom vom unspezifischen Typ mit medullären Eigenschaften (8500/3). Einige Studien zeigen eine bessere Prognose für das klassische medulläre Karzinom. Aber auch hier gilt: Die dezentrale Reproduzierbarkeit ist nicht ausreichend, um mit der histologischen Klassifizierung alleine eine therapeutische Entscheidung für oder gegen die Chemotherapie zu begründen. Pathologie, Prognose und Prädiktion 21 Abbildung 2: Karzinome vom unspezifischen bzw. spezifischen Typ und die Mischformen gemäß neuer WHO-Klassifikationen [25]. Als mikroinvasive Karzinome werden sehr frühe Formen bezeichnet, die sich durch einen oder mehrere, aber maximal 1 mm große Herde auszeichnen. Sie sind zu klein, um sie eindeutig einem pathologischen Subtyp zuordnen zu können. Wie wichtig die histologische Klassifizierung auch im Zeitalter der intrinsischen Subtypen bleibt, zeigen das G1-Karzinom mit apokrinen Eigenschaften und die niedriggradigen metaplastischen Karzinome. Diese würden entgegen ihrer Biologie (G1) als intrinsische Subtypen unter die Chemotherapie-pflichtigen tripelnegativen Karzinome fallen, da sie immunhistochemisch negativ für ER, PR und HER2 sind. Die klinisch-pathologische Klassifikation in intrinsische Subtypen beruht auf einer auf die therapeutische Konsequenz ausgerichteten pragmatischen Kombination von prädiktiven und proFazit gnostischen immunhistochemischen Biomarkern (ER, Bei einigen spezifischen, tripelnegativen KarPR, HER2, Ki67) und nicht auf einer biologischen Ableizinomen (apokrine Differenzierung, niedrigtung aus potenziellen Vorläuferzellen oder der Anwengradige metaplastische u. a.) ist die Klassifikation in intrinsische Subtypen prognostisch dung von Genexpressionsprofilen. nicht relevant. 3.2 Histopathologisches Grading Das histopathologische Grading besitzt verschiedenen Studien zufolge prognostische Potenz, allerdings nur, wenn es durch einen geübten Pathologen oder zentral erfolgt [17]. Es handelt sich um eine zuverlässige Methode zur Unterscheidung zwischen einem hohen (G3) und einem niedrigen Rezidivrisiko (G1) der Patientinnen. Kritiker halten das histopathologische Grading dagegen für zu wenig präzise und zu wenig reproduzierbar. Eine zuverlässige Stratifi- 22 H. H. Kreipe, M. Schmidt zierung ist ihrer Meinung nach damit nicht möglich [11]. Besonders problematisch ist, dass ein Großteil der Tumoren mit einem Anteil von 35–50% in die prognostisch nicht eindeutige G2-Gruppe fällt. Dennoch haben mehrere Studien gezeigt, dass die Unterscheidung von luminalem A- und B-Typ mithilfe des Gradings hinsichtlich des Therapieansprechens gute Korrelationen liefert. Hierbei wurde der Luminal-B-Typ mit einem histopatho- Fazit Prospektive Studien sind erforderlich, um logischen Grad 3 gleichgesetzt [21, 29]. die Wertigkeit des Gradings im Vergleich zu Nach dem St.-Gallen-Konsens 2013 ist das histo- neuen Methoden der Stratifikation, insbesonpathologische Grading bei Fehlen von Proliferations- dere innerhalb der luminalen Subtypen, zu überprüfen. daten als Surrogatparameter nicht einsetzbar [15]. 3.3 Tumorausbreitung und Einzelzelldissemination Tumorausbreitung Nach wie vor ist die TNM-Klassifikation von großer klinischer Bedeutung, auch wenn die in ein und derselben Tumorgröße zusammengefassten Kategorien sehr heterogen sind. So kann ein pT1c-Tumor Größen von 1 bis 2 cm aufweisen. Bei einem Durchmesser von 1,1 cm beträgt sein Volumen 0,6 cm3. Bei einem Durchmesser von 1,9 cm liegt das Volumen mit 4,5 cm3 bereits bei knapp dem Achtfachen. Auch dadurch, dass Mammakarzinome im Rahmen der Früherkennung sehr häufig in initialen Stadien diagnostiziert werden, verliert das klassische Unterscheidungsmerkmal der Tumorgröße an Bedeutung. Zudem scheint die diskontinuierliche Klassifikation in Größenkategorien nach dem TNM-System nur bedingt die Biologie widerzuspiegeln. Dennoch bleibt die Tumorgröße, insbesondere die 2-cm-Grenze, ein für die Therapie weiterhin einflussreicher Risikoparameter. Einzelzelldissemination und Mikrometastasen Die Absiedlung von Tumoren in die regionären Lymphknoten stellt eine wichtige prognostische Information dar und muss bei jedem Mammakarzinom erfasst werden. Viele Anstrengungen sind unternommen worden, das Staging zu präzisieren und kleinste Lymphknotenabsiedlungen wie einzelne Tumorzellen und Mikrometastasen nachzuweisen. Überraschenderweise zeigten Weaver und Kollegen in einer Studie an 3.887 Patientinnen jedoch, dass okkulte Metastasen zwar die Prognose verschlechtern, dieser Effekt jedoch zu gering ist (1,2% auf 5 Jahre), um den hohen Aufwand einer systematischen Suche mittels Immunhistochemie zu rechtfertigen [42]. In der MIRROR-Studie [12] schließlich wurde zwei Jahre zuvor gezeigt, dass der Nachweis sowohl von Einzelzellen als auch von Mikrometastasen zu einer signifikant schlechteren Prognose führt, ohne dass sich die beiden Parameter in ihrem prognostischen Effekt voneiPathologie, Prognose und Prädiktion 23 nander unterscheiden. Daher wird eine immunhistochemische Analyse von Sentinellymphknoten für notwendig erachtet. Diesen Befund konnten andere Arbeitsgruppen allerdings nicht bestätigen [5, 27, 35]. Wahrscheinlich kommen die prognostischen Effekte der Mikrometastasen aufgrund einer immer effektiver werdenden Therapie nicht zum Tragen, sondern erlangen Fazit bei der einzelnen Patientin erst dann wieder Bedeutung, Die prognostische Bedeutung von Einzelzellwenn an einen Verzicht auf adjuvante endokrine Theraabsiedlungen und Mikrometastasen im axilpie gedacht wird. Die Sensitivität des Nachweises von lären Lymphknoten ist gering. Sie rechtfertigt nicht den generellen Einsatz immunhistocheLymphknotenmetastasen lässt sich erhöhen, wenn nemischer Nachweismethoden. ben der konventionellen Histologie an Paraffinschnitten sowie der Schnellschnitthistologie an Kryoschnitten molekularbiologische Verfahren wie OSNA RT-PCR zum Einsatz kommen. Allerdings sind diese neuen Verfahren noch nicht in die Routinediagnostik integriert [30, 36, 39]. Große Erwartungen sind auch geknüpft an den Nachweis von Mikrometastasen im Knochenmark [2] und zirkulierenden Tumorzellen [31]. Für die Bestimmung der Mikrometastasen wird heparinisiertes Knochenmark benötigt, das über Spezialzentrifugeneinsätze in großer Zellzahl auf Objektträger aufgebracht und anschließend immunhistochemisch (Antikörper A45B/B3 oder CK 8/18 und 8/19) auf Zytokeratinpositive Zellen untersucht wird. Schon die Detektion des Antigens allein gilt – unabhängig von der gemessenen Intensität – als Nachweis einer Mikrometastase. Bereits wenige nachgewiesene, zytologisch als normal erscheinende Zellen gelten als positiv. Ob diese Vorhersagekraft jedoch die etablierter Faktoren übersteigt, ist derzeit noch nicht Fazit geklärt. Erste publizierte Arbeiten zeigen beim MammaHämatogene Mikrometastasen und zirkuliekarzinom einen prognostischen Einfluss durch den rende Tumorzellen spielen außerhalb von Nachweis zirkulierender Tumorzellen [26, 43]. Trotz Studien derzeit keine Rolle. vorliegender prospektiver Studien [31] wurde die Evidenz von der ASCO und den deutschen S3-Leitlinien (2012) und Therapieempfehlungen der AGO nicht als ausreichend für eine Empfehlung angesehen. Verschiedene Verfahren zum Nachweis zirkulierender Tumorzellen sind ebenfalls nicht empfohlen. Derartige immunzytologische Assays zum Einzelzellnachweis werden bis auf wenige Ausnahmen nicht durch pathologische Institute durchgeführt. 3.4 Genexpressionssignaturen und intrinsische Subtypen Genexpressionssignaturen zeigen die molekulare Heterogenität des Mammakarzinoms. Sie wurden als erstes mit Microarrays an frisch gefrorenem Tumorgewebe ermittelt. Die intrinsische Genliste, anhand derer sich die vier, respektive fünf intrinsischen Subtypen identifizieren ließen, umfasste 496 Gene. 24 H. H. Kreipe, M. Schmidt Für die in praxi einfachere Untersuchung von Tumorgewebe in Paraffingewebe wurde diese Liste auf 50 Gene reduziert. Mit dem entsprechenden PAM50-Test sind die intrinsischen Subtypen einfacher zu identifizieren. Da sich die Subtypen durch eine charakteristische Rezeptorexpression voneinander unterscheiden, ist ihre Charakterisierung auch durch die Bestimmung der mRNA-Expression von Östrogen- und HER2-Rezeptoren möglich. Wenn zusätzlich die mRNA-Expression der Aurora-Kinase A (AURKA) bestimmt wird, lassen sich die vier Subtypen statistisch robust und mit vergleichbarer prognostischer Aussagekraft darstellen. Dieses Drei-Gene-Modell zur Charakterisierung der vier, respektive fünf intrinsischen Subtypen haben Haibe-Kains und Kollegen im letzten Jahr publiziert [18]. Drei-Gene-Modell versus PAM50 Zwischen dem Drei-Gene-Modell und PAM50 besteht allerdings eine Diskordanz von etwa 30%. Aus diesem Grund haben die für die Entwicklung von PAM50 verantwortlichen Autoren das Drei-Gene-Modell und PAM50 direkt miteinander ver- Fazit Bei der Bestimmung der intrinsischen glichen. Typen ist PAM50 dem einfacheren DreiSie kommen zu dem Ergebnis, dass PAM50 gegen- Gene-Modell überlegen. über dem Drei-Gene-Modell mehr unabhängige prognostische Informationen liefert. Außerdem war der prädiktive Effekt für das Ansprechen auf eine neoadjuvante Chemotherapie größer und die Diversität der Genexpression wurde durch PAM50 vollständiger abgebildet [33]. Prospektiv-retrospektive Untersuchungen zu PAM50 Zu PAM50 liegen derzeit prospektiv-retrospektive Untersuchungen an drei klinischen Studien vor. In der NCIC-CTG-MA.5-Studie wurde PAM50 an 476 prämenopausalen Patientinnen mit Brustkrebs untersucht, die randomisiert worden waren zwischen ³ CEF (Cyclophosphamid, Epirubicin, Fluorouracil) und ³ CMF (Cyclophosphamid, Methotrexat, Fluorouracil). Die intrinsischen Subtypen hatten eine signifikante prognostische Bedeutung. HER2-angereicherte Mammakarzinome reagierten empfindlicher auf CEF als auf CMF. Bei basal-like Mammakarzinomen zeigte sich kein Unterschied in der Responsivität auf CEF und CMF [8]. In der NCIC-CTG-MA.12-Studie an Paraffingewebe von 398 prämenopausalen Patientinnen, die zwischen Tamoxifen und Placebo randomisiert worden waren, zeigte PAM50 für die Prognose sowie für die Prädiktion des Therapieeffekts durch Tamoxifen eine Fazit Zur Festlegung der intrinsischen Subtypen kommt die Genexpressionsanalyse mit PAM50 der ursprünglichen molekularen Definition am nächsten und ist prognostisch relevant. Allerdings ist die prädiktive Potenz nicht validiert. Für die klinisch-pathologische Anwendung der intrinsischen Subtypen bleibt daher die Immunhistochemie ausschlaggebend. Pathologie, Prognose und Prädiktion 25 [104] Smith IE, Dowsett M, Yap YS, et al. (2006) Adjuvant aromatase inhibitors for early breast cancer after chemotherapy-induced amenorrhoea: caution and suggested guidelines. J Clin Oncol 24(16): 2444–7. [105] Sørlie T, Perou CM, Tibshirani R, et al. (2001) Gene expression patterns of breast carcinomas distinguish tumor subclasses with clinical implications. Proc Natl Acad Sci USA 98(19):10869–74. [106] Sotiriou C, Wirapati P, Loi S, et al. (2006) Gene expression profiling in breast cancer: understanding the molecular basis of histologic grade to improve prognosis. J Natl Cancer Inst 98(4): 262–72. [107] van de Velde CJ, Rea D, Seynaeve C, et al. (2011) Adjuvant tamoxifen and exemestane in early breast cancer (TEAM): a randomised phase 3 trial. Lancet 377(9762): 321–31. [108] van’t Veer LJ, Dai H, van de Vijver MJ, et al. (2002) Gene expression profiling predicts clinical outcome of breast cancer. Nature 415(6871): 530–6. [109] Viale G, Regan MM, Dell’Orto P, et al. (2011) Which patients benefit most from adjuvant aromatase inhibitors? Results using a composite measure of prognostic risk in the BIG 1-98 randomized trial. Ann Oncol 22: 2216–26. [110] Viale G, Regan MM, Maiorano E, et al. (2007) Prognostic and predictive value of centrally reviewed expression of estrogen and progesterone receptors in a randomized trial comparing letrozole and tamoxifen adjuvant therapy for postmenopausal early breast cancer: BIG 1–98. J Clin Oncol 25(25): 3846–52. [111] von Minckwitz G, Untch M, Blohmer JU, et al. (2012) Definition and impact of pathologic complete response on prognosis after neoadjuvant chemotherapy in various intrinsic breast cancer subtypes. J Clin Oncol 30(15): 1796–804. [112] Weintraub B (2011) Trials define anti-tumor effects of anti-resorptive agents: denosumab ahead of zoledronate 2 to 1. BioDrugs 25(2): 135–8 [113] Ziller V, Kalder M, Albert US, et al. (2009) Adherence to adjuvant endocrine therapy in postmenopausal women with breast cancer. Ann Oncol 20(3): 431–6. 2 Systemische Behandlung von Patientinnen mit Luminal-B-Tumoren n. HarbecK 2.1 Systemtherapie beim primären Luminal-B-Mammakarzinom Beim Hormonrezeptor-positiven, endokrin-empfindlichen und HER2negativen (luminaler Subtyp) (siehe Seite 15) primären Mammakarzinom ist die Indikation für eine adjuvante endokrine Therapie immer gegeben (s. Abschnitt 5.1 Luminal-A-Mammakarzinom). Eine Chemotherapie ist immer dann indiziert, wenn das Rückfallrisiko groß genug ist, um die eventuell auftretenden schweren Nebenwirkungen zu rechtfertigen. Dies ist in der Regel bei Luminal-B-Tumoren der Fall (Abb. 1). 94 C. Thomssen, N. Harbeck Abbildung 1: Therapieentscheidung beim primären Mammakarzinom. (Modifiziert nach [22]). In diesem Unterkapitel wird die Chemotherapie bei primärem HER2-negativem Luminal-B-Mammakarzinom dargestellt. Die Gruppe der endokrin-empfindlichen und HER2-positiven Tumoren wird in Kapitel 6 abgehandelt. Leider wurden viele der vorliegenden Studien zur Chemotherapie beim primären Mammakarzinom bei sehr unselektierten Patientenkollektiven durchgeführt, sodass viele der in diesem Unterkapitel getroffenen Aussagen unabhängig vom molekularen Subtyp sind oder auf retrospektiven Subgruppenanalysen beruhen. 2.2 Indikationsstellung zur (neo-)adjuvanten Chemotherapie Eine moderne adjuvante Chemotherapie reduziert die Mortalität beim primären Mammakarzinom um etwa ein Drittel [10]. Wenn die Indikation gegeben ist, kann die Chemotherapie mit den gleichen Regimen ³ präoperativ (neoadjuvant) oder ³ postoperativ (adjuvant) durchgeführt werden [2]. Hormonrezeptor-positive, HER2-negative Tumoren 95 Erstmals wurde vom St.-Gallen-Konsensus 2011 die Indikationsstellung zur Therapie beim frühen Mammakarzinom anhand der molekularen Subtypen vorgeschlagen. Auch 2013 wurde bestätigt, dass die immunhistochemische Einteilung unter Einbeziehung der Parameter ³ Östrogenrezeptor (ER), ³ Progesteronrezeptor (PR), ³ human epidermal growth factor receptor 2 (HER2) und ³ Ki-67 helfen kann, diese Subtypen im klinischen Alltag zu identifizieren [21]. Eine Indikation zur (neo-)adjuvanten ChemotheraFazit pie besteht nach St.-Gallen-Konsens u. a. bei Luminal-BDie Indikationsstellung zu einer (neo-)- Tumoren, d. h. bei Hormonrezeptor-positiven Tumoren adjuvanten Chemotherapie erfolgt heute nicht mit hoher Proliferationsrate [19]. Die differenzierte Indimehr allein aufgrund klinisch-pathologischer Parameter, sondern zusätzlich auf Basis der kationsstellung zur (neo-)adjuvanten Chemotherapie anmolekularen Subtypen. hand der molekularen bzw. immunhistochemischen Subtypen wird seit 2012 auch von der AGO empfohlen (Tab. 2; [2]). Neoadjuvante oder adjuvante Therapie Die strenge Trennung zwischen neoadjuvanter und adjuvanter Therapie wird zunehmend aufgehoben. Liegt eine Tumorbiologie vor, bei der das Erreichen einer histopathologischen Komplettremission (pathologic complete remission, pCR) sehr stark mit exzellenten Heilungschancen und das Nicht-Erreichen einer pCR mit deutlich schlechteren Überlebenschancen assoziiert ist (HER2-positiv, tripelnegativ), so wird heute unabhängig von der Tumorgröße eine neoadjuvante Therapie empfohlen [2]. Dies ermöglicht postoperativ eine entsprechende Aufklärung der Patientin und ggf. die Teilnahme an einer Studie bei Nichterreichen einer pCR. Dieser Zusammenhang ist bei Luminal-B-Tumoren nicht zweifelsfrei gegeben [6, 48]. Daher spielen hier andere Faktoren wie ³ Tumorgröße, ³ geplantes Operationsverfahren sowie ³ Patientenpräferenz eine wichtige Rolle bei der Entscheidung zur neoadjuvanten bzw. adjuvanten Verabreichungsweise. Die lokale Kontrolle ist unabhängig vom Zeitpunkt der Chemotherapie [34]. Eine Indikation zu einer (neo-)adjuvanten Chemotherapie ist gegeben bei (nach S3-Leitlinie 2012; [25]): ³ Luminal-B-Tumoren, ³ tripelnegativen Tumoren (TNBC), ³ HER2-positiven Tumoren, ³ nodal-positiven Tumoren (v. a. >3 befallene Lymphknoten), ³ nodal-negativen Tumoren (1–3 befallene Lymphknoten) und aggressiver Tumorbiologie: Fazit Standardtherapie bei Luminal-Tumoren (endokrin-responsiv, HER2-negativ) ist die adjuvante endokrine Therapie. Bei LuminalB-Tumoren besteht die Indikation für eine zusätzliche Chemotherapie. 96 C. Thomssen, N. Harbeck Therapieoption AGO-Empfehlungsgrad Hormonrezeptor-positiver, HER2-negativer Niedrigrisiko-Tumor Endokrine Therapie ohne Chemotherapie ++ Tabelle 2: AGO-Empfehlungen 2013. Indikationsstellung zur adjuvanten Therapie in Abhängigkeit vom Subtyp (modifiziert nach 2). Hormonrezeptor-positiver, HER2-negativer Hochrisiko-Tumor Konventionell dosierte AT-basierte Chemotherapie ++ Dosisdichte, dosisintensivierte Chemotherapie bei hoher Tumorlast + Gefolgt von endokriner Therapie ++ HER2-positives Mammakarzinom Neoadjuvante Therapie erwägen + Trastzumab plus ++ – sequenzielles A/T-basiertes Regime mit gleichzeitiger T- und H-Therapie – Anthrazyklin-freies, Carboplatin-haltiges Regime ++ – dosisdichte, dosisintensivierte Chemotherapie bei hoher Tumorlast + Tripelnegatives Mammakarzinom Neoadjuvante Therapie erwägen + Konventionell dosierte AT-basierte Chemotherapie ++ Dosisdichte, dosisintensivierte Chemotherapie bei hoher Tumorlast + Carboplatin +/–* *Nur in klinischen Studien; A Anthrazyklin, T Taxan, H Trastuzumab. − Tumorstadium G3, − hoher Ki-67-Wert, − hoher uPA/PAI-1-Wert, − Hochrisiko-Multigentest (sofern im Einzelfall indiziert), ³ junger Patientin (<35 Jahre). Duktale und lobuläre Tumoren In einer Auswertung des niederländischen Krebsregisters (1995 bis 2008, duktal n=19.609, lobulär n=3685) zeigte sich ein signifikanter Vorteil von einer zusätzlich zur endokrinen Therapie durchgeführten Chemotherapie bei duktalen, nicht aber bei lobulären Karzinomen: ³ duktales Karzinom: 10-Jahres-Gesamtüberleben 74% vs. 69%, Hazart Ratio (HR) 0,70, 95% CI 0,64–0,76, p<0,0001 Hormonrezeptor-positive, HER2-negative Tumoren 97 ³ lobuläres Karzinom: 10-Jahres-Gesamtüberleben 66% vs. 68%, HR 1,00, 95% CI 0,82–1,21, p=0,97 Inwieweit der histologische Subtyp hier auch ein Surrogatparameter für luminal A vs. B ist, geht aus den Daten nicht hervor [46]. In einer Analyse neoadjuvant therapierter Patientinnen (n=1895, ER-positiv 177 lobulär, 1718 duktal) zeigte sich ein signifikanter Unterschied zwischen den pCR-Raten nur in der univariaten, nicht aber in der multivariaten Analyse. Patientinnen mit invasivlobulären Karzinomen hatten jedoch einen geringeren klinischen Nutzen von der neoadjuvanten Therapie (z. B. weniger Downstaging, häufiger positive Schnittränder, weniger brusterhaltende Operationen; [7]). Nodal-negative und nodal-positive Tumoren Bei nodal-negativen, endokrin-responsiven Luminal-Tumoren sollten zusätzliche evidenzbasierte Kriterien zur Frage der Differenzierung zwischen Luminal-A- und -B-Tumoren herangezogen werden, bevor eine Indikation zur Chemotherapie gestellt wird. Das 10-Jahres-Langzeit-Follow-up der prospektiven Chemo-N0-Studie validiert die prognostische und prädiktive Bedeutung von uPA/PAI-1 auf Fazit höchstem Evidenzniveau. Patientinnen mit nodal-negaBeim nodal-negativen Mammakarzinom tiven Tumoren und mit niedrigem uPA/PAI-1-Wert hatten kann aufgrund des geringen Rückfallrisikos eine signifikant niedrigere 10-Jahres-Rückfallrate (12,9%) beim Luminal-A-Subtyp auf eine Chemo- als Patientinnen mit hohem uPA/PAI-1-Wert (23%) – in therapie verzichtet werden. Aufgrund der Studie aus den 1990er Jahren ohne jegliche adjufehlender prospektiver Studiendaten bedarf der Verzicht auf eine Chemotherapie beim vante Systemtherapie. Es hatten uPA/PAI-1-Hochrisikonodal-positiven Mammakarzinom (1 bis 3 Patientinnen wiederum einen deutlichen Nutzen von befallene Lymphknoten) und bei günstiger einer adjuvanten Chemotherapie (Cyclophosphamid, (Luminal-A-)Tumorbiologie einer sorgfältigen Methotrexat, Flourouracil (CMF) vs. nil: HR 0,48, 95% CI Aufklärung. 0,260,88, p=0,019; [20] Abb. 2). Sollte kein Gewebe für die uPA/PAI-1 Bestimmung entnommen worden sein, kann auch einer der Genexpressionsassays zur Risikoabschätzung angewendet werden. Wie im Kapitel prognostische und prädiktive Faktoren bereits dargestellt, korrelieren diese einzelnen Assays nur mäßig miteinander. In einer Auswertung der WSGPlan-B-Studie zeigte sich eine gute Korrelation zwischen Onkotype DX® und uPA/PAI-1 bei der Hochrisikoeinschätzung, nicht jedoch in der Onkoytype-DX®-Niedrig- und Intermediärrisikogruppe [17]. Auch für Endopredict® zeigt sich eine gute Korrelation mit uPA/PAI-1 in der Hochrisikogruppe, nicht aber in der Endopredict®-Niedrigrisikogruppe [13]. Welcher Test bei welcher Patientin am besten geeignet ist, kann derzeit aufgrund mangelnder Nachbeobachtungsergebnisse aus den meisten dieser Korrelationsstudien noch nicht entschieden werden. Eine Mehrfachtestung unter Heranziehung mehrerer Prognose-Assays bei einer Patientin sollte wegen dieser unklaren Datenlage und auch aus forensischen Gründen unbedingt vermieden werden. Ein Hoch- 98 C. Thomssen, N. Harbeck Abbildung 2: Langzeitnachbeobachtung der prospektiven Chemo-N0-Studie. Validierter uPA/PAI-1-Test für Therapieentscheidung bei dem nodal-negativen Mammamkarzinom [20]. risiko-Ergebnis in einem der validierten prädiktiven Tests (siehe Seite 15) ist als Indikation zu einer (neo-)adjuvanten Chemotherapie zu werten. Bei nodal-positiven, endokrin-responsiven Luminal-Tumoren ist eine Chemotherapie-Indikation aufgrund des doch insgesamt erhöhten Rezidivrisikos prinzipiell gegeben. Erste retrospektive Daten deuten jedoch darauf hin, dass ggf. bei Patientinnen mit 1 bis 3 befallenen Lymphknoten und einer günstigen Tumorbiologie (luminal A) auf eine Chemotherapie verzichtet werden kann [8, 18]. In einer retrospektiven Analyse einer dänischen Studie bei nodal-positiven, postmenopausalen Patientinnen (n=1445) zeigte sich ein signifikanter Vorteil für CMF-Tamoxifen vs. Tamoxifen allein nur hinsichtlich des krankheitsfreien Überlebens (disease free survival, DFS; HR 0,82, 95% CI 0,71–0,93, p=0,003), aber nicht in Bezug auf das Gesamtüberleben (overall survival, OS; HR 0,95, 95% CI 0,85–1,08, p=0,44). Patientinnen mit Luminal-A-Tumoren (Cut-off Ki-67 14%) haben eine bessere DFS-Rate als Patientinnen mit Luminal-B-Tumoren. Eine signifikante Heterogenität zwischen diesen beiden Subgruppen hinsichtlich des Benefits von CMF fand sich jedoch nicht [12]. Prospektive Daten zum Verzicht auf eine adjuvante Chemotherapie beim nodal-positiven Mammakarzinom (z. B. durch Studien WSGPlanB, WSG-ADAPT, RxPONDER/SWOG S1007) oder auch bei jungen Patientinnen (<35 Jahre) liegen derzeit noch nicht vor. In einer multizentrischen Analyse (n=1145) zeigte sich, dass die Durchführung einer adjuvanten Chemotherapie am wahrscheinlichsten Hormonrezeptor-positive, HER2-negative Tumoren 99 bei Patientinnen ist, bei denen eine klare Chemotherapie-Indikation (90%) gegenüber denen besteht, bei denen die Indikation entweder aufgrund klinischer Faktoren (36%) oder ihres Alters von >70 Jahre (19%) grenzwertig ist [37]. 2.3 Substanzen Anthrazykline Die aktuellen Analysen der Early Breast Cancer Trialists Collaborative Group (EBCTCG; [10]) zeigen im Überblick den Stellenwert der einzelnen Regime in Hinblick auf eine Senkung der brustkrebsspezifischen Mortalität. Die Regime 4-mal AC und CMF sind demnach gleich effektiv (RR 0,98, p=0,67), während Anthrazylin-haltige Schemata mit einer höheren kumulativen Dosis (z. B. CAF, CEF) dem CMF-Schema überlegen sind (RR 0,78, p=0,0004). Der Effekt einer Anthrazyklin-basierten Chemotherapie ist unabhängig von Alter und ER-Status signifikant ([10]; Abb. 3). Die britischen NEAT- und BR9601-Studien (n=2391) verglichen die Sequenztherapie mit Epirubicin-CMF mit CMF allein. Nach 7,4 Jahren medianer Nachbeobachtung zeigte sich die Anthrazyklin-CMFSequenz der reinen CMF-Therapie überlegen in Hinblick auf ³ das rezidivfreie 5-Jahres-Überleben (RFS; 78% vs. 71%, HR=0,75, 95% CI 0,65–0,86, p<0,0001) und ³ das Gesamtüberleben (OS; 84% vs. 78%, HR=0,76, 95% CI 0,65– 0,89, p=0,0007) [Earl et al, 2012]. Die luminal-1-basal-negativen Tumoren hatten die beste 5-JahresÜberlebensrate in dieser Studie und den geringsten zusätzlichen Nutzen von Epirubicin – eine signifikante Interaktion zwischen Therapieeffekt und Tumorsubtyp konnte jedoch nicht nachgewiesen werden [3]. Taxane Erstmalig wurde der Effekt einer Taxan-haltigen Therapie (Paclitaxel, Docetaxel) 2011 auch in der Metaanalyse der EBCTCG aufgegriffen [10]. Bei aller Vorsicht gegenüber der Heterogenität der zugrundeliegenden Studien (n=44.000) zeigte sich, dass Taxan- und Anthrazyklinhaltige Schemata den rein Anthrazyklin-haltigen Regimen hinsichtlich ³ des rezidivfreien Überlebens (RR 0,88, p<0,00001) und ³ des fernmetastasenfreien Überlebens (RR 0,87) sowie ³ des brustkrebsspezifischen Überlebens (RR 0,87, p<0,00001) und ³ des Gesamtüberlebens (RR 0,89, p<0,00001) signifikant überlegen sind. Ein Unterschied in der nicht auf Brustkrebs bezogenen Sterblichkeit zeigt sich nicht (RR 0,99). In Subgruppenanalysen zeigte sich keine eindeutige Heterogenität in Bezug auf die Parameter 100 C. Thomssen, N. Harbeck a b Abbildung 3: Wenigstens 4 Zyklen eines der Anthrazyklin-basierten Regime (mit medianer Wirkung wie bei einem Standard-4AC-Regime) vs. nicht-adjuvante Chemotherapie: Analysen der 10-Jahres-Brustkrebsmortalität in Bezug auf das Alter und den ER-Status. a ER-Status. Links ER-negativ (n=2076 Frauen, 73% N+). Rechts ER-positiv (n=5433 Frauen, 86% N+). b Ausschließlich ER-positive Patientinnen unterschieden nach Alter bei Erkrankungsbeginn. Links ER-positive Patientinnen <55 Jahre (n=1582, 77% N+). Rechts ER-positive Patientinnen mit einem Eintrittsalter von 55 bis 69 Jahre (90% N+). SE Standardabweichung (modifiziert nach [10; Abb. 7]). Hormonrezeptor-positive, HER2-negative Tumoren 101 Abbildung 4: Zeit bis zum Rezidiv, Brustkrebsmortalität und die Gesamtmortalität für Taxan-plus-Anthrazyklinbasierte Regime (Tax + Anth) im Vergleich zur Kontrollgruppe mit (links) dem gleichen oder (rechts) mehr NichtTaxan-Chemotherapie [10]. 102 C. Thomssen, N. Harbeck Abbildung 4: (Fortsetzung). ³ ³ ³ ³ ³ ³ Alter, Nodalstatus, ER, PR, Grading oder Tumorgröße. Der Therapieeffekt bleibt über die ersten 5 Jahre gleich ([10]; Abb. 4). In einer Metaanalyse aus 14 Phase-III-Studien mit Docetaxel beim frühen Mammakarzinom (n=25.067) zeigte sich ein signifikanter Nutzen zugunsten des Docetaxel-haltigen Regimes in Bezug auf das krankheitsfreie (HR 0,84, 95% CI 0,78–0,89, p<0,001) und das Gesamtüberleben (HR 0,86, 95% CI 0,78–0,94, p<0,001; [26]). Bei den nodalnegativen Patientinnen (n=4274) ließ sich ebenfalls ein Vorteil beim krankheitsfreien (HR 0,86, 95% CI 0,73–1,00, p=0,05), nicht aber beim Gesamtüberleben (HR 1, 95% CI 0,75–1,34) erkennen. Die Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens durch Docetaxel zeigte sich in allen klinisch relevanten Subgruppen unabhängig von Kriterien wie ³ Alter (Schwellenwert 50 Jahre), ³ Anzahl befallener Lymphknoten, ³ Hormonrezeptor- oder HER2-Status, ³ tripelnegative Tumoren oder ³ Verabreichungsart (Kombinations- oder Sequenztherapie). Hormonrezeptor-positive, HER2-negative Tumoren 103 Zu qualitativ ähnlichen Ergebnissen kommt auch eine Metaanalyse mit 19 Studien zu Taxan-haltiger adjuvanter Chemotherapie (n=30.968; [39]). Die GEICAM/2003-02-Studie (n=1925) belegt den Nutzen der Taxane bei dem nodal-negativen Mammakarzinom [33]. Die St.-Gallen-Risikokriterien dienten zur Identifikation von HochrisikoPatientinnen: ³ Größe >2 cm, ³ Hormonrezeptor [HR] negativ, ³ Grading 2/3, ³ Alter <35 Jahre. Es wurden 6 Zyklen FAC (Fluorouracil, Doxorubicin, Cyclophosphamid 500/50/500 mg/m2 alle 3 Wochen) hinsichtlich des krankheitsfreien Überlebens mit 4 Zyklen FAC gefolgt von einer wöchentlichen Paclitaxelgabe (8-mal, 100 mg/m2; FAC-wP) verglichen. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 5,3 Jahren war die krankheitsfreie Überlebensrate mit 93% vs. 90% in der FAC-wP-Gruppe gegenüber der FAC-Gruppe signifikant besser (HR 0,73, 95% CI 0,54–0,99, p=0,042). Beim Gesamtüberleben fand sich lediglich ein numerischer Vorteil zugunsten der Anthrazyklin-Taxan-Sequenz (31 vs. 40 Todesfälle, HR 0,79, 95% CI 0,49–1,26, p=0,31). Hierbei war die Anzahl der kardiovaskulären Todesfälle nach der Therapievariante FAC-wP deutlich niedriger als nach der reinen Anthrazyklin-haltigen Kombination (1 vs. 7; [33]). Der Nutzen der zusätzlichen Taxangabe scheint bei Fazit Hochrisiko-Subtypen (z. B. TNBC) deutlich ausgeprägter Anthrazykline und Taxane gelten als die zu sein als bei Luminal-Tumoren, die wiederum generell wirksamsten Substanzen und damit als eine bessere Prognose haben [32]. Standard – unabhängig von Nodal- oder In der BCIRG-Studie (n=1491, nodal-positiv), die Hormonrezeptor-Status – für die adjuvante Chemotherapie beim primären Mamma- die Therapieregime TAC (Docetaxel, Doxorubicin, Cykarzinom [2, 25]. clophosphamid) mit FAC vergleicht, profitieren die Luminal-B-Tumoren signifikant von der Anthrazyklin- und Taxan-haltigen Kombinationstherapie [24]. Die 10-Jahresdaten der BCIRG-001-Studie bestätigten den Vorteil von 6-mal TAC im Vergleich zu 6-mal FAC beim nodal-positiven Mammakarzinom in Bezug auf ³ die Rate des krankheitsfreien Überlebens (62% vs. 55%, HR 0,80, 95% CI 0,68–0,93, p=0,0043) und ³ die Gesamtüberlebensrate (76% vs. 69%, HR 0,74, 95% CI 0,61– 0,90, p=0,002). In den Subgruppenanalysen war der Vorteil zugunsten von TAC unabhängig von Nodal-, Hormonrezeptor- oder HER2-Status [31]. In den USA beobachtet man seit 2005 einen sinkenden Einsatz Anthrazyklin-haltiger Chemotherapie und einen steigenden Einsatz Taxan-haltiger Schemata [16]. Prospektive Studien zu der Frage, ob Anthrazyklin-freie Schemata (z. B. TC) äquieffektiv zu Anthrazyklin- 104 C. Thomssen, N. Harbeck Taxan-haltigen Kombinations- oder Sequenztherapien sind, stehen noch aus (z. B. durch die Studien WSG-Plan B, SUCCESS C). Einen ähnlichen Trend konnten auch die Niederlande beobachten: hier sank der Einsatz von CMF bis 2005 auf praktisch Null, während der Anthrazyklin-Einsatz von 4% im Jahr 2000 auf 96% 2005 kontinuierlich anstieg, dann aber bis 2008 wieder abfiel (68%; [47]). 2.4 Therapieregime Therapiebeginn In einer Metaanalyse (7 Studien, n=34.097) zeigte sich, dass eine Verzögerung der adjuvanten Chemotherapie (CMF bzw. Anthrazyklinbasiert) um 4 Wochen mit einer Verschlechterung des Überlebens einhergeht (OS: HR 1,15, 95% CI 1,03-1,28, random-effects model; DFS: HR= 1,16, 95% CI 1,01–1,33, fixed-effects model), wobei die zugrundeliegenden Studien eine signifikante Heterogenität aufwiesen. Die Autoren plädieren daher für einen Beginn in den ersten 4 Wochen nach der Operation [50]. Therapiedauer Die Standardtherapiedauer für die (neo-)adjuvante Chemotherapie beträgt nach heutigem Kenntnisstand 6 bis 8 Zyklen einer 3-wöchentlichen Therapie, d. h. insgesamt 18 bis 24 Wochen. Anzahl der Zyklen Die CALGB 40101 untersuchte in einer 2-mal-2-Randomisierung (n=3171, Laufzeit 2002 bis 2008) bei Patientinnen mit 0 (94%) bzw. 1 bis 3 (6%) befallenen Lymphknoten die Frage, ob 6 Zyklen einer ACbzw. Paclitaxel-Chemotherapie effektiver als 4 Zyklen sind. Die Therapie wurde ab 2003 dosisdicht verabreicht. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 5,3 Jahren zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen 6 und 4 Zyklen (4-Jahres-RFS 90,9% vs. 91,8%, HR 1,03, 95% CI 0,84–1,28, p=0,77). Eine Interaktion mit Hormonrezeptor- oder HER2-Status wurde nicht beobachtet [43]. Da die Daten zum Vergleich der beiden Chemotherapie-Regime noch nicht vorliegen, gibt diese Studie keine Informationen über die optimale Chemotherapie beim frühen Mammakarzinom. Sie zeigt nur, dass bei 4-mal AC oder Paclitaxel-Mono eine Verlängerung auf 6 Zyklen keinen Zusatznutzen bringt. In diesem Zusammenhang sind die Ergebnisse der NSABP-B30Studie (n=5351 N+) wichtig, die einen signifikanten Überlebensvorteil für insgesamt 8 Zyklen adjuvante Chemotherapie (AC-Doc-Sequenz) vs. nur 4 Zyklen (ADoc bzw. TAC) gezeigt hat [44]. Hormonrezeptor-positive, HER2-negative Tumoren 105 Kombinations- oder Sequenztherapie In der BCIRG-005-Studie [11] wurden beim HER2-negativen nodalpositiven Mammakarzinom die Kombinationstherapie 6-mal TAC (75 mg/m2 Docetaxel, 50 mg/m2 Doxorubicin, 500 mg/m2 Cyclophosphamid) mit der Sequenztherapie 4-mal AC (60 mg/m2 Doxorubicin, 600 mg/m2 Cyclophosphamid) gefolgt von 4-mal Docetaxel 100 mg/ m2 verglichen (n=3298). Im TAC-Arm war die Antibiotikaprophylaxe obligat, nicht jedoch die primäre G-CSF-Prophylaxe. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 65 Monaten zeigte sich eine Rate für das krankheitsfreie 5-Jahres-Überleben von 79% in beiden Armen (p=0,98, HR 1,0: 95% CI 0,86–1,16) sowie 5-Jahres-Gesamtüberlebensraten von 88% bzw. 89% (p=0,37, HR 0,91, 95% CI 0,75–1,11). Die Gleichwertigkeit war unabhängig von der Anzahl der befallenen Lymphknoten und von der Tumorbiologie (Hormonrezeptor-positiv, tripelnegativ). Ein Unterschied war jedoch hinsichtlich des Nebenwirkungsspektrums zu beobachten. Die Neutropenierate war in beiden Armen vergleichbar, im TAC-Arm zeigten sich jedoch mehr febrile Neutropenien (17,4% vs. 7,7%, p<0,001) und Thrombozytopenien (41,0% vs. 25,6%, p<0,001), im AC-Doc-Arm mehr sensorische Neuropathie (42,8% vs. 27,5%, p<0,001), Nagelveränderungen (44,5% vs. 22,1%, p<0,001) und Myalgie (50,9% vs. 35,8%, p<0,001; [11]). In einer kleinen neoadjuvanten Studie (n=201) zeigte die Sequenz AC-Doc (ohne G-CSF-Primärprophylaxe) vs. 6-mal TAC (mit G-CSF) eine vergleichbare Effektivität (pCR-Rate 21% vs. 16%, OR 1,44, 95% CI 0,67–3,10). Unter AC-Doc kam es zu mehr febrilen Neutropenien (23% vs. 9%) und Grad-3/4-Neuropathien (5% vs. 0%; [49]). Bei der Sequenztherapie scheint es verträglicher zu Fazit sein, zuerst das Taxan vor dem Anthrazyklin zu geben Die Anthrazyklin- und Taxan-haltige adjuvante Chemotherapie kann als Kombina- [1]. Aktuelle Therapiestudien überprüfen dieses Konzept tions- oder Sequenztherapie gegeben werden. im neoadjuvanten (z. B. Geparsepto) oder adjuvanten Das Nebenwirkungsspektrum ist hierbei (z. B. WSG-ADAPT) Setting. unterschiedlich. In einer Metaanalyse der Phase-III-Studien zum Thema sequenzielle vs. gemeinsame Gabe von Anthrazyklinen und Taxanen (3 Studien, n=8728) zeigte sich ein signifikanter Vorteil zugunsten der sequenziellen Gabe (DFS: RR 0,90, 95% CI 0,84–0,98, p=0,01, OS: RR 0,88, 95% CI 0,79–0,98, p=0,02) [42], wobei das unterschiedliche Nebenwirkungsspektrum der einzelnen Regime bei der Indikationsstellung berücksichtigt werden sollte. 2.5 Dosisdichte bzw. dosisintensivierte Therapie Die dosisdichte, dosisintensivierte Anthrazyklin- und Taxan-haltige ETC-Chemotherapie, bestehend aus 3-mal Epirubicin 150 mg/m2 gefolgt von 3-mal Paclitaxel 225 mg/m2 und 3-mal Cyclophosphamid 2.500 mg/m2, jeweils alle 2 Wochen unter G-CSF-Gabe, gilt heute als ein hochwirksames Standardregime bei nodal-positiven Hochrisiko- 106 C. Thomssen, N. Harbeck Patientinnen [35]. Die Cyclophosphamid-Dosis wurde jedoch aufgrund von Toxizitätsdaten in der nachfolgenden GAIN-Studie auf 2.000 mg/ m2 begrenzt. In einem randomisierten Vergleich war die Gabe von Erythropoetin a bei ETC mit einer Stabilisierung der Hämoglobinwerte und einer signifikanten Senkung des Transfusionsbedarfs verbunden (12,8% vs. 28,1%, p<0,0001). In der Fazit Erythropoetin-a-Gruppe gab es jedoch mehr Thrombo- Die dosisdichte, dosisintensivierte Therapie mit ETC ist eine Standardtherapie bei sen (7% vs. 3%). Auswirkungen der Erythropoetin-a- nodal-positiven Hochrisiko-Patientinnen. Gabe auf die intramammäre Rezidivrate, DFS oder OS wurden nicht beobachtet [36]. Eine kleine Pilotstudie zeigte, dass auch die dosisdichte Gabe von Docetaxel 100 mg/m2 nach 4-mal EC-Gabe ohne Grad-4-Toxizitäten prinzipiell möglich ist [40]. Eine Metaanalyse (4 Studien, 3.418 Patientinnen) bestätigte den signifikanten Vorteil zugunsten einer dosisdichten adjuvanten Chemotherapie für das krankheitsfreie Überleben (n=3356, HR=0,83, 95% CI 0,73–0,95, p=0,005), unabhängig vom Hormonrezeptor-Status. Für das Gesamtüberleben zeigte sich kein signifikanter Nutzen (n=3356, HR=0,86, 95% CI 0,73–1,01, p=0,06). Auch dieses Ergebnis war unabhängig vom Hormonrezeptor-Status (OS bei HR+: HR=0,94, 95% CI 0,74–1,21, OS bei HR-: HR=0,78, 95% CI 0,62–0,99, Interaktionstest p=0,28). Die dosisdichten Regime waren mit etwas mehr Anämie und Mukositis verbunden, nicht aber mit einer erhöhten Rate an kardialen Ereignissen, Leukämie oder Myelodysplasie [30]. Die retrospektive Analyse (n=1039) von zwei griechischen dosisdichten Phase-III-Studien (HE10/97, HE10/00) mit E-T-CMF vs. E-CMF bzw. ET-CMF zeigte ein schlechteres 10-Jahres-Gesamtüberleben für Luminal-B- vs. Luminal-A-Tumoren (69,8% vs. 79,4%, HR 1,16, 95% KI 1,67-2,41), jedoch keinen signifikanten Nutzen der zusätzlichen Paclitaxel-Gabe bei Luminal-A- oder -B-Tumoren [14]. Fazit Die Hochdosis-Chemotherapie hat keinen StellenEine Hochdosis-Chemotherapie mit Stammwert mehr. Dies zeigte eine Metaanalyse, die 15 rando- zelltransplantation ist nicht indiziert, da sie misierte Studien (n=6210) mit einer medianen Nachbe- mit erheblichen Toxizitäten, nicht jedoch mit einem Überlebensvorteil verbunden ist. obachtungszeit von 6 Jahren zusammenfasst [4]. Die Hochdosis-Therapie mit autologer hämatopoetischer Stammzelltransplantation (AHST) verbessert das rezidivfreie Überleben (HR 0,87, 95% CI 0,81–0,93, p=0,001), nicht aber das Gesamtüberleben (HR 0,94, 95% CI 0,87–1,02, p=0,13). Während junge Patientinnen (<50 Jahre) besonders von der HochdosisTherapie hinsichtlich des rezidivfreien Überlebens profitierten, war der fehlende Effekt auf das Gesamtüberleben in allen Subgruppen vorhanden. Insgesamt gab es ³ 33 sekundäre Malignome, 17 in der Hochdosis- und 16 in der Kontrollgruppe, sowie ³ 89 therapiebedingte Todesfälle, 72 in der Hochdosis-Gruppe (6,0%) und 17 in der Kontrollgruppe (1,4%). Hormonrezeptor-positive, HER2-negative Tumoren 107 2.6 Rolle zusätzlicher Substanzen Capecitabin Die FinXX-Phase-III-Studie (n=1500, nodal-negative oder nodal-positive Hochrisiko-Tumoren) zeigte in ihrer geplanten 3-Jahres-Zwischenanalyse, dass die Zugabe von Capecitabin (Doc-X→CEX) die Wirksamkeit einer Anthrazyklin-Taxan-haltigen Sequenztherapie (Docetaxel→ CEF) signifikant hinsichtlich eines rückfallfreien Überlebens verbessern kann: 3-Jahres-RFS (primärer Endpunkt) 93% vs. 89% (HR 0,66, 95% CI 0,47–0,94, p=0,020). Bedingt durch die Kombination mit Capecitabin waren die Dosierungen in beiden Studienarmen unterschiedlich [27]: ³ XDoc→CEX: X 900 mg/m2 bid Tag 1–15 + Doc 60 mg/m2 Tag 1, dreiwöchentlich → C 600 mg/m2 Tag 1, E 75 mg/m2 Tag 1, X 900 mg/m2 bid Tag 1–15, dreiwöchentlich, ³ Doc→CEF: Doc 80 mg/m2 Tag 1, dreiwöchentlich → C 600 mg/m2 Tag 1, E 75 mg/m2 Tag 1, F 600 mg/m2 Tag 1, dreiwöchentlich. Die finale 5-Jahres-Analyse (mediane Nachbeobachtungszeit 59 Monate) konnte diesen signifikanten Wirksamkeitsvorteil nicht bestätigen. Im XDoc→CEX-Arm beendeten 24% der Patientinnen die Therapie frühzeitig, im Standardarm hingegen nur 3% (p<0,001). Die Therapieabbrüche geschahen überwiegend aufgrund der Nebenwirkungen. Bei 47% der Patientinnen kam es im Verlauf zu einer Dosisreduktion von Capecitabin. Spättoxizitäten waren insgesamt selten. Ein Zweitmalignom erlitten 30 Patientinnen (2%). Im Capecitabin-Arm gab es 2 kardiale Todesfälle nach Abschluss der Chemotherapie. Nach der längeren Nachbeobachtung zeigte sich eine rezidivfreie Überlebensrate von 86,6% im Capecitabin-haltigen Arm vs. 84,1% (HR 0,79, 95% CI 0,60– 1,04, p=0,087) und eine Gesamtüberlebensrate von 92,6% (XDoc→CEX) im Vergleich zu 89,7% (HR 0,80, 95% CI 0,52–1,04, p=0,080). Explorative Analysen zeigten jedoch einen Vorteil beim brustkrebsspezifischen Überleben zugunsten von XDoc→CEX mit 94,4% vs. 91,0% nach 5 Jahren (HR 0,64, 95% CI 0,44–0,95, p=0,027) sowie einen Vorteil im rezidivfreien Überleben bei Patientinnen mit mehr als 3 befallenen Lymphknoten bzw. mit tripelnegativem Karzinom [27]. In einer unizentrischen Phase-III-Studie (n=601) wurde 12-mal Paclitaxel wöchentlich mit 4-mal Docetaxel 75 mg/m2 + Fazit Capecitabin 1500 mg/m2 (XT) jeweils gefolgt von 4-mal Zusätzliche Substanzen wie Capecitabin oder FEC verglichen. Die Studie wurde frühzeitig beendet, da Gemcitabin haben derzeit keinen Stellenwert nach einer Zwischenanalyse ein qualitativer Unterschied in der (neo-)adjuvanten Standard-Chemotherapie beim primären Mammakarzinom. als unwahrscheinlich eingeschätzt wurde. Sowohl im Durch ihren Einsatz kommt es zu erforder- adjuvanten als auch im neoadjuvanten Setting zeigte sich lichen Dosisreduktionen bei der Anthrazyklin- kein signifikanter Effektivitätsunterscheid zwischen den Taxan-haltigen Standardtherapie sowie Therapiearmen. Der XT-Arm war mit einer signifikant zusätzlichen Toxizitäten, ohne dass ein Überhöheren Toxizität (Stomatitis, Hand-Fuß-Syndrom, neulebensvorteil bisher nachweisbar ist. tropenische Infektion) vergesellschaftet [28]. 108 C. Thomssen, N. Harbeck Gemcitabin In der der NSABP-B38-Studie (n=4894) wurden 6 Zyklen TAC verglichen mit ³ dosisdichtem (DD) AC→P (A 60 mg/m2, C 600 mg/m2 zweiwöchentlich 4-mal, danach P 175 mg/m2 zweiwöchentlich 4-mal) und ³ DD AC→PG (A 60 mg/m2, C 600 mg/m2 zweiwöchentlich 4-mal → P 175 mg/m2 + Gemcitabin 2000 mg/m2 zweiwöchentlich 4-mal). Hier zeigten sich durch das Hinzunehmen vom Gemcitabin keine Vorteile für die Patientinnen, wohl aber Unterschiede in den Toxizitäten zwischen TAC und den sequenziellen Regimen. Febrile Neutropenie (G3/4 9% vs. 4% in beiden DD-Gruppen, p<0,001) und Diarrhö (G3/4 8% vs. 2%, p<0,001) waren signifikant höher in der TAC-Gruppe, sensorische Neuropathie (G3/4 7% bzw. 6% vs. 1%) höher in beiden DD-Gruppen [45]. 2.7 Nebenwirkungen (neo-)adjuvanter Chemotherapie Eine Metaanalyse (15 Studien, n=27.039) zeigte, dass die Anthrazyklinund die Anthrazyklin-Taxan-basierte adjuvante Chemotherapie mit einem ähnlichen Toxizitätsrisiko einhergeht. Regime, die eine geringere kumulative Anthrazyklin-Dosis aufweisen, waren mit einem geringeren Risiko für ³ Kardiotoxizität (RR 0,41, 95% CI 0,26–0,66, p=0,0002), ³ venöse Thromboembolien (RR 0,45, 95% CI 0,26–0,79, p=0,006) und ³ Leukämien (RR 0,39, 95% CI 0,18–0,87, p=0,02) assoziiert, hatten aber eine erhöhte, nicht durch den Brustkrebs bedingte Mortalität (RR 1,79, 95% CI 1,06–3,04, p=0,03). Diese erhöhte Mortalität bezog sich insbesondere auf Regime, bei denen sequenziell mehr als 3 Zyklen Anthrazyklin vor dem Taxan gegeben werden (RR 2,24, 95% CI 1,2–4,21, p=0,01; [38]). In Bezug auf kognitive Störungen nach adjuvanter Chemotherapie zeigt eine zusammenfassende Analyse der Studien mit mehr als 5 Jahren Nachbeobachtungszeit, dass eine adjuvante Chemotherapie (für nicht ZNS-Malignome generell) nicht mit einem erhöhten Demenzrisiko vergesellschaftet ist, wohl aber mit kognitiven Defiziten [29]. In der adjuvanten Mammakarzinomstudie CALGB 49907 (CMF bzw. AC vs. Capecitabin) zeigte sich bei älteren Patientinnen (n=297, Median 71,5 Jahre) keine signifikante Veränderung der selbst berichteten kognitiven Funktionen unter Chemotherapie [15]. Taxan-haltige Schemata sind u. a. mit übermäßigem Tränenfluss bzw. Neuropathie assoziiert. In einer Analyse von 100 Patientinnen mit Docetaxel-basierter Chemotherapie zeigte sich bei 86% ein übermäßiger Tränenfluss unter der Therapie. Dies war unabhängig davon, ob zu Beginn der Therapie bereits ein asymptomatischer Tränenkanalverschluss bestand oder nicht. Eine Blepharitis wurde bei 37% und eine geringe korneale EpiHormonrezeptor-positive, HER2-negative Tumoren 109 thelveränderung bei 22% der Patientinnen beschrieben. Beides war nicht prädiktiv für den übermäßigen Tränenfluss. Eine Visusverschlechterung war am häufigsten beim 1. Zyklus (70%) und ging auf weniger als 5% zum Zeitpunkt von 4 Monaten nach Therapieende zurück [5]. In der E1199-Studie (n=4554), in der die wöchentliche und dreiwöchentliche Gabe (insgesamt 12 Wochen) von Paclitaxel und Docetaxel nach 4-mal AC miteinander verglichen wurden, entwickelten weniger als ein Fünftel der Patientinnen eine Neuropathie Grad 2–4 (P3 18%, P1 22%, D3 15%, D1 13%). In einem multivariaten Modell unter Einbeziehung von Tumorcharakteristika und Komorbiditäten zeigte sich kein Einfluss der Neuropathie auf das krankheitsfreie oder Gesamtüberleben [41]. Nahrungsergänzungsmittel In einer prospektiven, placebokontrollierten Studie wurde der Effekt von Acetyl-L-Carnitin (ALC) auf die Taxan-Chemotherapie-assoziierte periphere Neuropathie untersucht (n=409). Während sich nach 12 Wochen kein Effekt von ALC auf die Neuropathie zeigte, war die Neuropathie nach 24 Wochen im ALC-Arm deutlich verstärkt (Neuropathie Grad 3–4 bei 8 vs. 1 Patientin). Dies ist die erste Studie, die zeigt, dass durch ein Nahrungsergänzungsmittel die Chemotherapie-assoziierte Neuropathie verstärkt werden kann. Die Autoren schlussfolgern daraus, dass Patientinnen keine Nahrungsergänzungsmittel ohne nachgewiesene Effektivität einnehmen sollten [23]. Zusammenfassung Standardtherapie bei Luminal-Tumoren (endokrin-responsiv, HER2-negativ) ist die adjuvante endokrine Therapie. Bei Luminal-B-Tumoren besteht die Indikation für eine zusätzliche Chemotherapie. Bei bestehender Chemotherapie-Indikation kann die Chemotherapie beim primären Mammakarzinom vor oder nach der Operation, d. h. neoadjuvant oder adjuvant, gegeben werden. Eine adjuvante Chemotherapie sollte in den ersten 4 Wochen nach der Operation beginnen. Standardsubstanzen bei der (neo-)adjuvanten Chemotherapie sind Anthrazykline und Taxane. Bei nodal-positiver sowie bei nodal-negativer Hochrisiko-Erkrankung zeigt sich ein signifikanter Vorteil zugunsten Anthrazyklin- und Taxan-haltigen gegenüber rein Anthrazyklin-haltigen Schemata. Die Anthrazyklin- und Taxan-haltige Standard-Chemotherapie umfasst 6 bis 8 Zyklen alle 3 Wochen, d. h. insgesamt eine Therapiedauer von 18 bis 24 Wochen. Sie kann als Kombinations- oder Sequenztherapie gegeben werden. Das Nebenwirkungsspektrum ist hierbei unterschiedlich. Bei nodal-positiven Hochrisiko-Patientinnen ist eine dosisdichte, dosisintensivierte Chemotherapie mit dem ETC-Regime vorteilhaft. Zusätzliche Substanzen (z. B. Capecitabin) spielen derzeit aufgrund notwendiger Dosisreduktionen bei den Standardsubstanzen sowie zusätzlicher, klinisch relevanter Toxizitäten keine Rolle. Die Hochdosis-Therapie hat keinen Stellenwert beim frühen Mammakarzinom. 110 C. Thomssen, N. Harbeck Fernmetastasiertes Mammakarzinom S. loibl, J. biScHoFF, o. gluz 1 Einführung 185 2 Metastasiertes, endokrin empfindliches Mammakarzinom 2.1 Histologie 186 2.2 Therapieoptionen 187 Literatur 194 3 Metastasiertes, endokrin nichtempfindliches Mammakarzinom 195 3.1 HER2-positives Mammakarzinom 195 Literatur 207 3.2 HER2-negatives Mammakarzinom 210 Literatur 226 185 1 Einführung Das Wiederauftreten einer Mammakarzinom-Erkrankung kann als lokales, als lokoregionales Rezidiv oder als Fernmetastasierung in anderen Organsystemen oder in kombinierter Form stattfinden. Lokales und lokoregionales Rezidiv sind im letzten Kapitel ausführlich besprochen worden. In den folgenden drei Unterkapiteln geht es um das fernmetastasierte Mammakarzinom. Bei der Therapieplanung spielen folgende Fragen eine wesentliche Rolle: ³ Ist das ursprüngliche Karzinom endokrin empfindlich? ³ Ist das ursprüngliche Karzinom HER2-positiv oder HER2-negativ? Sibylle Loibl erläutert die neuesten Entwicklungen bei endokrin empfindlichen Karzinomen. Joachim Bischoff widmet sich dem endokrin nicht empfindlichen, aber HER2-positiven metastasierten Mammakarzinom und Oleg Gluz fasst die neuesten Erkenntnisse zum endokrin nicht empfindlichen und HER2-negativen metastasierten Mammakarzinom zusammen. In allen drei Kapiteln wird ausführlich darauf eingegangen, ob und wenn ja wann eine eigene histologische Untersuchung von Metastasengewebe erforderlich ist. 2 Metastasiertes, endokrin empfindliches Mammakarzinom S. Loibl Die endokrine Therapie bleibt die Therapie der ersten Wahl für das metastasierte Mammakarzinom bei Hormonrezeptor-positiver Erkrankung. Da sich der Rezeptorstatus (Hormonrezeptoren und HER2-Status) geändert haben kann, wird empfohlen, eine Biopsie der metastasierten Läsion durchzuführen. Ein weiterer Vorteil der histologischen Sicherung ist die definitive Sicherung der Karzinommetastase und der Ausschluss eines Zweitkarzinoms, was weitreichende therapeutische Konsequenzen hat. Die Auswahl der Therapie wird bestimmt durch ³ den Menopausenstatus, ³ die Art der vorausgegangenen Therapie, ³ das Zeitintervall zwischen Ende der Primärtherapie und Diagnose der Metastasierung sowie ³ eventuell noch vorhandene Nebenwirkungen und Symptome der Metastasen. Lokoregionale Rezidive beim Mammakarzinom 185 2.1 Histologie Jüngste prospektive und retrospektive Daten weisen auf eine Verschiebung der Rezeptoren hin, die betreffen [19] ³ in 15% den Östrogenrezeptor, ³ in 25 bis 40% die Progesteronrezeptoren und ³ in weniger als 10% den HER2-Status [19]. Eine Übersicht hierüber gibt die Arbeit von Foukakis [9]. In den letzten 12 Monaten wurden drei größere Studien in renommierten Fachzeitschriften veröffentlicht, die das bestätigen. Eine retrospektive Untersuchung an 455 Patientinnen zeigt, dass sich bei jedem Metastasierungsschritt der Hormonrezeptor-Status ändern kann, und zwar sowohl von positiv zu negativ als auch umgekehrt. Letzteres ist allerdings seltener. Diese Änderung des Hormonrezeptor- und HER2-Status beeinflusst auch das Gesamtüberleben. Die beste Überlebensrate haben Patientinnen mit einem positiven Hormonrezeptor des Primarius und der Metastasen, während alle anderen Patientinnen eine durchweg schlechtere Prognose haben [12]. Nikkiura und Kollegen haben sich vollkommen der Veränderung des Hormonrezeptor-Status in einer prospektiven Studie gewidmet. Diese ist neben der Arbeit von Amir die einzige prospektive Untersuchung zu diesem Thema [18]. Innerhalb von 10 Jahren konnten bei 947 Patientinnen mit Metastasen aus einem Gesamtkollektiv von über 12.000 Patientinnen am MD Anderson gefiltert werden. Bei 182 Patientinnen wurde der HER2-Status an der Metastase bestimmt; 24% der Tumoren hatten den HER2-Rezeptor verloren. Interessanterweise wurde diese Veränderung aber nicht durch die Fazit Therapie mit Trastuzumab hervorgerufen, sondern durch Die Biopsie dient dem Ausschluss eines den Einsatz der Chemotherapie. Jedoch wurde ein zwiZweitkarzinoms und der Überprüfung des schen Primärtumor und Metastase unterschiedlicher Rezeptorstatus. Die Therapie sollte sich dann HER2-Status nicht davon beeinflusst, ob bei der Primäran der Metastasenhistologie orientieren. diagnose bereits Metastasen vorlagen. Aber auch in dieser Untersuchung war die Überlebensrate ungünstiger, wenn es zu einer Veränderung des HER2-Status bei der Metastasierung kam. Die dritte Studie, ebenfalls eine prospektive Studie zu dem Thema, untersuchte sowohl den Hormonrezeptor- als auch den HER2-Status zwischen Primärtumor und Metastase. Es ergab sich bei insgesamt 40% eine Veränderung des Progesteronrezeptorstatus, 14% der Tumore waren unterschiedlich für den Östrogenrezeptor und 10% für den HER2-Status. Auswirkungen auf die Therapie hatte dies aber nur in 14% der Fälle. Über Schmerzen nach der Biopsie berichteten 60% der Patientinnen, aber 88% der Frauen würden es anderen Patientinnen empfehlen (Tab. 1). Fazit Die Biopsie der Metastase, sofern technisch möglich, sollte heute jeder Patientin bei Verdacht auf eine Metastasierung angeboten werden. 186 S. D. Costa Tabelle 1: Aktuellste Untersuchungen zum Thema Expression von ER, PR und HER2 im Vergleich zu Metastase und Primärtumor. Publikation Anzahl der Patienten (n) ER (%) PR (%) HER2 (%) 137 10 25 3 94 14 40 10 Lindström [12] 459 33 40 14 Niikura [18] 182 – – 24 Prospektive Studien Thompson [19] Amir [1] Retrospektive Studien 2.2 Therapieoptionen 2.2.1 HER2-negatives metastasiertes Mammakarzinom der prämenopausalen Patientin Generell sind die endokrinen therapeutischen Möglichkeiten für die prämenopausale Patientin mit Hormonrezeptor-positivem, metastasiertem Mammakarzinom geringer und auch weitaus schlechter untersucht. Bei prämenopausalen Patientinnen steht neben Tamoxifen die Kombination aus einem Gonadotropinanalogon (GnRHa) mit einem Aromatasehemmer (AI) zur Verfügung. Weiterhin ist wohl auch die Gabe von Fulvestrant (mit GnRHa) eine zusätzliche Therapiemöglichkeit. In einer prospektiven Untersuchung von prämenopausalen Patientinnen, die mit einem GnRH-Analogon in Kombination mit Fulvestrant behandelt wurden, konnte zumindest gezeigt werden, dass diese Therapiekombination möglich ist. An einer Institution wurden 26 Patientinnen in unterschiedlichen Therapielinien mit dieser Kombination behandelt [3]. Die Patientinnen erhielten 3,6 mg Goserelin und 250 mg Fulvestrant als Erst- bis Viertlinienbehandlung. Die clinical benefit rate, also der Anteil der Patientinnen, die entweder eine Remission oder eine über mindestens 24 Wochen anhaltende Krankheitsstabilisierung erreichten, war der zu untersuchende Mes- Fazit sparameter. 81% der Patientinnen erhielten im Vorfeld Auch bei kleiner Patientinnenzahl zeigt diese Untersuchung, dass die Kombination eines Tamoxifen und 69% waren mit einem GnRHa in Kombi- GnRHa mit Fulvestrant für die prämenopaunation mit einem Aromatasehemmer behandelt worden. sale Patientin mit metastasiertem MammaDie clinical benefit rate betrug 58%. Die mediane Zeit bis karzinom eine Therapiemöglichkeit nach zum Voranschreiten der Erkrankung betrug 6 Monate Vorbehandlung mit Tamoxifen oder GnRHa plus Aromatasehmmer darstellt. und das Gesamtüberleben 32 Monate. Fernmetastasiertes Mammakarzinom 187 2.2.2 HER2-negatives metastasiertes Mammakarzinom der postmenopausalen Patientin Alleinige endokrine Therapie Bei postmenopausalen Patientinnen gibt es mehrere endokrine Therapieoptionen, die gewählt werden können je nach ³ Vorbehandlung, ³ krankheitsfreiem Intervall und ³ Begleiterkrankungen. Die Standarddosierung von Fulvestrant beträgt mittlerweile 500 mg, nachdem initial 250 mg zugelassen waren. Diese Therapieänderung geht und u. a. auf die CONFIRM-Studie zurück. Hierzu wurden auf dem letztjährigen San Antonio Breast Cancer Symposium eine aktualisierte Überlebensanalyse vorgestellt. Die aktualisierte Analyse der CONFIRM-Studie befürwortet die Gabe von 500 mg Fulvestrant. Nach adjuvanter Gabe von Aromatasehemmern (AI) wurde es als die zu bevorzugende Option angesehen, sowohl in der ersten Linie, als auch in weiteren Linien, wenn es zuvor noch nicht verabreicht wurde. Die Option der Gabe von 250 mg Fulvestrant statt eines Aromatasehemmers hat sich als gleich wirksam erwiesen[7]. Postmenopausale Frauen mit metastasiertem, hormonabhängig wachsenFazit dem Mammakarzinom wurden entweder mit 250 mg FulDie aktualisierte Analyse zum Gesamtüberle- vestrant oder 500 mg Fulvestrant behandelt. Das Zeitinterben unterstützt die bisherigen Daten, auch bei vall bis zum Voranschreiten der Erkrankung betrug in der statistisch nicht signifikantem Unterschied für das Gesamtüberleben. Die 500-mg-Dosis von 500-mg-Gruppe 6,5 Monate und in der 250-mg-Gruppe Fulvestrant ist die aktuell zugelassene. Ob ein 5,5 Monate, was einer Risikoverringerung für das VoranUnterschied im krankheitsfreien Überleben schreiten um 20% entspricht. Die aktualisierten Überlevon 4 Wochen diese Therapie rechtfertigt, sei bensdaten zeigen gleichfalls eine 20%ige Risikoreduktion, dahin gestellt. an der Erkrankung zu versterben, bei einer Verlängerung des Überlebens von 22,3 auf 26,4 Monate. Dies war jedoch statistisch nicht signifikant. Ob das Gesamtergebnis klinisch relevant ist, muss letztendlich individuell beurteilt werden. Zwei Studien legten finale Ergebnisse zur Kombination von 250 mg Fulvestrant plus Anastrozol im Vergleich zu Anastrozol allein vor (Tab. 2). Die von der SWOG durchgeführte US-amerikanische Studie SWOG-SO zeigte ein signifikant verlängertes progressionsfreies und Gesamtüberleben für die Kombinationstherapie [17]. Es wurden 694 Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom, die außer der adjuvanten Therapie noch keine weitere Therapie erhalten hatten, in die Studie eingeschlossen. Insgesamt hatten 40% der Patientinnen zuvor Tamoxifen für die Ersttherapie (adjuvant) erhalten. In der Anastrozolgruppe wurde die Fortsetzung der Therapie mit Fulvestrant im Fall des Progresses stark befürwortet, was auch 41% der Patientinnen erhielten. Tabelle 2 zeigt die Ergebnisse im Einzelnen. Die Zeit bis zum Voranschreiten der Erkrankung konnte durch die Kombination um 188 S. Loibl, J. Bischoff, O. Gluz Tabelle 2: Studien zur Kombination Aromatasehemmer und Fulvestrant. Studie Vorausgegangene Therapie Progressionsfreies Überleben (Monate) Progressionsfreies Überleben (Monate) Gesamtüberleben (Monate) Gesamtüberleben (Monate) A A+F A A+F SWOG-SO 226 (n=694) 40% Tam 13,5 15,0* 41,3 47,7* FACT (n=514) 66% Tam 10,2 10,8 38,2 37,8 A Aromatasehemmer, F Fulvestrant. 1,5 Monate, das Gesamtüberleben um ein halbes Jahr verlängert werden. Die FACT-Studie hingegen konnte diese Ergebnisse nicht bestätigen [5]. Die Therapie war in beiden Armen identisch mit der amerikanischen Studie. Von den 514 Patientinnen waren 15 prämenopausal und erhielten daher ein GnRH-Analogon Fazit zusätzlich zur Studientherapie. Insgesamt waren 60% der Bisher scheint es nicht sicher zu sein, ob die Patientinnen in der adjuvanten Therapie mit Tamoxifen Kombination Fulvestrant plus Anastrozol der behandelt worden. Insgesamt waren die Ergebnisse der alleinigen Anastrozoltherapie überlegen ist. Aber hier wurden alle Patientinnen mit der beiden Therapiearme gleich gut und es ergab sich kein 250-mg-Dosierung nach einer Aufsättigung Vorteil für die Kombinationstherapie. mit 500 mg behandelt. Es könnte sein, dass In der FACT-Studie waren nur etwa 13% der Pa- Fulvestrant 500 mg plus Anastrozol der alleitientinnen zum Zeitpunkt der Diagnose bereits metasta- nigen AI-Therapie überlegen ist, v. a. bei nicht siert, in der SWOG-Studie dagegen fast 40%. Dies und vorbehandelten, also primär metastasierten Patientinnen. Dies wurde jedoch bisher noch die zusätzlich unterschiedliche Vorbehandlung könnten nicht getestet. die Gründe für die konträren Ergebnisse sein. Abbildung 1: Mögliche Therapiealgorithmen nach adjuvanter Therapie mit Tamoxifen in der postmenopausalen Situation. Fernmetastasiertes Mammakarzinom 189 Abbildung 2: Mögliche Therapiealgorithmen des postmenopausalen metastasierten Mammakarzinoms nach adjuvanter Gabe eines Aromatasehemmers. Neue endokrin wirksame Substanzen, die den Androgenrezeptor bzw. die Produktion von Androgenen angreifen, werden derzeit für das Mammakarzinom entwickelt. Arbirateron ist ein CYP17-Inhibitor und hemmt die Bildung von Androgenen. Das Medikament hat bereits eine Zulassung für das metastasierte Prostatakarzinom [6]. Auch beim Mammakarzinom könnte diese Substanz Potenzial haben, da etwa 20% der tripelnegativen Karzinome den Androgenrezeptor exprimieren [14]. In einer Studie des Memorial Sloane Kettering Cancer Centres in New York, wurde das Prinzip bereits mit Bicalutamid, einem seit Jahren bekannten Antiandrogen, am tripelnegativen Mammakarzinom untersucht [20]. Diese Gruppe kann bisher nur mit einer Chemotherapie (plus/minus Bevacizumab) behandelt werden. Daher Fazit wäre diese Substanz v. a. für diese Gruppe interessant. Neue Substanzen, die den Androgenrezeptor Arbiraterone wurde in einer Phase-I-bis-II-Studie bzw. die Androgenproduktion attackieren, untersucht [4]. werden auch beim Mammakarzinom eventuEnzalutamid ist eine weitere potenzielle Substanz, ell von Interesse sein. die den Androgenrezeptor direkt zum Ziel hat. Kombination mit Everolimus und anderen mTor-Hemmern Das Konzept, einen mTOR-Hemmer mit einer endokrinen Therapie zu kombinieren, um die endokrine Resistenz zu durchbrechen, zeigte in der Bolero-2-Studie vielversprechende Ergebnisse, die auch zur Zulassung der Kombination Everolimus plus Exemestan nach Vorbehandlung mit einem nichtsteroidalen Aromatasehemmer (Letrozol oder Anastrozol) geführt hat. Zusätzlich gab es weitere Analysen zu sekundären Endpunkten. 190 S. Loibl, J. Bischoff, O. Gluz In präklinischen Studien konnte ein hemmender Effekt von Everolimus auf die Osteoklasten nachgewiesen werden [10]. In der Knochenanalyse aus der BOLERO-2-Studie [11] konnte durch die Hinzunahme von Everolimus auch ein positiver Effekt auf den Knochenmetabolismus nachgewiesen werden. Die Knochenmarker zu Monat 6 und 12 stiegen in der Exemestan-Monotherapie-Gruppe Fazit an, während sie mit der Kombination abfielen. Auch die Die Kombination von Everolimus und ExeInzidenz der Progressionen der Knochenmetastasen war mestan wird als Zweitlinienbehandlung für unter Kombinationstherapie geringer als unter Exemestan Frauen nach adjuvanter Tamoxifen-Therapie allein. Die sogenannten Knochenereignisse waren je- und vorausgegangener AI-Gabe empfohlen. Es scheint so zu sein, dass Everolimus auch doch in beiden Gruppen vergleichbar: 3,3% in der Komeinen positiven Effekt auf den Knochen hat. binationsgruppe im Vergleich zu 4,2% mit Exemestan allein. Ebenfalls der Knochen nahm sich die deutsche RADAR-Studie an [15], die beim EBCC und beim ASCO 2012 vorgestellt wurde. Patientinnen mit alleinigen Knochenmetastasen erhielten zunächst 8 Wochen Everolimus allein, unabhängig vom Hormonrezeptor-Status des Tumors. Patientinnen mit einer stabilen Erkrankung wurden zur Fortsetzung der Therapie oder zum Placebo Fazit randomisiert. Auch hier zeigte sich, dass die Zeit bis zur Auch ohne begleitende Hormontherapie zeigt sich bei Patientinnen mit alleiniger KnochenProgression durch die Hinzunahme von Everolimus mit metastasierung ein positiver Effekt für die und ohne Hormontherapie auf 37,0 (95% CI 16,740,3) Therapie mit Everolimus. Diese Studie ist aber von 12,6 Wochen (95% CI 7,117,9) mit Placebo ange- ähnlich wie die Knochenanalyse aus der stiegen ist (HR 0,554, 95% CI 0,2821,09, p=0,0818). BOLERO-2 Studie nur Hypothesen-bildend Nach Anpassung der Analyse für die Hormontherapie und rechtfertigt noch nicht den alleinigen Einsatz von Everolimus. ergab sich sogar ein signifikant positiver Effekt (HR 0,464, 95% CI 0,2260,954, p=0,037). Die TAMRAD-Studie [2] wurde ebenfalls in den vergangenen 12 Monaten voll publiziert und zeigte eine signifikante Verbesserung der Effektivität für die Hinzunahme von Everolimus zu Tamoxifen. TAMRAD war eine randomisierte Phase-II-Studie, die die clinical benefit rate untersuchte. Das sind die Patientinnen, die entweder eine komplette oder partielle Re- Fazit mission aufweisen oder eine Stabilisierung der Erkran- Für die Kombination von Everolimus plus kung von mindestens 24 Wochen erreicht haben. Diese Tamoxifen hat sich, basierend auf den Daten betrug mit Everolimus 61% und mit Tamoxifen allein der TAMRAD-Studie, die Behandlungsemp42%. Die Zeit bis zur Progression stieg von 4,5 Monate fehlung verbessert. Leider ist diese Kombination nicht zugelassen, ist sie doch ebenfalls auf 8,6 Monate an. Das entspricht einer Risikoreduktion sehr vielversprechend. der Erkrankungsprogression um 46% und um 55% an der Erkrankung zu versterben. Aufgrund der positiven Daten zu Everolimus wird die German Breast Group in Kürze eine Studie beginnen, die sich mit der Frage der Therapie mit Everolimus über den Progress hinaus beschäftigt (Evelyn-Studie; www.germanbreastgroup.de). Alle mit Everolimus plus Exemestan therapierten und unter der Therapie progredienten Patientinnen können aufgenommen werden. Sie erhalten eine Therapie mit einer je nach Vortherapie indizierten Hormonbehandlung Fernmetastasiertes Mammakarzinom 191 (Tamoxifen, Fulvestrant oder einem Aromatasehemmer) mit und ohne Everolimus. Das Ziel der Studie ist zu zeigen, dass die Patientinnen eine Verbesserung des progressionsfreien Überlebens durch das Fortsetzen der Everolimustherapie erreichen. Neben Everolimus gibt es noch andere Vertreter der Substanzklasse. Eine Studie mit Temsirolimus plus Letrozol zeigte jedoch für die Hinzunahme des Temsirolimus zu Letrozol keinerlei Therapieverbesserung in der Zwischenanalyse, jedoch signifikant mehr Nebenwirkungen, sodass die Studie abgebrochen wurde [21]. Das mediane progressionsfreie Überleben betrug 9 Monate. Nur in der Gruppe der unter 65-Jährigen zeigte sich ein Effekt für die Kombination: Fazit 9,0 Monate im Vergleich zu 5,6 Monaten betrug das proDie Kombination Temsirolimus plus Letrozol gressionsfreie Überleben mit der Kombinationstherapie stellt keine Behandlungsoption dar. (HR 0,75, 95 % CI 0,600,93, p=0,009). Kombination mit Bevacizumab Der vascular endothelial growth factor (VEGF) scheint bei der Resistenzentwicklung auf Hormonbehandlungen beim Mammakarzinom eine Rolle zu spielen. Daher liegt es nahe, die endokrine Therapie mit Bevacizumab, einem Anti-VEGF-Antikörper, zu kombinieren. Die LEA-Studie, die die spanische Studiengruppe GEICAM mit der German Breast Group durchgeführt hat, hat sich dieser Fragestellung angenommen [16]. Es wurden 380 Frauen nach den Wechseljahren und neu aufgetretener Metastasierung randomisiert ³ zu Letrozol (alternativ Fulvestrant) und ³ Letrozol (Fulvestrant) plus Bevacizumab. Fazit Die Kombination einer endokrinen Therapie plus Bevacizumab hat sich im Vergleich zur endokrinen Therapie allein (meist Letrozol) nicht als besser erwiesen. Die Ergebnisse der US-amerikanischen Studie der CALGB werden wohl in 2013 präsentiert werden. Man darf gespannt sein. Die Zeit bis zur Progression war in der Kombination zwar knapp 5 Monate länger (13,8 Monate im Vergleich zu 18,4 Monaten), der Unterschied war statistisch jedoch nicht signifikant (HR 0,83, 95% CI 0,651,06, p=0,14). Das Gesamtüberleben betrug in beiden Armen 42 Monate. Es wurden jedoch mit der Kombination mehr Nebenwirkungen beobachtet [13]. Weitere molekuare Kombinationen Die Inhibition der Zyklin-abhängigen Kinasen 4 und 8 (CDK4/6) erscheint bei der Behandlung von Patientinnen mit ER-positiven/HER2negativen fortgeschrittenen oder metastasierten Mammakarzinomen vielversprechend. Orale CDK4/6-Inhibitoren wie das PD 0332991 blockieren den Zellzyklus im Übergang von der G1- zur S-Phase und damit auch die DNA-Synthese der Zelle. In der TRIO-18-Studie [S1-6] konnten Finn et al. [8] nun zeigen, dass der CDK4/6-Inhibitor PD 0332991 zusammen mit Letrozol im Vergleich zu Letrozol allein klinisch tatsächlich zu sehr viel besseren Ergebnissen führt. Mit der Kombination verlängerte sich in der Erstlini- 192 S. Loibl, J. Bischoff, O. Gluz enbehandlung von postmenopausalen Patientinnen mit ER-positiven und HER2-negativen fortgeschrittenen Mammakarzinomen das mediane progressionsfreie Überleben von 7,5 Monate (Letrozol allein) auf 26,1 Monate (HR 0,32, 95% CI 0,190,56, p<0,001). Die mediane Dauer der Einnahme betrug im expeFazit rimentellen Kombinationsarm 8,9 Monate im Standar- CDK4/6-Inhibitoren stellen für Patientinnen darm 5 Monate. Im Kombinationsarm trat als Grad-3-Ne- mit ER-positiven und HER2-negativen fortgebenwirkung eine Neutropenie bei etwa der Hälfte der schrittenen Tumoren möglicherweise eine vielversprechende Behandlungsoption dar [9]. Die Patientinnen auf. Phase-III-Zulassungsstudie für PD 0332991 Weiter neue Substanzen, die in Phase-I- und -IIwird 2013 auch in Deutschland verfügbar sein. Studien getestet wurden und sich derzeit zum Teil in Phase-III-Studien befinden, die zum Teil auch in Deutschland angeboten werden, sind sogenannte PI3-Kinase-Hemmer wie das Buparlisip (BKM120). Buparlisib hemmt alle (pan-)Einheiten der PI3Kinase, ist oral verfügbar und wird derzeit in einer Phase-III-Studie in Kombination mit Fulvestrant nach Versagen mit Everolimus getestet. Daneben wird aber auch eine Studie in Kombination mit Trastuzumab und Paclitaxel beim HER2-positiven, primären Mammakarzinom als neoadjuvante Therapie anlaufen. FGFR-Inhibitoren, IGF-Inhibitoren, Substanzen mit immunmodulierender Wirkung sind auf den Plan getreten und befinden sich derzeit in der frühen klinischen Prüfung. 2.2.3 HER2-positives, metastasiertes Mammakarzinom HER2-positiver/Hormonrezeptor-positiver Brustkrebs kann grundsätzlich mit einer endokrinen Therapie kombiniert mit einem Anti-HER2Wirkstoff behandelt werden. Es gibt keine neuen Daten, um dieses Konzept zu unterstützen. Allerdings könnte sich dies mit der dualen Anti-HER2-Blockade im Blickfeld ändern. Bisher gibt es für metastasierenden Brustkrebs keine Daten, die dieses Konzept unterstützen. Zusammenfassung Ähnlich wie die Chemotherapie wird derzeit auch die endokrine Therapie durch Hinzunahme von molekularen Substanzen verbessert. Das metastasierte Mammakarzinom, als chronische Erkrankung betrachtet, benötigt zahlreiche neue Substanzen, die klug kombiniert und verabreicht, vielleicht auch das metastasierte Mammakarzinom zu einer dauerhaft behandelbaren Erkrankung machen. Fernmetastasiertes Mammakarzinom 193 Literatur [1] Amir E, Miller N, Geddie W, et al. (2012) Prospective study evaluating the impact of tissue confirmation of metastatic disease in patients with breast cancer. JCO 30:587–592. [2] Bachelot T, Bourgier C, Cropet C et al. (2012) Randomized Phase II Trial of Everolimus in Combination With Tamoxifen in Patients With Hormone Receptor-Positive, Human Epidermal Growth Factor Receptor 2-Negative Metastatic Breast Cancer With Prior Exposure to Aromatase Inhibitors: A GINECO Study. J Clin Oncol. 30:2718–24. [3] Bartsch R, Bago-Horvath Z, et al. (2012) Ovarian function suppression and fulvestrant as endocrine therapy in premenopausal women with metastatic breast cancer. Eur J Cancer. 48:1932–8. [4] Basu B, Ang JE, Crawley D, et al. (2011) Phase I study of abiraterone acetate (AA) in patients (pts) with estrogen receptor– (ER) or androgen receptor (AR) –positive advanced breast carcinoma resistant to standard endocrine therapies. 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J Clin Oncol. 31:195–202. 3 Metastasiertes, endokrin nichtempfindliches Mammakarzinom 3.1 HER2-positives Mammakarzinom J. Bischoff 3.1.1 Einführung Das HER2-positive Mammakarzinom nimmt in mehrfacher Hinsicht eine Sonderstellung ein. In keinem anderen Setting sind in den letzten Jahren derartig viele Fortschritte erzielt worden. Neben der beständigen Integration von neuen spezifischen Substanzen war vor allem die Erkenntnis bahnbrechend, dass eine kontinuierliche HER2-Inhibition im metastasierten Stadium obligat ist. Das ist unter anderem der Tatsache geschuldet, dass das HER2-Onkoprotein ein beständiger Wachstumspromotor der Erkrankung ist. Daraus resultiert einerseits anhaltende Sensitivität der Erkrankung gegenüber Trastuzumab oftmals über mehrere Linien hinweg (therapy beyond progression). Andererseits erklärt sich dadurch die Effektivität weiterer HER2-gerichteter Substanzen wie Lapatinib und T-DM1 nach TrastuzumabVersagen. Letztlich steht bereits jetzt ein breites Therapie- Fazit spektrum zur Verfügung, das es für die individuelle Pa- Kontinuierliche HER2-Inhibition ist im metastasierten Stadium obligat. tientin in eine optimale Sequenz zu bringen gilt. Fernmetastasiertes Mammakarzinom 195 Dabei stellt sich die Frage nach dem jeweiligen Kombinationspartner, der sich meistens aus der Gruppe der Zytostatika rekrutiert. In den letzten Jahren mehren sich allerdings die Hinweise darauf, dass in ausgewählten Fällen zugunsten eines dualen Targetings auf die Zytostatikakomponente verzichtet werden kann. Nicht minder innovativ ist in dieser Hinsicht der Ansatz, den Trastuzumab-Emansin (T-DM1) verkörpert. Denn derartige antibody drug conjugate übernehmen gewissermaßen zytotoxische Effekte von Chemotherapeutika, ohne in gleicher Weise deren Nebenwirkungen zu repräsentieren. Unabhängig davon ist schon jetzt evident, wie durch Addition einer zunehmenden Zahl an Therapieschritten in der Summe ein Gewinn an Überlebenszeit im Sinn einer Chronifizierung der metastasierten Erkrankung erzielt werden kann. Jüngstes Beispiel kontinuierlicher Therapieoptimierung ist in diesem Zusammenhang die Einführung von Pertuzumab im europäischen Markt auf der Basis von Docetaxel und Trastuzumab als Triplettherapie. Betrachtet man dabei die Entwicklung der letzten Jahre, so ist die zunehmende Dominanz der Antikörper auffällig. Dieser Umstand verdient auch unter dem Aspekt Erwähnung, dass gerade eine Studie mit einem pan-HER-Tyrosinkinase-Inhibitor beim HER2-positiven Brustkrebs in einer ungünstigen Nutzenrisikobewertung vom Data-Monitoring-Komitee vorzeitig beendet wurde. Auch der Stellenwert von Lapatinib als einzigem bislang zugelassenen small molecule beim HER2-positiven Brustkrebs relativiert sich zusehend zugunsten von Trastuzumab-haltigen Schemata bzw. T-DM1 durch neuere Studienergebnisse. 3.1.2 Standards in der Erstlinientherapie Lange Zeit galt die Kombination aus Taxanen und Trastuzumab als erste Wahl in dieser Situation [16, 22]. Alternativ bot sich Vinorelbin als Zytostatikapartner an, seit die Gleichwertigkeit gegenüber Docetaxel bei erwartet besserer Verträglichkeit nachgewiesen werden konnte. Aktuell zeichnet sich nun ein gewisser Paradigmenwechsel durch die Implementierung von Pertuzumab in die bestehenden Trastuzumabbasierten Konzepte ab. Erstmals findet damit das Prinzip der dualen Blockade Eingang in den Bereich zugelassener Indikationen beim metastasierten Brustkrebs. Pertuzumab Mit Pertuzumab hat seit Kurzem ein weiterer HER2-Antikörper Eingang in die klinische Routine gefunden. Er bindet an ein Epitop im Bereich der extrazellulären Domäne, der für die Dimerisierung verantwortlich ist. Auf diese Weise wird die Bildung der funktionell bedeutsamen Heterodimere zwischen HER2 und HER3 verhindert, die unter anderem für die Trastuzumab-Resistenz verantwortlich gemacht werden. Im Rahmen einer randomisierten Phase-III-Studie konnte gezeigt werden, dass der Dimerisierungsinhibitor in Kombination mit Trastu- 196 S. Loibl, J. Bischoff, O. Gluz zumab und Docetaxel der alleinigen Kombination beider Fazit letztgenannter Substanzen in Bezug auf die Endpunkte Für Pertuzumab liegt eine ausreichende progressionsfreies (PFS) und Gesamtüberleben überlegen Evidenz für den Einsatz in der Triplettherapie ist. Dabei fiel vor allem die Verlängerung des PFS von mit Docetaxel und Trastuzumab in der Erst12,4 auf 18,5 Monate deutlich aus (p<0,0001). Begleitet linientherapie vor. wird dieser Effekt von einer Steigerung der Ansprechrate von 69,3% im Placebo-haltigen Arm auf 80,2% (p=0,0011). Auch der Überlebensvorteil erreichte in der zweiten Interimsanalyse Signifikanzniveau (p=0,0008). Auf Basis dieser Daten hat damit erstmals das Prinzip der dualen HER2-Blockade Zulassungsrelevanz erlangt. Gleichzeitig bleibt zu beachten, dass eine ausreichende Evidenz bislang nur für die Tripletvariante mit Docetaxel und den Einsatz in der Erstliniensituation vorliegt. Außerdem beschränkte sich der Benefit auf Fälle mit viszeralem Metastasierungsmuster. Die Verträglichkeit war auch bei älteren Patientinnen (>65 Jahre) gut. Im experimentellen Arm dominierten nicht-hämatologische Nebenwirkungen wie Hautausschlag, Diarrhö und Mukositis sowie die Docetaxel-typische febrile Neutropenie. Allen gemeinsam ist die deutliche Besserung nach Absetzen des Taxans, was zumeist nach 6 Zyklen erfolgte. Gleichzeitig bringt die mediane Zahl von 18 Zyklen für die duale Antikörpertherapie die gute Langzeittolerabilität zum Ausdruck. Dies gilt auch unter kardiologischen Aspekten [2]. Ungeklärt ist bislang die Frage, wie im Falle einer Progression nach Pertuzumab-haltiger Erstlinientherapie zu verfahren ist. Ungeachtet dieser eindrucksvollen Effektivitätsdaten bleibt zu bedenken, dass durchaus eine Patientenselektion in mancherlei Hinsicht zu diskutieren ist. So haben beispielsweise – wie erwähnt – Patientinnen mit nonviszeraler Metastasierung bzw. Hormonrezeptor-positiver Erkrankung nur marginal profitiert. Außerdem sollte die hohe Rate an fibrilen Neutropenien von 14 % ausreichend Beachtung finden. Es handelt sich hierbei um eine bislang unerklärliche Verdopplung gemessen an der Häufigkeit im Standardarm. Durch die Implementierung von Pertuzumab ergeben sich neue Konstellationen von möglichen Anschlusstherapien, ohne dass hierzu bereits Daten vorlägen. Bis auf Weiteres ist daher wie bei Pertuzumabnaiven Patientinnen zu verfahren. 3.1.3 Neuigkeiten in der Erstlinientherapie T-DM1 Mit T-DM1 ist mittelfristig eine erneute Erweiterung des Spektrums verfügbarer HER2-Antikörper zu erwarten. Die Evidenz hierfür ist gleich aus mehreren klinischen Prüfungen ableitbar. Es handelt sich dabei um Fazit den ersten Vertreter einer neuen Wirkstoffklasse mit nach- Mit T-DM1 wird sich in Zukunft das Theragewiesener Aktivität bei soliden Tumoren. T-DM1 vereint piespektrum verfügbarer HER2-Antikörper erweitern. als sogenanntes Antikörper-Drug-Konjugat (ADC) Fernmetastasiertes Mammakarzinom 197 ³ die Zytotoxizität eines hochpotenten Vincaalkaloids (Maintansin) und ³ die pharmaokologischen Eigenschaften von Trastuzumab. Die Kopplung beider Komponenten über einen chemisch stabilen Linker stellt sicher, dass die Freisetzung von T-DM1 erst nach Internalisierung des Gesamtmoleküls in der Tumorzelle erfolgt [12]. Es resultiert daraus eine äußerst nebenwirkungsarme Substanz, die ihre Wirksamkeit bereits beim mit Trastuzumab und Taxan vorbehandelten Mammakarzinom unter Beweis stellen konnte. Lediglich der Vergleich mit dem bisherigen Standard Docetaxel plus Trastuzumab war als reines Erstlinienprotokoll konzipiert. Hier fand sich eine deutliche Überlegenheit beim progressionsfreien Überleben für T-DM1, wenn die Aussagekraft auch durch eine geringe Patientenzahl relativiert wird. Zieht man außerdem das günstige Sicherheitsprofil des ADC-Konstrukts ins Kalkül, so kann durchaus von einem proof of concept gesprochen werden [20]. Erstmals konnte bei einem solchen Kollektiv gezeigt werden, dass das innovative ADC-Prinzip in der Lage ist, eine konventionelle Antikörper-Taxan-Kombination sowohl hinsichtlich Effektivität als auch Toxizität mehr als zu ersetzen. Bereits im nächsten Jahr werden die Ergebnisse einer dreiarmigen Phase-III-Studie vorliegen, die eine erneute Bewertung der besagten Konstellation, allerdings mit höherem Evidenzgrad, zulassen. In einem zweiten experimentellen Arm ist außerdem erstmals die Kombination aus Pertuzumab und T-DM1 Gegenstand dieser Evaluation. Lapatinib Kren Gelmon stellte 2012 die NCIC-CTG-MA.31-Studie vor, in der 652 Patientinnen mit einem HER2-positiven metastasierten Mammakarzinom randomisiert wurden [13]. Die Hälfte der Patientinnen wurde mit Trastuzumab, die andere Hälfte mit Lapatinib behandelt. In beiden Studienarmen erhielten die Patientinnen 80 mg Paclitaxel wöchentlich (Woche 1–3, danach eine Woche Pause) bzw. 75 mg/m2 Docetaxel. Die Anfangsdosis Lapatinib betrug 1255 mg pro Tag. Wenn Toxizitäten auftraten, wurde die Dosis auf 1000 mg bzw. 750 mg pro Tag deeskaliert. Trastuzumab erhielten die Patientinnen dreiwöchentlich in einer Dosis von 6 mg/kg KG. Die Kombinationstherapie erhielten die Patientinnen 24 Wochen lang, anschließend bis zum Progress eine Monotherapie mit der jeweiligen zielgerichteten Substanz. In der ersten Auswertung erwies sich das progressionsfreie Überleben im Arm Taxan plus Trastuzumab gegenüber Taxan plus Lapatinib als signifikant verlängert (11,4 vs. 8,8 Monate, p=0,001). Bei Auswertung zentral HER2-getesteter Patientinnen war der Unterschied sogar noch größer. Das progressionsfreie Überleben im Trastuzumab-Arm betrug 13,7 Monate, im Lapatinib-Arm 9,0 Monate (p=0,003). In Bezug auf das Gesamtüberleben ergab sich zwischen den beiden Studien- 198 S. Loibl, J. Bischoff, O. Gluz armen kein Unterschied. Im Lapatinib-Arm waren mehr Hautnebenwirkungen und mehr Diarrhöen zu verzeichnen als im Trastuzumab-Arm. 3.1.4 Zweitlinientherapie und nachfolgende Behandlungen Ein gutes Beispiel für eine rational begründete Sequenztherapie ist das HER2-positive Mammakarzinom. Gleich mehrere Phase-III-Studien beschäftigten sich mit der Frage der optimalen Zweitlinientherapie. Angesichts der heutzutage obligaten Trastuzumab-Vorbehandlung erschien es naheliegend, neben dem Wechsel des Zytostatikums den Stellenwert einer weiteren HER2-Blockade – möglichst mit einem neuen Wirkstoff – zu überprüfen. Capecitabin und Lapatinib Dieses Prinzip verfolgt die Kombination aus Capecitabin und Lapatinib, die angesichts ihrer Überlegenheit gegenüber einer alleinigen Gabe des Anti-Metaboliten bei Patientinnen nach Anthrazyklin-, Taxan- und Trastuzmab-Vortherapie seit 2007 zugelassen ist [8, 14]. Afatinib Neben Lapatinib befinden sich derzeit weitere Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) in der klinischen Prüfung beim HER2-positiven Brustkrebs. Dabei vertritt Afatinib die Klasse der irreversiblen Hemmstoffe der gesamten HER-Familie. Rationale für den Einsatz derartiger Substanzen sind präklinische Hinweise auf eine wirkungsvollere Blockade der intrazellulären Signaltransduktion durch die spezifische Affinität zur ATP-Bindungstasche aller HER-Monomere bei gleichzeitig niedrigerer Dissoziationsrate im Vergleich zu konventionellen TKI. Während sich diese Annahme in First-in-human-Studien zunächst bestätigte, lieferte die erste randomisierte Phase-III-Studie fragliche Ergebnisse [21]. Dies lässt zumindest die bisherige Kommunikation über die erste Interimsanalyse vermuten. Hier bleiben detaillierte Statements abzuwarten. Verglichen wurde bei mit Trastuzumab und Zytostatika vorbehandelten Patientinnen die Kombination aus ³ Vinorelbin und Afatinib mit ³ Vinorelbin plus Trastuzumab. Im Rahmen einer Interimsanalyse erfolgte nun eine negative Nutzenrisikobewertung mit Empfehlung, das Projekt vorzeitig zu beenden. Möglicherweise ist damit auch das vorzeitige Ende der Weiterentwicklung des small molecules beim Brustkrebs verbunden. Trastuzumab und treatment beyond progression Seit Längerem gilt als allgemein akzeptiert, dass die HER2-Inhibition innerhalb der verschiedenen Therapielinien des HER2-positiven Mammakarzinoms im adjuvanten wie im metastasierten Stadium ein Kontinuum darstellen sollte. Die praktische Erfahrung mit Trastuzumab zeigt, Fernmetastasiertes Mammakarzinom 199 dass im Gegensatz zu den Zytostatika die Sensitivität gegenüber dem HER2-Antikörper im Einzelfall äußerst lange anhalten kann [11, 17]. Bereits in präklinischen Arbeiten wurde demonstriert, dass der antiproliferative Effekt von Trastuzumab über die gesamte Dauer der Exposition anhält, während nach dem Absetzen rasch ein erneutes Tumorwachstum einsetzt. Die Translation dieser Erkenntnisse in die klinische Praxis wurde erstmals im Rahmen einer prospektiven Multicenterstudie überprüft, in der Trastuzumab plus Capecitabin als Zweitlinientherapie mit Capecitabin allein verglichen wurde. Eingeschlossen waren HER2-positive Mammakarzinom-Patientinnen, die bereits in der Erstlinie mit dem HER2-Antikörper Trastuzumab vorbehandelt waren [25]. Leider musste das Projekt wegen Rekrutierungsproblemen vorzeitig beendet werden. Möglicherweise wurde dadurch die Analyse des Gesamtüberlebens beeinträchtigt, bei der sich ein positiver Trend zugunsten des Doublets fand. Mit einem signifikanten Unterschied beim primären Studienziel Zeit bis zur Progression (TTP) von 5,6 im Vergleich zu 8,2 Monaten im Prüfarm stellt das Treatment-beyond-progression(TBP)-Konzept eine Alternative zum Wechsel auf Lapatinib und Capecitabin dar. Bei der Bewertung beider Konzepte ist zu berücksichtigen, dass die Kollektive unterschiedlich intensiv vorbehandelt waren. Hilfestellung leistet hier die Cerebel-Studie, in der beide Kombinationen miteinander verglichen wurden. Die Interpretation des Effektivitätsvorteils für das Trastzumab-haltige Schema sollte allerdings vor dem Hintergrund geschehen, dass eine primär auf Hirnmetastasen bezogene Fragestellung verfolgt wurde. Harte Kriterien lassen sich für den differenzierten Einsatz beider Strategien bis dato nicht ableiten. Für einen Wechsel auf Lapatinib spricht am ehesten eine klinisch klar erkennbare Resistenz von Trastuzumab. Eine relevante Indikation stellt auch das Vorliegen von Hirnmetastasen aufgrund der bereits nachgewiesenen ZNS-Aktivität von Lapatinib dar. Ebenso kann das günstigere kardiale Sicherheitsprofil der Substanz im Falle einer entsprechenden Anamnese bei der Therapieauswahl eine Rolle spielen. Im Kontext mit derartigen patientenseitigen Selektionskriterien bleibt außerdem die Frage der Präferenz oraler Therapien mit der Patientin selbst zu diskutieren. So mag die ausschließlich orale Verfügbarkeit der Substanzen in den derzeitigen Zulassungsvarianten von Lapatinib in einem Fall als Zugewinn an Lebensqualität, in einem anderen wiederum als Nachteil (hohe Tablettenfracht, mangelnde Compliance) gelten. In diesem Zusammenhang ist auch das gastrointestinale Nebenwirkungsspektrum von Lapatinib, begleitet von überlappenden Toxizitäten mit Capecitabin, zu beachten. Bereits seit Längerem ist es gängige Praxis, die Trastuzumab-Behandlung auch über multiple Therapielinien hinweg beim metastasierten Brustkrebs fortzusetzen, wenngleich in dieser Indikation beginnend 200 S. Loibl, J. Bischoff, O. Gluz mit der Zweitlinientherapie nur Lapatinib zusammen mit Fazit Capecitabin zugelassen ist. In Gestalt der randomisierten Das TBP-Konzept mit Trastuzumab kann Studie GBG 26 wurde eine hinreichende Evidenz dafür eine adäquate Alternative zum Wechsel auf geliefert, dass das TBP-Konzept mit Trastuzumab eine den HER1/2-Inhibitor Lapatinib sein. adäquate Alternative zum Wechsel auf den HER1/2-Inhibitor Lapatinib sein kann. Trastuzumab ist als intravenös zu verabreichender, gut verträglicher Kombinationspartner im Rahmen des TBP-Konzeptes eindeutig im Vorteil. Eine weitere Verschiebung innerhalb dieses Settings zugunsten von T-DM1 zeichnet sich anhand der Ergebnisse der Emilia-Studie ab (s. u.). Weitere TBP-Konzepte Eine Variante der Weiterentwicklung des geschilderten TBP-Prinzips beinhaltet die Integration einer weiteren zielgerichteten Substanz unter gleichzeitigem Verzicht auf die Zytostatikakomponente. Dies birgt den Vorteil, dass auch multiple zytostatische Vortherapien kein Ausschlusskriterium darstellen und Kombinationen aus zwei Biologicals außerdem zumeist gut verträglich sind. Damit eröffnen sie möglicherweise neue Perspektiven für die Optimierung der sequenziellen Therapie bei HER2-Überexpression. Lapatinib Eine Option in diesem Setting scheint die Kombination aus Lapatinib und Trastuzumab (L+T) zu sein. Im Rahmen eines randomisierten Phase-II-Designs (EGF104900) wurde eine klinische Prüfung an 291 Frauen durchgeführt, die im Standardarm eine Lapatinib-Monotherapie (L) erhielten. Gegenüber dieser wurde in einer zweiten aktualisierten Überlebensanalyse nach Eintreten von 75% der Ereignisse nun eine Überlebensverlängerung um 4,5 Monate (14 vs. 9,5 Monate) zugunsten der Kombination erzielt (HR 0,74, p=0,026; [5, 6]). Zu berücksichtigen ist, dass die Patientinnen mit durchschnittlich vier bzw. fünf Regimen extrem weit vorbehandelt waren. Außerdem war der Anteil an Fällen mit Hirnmetastasen mit einer Quote von 16% sehr hoch. Dies gilt auch für den Crossover von Patientinnen im Lapatinib-Arm, der bei erstaunlichen 52% lag. Richtungweisend für die Wirkungsweise von Biologicals als nicht toxische Agenzien ist zudem möglicherweise, dass in beiden Armen die eindrucksvollen Gesamtüberlebensraten nicht auf der Basis relevanter Responseraten (10,3% L+T; 6,9% L; p=0,46) erzielt wurden. Interessanterweise war der Effekt der doppelten Blockade wie bei anderen HER2-gerichteten Therapien in erster Linie bei HR-negativen Tumoren ausgeprägt. Zusammenfassend zeigt sich der Pilotcharakter der vorliegenden Studie: ³ Derart schwer vorbehandelte Patientinnen sind bisher kaum in prospektiven Studien beim Mammakarzinom untersucht worden. Fernmetastasiertes Mammakarzinom 201 ³ Gleichzeitig konnte in dieser Situation bisher nur selten ein Überlebensvorteil für ein Regime nachgewiesen werden. ³ Darüber hinaus handelt es sich um die erste Kombination aus einem Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) und einem Antikörper, für die Daten aus einer randomisierten Studie zur Verfügung stehen. Die Synergie zwischen beiden Substanzen ist mittlerweile in der Neoadjuvanz bestätigt. Das Prinzip der dualen HER2-Blockade ist inzwischen auch in Kombination von Trastuzumab mit anderen HER2-Inhibitoren als Lapatinib bei intensiv vorbehandelten Patientinnen untersucht worden. Pertuzumab Einen anderen Ansatz der dualen Rezeptorblockade verfolgt die Kombination von Trastuzumab und Pertuzumab. Bei einem entsprechenden Patientinnenkollektiv zeigte Pertuzumab per se allerdings nur eine geringe Aktivität (OR 7%, n=29). Die klinische Relevanz der sich ergänzenden Wirkmechanismen beider Antikörper konnte jedoch im Rahmen einer Phase-II-Studie an 66 Patientinnen nachgewiesen werden. Bei einer klinischen BenefitRate von 50% traten trotz intensiver Vorbehandlung partielle und komplette Remissionen auch nach drei vorangegangenen Fazit Zytostatikaregimen auf, insbesondere bei hepatischer Beide Varianten der dualen HER2-Blockade sind vermutlich richtungweisend für die wei- Metastasierung (je acht Mal partielle Remission und statere Entwicklung der zielgerichteten Therapie ble disease). Gleichzeitig war die Verträglichkeit sehr gut und des TBP-Konzepts beim Mammakarzi- bei 66%igem Auftreten von Grad-I- bzw. Grad-II-Diarrhö nom. In beiden Fällen wird demonstriert, dass als Haupttoxizität. Auch der Erfolg dieser Form einer duder synergistische Effekt zweier Biologicals alen HER2-Blockade erwies sich anhand kürzlich präsenanscheinend den Verzicht auf einen zytostatischen Partner möglich macht. tierter Ergebnisse aus der Neoadjuvanz als reproduzierbar [3]. 3.1.5 Experimentelle Substanzen Eine Zwischenstellung im Kontext zytostatikafreier Regime nimmt in gewisser Weise T-DM1 ein. In Gestalt der zu erwartenden Zulassung der EMA im vierten Quartal 2013 nach Trastuzumab- und Taxanvortherapie scheint sich der nächste Schritt – die Optimierung der Anti-HER2-Therapie – anzubahnen. Daraus resultiert wiederum die Frage nach einer gewissen Neuordnung der Therapiesequenzen auf der Basis der EmiliaStudie. Trastuzumab Emtansine (T-DM1). Eine erneute Verschiebung der palliativen Therapielandschaft beim HER2-positiven Mammakarzinom könnte sich im Verlauf dieses Jahres ergeben, wenn ein weiterer Antikörper mit dieser Indikation offiziell im europäischen Markt gegen Ende des Jahres verfügbar sein sollte. So wurde T-DM1 bei diesem Kollektiv im Rahmen einer internationa- 202 S. Loibl, J. Bischoff, O. Gluz len Phase-III-Studie mit Lapatinib und Capecitabin verglichen. Wiederum zeigte sich der Standardarm bei allen Effektivitätsendpunkten unterlegen (Gesamtüberleben, progressionsfreies Intervall, Ansprechrate). Im Rahmen der EMILIA-Studie wurden 980 Patientinnen mit Taxan- und Trastuzumabvorbehandlung in zwei Gruppen eingeteilt: ³ Capecitabin plus Lapatinib (C+L) ³ T-DM1 Es war als eine Besonderheit Erst-, Zweit-, Drittlinientherapien erlaubt. Letztere repräsentierte die größte Subgruppe mit einer Fallzahl von mehr als 500, gefolgt von mehr als 300 Zweitlinienpatientinnen. Demzufolge ist im Umkehrschluss die Aussagekraft der nun folgenden Ergebnisse für Fälle mit neu aufgetretener Metastasierung eher begrenzt. Bereits nach einer kurzen Nachbeobachtungszeit von etwa 12 Monaten konnte ein signifikanter Vorteil für T-DM1 beim progressionsfreien Überleben (9,6 vs. 6,4 Monate) erreicht werden. Beim Gesamtüberleben lag das mediane Überleben im C+L-Arm bei 23,3 Monaten. Im T-DM1-Arm wurde es nicht erreicht. Die Ansprechraten waren auch mit 43,6 vs. 30,8% signifikant besser, auch bei der Verträglichkeit schnitt T-DM1 deutlich besser ab (57% Grad- Fazit III-Nebenwirkungen im C+L-Arm vs. 40,8% im T-DM1- T-DM1 ist auf Basis der EMILIA-Daten Arm; [24]). Eine Zulassung von T-DM1 auf Basis der bisher nur von der FDA und in der Schweiz zugelassen. EMILIA-Daten liegt bisher nur von der FDA und in der Schweiz vor. mTOR-Inhibitoren Ein weiterer experimenteller Ansatz, die Trastuzumab-Resistenz zu überwinden, ist die Kombination dieses Antikörpers mit dem Rapamycin-Analogon Everolimus. In Phase I-Studien zeigte sich die Kombination aus Paclitaxel bzw. Vinorelbin und Trastuzumab mit dem mTOR-Inhibitor Everolimus hinsichtlich einer möglichen Modulation der Resistenz gegen Trastuzumab und Lapatinib bei mehrfach vorbehandelten Patientinnen als vielversprechend [1, 10]. Sie erreichten Ansprechraten zwischen 19 und 44% bzw. medianes progressionsfreies Überleben zwischen 30 und 34 Wochen [15]. Eine weitere Phase-I/II-Studie zeigte eine klinische Benefit-Rate (CBR) von 34% bei mehrfach vorbehandelten Patientinnen für die Kombination von Everolimus und Trastuzumab [18]. Dies ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass etwa ein Viertel der Patientinnen auch bereits mit Lapatinib und alle mit Trastuzumab vorbehandelt waren. Die Rationale für den Einsatz des mTOR-Inhibitors Everolimus bei diesen Patientinnen liegt darin begründet, dass die HER2-assoziierte Signaltransduktion nicht nur auf der Rezeptorebene, sondern auch intrazellulär durch onkogenaktivierte Proteinkinasen wie PI3K und AKT reguliert wird [4]. Auf dem Weg der Hemmung weiterer beteiligter Fernmetastasiertes Mammakarzinom 203