Algebraische Zahlentheorie Prof. J. Sander Universität Hannover SS 2002 LATEX 2ε -Umsetzung von Miriam Westerfrölke und Marco Pries INHALTSVERZEICHNIS 1 Inhaltsverzeichnis 1 Algebraische Zahlen Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Algebraische Zahlen und Zahlkörper . . . . . Satz 1.15 (vom primitiven Element) . . . Norm, Spur und Diskriminante . . . . . . . . Ganzalgebraische Zahlen und Ganzheitsbasen Satz 1.44 (Kriterium von Stickelberger) . Satz 1.45 (von Kronecker) . . . . . . . . Faktorisierung und Teilbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2 8 12 20 24 39 40 42 2 Arithmetik in Zahlkörpern Quadratische Zahlkörper . . . . . . . . . . . . Kreisteilungskörper . . . . . . . . . . . . . . . Einheiten in Ganzzahlringen . . . . . . . . . . Geometrie der Zahlen . . . . . . . . . . . . . . Satz 2.19 (Minkowskis Gitterpunktsatz) . Satz 2.20 (Minkowskis Linearformensatz) Satz 2.26 (von Hermite) . . . . . . . . . Dirichlets Einheitensatz . . . . . . . . . . . . Satz 2.29 (Dirichlets Einheitensatz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 50 60 68 74 76 78 85 88 92 . . . . . Ideale) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 94 104 109 113 119 3 Idealtheorie Eigenschaften von Idealen . . . . . . Satz 3.15 (Chinesischer Restsatz Hauptidealringe . . . . . . . . . . . . Normen von Idealen . . . . . . . . . Idealformen und Klassengruppen . . Index . . für . . . . . . 127 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 1 2 Algebraische Zahlen 1.1. Grundlagen Die algebraische Zahlentheorie verallgemeinert das Konzept der gewöhnlichen ganzrationalen Zahlen Z = {. . . , −2, −1, 0, 1, 2, . . .} auf andere Zahlenbereiche. Eine wesentliche Triebfeder für die Entwicklung der Theorie im 19. Jahrhundert war das Fermat’sche Problem, die Unlösbarkeit der Gleichung xn + y n = z n für n ∈ N≥3 in ganzen Zahlen x, y, z ∈ Z \ {0} zu zeigen. Die Elemente von Z lassen sich charakterisieren als die Nullstellen linearer Polynome f (x) = x − a ∈ Z[x]. Wir verallgemeinern dies zu Definition 1.1 Sei α ∈ C Nullstelle des Polynoms f (x) = xd + ad−1 xd−1 + · · · + a1 x + a0 ∈ Z[x] für ein d ∈ N. Ist α nicht Nullstelle eines solchen Polynoms von geringerem Grad, so heißt α ganzalgebraisch vom Grad d. Beispiel: √ Die Zahlen a + b −1 = a + bi mit a, b ∈ Z, b 6= 0, sind ganzalgebraisch vom Grad 2, denn sie sind Nullstellen von f (x) = x2 − 2ax + a2 + b2 , aber wegen b 6= 0 nicht Nullstellen eines linearen Polynoms. Zu Ehren von Gauß, der diese Zahlen untersuchte, heißt Z[i] := {a + bi : Menge der ganzen Gauß’schen Zahlen. a, b ∈ Z} 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 3 Wir beobachten, daß die Primzahl 5 ∈ Z in Z[i] nicht mehr prim ist, denn wir haben die Faktorisierung 5 = (2 + i)(2 − i). Da allgemeiner jede Primzahl p ≡ 1 mod 4 sich als Summe von zwei Quadraten darstellen lässt, d.h. p = a2 + b2 für gewisse a, b ∈ Z, folgt die Zerlegung p = (a + bi)(a − bi). Das Verständnis der Faktorisierung ganzalgebraischer Zahlen ist das Kernanliegen der algebraischen Zahlentheorie. Definition 1.2 Sei R ein kommutativer Ring mit Einselement 1 = 1R . (i) α ∈ R heißt Einheit in R, falls es ein β ∈ R gibt derart, dass αβ = 1R . (ii) Ein γ ∈ R, 6 0, heißt irreduzibel, sofern γ keine Einheit ist und nur γ = Faktorisierungen der Gestalt γ = σ · u mit σ ∈ R und einer Einheit u ∈ R zuläßt. Derartige Zerlegungen heißen trivial. (iii) Falls α = u · β mit α, β ∈ R und einer Einheit u ∈ R gilt, so heißen α und β assoziiert (zueinander). (iv) Eine ganzalgebraische Zahl α ∈ R heißt eindeutig zerlegbar in R, wenn zwei Zerlegungen von α in irreduzible Elemente sich nur in der Reihenfolge der Faktoren oder um Einheitsfaktoren unterscheiden. D.h. Faktorisierung ist eindeutig bis auf Reihenfolge und Assoziierte. Beispiele: Es lässt sich leicht nachrechnen, dass die Zerlegung 5 = (2+i)(2−i) in Z [i] eindeutig √ ist. Demgegenüber haben wir in Z[ 10] 6 = 2 · 3 = (4 + √ √ 10)(4 − 10), 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 4 wobei alle Faktoren irreduzibel sind und 2, 3 nicht assoziiert zu 4 + √ sind. Also ist 6 in Z[ 10] nicht eindeutig zerlegbar. √ Vorsicht: In Z[ 3] ist √ √ 6 = 2 · 3 = (3 + 3)(3 − 3). √ √ 10, 4 − 10 Trotzdem ist 6 eindeutig zerlegbar, denn die vier Faktoren sind nicht irreduzibel: √ √ 2 = (−1+ 3)(1+ 3), 3= √ √ 3· 3, √ √ √ 3+ 3 = 3(1+ 3), √ √ √ 3− 3 = 3(−1+ 3). Die Nichteindeutigkeit der Zerlegung ganzalgebraischer Zahlen in gewissen Ganzzahlbereichen erfordert Untersuchungen, die in Z nicht nötig sind. Definition 1.3 Sei α ∈ R, α 6= 0, eine ganzalgebraische Zahl. (i) Wir sagen: α teilt β ∈ R, geschrieben α | β, falls es ein γ ∈ R gibt mit β = αγ. (ii) Ist α keine Einheit in R, so nennen wir α prim, falls für alle β, γ ∈ R gilt: α | βγ =⇒ α | β oder α | γ. Die Unterscheidung zwischen irreduziblen und primen Elementen bei ganzalgebraischen Zahlen, die in Z bedeutungslos ist, spielt dort eine wesentliche Rolle, wo keine eindeutige Faktorisierung vorliegt. Wäre jedes irreduzible Element prim, so würde ein simples Induktionsargument über die Anzahl der irreduziblen (primen) Faktoren zeigen, dass die Faktorisierung eindeutig ist (so wird die Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung in Z bewiesen). Beispiel: √ √ Es lässt sich zeigen, dass die irreduziblen Zahlen 2, 3, 4 ± 10 ∈ Z[ 10] nicht prim √ sind. Wir sagen: Z[ 10] besitzt keine eindeutige Faktorisierung. Eine besonders intensiv studierte Klasse von ganzalgebraischen Zahlen bilden die sogenannten Einheitswurzeln. 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 5 Definition 1.4 Sei n ∈ N. Eine Nullstelle ζn ∈ C des Polynoms xn − 1 heißt primitive n-te Einheits- wurzel, sofern ζnd − 1 6= 0 für alle d < n. Die Fermat-Gleichung xn + y n = z n lässt sich mit Hilfe primitiver n-ter Einheitswurzeln faktorisieren. Ist ζn eine primitive n-te Einheitswurzel, so gilt z n = xn + y n = (x + y)(x + ζn y)(x + ζn2 y) · . . . · (x + ζnn−1 y). Hat die Gleichung eine Lösung x, y, z ∈ Z, so haben wir also xn + y n in Z[ζn ] faktorisiert. Der kleinste Körper, in dem Z liegt, ist Q. Entsprechend gibt es zu jedem Ganzzahlbereich in C einen eindeutigen kleinsten Körper, der ein Teilkörper von C ist und den Ganzzahlbereich enthält. Definition 1.5 Sei α ∈ C Nullstelle des Polynoms f (x) = ad xd + ad−1 xd−1 + · · · + a1 x + a0 ∈ Z[x] für ein d ∈ N. Ist α nicht Nullstelle eines solchen Polynoms von geringerem Grad, so heißt α algebraisch vom Grad d. Ist α eine algebraische Zahl vom Grad d, so nennen wir den Erweiterungskörper Q(α) von Q einen algebraischen Zahlkörper vom Grad d über Q erzeugt von α. Bemerkungen: (i) Betrachten wir Q(α) als Vektorraum über Q, so ist der Grad d die Dimension von Q(α) über Q. Eine Basis ist 1, α, α2 , . . . , αd−1 . (ii) Der kleinste algebraische Zahlkörper ist Q selbst, wobei selbstverständlich d = 1 ist. Eine einfache Körpererweiterung Q(α) ist der kleinste Körper, der Q und α enthält. 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 6 (iii) Cantor bewies, dass die Menge aller algebraischen Zahlen (beliebigen Grades) abzählbar ist. Da R und somit C überabzählbare Mengen sind, existieren überabzählbar viele nichtalgebraische Zahlen, genannt transzendente Zahlen. Beispiele sind e und π. Im Jahre 1847 stellte Lamé eine Grundidee von Liouville vor, um die FermatVermutung zu beweisen: Sind in der Zerlegung z n = (x + y)(x + ζn y)(x + ζn2 y) · . . . · (x + ζnn−1 y) die Faktoren auf der rechten Seite paarweise teilerfremd, so gilt für 0 ≤ j ≤ n − 1 x + ζnj y = zjn mit gewissen zj . Liouville bemerkte, dass dieser Schluss die eindeutige Faktorisierung in Z[ζn ] voraussetzt. Es stellte sich jedoch heraus, dass dies im Allgemeinen nicht gilt. Kummer überwand die Schwierigkeit durch Einführung sogenannter idealer ” Zahlen“, für die sich die Eindeutigkeit der Faktorisierung zeigen lässt. Definition 1.6 6 ∅, heißt Ideal in R, falls gilt: Sei R ein kommutativer Ring. Eine Menge I ⊆ R, I = (i) α, β ∈ I =⇒ α − β ∈ I; (ii) α ∈ I, r ∈ R =⇒ αr ∈ I. Beispiel: Die Mengen √ (2) := {2a + 2b 10 : a, b ∈ Z} , √ (3) := {3a + 3b 10 : a, b ∈ Z} √ sind Ideale in Z[ 10]. Da sie jeweils von einem einzigen Element erzeugt werden (d.h. (2) = 2 · R), sprechen wir von Hauptidealen. Das Produkt der beiden Ideale, 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 7 d.h. die Menge aller endlichen Summen von Produkten der Elemente der beiden Ideale, ergibt sich zu √ (6) = {6a + 6b 10 : a, b ∈ Z} = (2) · (3). Zwecks eindeutiger Faktorisierung von Idealen müssen wir das Konzept der Primzahl in Z auf Ideale übertragen. Definition 1.7 Seien I 6= {0} und J Ideale in einem kommutativen Ring R mit Identität 1R . Wir sagen: I teilt J, geschrieben I | J, falls es ein Ideal H in R gibt mit J = H · I. Ein Ideal P in einem Ring R ganzalgebraischer Zahlen heißt Primideal, falls für alle Ideale I, J ⊆ R gilt P | I · J =⇒ P | I oder P | J . Beispiel: √ In Fortsetzung des obigen Beispiels haben wir (2) | (6) und (3) | (6) in Z[ 10]. Wir verwenden folgende Kurzschreibweise für Ideale: √ √ [2, 10] := 2Z + 10Z , [3, ±1 + √ 10] := 3Z + (±1 + √ 10)Z . √ Dabei stellen sich alle drei Ideale als Primideale in Z[ 10] heraus. Wir haben √ (2) = [2, 10]2 und (3) = [3, 1 + √ √ 10] · [3, −1 + 10] und somit – wie sich zeigen lässt – eine eindeutige Primidealzerlegung von (6) in √ Z[ 10]. 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 8 1.2. Algebraische Zahlen und Zahlkörper Definition 1.8 Sei E ein Erweiterungskörper eines Grundkörpers F . Ein α ∈ E heißt algebraisch über F , falls für ein Polynom f (x) ∈ F [x] \ {0} gilt f (α) = 0. Ist α nicht algebraisch über F , so heißt α transzendent über F. Sind alle Elemente von E algebraisch über F , so nennen wir E algebraische Erweiterung von F, andernfalls transzendente Erweiterung von F. Satz 1.9 Sei F ein algebraischer Zahlkörper (d.h. eine algebraische Erweiterung von Q). Zu algebraischen α ∈ C über F existiert eindeutig das sogenannte Minimalpolynom mα,F (x) ∈ F [x] \ {0} von α über F , d.h. mα,F (x) hat führenden Koeffizienten 1 und minimalen Grad derart, dass mα,F (α) = 0. Ist umgekehrt α Nullstelle eines irreduziblen Polynoms f (x) ∈ F [x] \ {0} mit führendem Koeffizienten 1, so ist f (x) = mα,F (x). Außerdem gilt für jedes Polynom f (x) ∈ F [x] mit f (α) = 0, dass mα,F (x) | f (x). Beweis: Es existiert ein f (x) ∈ F [x] \ {0} mit f (α) = 0. Durch Abspalten von Faktoren und Division durch den höchsten Koeffizienten erhalten wir ein“ Minimalpolynom ” g(x) ∈ F [x] \ {0} von α über F . Sei h(x) ∈ F [x] irgendein Polynom mit h(α) = 0. Bekanntlich ist F [x] ein euklidischer Ring (für jeden Körper F ), d.h. es gibt q(x), r(x) ∈ F [x] derart, dass h(x) = q(x) · g(x) + r(x), wobei 0 ≤ deg r < deg g oder r(x) = 0. Wegen h(α) = g(α) = 0 folgt r(α) = 0 im Widerspruch zum minimalen Grad von g, es sei denn r(x) = 0. Also haben 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 9 wir g(x) | h(x). Wäre f (x) ein anderes Minimalpolynom von α über F , so folgte g(x) | f (x) und f (x) | g(x), d.h. f (x) = c · g(x) für ein c ∈ F . Wegen führender Koeffizienten 1 in f und g bleibt nur c = 1, also f (x) = g(x) =: mα,F (x). 2 Korollar 1.10 Ein irreduzibles Polynom über einem algebraischen Zahlkörper F hat nur einfache Nullstellen in C. Beweis: Sei f (x) ∈ F [x] irreduzibel mit einer doppelten Nullstelle α, d.h. f (x) = (x − α)2 · g(x) für ein Polynom g(x) über C. Wegen f (α) = 0 folgt aus Satz 1.9, dass mα,F (x) | f (x). Da f irreduzibel ist, bleibt nur f (x) = b · mα,F (x) für ein b ∈ F . Wir haben f 0 (x) = 2(x − α)g(x) + (x − α)2 g 0 (x) also f 0 (α) = 0, wobei selbstverständlich f 0 (x) ∈ F [x]. Erneute Anwendung von Satz 1.9 liefert mα,F (x) | f 0 (x). Es ergibt sich der Widerspruch deg mα,F (x) ≤ deg f 0 (x) = deg f (x) − 1 = deg mα,f (x) − 1. 2 Beispiel: √ Sei F = Q(i) und sei α = ζ8 = (1 + i)/ 2 eine primitive 8. Einheitswurzel. Offenbar gilt ζ82 = i, also ist mζ8 ,F (x) = x2 − i ∈ F [x]. Dagegen ist mζ8 ,Q (x) = x4 + 1 . 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 10 Korollar 1.11 Sei α algebraisch über einen Zahlkörper F mit Minimalpolynom mα,F (x). Dann besitzt die einfache algebraische Erweiterung F (α) (d.h. der kleinste Körper, der F und α umfasst) die Eigenschaft, dass jedes β ∈ F (α) eine eindeutige Darstellung der Gestalt β= d−1 X j=0 hat, wobei d = deg mα,F . aj α j ∈ F [α] Beweis: Jedes β ∈ F (α) besitzt eine Darstellung β = f (α)/g(α) mit Polynomen f (x), g(x) ∈ F [x] und g(α) 6= 0. Nach Satz 1.9 folgt mα,F (x) - g(x), also sind g(x) und mα,F (x) teilerfremd. Dabei gibt es im euklidischen Ring F [x] Polynome s(x) und t(x) derart, dass s(x)g(x) + t(x)mα,F (x) = 1. Wegen mα,F (α) = 0 ist s(α) = 1/g(α), also β = f (α)/g(α) = f (α) · s(α). Wir setzen h(x) := f (x) · s(x) ∈ F [x]. Dazu existieren Polynome q(x), r(x) ∈ F [x] mit h(x) = q(x) · mα,F (x) + r(x), wobei 0 ≤ deg r < deg mα,F oder r(x) = 0. Wegen mα,F (α) = 0 folgt β = h(α) = r(α), d.h. β besitzt eine Darstellung in gewünschter Form. Zum Beweis der Eindeutigkeit von r(x) sei v(x) ∈ F [x] mit deg v(x) ≤ d − 1 und v(α) = β. Damit ist r(α) − v(α) = 0, d.h. r(x) − v(x) ∈ F [x] mit deg(r − v) ≤ d − 1 besitzt die Nullstelle α. Dies widerspricht deg mα,F (x) = d außer für r(x)−v(x) = 0, also r(x) = v(x). 2 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 11 Korollar 1.12 Sei F ⊆ E ⊆ C mit einem Erweiterungskörper E eines algebraischen Zahlkörpers F . Für α ∈ E ist F (α) eine endliche Erweiterung von F (d.h. F (α) hat als Vektorraum über F endliche Dimension d, geschrieben [F (α) : F ] = d) genau dann, wenn α algebraisch über F ist. In diesem Fall gilt [F (α) : F ] = deg mα,F . Beweis: =⇒“ ” Sei [F (α) : F ] = d ∈ N. Dann sind 1, α, α2 , . . . , αd linear abhängig über F (in jedem Vektorraum der Dimension d sind d + 1 Elemente linear abhängig), d.h. α erfüllt eine Polynomgleichung vom Grad d. ⇐=“ ” Ist α algebraisch über F , so lässt sich nach Korollar 1.11 jedes Element von F (α) als Linearkombination von 1, α, α2 , . . . , αd−1 mit d = deg mα,F eindeutig darstellen. Es folgt [F (α) : F ] = d < ∞. 2 Satz 1.13 Sei E ein Erweiterungskörper eines Körpers F und K die Menge aller algebraischen Elemente von E über F . Dann ist K eine algebraische Körpererweiterung von F . Ist dabei K = F (X) für eine endliche Menge X ⊆ K, so ist K eine endliche Erweiterung von F . Beweis: Um zu zeigen, dass K ein Körper ist, genügt der Nachweis der Abgeschlossenheit bezüglich Addition, Multiplikation und Inversenbildung. Dafür wiederum ist hinrei6 0) (dies impliziert chend, für α, β ∈ K zu folgern, dass α+β ∈ K und α/β ∈ K (β = 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 12 auch α − β ∈ K und α · β ∈ K). Seien dβ dα Y Y (x − βj ) (x − αi ) bzw. mβ,F (x) = mα,F (x) = i=1 j=1 mit dα = deg mα,F und dβ = deg mβ,F die Minimalpolynome von α bzw. β. Wir bilden die Polynome dβ dα Y Y fα+β (x) := (x − (αi + βj )) i=1 j=1 und fαβ (x) := dβ dα Y Y i=1 j=1 (x − αi βj ) . Nach dem Satz über elementarsymmetrische Funktionen sind fα+β (x) und fαβ (x) ∈ F [x]. Damit sind α + β und αβ algebraisch über F , d.h. sie liegen in K. Das Polynom xdβ mβ,F (1/x) ∈ F [x] hat die Nullstelle 1/β, also liegt 1/β in K. Das obige Argument impliziert somit, dass auch α/β = α · 1/β ∈ K. 2 Korollar 1.14 Die Menge Q aller algebraischen Zahlen in C ist ein Teilkörper von C (Q ist der algebraische Abschluß von Q). Satz 1.15 (vom primitiven Element) Ist F endliche Erweiterung von Q und E endliche Erweiterung von F , so ist E = F (α) für ein α ∈ Q. Insbesondere sind alle endlichen Erweiterungen von Q von der Form Q(α) für ein geeignetes α ∈ Q. Beweis: Sei [E : F ] = d ∈ N. Für jedes γ ∈ E sind 1, γ, γ 2 , . . . , γ d linear abhängig über F , d P d.h. qj γ j = 0 für gewisse qj ∈ F , nicht alle 0. Damit ist E eine algebraische Erweij=0 terung von F , d.h. E = F (α1 , α2 , . . . , αm ) für gewisse algebraische α1 , . . . , αm ∈ E. 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 13 Zum Beweis der Existenz eines primitiven Elements α genügt es aufgrund eines Induktionsarguments zu zeigen: E = F (α1 , α2 ), α1 , α2 algebraisch =⇒ E = F (α) für ein algebraisches α. Seien mj (x) := mαj ,F (x) für j = 1, 2. Faktorisierung über C liefert dj Y mj (x) = (x − αj,i ) i=1 für dj := deg mj und geeignete αj,i ∈ C, wobei o.B.d.A. gelte αj,1 = αj (j = 1, 2). Nach Korollar 1.10 sind die Zahlen α1,i (1 ≤ i ≤ d1 ) wie auch die Zahlen α2,k (1 ≤ k ≤ d2 ) jeweils paarweise verschieden. Daher hat für 1 ≤ i ≤ d1 und 1 < k ≤ d2 jede der Gleichungen α1,i + x · α2,k = α1,1 + x · α2,1 höchstens eine Lösung x ∈ F (nämlich x = (α1,i − α1,1 )/(α2,1 − α2,k )). Also können wir ein c ∈ F \ {0} finden derart, dass 6 α1,1 + c · α2,1 (∗) α1,i + c · α2,k = (1 ≤ i ≤ d1 , 1 < k ≤ d2 ) . Wir setzen α := α1,1 + c · α2,1 . Es bleibt zu zeigen, dass E = F (α). Wegen E = F (α1,1 , α2,1 ) gilt sicherlich F (α) ⊆ F (α1,1 , α2,1 ). Wir müssen nur noch nachweisen, dass α1,1 , α2,1 ∈ F (α). Wegen α1,1 = α − c · α2,1 genügt α2,1 ∈ F (α). Dafür setzen wir f (x) := m1 (α − cx) ∈ F (α)[x]. Es gilt f (α2,1 = m1 (α − c · α2,1 ) = m1 (α1,1 ) = 0 = m2 (α2,1 ) . Es zeigt sich, dass α2,1 die einzige gemeinsame Nullstelle von f (x) und m2 (x) ist, denn: Sei f (σ) = m2 (σ) = 0. Dann ist σ = α2,k für ein k und α − c · σ = α1,i für ein i. Daher ist α1,i = α − c · σ = α − c · α2,k = α1,1 + c · α2,1 − c · α2,k . Wegen (∗) bleibt nur k = 1, d.h. σ = α2,1 . Es sei m3 (x) := mα2,1 ,F (α) (x). Nach Satz 1.9 haben wir m3 (x) | f (x) und m3 (x) | m2 (x). Da f (x) und m2 (x) nur eine gemeinsame Nullstelle, nämlich α2,1 , haben, folgt deg m3 = 1. Damit ist α2,1 algebraisch 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 14 vom Grad 1 über F (α), d.h. α2,1 ∈ F (α). 2 Bemerkung: Wir haben zu Beginn des Beweises gezeigt, dass jede endliche Erweiterung algebraisch ist. Die Umkehrung ist im Allgemeinen falsch: Q ist algebraisch über Q, aber keine endliche Erweiterung von Q. Definition 1.16 Sei F ein Zahlkörper. Eine Abbildung Θ : F → C heißt Einbettung von F in C, falls Θ ein injektiver Ring-Homomorphismus ist. Ist F die Erweiterung eines Zahlkörpers L, geschrieben F/L, und ist Θ Einbettung von F in C, die L punktweise festlässt (d.h. Θ(l) = l für alle l ∈ L), so heißt Θ LIsomorphismus von F. Ist Θ ein L-Isomorphismus und F = L(α) für ein algebraisches α, so heißt Θ(α) Konjugierte von α über L. Im Falle einer quadratischen Erweiterung √ √ √ F = Q( D) nennen wir die Konjugierte a − b D von a + b D ∈ F die algebraische √ Konjugierte von a + b D. Bemerkung: Jede Einbettung eines Zahlkörpers K in C ist automatisch ein Q-Isomorphismus von K. Θ(a) = Θ(1 + 1 + · · · + 1) = a · Θ(1) = a für a ∈ Z b · Θ (a/b) = Θ(b) · Θ (a/b) = Θ(a) = a =⇒ Θ (a/b) = a/b . Satz 1.17 Sei F = Q(α) algebraischer Zahlkörper mit [F : Q] = d. Dann gibt es genau d Einbettungen Θj (1 ≤ j ≤ d) von F in C. Die Konjugierten αj := Θj (α) von α über Q mit α1 := α sind genau die Nullstellen von mα,Q (x). 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 15 Beweis: Sei Θ eine Einbettung von F in C mit β := Θ(α). Für gewisse qj ∈ Q gilt 0 = mα,Q (α) = d X qj αj , j=0 also 0 = Θ(0) = Θ d X qj α j j=0 ! = d X j qj Θ(α) = j=0 d X qj β j = mα,Q (β) . j=0 Somit ist β = αj für eine der Nullstellen α1 , . . . , αd von mα,Q (x). Da die Einbettung Θ nur von Θ(α) abhängt, gibt es deshalb höchstens d verschiedene Einbettungen von F in C. Es bleibt zu zeigen, dass tatsächlich d verschiedene Einbettungen Θ1 , . . . , Θd von F nach C existieren. Nach Korollar 1.11 besitzt jedes Element γ ∈ F eine Darstellung γ= d X j=0 rj α j ∈ Q[α] . Wir definieren damit für jedes j die Einbettung Θj : F → C durch Θj (f (α)) := f (αj ) für beliebiges f (x) ∈ Q[x]. Wegen der Eindeutigkeit der Darstellung der γ ∈ F in obiger Gestalt (Korollar 1.11) sind die Θj injektiv. Es bleibt lediglich die Wohldefiniertheit zu zeigen. Dazu sei f (α) = g(α) für f (x), g(x) ∈ Q[x]. Es folgt mit Satz 1.9, dass f (x) − g(x) = h(x) · mα,Q (x) für ein h(x) ∈ Q[x]. Also haben wir f (αj ) − g(αj ) = h(αj ) · mα,Q (αj ) = 0 und somit Θj (f (α)) = f (αj ) = g(αj ) = Θj (g(α)) . Damit sind die Θj wohldefiniert und Θj (α) = αj . 2 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 16 Definition 1.18 Seien Θj (1 ≤ j ≤ d := [F : Q]) die Einbettungen von F in C. Ein Θj mit Θj (F ) ⊆ R heißt reelle Einbettung, und wir setzen r1 := ]{1 ≤ j ≤ d : Θj (F ) ⊆ R} ≥ 0. Für r1 = d heißt F total-reeller Zahlkörper. Ein Θj mit Θj (F ) * R heißt (eigentlich) komplexe Einbettung, und es gibt 2r2 solche Einbettungen, da zu jeder komplexen Einbettung Θj die konjugierte komplexe Einbettung Θj existiert. Für 2r2 = d heißt F total-komplexer Zahlkörper. In jedem Fall gilt d = r1 + 2r2 , und wir nennen {r1 , r2 } die Signatur von F. Beispiel: √ Es ist [Q( 3 2) : Q] = 3 mit den Einbettungen Θ1 : √ 3 2 7−→ √ 3 2, Θ2 : √ 3 √ 3 2 7−→ ζ3 2, Θ3 : √ √ 3 3 2 7−→ ζ32 2 , wobei ζ3 eine der beiden primitiven 3. Einheitswurzeln bezeichne. Damit ist Θ1 eine reelle Einbettung, und Θ2 , Θ3 sind zueinander konjugierte komlexe Einbettungen; also haben wir r1 = r2 = 1. Satz 1.19 Sei E ⊆ C eine endliche Erweiterung eines Zahlkörpers F . Jede Einbettung von F in C lässt sich zu genau [E : F ] Einbettungen von E in C fortsetzen. Insbesondere gibt es [E : F ] F -Isomorphismen von E. Beweis: Nach Satz 1.15 existiert ein α ∈ E mit E = F (α), wobei α vom Grad d := [E : F ] über F ist. e eine Einbettung von E in C mit Sei Θ eine Einbettung von F in C, und sei Θ e = Θ. Dann ist Θ e eindeutig bestimmt durch den Wert Θ(α) e Θ =: β. F d P Sei mα,F (x) := qj xj . Dann ist auch j=0 Θ (x) mα,F := d X j=0 Θ(qj )xj 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 17 irreduzibel über Θ(F ). Seien α1 , . . . , αd ∈ C die paarweise verschiedenen Nullstellen von mΘ α,F (x). Wir haben dann e e 0 = Θ(0) =Θ d X j=0 qj · α j ! = d X j=0 e j ) · Θ(α) e j= Θ(q d X j=0 Θ(qj ) · β j , d.h. β = αj für ein j ∈ {1, . . . , d}. Damit sind die d Körper-Isomorphismen Θj : F (α) −→ F (αj ) mit Θj F = Θ und Θj (α) = αj (1 ≤ j ≤ d) gerade die gesuchten Fortsetzungen von Θ. 2 Die letzte Aussage des Satzes besagt nur, dass die Identität auf F als spezielle Einbettung von F in C ebenfalls d Fortsetzungen besitzt. Wir wissen bereits, dass für algebraisches α vom Grad n und die Einbettungen Θj (1 ≤ j ≤ n) von Q(α) in C gilt n Y (x − Θj (α)) = mα,Q (x) . j=1 Wir untersuchen dies nun für beliebiges β ∈ Q(α) anstelle von α. Satz 1.20 Sei [Q(α) : Q] = n mit den Einbettungen Θ1 , . . . , Θn in C. Für beliebiges β ∈ Q(α) vom Grad d über Q gilt d | n und f (x) := n Y (x − Θj (β)) = (mβ,Q (x))n/d ; j=1 d.h. in der Faktorisierung des Polynoms f (x) ∈ Q[x] sind die Θj (β) die Nullstellen von mβ,Q (x) jeweils mit Vielfachheit n/d. Außerdem ist Q(α) = Q(β) genau dann, wenn d = n. 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 18 Beweis: Klar ist: Q(β) ist Teilkörper von Q(α), also Untervektorraum von Q(α). Es gilt n = [Q(α) : Q] = [Q(α) : Q(β)] · [Q(β) : Q] = [Q(α) : Q(β)] · d , und es folgt d | n und Q(α) = Q(β) nur für n = d. Die Einschränkung Θj Q(β) ist offenbar eine Einbettung von Q(β). Wir ordnen die Θj so an, dass Θ1 | Q(β), . . . , Θα | Q(β) die d verschiedenen Einbettungen von Q(β) in C sind (vgl. Sätze 1.17 und 1.19). Also gilt d Y mβ,Q (x) = (x − Θj (β)) . j=1 Wegen f (β) = f (Θ1 (β)) = 0 (o.B.d.A. Θ1 = id) folgt nach Satz 1.9, dass mβ,Q (x) | f (x). Damit haben wir f (x) = (mβ,Q (x))k · g(x) für ein k ∈ N und ein g(x) ∈ Q(α)[x] mit führendem Koeffizienten 1, wobei mβ,Q (x) und g(x) teilerfremd sind. Wäre deg g ≥ 1 (d.h. g(x) 6= 1), so hätten wir g(γ) = 0 für eine algebraische Zahl γ. Damit f (γ) = 0, d.h. γ = Θj (β) für ein j ∈ {1, . . . , d}. Dies implizierte mβ,Q (x) | g(x) im Widerspruch zur Definition von f (x). Also haben wir f (x) = (mβ,Q (x))k ∈ Q[x] und somit n = deg f = deg(mβ,Q )k = kd , d.h. k = n/d. 2 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 19 Beispiel: Sei F = Q(ζ8 ) mit der primitiven 8. Einheitswurzel ζ8 = √1 (i 2 + 1). Für β = i = ζ82 haben wir mi,Q (x) = x2 + 1. Die [Q(ζ8 ) : Q] = 4 Einbettungen von F in C sind gegeben durch Θj : ζ8 7−→ ζ82j−1 (1 ≤ j ≤ 4). Damit erhalten wir f (x) : = 4 Y j=1 = 4 Y j=1 (x − Θj (i)) = 2(2j−1) (x − ζ8 4 Y (x − Θj (ζ82 )) j=1 ) = (x − ζ82 )(x − ζ86 )(x − ζ810 )(x − ζ814 ) = (x − i)(x + i)(x − i)(x + i) = (x2 + 1)2 = (mi,Q (x))2 . 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 20 1.3. Norm, Spur und Diskriminante Definition 1.21 Sei F Zahlkörper mit [F : Q] = d, und seien Θ1 , . . . , Θd die Einbettungen von F in C. Für α ∈ F heißt TF (α) := d X Θj (α) j=1 Spur von α in F und NF (α) := d Y Θj (α) j=1 Norm von α in F. Da die Einbettungen Θj Ring-Homomorphismen sind, ist offensichtlich TF additiv (d.h. TF (α + β) = TF (α) + TF (β) für α, β ∈ F ) bzw. NF multiplikativ (d.h. NF (αβ) = NF (α) · NF (β) für α, β ∈ F ). Satz 1.22 Sei [F : Q] = n und α ∈ F mit [Q(α) : Q] = d. Sind α = α1 , α2 , . . . , αd die Konjugierten von α über Q (d.h. die Nullstellen von mα,Q (x)), so gilt: d nX n (i) TF (α) = αj = TQ(α) (α) ; d j=1 d (ii) NF (α) = d Y j=1 αj !n/d = (NQ(α) (α))n/d ; (iii) mα,Q (x) = xd − TQ(α) (α) · xd−1 + · · · ± NQ(α) (α) . Beweis: Seien die Einbettungen Θ1 , . . . , Θd von Q(α) in C gegeben durch Θj (α) = αj (und Θj (q) = q für q ∈ Q). Nach Definition gilt TQ(α) (α) = d X j=1 αj und NQ(α) (α) = d Y j=1 αj . 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 21 Nach Satz 1.19 besitzt jedes Θi (1 ≤ i ≤ d) genau n/d Fortsetzungen zu Einbettun(j) gen Θi (1 ≤ j ≤ n/d) von F in C. Damit folgt TF (α) = n/d d X X (j) Θi (α) = i=1 j=1 NF (α) = i=1 j=1 (j) Θi (α) = d Y i=1 d nX n αi = TQ(α) (α) αi = d i=1 d j=1 i=1 und n/d d Y Y n/d d X X !n/d n/d d Y Y αi = αi = (NQ(α) )n/d . j=1 i=1 Koeffizientenvergleich bei den Potenzen xd−1 bzw. x0 in d Y mα,Q (x) = (x − αj ) j=1 liefert (iii). 2 Korollar 1.23 Liegt α in einem Zahlkörper F , so sind TF (α) und NF (α) rationale Zahlen. Beweis: Nach Satz 1.22 (iii) sind TF (α) und NF (α) Koeffizienten des Minimalpolynoms mα,Q (x) ∈ Q[x], also Elemente von Q. 2 Beispiele: (i) Sei f (x) = ax2 + bx + c ∈ Q[x] mit a 6= 0. Üblicherweise heißt ∆ := b2 − 4ac die Diskriminante von f (x) und √ auch Diskriminante des quadratischen Körpers F = Q( ∆). Nach p-q-Formel sind die Nullstellen α, α0 von f (x) gegeben durch √ √ −b + ∆ −b ∆ − , α0 = . α= 2a 2a 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 22 √ Es lässt sich leicht zeigen, dass Q(α) = Q( ∆). Also haben wir TF (α) = TQ(α) (α) = α + α0 = − b a und c b2 − ∆ = . NF (α) = NQ(α) (α) = α · α = 2 4a a 0 Damit folgt nach Satz 1.22 (iii) b c mα,Q (x) = x2 − TF (α) · x + NF (α) = x2 + x + a a (ii) Sei F = Q(ζp ) mit einer primitiven p-ten Einheitswurzel, wobei p ∈ P>2 . Mit Hilfe des Eisenstein-Kriteriums lässt sich leicht nachweisen, dass mζp ,Q (x) = xp−1 + xp−2 + · · · + x + 1 ist (xp − 1 = (x − 1) · (xp−1 + · · · + x + 1) mit irreduziblen Faktoren). Da ζp , ζp2 , . . . , ζpp−1 allesamt primitive p-te Einheitswurzeln sind, haben wir p−1 (∗) Y xp − 1 = xp−1 + xp−2 + · · · + x + 1 = (x − ζpj ) . x−1 j=1 Wir differenzieren und setzen x = ζpi . Wegen ζpp = 1 erhalten wir p−1 (∗∗) p · ζpp−i Y i = (ζp − ζpj ) . ζpi − 1 j=1 j6=i Aus (∗) mit x = 0 bzw. x = 1 kommt p−1 Y ζpj = (−1)p−1 bzw. p−1 Y (1 − ζpj ) = p . j=1 j=1 p−1 Y Durch Produktbildung (. . .) in (∗∗) bekommen wir nach paarweiser Bündei=1 lung p−2 p p−1 p−1 Y Y (ζpi − ζpj ) = i=1 j=1 j6=i = (−1) (p−1)(p−2) 2 Y (ζ i − ζ j )2 . 1≤i<j≤p−1 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 23 Wegen 2 - p folgt Y (ζpi − ζpj )2 = (−1) p−1 2 pp−2 . 1≤i<j≤p−1 Definition 1.24 Sei f (x) ∈ F [x] für einen Körper F ⊆ C, wobei d := deg f ≥ 2 und d Y f (x) = a · (x − αj ) j=1 für a ∈ F und gewisse αj ∈ C. Dann heißt Y discr (f ) := a2d−2 1≤i<j≤d (αi − αj )2 Diskriminante von f. Satz 1.25 Sei F = Q(α) mit [F : Q] = d, und seien α = α1 , α2 , . . . , αd die Konjugierten von α über Q. Dann gilt discr (mα,Q (x)) = (−1) d(d−1)/2 d Y m0α,Q (αj ) = (−1)d(d−1)/2 NF (m0α,Q (α)) , j=1 wobei m0α,Q (x) die Ableitung von mα,Q (x) bezeichnet. Beweis: Nach Definition ist Y discr (mα,Q ) = 1≤i<j≤d Wegen 0 mα,Q (x) (αi − αj )2 . d Y d X (x − αi ) = j=1 haben wir m0α,Q (αj ) = i=1 i6=j d Y i=1 i6=j (αj − αi ) . 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 24 Also folgt NF (m0α,Q (α)) = d Y m0α,Q (αj ) j=1 j=1 = (−1) d d Y Y = (αj − αi ) d(d−1) 2 Y i=1 i6=j (αj − αi )2 = (−1) d(d−1) 2 discr (mα,Q ) . 1≤i<j≤d 2 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 25 1.4. Ganzalgebraische Zahlen und Ganzheitsbasen Wir bezeichnen mit A ⊆ Q die Menge der ganzalgebraischen Zahlen in C. Satz 1.26 Sei α ∈ Q. Dann ist α ∈ A ⇐⇒ mα,Q (x) ∈ Z[x]. Außerdem gilt für α ∈ A, dass TQ(α) (α) ∈ Z und NQ(α) (α) ∈ Z. Beweis: Sei zunächst α ∈ A. Nach Definition 1.1 existiert ein Polynom f (x) ∈ Z[x] mit führendem Koeffizienten 1 und f (α) = 0. Wir können o.B.d.A. annehmen, dass f minimalen Grad besitzt. Nach Satz 1.9 gilt mα,Q (x) | f (x) über Q, d.h. f (x) = mα,Q (x) · h(x) für mα,Q , h(x) ∈ Q[x] . Nach Gauß’ Lemma existieren M (x), H(x) ∈ Z[x] mit deg M = deg mα,Q und deg H = deg h derart, dass f (x) = M (x) · H(x). Wegen der führenden Koeffizienten 1 in f (x) und mα,Q (x) folgt M (x) = mα,Q (x), also mα,Q (x) ∈ Z[x]. Ist umgekehrt mα,Q (x) ∈ Z[x], so ist α ∈ A nach Definition. Nach Satz 1.22 (iii) sind TQ(α) und NQ(α) Koeffizienten von mα,Q (x). Da mα,Q (x) ∈ Z[x] für α ∈ A, folgt das Gewünschte. 2 Bemerkung: Wir haben im vorstehenden Beweis auch gezeigt: Ist α ∈ A Nullstelle eines Polynoms f (x) ∈ Z[x] mit minimalem Grad und führendem Koeffizienten 1, so ist f (x) irreduzibel über Q. Wir haben in Korollar 1.11 gesehen, dass 1, α, α2 , . . . , αd−1 eine Q-Basis des Vektorraums Q(α) für algebraisches α vom Grad d ist. Entsprechend ist α ∈ A gdw. der Z-Modul Z[α] endlich erzeugt ist. 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 26 Satz 1.27 Für α ∈ C sind die folgenden Aussagen äquivalent: (i) α ∈ A ; (ii) Z[α] ist als Z-Modul endlich erzeugt ; (iii) α ∈ R für einen Ring R ⊆ C, der als Z-Modul endlich erzeugt ist ; (iv) αM ⊆ M für einen endlich erzeugten Z-Modul M ⊆ C . Beweis: (i) =⇒ (ii): Nach Korollar 1.11 ist Q(α) = Q[α] erzeugt von 1, α, α2 , . . . , αd−1 , sofern α algebraisch vom Grad d ist. Also wird insbesondere Z[α] über Z von 1, α, α2 , . . . , αd−1 erzeugt. (ii) =⇒ (iii): Wähle R := Z[α]. (iii) =⇒ (iv): Wähle M := R. (iv) =⇒ (i): Sei M = Zm1 + · · · + Zmd . Dann gibt es für j = 1, . . . , d Koeffizienten aj,i ∈ Z mit αmj = d X aj,i mi . i=1 Also hat das homogene lineare Gleichungssystem (a1,1 − α)x1 + a1,2 x2 + · · · + a1,d xd = 0 a2,1 x1 + (a2,2 − α)x2 + · · · + a2,d xd = 0 . ... .. ad,1 x1 + ad,2 x2 + · · · + (ad,d − α)xd = 0 eine nichttriviale Lösung (nämlich xj = mj für 1 ≤ j ≤ d). Also gilt für die (d × d)Matrix A := a1,1 − α a2,1 .. . ad,1 ... a1,d a2,2 − α . . . .. . a2,d .. . a1,2 ad,2 . . . ad,d − α , 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 27 dass det A = 0. Entwickeln wir det A, so entsteht ein Poylnom aus Z[α] mit höchstem Term ±αd , und somit ist α ganzalgebraisch. 2 Korollar 1.28 A ist ein Unterring von Q. Beweis: Es genügt, die Abgeschlossenheit von A bezüglich Addition und Multiplikation zu zeigen. Seien also α, β ∈ A. Nach Satz 1.27 (ii) sind Z[α] und Z[β] beide endlich erzeugte Z-Moduln; genauer: Sind Z[α] = Za1 + · · · + Zak so ist Z[α, β] = , Z[β] = Zb1 + · · · + Zbl , k X l X Zαi βj . i=1 j=1 Wegen α + β, α · β ∈ Z[α, β] sind nach Satz 1.27 (iii) α + β und α · β algebraisch. Es lässt sich mühelos zeigen, dass für einen algebraischen Zahlkörper F der Durchschnitt F ∩ A ein (Unter-)Ring in F ist. 2 Definition 1.29 Sei F ⊆ C ein algebraischer Zahlkörper. Dann heißt OF := F ∩ A Ring der ganz(algebraisch)en Zahlen in F. Nach Satz 1.26 besteht OF aus allen algebraischen Zahlen α ∈ Q ∩ F derart, dass mα,Q (x) ∈ Z[x]. Im Spezialfall F = Q haben wir 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 28 Korollar 1.30 Der Ring der ganzen Zahlen in Q ist OQ := A ∩ Q = Z. Beweis: Für α ∈ A ∩ Q ist mα,Q (x) = x − α, wobei nach Satz 1.26 gilt mα,Q (x) ∈ Z[x]. Also folgt α ∈ Z. Offensichtlich ist Z ⊆ A ∩ Q. 2 Wir sprechen von Q als dem (speziellen) rationalen Zahlkörper und von Z als dem Ring der ganzrationalen Zahlen – im Gegensatz zu ganzen Zahlen in beliebigen Zahlkörpern. Als Verfeinerung des Satzes vom primitiven Element gilt Satz 1.31 Zu einem algebraischen Zahlkörper F existiert ein α ∈ A mit F = Q(α). Beweis: Nach Satz 1.15 gibt es ein β ∈ Q mit F = Q(β). Sei d mβ,Q (x) = x + d−1 X j=0 qj xj ∈ Q[x] . Sei b der Hauptnenner der Zahlen qj , also b · qj ∈ Z für 0 ≤ j < d. Dann ist d d b · mβ,Q (x) = (bx) + und d f (x) := x + d−1 X j=0 d−1 X j=0 bd−j qj (bx)j ∈ Z[x] bd−j qj · xj ∈ Z[x] besitzt die Nullstellen bβ. Also ist α := bβ ∈ A, und offenbar gilt Q(α) = Q(β) = F . 2 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 29 Nach dem Satz vom primitiven Element (bzw. nach Satz 1.31) besitzt jeder Zahlkörper die Darstellung F = Q(α) für ein α ∈ Q (bzw. α ∈ A) vom Grad d ∈ N. Nach Korollar 1.11 ist dann 1, α, α2 , . . . , αd−1 eine Q-Basis des Vektorraums F über Q. Da OF ein Z-Modul ist, liegt die Frage nach einer Z-Basis auf der Hand. Definition 1.32 Eine Z-Basis des Ganzzahlrings OF (über Z) in einem Zahlkörper F heißt Ganzheitsbasis von F. Es ist leicht zu zeigen, dass jede Ganzheitsbasis eines Zahlkörpers F auch eine QBasis von F ist. Das folgende Beispiel belegt, dass die Umkehrung im Allgemeinen falsch ist: Nicht jede Q-Basis von F , die aus ganzalgebraischen Zahlen besteht, ist notwendig eine Ganzheitsbasis von F . Beispiel: √ √ Sei F = Q( 13) = {a + b 13 : a, b ∈ Q}. Die Zahl α := 1 (1 2 + √ 13) hat das Minimalpolynom mα,Q (x) = x2 − x − 3 ∈ Z[x] , √ also ist α ∈ OF = F ∩ A. Selbstverständlich ist 1, 13 eine Q-Basis von F , wo√ √ bei 1 und 13 ganzalgebraisch sind (x2 − 13 ∈ Z[x]). Trotzdem ist 1, 13 kei√ ne Ganzheitsbasis von F , denn α ∈ / Z + Z 13. Es lässt sich nachrechnen, dass √ OF = Z[ 21 (1 + 13)]. 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 30 Definition 1.33 Sei F = Q(α) algebraischer Zahlkörper mit [F : Q] = d. Ist B = {α1 , α2 , . . . , αd } eine Q-Basis von F und sind Θ1 , . . . , Θd die Einbettungen von F in C, so heißt discr (B) := det(Θj (αi ))21≤i≤d 1≤j≤d Diskriminante der Basis B. Für eine spezielle Basis B der Form B = {1, α, α2 , . . . , αd−1 } heißt det(Θj (αj−1 )) 1≤i≤d Vandermonde-Determinante. Mittels Induktion lässt sich 1≤j≤d leicht zeigen Lemma 1.34 Die Vandermondsche-Determinante hat den Wert det(Θj (αj−1 )) 1≤i≤d = 1≤j≤d Y (αi − αj ) , 1≤i<j≤d wobei αi := Θi (α) die i-te Konjugierte von α ist. Satz 1.35 Seien B1 := {α1 , α2 , . . . , αd } und B2 := {β1 , β2 , . . . , βd } zwei Q-Basen eines algebraischen Zahlkörpers F . Dann gilt discr (B2 ) = D2 · discr (B1 ) , wobei D = det(qi,k ) 1≤i≤d für die Darstellungen 1≤k≤d βk = d X i=1 qi,k αi (k = 1, . . . , d; qi,k ∈ Q) . 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 31 Beweis: Seien Θ1 , . . . , Θd die Einbettungen von F in C. Damit gilt Θj (βk ) = d X qi,k Θj (αi ) (j = 1, . . . , d; k = 1, . . . , d) . i=1 Θ (β ) · · · Θd (β1 ) 1 1 .. ... . Θ1 (βd ) · · · Θd (βd ) Θ (α ) · · · Θd (α1 ) q1,1 · · · q1,d 1 1 .. .. .. ... · = . . . qd,1 · · · qd,d Θ1 (αd ) · · · Θd (αd ) also durch quadrieren der Determinanten , discr (B2 ) = D2 · discr (B1 ) . 2 Beispiel: √ √ √ Sei F = Q( 13), und seien α = 12 (1 + 13), β = 13. Dann sind B1 = {1, α} und B2 = {1, β} Q-Basen von F (aber B2 ist keine Ganzheitsbasis von F ). Die Einbettungen vo F in C sind Θ1 : Wir haben und √ √ √ √ 13 7−→ 13 und Θ2 : 13 7−→ − 13 . 2 2 1 1 Θ1 (1) Θ2 (1) = det √ discr (B2 ) = det √ √ = 52 √ Θ1 ( 13) Θ2 ( 13) 13 − 13 2 Θ1 (1) Θ2 (1) discr (B1 ) = det √ √ 1 1 Θ1 ( 2 (1 + 13)) Θ2 ( 2 (1 + 13)) 2 1 1 = 13. = det √ √ 1 1 13) 13) (1 + (1 − 2 2 Also discr (B2 ) = 22 · discr (B1 ). Wegen β1 = 1 = 1 · 1 + 0 · α , β2 = √ √ 1 13 = −1 · 1 + 2 · (1 + 13) 2 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 32 haben wir D = 2 = det Satz 1.36 1 −1 0 2 . Ist B = {α1 , . . . , αd } eine Q-Basis eines algebraischen Zahlkörpers F , so gilt ∆ := discr (B) = det(TF (αi αj )) 1≤i≤d ∈ Q 1≤j≤d und ∆ 6= 0. Ist F total-reell, so ist ∆ > 0. Beweis: Die Rechenregeln für Determinanten ergeben ∆ = det (Θj (αi ))2 = det (Θj (αi )) · det (Θj (αi ))t = det(Θj (αi )) · det(Θi (αj )) = det((Θj (αi )) · (Θi (α))) ! d X Θk (αi αj ) = det (TF (αi αj )) . = det k=1 Nach Korollar 1.23 sind alle TF (αi αj ) mit 1 ≤ i, j ≤ d rational, also ∆ ∈ Q. Nach dem Satz vom primitiven Element existiert ein α ∈ F mit F = Q(α). Damit ist {1, α, α2 , . . . , αd−1 } =: B 0 Q-Basis von F . Nach Lemma 1.34 folgt discr (B 0 ) = Y 1≤i<j≤d (Θi (α) − Θj (α))2 für die Einbettungen Θ1 , . . . , Θd von F in C. Dies impliziert (i) discr (B 0 ) 6= 0 ; (ii) discr (B 0 ) > 0 für F total-reell. Da für D = det(qi,k ) in Satz 1.35 gilt D 6= 0 (Basistransformationen sind invertier- bar), folgt wegen D ∈ Q, dass D2 > 0. Wenden wir nun Satz 1.35 mit B1 := B0 und B2 := B an, so haben wir sofort ∆ 6= 0 wegen (i) und ∆ > 0 für total-reelles F wegen (ii). 2 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 33 Korollar 1.37 Ist B eine Q-Basis von F mit B ⊆ OF , so ist discr (B) ∈ Z. Beweis: Die Behauptung folgt aus Satz 1.36 sofort mit Hilfe von Satz 1.26. 2 Korollar 1.38 Sei B = {α1 , α2 , . . . , αd } eine Q-Basis von F . Ist B2 = {β1 , β2 , . . . , βd } ⊆ F mit βk = d X qi,k αi i=1 (k = 1, . . . , d; qi,k ∈ Q) , so gilt: B2 ist Q-Basis von F ⇐⇒ det(qi,k ) 6= 0. Beweis: =⇒“ ” Sei B2 Q-Basis von F . Nach Satz 1.35 ist discr (B2 ) = D2 · discr (B1 ) mit D = det(qi,k ). Nach Satz 1.36 ist discr (B2 ) 6= 0, also auch D 6= 0. ⇐=“ ” Sei det(qi,k ) 6= 0. Wir haben zu zeigen, dass β1 , β2 , . . . , βd linear unabhängig über Q sind. Die Annahme γ1 β1 + · · · + γd βd = 0 für gewisse γi ∈ Q impliziert 0= d X γk βk = d X k=1 k=1 γk d X qi,k αi = i=1 d X i=1 αi d X k=1 Wegen der linearen Unabhängigkeit der αi folgt d X k=1 γk · qi,k = 0 (1 ≤ i ≤ d) . γk · qi,k . 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 34 Wegen det(qi,k ) = 6 0 hat dieses homogene lineare GLeichungssystem nur die triviale Lösung γ1 = . . . = γd = 0. 2 Satz 1.39 Jeder algebraische Zahlkörper F mit [F : Q] = d besitzt eine Ganzheitsbasis und OF ist eine freie abelsche Gruppe vom Rang d (d.h. OF = Zβ1 ⊕ · · · ⊕ Zβd für geeignete βj ∈ OF ). Beweis: Nach Satz 1.31 existiert ein α ∈ OF = F ∩ A mit F = Q(α). Insbesondere ist {1, α, α2 , . . . , αd−1 } ⊆ OF eine Q-Basis von F . Es ist zu zeigen, dass in der nicht- leeren Menge aller solcher Q-Basen von F mindestens eine ist, die gleichzeitig eine Z-Basis von OF bildet. Nach Korollar 1.37 und Satz 1.36 wissen wir, dass deren Diskriminante in Z \ {0} liegt. Sei also B1 = {β1 , β2 , . . . , βd } ⊆ OF eine Q-Basis von F , wobei |discr (B1 )| minimal sei unter allen derartigen Basen. Annahme: B1 ist keine Z-Basis von OF . Dann existiert ein γ ∈ OF derart, dass γ= d X j=1 qj βj (qj ∈ Q) mit mindestens einem qj ∈ / Z. O.B.d.A. sei q1 ∈ / Z, d.h. q1 = [q1 ]+r für ein 0 < r < 1. Sei δ := γ − [q1 ]β1 = d X j=1 qj βj − [q1 ]β1 = rβ1 + d X j=2 qj βj ∈ OF . 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN Die Matrix 35 A= r q2 q3 · · · qd 0 ... ... 1 0 ··· 0 .. . 1 0 0 .. . ··· ··· 0 ... ... 1 hat die Determinante det A = r 6= 0. Nach Korollar 1.38 ist auch B2 = {δ, β2 , β3 , . . . , βd } ⊆ OF eine Q-Basis von F . Nach Satz 1.35 haben wir discr (B2 ) = r2 · discr (B1 ), also |discr (B2 )| < |discr (B1 )| . Dieser Widerspruch zur Minimalität von |discr (B2 )| beweist, dass B1 Z-Basis von OF ist, d.h. als Z-Modul haben wir OF = Zβ1 ⊕ · · · ⊕ Zβd . 2 Korollar 1.40 Ist B ⊆ OF eine Basis von F über Q und ist discr (B) quadratfrei, so ist B eine Ganzheitsbasis von F . Beweis: Sei B = {β1 , β2 , . . . , βd } ⊆ OF . Nach Satz 1.39 besitzt F eine Ganzheitsbasis B1 = {α1 , α2 , . . . , αd }. Nach Satz 1.35 gilt discr (B) = D2 · discr (B1 ) , wobei D = det(qi,k ) mit qi,k ∈ Z definiert durch (∗) βk = d X i=1 qi,k αi (k = 1, . . . , d) . 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 36 Nach Korollar 1.37 sind discr (B) ∈ Z und discr (B1 ) ∈ Z. Da discr (B) quadratfrei nach Voraussetzung ist, folgt mit D ∈ Z, dass D = ±1. Matrizen (qi,k ) mit Determinante ±1 heißen unimodular und besitzen bekanntlich eine Inverse über Z 0 ∈Z ((qi,k ) ∈ GLn (Z)). Also folgt aus (∗) für geeignete qi,k αk = d X 0 qi,k βi (k = 1, . . . , d) . i=1 Damit ist auch B Ganzheitsbasis von F . 2 Bemerkung: Die Umkehrung des Korollars gilt im Allgemeinen nicht: 2 √ √ 1 1 B = {1, 2} ist Ganzheitsbasis von Q( 2), aber discr (B) = det √ √ 2 − 2 √ 2 = (−2 2) = 8 ist nicht quadratfrei. Korollar 1.41 Für zwei Ganzheitsbasen B1 und B2 eines algebraischen Zahlkörpers F gilt discr (B1 ) = discr (B2 ) . Beweis: Nach Satz 1.35 haben wir (∗) discr (B2 ) = D2 · discr (B1 ) für das dort ausgegebene D, in unserer Situation D ∈ Z. Da nach Korollar 1.37 auch die beiden Diskriminanten ganzrational sind, folgt discr (B1 ) | discr (B2 ). Durch Vertauschen der Rollen ergibt sich auf die gleiche Weise discr (B2 ) | discr (B1 ). Also discr (B1 ) = ±discr (B2 ) , wobei das Minuszeichen wegen (∗) nicht möglich ist. 2 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 37 Das vorstehende Korollar besagt im Wesentlichen, dass die Diskriminante einer Ganzheitsbasis eines Zahlkörpers F eine Invariante von F ist. Definition 1.42 Sei B irgendeine Ganzheitsbasis eines algebraischen Zahlkörpers F . Dann heißt ∆F := discr (B) Diskriminante von F (und hängt nach Korollar 1.41 nicht von der gewählten Ganzheitsbasis B ab). Satz 1.43 √ Sei D ∈ Z \ {0, 1} quadratfrei, und sei F := Q( D); dabei heißt D Radikand von F . Dann gilt und D für ∆F = 4D für h √ i Z 1 (1 + D) für 2 OF = √ Z[ D] für D ≡ 1 mod 4, D ≡ 2, 3 mod 4, ∆F ≡ D ≡ 1 mod 4, ∆F ≡ 0 mod 4 (⇐⇒ D ≡ 2, 3 mod 4). Beweis: Wegen [F : Q] = 2 hat OF eine Ganzheitsbasis der Gestalt {1, α} für ein √ a+b D ∈F α= c mit ggT(a, b, c) = 1 und a, b, c ∈ Z, c > 0. Ist B = {1, α, α2 , . . . , αd−1 } eine Basis, so haben wir nach Definition und Lemma 1.34 (mit αj := Θj (α)) discr (B) = det(Θj (αi−1 ))2 = Y 1≤i<j≤d = discr (mα,Q ) . (αi − αj )2 In unserem Fall folgt mit Satz 1.25 ∆F = discr (mα,Q ) = −m0α,Q (α) · m0α,Q (α) , 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 38 √ a−b D wobei α := . Wegen m0α,Q (x) = 2x − TF (α) erhalten wir c ∆F = −(2α − TF (α))(2α − TF (α)) = −4αα + 2(α + α)TF (α) − TF (α)2 2 2 2 2a 4b2 D 2a −a + b2 D + 2 − = ∈Z, = 4 c2 c c c2 wobei ∆F ∈ Z nach Korollar 1.37 gilt. Nach Satz 1.26 wisssen wir außerdem, dass TF (α) = a2 − b2 D 2a ∈Z. ∈ Z und NF (α) = c c2 Behauptung: c ∈ {1, 2}. Hätte c einen Primteiler p ≥ 3, so folgte wegen TF (α) ∈ Z, dass p | a. Wegen D quadratfrei und NF (α) ∈ Z hätten wir auch p | b, also p | (a, b, c) im Widerspruch zur Voraussetzung (a, b, c) = 1. Also bleibt nur c = 2j für ein j ∈ N0 . Für j ≥ 2 bekämen wir mit der vorstehenden Argumentation 2 | (a, b, c). Also gilt die Behauptung. 1. Fall: D 6≡ 1 mod 4 (d.h. D ≡ 2, 3 mod 4). Für c = 2 hätten wir ∆F = b2 D. Wegen (a, b, c) = 1 implizierte NF (α) ∈ Z dann 2 - ab (D quadratfrei!). Somit 1 ≡ a2 ≡ b2 D ≡ D mod 4 Widerspruch! (D 6≡ 1 mod 4) . Es bleibt nur c = 1. Wie im ersten Teil des Beweises folgt mit Satz 1.25 √ √ 4b2 D = ∆F = discr (m√D,Q ) = −(2 D) · (−2 D) = 4D . Es ergibt sich b = ±1, o.B.d.A. b = 1. Damit haben wir OF = Z[a + √ √ D] = Z[ D] . 2. Fall: D ≡ 1 mod 4. Die Situation c = 1 kann nicht auftreten, denn β := 1 (1 2 Minimalpolynom mβ,Q (x) = x2 − x + 1−D ∈ Z[x] , 4 + √ D) ∈ F hat das 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 39 √ also β ∈ OF = Z[α] = Z[a + b D]. Widerspruch! Es bleibt c = 2 und wegen √ √ a−b 1 a+b D = +b (1 + D) 2 2 2 (mit (a − b)/2 ∈ Z wegen 2 - ab (s.o.)) erhalten wir √ 1 OF = Z[α] = Z (1 + D) . 2 Schließlich kommt analog zum 1. Fall √ √ ∆F = discr (mβ,Q ) = −( D)(− D) = D . 2 Bemerkungen: (i) Aufgrund von Satz 1.43 haben wir p √ F := Q( D) = Q( ∆F ) . (ii) Bei quadratischen Zahlkörpern F haben wir stets OF = Z[α] für ein geeignetes α. Für Zahlkörper höheren Grades ist dies im Allgemeinen falsch. Man √ √ kann z.B. zeigen, dass für F = Q( −7, −14) gilt: OF = 6 Z[β] für alle β ∈ OF . Während also nach dem Satz vom primitiven Element stets eine Q-Basis {1, α, α2 , . . . , αd−1 } zu einem Zahlkörper F vom Grad d existiert, gibt es im Allgemeinen keine derartigen Ganzheitsbasen. Aus Satz 1.43 folgt, dass für quadratische Zahlkörper F stets ∆F ≡ 0, 1 mod 4 ist. Dies gilt allgemein. Satz 1.44 (Kriterium von Stickelberger) Für jeden algebraischen Zahlkörper F haben wir ∆F ≡ 0, 1 mod 4 . 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 40 Beweis: (I. Schur) Sei B = {α1 , α2 , . . . , αn } eine Ganzheitsbasis von F mit [F : Q] = n.Wir bezeichnen (j) (1) (j = 1, . . . , n) die Konjugierten von αk := αk (k = 1, . . . , n). Nach √ (j) Definition haben wir ∆F = det αk k=1,...,n . Aus der Linearen Algebra ist bekannt mit αk j=1,...,n (j) det αk = = X σ∈Sn X (σ(1)) sgn(σ) · α1 (σ(1)) α1 σ∈An =: G − U , (σ(2)) · α2 · . . . · αn(σ(n)) − · . . . · αn(σ(n)) X (σ(1)) α1 σ6∈An · . . . · αn(σ(n)) wobei Sn die symmetrische Gruppe der Ordnung n! (Sn = Menge aller Permutationen von {1, 2, . . . , n}) und An die alternierende Gruppe der Ordnung 21 n! (An = Menge aller geraden Permutationen von {1, 2, . . . , n}) bezeichnen. Offenbar sind G, U ∈ A. Außerdem sind G + U und G · U symmetrische Ausdrücke in den α1 , α2 , . . . , αn (das Vertauschen von αi ←→ αj führt nur zu einer Änderung der Reihenfolge der Summanden von G bzw. U oder zu einem Tausch der Rollen von G und U). Nach dem Satz über elementarsymmetrische Funktionen sind somit G + U und G · U aus dem Grundkörper von F , d.h. G + U, G · U ∈ Q. Nach Korollar 1.30 folgt G + U, G · U ∈ Z. Es ergibt sich ∆F = (G − U)2 = (G + U)2 − 4G · U ≡ (G + U)2 ≡ 0, 1 mod 4 . 2 Nach Satz 1.36 ist ∆f > 0 für total-reelles F . Allgemeiner gilt Satz 1.45 (von Kronecker) Ist F ein algebraischer Zahlkörper mit Signatur {r1 , r2 }, so ist das Vorzeichen von ∆F gleich (−1)r2 . 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 41 Beweis: Sei [F : Q] = n und B = {α1 , . . . , αn } eine Ganzheitsbasis von F . Mit den Bezeich 2 (j) , wobei nungen aus dem vorangehenden Beweis ist ∆F = det αk (j) det αk = a + bi mit gewissen a, b ∈ R und i = ∈C √ (j) −1. Vertauschen wir in det αk die r2 Paare von Zeilen mit komplexen Einbettungen und den jeweiligen konjugierten Einbettungen, so wird in der Entwicklung der Determinante offenbar jeder Imaginärteil durch sein Negatives ersetzt. Es entsteht also der Wert a − bi. Andererseits liefert das Ver (j) (j) tauschen von r2 Paaren von Zeilen in det αk den Wert (−1)r2 · det αk . Es folgt (j) a − bi = (−1)r2 det αk = (−1)r2 (a + bi) . Für 2 | r2 ergibt sich b = 0, also ∆F = a2 > 0. Für 2 - r2 kommt a = 0, also ∆F = (bi)2 = −b2 < 0. 2 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 42 1.5. Faktorisierung und Teilbarkeit Es lässt sich leicht zeigen, dass in einem kommutativen Ring R mit Einselement die Einheiten (d.h. die multiplikativ invertierbaren Elemente) eine multiplikative (Unter-)Gruppe UR bilden. Wir bezeichnen mit hgi die von einem Element g einer Gruppe erzeugte zyklische (Unter-)Gruppe. Satz 1.46 √ Ist ∆F < 0 für den komplexen quadratischen Zahlkörper F = Q( ∆F ), so gilt für die Einheitengruppe UF := UOF Beweis: √ hζ6 i := 21 (1 − i 3) für ∆F = −3 , = hζ4 i := hii für ∆F = −4 , hζ2 i := h−1i sonst . √ Sei u = a + b D ∈ UF , wobei 2a, 2b ∈ Z und D ist der Radikand von F (d.h. D ∈ {∆F , ∆F /4}) gemäß Satz 1.43. Wegen 1 = NF (1) = NF (u · u−1 ) = NF (u) · NF (u−1 ) und NF (u), NF (u−1 ) ∈ Z nach Satz 1.26 folgt NF (u) = ±1. Mit NF (u) = a2 − b2 D > 0 ergibt sich NF (u) = 1. 1. Fall: D ≡ 2, 3 mod 4 und D < −1. Nach Satz 1.43 ist ∆F = 4D und a2 − b2 D = 1 für gewisse a, b ∈ Z. Wegen D < −1 folgt b = 0 und a = ±1, also UF = h−1i. 2. Fall: D ≡ 1 mod 4 und D < −4. Nach Satz 1.43 ist a2 − b2 D = 1 für gewisse a, b ∈ 1 Z, 2 d.h. a02 − b02 D = 4 für a0 , b0 ∈ Z. Wegen D < −4 folgt b0 = 0, also a0 = ±2, d.h. a = ±1 und wieder UF = h−1i. Es bleiben die Fälle D = −1, −2, −3. Für D = −1 haben wir a2 + b2 = 1, also 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 43 a = ±1, b = 0 oder a = 0, b = ±1. Das bedeutet u = ±1 oder u = ±i, und somit UF = hii für ∆F = −4. Im Falle D = −2 gilt a2 + 2b2 = 1, also a = ±1, b = 0 und daher UF = h−1i. Schließlich für D = 3 haben wir a2 + 3b2 = 4 mit a, b ∈ Z, d.h. a = ±b = ±1 oder a = ±2, b = 0. Wir erhalten die Einheiten √ 1 u = (−1 ± −3) , 2 √ d.h. die Potenzen der 6. Einheitswurzel ζ6 := 12 (1 − i 3). u = ±1 , √ 1 u = (1 ± −3) , 2 2 Nach Definition 1.2 heißt ein Element aus OF eindeutig zerlegbar, wenn es bis auf Reihenfolge der Faktoren und Assoziierte eindeutig in irreduzible Elemente faktorisiert. Wir haben schon Beispiele für irreduzible Elemente gesehen, die nicht prim sind. Der folgende Satz zeigt, dass eindeutige Faktorisierung genau dann vorliegt, wenn die irreduziblen Elemente prim sind. Satz 1.47 Sei F ein Zahlkörper. Dann gilt: (i) Jedes α ∈ OF , α 6= 0, lässt sich in ein Produkt irreduzibler Faktoren zerlegen. (ii) Jedes α ∈ OF , α 6= 0, besitzt eine bis auf Reihenfolge der Faktoren und Assoziierte eindeutige solche Zerlegung genau dann, wennn jedes irreduzible Element von OF prim ist. 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 44 Beweis: (i) Ist α nicht selbst irreduzibel, so gilt α = β · γ für gewisse β, γ ∈ OF \ UF . Iteration dieses Zerlegungsprozesses liefert die gewünschte Faktorisierung. Der Prozess ist endlich, denn: Ist N (δ) = ±1 für ein δ ∈ OF , so gilt 1 = ±N (δ) = δ · ((±1) · δ2 · δ3 · δ4 · . . . · δd ) mit den Konjugierten δ2 , . . . , δd ∈ OF von δ, also δ ∈ UF . Für eine Zerlegung α = α! · α2 · . . . · αm in irreduzible Elemente haben wir also |N (αj )| ≥ 2 (j = 1, . . . , m) und somit m m≤2 ≤ m Y j=1 |N (αj )| = |N (α)| . (ii) =⇒“ ” Seien alle Zerlegungen eindeutig. Für α ∈ OF irreduzibel ist zu zeigen: α ist prim. Sei also α | βγ, d.h. es gibt σ ∈ OF mit βγ = ασ. Nach Voraussetzung haben β, γσ eindeutige Zerlegungen β =u· r Y βj j=1 , γ=v· s Y γj , j=1 σ=w· t Y σj j=1 mit u, v, w ∈ UF und βj , γj , σj alle irreduzibel. Also α·w· t Y j=1 σj = ασ = βγ = uv r Y j=1 βj · s Y γj . j=1 Da α irreduzibel ist, folgt aus der eindeutigen Faktorisierung, dass α ∈ {βj : 1 ≤ j ≤ r} ∩ {γj : 1 ≤ j ≤ s}. Also α | β oder α | γ, d.h. α ist prim. ⇐=“ ” Sei jedes irreduzible Element von OF prim. Sei für irreduzible αj , βj und u, v ∈ UF mit 1 ≤ s ≤ r (∗) uα1 · . . . · αr = vβ1 · . . . · βs . 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 45 Zu zeigen: r = s und jedes αj ist assoziiert zu einem βk . Wir machen Induktion über r. Für r = 1 ist s = 1, und alles ist klar. Wir nehmen nun eindeutige Faktorisierung bis zur Länge r − 1 ≥ 1 an. Da βs nach Voraussetzung prim (also keine Einheit) ist, impliziert βs | uα1 · . . . · αr , dass βs | αj für geeignetes j, o.B.d.A. βs | αr . Damit sind βs und αr assoziiert. Da OF Integritätsring ist (OF besitzt keine Nullteiler, denn C besitzt keine Nullteiler), können wir βs = wαr , w ∈ UF , in (∗) kürzen und erhalten u0 α1 · . . . · αr−1 = vβ1 · . . . · βs−1 Induktion liefert die Behauptung. 2 Definition 1.48 Sei D ein Integritätsbereich, in dem jedes Element 6= 0 eindeutig in irreduzible Elemente zerfällt. Dann heißt D ein ZPE-Ring (Zerlegung in Primelemente eindeutig). Bemerkung: Nach Satz 1.47 ist der Name ZPE-Ring anstelle von ZIE-Ring (Zerlegung in irreduzible Elemente eindeutig) gerechtfertigt. Definition 1.49 Sei D ein ZPE-Ring. Für α, β, γ, δ ∈ D, heißt γ größter gemeinsamer Teiler von α und β, γ = ggT(α, β), falls (i) γ | α und γ | β; (ii) falls σ | α und σ | β für ein σ ∈ D, so gilt σ | γ; und δ kleinstes gemeinsames Vielfaches von α und β, δ = kgV(α, β), falls 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 46 (iii) α | δ und β | δ; (iv) falls α | Θ und β | Θ für ein Θ ∈ D, so gilt δ | Θ. (Beachte, dass ggT(α, β und kgV(α, β) eindeutig bis auf Assoziierte sind). Ist ggT(α, β) = 1 (d.h. ggT(α, β) ist Einheit), so heißen α und β teilerfremd. Definition 1.50 Ein Integritätsbereich D heißt euklidischer Ring, falls es eine euklidische Funktion f : D −→ N0 gibt, d.h. f erfüllt die Bedingungen (i) Für αβ ∈ D \ {0} ist f (α) ≤ f (αβ). (ii) Für α, β ∈ D, β 6= 0, existieren γ, ρ ∈ D mit α = γβ + ρ und f (ρ) < f (β) oder ρ = 0 . Beispiel: √ √ √ In F := Q( −2) ist OF = Z[ −2] nach Satz 1.43. Wir wollen zeigen, dass Z[ −2] √ √ euklidischer Ring ist. Klar ist, dass Z[ −2] Integritätsbereich ist, denn Z[ −2] ⊆ C besitzt keine Nullteiler. √ Behauptung: NF : Z[ −2] −→ N0 ist euklidische Funktion. √ √ Zunächst ist NF (α) ∈ N0 für alle α = a+b −2 ∈ Z[ −2], denn NF (α) = a2 +2b2 ∈ N für α = 6 0 und NF (0) = 0. Damit ist auch Eigenschaft (i) klar, denn NF (αβ) = NF (α) · NF (β) ≥ NF (α) für αβ 6= 0. √ √ √ Zum Beweis von (ii) seien α = a + b −2 , β = c + d −2 ∈ Z[ −2]. Dann haben wir √ √ √ α (a + b −2)(c − d −2) ac + 2bd bc − ad √ −2 + v −2 = = + =: u β c2 + 2d2 c2 + 2d2 c2 + 2d2 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 47 √ √ mit u, v ∈ Q. Wir wählen γ := x + y −2 ∈ Z[ −2] mit |u − x| ≤ 1/2 und |v − y| ≤ 1/2. √ Damit folgt für ρ := α − γβ ∈ Z[ −2], dass ρ = 0 oder α α NF ρ) = NF β −γ −γ = NF (β) · NF β β √ = NF (β) · NF ((u − x) + (v − y) −2) = NF (β) · ((u − x)2 + 2 · (v − y)2 ) 1 1 +2· < NF (β) . ≤ NF (β) · 4 4 Satz 1.51 Jeder euklidische Ring ist ein ZPE-Ring. Beweis: Sei D euklidischer Ring und sei α ∈ D \ {0}. Wir zeigen zunächst, dass α in irreduzible Elemente faktorisiert. Dazu bezeichne f die euklidische Funktion auf D. Wir haben f (α) = f (1) gdw. α ∈ UD , denn: Für alle α = 6 0 gilt f (1) ≤ f (1 · α) = f (α). Ist f (α) = f (1), so gilt für jedes β ∈ D \ {0}, dass β = γα + ρ mit ρ = 0 oder f (ρ) < f (α) = f (1) ≤ f (ρ) Widerspruch, d.h. ρ = 0 und somit α | β für jedes β 6= 0, insbesondere α | 1D , d.h. α ∈ UD . Sei umgekehrt α ∈ UD , so folgt f (1) ≤ f (α) ≤ f (α · α−1 ) = f (1) , also f (α) = f (1). Nach den vorangehenden Überlegungen können wir Induktion über f (α) machen. Ist f (α) = f (1), so ist α ∈ UD und es ist nichts zu zeigen. Sei nun α 6∈ UD und Faktorisierung gewährleistet für alle β ∈ D \ {0} mit f (β) < f (α). Ist α selbst irreduzibel, so sind wir fertig. Sei also α = βγ mit β, γ ∈ D \ UD . Dann haben wir f (β) ≤ f (βγ) = f (α) und f (γ) ≤ f (γβ) = f (α) . Dabei gilt f (β) = 6 f (α) (und analog f (γ) 6= f (α)), denn: Wäre f (β) = f (α), so hätten wir β = η · α + ρ mit ρ = 0 oder f (ρ) < f (α). Wegen 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 48 β | α folgte im zweiten Fall, dass β | ρ, also f (β) ≤ f (ρ) < f (α). Es bleibt nur ρ = 0, d.h. α | β. Damit wären α und β assoziiert, d.h. γ ∈ UD . Widerspruch! Wir haben also f (β) < f (α) und f (γ) < f (α) und somit nach Induktionsannahme Faktorisierungen von β und γ in irreduzible Elemente. Daher ist auch α = β · γ faktorisiert. Es bleibt noch die Eindeutigkeit der Zerlegung zu zeigen. Wir beweisen zuerst, dass jedes irreduzible Element prim ist. Sei dazu α irreduzibel mit α | βγ. Gilt α - β, so ist ggT(α, β) = 1. Mit Hilfe des euklidischen Algorithmus (d.h. wiederholter Anwendung von (ii) aus Definition 1.50) ergibt sich die Existenz von σ, τ ∈ D derart, dass σα + τ β = 1 . Also σαγ + τ βγ = γ und wegen α | βγ somit α | γ, d.h. α ist prim. Mit demselben Argument wie im zweiten Teil des Beweises von Satz 1.47(ii) folgt die Eindeutigkeit der Zerlegung, wobei wie oben Induktion über f (α) benutzt wird. 2 Als Anwendungsbeispiel für Faktorisierung in Zahlkörpern betrachten wir eine sogenannte Bachet-Gleichung y 2 = x3 + k mit festem k ∈ Z. Satz 1.52 Die diophantische Gleichung (d.h. Lösungen über Z) y 2 = x3 − 2 hat nur die beiden Lösungen x = 3, y = ±5. 1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN 49 Beweis: Zunächst ist x ungerade, denn für gerades x hätten wir y 2 ≡ −2 mod 4 Widerspruch. Aufgrund des Beispiels im Anschluss an Definition 1.50 wissen wir, dass OF = √ √ Z[ −2] mit F = Q( −2) ein euklidischer Ring und somit nach Satz 1.51 ein ZPE√ Ring ist. Die gegebene Bachet-Gleichung liefert in Z[ −2] die Faktorisierung (y + Behauptung: ggT(y + Sei dazu für a, b ∈ Z √ √ −2) · (y − −2, y − √ −2) = x3 . √ −2) = 1. √ √ √ α := (a + b −2) | ggT(y + −2, y − −2) . Es folgt NF (α) | NF ((y + √ √ √ −2) − (y − −2)) = NF (2 −2) = 8 und NF (α) | NF (x3 ) = x6 . Wegen 2 - x folgt NF (α) = ±1 , d.h. α ∈ UF , also gilt die Zwischenbehauptung. √ Aufgrund der eindeutigen Faktorisierung in Z( −2] erhalten wir damit y+ √ √ −2 = u · γ 3 = ±(c + d −2)3 √ für eine Einheit u ∈ UF und eine γ := c + d −2 ∈ OF , wobei gemäß Satz 1.46 gilt u = ±1. Nach Ausmultiplizieren der rechten Seite ergibt Koeffizientenvergleich y = ±c(c2 − 6d2 ) und 1 = ±d(3c2 − 2d2 ) . Die zweite Gleichung liefert d = ±1, also 1 = ±(3c2 − 2) und somit c = ±1. Einsetzen in die erste Gleichung ergibt y = ±(1 − 6) = ±5, also x = 3. 2 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 2 50 Arithmetik in Zahlkörpern 2.1. Quadratische Zahlkörper Folgendes wissen wir bereits über quadratische Zahlkörper F : – Explizite Formel für die Diskriminante ∆F (Satz 1.43). – Explizite Darstellung des Ganzzahlrings OF = Z[α] mit explizitem α (Satz 1.43). – Explizite Darstellung der Einheitengruppe UF für den Fall ∆F < 0 (Satz 1.46). √ √ – F = Q( −2) hat den euklidischen Ganzzahlring OF = Z[ −2] (Beispiel nach Definition 1.50). Satz 2.1 Ist F komplexer quadratischer Zahlkörper mit Diskriminante ∆F < −12, so ist OF kein euklidischer Ring. Beweis: Wir nehmen an, dass OF ein euklidischer Ring mit euklidischer Funktion f sei. Sei α ∈ OF \ UF , α 6= 0, derart gewählt, dass f minimal ist. Da OF euklidischer Ring ist, existieren zu jedem β ∈ OF Elemente γ, ρ ∈ OF mit β = γα + ρ, wobei ρ = 0 oder f (ρ) < f (α). Wegen der Minimalität von f (α) bleiben nur ρ = 0 oder ρ ∈ UF (d.h. ρ = ±1 nach Satz 1.46 wegen ∆F < −12). Insgesamt haben wir bei Division eines beliebigen β ∈ OF durch α nur drei mögliche Reste, also |OF / hαi| ≤ 3 . Für algebraische Zahlkörper F und α ∈ OF , α 6= 0, gilt allgemein |OF / hαi| = |NF (α)| 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 51 (man zeigt: OF und hαi haben als freie Gruppen über Z denselben Rang, also |OF / hαi| endlich). Wir erhalten NF (α) ≤ 3. 1. Fall: ∆F ≡ 0 mod 4. √ Nach Satz 1.43 haben wir α = a+b D mit a, b ∈ Z, wobei D = ∆F /4 der Radikand von F ist. Es folgt 3 ≥ NF (α) = a2 − b2 D mit −D > 3 wegen ∆F < −12. Dies liefert für α 6= 0, ±1 einen Widerspruch. 2. Fall: ∆F ≡ 1 mod 4. √ Wieder nach Satz 1.43 haben wir α = (a + b D)/2 mit a, b ∈ Z, a ≡ mod 2. Für a ≡ b ≡ 0 mod 2 und α = 6 0, ±1 kommt 1 3 ≥ NF (α) = (a2 − b2 D) . Widerspruch! (D = ∆F < −12) 4 Als bleibt nur a ≡ b ≡ 1 mod 2, und wir erhalten 1 1 3 ≥ NF (α) = (a2 − b2 D) = (a2 − b2 ∆F ) 4 4 1 1 2 (a + 12b2 ) ≥ (1 + 12 · 1) > 3 > 4 4 Widerspruch! 2 Bemerkungen: √ (i) Wir haben als Beispiel gezeigt, dass OF für F = Q( −2) euklidischer Ring ist. √ √ √ √ In ähnlicher Weise stellen sich F = Q( −1), Q( −3), Q( −7), Q( −11) als Zahlkörper mit euklidischem OF heraus. Dies sind genau die fünf euklidischen Ringe OF mit ∆F < 0. (ii) Es lässt sich leicht zeigen, dass die fünf euklidischen komplexen quadratischen √ Zahlkörper Q( D) mit D = −1, −2, −3, −7, −11 norm-euklidisch sind, d.h. die euklidische Funktion ist jeweils die Norm (bzw. allgemeiner der Betrag der Norm). Wir wollen nun reelle quadratische Zahlkörper untersuchen. 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 52 Satz 2.2 √ Für D = 2, 3, 5, 6, 7, 13, 17, 21, 29 ist F = Q( D) norm-euklidisch (d.h. OF ist norm-euklidisch). Beweis: Wir setzen 2 für ε := 1 für D ≡ 1 mod 4, D ≡ 2, 3 mod 4. Offenbar lässt sich jedes σ ∈ F schreiben als σ = r1 + r √ 2 D ε r1 , r 2 ∈ Q . Bedingung (ii) in Definition 1.50 für norm-euklidische Ringe ist äquivalent zu: Für √ alle σ ∈ Q( D) existiert ein β ∈ OF mit |NF (σ − β)| < 1 . Gemäß Satz 1.43 haben wir also ein √ 1 β = (x + y D) ∈ OF ε (x, y ∈ Z) zu finden derart, dass (∗) 1 x 2 2 |NF (σ − β)| = r1 − − 2 (r2 − y) D < 1 . ε ε Wir nehmen an, dass (∗) bei gegebenem r1 , r2 ∈ Q für alle x, y ∈ Z verletzt ist. O.B.d.A. können wir in (∗) voraussetzen, dass 0 ≤ ri ≤ 1/2 für i = 1, 2 (ansonsten ersetzen wir x, y durch geeignete x0 , y 0 ). Damit liefert (∗) mindestens eine der beiden folgenden Ungleichungen für alle x, y ∈ Z: (∗∗) oder (∗ ∗ ∗) 1 x 2 ≥ 1 + 2 (r2 − y)2 D r1 − ε ε x 2 1 2 (r2 − y) D ≥ 1 + r1 − . ε2 ε 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 53 Für r1 = r2 = 0 wären beide Ungleichungen verletzt mit x = y = 0. Also wissen wir r1 > 0 oder r2 > 0. Für x = y = 0 oder x = 1, y = 0 ist (∗∗) wegen r1 ≤ 1/2 verletzt: r1 − 1 x 2 < 1 + 2 · r22 · D . ε ε Also muß für diese beiden Situationen jeweils (∗ ∗ ∗) erfüllt sein, d.h. (∗ ∗ ∗∗) 1 2 · r · D ≥ 1 + r12 ε2 2 und 2 1 1 2 · r · D ≥ 1 + r1 − . ε2 2 ε Wir unterschieden nun zwei Fälle: 1. Fall: (∗∗) gilt für x = −ε, = 0, also mit (∗ ∗ ∗∗) 2 1 2 1 (r1 + 1) ≥ 1 + 2 · r2 · D ≥ 2 + r1 − ≥ 2 + (r1 − 1)2 . ε ε 2 Daraus folgt r1 ≥ 1/2, d.h. r1 = 1/2. Einsetzen liefert 9 = 4 1 +1 2 2 1 ≥ 1 + 2 · r22 · D ≥ 2 + ε 2 9 1 −1 = 2 4 und somit r22 · D/ε2 = 5/4. Sei nun r2 = a/b mit (a, b) = 1. Für ε = 1 haben wir 4a2 D = 5b2 , also a2 | 5, d.h. a = 1. Da D quadratfrei nach Voraussetzung ist, bleibt nur b = 2, d.h. r2 = 1/2 und D = 5 (s. Liste im Satz). Für ε = 2 folgt a2 D = 5b2 und damit a = b = 1 Widerspruch! (r2 ≤ 1/2). 2. Fall: (∗ ∗ ∗) gilt für x = −ε, y = 0, also 1 2 · r · D ≥ 1 + (r1 − 1)2 ≥ 2 . ε2 2 Wegen r22 ≤ 1/4 folgt D ≥ 8 · ε2 , d.h. für D < 8 · ε2 ist F norm-euklidisch. Für D ≡ 1 mod 4 heißt dies D < 32, also D = 5, 13, 17, 21, 29. Für D ≡ 2, 3 mod 4 haben wir D < 8, also D = 2, 3, 6, 7. 2 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 54 Bemerkungen: (i) Zu den in Satz 2.2 angegebenen norm-euklidischen reell-quadratischen Zahlkörpern √ kommen noch die Q( D) mit D = 11, 19, 33, 37, 41, 57, 73 hinzu. 1938 bewies Heilbronn, dass es nur endlich viele derartige Zahlkörper gibt, und 1950 zeigten Chatland & Davenport sowie unabhängig davon Inheri, dass die oben angegebene Liste vollständig ist (Methode: Geometrie der Zahlen). (ii) Während die fünf euklidischen komplex-quadratischen Zahlkörper automatisch norm-euklidisch sind, zeigte Clark 1994, dass dies im reellen Fall anders ist: In √ Q( 69) gibt es eine euklidische Funktion, die nicht die Norm ist. Mit unseren Mitteln können wir zeigen Satz 2.3 √ Es gibt nur endlich viele norm-euklidische reell-quadratische Zahlkörper F = Q( D) mit D > 0 und ∆F ≡ 0 mod 4 (d.h. D 6≡ 1 mod 4). Beweis: √ Sei F = Q( D) norm-euklidisch mit D > 0 und ∆F ≡ 0 mod 4. Zu jedem √ √ √ σ = t · D/D ∈ F, t ∈ Z, existiert ein x, y D ∈ Z[ D] (vgl. Satz 1.43) derart, dass also 2 √ t 2 · D < 1 , NF (σ − (x + y D)) = x − y − D 2 Dx − (Dy − t)2 < D . Mit z := Dy − t ∈ Z haben wir (∗) z 2 − Dx2 ≡ t2 mod D und 1. Fall: z 2 − Dx2 < D . D ≡ 3 mod 4. √ Wir setzen t := 2 · [1/2( 6D − 1)] + 1. Eine kleine Rechnung zeigt, dass für D ≥ 88 gilt (jedenfalls für D hinreichend groß) 5D < t2 < 6D . 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 55 Mit (∗) folgt z 2 − Dx2 = t2 − a · D , wobei a = 5 oder a = 6. Also (∗∗) D(a − x2 ) = t2 − z 2 . Für a = 5 haben wir wegen 2 - t 3(1 − x2 ) ≡ 1 − z 2 mod 4 , also 2 - x und 2 - z. Wir setzen t = 2k + 1, z = 2l + 1 und x = 2m + 1 und erhalten aus (∗∗) D · (4 − 4m − 4m2 ) = (4k 2 + 4k + 1) − (4l2 + 4l + 1) , also D · (1 − m(m + 1)) = k(k + 1) − l(l + 1) . Dies ist unlösbar, denn links steht eine ungerade Zahl und rechts eine gerade Zahl; d.h. (∗∗) ist für a = 5 nicht lösbar. Für a = 6 liefert (∗∗) wegen 2 - t 3(2 − x2 ) ≡ 1 − z 2 mod 4 , √ auch dies unlösbar. Also ist für D ≡ 3 mod 4 und D ≥ 88 der Körper Q( D) nicht norm-euklidisch. 2. Fall: D ≡ 2 mod 4. √ Wir setzen t := 2[( 3 − 1)/2] + 1, womit für D ≥ 40 gilt 2D < t2 < 3D , also mit (∗) für a ∈ {2, 3} D(a − x2 ) = t2 − z 2 . Die gleichen Argumente wie im 1. Fall liefern auch hier die Unlösbarkeit, womit Satz 2.3 vollständig bewiesen ist. 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 56 2 Bemerkung: Nach Satz 1.51 umfasst die Menge der quadratischen ZPE-Zahlkörper“ die Men” ge der euklidischen quadratischen Zahlkörper. 1966 bewiesen Baker und Stark un√ abhängig voneinander, dass die komplexen quadratischen Zahlkörper Q( D) mit ZPE-Eigenschaft genau für D = −1, −2, −3, −7, −11, −19, −43, −67, −163 gegeben sind. Es kann bislang nur vermutet werden, dass es unendlich viele reelle quadratische ZPE-Zahlkörper gibt. Aus der Theorie der Kettenbrüche ist bekannt: – Jede reelle Zahl α besitzt eine (nahezu) eindeutige Darstellung als endlicher oder unendlicher Kettenbruch, d.h. es gibt Zahlen a0 ∈ Z und aj ∈ N (j ≥ 1) mit α = ha0 ; a1 , a2 , . . .i = a0 + 1 1 a1 + a2 + 1 a3 + · · · – Jede quadratische Irrationalzahl α besitzt einen eindeutigen unendlichen periodischen Kettenbruch α = ha0 ; a1 , . . . , am−1 , am , . . . , am+k i . – Die Lösungen der Pell’schen Gleichung x2 −y 2 D ≡ ±1 werden bestimmt durch √ die Näherungsbrüche des Kettenbruchs von D. Mit derlei Hilfsmitteln bestimmen wir nun die Einheitengruppe der reell-quadratischen Zahlkörper. 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 57 Satz 2.4 √ Sei F = Q( D) mit D > 1 quadratfrei. Dann existiert eine minimale Einheit ε1 = ε1 (F ) > 1 in UF derart, dass UF = {± εn1 : n ∈ Z} . √ Ist l die Periodenlänge des Kettenbruchs von D und bezeichnet Aj /Bj den j-ten √ Näherungsbruch von D, so gilt √ für D 6≡ 5 mod 8, ε1 Al−1 + Bl−1 D = ε oder ε3 für D ≡ 5 mod 8. 1 1 Außerdem ist NF (ε1 ) = (−1)l . Beweis: √ Nach Satz 1.43 können wir jedes Element von OF in der Form (x + y D)/2 mit x ≡ y mod 2 schreiben, wobei für D 6≡ 1 mod 4 sogar x ≡ y ≡ 0 mod 2 gilt. Ist speziell u ∈ UF , so haben wir für x, y mit diesen Eigenschaften √ 1 u = (x + y D) 2 und (∗) x2 − Dy 2 = ±4 wegen NF (u) = ±1. Wir wählen √ 1 ε1 = ε1 (F ) = (x1 + y1 D) ∈ UF 2 als die kleinste Lösung von (∗) mit y1 > 0. Dann ist x1 6= 0, und mit x1 > 0 (o.B.d.A.) wird ε1 eindeutig. Bekanntlich sind die positiven Lösungen der Pell’schen Gleichung (∗∗) x2 − y 2 D = ±1 genau gegeben durch x = Akl−1 , y = Bkl−1 (k = 1, 2, . . .); hinzu kommen die entsprechenden Lösungen durch Änderung von Vorzeichen und die triviale Lösung 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 58 x = 1, y = 0. Die kleinste positive Lösung ist demnach x = A − l − 1, y = Bl−1 . Für D 6≡ 1 mod 4 haben wir in (∗) x ≡ y ≡ 0 mod 2, d.h. (∗) ⇐⇒ (∗∗). Für D ≡ 1 mod 8 in (∗) ergibt sich x2 − y 2 ≡ x2 − Dy 2 = ±4 ≡ 4 mod 8 , was nur für x ≡ y ≡ 0 mod 2 möglich ist. Also folgt auch in diesem Fall (∗∗) aus (∗), und wir haben in den bisherigen Situationen √ ε1 = Al−1 + Bl−1 D . √ Es bleibt der Fall D ≡ 5 mod 8 und ε1 6= Al−1 +Bl−1 D. Dann gilt x ≡ y ≡ 1 mod 2 in (∗), und ε12 = √ 2 1 2 √ √ 1 x+y D = (x + y 2 D) + 2xy D 6∈ Z[ D] , 4 4 aber ε31 = √ 3 1 2 √ √ 1 x+y D = x x + 3y 2 D + y 3x2 + y 2 D D ∈ Z[ D] 8 8 wegen x2 +3y 2 D ≡ 1+3·1·5 ≡ 0 mod 8 und auch 3x2 +y 2 D ≡ 3·1+1·5 ≡ 0 mod 8. Selbstverständlich ist NF (ε31 ) = NF (ε1 )3 = NF (ε1 ) , also ist ε13 die kleinste positive Lösung von (∗∗), d.h. √ ε31 = Al−1 + Bl−1 D . Die Tatsache, dass 2 A2kl−1 − Bkl−1 D = (−1)kl und dies alle Lösungen von x2 − y 2 D = ±1 sind, impliziert nun, dass UF genau die angegebene Menge ist. Außerdem folgt auch, dass NF (ε1 ) = NF (ε31 ) = (−1)1·l . 2 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 59 Beispiele: √ √ (i) Sei D = 226 ≡ 2 mod 4, also ∆F = 904 für F = Q( 226). Wir haben 226 = 15; 30 , denn für α := 30 = 30 + 1/α gilt α2 − 30α − 1 = 0 =⇒ α1,2 = 15 ± √ 226 α>0 =⇒ α = 15 + √ 226 , also √ √ 1 1 226 = 15 + ( 226 − 15) = 15 + √ = 15 + = 15; 30 . α 226 + 15 Somit ist in Satz 2.4 l = 1 und wegen A0 /B0 = 15/1 √ √ ε1 = A0 + B0 226 = 15 + 226 die minimale positive Einheit in UF . √ √ (ii) Sei D = 293 = ∆F ≡ 5 mod 8 mit F = Q( 293). Wir finden 293 = 17; 8, 1, 1, 8, 34 , also l = 5. Man berechnet A4 2482 = h17; 8, 1, 1, 8i = = ε1 oder ε31 . B4 145 Es zeigt sich √ √ 1 1 ε1 := (A0 + B0 293) = (17 + 293) 2 2 erfüllt ε31 = A4 /B4 , also ist ε1 die minimale positive Einheit in UF . 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 60 2.2. Kreisteilungskörper Ist ζn eine primitive n-te Einheitswurzel, so heißt Q(ζn ) n-ter Kreisteilungskörper (aus offensichtlichen Gründen; vgl. Defnition 1.4). Wir wollen im Folgenden den Ring der ganzen Zahlen in Q(ζn ) bestimmen. Definition 2.5 Für n ∈ N heißt Φn (x) := X 1≤j≤n (j,n)=1 (x − ζnj ) n-tes Kreisteilungspolynom. Der Grad von Φn (x) ist offenbar gleich Eulers ϕ(n). Satz 2.6 Für n ∈ N gilt mit einer primitven n-ten Einheitswurzel ζn Φn (x) = mζn ,Q (x) . Insbesondere ist Φn (x) ∈ Z[x] irreduzibel in Z[x]. Beweis: Wir zeigen zunächst, dass Φn (x) ∈ Z[x]. Für j = 1, . . . , n ist ζnj eine n/d-te primitive Einheitswurzel, sofern d = ggT(j, n). Damit folgt xn − 1 = = n n Y Y Y (x − ζnj ) = (x − ζnj ) j=1 Y d|n = Y d|n d|n n/d Y k=1 (k,n/d)=1 (x − Φn/d (x) = j=1 (j,n)=d (ζnd )k ) Y j j = d · k, k = ; d j n , d d =1 Φd (x) . d|n Wir haben Φ1 (x) = x − 1 ∈ Z[x]. Unter Verwendung von Induktion sei Φk (x) ∈ Z[x] für alle k < n. Nach obiger Identität ist xn − 1 Q , Φn (x) = Φd (x) d|n d<n 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 61 wobei in Zähler und Nenner Polynome aus Z[x] mit führenden Koeffizienten 1 stehen. Nach dem Gauß-Lemma muß dann auch Φn (x) ∈ Z[x] gelten. Behauptung: Ist ζ eine primitive n-te Einheitswurzel, so gilt Mζx ,Q (ζ p ) = 0 für jedes p ∈ P, p - n. Wir kürzen ab m1 (x) := mζn ,Q (x) und m2 (x) := mζ p ,Q (x). Da ζ n-te Einheitswurzel ist, gilt m1 (x) | (xn − 1). Da auch ζ p n-te Einheitswurzel ist, folgt m2 (x) | (xn − 1). Mit m1 (ζ p ) = 0 wäre unsere Behauptung bewiesen. Sei also m1 (ζ p ) 6= 0. Wegen der Irreduzibilität von m1 (x) und m2 (x) hätten wir dann m1 (x) · m2 (x) | (xn − 1), d.h. (∗) xn − 1 = m1 (x) · m2 (x) · g(x) für ein g(x) ∈ Z[x]. Das Polynom m2 (xp ) hat die Nullstelle ζ, also m1 (x) | m2 (xp ), d.h. es gibt h(x) ∈ Z[x] mit m2 (xp ) = m1 (x) · h(x) . Wir betrachten die Polynomidentitäten über Z nun modulo p. Man zeigt leicht mit dem Binomischen Lehrsatz, dass für beliebige Polynome f (x) gilt f (xp ) ≡ f (x)p mod p. Also haben wir m2 (x)p ≡ m1 (x) · h(x) mod p . Ist nun k(x) ein beliebiger irreduzibler Faktor von m1 (x) mod p, so ist k(x) auch ein solcher Teiler von m2 (x)p und damit von m2 (x) mod p. Mit (∗) folgt, dass xn − 1 mod p durch k(x)2 teilbar ist, d.h. k(x) | (xn − 1) mod p und k(x) | (xn − 1)0 = nxn−1 mod p. Wegen p - n hat n · xn−1 nur irreduzible Faktoren x, die jedoch nicht xn − 1 teilen. Dieser Widerspruch beweist unsere Zwischenbehauptung. Wir zeigen nun, dass jede primitive n-te Eineitswurzel eine Nullstelle von mζn ,Q (x) ist. Jede solche Einheitswurzel ist von der Form ζnj für ein (j, n) = 1, d.h. j = p1 · p2 · . . . · pr für gewisse pi ∈ P, pi - n. Trivialerweise gilt mζn ,Q (ζn ) = 0. Durch iterative Anwendung der Zwischenbehauptung erhalten wir mζn ,Q (ζnp1 ) = mζn ,Q (ζnp1 ·p2 ) = · · · = mζn ,Q (ζnp1 ·...·pr ) = 0 . 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 62 Damit folgt Φn (x) | mζn ,Q (x). Da schon gezeigt wurde, dass Φn (x) ∈ Z[x], und offenbar Φn (x) führenden Koeffizienten 1 besitzt, bleibt wegen der Irreduzibilität von mζn ,Q (x) nur Φn (x) = mζn ,Q (x). 2 Korollar 2.7 Für n ∈ N und eine primitive n-te Einheitswurzel ζn gilt [Q(ζn ) : Q] = ϕ(n). Beweis: Nach Korollar 1.12 und Satz 2.6 gilt [Q(ζn ) : Q] = deg mζn ,Q = deg Φn = ϕ(n) . 2 Satz 2.8 Für F = Q(ζn ) mit einer primitven n-ten Einheitswurzel ζn gilt ∆F | nϕ(n) . Beweis: Klar ist n Y (∗) x − 1 = (x − ζnj ) = Φn (x) · g(x) n j=1 für ein g(x) ∈ Z[x]. Differenzieren liefert n · xn−1 = Φ0n (x) · g(x) + Φn (x) · g 0 (x) also für x := ζn n · ζnn−1 = Φ0n (ζn ) · g(ζn ) . 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 63 Aus (∗) folgt, dass die Konstante in Φn (x), d.h. bis aufs Vorzeichen das Produkt der Konjugierten von ζn (nach Satz 2.6), gleich ±1 ist; mit anderen Worten: NF (ζn ) = ±1. Also erhalten wir ±nϕ(n) = NF (ζn )n−1 · NF (n) = NF (n · ζnn−1 ) = NF (Φ0n (ζn )) · NF (g(ζn )) . Nach Satz 1.25 gilt NF (Φn0 (ζn )) = ±discr(mζn ,Q ) = ±discr(B) (als Vandermonde-Determinante, vgl. Lemma 1.34) für ϕ(n)−1 B = {1, ζn , ζn2 , . . . , ζn } ⊆ OF . Sei B1 eine Ganzheitsbasis von F , also discr(B1 ) = ∆F . Nach Satz 1.35 gilt discr(B) = D2 ·discr(B1 ) mit einem D ∈ Z. Wegen discr(B) ∈ Z haben wir also zusammen ∆F = discr(B1 ) | discr(B) = ±NF (Φn0 (ζn )) , und es folgt die Behauptung. 2 Satz 2.9 Für F = Q(ζn ) mit einer primitiven n-ten Einheitswurzel ζn gilt OF = Z[ζn ]. Beweis: Für n = 1, 2 haben wir ζn = 1 bzw. ζn = −1, und die Behauptung ist trivial. Sei also o.B.d.A. n ≥ 3. Wir zeigen den Satz zunächst für Primzahlpotenzen n = pa . 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 64 Wir setzen ζ := ζpa . Nach Korollar 2.7 ist B1 = {1, ζ, ζ 2 , . . . , ζ ϕ(p a )−1 } eine Q-Basis von F . Behauptung: |discr(B1 )| = ps für ein s ∈ N. Mit Hilfe des Beweises von Satz 2.6 haben wir a xp − 1 = Y d|pa Φd (x) = Φpa (x) · Y d|pa−1 Φd (x) = Φpa (x) · (xp a−1 − 1) . Wir differenzieren und setzen x = ζ, also a −1 pa · ζ p = Φp0 a (ζ) · (ζ p a−1 − 1) , a und somit wegen ζ p = 1 a−1 (∗) Φ0pa (ζ) · (ζ p Es ist ξ := ζ p a−1 − 1) · ζ = pa . eine primitive p-te Einheitswurzel, also p−1 Y (1 − ξ j ) = Φp (1) = p NQ(ξ) (1 − ξ) = j=1 wegen Φp (x) = (xp − 1)/(x − 1) = xp−1 + xp−2 + · · · + x + 1. Mit Satz 1.22 (ii) kommt wegen NQ(ζ) (−1) = ±1 NQ(ζ) (ξ − 1) = ±(NQ(ξ) (ξ − 1))p a−1 a−1 = ±pp . Da auch NQ(ζ) (ζ −1 ) = ±1, erhalten wir aus (∗) a−1 NQ(ζ) (Φ0pa (ζ)) · (±pp a a −pa−1 ) ) = NQ(ζ) (pa ) = (pa )ϕ(p ) = pa(p . Wie im Beweis zu Satz 1.43 erhalten wir discr(B1 ) = discr(mζ,Q ), also mit Satz 1.25 und Satz 2.6 discr(B1 ) = ±NQ(ζ) (m0ζ,Q (ζ)) = ±NQ(ζ) (Φ0pa (ζ)) = ±pp a−1 (ap − a − 1) . Dies beweist die Zwischenbehauptung, da n ≥ 3. a )−1 Wir setzen η := 1 − ζ. Dann ist B2 := {1, η, η 2 , . . . , η ϕ(p } auch eine Q-Basis 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 65 von F , wobei nach Satz 1.35 discr(B2 ) = discr(B1 ) = ±ps für ein s ∈ N (die Transformationsmatrix ist obere Dreiecksmatrix mit Diagonalelement ±1). Wegen ζ = 1 − (1 − ζ) ist Z[ζ] = Z[1 − ζ], d.h. es genügt OF = Z[η] zu zeigen. Behauptung: Jedes β ∈ OF besitzt eine Darstellung ϕ(pa ) (∗∗) β = X j=1 mit zj ∈ Z. zj · η j−1 discr(B2 ) Ist B3 := {α1 , α2 , . . . , αϕ(pa ) } eine Ganzheitsbasis von F , so existieren für j = 1, . . . , ϕ(pa ) Zahlen aj,k ∈ Z (1 ≤ k ≤ ϕ(pa )) mit ϕ(pa ) η j−1 = X k=1 aj,k · αj . Nach der Cramer’schen Regel existieren dann Zahlen a0j,k ∈ Z derart, dass ϕ(pa ) αj = X k=1 a0j,k · η k−1 det(aj,k ) (1 ≤ j ≤ ϕ(pa )) , wobei wegen Satz 1.35 in ganzen Zahlen gilt discr(B2 ) = (det(aj,k ))2 · discr(B3 ) , also det(aj,k ) | discr(B2 ). Da β als Linearkombination der αj geschrieben werden kann, folgt die Zwischenbehauptung. Wir nehmen nun an, es gäbe ein β ∈ OF mit β 6∈ Z[η]. Wegen (∗∗) und discr(B2 ) = ±ps können wir durch Multiplikation von (∗∗) mit einer geeigneten Potenz von p o.B.d.A. annehmen, dass ϕ(pa ) β= X zj η j−1 p j=d für ein d in 1 ≤ d ≤ ϕ(pa ), wobei p - zd . Mit einem Argument wie weiter oben im Beweis folgt NF (1 − ζ) = p . Wegen (1 − ζ j )/(1 − ζ) = 1 + ζ + · · · + ζ j−1 ∈ Z[ζ] erhalten wir p η ϕ(pa ) a p Y NF (1 − ζ) 1 − ζj = = ∈ Z[ζ] ; (1 − ζ)ϕ(pa ) 1−ζ j=1 (j,pa )=1 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 66 also insbesondere p p a = ϕ(pa ) · η ϕ(p )−d ∈ Z[ζ] . d η η Dies impliziert, dass a a ϕ(p ) ϕ(p ) X pβ 1 X zd j−1 = z · + η = zj · η j−d−1 j d d η η j=d η j=d+1 in OF liegt, d.h. zd /η ∈ OF . Es folgt ϕ(pa ) NF (η) = NF (1 − ζ) = p | NF (zd ) = zd Widerspruch! (p - zd ) . Dieser Widerspruch widerlegt unsere Annahme β ∈ Z[η], d.h. der Satz gilt für alle n = pa . Sei nun n ∈ N beliebig mit Primfaktorisierung n = pa11 · . . . · par r . Für Fj := Q(ζpaj ) haben wir ggT(∆Fk , ∆Fl ) = 1 für k 6= l wegen Satz 2.8 und j pk 6= pl . Für zwei Zahlkörper F und G bezeichnet F G den kleinsten Körper in C, P der F und G umfaßt (d.h. F G besteht aus allen endlichen Summen αi βj mit αi ∈ F und βj ∈ G). Falls ggT(∆F , ∆G ) = 1, so folgt nach einem Ergebnis von Hilbert, dass OF G = OF OG . Bei uns ergibt sich OF1 F2 = OF1 · OF2 = Z[ζp1a1 ] · Z[ζpa2 2 ] = Z[ζpa1 1 , ζpa2 2 ] = Z[ζp1a1 ·pa2 2 ] und damit induktiv OF = OF1 · . . . · OFr = Z[ζp1a1 ·...·pa2 2 ] = Z[ζn ] . 2 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 67 Korollar 2.10 a )/2 Für F = Q(ζpa ) gilt ∆F = (−1)ϕ(p · pp a−1 (a · (p − 1) − 1). Beweis: Im Beweis von Satz 2.9 haben wir nach Satz 2.9 ∆F = discr(B1 ). Eine etwas genauere Analyse des Vorzeichens in der ersten Zwischenbehauptung dort liefert die gewünschte Aussage. 2 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 68 2.3. Einheiten in Ganzzahlringen Wir listen einige Ergebnisse über Einheiten auf, die uns im Wesentlichen schon bekannt sind. Satz 2.11 Für α ∈ A sind die folgenden Aussagen äquivalent: (i) α ist eine Einheit. (ii) α | 1 in A. (iii) Für jeden Zahlkörper F mit α ∈ F gilt |NF (α)| = 1. (iv) Für F = Q(α) gilt |mα,Q (0)| = 1. Beweis: Die Äquivalenz (i) ⇐⇒ (ii) folgt direkt aus der Definition der Einheit. Die Gleichwertigkeit von (i) und (ii) wurde schon im Beweis von Satz 1.46 gezeigt: 1 = NF (1) = NF (α) · NF (α−1 ) mit NF (α), NF (α−1 ) ∈ Z, also |NF (α)| = 1; umgeQ kehrt ist ±1 = NF (α) = α · α(j) für die Konjugierten α = α(1) , α(2) , . . . , α(d) vo α, j also ist α invertierbar. Zur Äquivalenz von (i) und (iv): Nach Satz 1.22 (iii) gilt wegen (i) ⇐⇒ (iii) |mα,Q (0)| = 1 ⇐⇒ |NF (α)| = 1 ⇐⇒ α ist Einheit . 2 In den Sätzen 1.46 bzw. 2.4 enthielt die Einheitengruppe jeweils die Komponente bestehend aus Einheitswurzeln. Wir bezeichnen mit RF die Menge der Einheitswurzeln in einem gegebenen Zahlkörper F (offenbar ist RF ⊆ UF ). 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 69 Satz 2.12 Sei F ein Zahlkörper. Dann gilt (i) RF ist eine endliche zyklische Gruppe (bzgl. Multiplikation). (ii) |RF | ist gerade und |RF | | ∆F . 2 Beweis: (i) Offenbar ist RF eine kommutative Gruppe mit Einselement 1 und Inversem ζnn−1 zu gegebenem ζn ∈ RF . Ist [F : Q] = d, so existieren nur endlich viele n ∈ N mit ϕ(n) ≤ d und zu jedem solchen n genau ϕ(n) primitive n-te Einheitswurzeln. Nach Korollar 2.7 ist somit RF endlich. Ist |RF | = n, so gilt nach dem Satz von Lagrange ζ n = 1 für alle ζ∈ RF , d.h. in RF liegen nur n-te Einheitswurzeln. Da es aber nur n n-te Einheitswurzeln gibt, folgt mit |RF | = n, dass RF genau aus den n-ten Einheitswurzeln besteht. Jede primitive n-te Einheitswurzel erzeugt also RF . (ii) Wegen {1, −1} ⊆ Q ⊆ F , also {1, −1} ⊆ RF , haben wir für jedes α ∈ RF , dass auch −α ∈ RF . Damit ist |RF | gerade. Sei nun |RF | = n mit der Primfaktorisierung n = pa11 · . . . ·ar r . Nach (i) besteht RF genau aus den n-ten Einheitswurzeln, also insbesondere ζpaj ∈ j RF für alle 1 ≤ j ≤ r. Demnach ist Fj := Q(ζpaj ) ⊆ F für alle j, und nach Korollar j 2.10 gilt p aj −1 (∗) ∆Fj = ±pj j (aj (pj − 1) − 1) . Behauptung: ∆Fj | ∆F für 1 ≤ j ≤ r. Seien dazu ganz allgemein Q ⊆ K ⊆ L Zahlkörper. Dann gilt [L : Q] = [L : K] · [K : Q], also d1 := [K : Q] | d2 := [L : Q] . 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 70 Wir wissen nach Satz 1.39, dass für geeignete Ganzheitsbasen {α1 , . . . , αd1 } bzw. {β1 , . . . , βd2 } OK = d1 M j=1 Zαj , OL = d2 M Zβj j=1 als freie abelsche Gruppen. Wegen OK ⊆ OL ist OK freier Untermodul von OK , also können wir {α1 , . . . , αd1 } zu einer Ganzheitsbasis {α1 , . . . , αd2 } von L ergänzen. Analog zu Satz 1.35 folgt ∆L = discr(α1 , . . . , αd2 ) = D2 · discr(α1 , . . . , αd1 ) = D2 · ∆K , also ∆K | ∆L , und die Zwischenbehauptung ist bewiesen. Mit (∗) ergibt sich r Y aj −1 p pj j j=1 (aj (pj − 1) − 1) | ∆F . Für pj > 2 ist a −1 pj j (aj (pj − 1) − 1) ≥ aj , und für pj = 2 gilt a −1 pj j also (aj (pj − 1) − 1) = 2aj −1 (aj − 1) ≥ aj − 1 , r r 1 Y aj Y pjaj −1 |RF | (aj (pj − 1) − 1) ∆F . = pj pj 2 2 j=1 j=1 2 Satz 2.13 Sei F ein Zahlkörper mit [F : Q] = d, seien Θ1 , . . . , Θd die Einbettungen von F . Zu jedem r ∈ R>0 existieren nur endlich viele α ∈ OF derart, dass |Θj (α)| ≤ r für alle j = 1, . . . , d. 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 71 Beweis: Wir setzen: d j M := max · r : j = 1, . . . , d j und F := ( xd + d X j=0 ) zj xj ∈ Z[x] : |zj | M (0 ≤ j < d) . Offenbar ist F eine endliche Menge von Polynomen, und damit ist auch S := {α ∈ F : f (α) = 0 für ein f (x) ∈ F} endlich. Sei nun α ∈ F mit |Θj (α)| ≤ r für alle j = 1, . . . , d. Bezeichnen s1 , s2 , . . . , sd die elementarsymmetrischen Funktionen von x1 , . . . , xd , so folgt |sj (Θ1 (α), . . . , Θd (α))| ≤ sj (r, r, . . . , r) d = · rj ≤ M j für j = 1, . . . , d. Wegen α ∈ OF wissen wir außerdem, dass alle sj (Θ1 (α), . . . , Θd (α)) ∈ Z sind. Also gilt d d X Y d (−1)j sj (Θ1 (α), . . . , Θd (α))xd−j ∈ F , (x − Θj (α)) = x + j=1 j=1 und somit α ∈ S. 2 Korollar 2.14 Es gibt ein α ∈ RF gdw. |Θj (α)| = 1 für j = 1, 2, . . . , d = [F : Q]. 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 72 Beweis: =⇒“ ” Ist α ∈ RF , so folgt für alle j = 1, . . . , d (Θj (α))n = Θj (αn ) = ΘJ (1) = 1 mit einem geeigneten n ∈ N. Also ist |Θj (α)|n = 1, d.h. |Θj (α)| = 1. ⇐=“ ” Sei |Θj (α)| = 1 für j = 1, . . . , d. Nach Satz 2.13 gibt es nur endlich viele α ∈ OF mit dieser Eigenschaft. Für alle k ∈ N ist αk ∈ OF und Θj (αk ) = (Θj (α))k = |Θj (α)|k = 1 für j = 1, . . . , d. Also gibt es 1 ≤ k < l mit αk = αl , d.h. αl−l = 1. Das bedeutet α ∈ RF . 2 Satz 2.15 Sei p 6= 2 Primzahl und ζp eine primitve p-te Einheitswurzel. Dann ist RF = h−1i × hζp i als multiplikative Gruppe. Beweis: Nach Satz 2.9 ist OF = Z[ζp ]. Selbsverständlich gilt h−1i × hζp i ⊆ RF . Wäre h−1i × hζp i 6= RF , so gäbe es ein ζn ∈ RF mit n - 2p. Nach Satz 2.12 und Korollar 2.10 haben wir |RF | | 2∆F = ±2 · pp−2 , d.h. die Ordnung der Gruppe RF ist 2·pt für ein t ∈ N. Nach dem Satz von Lagrange hat dann auch jedes Element von RF eine Ordnung ps oder 2ps für ein s ≤ t. 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 73 Nach obiger Annahme existiert also ein ζp2 ∈ RF . Aber [Q(ζp2 ) : Q] = ϕ(p2 ) = p2 − p > [Q(ζp ) : Q] . Widerspruch! Damit folgt h−1i × hζp i = RF . 2 Bemerkung: Man kann zeigen, dass für F = Q(ζp ), p > 2, jede Einheit u ∈ UF eine Darstellung u = w · ζpk mit w ∈ UF ∩ R und k ∈ N besitzt. Selbstverständlich sind ±1 ∈ UF ∩ R, aber es gibt noch weitere Elemente in UF ∩ R: Sei u := (1 − ζpj )/(1 − ζp ) für ein j ∈ {1, . . . , p − 1}. Im Beweis zu Satz 2.9 hatten wir gesehen, dass NF (1 − ζpj ) = NF (1 − ζp ) = p , also NF (u) = 1, d.h. u ∈ UF nach Satz 2.11. Die komplex Konjugierte von u ist u= 1 − ζp−j ζp−j (ζpj − 1) = ζp1−j · u . = 1 − ζp−1 ζp−1 (ζp − 1) Also ist auch u ∈ UF . Damit ist 1 − ζpj 1 − ζp−j u·u= · = ζp1−j · u2 ∈ UF ∩ R , 1 − ζp 1 − ζp−1 und für 2 - j ist auch v= √ 1−j uu = ζp 2 · u ∈ UF ∩ R . 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 74 2.4. Geometrie der Zahlen Die Grundlagen der im Folgenden dargestellten Theorie mit dem Namen Geometrie ” der Zahlen“ wurden von Minkowski im 19. Jahrhundert gelegt. Definition 2.16 Seien ~v1 , . . . , ~vm ∈ Rn mit m, n ∈ N, m ≤ n, linear unabhängige Vektoren über R. Dann heißt Γ= ( ~v ∈ Rn : ~v = m X j=1 ) zj ~vj , zj ∈ Z = Z [~v1 , . . . , ~vm ] ein Gitter der Dimension m in Rn . Für m = n heißt Γ volles Gitter, d.h. ein volles Gitter ist eine freie abelsche Gruppe vom Rang n mit einer Z-Basis, die gleichzeitig eine R-Basis des Rn bildet. Desweiteren nennen wir für m = n ( n ) X P= rj ~vj : 0 ≤ rj < 1 (j = 1, . . . , n) j=1 den Fundamentalbereich (Fundamentalparallelepiped) von Γ. Das Volumen V (P) = |det(~vj )| des Fundamentalbereichs heißt auch Diskriminante von Γ, bezeichnet mit D(Γ). Beispiel: √ Sei F = Q( 3). Nach Satz 1.43 haben wir √ √ 1/2 1 + −3 1 + −3 ∼ 1 √ =Γ OF = Z +Z· =Z+Z· =Z· 2 2 0 3/2 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 75 y 6 1/2 √ ◦ ◦ ◦ } ◦1 ◦ ◦ Fundamentalbereich P mit √ 1 1/2 V (P)=det = 3/2=D(Γ) √ 3/2 ◦ 0 P 3/2 -x 0 ◦ Eine Menge S ⊆ Rn heißt diskret, wenn in jeder beschränkten Teilmenge von Rn höchstens endlich viele Punkte von S liegen. Satz 2.17 Sei L ⊆ Rn , L = 6 ∅. Dann ist L ein Gitter, gdw. L eine diskrete, additive Untergruppe von Rn ist. Bemerkung: Häufig wird die in Satz 2.17 genannte Eigenschaft von Gittern als definierende Eigenschaft verwendet. Üblicherweise heißt eine Menge S ⊆ Rn konvex, wenn für alle s, t ∈ S auch die Punkte λs + (1 − λ)t (0 ≤ λ ≤ 1) in S liegen, d.h. mit s und t liegt auch die Verbindungsstrecke in S. Nach einem Satz von Blaschke besitzen konvexe Mengen in Rn ein Volumen, nämlich Z Z V (S) = . . . dx1 . . . dxn . S 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 76 Eine Menge S ⊆ Rn heißt symmetrisch, falls für jedes s ∈ S auch −s ∈ S gilt. Beispiele für konvexe Mengen im R2 sind Ellipsen und Quadrate; Beispiele für beschränkte, symmetrische, konvexe Mengen im Rn sind n-dimensionale Würfel {~s = (s1 , . . . , sn ) ∈ Rn : |sj | ≤ 1 (j = 1, . . . , n)} und die n-dimensionale Einheitskugel {~s ∈ Rn : |~s| ≤ 1} . Lemma 2.18 Sei S ⊆ Rn beschränkt, und sei Γ ⊆ Rn ein volles Gitter. Sind die verschobenen Mengen S~z := S + ~z := {~s + ~z : ~s ∈ S} (~z ∈ Γ) paarweise disjunkt, d.h. S~z1 ∩ S~z2 = ∅ für ~z1 , ~z2 ∈ Γ, ~z1 = 6 ~z2 , so gilt für das Volumen des Fundamentalbereichs P V (P) ≥ V (S) . Beweis: Wegen P~z1 ∩P~z2 = ∅ für ~z1 , ~z2 ∈ Γ, ~z1 6= ~z2 , und Zerlegung S= [ • ~ z ∈Γ also V (S) = S ~ z ∈Γ P~z = Rn haben wir die disjunkte (S ∩ P−~z ) , X ~ z ∈Γ V (S ∩ P−~z ) . Mit (S ∩ P−~z ) + ~z = S~z ∩ P folgt V (S ∩ P−~z ) = V (S~z ∩ P) und damit V (S) = X ~ z ∈Γ V (S~z ∩ P) . Da die S~z paarweise disjunkt sind, so gilt dies erst recht für die (S~z ∩ P). Mit S~z ∩P ⊆ P ergibt sich V (S) = X ~ z ∈Γ also insgesamt die Behauptung. V (S~z ∩ P) ≤ V (P) , 2 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 77 Satz 2.19 (Minkowskis Gitterpunktsatz) Sei Γ ∈ Rn ein volles Gitter mit Fundamentalbereich P. Ist S ⊆ Rn symmetrisch und konvex derart, dass V (S) > 2n · V (P) , so gibt es einen Punkt ~x ∈ S ∩ Γ mit ~x 6= ~0. (Für unbeschränktes S setzen wir V (S) := ∞). Beweis: Sei o.B.d.A. S beschränkt; andernfalls wählen wir eine beschränkte Teilmenge von S mit hinreichend großem Volumen (z.B. S ∩ {~s ∈ Rn : |~s| ≤ r} , r ∈ R groß). Sei T := 1/2 · S := {1/2 · ~s : ~s ∈ S}. Dann gilt V (T ) = 1 V (S) > V (P) . 2n Wären alle T~z = 1/2 · S + ~z paarweise disjunkt, so wäre nach Lemma 2.18 V (P) ≥ V (T ). Widerspruch! Also gibt es ~s 6= ~t ∈ Γ mit 1 1 T−~s ∩ T~t = S − ~s ∩ S − ~t = 6 ∅. 2 2 Seien ~x, ~y ∈ S so, dass 1/2 · ~x − ~s = 1/2 · ~y − ~t, d.h. ~t − ~s = 1/2 · ~y − 1/2 · ~x. Da S symmetrisch und konvex ist, haben wir −~x ∈ S und 1/2 · ~y + 1/2 · (−~x) ∈ S, also ~t − ~s ∈ S. Außerdem ist ~t − ~s ∈ Γ, zusammen also ~t − ~s ∈ S ∩ Γ \ {~0}. 2 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 78 Korollar 2.20 (Minkowskis Linearformensatz) Für j = 1, . . . , n seien die Linearformen Lj (x1 , . . . , xn ) = n X ai,j xi i=1 mit ai,j ∈ C gegeben, wobei zu Lj ein Lj 0 existiert, mit Lj 0 (~x) = Lj (~x) := n P ai,j xi i=1 (diese Bedingung ist leer, sofern die ai,j ∈ R sind). Sei Γ ⊆ Rn ein volles Gitter mit Diskriminante D(Γ). Sind c1 , . . . , cn ∈ R>0 mit cj = cj 0 und n Y j=1 cj ≥ |det(ai,j )| · D(Γ) , so existiert ein ~x ∈ Γ, ~x 6= ~0 derart, dass |L1 (~x)| ≤ c1 |Lj (~x)| < cj (j = 2, . . . , n) . und Beweis: (nur für den reellen Fall ai,j ∈ R) Zu festem ε mit 0 < ε < 1 sei Sε ⊆ Rn definiert durch Sε := {~x ∈ Rn : |L1 (~x)| < c1 + ε, |Lj (~x)| < cj (j = 2, . . . , n)} . Offenbar ist Sε eine von Hyperebenen begrenzte beschränkte, konvexe und symmetrische Menge. Es folgt 1 V (Sε ) > |det(ai,j )| Zc1 dx1 · · · −c1 Zcn −cn dxn = 2n · c1 · . . . · cn ≥ 2n · D(Γ) |det(ai,j )| für jedes ε > 0. Also gibt es nach Satz 2.19 zu jedem ε > 0 ein ~xε ∈ Γ \ {~0} mit |L1 (~xε )| < c1 + ε und |Lj (~xε )| < cj (j = 2, . . . , n) . 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 79 Da ~xε ∈ Γ ∩ Sε , also ~xε aus einer endlichen Menge stammt, gibt es ein ~x ∈ Γ \ {~0}, so dass |L1 (~x)| < c1 + ε und |Lj (~x)| < cj (j = 2, . . . , n) für alle ε > 0, und dieses ~x erfüllt die Behauptung des Korollars. 2 Satz 2.21 Für einen Zahlkörper F 6= Q gilt |∆F | ≥ 2. Beweis: (1) (n) Sei {α1 , . . . , αn } eine Ganzheitsbasis von F mit den Konjugierten αi , . . . , αi (1) αi = αi von für i = 1, . . . , n. Seien Lj (x1 , . . . , xn ) := n X (j) αi xj (j = 1, . . . , n) , i=1 und sei Γ := Zn , also D(Γ) = 1. Wir wählen q n (j) 1/2n c1 = c2 = · · · = cn = |∆F | = | det(αi |. Damit sind alle Bedingungen aus Korollar 2.20 erfüllt, insbesondere n Y j=1 (j) cj = det(αi ) · D(Γ) . Somit existieren x1 , . . . , xn ∈ Z, nicht alle 0 derart, dass |NF (x1 α1 + · · · + xn αn )| = n Y j=1 |Lj (x1 , . . . , xn )| < n Y j=1 cj = p |∆F | . Mit x1 α1 + · · · + xn αn ∈ OF folgt |NF (x1 α1 + · · · + xn αn )| ≥ 1 und damit die Behauptung. 2 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 80 Definition 2.22 Sei {r1 , r2 } die Signatur eines Zahlkörpers F , seien Θj (F ) ⊆ R für j = 1, . . . , r1 und Θj (F ) * R für j = r1 + 1, . . . , r1 + r2 und Θj = Θj−r2 für j = r1 + r2 + 1, . . . , r1 + 2r2 . Wir definieren die Abbildung r1 2r2 r2 ∼ r1 F −→ R × C = R × R ΘF := α 7−→ (Θ1 (α), . . . , Θr1 (α), Θr1 +1 (α), . . . , Θr1 +r2 (α)) ∼ = (Θ1 (α), . . . , Θr1 (α), Re Θr1 +1 (α), Im Θr1 +1 (α), . . .) . Bemerkungen: (i) Sowohl F wie auch Rr1 × Cr2 sind Q-Algebren (d.h. kommutative Ringe mit Einselement und gleichzeitig Q-Moduln, wobei r(αβ) = (rα)β = α(rβ) für r ∈ Q und α, β aus der Algebra), und ΘF ist ein injektiver Q-Algebra- Homomorphismus (d.h. Ring-Homomorphismus und Q-Modul-Monomorphismus). Dabei ist die Multiplikation auf Rr1 × Cr2 komponentenweise erklärt. (ii) Ist {α1 , . . . , αn } eine Ganzheitsbasis von F , so sind die Vektoren ΘF (α1 ), . . . ΘF (αn ) ∈ Rn linear unabhängig über R, denn sonst wäre det(ΘF (αi )) = 0 und somit ∆F = 0 (siehe unten). Also ist ΘF (OF ) = ΘF (Zα1 ⊕ · · · ⊕ Zαn ) ein volles Gitter in Rn . Für den zugehörigen Fundamentalbereich POF haben √ wir wegen Re z = (z + z)/2 und Im z = (z − z)/(2 −1) (z ∈ C) 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN V (POF ) = = = = = = = = 81 det (Θ1 (αi ), . . . , Θr1 (αi ), Re Θr1 +1 (αi ), Im Θr1 +1 (αi ), . . . , Re Θr1 +r2 (αi ), Im Θr1 +r2 (αi )) z+z z−z det √ , . . . , , . . . mit z := Θr1 +1 (αi ) 2 2 −1 √ −r2 z z − + z z −1 , , . . . · det . . . , 2 2 z−z det . . . , z, , . . . 2 −z det , . . . . . . , z, z r2 −1 · det ((. . . , z, z, . . .)) 2 r2 1 − · det Θ1 (αi ), . . . , Θr1 (αi ), Θr1 +1 (αi ), Θr1 +1 (αi ), . . . 2 r2 p 1 · |∆F | . 2 (iii) Sei M ⊆ F ein freier Z-Modul vom Rang n = [F : Q]. Ist der Index [OF : M ] = m ∈ N, so ist das volle Gitter Θ(M ) ⊆ Rn ein Teilgitter von Θ(OF ), und für den Fundamentalbereich PM gilt V (PM ) = m · V (OF ). Satz 2.23 Sei {r1 , r2 } die Signatur eines Zahlkörpers F mit [F : Q] = n = r1 + 2r2 . Sei M ⊆ OF ein Z-Modul von endlichem Index in OF , d.h. m := [OF : M ] ∈ N (also ist insbesondere der Rang von M gleich dem Rang des Z-Moduls OF ). Dann gibt es ein α ∈ M \ {0} mit r2 q n! 4 · n · m · |∆f | . |NF (α)| ≤ π n Beweis: Für B ∈ R>0 setzen wir ( SB (r1 , r2 ) := (α1 , . . . , αr1 , β1 , . . . , βr2 ) ∈ Rr1 × Cr2 : r1 X j=1 |αj | + 2 · r2 X j=1 |βj | ≤ B ) , 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 82 wobei wir SB (r1 , r2 ) auch als Teilmenge des Rr1 +2r2 auffassen können. Offenbar ist SB (r1 , r2 ) beschränkt und symmetrisch. Außerdem ist SB (r1 , r2 ) konvex, denn: Seien (α1 , . . . , αr1 , β1 , . . . , βr2 ), (γ1 , . . . , γr1 , δ1 , . . . , δr2 ) ∈ SB (r1 , r2 ). Dann gilt für µ ≥ 0, λ ≥ 0, µ + λ = 1 r1 X j=1 |µαj + λγj | + 2 · r2 X j=1 |µβj + λδj | ≤ r1 X j=1 ≤ µ µ|αj | + r 1 X j=1 r1 X j=1 λ|γj | + 2 · |αj | + 2 · r2 X j=1 r2 X ! |βj | j=1 µ|βj | + 2 · +λ ≤ µB + λB = (µ + λ) · B = B , r 1 X j=1 r2 X j=1 |γj | + 2 · d.h. µ(α1 , . . . , αr1 , β1 , . . . , βr2 ) + λ(γ1 , . . . , γr1 , δ1 , . . . , δr2 ) ∈ SB (r1 , r2 ). Behauptung: V (SB (r1 , r2 )) = 2r1 · (π/2)r2 · B n /n! . Wir benutzen Doppelinduktion über r1 und r2 . Der Induktionsanfang besteht aus den Fällen r1 = 1, r2 = 0 und r1 = 0, r2 = 1: Es ist SB (1, 0) das Intervall [−B, B] ⊆ R, also n = 1, und mit V (SB (1, 0)) = 2B gilt die Behauptung. Des Weiteren ist SB (0, 1) die Kreisscheibe mit Radius B/2 um ~0 in R2 ∼ = C, also n = 2 und V (SB (0, 1)) = π · B2 4 wie behauptet. Als Induktionshypothese dürfen wir nun annehmen, dass π k B n (∗) V (SB (m, k)) = 2m · · (m ≤ r1 , k ≤ r2 ) . 2 n! Wir untersuchen zuerst SB (r1 + 1, r2 ), definiert durch die Ungleichung |α| + r1 X j=1 |αj | + 2 · r2 X j=1 |Bj | ≤ B , wobei α ∈ R mit |α| ≤ B und n = r1 + 2r2 + 1. Mit (∗) folgt V (SB (r1 + 1, r2 )) = ZB −B V SB−|α| (r1 , r2 ) dα π r2 ZB 2r1 · · (B − |α|)r1 +2r2 dα = (r1 + 2r2 )! 2 −B λ|δj | r2 X j=1 ! |δj | 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 83 π r2 ZB 2r1 = · · (B − α)r1 +2r2 dα (r1 + 2r2 )! 2 π r2 r1 0 2 · = (r1 + 2r2 )! 2 Es bleibt SB (r1 , r2 + 1) mit der Ungleichung r1 X j=1 |αj | + 2 · r2 X j=1 π r2 B n B r1 +2r2 +1 r1 +1 . · · · =2 r1 + 2r2 + 1 2 n! |βj | + 2|β| ≤ B , wobei β = x + yi ∈ C mit |β|2 = x2 + y 2 ≤ (B/2)2 und n = r1 + 2(r2 + 1). Mit (∗) kommt Z Z V (SB (r1 , r2 + 1)) = x2 +y 2 ≤B 2 /4 r1 V SB−2√x2 +y2 (r1 , r2 ) dx dy π r2 2 = · · (r1 + 2r2 )! 2 Z Z x2 +y 2 ≤B 2 /4 r1 +2r2 p dx dy B − 2 x2 + y 2 B/2 π r2 Z Z2π 2r1 · · = (B − 2ω)n−2 ω dn dω (n − 2)! 2 0 = 2r1 · π r2 2 π r2 0 2π · · (n − 2)! ZB/2 (B − 2ω)n−2 ω dω 0 Bn 2π · 2 (n − 2)! 4(n − 1) · n π r2 +1 B n = 2r1 · · . 2 n! = 2r1 · · (Polarkoordinaten) (partielle Integration) Damit ist die Zwischenbehauptung gezeigt. Sei 0 < ε < 1. Wir setzen 1/n r2 p 4 . · n! · m · |∆F | + ε Bε := π Nach Zwischenbehauptung und Bemerkung (ii) und (iii) nach Definition 2.22 erhalten wir r2 p 4 π r2 1 V (SBε (r1 , r2 )) = 2 · · · · n! · m · |∆F | + ε 2 n! π p 1 r1 −r2 r2 ·π ·ε = 2r1 +r2 · |∆F | + ·2 n! p > m · 2−r2 · |∆F | · 2n = m · V (OF ) · 2n = V (PM ) · 2n . r1 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 84 Wir können nun Minkowskis Gitterpunktsatz 2.19 für das volle Gitter Θ(M ) ⊆ Rn und die symmetrische, konvexe Menge SBε (r1 , r2 ) ⊆ Rn anwenden und erhalten ein √ αε ∈ M \ {0} mit Θ(αε ) ∈ SBε (r1 , r2 ). Wegen n x1 · . . . · xn ≤ 1/n · (x1 + · · · + xn ) für xi ∈ R≥0 folgt |NF (αε )| = ≤ r1 Y j=1 |Θj (αε )| · rY 1 +r2 j=r1 +1 r1 Y |Θj (αε )|2 r1 +r2 2 Y 1 · |Θj (αε )| + · |Θj (αε )| n j=1 n j=r +1 1 !n n bε , ≤ n wobei die letzte Ungleichung genau die Bedingung Θ(αε ) ∈ SBε (r1 , r2 ) widerspiegelt. Nach Definition von Bε erhalten wir (∗∗) r2 p 4 n! |NF (αε )| ≤ · n · m · |∆F | + ε . π n Wegen 0 < ε < 1 gibt es für αε nur endlich viele Möglichkeiten in M \ {0}. Also existiert ein α ∈ M \ {0} derart, dass (∗∗) für alle ε > 0 gilt. Somit folgt der Satz. 2 Als Anwendung geben wir zunächst eine untere Abschätzung für Diskriminanten. Satz 2.24 Ist F ein Zahlkörper mit Signatur {r1 , r2 } und n = [F : Q] = r1 + 2r2 , so gilt π 2r2 nn 2 . · |∆F | ≥ 4 n! Beweis: Sei M := OF . Nach Satz 2.23 mit m = [OF : M ] = 1 folgt π 2r2 nn 2 · NF (α)2 |∆F | ≥ · 4 n! für ein α ∈ OF \ {0}. Mit NF (α) ≥ 1 ergibt sich das Gewünschte. 2 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 85 Korollar 2.25 Für einen Zahlkörper F mit [F : Q] = n gilt 2 2 n 11 πe 1 |∆F | > · . · 12 4 2πn Beweis: Nach der Formel von Stirling für n! ist für ein c, 0 < c < 1, nn 1 =√ · en−c/12n . n! 2πn Wegen ec/12n < e1/12 < ∞ P 1/12j = 12/11 und Satz 2.24 erhalten wir j=0 2 2 n π 2r2 nn 2 π 2r2 11en 2 1 11 1 πe |∆F | > · > · · ≥ · . · 4 n! 4 12 2πn 12 4 2πn 2 Satz 2.26 (von Hermite) Sei d ∈ N gegeben. Dann existieren höchstens endlich viele Zahlkörper F mit |∆F | = d. Beweis: Zu gegebenem d ∈ N ist |∆F | > d für alle Zahlkörper F mit [F : Q] ≥ n0 für ein hinreichend großes n0 gemäß Korollar 2.25. Also ist nur zu zeigen, dass zu festem d ∈ N und n ∈ N höchstens endlich viele ZahlkörperF mit |∆F | ≤ D und [F : Q] = n existieren. Nach Satz 2.21 haben wir für d = 1 nur den Zahlkörper F = Q, d.h. r1 = 1, r2 = 0. √ Sei also d ≥ 2. Für r1 = 0 und r2 = 1 ist n = r1 + 2r2 = 2, also ist F = Q( D) für ein quadratfreies D < 0. Nach Satz 1.43 ist ∆F = 4D oder ∆f = D, es gibt jedenfalls höchstens einen quadratischen Zahlkörper mit ∆f = d. Wir dürfen im Folgenden r := r1 + r2 ≥ 2 voraussetzen und werden zeigen, dass ein δ ∈ F mit F = Q(δ) existiert, wobei δ aus einer endlichen Menge stammt, die nur von d abhängt. 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 1. Fall: 86 r1 6= 0. Wir definieren S1 = {(α1 , . . . , αr1 , βr1 +1 , γr1 +1 , . . . , βr , γr ) ∈ Rn : o √ |α1 | < d + 1, |αi | < 1 (2 ≤ i ≤ r1 ), βj2 + γj2 < 1 (r1 + 1 ≤ j ≤ r) . Selbstverständlich ist S1 ⊆ Rn beschränkt und symmetrisch. Wir zeigen, dass S1 auch konvex ist. Dazu seien λ, µ ≥ 0 mit λ + µ = 1. Wir nehmen an, dass (α1 , . . . , αr1 , βr1 +1 , γr1 +1 , . . . , βr , γr ), (δ1 , . . . , δr1 , ρr1 +1 , σr1 +1 , . . . , ρr , σr ) ∈ S1 . Dann gilt für j = 2, . . . , r1 |λαj + µδj | ≤ λ|αj | + µ|δj | < λ + µ = 1 , und √ √ √ |λα1 + µδ1 | ≤ λ|α1 | + µ|δ1 | < λ d + 1 + µ d + 1 = d + 1 . Für j = r1 + 1, . . . , r haben wir λ βj2 + γj2 + µ ρ2j + σj2 < λ + µ = 1 . Insgesamt hat sich S1 als konvex herausgestellt. 2. Fall: r1 = 0. Wir definieren o n √ 2 2 n S2 = (β1 , γ1 , . . . , βr , γr ) ∈ R : |β1 | < 1, |γ1 | < d + 1, βj + γj < 1 (2 ≤ j ≤ r) . Wie im ersten Fall lässt sich zeigen, dass S2 ⊆ Rn beschränkt, symmetrisch und konvex ist. Durch Integration über Produkte von Intervallen und Kreisen erhalten wir (analog zum Beweis von Satz 2.23) V (S1 ) = 2r1 · π r2 · √ √ d + 1 und V (S2 ) = 2 · π r2 −1 · d + 1 , und mit Bemerkung (ii) nach Definition 2.22 erhalten wir V (S1 ) > 2r1 +r2 · p |∆F | = 2r1 +2r2 · V (POF ) = 2n · V (POF ) 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 87 bzw. (wegen r2 ≥ 1 für r1 = 0) V (S2 ) > 2r2 · p |∆F | = 22r2 · V (POF ) = 2n · V (POF ) . Nach Minkowskis Gitterpunktsatz 2.19 gibt es δ1 , δ2 ∈ OF \{0} mit Θ(δj ) ∈ Θ(OF )∩ Sj für j = 1, 2. Wegen Θ(δj ) ∈ Sj können wir folgendes feststellen: (1) (2) (n) Für die Konjugierten δj = δj , δj , . . . , δj (unter Umständen mit Wiederholung) von δj ist √ (l) d + 1 und |δ1 | < 1 für l = 2, . . . , n; q √ √ 2 (l) (1) (1) (2) (ii) |δ2 | = |δ2 | = |δ2 | < 12 + d + 1 = d + 2 und |δ2 | < 1 (1) (i) |δ1 | < für l = 3, . . . , n . Es folgt mit δj ∈ OF \ {0}, dass (1) (2) (n) 1 ≤ |NF (δj )| = |δj , δj , . . . , δj | , (1) (1) also |δj | > 1. Damit tritt δj (2) (n) unter den anderen Konjugierten δj , . . . , δj , nicht mehr auf, d.h. es gibt darunter keine Wiederholungen. Also sind die Konjugierten (1) (n) δj , . . . , δj paarweise verschieden, und das bedeutet [Q(δj ) : Q] = n, mit anderen Worten F = Q(δj ). Es bleibt nur noch zu zeigen, dass δj aus einer endlichen Menge stammt, die nur von d abhängt. Nach den obigen Überlegungen haben wir für gewisse zj ∈ Z mit zn = 1 mδj ,Q (x) = n X j=0 n Y (l) zj x = (x − δj ) , j l=1 (l) wobei die δj und damit die zj durch eine Konstante, die nur von d abhängt, beschränkt sind. Damit ist δj Nullstelle eines von endlich vielen Polynomen. 2 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 88 2.5. Dirichlets Einheitensatz Wir wollen die Einheitengruppe UF ⊆ OF für beliebige Zahlkörper F beschreiben. Da UF eine multiplikative Gruppe, ein Gitter Γ jedoch eine additive Gruppe ist, logarithmieren“ wir die Funktion ΘF aus Definition 2.22. ” Definition 2.27 Sei F ein Zahlkörper mit Signatur {r1 , r2 } und [F : Q] = n = r1 + 2r2 . Es bezeichne (R∗ )r1 × (C∗ )r2 die multiplikative Gruppe in Rr1 × Cr2 bestehend aus allen Vektoren, deren Koordinaten alle ungleich 0 sind. Wir definieren die Abbildung (R∗ )r1 × (C∗ )r2 −→ Rr1 +r2 Ψ: (α , . . . , α , α 1 r1 r1 +1 , . . . , αr1 +r2 ) 7−→ (l1 (α1 ), . . . , lr1 +r2 (αr1 +r2 )) , wobei log(|α|) für j = 1, . . . , r , 1 lj (α) := log(|α|2 ) für j = r + 1, . . . , r + r . 1 1 2 Die Abbildung LF : F −→ Rr1 +r2 definiert durch LF = Ψ ◦ ΘF mit LF (α) = log |Θ1 (α)|, . . . , log |Θr1 (α)|, log |Θr1 +1 (α)|2 , . . . , log |Θr1 +r2 (α)|2 heißt logarithmische Darstellung von F , und Rr1 +r2 heißt der logarithmische Raum von F . Bemerkung: Die logarithmische Darstellung LF ist ein Homomorphismus von der multiplikativen Gruppe F ∗ := F \ {0} in die additive Gruppe des logarithmischen Raumes Rr1 +r2 . 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 89 Satz 2.28 Sei F ein Zahlkörper mit Signatur {r1 , r2 }. Dann gilt (i) ker(LF ) = RF ; (ii) LF (UF ) ⊆ Rr1 +r2 ist ein Gitter der Dimension r1 + r2 − 1 . Beweis: (i) Es ist ker(LF ) = n o ~ α ∈ F : LF (α) = 0 ∗ = {α ∈ F ∗ : |Θ(α)| = 1 für alle Einbettungen Θ} = {α ∈ F ∗ : α ∈ RF } = RF nach Korollar 2.14. (ii) Wir setzen r := r1 + r2 und haben für α ∈ UF ±1 = NF (α) = = n Y j=1 r1 Y j=1 Logarithmieren liefert r X j=1 d.h. Θj (α) = r1 Y j=1 Θj (α) · r Y Θj (α) · j=r1 +1 r Y j=r1 +1 Θj (α) · Θj (α) |Θj (α)|2 . r rY 1 1 +r2 Y lj (Θj (α)) = log Θj (α) · Θj (α)2 = 0 , LF (UF ) ⊆ j=1 ( (x1 , . . . , xr ) ∈ Rr : j=r1 +1 r1 X j=1 xj + 2 · rX 1 +r2 j=r1 +1 xj = 0 ) . Demnach liegt LF (UF ) in einer Hyperebene des Rr , hat also Dimension ≤ r − 1. UF ist eine multiplikative Untergruppe von OF , also ist LF (UF ) eine additive (Unter)Gruppe (LF ist Homomorphismus). Um zu zeigen, dass LF (UF ) ein Gitter ist, müssen wir nach Satz 2.17 nur noch nachweisen, dass LF (UF ) in Rr diskret liegt. Im Kreis um ~0 mit Radius N > 1 haben wir |{α ∈ UF : |LF (α)| ≤ N }| ≤ |{α ∈ UF : log |Θj (α)| ≤ N (j = 1, . . . , r)}| ≤ {α ∈ OF : |Θj (α)| ≤ eN (j = 1, . . . , r)} < ∞ 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 90 nach Satz 2.13. Zur Vollständigkeit des Beweises von Aussage (ii) des Satzes fehlt nur noch, dass dim LF (UF ) ≥ r1 + r2 − 1 . Dies gelingt mit Hilfe des Minkowskischen Gitterpunktsatzes durch Konstruktion von Einheiten u1 , . . . , ur1 +r2 ∈ UF derart, dass die LF (uj ) linear unabhängig über R sind. Wir geben hierfür ein Konstruktionsverfahren an. Für ~ν = (ν1 , . . . , νr1 +r2 ∈ Rr1 × Cr2 sei Rr1 × Cr2 −→ Rr1 × Cr2 λ~ν : ~x 7−→ ~ν ~x (komponentenweise Multiplikation) eine lineare Abbildung mit det(λ~ν ) = r1 Y j=1 rY 1 +r2 νj · j=r1 +1 |νj |2 . Ist | det(λ~ν )| = 1, so haben die beiden Gitter ΘF (OF ) und λ~ν (ΘF (OF )) dieselbe Diskriminante V (λ~ν (ΘF (OF )) = V (ΘF (OF )) = 2−r2 · Setzen wir für geeignete cj ∈ R>0 p |∆F | . S = (x1 , . . . , xr1 +r2 ) ∈ Rr1 × Cr2 : |xj | < cj (1 ≤ j ≤ r1 ), |xj |2 < cj (r1 + 1 ≤ j ≤ r1 + r2 ) mit r1 r2 V (S) = 2 · π · rY 1 +r2 j=1 cj > 2n · 2−r2 · p |∆F | = V (λ~ν (Θ(OF )) · 2n , so existiert nach Minkowski ein α ∈ OF \ {0} mit λ~ν (ΘF (α)) ∈ S, d.h. (∗) |Θj (α) ·νj | < cj (1 ≤ j ≤ r1 ) und |Θj (α)· νj |2 < cj (r1 + 1 ≤ j ≤ r1 +r2 ) . Insbesondere haben wir wegen | det(λ~ν )| = 1 |NF (α)| = = r1 Y j=1 r1 Y j=1 |Θj (α)| · rY 1 +r2 j=r1 +1 |Θj (α) · νj | · |Θj (α)|2 rY 1 +r2 j=r1 +1 2 |Θj (α) · νj | < rY 1 +r2 j=1 cj . 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 91 Da für β ∈ OF stets NF (β) ∈ Z ist, nimmt |NF (β)| < r1Q +r2 cj nur endlich viele j=1 Werte an, d.h. es gibt {β1 , . . . , βk } ⊆ OF so, dass alle diese Normwerte angenommen werden. Also gilt für ein t, 1 ≤ t ≤ k, dass |NF (α)| = |NF (βt )|, d.h. α = u1 βt für eine Einheit u1 ∈ UF . Mit bj := min |Θj (βt )| und (∗) erhalten wir 1≤t≤k √ cj cj (1 ≤ j ≤ r1 ), |Θj (u1 )| · |νj | < (r1 + 1 ≤ j ≤ r1 + r2 ) . |Θj (u1 )| · |νj | < bj bj Wir setzen nun über die Bedingung | det(λ~ν )| = 1 hinaus voraus, dass |ν1 | = B −(r1 +2r2 −1) und |νj | = B (2 ≤ j ≤ r1 + r2 ) , wobei B eine hinreichend große Konstante sei. Wir erhalten √ cj cj B r1 +r2 −1 · c1 , |Θj (u1 )| < (2 ≤ j ≤ r1 ), |Θj (u1 )| < (r1 +1 ≤ j ≤ r1 +r2 ) . |Θ1 (u1 )| < b1 bj B bj B Wir setzen noch voraus, dass B so groß gewählt wurde, dass |Θj (u1 )| < 1 für j ≥ 2. Damit gilt mit der Bezeichnung lj (α) aus Definition 2.27, dass lj (Θj (u1 )) < 0 für alle j = 2, . . . , r1 + r2 . Wegen |NF (u1 )| = 1 folgt l1 (Θ1 (u1 )) = − rX 1 +r2 lj (Θj (u1 )) > 0 . j=2 νi | := B −(r1 +2r2 −1) ) Durch Verwendung der vorstehenden Methode mit anderen ~ν (|~ erhalten wir u2 , . . . , ur1 +r2 −1 ∈ UF derart, dass (∗∗) lj (Θj (ui )) < 0 (i 6= j) und wegen P :R rX 1 +r2 j=1 r1 +r2 r1 +r 2 −1 X j=1 lj (Θj (ui )) > 0 (i = 1, . . . , r1 +r2 −1) lj (Θj (ui )) = 0 und lr1 +r2 (Θr1 +r2 (ui )) < 0. Es bezeichne −→ Rr1 +r2 −1 die Projektion (w1 , . . . , wr1 +r2 ) 7−→ (w1 , . . . , wr1 +r2 −1 ). Behauptung: Die Vektoren P (LF (u1 )), . . . , P (LF (ur1 +r2 −1 )) ∈ R sind linear un- abhängig über R. Es genügt zu zeigen, dass die (n × n)-Matrix (mit n := r1 + r2 − 1) über R (mi,j ) := (P (LF (ui )))n×n 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 92 eine Determinante det(mi,j ) 6= 0 besitzt. Nach (∗∗) haben wir mi,j < 0 (i 6= j) und n X mi,j > 0 (i = 1, . . . , n) . j=1 Wir nehmen an, dass det(mi,j ) = 0. Dann gibt es ein rj ∈ R (1 ≤ j ≤ n, nicht alle 0) derart, dass n X mi,j rj = 0 (i = 1, . . . , n) . j=1 Sei 1 ≤ n0 ≤ n derjenige Index mit |rn0 | ≥ |rj | für alle 1 ≤ j ≤ n. O.B.d.A. ist rn0 > 0 (sonst ersetzen wir alle rj durch −rj ). Wir erhalten aus (∗∗) 0 = rn0 mn0 + X j6=n0 mn0 ,j · rj > rn0 mn0 + X j6=n0 mn0 ,j · rn0 > 0 . Dieser Widerspruch beweist die Zwischenbehauptung, und somit sind r1 + r2 − 1 linear unabhängige Vektoren in LF (UF ) gefunden. 2 Satz 2.29 (Dirichlets Einheitensatz) Sei F ein Zahlkörper mit Signatur, und sei m := |RF |. Dann gilt r +r −1 Stück z 1 2 }| { ∼ UF = Z × Z × · · · × Z × hζm i ∼ = hu1 i × · · · × hur1 +r2 −1 i × hζm i mit einer primitiven m-ten Einheitswurzel ζm und einem System u1 , . . . , ur1 +r2 −1 ∈ UF . Jedes solche System heißt Fundamentalsystem von Einheiten bzw. System von Fundamentaleinheiten. Beweis: Nach Satz 2.28 (ii) existieren u1 , . . . , ur−1 ∈ UF mit r := r1 + r2 derart, dass LF (u1 ), . . . , LF (ur−1 ) eine Z-Basis von LF (UF ) ist, d.h. zu jedem u ∈ UF existieren eindeutige zj ∈ Z mit LF (u) = r−1 X j=1 zj · LF (uj ) . 2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN 93 Es folgt für den Gruppenhomomorphismus LF r−1 ! r−1 Y −z X j LF u · uj = LF (u) + (−zj ) · LF (uj ) = 0 . j=1 j=1 Ist ν ∈ UF beliebig mit LF (ν) = 0, so gilt nach Satz 2.28 (i), dass ν ∈ RF . Aus Satz s 2.12 (i) ergibt sich , dass ν = ζm für eine primitive m-te Einheitswurzel ζn und ein r−1 Q −zj s ∈ Z. Für ν := u · uj folgt j=1 u· r−1 Y −zj uj s = ζm j=1 und somit die Behauptung. 2 Beispiel: Für reell-quadratische Zahlkörper F , d.h. r1 = 2, r2 = 0, erhalten wir gemäß Satz 2.29 UF ∼ = hu1 i × h−1i, da RF = {±1} (vgl. Satz 2.4). Für komplex-quadratische Zahlkörper F , d.h. r1 = 0, r2 = 1, kommt mit Satz 2.29 UF = RF (vgl. Satz 1.46). Bemerkung: Sei F ein Zahlkörper mit Signatur {r1 , r2 } und seien u1 , . . . , ur1 +r2 −1 und ν1 , . . . , νr1 +r2 −1 zwei Systeme von Fundamentaleinheiten. Mit Hilfe von Dirichlets Einheitensatz lässt sich leicht zeigen, dass | det(LF (ui ))| = | det(LF (νi ))| . Diese charakteristische Größe von F , die nur vom Zahlkörper selbst abhängt, heißt der Regulator von F , geschrieben rF . Im Allgemeinen ist die Berechnung des Regulators eines Zahlkörpers schwierig, da ein System von Fundamentaleinheiten bekannt sein muss. Für reell-quadratische Zahlkörper jedoch, d.h. r1 = 2, r2 = 0 und UF = hu1 i × h−1i, ist die Fundamentaleinheit u1 die kleinste“ Lösung einer be” √ stimmten Pell’schen Gleichung (vgl. Satz 2.4). Für F = Q( 5) haben wir zum √ √ Beispiel u1 = ε5 = (1 + 5)/2, also rQ(√5) = log (1 + 5)/2 . 3 IDEALTHEORIE 3 94 Idealtheorie 3.1. Eigenschaften von Idealen Wir hatten bereits zu Beginn der Vorlesung Beispiele dafür gesehen, dass die Faktorisierung von Zahlen in OF (für einen Zahlkörper F ) in Primelemente im Allgemeinen nicht eindeutig ist. Wir wollen zeigen, dass jedoch eindeutige Zerlegung bezüglich Idealen vorliegt. Ideale in einem kommutativen Ring R mit Eins wurden bereits in Definition 1.6 erklärt und heißen auch kurz R-Ideale. Satz 3.1 6 (0) ein OF -Ideal. Dann ist I eine Sei F ein Zahlkörper mit [F : Q] = d und sei I = freie abelsche Gruppe vom Rang d, d.h. es gibt Erzeugende α1 , . . . , αd ∈ I derart, dass I = [α1 , . . . , αd ] := Zα1 ⊕ · · · ⊕ Zαd . Beweis: Nach Satz 1.39 ist OF eine freie abelsche vom Rang d. Nach Definition des Ideals ist I eine Untergruppe von OF und somit selbst freie abelsche Gruppe, wobei der Rang r ≤ d ist. Also besitzt I eine Z-Basis {α1 , . . . , αr } ⊆ OF . Sei {β1 , . . . , βd } eine Z-Basis von OF . Sei α ∈ I \ {0}. Dann sind αβ1 , . . . , αβd ∈ I linear unabhängig und bilden eine Q-Basis von F . Außerdem gibt es zi,j ∈ Z mit αβj = r X zi,j αi (j = 1, . . . , d). i=1 Wäre r < d, so hätte das lineare Gleichungssystem d X zi,j rj = 0 (i = 1, . . . r) j=1 eine nichttriviale Lösung rj ∈ Q, j = 1, . . . d, nicht alle gleich 0. 3 IDEALTHEORIE 95 Es folgte d X rj (αβj ) = j=1 d X j=1 rj r X zi,j αi = i=1 r X αi i=1 im Widerspruch zur linearen Unabhängigkeit der αβj . d X zi,j rj = 0 j=1 2 Wir bezeichnen mit (α1 , . . . , αd ) das kleinste Ideal, welches α1 , . . . , αd enthält. Man beachte, dass (α1 , . . . , αd ) per definitionem stets ein Ideal ist, hingegen [α1 , . . . , αd ] nicht unbedingt. Beispiel: √ √ 2, 1 + 10 ist kein Ideal in OF mit F = Q 10 , denn √ √ √ √ 1 + 10 · 1 − 10 ∈ / 2, 1 + 10 = (2a + b) + b 10 : a, b ∈ Z . Jedes R-Ideal I, das eine endliche Menge von Erzeugenden besitzt, heißt endlich erzeugt. Ist I = (α), so heißt I Hauptideal . Sind I = (α) und J = (β) Hauptideale, so gilt I = J gdw. α | β und β | α gdw. (β) ⊆ (α) und (α) ⊆ (β). Unter dem Produkt zweier endlich erzeugter R-Ideale I = (α1 , . . . , αr ) und J = (β1 , . . . , βs ) verstehen wir das R-Ideal I · J := (α1 β1 , . . . , α1 βs , α2 β1 , . . . , αi βj , . . . , αr βs ) erzeugt von allen Produkten αi βj (1 ≤ i ≤ r, 1 ≤ j ≤ s). Dabei hängt I · J nicht von den speziellen Erzeugendensystemen der αi bzw. der βj ab. Lemma 3.2 Seien I und J R-Ideale in einem kommutativen Ring R mit Eins. Aus I | J folgt J ⊆ I. 3 IDEALTHEORIE 96 Beweis: Gemäß Definition 1.7 bedeutet I | J, dass J = I · H für ein R-Ideal H. Aus IH ⊆ I ergibt sich die Behauptung. 2 Von großer Bedeutung für uns wird sein, dass im Falle R = OF für einen Zahlkörper F auch die Umkehrung von Lemma 3.2 gilt, nämlich J ⊆ I =⇒ I | J. In geringer Abänderung von Definition 1.7 haben wir Definition 3.3 Sei F ein Zahlkörper. Ein OF -Primideal (kurz: Primideal) ist ein OF -Ideal P 6= OF mit der Eigenschaft, dass aus P | IJ für zwei OF -Ideale I, J folgt, dass P | I oder P | J. Das spezielle Primideal (0) heißt das triviale Ideal . Beispiel: Für F = Q ist OF = Z nach Korollar 1.30. Die Menge der Primideale ist dann {(p) : p ∈ P} ∪ {(0)} ∼ = P ∪ {0}. Es erweist sich in diesem Zusammenhang als sinnvoll, 0 als Primzahl zu betrachten. Definition 3.4 Sei R ein kommutativer Ring mit Eins. Ein R-Ideal I = 6 R heißt maximal , falls I ⊆ J für ein R-Ideal J impliziert, dass J = R. Ein R-Ideal I = 6 (0) heißt minimal , falls J ⊆ I für ein R-Ideal J impliziert, dass J = (0). Beispiele: (i) In R = Z sind die Ideale von der Form n · Z, n ∈ N0 . Die Primideale = 6 (0) sind genau die p · Z mit p ∈ P, und dies sind wiederum genau die maximalen Ideale. 3 IDEALTHEORIE 97 (ii) Sei F ein Körper und R := F [x]. Ist r ∈ F , so ist {f (x) ∈ F [x] : f (r) = 0} ein maximales Ideal in F [x]. Es ist nicht schwer zu beweisen, dass jedes maximale R-Ideal I 6= R ein Primideal ist. Außerdem gilt, dass jedes Ideal I 6= R in einem maximalen Ideal enthalten ist. Definition 3.5 Ein Integritätsring R heißt Dedekind-Ring, sofern die folgenden Bedingungen gelten: (i) Jedes Ideal in R ist endlich erzeugt. (ii) Jedes Primideal 6= 0 in R ist maximal. (iii) R ist ganzabgeschlossen in seinem Quotientenkörper α : α, β ∈ R, β 6= 0 , F := β d.h. ist f (α/β) = 0 für ein α/β ∈ F und f (x) ∈ R[x] mit führendem Koeffizienten 1, so ist α/β ∈ R. Bemerkung: Bedingung (i) in Definition 3.5 charakterisiert sogenannte Noethersche Ringe und ist äquivalent zu jeder der beiden folgenden Bedingungen: (i’) Jede nichtleere Menge von R-Idealen besitzt ein (nicht notwendigerweise eindeutiges) maximales Element. (i”) Sind I1 ⊆ I2 ⊆ · · · ⊆ Ij ⊆ · · · R-Ideale, so existiert ein j0 ∈ N mit Ij = Ij0 für alle j ≥ j0 (Teilerkettenbedingung). Nachdem das Produkt von Idealen bereits erklärt ist, definieren wir auch die Summe zweier R-Ideale I und J als I + J := {α + β : α ∈ I, β ∈ J} . 3 IDEALTHEORIE 98 Selbstverständlich ist I + J auch ein R-Ideal, denn für r ∈ R, α ∈ I, β ∈ J gilt r(α + β) = rα + rβ ∈ I + J, da rα ∈ I und rβ ∈ J. Wir nennen I und J teilerfremd , falls es kein R-Ideal H 6= R gibt mit H | I und H | J. Es ist leicht zu sehen, dass dies äquivalent ist zu I + J = R. Satz 3.6 Ist F ein Zahlkörper, so ist OF ein Dedekind-Ring. Beweis: Wir zeigen die drei definierenden Eigenschaften eines Dedekind-Rings für R = OF : (i) Klar nach Satz 1.39. (ii) Aus der Algebra ist bekannt, dass ein R-Ideal I genau dann maximal ist, wenn der Quotientenring R/I := {α + I : α ∈ R} ein Körper ist. Wir zeigen zunächst, dass OF /P für ein Primideal 6= (0) eine endliche Menge ist. Sei dazu α ∈ P \ {0}. Schon im Beweis zu Satz 2.1 hatten wir benutzt, dass für jedes α ∈ OF \ {0} gilt |OF /(α)| = |NF (α)| , also insbesondere OF /(α) endlich. Selbstverständlich ist der Ring OF /P (wie OF selbst) ein Integritätsbereich. Jeder endliche Integritätsbereich wiederum ist ein Körper, denn zu jedem Element g = 6 0 existiert n > m mit g m = g n , also g m (g n−m − 1) = 0, also g n−m − 1 = 0, d.h. jedes g 6= 0 besitzt ein multiplikatives Inverses. (iii) Sei f (x) ∈ OF [x] mit führendem Koeffizienten 1, und sei f (α/β) = 0, also f (x) = xm + m−1 X j=0 αj xj (αj ∈ OF ). Sei f˜(x) das Polynom, welches durch Multiplikation aller Polynome, die aus f (x) durch Übergang zu konjugierten Koeffizienten hervorgehen, entsteht. Dann hat f˜(x) ganzalgebraische Koeffizienten und ist symmetrisch in diesen. Nach dem Satz über 3 IDEALTHEORIE 99 elementarsymmetrische Funktionen folgt f˜ ∈ Z[x], offenbar mit führenden Koeffizienten 1 und Nullstelle α/β. Also ist α/β ∈ A und somit α/β ∈ F ∩ A = OF . 2 Lemma 3.7 Sei R ein Dedekind-Ring. Jedes R-Ideal I 6= (0) enthält ein Produkt von Primidealen. Beweis: Sei S die Menge aller R-Ideale = 6 0, die kein Produkt von Primidealen enthalten. Wäre S 6= ∅, so gäbe es in S wegen (i’) in der Bemerkung zu Definition 3.5 ein maximales Element M . Dabei kann M kein Primideal sein (sonst folgte M ∈ / S). Also existieren r, s ∈ R mit rs ∈ M , aber r ∈ / M . Wegen M $M + (r) und / M, s ∈ M $M + (s) enthalten M + (r) und M + (s) beide Produkte von Primidealen. Damit gilt dies auch für (M + (r)) · (M + (s)) = M + (rs) = M . Dieser Widerspruch beweist das Lemma. 2 Lemma 3.8 Sei R ein Dedekind-Ring mit Quotientenkörper F . Ist I 6= R ein R-Ideal, so existiert ein γ ∈ F \ R mit γI ⊆ R. Beweis: Für I = (0) ist das Lemma trivial. Sei also α ∈ I \ {0} beliebig. Nach Lemma 3.7 enthält das Hauptideal (α) ein Produkt P1 · . . . · Pr von Primidealen, wobei wir annehmen, dass r minimal ist. Da I 6= R, ist I in einem maximalen Ideal und somit 3 IDEALTHEORIE 100 in einem Primideal P enthalten, also zusammen P | I | P1 · . . . · Pr . Es folgt P | Pj für ein j, o.B.d.A. P | P1 , d.h. P1 ⊆ P. Nach Bedingung (ii) aus Definition 3.5 folgt P1 = P. Wegen der Minimalität von r ist P2 · . . . · Pr \ (α) 6= ∅. Sei β ∈ P2 · . . . · Pr \ (α) beliebig. Dann gilt 1 (α) 1 1 β ∈ · P2 · . . . · Pr \ = · P2 · . . . · Pr \ (1) = · P2 · . . . · Pr \ P . α α α α α Außerdem ist β · P ⊆ P2 · . . . · Pr · P = P1 · P2 · . . . · Pr ⊆ (α) , also gilt für jedes δ ∈ P, dass βδ ∈ (α) und damit (α) β ·δ ∈ = (1) = R. Mit α α γ := β/α folgt die Behauptung. 2 Satz 3.9 Sei R ein Dedekind-Ring und sei I = 6 (0) ein R-Ideal. Dann gibt es ein R-Ideal 6 (0) derart, dass I · J ein Hauptideal ist. J= Beweis: Für α ∈ I \ {0} setzen wir J := {β ∈ R : βI ⊆ (α)}. Damit ist α ∈ J, also J = 6 (0). Offenbar ist J ein R-Ideal, und es gilt I · J ⊆ (α). Wir zeigen, dass I · J = (α) gilt. Wir setzen L := 1/α · I · J ⊆ (α)/α = R. Mit I und J ist auch L ein Ideal, also ein R-Ideal. Mit L = R wäre der Satz bewiesen. Wir nehmen also an, dass L 6= R. Nach Lemma 3.8 existiert ein γ ∈ F \ R (F ist Quotientenkörper von R) mit γL ⊆ R. Wir werden nachweisen, dass γ Nullstelle eines Polynoms f (x) ∈ R[x] mit führendem Koeffizienten 1 ist, und dies stände im Widerspruch zu Bedingung (iii) von Definition 3.5, da γ ∈ / R. 3 IDEALTHEORIE 101 Wegen α ∈ I ist I/α ein R-Ideal und somit L := 1/α ·I ·J ⊇ J. Es folgt γJ ⊆ γL ⊆ R, also (γJ) · I = γ · (I · J) = γ · (αL) = (α) · (γL) ⊆ (α) · R ⊆ (α) , und deshalb γJ ⊆ J nach Definition von J. Sei J = R · β1 ⊕ · · · ⊕ R · βr . Wegen γJ ⊆ J gibt es zi,j ∈ R mit γβi = r X j=1 zi,j βj (1 ≤ i ≤ r) . Damit hat das homogene lineare Gleichungssystem (z1,1 − γ) · x1 + z1,2 · x2 + · · · + z1,r · xr = 0 z2,1 · x1 + (z2,2 − γ) · x2 + · · · + z2,r · xr = 0 .. . . . . .. .. = .. zr,1 · x1 + zr,2 · x2 + · · · + (zr,r − γ) · xr = 0 die nichttriviale Lösung xj = βj (1 ≤ j ≤ r). Also verschwindet die Determinante der Koeffizientenmatrix, und dies ist ein Polynom in γ über R mit führendem Koeffizienten 1. 2 Korollar 3.10 Sind I = 6 (0), J und L Ideale in einem Dedekind-Ring R, so folgt aus I · J = I · L, dass J = L. Beweis: Nach Satz 3.9 existiert ein Ideal H = 6 (0) und ein α ∈ R \ {0} mit I · H = (α), also J · (α) = IJ · H = IL · H = L · (α) . 3 IDEALTHEORIE 102 Es folgt J =J ·R=J · (α) (α) =L· = LR = L . α α 2 Korollar 3.11 Sind I und J Ideale in einem Dedekind-Ring, dann gilt I | J ⇐⇒ J ⊆ I . Beweis: Nach Lemma 3.2 ist nur zu zeigen: J ⊆ I =⇒ I | J. Sei J ⊆ I und sei L ein Ideal gemäß Satz 3.9 derart, dass LI = (α) für ein α 6= 0. Es folgt, dass H := 1 1 (α) · LJ ⊆ · LI = =R, α α α also H ein R-Ideal ist. Dabei haben wir I ·H = (α) 1 · LI · J = ·J =R·J =J , α α also I | J. 2 Satz 3.12 6 R eine In einem Dedekind-Ring R besitzt jedes R-Ideal I mit I 6= (0) und I = eindeutige Darstellung als Produkt von Primidealen, d.h. bis auf die Reihenfolge der Faktoren gibt es einen eindeutigen Ausdruck I = P1a1 · P2a2 · . . . · Pnan mit verschiedenen R-Primidealen Pj ⊇ I und aj ∈ N (1 ≤ j ≤ n). 3 IDEALTHEORIE 103 Beweis: Existenz: Sei S die Menge aller R-Ideale I 6= (0), I 6= R, die keine gewünschte Darstellung besitzen. Ist S 6= ∅, so enthält S nach (i’) der Bemerkung zu Definition 3.5 ein maximales Element M . Da M 6= R, ist M in einem maximalen Ideal, also in einem Primideal P enthalten. Nach Korollar 3.11 folgt P | M , d.h. M = I · P für ein R-Ideal I. Wir haben demnach I | M , d.h. M ⊆ I. Für den Fall M = I ergäbe sich I · R = I = I · P , also aus Korollar 3.10 P = R. Widerspruch! Es bleibt nur M $I. Da M maximal in S ist, ist I ein Produkt von Primidealen. Dann ist aber auch M = I · P ein Produkt von Primidealen im Widerspruch zu M ∈ S. Eindeutigkeit: Seien Pj (1 ≤ j ≤ r) und Qk (1 ≤ k ≤ s) Primideale mit P1 · . . . · Pr = Q1 · . . . · Qs . Also gilt P1 | Qk für ein k, o.B.d.A. P1 | Q1 , d.h. nach Korollar 3.11, dass Q1 ⊆ P1 . Wegen (ii) in Definition 3.5 sind Q1 und P1 maximale Ideale, also Q1 = P1 . Aus Korollar 3.10 folgt P2 · . . . · Pr = Q2 · . . . · Qs . Induktiv ergibt sich r = s und Pj = Qj (1 ≤ j ≤ r). 2 Mit Hilfe von Satz 3.6 liefert Satz 3.12 sofort Korollar 3.13 Sei F ein Zahlkörper. Jedes OF -Ideal 6= (0) und 6= OF ist eindeutiges Produkt von Primidealen. Bemerkung: Die Tatsache, dass in OF im Allgemeinen keine eindeutige Faktorisierung in Primelemente vorliegt (vgl. Beispiele aus Abschnitt 1.1.), erwies sich in Satz 1.47 (ii) gleichwertig damit, dass nicht alle irreduziblen Elemente prim sind. Nennen wir ein 3 IDEALTHEORIE 104 R-Ideal, welches außer sich selbst und R keine Teiler besitzt, irreduzibel, so lässt sich zeigen, dass irreduzibel äquivalent zu prim und damit zu maximal ist, sofern R ein Dedekind-Ring ist. Definition 3.14 Seien I und J R-Ideale in einem Dedekind-Ring R. Wir definieren den größten gemeinsamen Teiler ggT (I, J) := I + J und das kleinste gemeinsame Vielfache kgV (I, J) := I ∩ J . Offenbar ist ggT (I, J) das kleinste Ideal, das I und J umfasst. Nach Korollar 3.11 ist kgV (I, J) das größte Ideal, welches in I und in J enthalten ist. Ist I = (α) ein Hauptideal, so verwenden wir auch die abkürzende Schreibweise ggT (α, J) := ggT (I, J) bzw. kgV (α, J) := kgV (I, J) . Der Chinesiche Restsatz in Z besagt, dass für paarweise teilerfremde Moduln m1 , . . . , mr ∈ Z und beliebige Zahlen a1 , . . . , ar ∈ Z ein eindeutiges a mod m1 , . . . , mr existiert mit a ≡ ai mod mi (1 ≤ i ≤ r), d.h. a − ai ∈ (mi ). Satz 3.15 (Chinesischer Restsatz für Ideale) Sei R ein Dedekind-Ring und seien I1 , . . . Ir paarweise teilerfremde R-Ideale. Dann ist die Abbildung Ψ: r T Ij −→ R/I1 × · · · × R/Ir R j=1 r α + T Ii 7−→ (α + I1 , . . . , α + Ir ) i=1 ein additiver Gruppen-Isomorphismus, d.h. zu beliebigen α1 , . . . , αr ∈ R existiert r T Ij“ eindeutiges) α ∈ R mit α − αj ∈ Ij für 1 ≤ j ≤ r. ein ( modulo ” j=1 3 IDEALTHEORIE 105 Beweis: Der Nachweis der Isomorphismus-Eigenschaften von Ψ ist offensichtlich bis auf die Surjektivität von Ψ: Sei zunächst r = 2. Wegen ggT (I1 , I2 ) = R existieren x1 ∈ I1 , x2 ∈ I2 mit x1 + x2 = 1. Sind α1 , α2 ∈ R beliebig, so gilt für α := x2 α1 + x1 α2 , dass α − α1 = (x2 − 1)α1 + x1 α2 = (α2 − α1 )x1 ∈ I1 und analog α − α2 ∈ I2 , d.h. αj ∈ α + Ij (j = 1, 2). Für r > 2 finden wir analog zu T Ij . Zu beliebigen jedem i, 1 ≤ i ≤ r, ein yi ∈ R derart, dass yi − 1 ∈ I1 und yi ∈ j6=i α1 , . . . , αr ∈ R erhalten wir damit für α := y1 α1 + · · · + yr αr , dass α − α1 = (y1 − 1)α1 + y2 α2 + · · · + yr αr ∈ I1 und analog α − αj ∈ Ij für j ≥ 2. 2 Lemma 3.16 Seien I 6= (0) und J 6= (0) R-Ideale in einem Dedekind-Ring R. (i) Es existiert ein α ∈ I derart, dass ggT (α, IJ) = I. (ii) Es gibt ein R-Ideal H teilerfremd zu J derart, dass H · I ein Hauptideal ist. Beweis: (i) Nach Satz 3.12 gibt es paarweise verschiedene Primideale Pj mit I= r Y a Pj j und J = j=1 r Y j=1 a +1 a für gewisse aj , bj ∈ N0 . Sei αj ∈ Pj j \ Pj j (1 ≤ j ≤ r). Nach dem Chinesischen a +1 Restsatz 3.15 existiert ein α ∈ R mit α − αj ∈ Pj j a +1 α ∈ aj + Pj j b Pj j a a +1 ⊆ Pj j \ Pj j (1 ≤ j ≤ r), d.h. (1 ≤ j ≤ r) , 3 IDEALTHEORIE 106 a +1 denn sonst wäre αj + Pj j Insbesondere ist α ∈ a Pj j a +1 ⊆ Pj j a +1 , also αj ∈ Pj j . Widerspruch! für alle j, also α ∈ I. Außerdem haben wir für gewisse Primideale Qj = Pi und cj ∈ N (α) = Es folgt Y a j = 1r Pj j · ggT (α, IJ) = ggT = r Y r Y j=1 a Y Pj j · c j = 1s Qjj . s Y c Qjj , j=1 r Y j=1 a +bj Pj j ! a Pj j = I . j=1 (ii) Sei α ∈ I gemäß (i), also α = 6 0. Nach dem Beweis zu Satz 3.9 existiert ein R-Ideal H mit H · I = (α), also H · I Hauptideal. Dabei haben wir nach (i) I · ggT (H, J) = ggT (HI, IJ) = ggT (α, IJ) = I , also nach Korollar 3.10 ggT (H, J) = R. 2 Satz 3.17 Sei I ein R-Ideal in einem Dedekind-Ring R. Zu jedem α ∈ I \ {0} existiert ein β ∈ I mit I = (α, β), d.h. jedes Ideal in einem Dedekind-Ring ist Hauptideal oder wird von zwei Elementen erzeugt. Beweis: Mit J := (α) liefert Lemma 3.16 (ii) ein R-Ideal H derart, dass H + (α) = R und H · I = (β) für ein β ∈ R. Es folgt (α) + (β) = (α) + H · I ⊆ I , und die umgekehrte Inklusion bleibt zu zeigen. Wegen H +(α) = R existieren h ∈ H und r ∈ R mit h + αr = 1. 3 IDEALTHEORIE 107 Also ist für jedes δ ∈ I δ = hδ + αrδ ∈ H · I + (α) = (β) + (α) , d.h. I ⊆ (α) + (β). 2 Satz 3.18 Sei R ein Dedekind-Ring mit verschiedenen Primidealen P1 , . . . , Pr . Zu a1 , . . . , ar ∈ N0 existiert ein α ∈ R und ein R-Ideal I mit ggT (I, Pj ) = R für 1 ≤ j ≤ r, derart, dass (α) = I · Beweis: r Y a Pj j . j=1 Folgt sofort aus Lemma 3.16 (ii). 2 Korollar 3.19 Sind I 6= (0), J 6= (0) R-Ideale in einem Dedekind-Ring R, so haben wir als additive Gruppen R/I ∼ = J/IJ. Beweis: Nach Lemma 3.16 (ii) existiert ein R-Ideal H, teilerfremd zu I, mit H · J = (α) für ein α ∈ R. Wir definieren den Gruppen-Homomorphismus R −→ J/IJ Ψ: r 7−→ rα + IJ . Dabei ist Ψ surjektiv, denn (α) + I · J = H · J + I · J = (H + I) · J = R · J = J . 3 IDEALTHEORIE 108 Nach dem Isomorphiesatz für Gruppen erhalten wir R/ ker Ψ ∼ = img Ψ = J/IJ . Es bleibt zu zeigen, dass ker Ψ = I. Sei αβ ∈ I · J, d.h. β ∈ ker Ψ. Dann gilt αβH ⊆ IJH ⊆ I(α) , also nach Korollar 3.10 β · H ⊆ I. Wegen H + I = R existieren h ∈ H und γ ∈ I mit h + γ = 1, also β = βh + βγ ∈ I + R · I = I . Sei umgekehrt β ∈ I, also Ψ(β) = αβ + I · J = I · J , denn α ∈ H · J ⊆ J. Somit haben wir I ⊆ ker Ψ und insgesamt ker Ψ = I. 2 3 IDEALTHEORIE 109 3.2. Hauptidealringe Definition 3.20 Ein Integritätsbereich R, in dem alle R-Ideale Hauptideale sind, heißt Hauptidealring. Aus der Algebra verwenden wir Satz 3.21 Jeder Hauptidealring ist ZPE-Ring (vgl. Definition 1.48). Korollar 3.22 In einem Hauptidealring R ist ein R-Ideal P prim genau dann, wenn P 6= (0) maximal ist. Beweis: =⇒“ ” Sei P ein Primideal. Wir haben P = (α) für ein α ∈ R. Ist (α ⊆ I = (β), so folgt β | α. Ist dabei (α) 6= (β), so folgt α - β. Dann muss β eine Einheit sein, d.h. I = R. Also ist P = (α) maximal. ⇐=“ ” Jedes maximale Ideal = 6 (0) ist prim. 2 3 IDEALTHEORIE 110 Satz 3.23 Ist R ein Dedekind-Ring, so gilt: R ist ein ZPE-Ring genau dann, wenn R ein Hauptidealring ist. Beweis: =⇒“ ” Sei R ein ZPE-Ring. Wir nehmen an, dass ein R-Ideal existiert, welches kein Hauptideal ist. Nach Satz 3.12 gibt es dann auch ein Primideal P , das kein Hauptideal ist. Sei S := {I : I ist R-Ideal und P · I ist Hauptideal} . Nach Satz 3.9 ist S 6= ∅ und enthält somit wegen (i’) zu Definition 3.5 ein maximales Element M . Wir setzen P · M = (α) für ein geeignetes α ∈ R. Also ist α = βγ für ein β ∈ P und ein γ ∈ R. Da R ein ZPE-Ring ist, zerfällt β (eindeutig) in irreduzible Elemente β1 , . . . , βr , also β = β1 · . . . · βr . Es folgt (β1 ) · . . . · (βr ) = (β) ⊆ P , d.h. P | (β1 ) · . . . · (βr ). Da P ein Primideal ist, haben wir P | (βj ) für ein j, also (βj ) ⊆ P , also βj ∈ P . Damit ist α = βj · γ 0 für ein irreduzibles βj ∈ P ; wir schreiben wieder α = βγ mit β ∈ P irreduzibel. Also ist (β) ⊆ P , d.h. P | (β), also (β) = P · J für ein R-Ideal J, wobei wegen P · M = (α) = (β)(γ) = P · J · (γ) nach Korollar 3.10 folgt J | M , also M ⊆ J. Aus der Maximalität von M in S erhalten wir andererseits J ⊆ M , also J = M . Somit gilt (α) = P · M = (β), d.h. α und β sind assoziiert, und daher ist auch α irreduzibel. Nach Voraussetzung ist P kein Hauptideal, also existiert ein δ ∈ P \ (α). Außerdem ist (α) $M (sonst wäre P = R), also gibt es ein σ ∈ M \ (α). Es folgt δ · σ ∈ P · M = (α) , 3 IDEALTHEORIE 111 d.h. α | δσ, aber α - δ und α - σ. Es gibt also in R ein irreduzibles Element α, das nicht prim ist. Dies widerspricht der ZPE-Eigenschaft von R (Satz 1.47 (ii) gilt in beliebigen Integritätsbereichen mit demselben Beweis). ⇐=“ ” Folgt direkt aus Satz 3.21. 2 Satz 3.24 Ein Integritätsbereich R ist ein Hauptidealring genau dann, wenn eine Funktion f : R −→ N0 existiert mit folgenden Eigenschaften: (i) Aus α | β folgt f (α) ≤ f (β), wobei f (α) = f (β) genau für Assoziierte α, β gilt. (ii) Sind α, β ∈ R \ {0} mit α - β und β - α, so gibt es Elemente p, q, r ∈ R derart, dass r = pα + qβ und f (r) < min{f (α), f (β)}. Beweis: =⇒“ ” Ein Hauptidealring R ist nach Satz 3.21 ein ZPE-Ring. Wir definieren f (α) als die Anzahl der irreduziblen Faktoren von α. Damit ist (i) sofort klar. Bedingung (ii) ergibt sich mit r := ggT (α, β) (vgl. Beweis zu Satz 1.51). 3 IDEALTHEORIE 112 ⇐=“ ” Sei f mit (i) und (ii) gegeben, und sei I 6= (0), I 6= R ein R-Ideal. Sei α ∈ I \ {0} derart gewählt, dass f (α) minimal ist. Wir zeigen, dass I = (α) gilt. Wäre β ∈ I mit α - β, so folgte wegen f (α) ≤ f (β) aus (i), dass β - α (sonst wären α und β assoziiert, also α | β). Dann hätten wir mit (ii), dass für ein r ∈ R f (r) < min{f (α), f (β)} ≤ f (α) . Widerspruch! Also gilt α | β für alle β ∈ I, d.h. I = (α). 2 Korollar 3.25 Ist R ein euklidischer Ring, so ist R Hauptidealring und damit ZPE-Ring. Beweis: Eine euklidische Funktion (vgl. Definition 1.50) erfüllt die Bedingungen (i) und (ii) aus Satz 3.24, also ist R ein Hauptidealring und damit nach Satz 3.21 ein ZPE-Ring. 2 Korollar 3.26 Sei F ein Zahlkörper. Dann ist OF ein Hauptidealring gdw. für alle α, β ∈ OF \ {0} mit α - β und β - α existieren γ, δ ∈ OF derart, dass α 0 < NF · γ − δ < 1 . β Beweis: Wir wählen f (α) = |NF (α)| in Satz 3.24. Dann ist (i) klar, und für |NF (α)| ≥ |NF (β)| haben wir NF α · γ − δ < 1 = min |NF (α)| , 1 , β |NF (β)| 3 IDEALTHEORIE 113 also |NF (αγ − βδ)| < min{|NF (α)| , |NF (β)|} , und damit ist (ii) erfüllt. 2 Bemerkung: Korollar 3.26 kann verwendet werden, um explizit zu untersuchen, ob ein gegebenes OF Hauptidealring ist oder nicht. 3.3. Normen von Idealen Nach Satz 3.12 haben wir in einem Dedekind-Ring R für jedes R-Ideal I 6= (0), I 6= R, eine eindeutige Zerlegung in Primideale I= P1α1 · ... · Prαr = kgV (P1α1 , . . . , Prαr ) = r \ αj Pj . j=1 Aus dem Chinesischen Restsatz 3.15 ergibt sich damit r r Y \ α α R Pj j . R I=R pj j ∼ = j=1 j=1 In R = OF mit einem Zahlkörper F haben wir für ein Primideal P gemäß Beweis zu Satz 3.6, dass OF P endlich ist. Darüber hinaus zeigt man leicht, dass OF P a = OF P a . Also erhalten wir insgesamt für ein OF -Ideal I r Y aj OF I = OF Pj . j=1 Definition 3.27 Sei F ein Zahlkörper, und sei I ein beliebiges OF -Ideal. Wir definieren die Norm von I durch N (I) = OF I . 3 IDEALTHEORIE 114 Satz 3.28 Sei F ein Zahlkörper, seien I = 6 (0) und J = 6 (0) OF -Ideale, sei P 6= (0) ein OF Primideal. Dann gilt: (i) N (I) ∈ P =⇒ I ist Primideal; (ii) I | (N (I)); (iii) N (P ) = pm , wobei P ∩ Z = (p) mit einem p ∈ P und m ∈ N; (iv) N (I · J) = N (I) · N (J); (v) α ∈ OF prim =⇒ (α) ist Primideal. Beweis: (i) Mit I = r Y a Pj j gemäß Satz 3.12 folgt nach Definition der Norm j=1 N (I) = r Y N (Pj )aj . j=1 Wegen N (Pj ) = OF Pj > 1, da Pj 6= OF , ist N (I) ∈ P nur möglich für r = 1 und a1 = 1, d.h. I = P1 . (ii) Sei OF I = {α1 + I, . . . , αn + I} mit n := OF I . Dann gilt auch OF I = {α1 + 1 + I, . . . , αn + 1 + I} , denn aus αi + 1 + I = αj + 1 + I folgte sofort αi − αj = (αi + 1) − (αj + 1) ∈ I, d.h. αi + I = αj + I. Widerspruch! Das bedeutet n n X X (αj + I) = (αj + 1 + I) , j=1 also j=1 n n X X (αj + 1) − αj ∈ I . N (I) = OF I = n = j=1 j=1 3 IDEALTHEORIE 115 Es ergibt sich (N (I)) ⊆ I, d.h. I | (N (I)). r Q m (iii) Sei N (P ) = pj j mit pj ∈ P, mj ∈ N. Es folgt mit (ii), dass P | N (P ) = r Q j=1 (pj )mj , also P | (pj ) für ein j. Wäre auch P | (pk ) für ein k 6= j, so hätten wir j=1 wegen upj + vpk = 1 für gewisse u, v ∈ Z und wegen upj ∈ P und vpk ∈ P , dass 1 = upj + vpk ∈ P , also P = OF . Widerspruch! Also haben wir insgesamt , dass N (P ) = pm für ein p ∈ P mit P | (p), also p ∈ P und q ∈ / P für alle q ∈ P \ {p}. r r Q Q a b (iv) Seien I = Pj j und J = Pj j mit aj , bj ∈ N0 gemäß Satz 3.12. Dann j=1 j=1 haben wir N (I · J) = N = r Y r Y j=1 a +bj Pj j j=1 N (Pj )aj · ! r Y j=1 = r Y N (Pj )aj +bj j=1 N (Pj )bj = N (I) · N (J) . (v) (α) ist ein Primideal in OF gdw. OF (α) ein Integritätsring ist, d.h. es genügt zu zeigen, dass OF (α) keine Nullteiler besitzt. Sei also (β + (α)) · (γ + (α)) = βγ + (α) = 0 ∈ OF (α) , d.h. βγ ∈ (α). Demnach gilt α | βγ, also α | β oder α | γ, da α prim ist. Es folgt β ∈ (α) oder γ ∈ (α), d.h. β + (α) = 0 oder γ + (α) = 0. 2 Beispiel: √ √ Sei F = Q( 10), also OF = Z[ 10] nach Satz 1.43. Wir betrachten die OF -Ideale √ √ √ P = (2, 10) , Q = (3, 1 + 10) , Q0 = (3, 1 − 10) . Dann gilt √ √ Q · Q0 = 9, 3(1 − 10), 3(1 + 10) ⊆ (3) √ √ und auch 3 = 9−3(1− 10)−3(1+ 10) ∈ Q·Q0 , also (3) ⊆ Q·Q0 , d.h. Q·Q0 = (3). Analog erhalten wir √ P 2 = (4, 2 10, 10) ⊆ (2) 3 IDEALTHEORIE 116 und 2 = 10 − 2 · 4 ∈ P 2 , also (2) ⊆ P 2 und daher P 2 = (2). Zusammen erhalten wir (6) = (2) · (3) = P 2 · Q · Q0 . Wir wollen zeigen, dass dies die Primidealzerlegung von (6) ist (vgl. letztes Beispiel √ in Abschnitt 1.1.). Wir haben OF = {a + b 10 : a, b ∈ Z} und somit √ √ OF \ P = {a + b 10 : a, b ∈ Z} \ {2a + b 10 : a, b ∈ Z} √ = {a + b 10 : a, b ∈ Z, 2 - a} . √ Daher gilt für ein beliebiges u + v 10 ∈ OF \ P , dass √ √ (P, u + v 10) = Z[ 10] = OF , √ denn mit (u + 1) + v 10 ∈ P haben wir √ √ √ 1 = (u + 1) + v 10 − u + v 10 ∈ P, u + v 10 . Also ist P ein maximales Ideal und somit ein Primideal. Außerdem ist jedes Element √ in Z[ 10] von der Form α ∈ P oder von der Form α + 1 mit α ∈ P , also √ N (P ) = OF P = Z[ 10] P = 2 . √ Analog lässt sich zeigen, dass jedes Element in Z[ 10] von der Form α := 3a + b + √ b 10 ∈ Q oder von der Form α + 1 oder α + 2 mit α ∈ Q ist, also √ N (Q) = Z[ 10] Q = 3 . Entsprechend gilt N (Q0 ) = 3. Nach Satz 3.28 (i) folgt, dass Q und Q0 Primideale sind. Damit haben wir die gewünschte Primidealzerlegung von (6) und darüber hinaus N ((6)) = N (P )2 · N (Q) · N (Q0 ) = 22 · 32 = 36 , wobei wir feststellen, dass N ((6)) = NF (6) (vgl. Beweis zu Satz 2.1). 3 IDEALTHEORIE 117 Satz 3.29 Sei F ein Zahlkörper und sei I 6= (0) ein OF -Ideal. Für jede Z-Basis B von I gilt s discr (B) . N (I) = ∆F Beweis: Nach Bemerkung (ii) und (iii) zu Definition 2.22 sind für [F : Q] =: n = r1 + 2r2 die Gitter Θ(OF ) ⊆ Rn und Θ(I) ⊆ Θ(OF ) volle Gitter in Rn , wobei für die Fundamentalbereiche gilt r2 p 1 V PΘ(OF ) = · |∆F | , 2 und V PΘ(I) = r2 p 1 · |discr B| , 2 V PΘ(I) = OF I · V PΘ(OF ) . Also folgt N (I) = OF I = s 1 p discr (B) · |discr (B)| 2 . = 1 p ∆ · |∆ | F F 2 Nach Satz 1.35 haben discr (B) und ∆F dasselbe Vorzeichen, und damit folgt die Behauptung. 2 Korollar 3.30 Ist (α) ein Hauptideal in OF , so gilt N ((α)) = |NF (α)|. Beweis: Sei B = {β1 , . . . , βn } mit n = [F : Q] eine Ganzheitsbasis von F , also discr B = ∆F . Dann ist αB = {αβ1 , . . . , αβn } 3 IDEALTHEORIE 118 eine Z-Basis von (α). Dabei haben wir discr (αB) = det (Θi (αβj ))2 = det (Θi (α) · Θi (βj ))2 n Y = Θi (α)2 · det (Θi (βj ))2 i=1 = NF (α)2 · discr (B) = NF (α)2 · ∆F . Mit Satz 3.29 folgt N ((α)) = s discr (αB) p = NF (α)2 = |NF (α)| . ∆F 2 Satz 3.31 Sei F ein Zahlkörper mit [F : Q] = n = r1 + 2r2 , wobei {r1 , r2 } die Signatur von F bezeichne. In jedem OF -Ideal I gibt es ein α ∈ I \ {o} derart, dass r2 4 n! p |NF (α)| ≤ · n · |∆F | · N (I) . π n Beweis: Dies ist nur eine Neuformulierung von Satz 2.23 mit M := I. 2 3 IDEALTHEORIE 119 3.4. Idealformen und die Klassengruppe Aus Z entsteht durch Bildung von Brüchen der Körper Q der rationalen Zahlen. Die bislang untersuchten Ideale lassen sich als ganze“ Ideale auffassen. ” Definition 3.32 Sei R ein Integritätsbereich mit Quotientenkörper F . Ein R-Modul M 6= {0} in F heißt gebrochenes R-Ideal , falls es ein α ∈ R \ {0} gibt so, dass αM ⊆ R. Ist M ein gebrochenes Ideal mit M ⊆ R, so nennen wir M ein ganzes Ideal. Bemerkungen: (i) Ganze Ideale sind genau die R-Ideale im früheren Sinne. (ii) Ist M ein gebrochenes Ideal mit αM ⊆ R für ein α ∈ R \ {0}, so ist αM ein ganzes Ideal I, d.h. jedes gebrochene Ideal M besitzt eine Darstellung M= 1 ·I α für ein α ∈ R \ {0} und ein ganzes Ideal I. Wir wollen zeigen, dass die Menge der gebrochenen Ideale eine Gruppe bildet. Wie bei ganzen Idealen erklären wir das Produkt M1 · M2 zweier gebrochener R-Ideale M1 und M2 als den kleinsten R-Modul M , der alle Produkte m1 · m2 mit mi ∈ Mi enthält, d.h. M besteht aus allen endlichen Summen solcher Produkte. Ist M ein gebrochenes R-Ideal in einem Integritätsring R mit Quotientenkörper F , so setzen wir M −1 := {α ∈ F : αM ⊆ R} . M −1 ist ein gebrochenes Ideal, denn: M −1 ist offensichtlich ein R-Modul. Sei β ∈ R \ {0} mit βM ⊆ R (M ist ein 3 IDEALTHEORIE 120 gebrochenes Ideal), und sei γ ∈ M −1 beliebig, d.h. γm ∈ R für alle m ∈ M . Mit einem beliebigen m0 ∈ M \ {0} erhalten wir (βm0 ) · γ = β · (γm0 ) ∈ R · R = R , d.h. (βm0 ) · M −1 ⊆ R. Ein gebrochenes R-Ideal M heißt invertierbar , falls M · M −1 = R (also wird R das Einselement in unserer Gruppe von Idealen sein). Lemma 3.33 Sei R ein Dedekindring. Jedes ganze R-Primideal P 6= (0) ist invertierbar. Beweis: Nach Satz 3.12 existieren zu einem beliebigen α ∈ P \ {0} Primideale P1 , . . . , Pr mit (α) = P1 · . . . · Pr . Wegen α ∈ P ist (α) ⊆ P , also P | (α) und somit P = Pj für ein j. Sei o.B.d.A. P = P1 . Selbstverständlich ist (α) - P2 · . . . · Pr , also P2 · . . . · Pr * (α). Wir wählen ein β ∈ P2 · . . . · Pr \ (α). Es folgt βP ⊆ P · P2 · . . . · Pr = (α) , also β/α · P ⊆ R und daher β/α ∈ P −1 . Wegen β ∈ / (α) ist β/α ∈ / R, und wegen P ganz (also P ⊆ R) ist R ⊆ P −1 . Also haben wir und damit β · P ⊆ P −1 \ R · P = P · P −1 \ P , α P = P · R $ P · P −1 ⊆ R , wobei die letzte Inklusion direkt aus der Definition P −1 folgt. Damit gilt für die ganzen Ideale P und P · P −1 P $ P · P −1 ⊆ R . 3 IDEALTHEORIE 121 Da P ein Primideal ist, folgt aus Eigenschaft (ii) für Dedekind-Ringe (Definition 3.5), dass P maximal ist. Also bleibt nur P · P −1 = R, d.h. P ist invertierbar. 2 Satz 3.34 Sei R ein Dedekind-Ring. Die Menge F(R) der gebrochenen Ideale in R bildet eine multiplikative Gruppe mit neutralem Element R und Inversem M −1 von M für alle M ∈ F(R). Die Menge P(R) der gebrochenen Hauptideale ist eine Untergruppe von F(R). Beweis: Es sind alle Aussagen klar bis auf die Inversenbildung: Sei zunächst M ∈ F(R) ganz. Dann existieren nach Satz 3.12 eindeutig Primideale P1 , . . . , Pr mit M = P1 · . . . · Pr . Nach Lemma 3.33 besitzt jedes Pj das Inverse Pj−1 . Also ist M 0 := P1−1 · . . . · Pr−1 ein Inverses von M , d.h. M · M 0 = R. Es folgt sofort M 0 ⊆ M −1 := {α ∈ F : αM ⊆ R} , wobei F den Quotientenkörper von R bezeichnet. Ist umgekehrt α ∈ M −1 , d.h. αM ⊆ R, so haben wir α ∈ αR = αM · M 0 ⊆ R · M 0 = M 0 , also insgesamt M 0 = M −1 . Sei nun M ein gebrochenes Ideal. Dann gibt es ein α ∈ R \ {0} mit αM ⊆ R, d.h. αM ist ein ganzes Ideal. Nach obigen Überlegungen ist (αM )−1 das Inverse von αM , wobei 3 IDEALTHEORIE 122 (αM )−1 = αβ=:γ = = = {β ∈ F : β · (αM ) ⊆ R} nγ o ∈ F : γM ⊆ R α 1 · {γ ∈ F : γM ⊆ R} α α−1 · M −1 . Es folgt M · M −1 = (αM ) · (αM )−1 = R . Definition 3.35 Sei R ein Dedekind-Ring. Die Faktorgruppe CR := F(R) P(R) heißt Klassengruppe von R. Für R = OF schreiben wir CR = CF . Zwei gebrochene Ideale heißen äquivalent, falls sie in dieselbe Nebenklasse von P(R) in F(R) gehören; mit anderen Worten: Zwei gebrochene Ideale I, J sind äquivalent, geschrieben I ∼ J, sofern Ψ(I) = Ψ(J) unter der kanonischen Abbildung F(R) −→ F(R)P(R) Ψ: I 7−→ I · P(R) =: I . Bemerkung: Nach Definition von ∼ ist klar, dass I ∼ J ⇐⇒ I = (γ) · J für ein γ ∈ F . Nach Bemerkung (ii) zu Definition 3.32 ist jedes gebrochene Ideal I darstellbar als I = α1 J mit einem α ∈ F und einem ganzen Ideal J, also (α)·I = J, d.h. I ∼ J (⇐⇒ I = J). Damit ist gezeigt, dass jede Idealklasse ganze Ideale enthält. 3 IDEALTHEORIE 123 Satz 3.36 Sei R ein Dedekind-Ring. Dann ist R ein ZPE-Ring gdw. |C| = 1. Beweis: Nach Satz 3.23 ist R ein ZPE-Ring genau dann, wenn R ein Hauptidealring ist, d.h. alle ganzen Ideale sind Hauptideale. Nach vorangegangener Bemerkung sind demnach alle Ideale Hauptideale, d.h. F(R) = P(R), d.h. |CR | = 1. 2 Satz 3.37 Für jeden Zahlkörper F besitzt CF nur endlich viele Elemente. Beweis: Behauptung: Zu jeder Konstanten C ∈ R>0 gibt es nur endlich viele ganze OF -Ideale I mit N (I) ≤ C. Dann sei zunächst P 6= (0) ein ganzes Primideal. Nach Satz 3.28 (iii) ist N (P ) = pm für ein p ∈ P ∩ Z und ein m ∈ N, wobei p ∈ P. Zu jedem festen p ∈ P gibt es nur endlich viele ganze Primideale P mit N (P ) = pm für irgendein m ∈ N, denn (p) ⊆ P , d.h. P | (p), und (p) zerfällt eindeutig in endlich viele Primideale nach Satz 3.12. Da es nur endlich viele Primzahlpotenzen pm ≤ C gibt, haben wir die obige behauptung für Primideale bereits gezeigt. ist nun I beliebig, so haben wir nach Satz 3.12 I = P1a1 · . . . · Prar für gewisse ganze Primideale Pj und aj ∈ N (1 ≤ j ≤ r). Aus N (I) ≤ C folgt wegen N (I) = N (P1 )a1 · . . . · N (Pr )ar (nach Satz 3.28 (iv)), dass N (Pj )aj ≤ C (1 ≤ j ≤ r) , 3 IDEALTHEORIE denn N (Pj ) ≥ 2 124 (da N (Pj ) = |OF Pj | und OF 6= Pj ). Daher und aufgrund der bereits bewiesenen Behauptung für Primideale folgt die Richtigkeit der eingangs gemachten Aussage. Sei nun H ein beliebiges gebrochenes OF -Ideal. Nach der Bemerkung hinter Definition 3.35 gibt es ein ganzes OF -Ideal J ∈ H. Wir können ein β ∈ OF \ {0} wählen derart, dass I = β · J −1 ⊆ OF . Nach Satz 3.31 existiert dann ein α ∈ I \ {0} mit r2 4 n! p |NF (α)| ≤ · n · |∆F | · N (I) . π n Wegen α ∈ I ist α · I −1 ⊆ I · I −1 = OF , d.h. H0 := αI −1 ist ein ganzes OF -Ideal. Außerdem folgt N (H0 ) = N ((α) · I −1 ) = N ((α)) · N (I −1 ) = |NF (α)| · N (I)−1 r2 n! p 4 · n · |∆F | =: C ≤ π n nach Satz 3.28 (iv), Korollar 3.30 und wegen 1 = N (OF ) = N (I · I −1 ) = N (I) · N (I −1 ). Wir haben also wegen H0 = αI −1 = α · β −1 · J ∼ J ∼ H jedem gebrochenen Ideal H ein ganzes Ideal H0 mit H0 = H und N (H0 ) ≤ C zugeordnet. Nach der zu Beginn des Beweises gezeigten Aussage gibt es nur endlich viele ganze Ideale H0 mit N (H0 ) ≤ C und somit nur endlich viele Idealklassen H, d.h. CF ist endlich. 2 Definition 3.38 Sei F ein Zahlkörper mit Signatur {r1 , r2 } und [F : Q] = n = r1 + 2r2 . Dann heißt |CF | die Klassenzahl von OF ; Standardbezeichnung: hF := |CF |. Außerdem heißt r2 n! p 4 MF := · n · |∆F | π n 3 IDEALTHEORIE 125 die Minkowski-Schranke von F. Bemerkung: Der Ausdruck Minkowski-Schranke“ findet seine Berechtigung in der von Minkow” ski bewiesenen Ungleichung hF ≤ |{I ⊆ OF : N (I) ≤ MF }| . Beispiel: Sei F ein quadratischer Zahlkörper mit −8 ≤ ∆F ≤ 13. Dann gilt N (I) ≤ MF nur p für N (I) = |OF I| = 1, d.h. I = OF (MF = π2 · |∆F | < 2 für −8 ≤ ∆F ≤ 0 bzw. p MF = 21 · |∆F | < 2 für 0 ≤ ∆F ≤ 13). Nach Satz 3.36 folgt, dass OF ein ZPE-Ring ist für ∆F ∈ {−3, −4, −7, −8, 5, 8, 12, 13}. Bemerkung: Satz 3.37 von der Endlichkeit der Klassenzahl hF zeigt, dass der Übergang von den Zahlen zu den Idealen nicht ins Uferlose führt. Der günstigste Fall ist natürlich hF = 1, d.h. OF ist Hauptidealring, was wiederum gleichbedeutend ist damit, dass der Satz von der eindeutigen Primfaktorzerlegung wie in Z gilt. Bei den quadrqti- schen Zahlkörpern ist der Stand der Dinge wie folgt: Es gibt genau neun komplex√ quadratische Zahlkörper Q( D) mit Klassenzahl 1, nämlich für D = −1, −2, −3, −7, −11, −19, −43, −67, −163 und vermutlich unendlich viele reell-quadratische Zahlkörper (vgl. Bemerkung nach Satz 2.3). Dabei ist bis heute nicht einmal bewiesen, dass es unter allen Zahlkörpern unendlich viele mit Klassenzahl 1 gibt. In vielen Untersuchungen hat sich ergeben, dass die Klassengruppe CF zu verschiedenen Zahlkörpern F nach Größe und Struktur anscheinend ganz regellos ausfallen. Eine Ausnahme hiervon bilden die Kreisteilungskörper Q(ζpa ) mit primitiven pa -ten Einheitswurzeln ζpa . Die von Iwasawa entdeckte Gesetzmäßigkeit ist eng verknüpft mit der in Abschnitt 1.1. erwähnten Fermat-Vermutung: Aus xp + y p = z p folgt (x + y)(x + ζp y)(x + ζp2 y) · . . . · (x + ζpp−1 y) = z · z · . . . · z , 3 IDEALTHEORIE 126 d.h. wir haben zwei multiplikative Zerlegungen einer einzigen Zahl in Z[ζp ]. Das widerspräche der eindeutigen Primfaktorzerlegung, vorausgesetzt, dass sie in Z[ζp ] gilt, d.h. dass hQ(ζp ) = 1 gilt. Leider ist dies im Allgemeinen falsch. Kummer bewies jedoch, dass sie genannte Schlussweise zu retten ist, sofern (anstelle von hQ(ζp ) = 1) wenigstens p - hQ(ζp ) gilt Primzahlen mit dieser Eigenschaft nannte Kummer regulär . Von den ersten 25 Primzahlen p (d.h. p < 100) sind nur drei irregulär (nämlich p = 37, 59, 67). Damit ist also zum Beispiel die Fermat-Vermutung für alle anderen Exponenten p < 100 bewiesen. Index L-Isomorphismus, 14 ganzalgebraisch, 2 n-dimensionale Einheitskugel, 73 ganzes Ideal, 117 n-dimensionale Würfel, 73 Ganzheitsbasis, 27, 34 n-te Einheitswurzel, 5 Gauß’sche Zahlen, 2 äquivalent, 120 gebrochenes R-Ideal, 117 Gitter, 72 algebraisch, 5, 8 größter gemeinsamer Teiler, 43, 103 algebraische Erweiterung, 8 algebraische Konjugierte, 14 Hauptideal, 94 algebraischer Abschluss, 12 Hauptideale, 7 assoziiert, 3 Hauptidealring, 108 Bachet-Gleichung, 46 Ideal, 6 invertierbar, 118 Dedekind-Ring, 96 irreduzibel, 3 diskret, 73 Diskriminante, 22, 28, 35, 72 Klassengruppe, 120 Klassenzahl, 123 Einbettung, 14 kleinstes gemeinsames Vielfaches, 43, eindeutig zerlegbar, 3 103 Einheit, 3 komplexe Einbettung, 15 endlich erzeugt, 94 konvex, 73 endliche Erweiterung, 13 Kreisteilungskörper, 58 euklidische Funktion, 44 Kreisteilungspolynom, 58 euklidischer Ring, 44 logarithmische Darstellung, 86 Fundamentalbereich, 72 logarithmischer Raum, 86 Fundamentaleinheiten, 90 Fundamentalparallelepiped, 72 maximal, 95 Fundamentalsystem, 90 minimal, 95 127 INDEX 128 Minimalpolynom, 8 Minkowski-Schranke, 123 Noethersche Ringe, 96 Norm, 19, 112 norm-euklidisch, 49, 50 prim, 4 Primideal, 7, 95 quadratische Zahlkörper, 37 Radikand, 35 reelle Einbettung, 15 regulär, 124 Regulator, 91 Ring der ganz(algebraisch)en Zahlen, 26 Signatur, 15 teilerfremd, 43, 97 Teilerkettenbedingung, 96 teilt, 4, 7 total-komplexer Zahlkörper, 15 total-reeller Zahlkörper, 15 transzendent, 8 transzendente Erweiterung, 8 transzendente Zahlen, 6 triviales Ideal, 95 Vandermonde-Determinante, 28 ZIE-Ring, 43 ZPE-Ring, 43