Algebraische Zahlentheorie

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Algebraische Zahlentheorie
Prof. J. Sander
Universität Hannover
SS 2002
LATEX 2ε -Umsetzung von Miriam Westerfrölke und Marco Pries
INHALTSVERZEICHNIS
1
Inhaltsverzeichnis
1 Algebraische Zahlen
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Algebraische Zahlen und Zahlkörper . . . . .
Satz 1.15 (vom primitiven Element) . . .
Norm, Spur und Diskriminante . . . . . . . .
Ganzalgebraische Zahlen und Ganzheitsbasen
Satz 1.44 (Kriterium von Stickelberger) .
Satz 1.45 (von Kronecker) . . . . . . . .
Faktorisierung und Teilbarkeit . . . . . . . . .
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2
2
8
12
20
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39
40
42
2 Arithmetik in Zahlkörpern
Quadratische Zahlkörper . . . . . . . . . . . .
Kreisteilungskörper . . . . . . . . . . . . . . .
Einheiten in Ganzzahlringen . . . . . . . . . .
Geometrie der Zahlen . . . . . . . . . . . . . .
Satz 2.19 (Minkowskis Gitterpunktsatz) .
Satz 2.20 (Minkowskis Linearformensatz)
Satz 2.26 (von Hermite) . . . . . . . . .
Dirichlets Einheitensatz . . . . . . . . . . . .
Satz 2.29 (Dirichlets Einheitensatz) . . .
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Ideale) .
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94
94
104
109
113
119
3 Idealtheorie
Eigenschaften von Idealen . . . . . .
Satz 3.15 (Chinesischer Restsatz
Hauptidealringe . . . . . . . . . . . .
Normen von Idealen . . . . . . . . .
Idealformen und Klassengruppen . .
Index
. .
für
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127
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
1
2
Algebraische Zahlen
1.1. Grundlagen
Die algebraische Zahlentheorie verallgemeinert das Konzept der gewöhnlichen ganzrationalen Zahlen
Z = {. . . , −2, −1, 0, 1, 2, . . .}
auf andere Zahlenbereiche. Eine wesentliche Triebfeder für die Entwicklung der
Theorie im 19. Jahrhundert war das Fermat’sche Problem, die Unlösbarkeit der
Gleichung
xn + y n = z n
für n ∈ N≥3 in ganzen Zahlen x, y, z ∈ Z \ {0} zu zeigen.
Die Elemente von Z lassen sich charakterisieren als die Nullstellen linearer Polynome
f (x) = x − a ∈ Z[x]. Wir verallgemeinern dies zu
Definition 1.1
Sei α ∈ C Nullstelle des Polynoms
f (x) = xd + ad−1 xd−1 + · · · + a1 x + a0
∈ Z[x]
für ein d ∈ N. Ist α nicht Nullstelle eines solchen Polynoms von geringerem Grad,
so heißt α ganzalgebraisch vom Grad d.
Beispiel:
√
Die Zahlen a + b −1 = a + bi mit a, b ∈ Z, b 6= 0, sind ganzalgebraisch vom Grad
2, denn sie sind Nullstellen von f (x) = x2 − 2ax + a2 + b2 , aber wegen b 6= 0
nicht Nullstellen eines linearen Polynoms. Zu Ehren von Gauß, der diese Zahlen
untersuchte, heißt
Z[i] := {a + bi :
Menge der ganzen Gauß’schen Zahlen.
a, b ∈ Z}
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
3
Wir beobachten, daß die Primzahl 5 ∈ Z in Z[i] nicht mehr prim ist, denn wir haben
die Faktorisierung
5 = (2 + i)(2 − i).
Da allgemeiner jede Primzahl p ≡ 1 mod 4 sich als Summe von zwei Quadraten
darstellen lässt, d.h. p = a2 + b2 für gewisse a, b ∈ Z, folgt die Zerlegung
p = (a + bi)(a − bi).
Das Verständnis der Faktorisierung ganzalgebraischer Zahlen ist das Kernanliegen
der algebraischen Zahlentheorie.
Definition 1.2
Sei R ein kommutativer Ring mit Einselement 1 = 1R .
(i) α ∈ R heißt Einheit in R, falls es ein β ∈ R gibt derart, dass αβ = 1R .
(ii) Ein γ ∈ R,
6 0, heißt irreduzibel, sofern γ keine Einheit ist und nur
γ =
Faktorisierungen der Gestalt γ = σ · u mit σ ∈ R und einer Einheit u ∈ R
zuläßt. Derartige Zerlegungen heißen trivial.
(iii) Falls α = u · β mit α, β ∈ R und einer Einheit u ∈ R gilt, so heißen α und β
assoziiert (zueinander).
(iv) Eine ganzalgebraische Zahl α ∈ R heißt eindeutig zerlegbar in R, wenn zwei
Zerlegungen von α in irreduzible Elemente sich nur in der Reihenfolge der
Faktoren oder um Einheitsfaktoren unterscheiden. D.h. Faktorisierung ist eindeutig bis auf Reihenfolge und Assoziierte.
Beispiele:
Es lässt sich leicht nachrechnen, dass die Zerlegung 5 = (2+i)(2−i) in Z [i] eindeutig
√
ist. Demgegenüber haben wir in Z[ 10]
6 = 2 · 3 = (4 +
√
√
10)(4 − 10),
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
4
wobei alle Faktoren irreduzibel sind und 2, 3 nicht assoziiert zu 4 +
√
sind. Also ist 6 in Z[ 10] nicht eindeutig zerlegbar.
√
Vorsicht: In Z[ 3] ist
√
√
6 = 2 · 3 = (3 + 3)(3 − 3).
√
√
10, 4 − 10
Trotzdem ist 6 eindeutig zerlegbar, denn die vier Faktoren sind nicht irreduzibel:
√
√
2 = (−1+ 3)(1+ 3),
3=
√ √
3· 3,
√
√
√
3+ 3 = 3(1+ 3),
√
√
√
3− 3 = 3(−1+ 3).
Die Nichteindeutigkeit der Zerlegung ganzalgebraischer Zahlen in gewissen Ganzzahlbereichen erfordert Untersuchungen, die in Z nicht nötig sind.
Definition 1.3
Sei α ∈ R, α 6= 0, eine ganzalgebraische Zahl.
(i) Wir sagen: α teilt β ∈ R, geschrieben α | β, falls es ein γ ∈ R gibt mit β = αγ.
(ii) Ist α keine Einheit in R, so nennen wir α prim, falls für alle β, γ ∈ R gilt:
α | βγ =⇒ α | β oder α | γ.
Die Unterscheidung zwischen irreduziblen und primen Elementen bei ganzalgebraischen Zahlen, die in Z bedeutungslos ist, spielt dort eine wesentliche Rolle, wo keine
eindeutige Faktorisierung vorliegt. Wäre jedes irreduzible Element prim, so würde
ein simples Induktionsargument über die Anzahl der irreduziblen (primen) Faktoren
zeigen, dass die Faktorisierung eindeutig ist (so wird die Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung in Z bewiesen).
Beispiel:
√
√
Es lässt sich zeigen, dass die irreduziblen Zahlen 2, 3, 4 ± 10 ∈ Z[ 10] nicht prim
√
sind. Wir sagen: Z[ 10] besitzt keine eindeutige Faktorisierung.
Eine besonders intensiv studierte Klasse von ganzalgebraischen Zahlen bilden die
sogenannten Einheitswurzeln.
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
5
Definition 1.4
Sei n ∈ N. Eine Nullstelle ζn ∈ C des Polynoms xn − 1 heißt primitive n-te Einheits-
wurzel, sofern ζnd − 1 6= 0 für alle d < n.
Die Fermat-Gleichung xn + y n = z n lässt sich mit Hilfe primitiver n-ter Einheitswurzeln faktorisieren. Ist ζn eine primitive n-te Einheitswurzel, so gilt
z n = xn + y n = (x + y)(x + ζn y)(x + ζn2 y) · . . . · (x + ζnn−1 y).
Hat die Gleichung eine Lösung x, y, z ∈ Z, so haben wir also xn + y n in Z[ζn ] faktorisiert.
Der kleinste Körper, in dem Z liegt, ist Q. Entsprechend gibt es zu jedem Ganzzahlbereich in C einen eindeutigen kleinsten Körper, der ein Teilkörper von C ist und
den Ganzzahlbereich enthält.
Definition 1.5
Sei α ∈ C Nullstelle des Polynoms
f (x) = ad xd + ad−1 xd−1 + · · · + a1 x + a0
∈ Z[x]
für ein d ∈ N. Ist α nicht Nullstelle eines solchen Polynoms von geringerem Grad,
so heißt α algebraisch vom Grad d.
Ist α eine algebraische Zahl vom Grad d, so nennen wir den Erweiterungskörper
Q(α) von Q einen algebraischen Zahlkörper vom Grad d über Q erzeugt von α.
Bemerkungen:
(i) Betrachten wir Q(α) als Vektorraum über Q, so ist der Grad d die Dimension
von Q(α) über Q. Eine Basis ist 1, α, α2 , . . . , αd−1 .
(ii) Der kleinste algebraische Zahlkörper ist Q selbst, wobei selbstverständlich d =
1 ist. Eine einfache Körpererweiterung Q(α) ist der kleinste Körper, der Q und
α enthält.
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
6
(iii) Cantor bewies, dass die Menge aller algebraischen Zahlen (beliebigen Grades) abzählbar ist. Da R und somit C überabzählbare Mengen sind, existieren
überabzählbar viele nichtalgebraische Zahlen, genannt transzendente Zahlen.
Beispiele sind e und π.
Im Jahre 1847 stellte Lamé eine Grundidee von Liouville vor, um die FermatVermutung zu beweisen: Sind in der Zerlegung
z n = (x + y)(x + ζn y)(x + ζn2 y) · . . . · (x + ζnn−1 y)
die Faktoren auf der rechten Seite paarweise teilerfremd, so gilt für 0 ≤ j ≤ n − 1
x + ζnj y = zjn
mit gewissen zj . Liouville bemerkte, dass dieser Schluss die eindeutige Faktorisierung
in Z[ζn ] voraussetzt. Es stellte sich jedoch heraus, dass dies im Allgemeinen nicht
gilt. Kummer überwand die Schwierigkeit durch Einführung sogenannter idealer
”
Zahlen“, für die sich die Eindeutigkeit der Faktorisierung zeigen lässt.
Definition 1.6
6 ∅, heißt Ideal in R, falls gilt:
Sei R ein kommutativer Ring. Eine Menge I ⊆ R, I =
(i) α, β ∈ I =⇒ α − β ∈ I;
(ii) α ∈ I, r ∈ R =⇒ αr ∈ I.
Beispiel:
Die Mengen
√
(2) := {2a + 2b 10 : a, b ∈ Z} ,
√
(3) := {3a + 3b 10 : a, b ∈ Z}
√
sind Ideale in Z[ 10]. Da sie jeweils von einem einzigen Element erzeugt werden
(d.h. (2) = 2 · R), sprechen wir von Hauptidealen. Das Produkt der beiden Ideale,
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
7
d.h. die Menge aller endlichen Summen von Produkten der Elemente der beiden
Ideale, ergibt sich zu
√
(6) = {6a + 6b 10 : a, b ∈ Z} = (2) · (3).
Zwecks eindeutiger Faktorisierung von Idealen müssen wir das Konzept der Primzahl
in Z auf Ideale übertragen.
Definition 1.7
Seien I 6= {0} und J Ideale in einem kommutativen Ring R mit Identität 1R .
Wir sagen: I teilt J, geschrieben I | J, falls es ein Ideal H in R gibt mit J = H · I.
Ein Ideal P in einem Ring R ganzalgebraischer Zahlen heißt Primideal, falls für alle
Ideale I, J ⊆ R gilt
P | I · J =⇒ P | I oder P | J .
Beispiel:
√
In Fortsetzung des obigen Beispiels haben wir (2) | (6) und (3) | (6) in Z[ 10]. Wir
verwenden folgende Kurzschreibweise für Ideale:
√
√
[2, 10] := 2Z + 10Z ,
[3, ±1 +
√
10] := 3Z + (±1 +
√
10)Z .
√
Dabei stellen sich alle drei Ideale als Primideale in Z[ 10] heraus. Wir haben
√
(2) = [2, 10]2
und (3) = [3, 1 +
√
√
10] · [3, −1 + 10]
und somit – wie sich zeigen lässt – eine eindeutige Primidealzerlegung von (6) in
√
Z[ 10].
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
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1.2. Algebraische Zahlen und Zahlkörper
Definition 1.8
Sei E ein Erweiterungskörper eines Grundkörpers F . Ein α ∈ E heißt algebraisch
über F , falls für ein Polynom f (x) ∈ F [x] \ {0} gilt f (α) = 0. Ist α nicht algebraisch
über F , so heißt α transzendent über F. Sind alle Elemente von E algebraisch
über F , so nennen wir E algebraische Erweiterung von F, andernfalls transzendente
Erweiterung von F.
Satz 1.9
Sei F ein algebraischer Zahlkörper (d.h. eine algebraische Erweiterung von Q). Zu
algebraischen α ∈ C über F existiert eindeutig das sogenannte Minimalpolynom
mα,F (x) ∈ F [x] \ {0} von α über F , d.h. mα,F (x) hat führenden Koeffizienten 1
und minimalen Grad derart, dass mα,F (α) = 0. Ist umgekehrt α Nullstelle eines
irreduziblen Polynoms f (x) ∈ F [x] \ {0} mit führendem Koeffizienten 1, so ist
f (x) = mα,F (x). Außerdem gilt für jedes Polynom f (x) ∈ F [x] mit f (α) = 0, dass
mα,F (x) | f (x).
Beweis:
Es existiert ein f (x) ∈ F [x] \ {0} mit f (α) = 0. Durch Abspalten von Faktoren
und Division durch den höchsten Koeffizienten erhalten wir ein“ Minimalpolynom
”
g(x) ∈ F [x] \ {0} von α über F . Sei h(x) ∈ F [x] irgendein Polynom mit h(α) =
0. Bekanntlich ist F [x] ein euklidischer Ring (für jeden Körper F ), d.h. es gibt
q(x), r(x) ∈ F [x] derart, dass
h(x) = q(x) · g(x) + r(x),
wobei 0 ≤ deg r < deg g oder r(x) = 0. Wegen h(α) = g(α) = 0 folgt r(α) = 0
im Widerspruch zum minimalen Grad von g, es sei denn r(x) = 0. Also haben
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
9
wir g(x) | h(x). Wäre f (x) ein anderes Minimalpolynom von α über F , so folgte
g(x) | f (x) und f (x) | g(x), d.h. f (x) = c · g(x) für ein c ∈ F . Wegen führender
Koeffizienten 1 in f und g bleibt nur c = 1, also f (x) = g(x) =: mα,F (x).
2
Korollar 1.10
Ein irreduzibles Polynom über einem algebraischen Zahlkörper F hat nur einfache
Nullstellen in C.
Beweis:
Sei f (x) ∈ F [x] irreduzibel mit einer doppelten Nullstelle α, d.h.
f (x) = (x − α)2 · g(x)
für ein Polynom g(x) über C. Wegen f (α) = 0 folgt aus Satz 1.9, dass mα,F (x) | f (x).
Da f irreduzibel ist, bleibt nur f (x) = b · mα,F (x) für ein b ∈ F . Wir haben
f 0 (x) = 2(x − α)g(x) + (x − α)2 g 0 (x)
also f 0 (α) = 0, wobei selbstverständlich f 0 (x) ∈ F [x]. Erneute Anwendung von Satz
1.9 liefert mα,F (x) | f 0 (x). Es ergibt sich der Widerspruch
deg mα,F (x) ≤ deg f 0 (x) = deg f (x) − 1 = deg mα,f (x) − 1.
2
Beispiel:
√
Sei F = Q(i) und sei α = ζ8 = (1 + i)/ 2 eine primitive 8. Einheitswurzel. Offenbar
gilt ζ82 = i, also ist mζ8 ,F (x) = x2 − i ∈ F [x]. Dagegen ist
mζ8 ,Q (x) = x4 + 1 .
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
10
Korollar 1.11
Sei α algebraisch über einen Zahlkörper F mit Minimalpolynom mα,F (x). Dann
besitzt die einfache algebraische Erweiterung F (α) (d.h. der kleinste Körper, der F
und α umfasst) die Eigenschaft, dass jedes β ∈ F (α) eine eindeutige Darstellung
der Gestalt
β=
d−1
X
j=0
hat, wobei d = deg mα,F .
aj α j
∈ F [α]
Beweis:
Jedes β ∈ F (α) besitzt eine Darstellung β = f (α)/g(α) mit Polynomen f (x), g(x) ∈
F [x] und g(α) 6= 0. Nach Satz 1.9 folgt mα,F (x) - g(x), also sind g(x) und mα,F (x)
teilerfremd. Dabei gibt es im euklidischen Ring F [x] Polynome s(x) und t(x) derart,
dass
s(x)g(x) + t(x)mα,F (x) = 1.
Wegen mα,F (α) = 0 ist s(α) = 1/g(α), also β = f (α)/g(α) = f (α) · s(α). Wir setzen
h(x) := f (x) · s(x) ∈ F [x]. Dazu existieren Polynome q(x), r(x) ∈ F [x] mit
h(x) = q(x) · mα,F (x) + r(x),
wobei 0 ≤ deg r < deg mα,F oder r(x) = 0. Wegen mα,F (α) = 0 folgt β = h(α) =
r(α), d.h. β besitzt eine Darstellung in gewünschter Form.
Zum Beweis der Eindeutigkeit von r(x) sei v(x) ∈ F [x] mit deg v(x) ≤ d − 1 und
v(α) = β. Damit ist r(α) − v(α) = 0, d.h. r(x) − v(x) ∈ F [x] mit deg(r − v) ≤ d − 1
besitzt die Nullstelle α. Dies widerspricht deg mα,F (x) = d außer für r(x)−v(x) = 0,
also r(x) = v(x).
2
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
11
Korollar 1.12
Sei F ⊆ E ⊆ C mit einem Erweiterungskörper E eines algebraischen Zahlkörpers F .
Für α ∈ E ist F (α) eine endliche Erweiterung von F (d.h. F (α) hat als Vektorraum
über F endliche Dimension d, geschrieben [F (α) : F ] = d) genau dann, wenn α
algebraisch über F ist. In diesem Fall gilt
[F (α) : F ] = deg mα,F .
Beweis:
=⇒“
”
Sei [F (α) : F ] = d ∈ N. Dann sind 1, α, α2 , . . . , αd linear abhängig über F (in jedem
Vektorraum der Dimension d sind d + 1 Elemente linear abhängig), d.h. α erfüllt
eine Polynomgleichung vom Grad d.
⇐=“
”
Ist α algebraisch über F , so lässt sich nach Korollar 1.11 jedes Element von F (α)
als Linearkombination von 1, α, α2 , . . . , αd−1 mit d = deg mα,F eindeutig darstellen.
Es folgt [F (α) : F ] = d < ∞.
2
Satz 1.13
Sei E ein Erweiterungskörper eines Körpers F und K die Menge aller algebraischen
Elemente von E über F . Dann ist K eine algebraische Körpererweiterung von F . Ist
dabei K = F (X) für eine endliche Menge X ⊆ K, so ist K eine endliche Erweiterung
von F .
Beweis:
Um zu zeigen, dass K ein Körper ist, genügt der Nachweis der Abgeschlossenheit
bezüglich Addition, Multiplikation und Inversenbildung. Dafür wiederum ist hinrei6 0) (dies impliziert
chend, für α, β ∈ K zu folgern, dass α+β ∈ K und α/β ∈ K (β =
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
12
auch α − β ∈ K und α · β ∈ K). Seien
dβ
dα
Y
Y
(x − βj )
(x − αi ) bzw. mβ,F (x) =
mα,F (x) =
i=1
j=1
mit dα = deg mα,F und dβ = deg mβ,F die Minimalpolynome von α bzw. β. Wir
bilden die Polynome
dβ
dα Y
Y
fα+β (x) :=
(x − (αi + βj ))
i=1 j=1
und
fαβ (x) :=
dβ
dα Y
Y
i=1 j=1
(x − αi βj ) .
Nach dem Satz über elementarsymmetrische Funktionen sind fα+β (x) und fαβ (x) ∈
F [x]. Damit sind α + β und αβ algebraisch über F , d.h. sie liegen in K. Das Polynom xdβ mβ,F (1/x) ∈ F [x] hat die Nullstelle 1/β, also liegt 1/β in K. Das obige
Argument impliziert somit, dass auch α/β = α · 1/β ∈ K.
2
Korollar 1.14
Die Menge Q aller algebraischen Zahlen in C ist ein Teilkörper von C (Q ist der
algebraische Abschluß von Q).
Satz 1.15 (vom primitiven Element)
Ist F endliche Erweiterung von Q und E endliche Erweiterung von F , so ist E =
F (α) für ein α ∈ Q. Insbesondere sind alle endlichen Erweiterungen von Q von der
Form Q(α) für ein geeignetes α ∈ Q.
Beweis:
Sei [E : F ] = d ∈ N. Für jedes γ ∈ E sind 1, γ, γ 2 , . . . , γ d linear abhängig über F ,
d
P
d.h.
qj γ j = 0 für gewisse qj ∈ F , nicht alle 0. Damit ist E eine algebraische Erweij=0
terung von F , d.h. E = F (α1 , α2 , . . . , αm ) für gewisse algebraische α1 , . . . , αm ∈ E.
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
13
Zum Beweis der Existenz eines primitiven Elements α genügt es aufgrund eines
Induktionsarguments zu zeigen:
E = F (α1 , α2 ), α1 , α2 algebraisch =⇒ E = F (α) für ein algebraisches α.
Seien mj (x) := mαj ,F (x) für j = 1, 2. Faktorisierung über C liefert
dj
Y
mj (x) =
(x − αj,i )
i=1
für dj := deg mj und geeignete αj,i ∈ C, wobei o.B.d.A. gelte αj,1 = αj (j = 1, 2).
Nach Korollar 1.10 sind die Zahlen α1,i (1 ≤ i ≤ d1 ) wie auch die Zahlen α2,k (1 ≤
k ≤ d2 ) jeweils paarweise verschieden. Daher hat für 1 ≤ i ≤ d1 und 1 < k ≤ d2
jede der Gleichungen
α1,i + x · α2,k = α1,1 + x · α2,1
höchstens eine Lösung x ∈ F (nämlich x = (α1,i − α1,1 )/(α2,1 − α2,k )). Also können
wir ein c ∈ F \ {0} finden derart, dass
6 α1,1 + c · α2,1
(∗) α1,i + c · α2,k =
(1 ≤ i ≤ d1 , 1 < k ≤ d2 ) .
Wir setzen α := α1,1 + c · α2,1 . Es bleibt zu zeigen, dass E = F (α).
Wegen E = F (α1,1 , α2,1 ) gilt sicherlich F (α) ⊆ F (α1,1 , α2,1 ). Wir müssen nur noch
nachweisen, dass α1,1 , α2,1 ∈ F (α). Wegen α1,1 = α − c · α2,1 genügt α2,1 ∈ F (α).
Dafür setzen wir f (x) := m1 (α − cx) ∈ F (α)[x]. Es gilt
f (α2,1 = m1 (α − c · α2,1 ) = m1 (α1,1 ) = 0 = m2 (α2,1 ) .
Es zeigt sich, dass α2,1 die einzige gemeinsame Nullstelle von f (x) und m2 (x) ist,
denn:
Sei f (σ) = m2 (σ) = 0. Dann ist σ = α2,k für ein k und α − c · σ = α1,i für ein i.
Daher ist
α1,i = α − c · σ = α − c · α2,k = α1,1 + c · α2,1 − c · α2,k .
Wegen (∗) bleibt nur k = 1, d.h. σ = α2,1 . Es sei m3 (x) := mα2,1 ,F (α) (x). Nach Satz
1.9 haben wir m3 (x) | f (x) und m3 (x) | m2 (x). Da f (x) und m2 (x) nur eine gemeinsame Nullstelle, nämlich α2,1 , haben, folgt deg m3 = 1. Damit ist α2,1 algebraisch
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
14
vom Grad 1 über F (α), d.h. α2,1 ∈ F (α).
2
Bemerkung:
Wir haben zu Beginn des Beweises gezeigt, dass jede endliche Erweiterung algebraisch ist. Die Umkehrung ist im Allgemeinen falsch: Q ist algebraisch über Q, aber
keine endliche Erweiterung von Q.
Definition 1.16
Sei F ein Zahlkörper. Eine Abbildung Θ : F → C heißt Einbettung von F in C, falls
Θ ein injektiver Ring-Homomorphismus ist.
Ist F die Erweiterung eines Zahlkörpers L, geschrieben F/L, und ist Θ Einbettung
von F in C, die L punktweise festlässt (d.h. Θ(l) = l für alle l ∈ L), so heißt Θ LIsomorphismus von F. Ist Θ ein L-Isomorphismus und F = L(α) für ein algebraisches
α, so heißt Θ(α) Konjugierte von α über L. Im Falle einer quadratischen Erweiterung
√
√
√
F = Q( D) nennen wir die Konjugierte a − b D von a + b D ∈ F die algebraische
√
Konjugierte von a + b D.
Bemerkung:
Jede Einbettung eines Zahlkörpers K in C ist automatisch ein Q-Isomorphismus
von K.
€
Θ(a) = Θ(1 + 1 + · · · + 1) = a · Θ(1) = a für a ∈ Z

b · Θ (a/b) = Θ(b) · Θ (a/b) = Θ(a) = a =⇒ Θ (a/b) = a/b .
Satz 1.17
Sei F = Q(α) algebraischer Zahlkörper mit [F : Q] = d. Dann gibt es genau d
Einbettungen Θj (1 ≤ j ≤ d) von F in C. Die Konjugierten αj := Θj (α) von α über
Q mit α1 := α sind genau die Nullstellen von mα,Q (x).
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
15
Beweis:
Sei Θ eine Einbettung von F in C mit β := Θ(α). Für gewisse qj ∈ Q gilt
0 = mα,Q (α) =
d
X
qj αj ,
j=0
also
0 = Θ(0) = Θ
d
X
qj α
j
j=0
!
=
d
X
j
qj Θ(α) =
j=0
d
X
qj β j = mα,Q (β) .
j=0
Somit ist β = αj für eine der Nullstellen α1 , . . . , αd von mα,Q (x). Da die Einbettung
Θ nur von Θ(α) abhängt, gibt es deshalb höchstens d verschiedene Einbettungen
von F in C.
Es bleibt zu zeigen, dass tatsächlich d verschiedene Einbettungen Θ1 , . . . , Θd von F
nach C existieren. Nach Korollar 1.11 besitzt jedes Element γ ∈ F eine Darstellung
γ=
d
X
j=0
rj α j
∈ Q[α] .
Wir definieren damit für jedes j die Einbettung Θj : F → C durch Θj (f (α)) :=
f (αj ) für beliebiges f (x) ∈ Q[x]. Wegen der Eindeutigkeit der Darstellung der γ ∈
F in obiger Gestalt (Korollar 1.11) sind die Θj injektiv. Es bleibt lediglich die
Wohldefiniertheit zu zeigen. Dazu sei f (α) = g(α) für f (x), g(x) ∈ Q[x]. Es folgt
mit Satz 1.9, dass
f (x) − g(x) = h(x) · mα,Q (x)
für ein h(x) ∈ Q[x]. Also haben wir
f (αj ) − g(αj ) = h(αj ) · mα,Q (αj ) = 0
und somit
Θj (f (α)) = f (αj ) = g(αj ) = Θj (g(α)) .
Damit sind die Θj wohldefiniert und Θj (α) = αj .
2
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
16
Definition 1.18
Seien Θj
(1 ≤ j ≤ d := [F : Q]) die Einbettungen von F in C. Ein Θj mit Θj (F ) ⊆
R heißt reelle Einbettung, und wir setzen r1 := ]{1 ≤ j ≤ d : Θj (F ) ⊆ R} ≥ 0. Für
r1 = d heißt F total-reeller Zahlkörper.
Ein Θj mit Θj (F ) * R heißt (eigentlich) komplexe Einbettung, und es gibt 2r2
solche Einbettungen, da zu jeder komplexen Einbettung Θj die konjugierte komplexe
Einbettung Θj existiert. Für 2r2 = d heißt F total-komplexer Zahlkörper.
In jedem Fall gilt d = r1 + 2r2 , und wir nennen {r1 , r2 } die Signatur von F.
Beispiel:
√
Es ist [Q( 3 2) : Q] = 3 mit den Einbettungen
Θ1 :
√
3
2 7−→
√
3
2,
Θ2 :
√
3
√
3
2 7−→ ζ3 2,
Θ3 :
√
√
3
3
2 7−→ ζ32 2 ,
wobei ζ3 eine der beiden primitiven 3. Einheitswurzeln bezeichne. Damit ist Θ1 eine
reelle Einbettung, und Θ2 , Θ3 sind zueinander konjugierte komlexe Einbettungen;
also haben wir r1 = r2 = 1.
Satz 1.19
Sei E ⊆ C eine endliche Erweiterung eines Zahlkörpers F . Jede Einbettung von F
in C lässt sich zu genau [E : F ] Einbettungen von E in C fortsetzen. Insbesondere
gibt es [E : F ] F -Isomorphismen von E.
Beweis:
Nach Satz 1.15 existiert ein α ∈ E mit E = F (α), wobei α vom Grad d := [E : F ]
über F ist.
e eine Einbettung von E in C mit
Sei Θ eine Einbettung von F in C, und sei Θ
Œ
e Œ = Θ. Dann ist Θ
e eindeutig bestimmt durch den Wert Θ(α)
e
Θ
=: β.
F
d
P
Sei mα,F (x) :=
qj xj . Dann ist auch
j=0
Θ
(x)
mα,F
:=
d
X
j=0
Θ(qj )xj
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
17
irreduzibel über Θ(F ). Seien α1 , . . . , αd ∈ C die paarweise verschiedenen Nullstellen
von mΘ
α,F (x). Wir haben dann
e
e
0 = Θ(0)
=Θ
d
X
j=0
qj · α
j
!
=
d
X
j=0
e j ) · Θ(α)
e j=
Θ(q
d
X
j=0
Θ(qj ) · β j ,
d.h. β = αj für ein j ∈ {1, . . . , d}. Damit sind die d Körper-Isomorphismen
Œ
Θj : F (α) −→ F (αj ) mit Θj ŒF = Θ und Θj (α) = αj (1 ≤ j ≤ d) gerade die
gesuchten Fortsetzungen von Θ.
2
Die letzte Aussage des Satzes besagt nur, dass die Identität auf F als spezielle Einbettung von F in C ebenfalls d Fortsetzungen besitzt.
Wir wissen bereits, dass für algebraisches α vom Grad n und die Einbettungen
Θj (1 ≤ j ≤ n) von Q(α) in C gilt
n
Y
(x − Θj (α)) = mα,Q (x) .
j=1
Wir untersuchen dies nun für beliebiges β ∈ Q(α) anstelle von α.
Satz 1.20
Sei [Q(α) : Q] = n mit den Einbettungen Θ1 , . . . , Θn in C. Für beliebiges β ∈ Q(α)
vom Grad d über Q gilt d | n und
f (x) :=
n
Y
(x − Θj (β)) = (mβ,Q (x))n/d ;
j=1
d.h. in der Faktorisierung des Polynoms f (x) ∈ Q[x] sind die Θj (β) die Nullstellen
von mβ,Q (x) jeweils mit Vielfachheit n/d. Außerdem ist Q(α) = Q(β) genau dann,
wenn d = n.
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
18
Beweis:
Klar ist: Q(β) ist Teilkörper von Q(α), also Untervektorraum von Q(α). Es gilt
n = [Q(α) : Q] = [Q(α) : Q(β)] · [Q(β) : Q] = [Q(α) : Q(β)] · d ,
und es folgt d | n und Q(α) = Q(β) nur für n = d.
Œ
Die Einschränkung Θj ŒQ(β) ist offenbar eine Einbettung von Q(β). Wir ordnen die
Θj so an, dass Θ1 | Q(β), . . . , Θα | Q(β) die d verschiedenen Einbettungen von Q(β)
in C sind (vgl. Sätze 1.17 und 1.19). Also gilt
d
Y
mβ,Q (x) =
(x − Θj (β)) .
j=1
Wegen f (β) = f (Θ1 (β)) = 0 (o.B.d.A. Θ1 = id) folgt nach Satz 1.9, dass mβ,Q (x) |
f (x). Damit haben wir
f (x) = (mβ,Q (x))k · g(x)
für ein k ∈ N und ein g(x) ∈ Q(α)[x] mit führendem Koeffizienten 1, wobei mβ,Q (x)
und g(x) teilerfremd sind. Wäre deg g ≥ 1 (d.h. g(x) 6= 1), so hätten wir g(γ) = 0
für eine algebraische Zahl γ. Damit f (γ) = 0, d.h. γ = Θj (β) für ein j ∈ {1, . . . , d}.
Dies implizierte mβ,Q (x) | g(x) im Widerspruch zur Definition von f (x). Also haben
wir f (x) = (mβ,Q (x))k ∈ Q[x] und somit
n = deg f = deg(mβ,Q )k = kd ,
d.h. k = n/d.
2
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
19
Beispiel:
Sei F = Q(ζ8 ) mit der primitiven 8. Einheitswurzel ζ8 =
√1 (i
2
+ 1). Für β = i = ζ82
haben wir mi,Q (x) = x2 + 1. Die [Q(ζ8 ) : Q] = 4 Einbettungen von F in C sind
gegeben durch Θj : ζ8 7−→ ζ82j−1 (1 ≤ j ≤ 4). Damit erhalten wir
f (x) : =
4
Y
j=1
=
4
Y
j=1
(x − Θj (i)) =
2(2j−1)
(x − ζ8
4
Y
(x − Θj (ζ82 ))
j=1
) = (x − ζ82 )(x − ζ86 )(x − ζ810 )(x − ζ814 )
= (x − i)(x + i)(x − i)(x + i) = (x2 + 1)2 = (mi,Q (x))2 .
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
20
1.3. Norm, Spur und Diskriminante
Definition 1.21
Sei F Zahlkörper mit [F : Q] = d, und seien Θ1 , . . . , Θd die Einbettungen von F in
C. Für α ∈ F heißt
TF (α) :=
d
X
Θj (α)
j=1
Spur von α in F und
NF (α) :=
d
Y
Θj (α)
j=1
Norm von α in F.
Da die Einbettungen Θj Ring-Homomorphismen sind, ist offensichtlich TF additiv
(d.h. TF (α + β) = TF (α) + TF (β) für α, β ∈ F ) bzw. NF multiplikativ
(d.h. NF (αβ) = NF (α) · NF (β) für α, β ∈ F ).
Satz 1.22
Sei [F : Q] = n und α ∈ F mit [Q(α) : Q] = d. Sind α = α1 , α2 , . . . , αd die
Konjugierten von α über Q (d.h. die Nullstellen von mα,Q (x)), so gilt:
d
nX
n
(i) TF (α) =
αj = TQ(α) (α) ;
d j=1
d
(ii) NF (α) =
d
Y
j=1
αj
!n/d
= (NQ(α) (α))n/d ;
(iii) mα,Q (x) = xd − TQ(α) (α) · xd−1 + · · · ± NQ(α) (α) .
Beweis:
Seien die Einbettungen Θ1 , . . . , Θd von Q(α) in C gegeben durch Θj (α) = αj
(und Θj (q) = q für q ∈ Q). Nach Definition gilt
TQ(α) (α) =
d
X
j=1
αj
und NQ(α) (α) =
d
Y
j=1
αj .
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
21
Nach Satz 1.19 besitzt jedes Θi (1 ≤ i ≤ d) genau n/d Fortsetzungen zu Einbettun(j)
gen Θi
(1 ≤ j ≤ n/d) von F in C. Damit folgt
TF (α) =
n/d
d X
X
(j)
Θi (α)
=
i=1 j=1
NF (α) =
i=1 j=1
(j)
Θi (α) =
d
Y
i=1
d
nX
n
αi = TQ(α) (α)
αi =
d i=1
d
j=1
i=1
und
n/d
d Y
Y
n/d
d X
X
 
!n/d
n/d
d
Y
Y
 αi  =
αi
= (NQ(α) )n/d .
j=1
i=1
Koeffizientenvergleich bei den Potenzen xd−1 bzw. x0 in
d
Y
mα,Q (x) =
(x − αj )
j=1
liefert (iii).
2
Korollar 1.23
Liegt α in einem Zahlkörper F , so sind TF (α) und NF (α) rationale Zahlen.
Beweis:
Nach Satz 1.22 (iii) sind TF (α) und NF (α) Koeffizienten des Minimalpolynoms
mα,Q (x) ∈ Q[x], also Elemente von Q.
2
Beispiele:
(i) Sei
f (x) = ax2 + bx + c
∈ Q[x]
mit a 6= 0. Üblicherweise heißt ∆ := b2 − 4ac die Diskriminante von f (x) und
√
auch Diskriminante des quadratischen Körpers F = Q( ∆). Nach p-q-Formel
sind die Nullstellen α, α0 von f (x) gegeben durch
√
√
−b + ∆
−b
∆
−
, α0 =
.
α=
2a
2a
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
22
√
Es lässt sich leicht zeigen, dass Q(α) = Q( ∆). Also haben wir
TF (α) = TQ(α) (α) = α + α0 = −
b
a
und
c
b2 − ∆
= .
NF (α) = NQ(α) (α) = α · α =
2
4a
a
0
Damit folgt nach Satz 1.22 (iii)
b
c
mα,Q (x) = x2 − TF (α) · x + NF (α) = x2 + x +
a
a
(ii) Sei F = Q(ζp ) mit einer primitiven p-ten Einheitswurzel, wobei p ∈ P>2 . Mit
Hilfe des Eisenstein-Kriteriums lässt sich leicht nachweisen, dass
mζp ,Q (x) = xp−1 + xp−2 + · · · + x + 1
ist (xp − 1 = (x − 1) · (xp−1 + · · · + x + 1) mit irreduziblen Faktoren). Da
ζp , ζp2 , . . . , ζpp−1 allesamt primitive p-te Einheitswurzeln sind, haben wir
p−1
(∗)
Y
xp − 1
= xp−1 + xp−2 + · · · + x + 1 =
(x − ζpj ) .
x−1
j=1
Wir differenzieren und setzen x = ζpi . Wegen ζpp = 1 erhalten wir
p−1
(∗∗)
p · ζpp−i Y i
=
(ζp − ζpj ) .
ζpi − 1
j=1
j6=i
Aus (∗) mit x = 0 bzw. x = 1 kommt
p−1
Y
ζpj = (−1)p−1
bzw.
p−1
Y
(1 − ζpj ) = p .
j=1
j=1
p−1
Y
Durch Produktbildung
(. . .) in (∗∗) bekommen wir nach paarweiser Bündei=1
lung
p−2
p
p−1 p−1
Y
Y
(ζpi − ζpj )
=
i=1
j=1
j6=i
= (−1)
(p−1)(p−2)
2
Y
(ζ i − ζ j )2 .
1≤i<j≤p−1
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
23
Wegen 2 - p folgt
Y
(ζpi − ζpj )2 = (−1)
p−1
2
pp−2 .
1≤i<j≤p−1
Definition 1.24
Sei f (x) ∈ F [x] für einen Körper F ⊆ C, wobei d := deg f ≥ 2 und
d
Y
f (x) = a · (x − αj )
j=1
für a ∈ F und gewisse αj ∈ C. Dann heißt
Y
discr (f ) := a2d−2
1≤i<j≤d
(αi − αj )2
Diskriminante von f.
Satz 1.25
Sei F = Q(α) mit [F : Q] = d, und seien α = α1 , α2 , . . . , αd die Konjugierten von α
über Q. Dann gilt
discr (mα,Q (x)) = (−1)
d(d−1)/2
d
Y
m0α,Q (αj ) = (−1)d(d−1)/2 NF (m0α,Q (α)) ,
j=1
wobei m0α,Q (x) die Ableitung von mα,Q (x) bezeichnet.
Beweis:
Nach Definition ist
Y
discr (mα,Q ) =
1≤i<j≤d
Wegen
0
mα,Q
(x)
(αi − αj )2 .
d Y
d
X
(x − αi )
=
j=1
haben wir
m0α,Q (αj )
=
i=1
i6=j
d
Y
i=1
i6=j
(αj − αi ) .
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
24
Also folgt
NF (m0α,Q (α))
=
d
Y
m0α,Q (αj )
j=1
j=1
= (−1)
d
d Y
Y
=
(αj − αi )
d(d−1)
2
Y
i=1
i6=j
(αj − αi )2 = (−1)
d(d−1)
2
discr (mα,Q ) .
1≤i<j≤d
2
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
25
1.4. Ganzalgebraische Zahlen und Ganzheitsbasen
Wir bezeichnen mit A ⊆ Q die Menge der ganzalgebraischen Zahlen in C.
Satz 1.26
Sei α ∈ Q. Dann ist α ∈ A ⇐⇒ mα,Q (x) ∈ Z[x]. Außerdem gilt für α ∈ A, dass
TQ(α) (α) ∈ Z und NQ(α) (α) ∈ Z.
Beweis:
Sei zunächst α ∈ A. Nach Definition 1.1 existiert ein Polynom f (x) ∈ Z[x] mit
führendem Koeffizienten 1 und f (α) = 0. Wir können o.B.d.A. annehmen, dass f
minimalen Grad besitzt. Nach Satz 1.9 gilt mα,Q (x) | f (x) über Q, d.h.
f (x) = mα,Q (x) · h(x)
für mα,Q , h(x) ∈ Q[x] .
Nach Gauß’ Lemma existieren M (x), H(x) ∈ Z[x] mit deg M = deg mα,Q und
deg H = deg h derart, dass f (x) = M (x) · H(x). Wegen der führenden Koeffizienten
1 in f (x) und mα,Q (x) folgt M (x) = mα,Q (x), also mα,Q (x) ∈ Z[x]. Ist umgekehrt
mα,Q (x) ∈ Z[x], so ist α ∈ A nach Definition.
Nach Satz 1.22 (iii) sind TQ(α) und NQ(α) Koeffizienten von mα,Q (x). Da mα,Q (x) ∈
Z[x] für α ∈ A, folgt das Gewünschte.
2
Bemerkung:
Wir haben im vorstehenden Beweis auch gezeigt:
Ist α ∈ A Nullstelle eines Polynoms f (x) ∈ Z[x] mit minimalem Grad und führendem Koeffizienten 1, so ist f (x) irreduzibel über Q.
Wir haben in Korollar 1.11 gesehen, dass 1, α, α2 , . . . , αd−1 eine Q-Basis des Vektorraums Q(α) für algebraisches α vom Grad d ist. Entsprechend ist α ∈ A gdw. der
Z-Modul Z[α] endlich erzeugt ist.
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
26
Satz 1.27
Für α ∈ C sind die folgenden Aussagen äquivalent:
(i) α ∈ A ;
(ii) Z[α] ist als Z-Modul endlich erzeugt ;
(iii) α ∈ R für einen Ring R ⊆ C, der als Z-Modul endlich erzeugt ist ;
(iv) αM ⊆ M für einen endlich erzeugten Z-Modul M ⊆ C .
Beweis:
(i) =⇒ (ii): Nach Korollar 1.11 ist Q(α) = Q[α] erzeugt von 1, α, α2 , . . . , αd−1 ,
sofern α algebraisch vom Grad d ist. Also wird insbesondere Z[α] über Z von
1, α, α2 , . . . , αd−1 erzeugt.
(ii) =⇒ (iii): Wähle R := Z[α].
(iii) =⇒ (iv): Wähle M := R.
(iv) =⇒ (i): Sei M = Zm1 + · · · + Zmd . Dann gibt es für j = 1, . . . , d Koeffizienten
aj,i ∈ Z mit
αmj =
d
X
aj,i mi .
i=1
Also hat das homogene lineare Gleichungssystem
(a1,1 − α)x1 + a1,2 x2 + · · · + a1,d xd = 0
a2,1 x1 + (a2,2 − α)x2 + · · · + a2,d xd = 0
.
...
..
ad,1 x1 + ad,2 x2 + · · · + (ad,d − α)xd = 0
eine nichttriviale Lösung (nämlich xj = mj für 1 ≤ j ≤ d). Also gilt für die (d × d)Matrix




A := 



a1,1 − α
a2,1
..
.
ad,1
...
a1,d
a2,2 − α . . .
..
.
a2,d
..
.
a1,2
ad,2
. . . ad,d − α




 ,



1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
27
dass det A = 0. Entwickeln wir det A, so entsteht ein Poylnom aus Z[α] mit höchstem Term ±αd , und somit ist α ganzalgebraisch.
2
Korollar 1.28
A ist ein Unterring von Q.
Beweis:
Es genügt, die Abgeschlossenheit von A bezüglich Addition und Multiplikation zu
zeigen. Seien also α, β ∈ A. Nach Satz 1.27 (ii) sind Z[α] und Z[β] beide endlich
erzeugte Z-Moduln; genauer: Sind
Z[α] = Za1 + · · · + Zak
so ist
Z[α, β] =
,
Z[β] = Zb1 + · · · + Zbl ,
k X
l
X
Zαi βj .
i=1 j=1
Wegen α + β, α · β ∈ Z[α, β] sind nach Satz 1.27 (iii) α + β und α · β algebraisch.
Es lässt sich mühelos zeigen, dass für einen algebraischen Zahlkörper F der Durchschnitt F ∩ A ein (Unter-)Ring in F ist.
2
Definition 1.29
Sei F ⊆ C ein algebraischer Zahlkörper. Dann heißt OF := F ∩ A Ring der
ganz(algebraisch)en Zahlen in F.
Nach Satz 1.26 besteht OF aus allen algebraischen Zahlen α ∈ Q ∩ F derart, dass
mα,Q (x) ∈ Z[x]. Im Spezialfall F = Q haben wir
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
28
Korollar 1.30
Der Ring der ganzen Zahlen in Q ist OQ := A ∩ Q = Z.
Beweis:
Für α ∈ A ∩ Q ist mα,Q (x) = x − α, wobei nach Satz 1.26 gilt mα,Q (x) ∈ Z[x]. Also
folgt α ∈ Z. Offensichtlich ist Z ⊆ A ∩ Q.
2
Wir sprechen von Q als dem (speziellen) rationalen Zahlkörper und von Z als dem
Ring der ganzrationalen Zahlen – im Gegensatz zu ganzen Zahlen in beliebigen
Zahlkörpern.
Als Verfeinerung des Satzes vom primitiven Element gilt
Satz 1.31
Zu einem algebraischen Zahlkörper F existiert ein α ∈ A mit F = Q(α).
Beweis:
Nach Satz 1.15 gibt es ein β ∈ Q mit F = Q(β). Sei
d
mβ,Q (x) = x +
d−1
X
j=0
qj xj ∈ Q[x] .
Sei b der Hauptnenner der Zahlen qj , also b · qj ∈ Z für 0 ≤ j < d. Dann ist
d
d
b · mβ,Q (x) = (bx) +
und
d
f (x) := x +
d−1
X
j=0
d−1
X
j=0
bd−j qj (bx)j ∈ Z[x]
bd−j qj · xj ∈ Z[x]
besitzt die Nullstellen bβ. Also ist α := bβ ∈ A, und offenbar gilt Q(α) = Q(β) = F .
2
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
29
Nach dem Satz vom primitiven Element (bzw. nach Satz 1.31) besitzt jeder Zahlkörper
die Darstellung F = Q(α) für ein α ∈ Q (bzw. α ∈ A) vom Grad d ∈ N. Nach Korollar 1.11 ist dann 1, α, α2 , . . . , αd−1 eine Q-Basis des Vektorraums F über Q. Da
OF ein Z-Modul ist, liegt die Frage nach einer Z-Basis auf der Hand.
Definition 1.32
Eine Z-Basis des Ganzzahlrings OF (über Z) in einem Zahlkörper F heißt Ganzheitsbasis von F.
Es ist leicht zu zeigen, dass jede Ganzheitsbasis eines Zahlkörpers F auch eine QBasis von F ist. Das folgende Beispiel belegt, dass die Umkehrung im Allgemeinen
falsch ist: Nicht jede Q-Basis von F , die aus ganzalgebraischen Zahlen besteht, ist
notwendig eine Ganzheitsbasis von F .
Beispiel:
√
√
Sei F = Q( 13) = {a + b 13 : a, b ∈ Q}. Die Zahl α :=
1
(1
2
+
√
13) hat das
Minimalpolynom
mα,Q (x) = x2 − x − 3 ∈ Z[x] ,
√
also ist α ∈ OF = F ∩ A. Selbstverständlich ist 1, 13 eine Q-Basis von F , wo√
√
bei 1 und 13 ganzalgebraisch sind (x2 − 13 ∈ Z[x]). Trotzdem ist 1, 13 kei√
ne Ganzheitsbasis von F , denn α ∈
/ Z + Z 13. Es lässt sich nachrechnen, dass
√
OF = Z[ 21 (1 + 13)].
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
30
Definition 1.33
Sei F = Q(α) algebraischer Zahlkörper mit [F : Q] = d. Ist B = {α1 , α2 , . . . , αd }
eine Q-Basis von F und sind Θ1 , . . . , Θd die Einbettungen von F in C, so heißt
discr (B) := det(Θj (αi ))21≤i≤d
1≤j≤d
Diskriminante der Basis B. Für eine spezielle Basis B der Form
B = {1, α, α2 , . . . , αd−1 }
heißt det(Θj (αj−1 )) 1≤i≤d Vandermonde-Determinante. Mittels Induktion lässt sich
1≤j≤d
leicht zeigen
Lemma 1.34
Die Vandermondsche-Determinante hat den Wert
det(Θj (αj−1 )) 1≤i≤d =
1≤j≤d
Y
(αi − αj ) ,
1≤i<j≤d
wobei αi := Θi (α) die i-te Konjugierte von α ist.
Satz 1.35
Seien B1 := {α1 , α2 , . . . , αd } und B2 := {β1 , β2 , . . . , βd } zwei Q-Basen eines algebraischen Zahlkörpers F . Dann gilt
discr (B2 ) = D2 · discr (B1 ) ,
wobei D = det(qi,k ) 1≤i≤d für die Darstellungen
1≤k≤d
βk =
d
X
i=1
qi,k αi
(k = 1, . . . , d; qi,k ∈ Q) .
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
31
Beweis:
Seien Θ1 , . . . , Θd die Einbettungen von F in C. Damit gilt
Θj (βk ) =
d
X
qi,k Θj (αi ) (j = 1, . . . , d; k = 1, . . . , d) .
i=1

Θ (β ) · · · Θd (β1 )
 1 1
..

...

.

Θ1 (βd ) · · · Θd (βd )
 
Θ (α ) · · · Θd (α1 )
q1,1 · · · q1,d
  1 1
 
..
..

  ..
... 
·
= .
.
.
 
 
qd,1 · · · qd,d
Θ1 (αd ) · · · Θd (αd )


also durch quadrieren der Determinanten



 ,

discr (B2 ) = D2 · discr (B1 ) .
2
Beispiel:
√
√
√
Sei F = Q( 13), und seien α = 12 (1 + 13), β = 13. Dann sind B1 = {1, α}
und B2 = {1, β} Q-Basen von F (aber B2 ist keine Ganzheitsbasis von F ). Die
Einbettungen vo F in C sind
Θ1 :
Wir haben
und
√
√
√
√
13 7−→ 13 und Θ2 : 13 7−→ − 13 .
2
2

1
1
Θ1 (1)
Θ2 (1)
 = det  √
discr (B2 ) = det 
√
√  = 52
√
Θ1 ( 13) Θ2 ( 13)
13 − 13

2
Θ1 (1)
Θ2 (1)

discr (B1 ) = det 
√
√
1
1
Θ1 ( 2 (1 + 13)) Θ2 ( 2 (1 + 13))

2
1
1
 = 13.
= det 
√
√
1
1
13)
13)
(1
+
(1
−
2
2

Also discr (B2 ) = 22 · discr (B1 ). Wegen
β1 = 1 = 1 · 1 + 0 · α ,
β2 =
√
√
1
13 = −1 · 1 + 2 · (1 + 13)
2
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
32
haben wir

D = 2 = det 
Satz 1.36
1 −1
0
2

 .
Ist B = {α1 , . . . , αd } eine Q-Basis eines algebraischen Zahlkörpers F , so gilt
∆ := discr (B) = det(TF (αi αj )) 1≤i≤d ∈ Q
1≤j≤d
und ∆ 6= 0. Ist F total-reell, so ist ∆ > 0.
Beweis:
Die Rechenregeln für Determinanten ergeben
€

∆ = det (Θj (αi ))2 = det (Θj (αi )) · det (Θj (αi ))t
= det(Θj (αi )) · det(Θi (αj )) = det((Θj (αi )) · (Θi (α)))
!
d
X
Θk (αi αj ) = det (TF (αi αj )) .
= det
k=1
Nach Korollar 1.23 sind alle TF (αi αj ) mit 1 ≤ i, j ≤ d rational, also ∆ ∈ Q.
Nach dem Satz vom primitiven Element existiert ein α ∈ F mit F = Q(α). Damit
ist {1, α, α2 , . . . , αd−1 } =: B 0 Q-Basis von F . Nach Lemma 1.34 folgt
discr (B 0 ) =
Y
1≤i<j≤d
(Θi (α) − Θj (α))2
für die Einbettungen Θ1 , . . . , Θd von F in C. Dies impliziert
(i) discr (B 0 ) 6= 0 ;
(ii) discr (B 0 ) > 0 für F total-reell.
Da für D = det(qi,k ) in Satz 1.35 gilt D 6= 0 (Basistransformationen sind invertier-
bar), folgt wegen D ∈ Q, dass D2 > 0. Wenden wir nun Satz 1.35 mit B1 := B0
und B2 := B an, so haben wir sofort ∆ 6= 0 wegen (i) und ∆ > 0 für total-reelles F
wegen (ii).
2
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
33
Korollar 1.37
Ist B eine Q-Basis von F mit B ⊆ OF , so ist discr (B) ∈ Z.
Beweis:
Die Behauptung folgt aus Satz 1.36 sofort mit Hilfe von Satz 1.26.
2
Korollar 1.38
Sei B = {α1 , α2 , . . . , αd } eine Q-Basis von F . Ist B2 = {β1 , β2 , . . . , βd } ⊆ F mit
βk =
d
X
qi,k αi
i=1
(k = 1, . . . , d; qi,k ∈ Q) ,
so gilt: B2 ist Q-Basis von F ⇐⇒ det(qi,k ) 6= 0.
Beweis:
=⇒“
”
Sei B2 Q-Basis von F . Nach Satz 1.35 ist
discr (B2 ) = D2 · discr (B1 )
mit D = det(qi,k ). Nach Satz 1.36 ist discr (B2 ) 6= 0, also auch D 6= 0.
⇐=“
”
Sei det(qi,k ) 6= 0. Wir haben zu zeigen, dass β1 , β2 , . . . , βd linear unabhängig über Q
sind. Die Annahme γ1 β1 + · · · + γd βd = 0 für gewisse γi ∈ Q impliziert
0=
d
X
γk βk =
d
X
k=1
k=1
γk
d
X
qi,k αi =
i=1
d
X
i=1
αi
d
X
k=1
Wegen der linearen Unabhängigkeit der αi folgt
d
X
k=1
γk · qi,k = 0 (1 ≤ i ≤ d) .
γk · qi,k .
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
34
Wegen det(qi,k ) =
6 0 hat dieses homogene lineare GLeichungssystem nur die triviale
Lösung γ1 = . . . = γd = 0.
2
Satz 1.39
Jeder algebraische Zahlkörper F mit [F : Q] = d besitzt eine Ganzheitsbasis und OF
ist eine freie abelsche Gruppe vom Rang d (d.h. OF = Zβ1 ⊕ · · · ⊕ Zβd für geeignete
βj ∈ OF ).
Beweis:
Nach Satz 1.31 existiert ein α ∈ OF = F ∩ A mit F = Q(α). Insbesondere ist
{1, α, α2 , . . . , αd−1 } ⊆ OF eine Q-Basis von F . Es ist zu zeigen, dass in der nicht-
leeren Menge aller solcher Q-Basen von F mindestens eine ist, die gleichzeitig eine
Z-Basis von OF bildet. Nach Korollar 1.37 und Satz 1.36 wissen wir, dass deren
Diskriminante in Z \ {0} liegt.
Sei also B1 = {β1 , β2 , . . . , βd } ⊆ OF eine Q-Basis von F , wobei |discr (B1 )| minimal
sei unter allen derartigen Basen.
Annahme: B1 ist keine Z-Basis von OF .
Dann existiert ein γ ∈ OF derart, dass
γ=
d
X
j=1
qj βj
(qj ∈ Q)
mit mindestens einem qj ∈
/ Z. O.B.d.A. sei q1 ∈
/ Z, d.h. q1 = [q1 ]+r für ein 0 < r < 1.
Sei
δ := γ − [q1 ]β1 =
d
X
j=1
qj βj − [q1 ]β1 = rβ1 +
d
X
j=2
qj βj ∈ OF .
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
Die Matrix
35






A=




r q2
q3
· · · qd
0
...
...
1
0
···
0
..
.
1
0
0
..
.
··· ···
0
...
...
1











hat die Determinante det A = r 6= 0. Nach Korollar 1.38 ist auch
B2 = {δ, β2 , β3 , . . . , βd } ⊆ OF
eine Q-Basis von F . Nach Satz 1.35 haben wir discr (B2 ) = r2 · discr (B1 ), also
|discr (B2 )| < |discr (B1 )| .
Dieser Widerspruch zur Minimalität von |discr (B2 )| beweist, dass B1 Z-Basis von
OF ist, d.h. als Z-Modul haben wir
OF = Zβ1 ⊕ · · · ⊕ Zβd .
2
Korollar 1.40
Ist B ⊆ OF eine Basis von F über Q und ist discr (B) quadratfrei, so ist B eine
Ganzheitsbasis von F .
Beweis:
Sei B = {β1 , β2 , . . . , βd } ⊆ OF . Nach Satz 1.39 besitzt F eine Ganzheitsbasis
B1 = {α1 , α2 , . . . , αd }. Nach Satz 1.35 gilt
discr (B) = D2 · discr (B1 ) ,
wobei D = det(qi,k ) mit qi,k ∈ Z definiert durch
(∗) βk =
d
X
i=1
qi,k αi
(k = 1, . . . , d) .
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
36
Nach Korollar 1.37 sind discr (B) ∈ Z und discr (B1 ) ∈ Z. Da discr (B) quadratfrei nach Voraussetzung ist, folgt mit D ∈ Z, dass D = ±1. Matrizen (qi,k ) mit
Determinante ±1 heißen unimodular und besitzen bekanntlich eine Inverse über Z
0
∈Z
((qi,k ) ∈ GLn (Z)). Also folgt aus (∗) für geeignete qi,k
αk =
d
X
0
qi,k
βi
(k = 1, . . . , d) .
i=1
Damit ist auch B Ganzheitsbasis von F .
2
Bemerkung:
Die Umkehrung des Korollars gilt im Allgemeinen nicht:

2
√
√
1
1
B = {1, 2} ist Ganzheitsbasis von Q( 2), aber discr (B) = det  √
√ 
2 − 2
√ 2
= (−2 2) = 8 ist nicht quadratfrei.
Korollar 1.41
Für zwei Ganzheitsbasen B1 und B2 eines algebraischen Zahlkörpers F gilt
discr (B1 ) = discr (B2 ) .
Beweis:
Nach Satz 1.35 haben wir
(∗) discr (B2 ) = D2 · discr (B1 )
für das dort ausgegebene D, in unserer Situation D ∈ Z. Da nach Korollar 1.37
auch die beiden Diskriminanten ganzrational sind, folgt discr (B1 ) | discr (B2 ). Durch
Vertauschen der Rollen ergibt sich auf die gleiche Weise discr (B2 ) | discr (B1 ). Also
discr (B1 ) = ±discr (B2 ) ,
wobei das Minuszeichen wegen (∗) nicht möglich ist.
2
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
37
Das vorstehende Korollar besagt im Wesentlichen, dass die Diskriminante einer
Ganzheitsbasis eines Zahlkörpers F eine Invariante von F ist.
Definition 1.42
Sei B irgendeine Ganzheitsbasis eines algebraischen Zahlkörpers F . Dann heißt
∆F := discr (B) Diskriminante von F (und hängt nach Korollar 1.41 nicht von der
gewählten Ganzheitsbasis B ab).
Satz 1.43
√
Sei D ∈ Z \ {0, 1} quadratfrei, und sei F := Q( D); dabei heißt D Radikand von
F . Dann gilt
und

 D für
∆F =
 4D für
 h
√ i
 Z 1 (1 + D) für
2
OF =
√

Z[ D]
für
D ≡ 1 mod 4,
D ≡ 2, 3 mod 4,
∆F ≡ D ≡ 1 mod 4,
∆F ≡ 0 mod 4 (⇐⇒ D ≡ 2, 3 mod 4).
Beweis:
Wegen [F : Q] = 2 hat OF eine Ganzheitsbasis der Gestalt {1, α} für ein
√
a+b D
∈F
α=
c
mit ggT(a, b, c) = 1 und a, b, c ∈ Z, c > 0. Ist B = {1, α, α2 , . . . , αd−1 } eine Basis,
so haben wir nach Definition und Lemma 1.34 (mit αj := Θj (α))
discr (B) = det(Θj (αi−1 ))2 =
Y
1≤i<j≤d
= discr (mα,Q ) .
(αi − αj )2
In unserem Fall folgt mit Satz 1.25
∆F = discr (mα,Q ) = −m0α,Q (α) · m0α,Q (α) ,
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
38
√
a−b D
wobei α :=
. Wegen m0α,Q (x) = 2x − TF (α) erhalten wir
c
∆F = −(2α − TF (α))(2α − TF (α))
= −4αα + 2(α + α)TF (α) − TF (α)2
’ “2 ’ “2
’ 2
“
2a
4b2 D
2a
−a + b2 D
+
2
−
=
∈Z,
= 4
c2
c
c
c2
wobei ∆F ∈ Z nach Korollar 1.37 gilt. Nach Satz 1.26 wisssen wir außerdem, dass
TF (α) =
a2 − b2 D
2a
∈Z.
∈ Z und NF (α) =
c
c2
Behauptung: c ∈ {1, 2}.
Hätte c einen Primteiler p ≥ 3, so folgte wegen TF (α) ∈ Z, dass p | a. Wegen D
quadratfrei und NF (α) ∈ Z hätten wir auch p | b, also p | (a, b, c) im Widerspruch zur
Voraussetzung (a, b, c) = 1. Also bleibt nur c = 2j für ein j ∈ N0 . Für j ≥ 2 bekämen
wir mit der vorstehenden Argumentation 2 | (a, b, c). Also gilt die Behauptung.
1. Fall: D 6≡ 1 mod 4 (d.h. D ≡ 2, 3 mod 4).
Für c = 2 hätten wir ∆F = b2 D. Wegen (a, b, c) = 1 implizierte NF (α) ∈ Z dann
2 - ab (D quadratfrei!). Somit
1 ≡ a2 ≡ b2 D ≡ D mod 4 Widerspruch! (D 6≡ 1 mod 4) .
Es bleibt nur c = 1. Wie im ersten Teil des Beweises folgt mit Satz 1.25
√
√
4b2 D = ∆F = discr (m√D,Q ) = −(2 D) · (−2 D) = 4D .
Es ergibt sich b = ±1, o.B.d.A. b = 1. Damit haben wir
OF = Z[a +
√
√
D] = Z[ D] .
2. Fall: D ≡ 1 mod 4.
Die Situation c = 1 kann nicht auftreten, denn β :=
1
(1
2
Minimalpolynom
mβ,Q (x) = x2 − x +
1−D
∈ Z[x] ,
4
+
√
D) ∈ F hat das
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
39
√
also β ∈ OF = Z[α] = Z[a + b D]. Widerspruch!
Es bleibt c = 2 und wegen
√
’
“
√
a−b
1
a+b D
=
+b
(1 + D)
2
2
2
(mit (a − b)/2 ∈ Z wegen 2 - ab (s.o.)) erhalten wir
•
”
√
1
OF = Z[α] = Z (1 + D) .
2
Schließlich kommt analog zum 1. Fall
√
√
∆F = discr (mβ,Q ) = −( D)(− D) = D .
2
Bemerkungen:
(i) Aufgrund von Satz 1.43 haben wir
p
√
F := Q( D) = Q( ∆F ) .
(ii) Bei quadratischen Zahlkörpern F haben wir stets OF = Z[α] für ein geeignetes α. Für Zahlkörper höheren Grades ist dies im Allgemeinen falsch. Man
√
√
kann z.B. zeigen, dass für F = Q( −7, −14) gilt: OF =
6 Z[β] für alle
β ∈ OF . Während also nach dem Satz vom primitiven Element stets eine
Q-Basis {1, α, α2 , . . . , αd−1 } zu einem Zahlkörper F vom Grad d existiert, gibt
es im Allgemeinen keine derartigen Ganzheitsbasen.
Aus Satz 1.43 folgt, dass für quadratische Zahlkörper F stets ∆F ≡ 0, 1 mod 4 ist.
Dies gilt allgemein.
Satz 1.44 (Kriterium von Stickelberger)
Für jeden algebraischen Zahlkörper F haben wir
∆F ≡ 0, 1 mod 4 .
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
40
Beweis: (I. Schur)
Sei B = {α1 , α2 , . . . , αn } eine Ganzheitsbasis von F mit [F : Q] = n.Wir bezeichnen
(j)
(1)
(j = 1, . . . , n) die Konjugierten von αk := αk (k = 1, . . . , n). Nach

‘
√
(j)
Definition haben wir ∆F = det αk k=1,...,n . Aus der Linearen Algebra ist bekannt
mit αk
j=1,...,n
‘

(j)
det αk
=
=
X
σ∈Sn
X
(σ(1))
sgn(σ) · α1
(σ(1))
α1
σ∈An
=: G − U ,
(σ(2))
· α2
· . . . · αn(σ(n)) −
· . . . · αn(σ(n))
X
(σ(1))
α1
σ6∈An
· . . . · αn(σ(n))
wobei Sn die symmetrische Gruppe der Ordnung n! (Sn = Menge aller Permutationen von {1, 2, . . . , n}) und An die alternierende Gruppe der Ordnung 21 n! (An = Menge aller geraden Permutationen von {1, 2, . . . , n}) bezeichnen. Offenbar sind G, U ∈
A. Außerdem sind G + U und G · U symmetrische Ausdrücke in den α1 , α2 , . . . , αn
(das Vertauschen von αi ←→ αj führt nur zu einer Änderung der Reihenfolge der
Summanden von G bzw. U oder zu einem Tausch der Rollen von G und U). Nach
dem Satz über elementarsymmetrische Funktionen sind somit G + U und G · U aus
dem Grundkörper von F , d.h. G + U, G · U ∈ Q. Nach Korollar 1.30 folgt G + U,
G · U ∈ Z. Es ergibt sich
∆F = (G − U)2 = (G + U)2 − 4G · U
≡ (G + U)2 ≡ 0, 1 mod 4 .
2
Nach Satz 1.36 ist ∆f > 0 für total-reelles F . Allgemeiner gilt
Satz 1.45 (von Kronecker)
Ist F ein algebraischer Zahlkörper mit Signatur {r1 , r2 }, so ist das Vorzeichen von
∆F gleich (−1)r2 .
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
41
Beweis:
Sei [F : Q] = n und B = {α1 , . . . , αn } eine Ganzheitsbasis von F . Mit den Bezeich
‘2
(j)
, wobei
nungen aus dem vorangehenden Beweis ist ∆F = det αk
‘

(j)
det αk = a + bi
mit gewissen a, b ∈ R und i =
∈C

‘
√
(j)
−1. Vertauschen wir in det αk die r2 Paare von
Zeilen mit komplexen Einbettungen und den jeweiligen konjugierten Einbettungen,
so wird in der Entwicklung der Determinante offenbar jeder Imaginärteil durch sein
Negatives ersetzt. Es entsteht also der Wert a − bi. Andererseits liefert das Ver
‘

‘
(j)
(j)
tauschen von r2 Paaren von Zeilen in det αk
den Wert (−1)r2 · det αk . Es
folgt

‘
(j)
a − bi = (−1)r2 det αk = (−1)r2 (a + bi) .
Für 2 | r2 ergibt sich b = 0, also ∆F = a2 > 0. Für 2 - r2 kommt a = 0, also
∆F = (bi)2 = −b2 < 0.
2
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
42
1.5. Faktorisierung und Teilbarkeit
Es lässt sich leicht zeigen, dass in einem kommutativen Ring R mit Einselement die
Einheiten (d.h. die multiplikativ invertierbaren Elemente) eine multiplikative
(Unter-)Gruppe UR bilden. Wir bezeichnen mit hgi die von einem Element g einer
Gruppe erzeugte zyklische (Unter-)Gruppe.
Satz 1.46
√
Ist ∆F < 0 für den komplexen quadratischen Zahlkörper F = Q( ∆F ), so gilt für
die Einheitengruppe
UF := UOF
Beweis:

√ ‹
Š


hζ6 i := 21 (1 − i 3) für ∆F = −3 ,


=
hζ4 i := hii
für ∆F = −4 ,




hζ2 i := h−1i
sonst .
√
Sei u = a + b D ∈ UF , wobei 2a, 2b ∈ Z und D ist der Radikand von F
(d.h. D ∈ {∆F , ∆F /4}) gemäß Satz 1.43. Wegen
1 = NF (1) = NF (u · u−1 ) = NF (u) · NF (u−1 )
und NF (u), NF (u−1 ) ∈ Z nach Satz 1.26 folgt NF (u) = ±1. Mit NF (u) = a2 −
b2 D > 0 ergibt sich NF (u) = 1.
1. Fall: D ≡ 2, 3 mod 4 und D < −1.
Nach Satz 1.43 ist ∆F = 4D und a2 − b2 D = 1 für gewisse a, b ∈ Z. Wegen D < −1
folgt b = 0 und a = ±1, also UF = h−1i.
2. Fall: D ≡ 1 mod 4 und D < −4.
Nach Satz 1.43 ist a2 − b2 D = 1 für gewisse a, b ∈
1
Z,
2
d.h. a02 − b02 D = 4 für
a0 , b0 ∈ Z. Wegen D < −4 folgt b0 = 0, also a0 = ±2, d.h. a = ±1 und wieder
UF = h−1i.
Es bleiben die Fälle D = −1, −2, −3. Für D = −1 haben wir a2 + b2 = 1, also
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
43
a = ±1, b = 0 oder a = 0, b = ±1. Das bedeutet u = ±1 oder u = ±i, und somit
UF = hii für ∆F = −4. Im Falle D = −2 gilt a2 + 2b2 = 1, also a = ±1, b = 0 und
daher UF = h−1i. Schließlich für D = 3 haben wir a2 + 3b2 = 4 mit a, b ∈ Z, d.h.
a = ±b = ±1 oder a = ±2, b = 0. Wir erhalten die Einheiten
√
1
u = (−1 ± −3) ,
2
√
d.h. die Potenzen der 6. Einheitswurzel ζ6 := 12 (1 − i 3).
u = ±1 ,
√
1
u = (1 ± −3) ,
2
2
Nach Definition 1.2 heißt ein Element aus OF eindeutig zerlegbar, wenn es bis auf
Reihenfolge der Faktoren und Assoziierte eindeutig in irreduzible Elemente faktorisiert. Wir haben schon Beispiele für irreduzible Elemente gesehen, die nicht prim
sind. Der folgende Satz zeigt, dass eindeutige Faktorisierung genau dann vorliegt,
wenn die irreduziblen Elemente prim sind.
Satz 1.47
Sei F ein Zahlkörper. Dann gilt:
(i) Jedes α ∈ OF , α 6= 0, lässt sich in ein Produkt irreduzibler Faktoren zerlegen.
(ii) Jedes α ∈ OF , α 6= 0, besitzt eine bis auf Reihenfolge der Faktoren und
Assoziierte eindeutige solche Zerlegung genau dann, wennn jedes irreduzible
Element von OF prim ist.
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
44
Beweis:
(i) Ist α nicht selbst irreduzibel, so gilt α = β · γ für gewisse β, γ ∈ OF \ UF .
Iteration dieses Zerlegungsprozesses liefert die gewünschte Faktorisierung. Der
Prozess ist endlich, denn: Ist N (δ) = ±1 für ein δ ∈ OF , so gilt
1 = ±N (δ) = δ · ((±1) · δ2 · δ3 · δ4 · . . . · δd )
mit den Konjugierten δ2 , . . . , δd ∈ OF von δ, also δ ∈ UF . Für eine Zerlegung
α = α! · α2 · . . . · αm in irreduzible Elemente haben wir also
|N (αj )| ≥ 2 (j = 1, . . . , m) und somit
m
m≤2 ≤
m
Y
j=1
|N (αj )| = |N (α)| .
(ii) =⇒“
”
Seien alle Zerlegungen eindeutig. Für α ∈ OF irreduzibel ist zu zeigen: α ist
prim. Sei also α | βγ, d.h. es gibt σ ∈ OF mit βγ = ασ. Nach Voraussetzung
haben β, γσ eindeutige Zerlegungen
β =u·
r
Y
βj
j=1
,
γ=v·
s
Y
γj
,
j=1
σ=w·
t
Y
σj
j=1
mit u, v, w ∈ UF und βj , γj , σj alle irreduzibel. Also
α·w·
t
Y
j=1
σj = ασ = βγ = uv
r
Y
j=1
βj ·
s
Y
γj .
j=1
Da α irreduzibel ist, folgt aus der eindeutigen Faktorisierung, dass
α ∈ {βj : 1 ≤ j ≤ r} ∩ {γj : 1 ≤ j ≤ s}. Also α | β oder α | γ, d.h. α ist
prim.
⇐=“
”
Sei jedes irreduzible Element von OF prim. Sei für irreduzible αj , βj und u, v ∈
UF mit 1 ≤ s ≤ r
(∗) uα1 · . . . · αr = vβ1 · . . . · βs .
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
45
Zu zeigen: r = s und jedes αj ist assoziiert zu einem βk . Wir machen Induktion
über r. Für r = 1 ist s = 1, und alles ist klar. Wir nehmen nun eindeutige
Faktorisierung bis zur Länge r − 1 ≥ 1 an. Da βs nach Voraussetzung prim
(also keine Einheit) ist, impliziert βs | uα1 · . . . · αr , dass βs | αj für geeignetes
j, o.B.d.A. βs | αr . Damit sind βs und αr assoziiert. Da OF Integritätsring
ist (OF besitzt keine Nullteiler, denn C besitzt keine Nullteiler), können wir
βs = wαr , w ∈ UF , in (∗) kürzen und erhalten
u0 α1 · . . . · αr−1 = vβ1 · . . . · βs−1
Induktion liefert die Behauptung.
2
Definition 1.48
Sei D ein Integritätsbereich, in dem jedes Element 6= 0 eindeutig in irreduzible Elemente zerfällt. Dann heißt D ein ZPE-Ring (Zerlegung in Primelemente eindeutig).
Bemerkung:
Nach Satz 1.47 ist der Name ZPE-Ring anstelle von ZIE-Ring (Zerlegung in irreduzible Elemente eindeutig) gerechtfertigt.
Definition 1.49
Sei D ein ZPE-Ring. Für α, β, γ, δ ∈ D, heißt γ größter gemeinsamer Teiler von α
und β, γ = ggT(α, β), falls
(i) γ | α und γ | β;
(ii) falls σ | α und σ | β für ein σ ∈ D, so gilt σ | γ;
und δ kleinstes gemeinsames Vielfaches von α und β, δ = kgV(α, β), falls
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
46
(iii) α | δ und β | δ;
(iv) falls α | Θ und β | Θ für ein Θ ∈ D, so gilt δ | Θ.
(Beachte, dass ggT(α, β und kgV(α, β) eindeutig bis auf Assoziierte sind).
Ist ggT(α, β) = 1 (d.h. ggT(α, β) ist Einheit), so heißen α und β teilerfremd.
Definition 1.50
Ein Integritätsbereich D heißt euklidischer Ring, falls es eine euklidische Funktion
f : D −→ N0 gibt, d.h. f erfüllt die Bedingungen
(i) Für αβ ∈ D \ {0} ist f (α) ≤ f (αβ).
(ii) Für α, β ∈ D, β 6= 0, existieren γ, ρ ∈ D mit
α = γβ + ρ und f (ρ) < f (β) oder ρ = 0 .
Beispiel:
√
√
√
In F := Q( −2) ist OF = Z[ −2] nach Satz 1.43. Wir wollen zeigen, dass Z[ −2]
√
√
euklidischer Ring ist. Klar ist, dass Z[ −2] Integritätsbereich ist, denn Z[ −2] ⊆ C
besitzt keine Nullteiler.
√
Behauptung: NF : Z[ −2] −→ N0 ist euklidische Funktion.
√
√
Zunächst ist NF (α) ∈ N0 für alle α = a+b −2 ∈ Z[ −2], denn NF (α) = a2 +2b2 ∈
N für α =
6 0 und NF (0) = 0. Damit ist auch Eigenschaft (i) klar, denn
NF (αβ) = NF (α) · NF (β) ≥ NF (α)
für αβ 6= 0.
√
√
√
Zum Beweis von (ii) seien α = a + b −2 , β = c + d −2 ∈ Z[ −2]. Dann haben
wir
√
√
√
α
(a + b −2)(c − d −2)
ac + 2bd
bc − ad √
−2
+
v
−2
=
=
+
=:
u
β
c2 + 2d2
c2 + 2d2
c2 + 2d2
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
47
√
√
mit u, v ∈ Q. Wir wählen γ := x + y −2 ∈ Z[ −2] mit |u − x| ≤ 1/2 und
|v − y| ≤ 1/2.
√
Damit folgt für ρ := α − γβ ∈ Z[ −2], dass ρ = 0 oder
’ ’
““
’
“
α
α
NF ρ) = NF β
−γ
−γ
= NF (β) · NF
β
β
√
= NF (β) · NF ((u − x) + (v − y) −2)
= NF (β) · ((u − x)2 + 2 · (v − y)2 )
“
’
1
1
+2·
< NF (β) .
≤ NF (β) ·
4
4
Satz 1.51
Jeder euklidische Ring ist ein ZPE-Ring.
Beweis:
Sei D euklidischer Ring und sei α ∈ D \ {0}. Wir zeigen zunächst, dass α in irreduzible Elemente faktorisiert. Dazu bezeichne f die euklidische Funktion auf D. Wir
haben f (α) = f (1) gdw. α ∈ UD , denn:
Für alle α =
6 0 gilt f (1) ≤ f (1 · α) = f (α). Ist f (α) = f (1), so gilt für jedes
β ∈ D \ {0}, dass β = γα + ρ mit ρ = 0 oder f (ρ) < f (α) = f (1) ≤ f (ρ) Widerspruch, d.h. ρ = 0 und somit α | β für jedes β 6= 0, insbesondere α | 1D , d.h.
α ∈ UD . Sei umgekehrt α ∈ UD , so folgt
f (1) ≤ f (α) ≤ f (α · α−1 ) = f (1) ,
also f (α) = f (1).
Nach den vorangehenden Überlegungen können wir Induktion über f (α) machen.
Ist f (α) = f (1), so ist α ∈ UD und es ist nichts zu zeigen. Sei nun α 6∈ UD und
Faktorisierung gewährleistet für alle β ∈ D \ {0} mit f (β) < f (α). Ist α selbst
irreduzibel, so sind wir fertig. Sei also α = βγ mit β, γ ∈ D \ UD . Dann haben wir
f (β) ≤ f (βγ) = f (α) und f (γ) ≤ f (γβ) = f (α) .
Dabei gilt f (β) =
6 f (α) (und analog f (γ) 6= f (α)), denn:
Wäre f (β) = f (α), so hätten wir β = η · α + ρ mit ρ = 0 oder f (ρ) < f (α). Wegen
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
48
β | α folgte im zweiten Fall, dass β | ρ, also f (β) ≤ f (ρ) < f (α). Es bleibt nur
ρ = 0, d.h. α | β. Damit wären α und β assoziiert, d.h. γ ∈ UD . Widerspruch!
Wir haben also f (β) < f (α) und f (γ) < f (α) und somit nach Induktionsannahme
Faktorisierungen von β und γ in irreduzible Elemente. Daher ist auch α = β · γ
faktorisiert.
Es bleibt noch die Eindeutigkeit der Zerlegung zu zeigen. Wir beweisen zuerst, dass
jedes irreduzible Element prim ist. Sei dazu α irreduzibel mit α | βγ. Gilt α - β,
so ist ggT(α, β) = 1. Mit Hilfe des euklidischen Algorithmus (d.h. wiederholter
Anwendung von (ii) aus Definition 1.50) ergibt sich die Existenz von σ, τ ∈ D
derart, dass
σα + τ β = 1 .
Also σαγ + τ βγ = γ und wegen α | βγ somit α | γ, d.h. α ist prim. Mit demselben
Argument wie im zweiten Teil des Beweises von Satz 1.47(ii) folgt die Eindeutigkeit
der Zerlegung, wobei wie oben Induktion über f (α) benutzt wird.
2
Als Anwendungsbeispiel für Faktorisierung in Zahlkörpern betrachten wir eine sogenannte Bachet-Gleichung
y 2 = x3 + k
mit festem k ∈ Z.
Satz 1.52
Die diophantische Gleichung (d.h. Lösungen über Z)
y 2 = x3 − 2
hat nur die beiden Lösungen x = 3, y = ±5.
1 ALGEBRAISCHE ZAHLEN
49
Beweis:
Zunächst ist x ungerade, denn für gerades x hätten wir y 2 ≡ −2 mod 4 Widerspruch.
Aufgrund des Beispiels im Anschluss an Definition 1.50 wissen wir, dass OF =
√
√
Z[ −2] mit F = Q( −2) ein euklidischer Ring und somit nach Satz 1.51 ein ZPE√
Ring ist. Die gegebene Bachet-Gleichung liefert in Z[ −2] die Faktorisierung
(y +
Behauptung:
ggT(y +
Sei dazu für a, b ∈ Z
√
√
−2) · (y −
−2, y −
√
−2) = x3 .
√
−2) = 1.
√
√
√
α := (a + b −2) | ggT(y + −2, y − −2) .
Es folgt
NF (α) | NF ((y +
√
√
√
−2) − (y − −2)) = NF (2 −2) = 8
und
NF (α) | NF (x3 ) = x6 .
Wegen 2 - x folgt NF (α) = ±1 , d.h. α ∈ UF , also gilt die Zwischenbehauptung.
√
Aufgrund der eindeutigen Faktorisierung in Z( −2] erhalten wir damit
y+
√
√
−2 = u · γ 3 = ±(c + d −2)3
√
für eine Einheit u ∈ UF und eine γ := c + d −2 ∈ OF , wobei gemäß Satz 1.46 gilt
u = ±1. Nach Ausmultiplizieren der rechten Seite ergibt Koeffizientenvergleich
y = ±c(c2 − 6d2 ) und 1 = ±d(3c2 − 2d2 ) .
Die zweite Gleichung liefert d = ±1, also 1 = ±(3c2 − 2) und somit c = ±1. Einsetzen in die erste Gleichung ergibt y = ±(1 − 6) = ±5, also x = 3.
2
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
2
50
Arithmetik in Zahlkörpern
2.1. Quadratische Zahlkörper
Folgendes wissen wir bereits über quadratische Zahlkörper F :
– Explizite Formel für die Diskriminante ∆F (Satz 1.43).
– Explizite Darstellung des Ganzzahlrings OF = Z[α] mit explizitem α (Satz
1.43).
– Explizite Darstellung der Einheitengruppe UF für den Fall ∆F < 0 (Satz 1.46).
√
√
– F = Q( −2) hat den euklidischen Ganzzahlring OF = Z[ −2] (Beispiel nach
Definition 1.50).
Satz 2.1
Ist F komplexer quadratischer Zahlkörper mit Diskriminante ∆F < −12, so ist OF
kein euklidischer Ring.
Beweis:
Wir nehmen an, dass OF ein euklidischer Ring mit euklidischer Funktion f sei. Sei
α ∈ OF \ UF , α 6= 0, derart gewählt, dass f minimal ist. Da OF euklidischer Ring
ist, existieren zu jedem β ∈ OF Elemente γ, ρ ∈ OF mit β = γα + ρ, wobei ρ = 0
oder f (ρ) < f (α). Wegen der Minimalität von f (α) bleiben nur ρ = 0 oder ρ ∈ UF
(d.h. ρ = ±1 nach Satz 1.46 wegen ∆F < −12). Insgesamt haben wir bei Division
eines beliebigen β ∈ OF durch α nur drei mögliche Reste, also
|OF / hαi| ≤ 3 .
Für algebraische Zahlkörper F und α ∈ OF , α 6= 0, gilt allgemein
|OF / hαi| = |NF (α)|
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
51
(man zeigt: OF und hαi haben als freie Gruppen über Z denselben Rang, also
|OF / hαi| endlich). Wir erhalten NF (α) ≤ 3.
1. Fall:
∆F ≡ 0 mod 4.
√
Nach Satz 1.43 haben wir α = a+b D mit a, b ∈ Z, wobei D = ∆F /4 der Radikand
von F ist. Es folgt
3 ≥ NF (α) = a2 − b2 D
mit −D > 3 wegen ∆F < −12. Dies liefert für α 6= 0, ±1 einen Widerspruch.
2. Fall:
∆F ≡ 1 mod 4.
√
Wieder nach Satz 1.43 haben wir α = (a + b D)/2 mit a, b ∈ Z, a ≡ mod 2. Für
a ≡ b ≡ 0 mod 2 und α =
6 0, ±1 kommt
1
3 ≥ NF (α) = (a2 − b2 D) . Widerspruch! (D = ∆F < −12)
4
Als bleibt nur a ≡ b ≡ 1 mod 2, und wir erhalten
1
1
3 ≥ NF (α) = (a2 − b2 D) = (a2 − b2 ∆F )
4
4
1
1 2
(a + 12b2 ) ≥ (1 + 12 · 1) > 3
>
4
4
Widerspruch!
2
Bemerkungen:
√
(i) Wir haben als Beispiel gezeigt, dass OF für F = Q( −2) euklidischer Ring ist.
√
√
√
√
In ähnlicher Weise stellen sich F = Q( −1), Q( −3), Q( −7), Q( −11)
als Zahlkörper mit euklidischem OF heraus. Dies sind genau die fünf euklidischen Ringe OF mit ∆F < 0.
(ii) Es lässt sich leicht zeigen, dass die fünf euklidischen komplexen quadratischen
√
Zahlkörper Q( D) mit D = −1, −2, −3, −7, −11 norm-euklidisch sind, d.h.
die euklidische Funktion ist jeweils die Norm (bzw. allgemeiner der Betrag der
Norm).
Wir wollen nun reelle quadratische Zahlkörper untersuchen.
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
52
Satz 2.2
√
Für D = 2, 3, 5, 6, 7, 13, 17, 21, 29 ist F = Q( D) norm-euklidisch (d.h. OF ist
norm-euklidisch).
Beweis:
Wir setzen

 2 für
ε :=
 1 für
D ≡ 1 mod 4,
D ≡ 2, 3 mod 4.
Offenbar lässt sich jedes σ ∈ F schreiben als
σ = r1 +
r ‘ √
2
D
ε
r1 , r 2 ∈ Q .
Bedingung (ii) in Definition 1.50 für norm-euklidische Ringe ist äquivalent zu: Für
√
alle σ ∈ Q( D) existiert ein β ∈ OF mit
|NF (σ − β)| < 1 .
Gemäß Satz 1.43 haben wir also ein
√
1
β = (x + y D) ∈ OF
ε
(x, y ∈ Z)
zu finden derart, dass
(∗)
Œ
Œ
Œ
Œ
1
x ‘2
2 Œ
Œ
|NF (σ − β)| = Œ r1 −
− 2 (r2 − y) DŒ < 1 .
ε
ε
Wir nehmen an, dass (∗) bei gegebenem r1 , r2 ∈ Q für alle x, y ∈ Z verletzt ist.
O.B.d.A. können wir in (∗) voraussetzen, dass 0 ≤ ri ≤ 1/2 für i = 1, 2 (ansonsten
ersetzen wir x, y durch geeignete x0 , y 0 ). Damit liefert (∗) mindestens eine der beiden
folgenden Ungleichungen für alle x, y ∈ Z:
(∗∗)
oder
(∗ ∗ ∗)

1
x ‘2
≥ 1 + 2 (r2 − y)2 D
r1 −
ε
ε

x ‘2
1
2
(r2 − y) D ≥ 1 + r1 −
.
ε2
ε
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
53
Für r1 = r2 = 0 wären beide Ungleichungen verletzt mit x = y = 0. Also wissen
wir r1 > 0 oder r2 > 0. Für x = y = 0 oder x = 1, y = 0 ist (∗∗) wegen r1 ≤ 1/2
verletzt:

r1 −
1
x ‘2
< 1 + 2 · r22 · D .
ε
ε
Also muß für diese beiden Situationen jeweils (∗ ∗ ∗) erfüllt sein, d.h.
(∗ ∗ ∗∗)
1 2
· r · D ≥ 1 + r12
ε2 2
und
’
“2
1
1 2
· r · D ≥ 1 + r1 −
.
ε2 2
ε
Wir unterschieden nun zwei Fälle:
1. Fall: (∗∗) gilt für x = −ε, = 0, also mit (∗ ∗ ∗∗)
’
“2
1 2
1
(r1 + 1) ≥ 1 + 2 · r2 · D ≥ 2 + r1 −
≥ 2 + (r1 − 1)2 .
ε
ε
2
Daraus folgt r1 ≥ 1/2, d.h. r1 = 1/2. Einsetzen liefert
9
=
4
’
1
+1
2
“2
1
≥ 1 + 2 · r22 · D ≥ 2 +
ε
’
“2
9
1
−1 =
2
4
und somit r22 · D/ε2 = 5/4. Sei nun r2 = a/b mit (a, b) = 1. Für ε = 1 haben wir
4a2 D = 5b2 , also a2 | 5, d.h. a = 1. Da D quadratfrei nach Voraussetzung ist, bleibt
nur b = 2, d.h. r2 = 1/2 und D = 5 (s. Liste im Satz). Für ε = 2 folgt a2 D = 5b2
und damit a = b = 1 Widerspruch! (r2 ≤ 1/2).
2. Fall: (∗ ∗ ∗) gilt für x = −ε, y = 0, also
1 2
· r · D ≥ 1 + (r1 − 1)2 ≥ 2 .
ε2 2
Wegen r22 ≤ 1/4 folgt D ≥ 8 · ε2 , d.h. für D < 8 · ε2 ist F norm-euklidisch. Für
D ≡ 1 mod 4 heißt dies D < 32, also D = 5, 13, 17, 21, 29. Für D ≡ 2, 3 mod 4
haben wir D < 8, also D = 2, 3, 6, 7.
2
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
54
Bemerkungen:
(i) Zu den in Satz 2.2 angegebenen norm-euklidischen reell-quadratischen Zahlkörpern
√
kommen noch die Q( D) mit D = 11, 19, 33, 37, 41, 57, 73 hinzu. 1938 bewies
Heilbronn, dass es nur endlich viele derartige Zahlkörper gibt, und 1950 zeigten
Chatland & Davenport sowie unabhängig davon Inheri, dass die oben angegebene Liste vollständig ist (Methode: Geometrie der Zahlen).
(ii) Während die fünf euklidischen komplex-quadratischen Zahlkörper automatisch
norm-euklidisch sind, zeigte Clark 1994, dass dies im reellen Fall anders ist: In
√
Q( 69) gibt es eine euklidische Funktion, die nicht die Norm ist.
Mit unseren Mitteln können wir zeigen
Satz 2.3
√
Es gibt nur endlich viele norm-euklidische reell-quadratische Zahlkörper F = Q( D)
mit D > 0 und ∆F ≡ 0 mod 4 (d.h. D 6≡ 1 mod 4).
Beweis:
√
Sei F = Q( D) norm-euklidisch mit D > 0 und ∆F ≡ 0 mod 4. Zu jedem
√
√
√
σ = t · D/D ∈ F, t ∈ Z, existiert ein x, y D ∈ Z[ D] (vgl. Satz 1.43) derart,
dass
also
Œ
Œ
’
“2
Œ
Œ Œ
Œ
√
t
Œ
Œ Œ 2
Œ
· DŒ < 1 ,
ŒNF (σ − (x + y D))Œ = Œx − y −
Œ
Œ
D
Œ
Œ 2
ŒDx − (Dy − t)2 Œ < D .
Mit z := Dy − t ∈ Z haben wir
(∗) z 2 − Dx2 ≡ t2 mod D
und
1. Fall:
Œ
Œ
Œz 2 − Dx2 Œ < D .
D ≡ 3 mod 4.
√
Wir setzen t := 2 · [1/2( 6D − 1)] + 1. Eine kleine Rechnung zeigt, dass für D ≥ 88
gilt (jedenfalls für D hinreichend groß)
5D < t2 < 6D .
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
55
Mit (∗) folgt
z 2 − Dx2 = t2 − a · D ,
wobei a = 5 oder a = 6. Also
(∗∗) D(a − x2 ) = t2 − z 2 .
Für a = 5 haben wir wegen 2 - t
3(1 − x2 ) ≡ 1 − z 2 mod 4 ,
also 2 - x und 2 - z. Wir setzen t = 2k + 1, z = 2l + 1 und x = 2m + 1 und erhalten
aus (∗∗)
D · (4 − 4m − 4m2 ) = (4k 2 + 4k + 1) − (4l2 + 4l + 1) ,
also
D · (1 − m(m + 1)) = k(k + 1) − l(l + 1) .
Dies ist unlösbar, denn links steht eine ungerade Zahl und rechts eine gerade Zahl;
d.h. (∗∗) ist für a = 5 nicht lösbar.
Für a = 6 liefert (∗∗) wegen 2 - t
3(2 − x2 ) ≡ 1 − z 2 mod 4 ,
√
auch dies unlösbar. Also ist für D ≡ 3 mod 4 und D ≥ 88 der Körper Q( D) nicht
norm-euklidisch.
2. Fall: D ≡ 2 mod 4.
√
Wir setzen t := 2[( 3 − 1)/2] + 1, womit für D ≥ 40 gilt
2D < t2 < 3D ,
also mit (∗) für a ∈ {2, 3}
D(a − x2 ) = t2 − z 2 .
Die gleichen Argumente wie im 1. Fall liefern auch hier die Unlösbarkeit, womit Satz
2.3 vollständig bewiesen ist.
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
56
2
Bemerkung:
Nach Satz 1.51 umfasst die Menge der quadratischen ZPE-Zahlkörper“ die Men”
ge der euklidischen quadratischen Zahlkörper. 1966 bewiesen Baker und Stark un√
abhängig voneinander, dass die komplexen quadratischen Zahlkörper Q( D) mit
ZPE-Eigenschaft genau für D = −1, −2, −3, −7, −11, −19, −43, −67, −163 gegeben
sind. Es kann bislang nur vermutet werden, dass es unendlich viele reelle quadratische ZPE-Zahlkörper gibt.
Aus der Theorie der Kettenbrüche ist bekannt:
– Jede reelle Zahl α besitzt eine (nahezu) eindeutige Darstellung als endlicher
oder unendlicher Kettenbruch, d.h. es gibt Zahlen a0 ∈ Z und aj ∈ N (j ≥ 1)
mit
α = ha0 ; a1 , a2 , . . .i = a0 +
1
1
a1 +
a2 +
1
a3 + · · ·
– Jede quadratische Irrationalzahl α besitzt einen eindeutigen unendlichen periodischen Kettenbruch
α = ha0 ; a1 , . . . , am−1 , am , . . . , am+k i .
– Die Lösungen der Pell’schen Gleichung x2 −y 2 D ≡ ±1 werden bestimmt durch
√
die Näherungsbrüche des Kettenbruchs von D.
Mit derlei Hilfsmitteln bestimmen wir nun die Einheitengruppe der reell-quadratischen
Zahlkörper.
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
57
Satz 2.4
√
Sei F = Q( D) mit D > 1 quadratfrei. Dann existiert eine minimale Einheit
ε1 = ε1 (F ) > 1 in UF derart, dass
UF = {± εn1 : n ∈ Z} .
√
Ist l die Periodenlänge des Kettenbruchs von D und bezeichnet Aj /Bj den j-ten
√
Näherungsbruch von D, so gilt


√
für D 6≡ 5 mod 8,
ε1
Al−1 + Bl−1 D =
 ε oder ε3 für D ≡ 5 mod 8.
1
1
Außerdem ist NF (ε1 ) = (−1)l .
Beweis:
√
Nach Satz 1.43 können wir jedes Element von OF in der Form (x + y D)/2 mit
x ≡ y mod 2 schreiben, wobei für D 6≡ 1 mod 4 sogar x ≡ y ≡ 0 mod 2 gilt. Ist
speziell u ∈ UF , so haben wir für x, y mit diesen Eigenschaften
√
1
u = (x + y D)
2
und
(∗) x2 − Dy 2 = ±4
wegen NF (u) = ±1. Wir wählen
√
1
ε1 = ε1 (F ) = (x1 + y1 D) ∈ UF
2
als die kleinste Lösung von (∗) mit y1 > 0. Dann ist x1 6= 0, und mit x1 > 0
(o.B.d.A.) wird ε1 eindeutig. Bekanntlich sind die positiven Lösungen der Pell’schen
Gleichung
(∗∗) x2 − y 2 D = ±1
genau gegeben durch x = Akl−1 , y = Bkl−1 (k = 1, 2, . . .); hinzu kommen die
entsprechenden Lösungen durch Änderung von Vorzeichen und die triviale Lösung
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
58
x = 1, y = 0. Die kleinste positive Lösung ist demnach x = A − l − 1, y = Bl−1 .
Für D 6≡ 1 mod 4 haben wir in (∗) x ≡ y ≡ 0 mod 2, d.h. (∗) ⇐⇒ (∗∗). Für
D ≡ 1 mod 8 in (∗) ergibt sich
x2 − y 2 ≡ x2 − Dy 2 = ±4 ≡ 4 mod 8 ,
was nur für x ≡ y ≡ 0 mod 2 möglich ist. Also folgt auch in diesem Fall (∗∗) aus
(∗), und wir haben in den bisherigen Situationen
√
ε1 = Al−1 + Bl−1 D .
√
Es bleibt der Fall D ≡ 5 mod 8 und ε1 6= Al−1 +Bl−1 D. Dann gilt x ≡ y ≡ 1 mod 2
in (∗), und
ε12 =
√ ‘2 1  2
√
√ ‘
1
x+y D =
(x + y 2 D) + 2xy D 6∈ Z[ D] ,
4
4
aber
ε31 =
√ ‘3 1  € 2
√
€
√ ‘

1
x+y D =
x x + 3y 2 D + y 3x2 + y 2 D D ∈ Z[ D]
8
8
wegen x2 +3y 2 D ≡ 1+3·1·5 ≡ 0 mod 8 und auch 3x2 +y 2 D ≡ 3·1+1·5 ≡ 0 mod 8.
Selbstverständlich ist
NF (ε31 ) = NF (ε1 )3 = NF (ε1 ) ,
also ist ε13 die kleinste positive Lösung von (∗∗), d.h.
√
ε31 = Al−1 + Bl−1 D .
Die Tatsache, dass
2
A2kl−1 − Bkl−1
D = (−1)kl
und dies alle Lösungen von x2 − y 2 D = ±1 sind, impliziert nun, dass UF genau die
angegebene Menge ist. Außerdem folgt auch, dass
NF (ε1 ) = NF (ε31 ) = (−1)1·l .
2
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
59
Beispiele:
√
√
(i) Sei D = 226 ≡ 2 mod 4, also ∆F = 904 für F = Q( 226). Wir haben 226 =
Š
‹
Š ‹
15; 30 , denn für α := 30 = 30 + 1/α gilt
α2 − 30α − 1 = 0
=⇒
α1,2 = 15 ±
√
226
α>0
=⇒
α = 15 +
√
226 ,
also
√
√
‹
1 Š
1
226 = 15 + ( 226 − 15) = 15 + √
= 15 + = 15; 30 .
α
226 + 15
Somit ist in Satz 2.4 l = 1 und wegen A0 /B0 = 15/1
√
√
ε1 = A0 + B0 226 = 15 + 226
die minimale positive Einheit in UF .
√
√
(ii) Sei D = 293 = ∆F ≡ 5 mod 8 mit F = Q( 293). Wir finden 293 =
‹
Š
17; 8, 1, 1, 8, 34 , also l = 5. Man berechnet
A4
2482
= h17; 8, 1, 1, 8i =
= ε1 oder ε31 .
B4
145
Es zeigt sich
√
√
1
1
ε1 := (A0 + B0 293) = (17 + 293)
2
2
erfüllt ε31 = A4 /B4 , also ist ε1 die minimale positive Einheit in UF .
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
60
2.2. Kreisteilungskörper
Ist ζn eine primitive n-te Einheitswurzel, so heißt Q(ζn ) n-ter Kreisteilungskörper
(aus offensichtlichen Gründen; vgl. Defnition 1.4). Wir wollen im Folgenden den
Ring der ganzen Zahlen in Q(ζn ) bestimmen.
Definition 2.5
Für n ∈ N heißt
Φn (x) :=
X
1≤j≤n
(j,n)=1
(x − ζnj )
n-tes Kreisteilungspolynom. Der Grad von Φn (x) ist offenbar gleich Eulers ϕ(n).
Satz 2.6
Für n ∈ N gilt mit einer primitven n-ten Einheitswurzel ζn
Φn (x) = mζn ,Q (x) .
Insbesondere ist Φn (x) ∈ Z[x] irreduzibel in Z[x].
Beweis:
Wir zeigen zunächst, dass Φn (x) ∈ Z[x]. Für j = 1, . . . , n ist ζnj eine n/d-te primitive
Einheitswurzel, sofern d = ggT(j, n). Damit folgt
xn − 1 =
=
n
n
Y
Y Y
(x − ζnj ) =
(x − ζnj )
j=1
Y
d|n
=
Y
d|n
d|n
n/d
Y
k=1
(k,n/d)=1
(x −
Φn/d (x) =
j=1
(j,n)=d
‚
(ζnd )k )
Y
j
j = d · k, k = ;
d
’
j n
,
d d
“
=1
ƒ
Φd (x) .
d|n
Wir haben Φ1 (x) = x − 1 ∈ Z[x]. Unter Verwendung von Induktion sei Φk (x) ∈ Z[x]
für alle k < n. Nach obiger Identität ist
xn − 1
Q
,
Φn (x) =
Φd (x)
d|n
d<n
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
61
wobei in Zähler und Nenner Polynome aus Z[x] mit führenden Koeffizienten 1 stehen.
Nach dem Gauß-Lemma muß dann auch Φn (x) ∈ Z[x] gelten.
Behauptung: Ist ζ eine primitive n-te Einheitswurzel, so gilt Mζx ,Q (ζ p ) = 0 für jedes
p ∈ P, p - n. Wir kürzen ab m1 (x) := mζn ,Q (x) und m2 (x) := mζ p ,Q (x).
Da ζ n-te Einheitswurzel ist, gilt m1 (x) | (xn − 1). Da auch ζ p n-te Einheitswurzel
ist, folgt m2 (x) | (xn − 1). Mit m1 (ζ p ) = 0 wäre unsere Behauptung bewiesen. Sei
also m1 (ζ p ) 6= 0. Wegen der Irreduzibilität von m1 (x) und m2 (x) hätten wir dann
m1 (x) · m2 (x) | (xn − 1), d.h.
(∗) xn − 1 = m1 (x) · m2 (x) · g(x)
für ein g(x) ∈ Z[x]. Das Polynom m2 (xp ) hat die Nullstelle ζ, also m1 (x) | m2 (xp ),
d.h. es gibt h(x) ∈ Z[x] mit
m2 (xp ) = m1 (x) · h(x) .
Wir betrachten die Polynomidentitäten über Z nun modulo p. Man zeigt leicht mit
dem Binomischen Lehrsatz, dass für beliebige Polynome f (x) gilt f (xp ) ≡ f (x)p mod
p. Also haben wir
m2 (x)p ≡ m1 (x) · h(x) mod p .
Ist nun k(x) ein beliebiger irreduzibler Faktor von m1 (x) mod p, so ist k(x) auch
ein solcher Teiler von m2 (x)p und damit von m2 (x) mod p. Mit (∗) folgt, dass xn −
1 mod p durch k(x)2 teilbar ist, d.h. k(x) | (xn − 1) mod p und k(x) | (xn − 1)0 =
nxn−1 mod p. Wegen p - n hat n · xn−1 nur irreduzible Faktoren x, die jedoch nicht
xn − 1 teilen. Dieser Widerspruch beweist unsere Zwischenbehauptung.
Wir zeigen nun, dass jede primitive n-te Eineitswurzel eine Nullstelle von mζn ,Q (x)
ist. Jede solche Einheitswurzel ist von der Form ζnj für ein (j, n) = 1, d.h. j =
p1 · p2 · . . . · pr für gewisse pi ∈ P, pi - n. Trivialerweise gilt mζn ,Q (ζn ) = 0. Durch
iterative Anwendung der Zwischenbehauptung erhalten wir
mζn ,Q (ζnp1 ) = mζn ,Q (ζnp1 ·p2 ) = · · · = mζn ,Q (ζnp1 ·...·pr ) = 0 .
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
62
Damit folgt Φn (x) | mζn ,Q (x). Da schon gezeigt wurde, dass Φn (x) ∈ Z[x], und offenbar Φn (x) führenden Koeffizienten 1 besitzt, bleibt wegen der Irreduzibilität von
mζn ,Q (x) nur Φn (x) = mζn ,Q (x).
2
Korollar 2.7
Für n ∈ N und eine primitive n-te Einheitswurzel ζn gilt [Q(ζn ) : Q] = ϕ(n).
Beweis:
Nach Korollar 1.12 und Satz 2.6 gilt
[Q(ζn ) : Q] = deg mζn ,Q = deg Φn = ϕ(n) .
2
Satz 2.8
Für F = Q(ζn ) mit einer primitven n-ten Einheitswurzel ζn gilt ∆F | nϕ(n) .
Beweis:
Klar ist
n
Y
(∗) x − 1 =
(x − ζnj ) = Φn (x) · g(x)
n
j=1
für ein g(x) ∈ Z[x]. Differenzieren liefert
n · xn−1 = Φ0n (x) · g(x) + Φn (x) · g 0 (x)
also für x := ζn
n · ζnn−1 = Φ0n (ζn ) · g(ζn ) .
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
63
Aus (∗) folgt, dass die Konstante in Φn (x), d.h. bis aufs Vorzeichen das Produkt der
Konjugierten von ζn (nach Satz 2.6), gleich ±1 ist; mit anderen Worten: NF (ζn ) =
±1. Also erhalten wir
±nϕ(n) = NF (ζn )n−1 · NF (n) = NF (n · ζnn−1 )
= NF (Φ0n (ζn )) · NF (g(ζn )) .
Nach Satz 1.25 gilt
NF (Φn0 (ζn )) = ±discr(mζn ,Q ) = ±discr(B)
(als Vandermonde-Determinante, vgl. Lemma 1.34) für
ϕ(n)−1
B = {1, ζn , ζn2 , . . . , ζn
} ⊆ OF . Sei B1 eine Ganzheitsbasis von F , also discr(B1 ) =
∆F . Nach Satz 1.35 gilt discr(B) = D2 ·discr(B1 ) mit einem D ∈ Z. Wegen discr(B) ∈
Z haben wir also zusammen
∆F = discr(B1 ) | discr(B) = ±NF (Φn0 (ζn )) ,
und es folgt die Behauptung.
2
Satz 2.9
Für F = Q(ζn ) mit einer primitiven n-ten Einheitswurzel ζn gilt OF = Z[ζn ].
Beweis:
Für n = 1, 2 haben wir ζn = 1 bzw. ζn = −1, und die Behauptung ist trivial. Sei
also o.B.d.A. n ≥ 3.
Wir zeigen den Satz zunächst für Primzahlpotenzen n = pa .
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
64
Wir setzen ζ := ζpa . Nach Korollar 2.7 ist B1 = {1, ζ, ζ 2 , . . . , ζ ϕ(p
a )−1
} eine Q-Basis
von F .
Behauptung:
|discr(B1 )| = ps für ein s ∈ N.
Mit Hilfe des Beweises von Satz 2.6 haben wir
a
xp − 1 =
Y
d|pa
Φd (x) = Φpa (x) ·
Y
d|pa−1
Φd (x) = Φpa (x) · (xp
a−1
− 1) .
Wir differenzieren und setzen x = ζ, also
a −1
pa · ζ p
= Φp0 a (ζ) · (ζ p
a−1
− 1) ,
a
und somit wegen ζ p = 1
a−1
(∗) Φ0pa (ζ) · (ζ p
Es ist ξ := ζ p
a−1
− 1) · ζ = pa .
eine primitive p-te Einheitswurzel, also
p−1
Y
(1 − ξ j ) = Φp (1) = p
NQ(ξ) (1 − ξ) =
j=1
wegen Φp (x) = (xp − 1)/(x − 1) = xp−1 + xp−2 + · · · + x + 1. Mit Satz 1.22 (ii) kommt
wegen NQ(ζ) (−1) = ±1
NQ(ζ) (ξ − 1) = ±(NQ(ξ) (ξ − 1))p
a−1
a−1
= ±pp
.
Da auch NQ(ζ) (ζ −1 ) = ±1, erhalten wir aus (∗)
a−1
NQ(ζ) (Φ0pa (ζ)) · (±pp
a
a −pa−1 )
) = NQ(ζ) (pa ) = (pa )ϕ(p ) = pa(p
.
Wie im Beweis zu Satz 1.43 erhalten wir discr(B1 ) = discr(mζ,Q ), also mit Satz 1.25
und Satz 2.6
discr(B1 ) = ±NQ(ζ) (m0ζ,Q (ζ)) = ±NQ(ζ) (Φ0pa (ζ))
= ±pp
a−1
(ap − a − 1) .
Dies beweist die Zwischenbehauptung, da n ≥ 3.
a )−1
Wir setzen η := 1 − ζ. Dann ist B2 := {1, η, η 2 , . . . , η ϕ(p
} auch eine Q-Basis
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
65
von F , wobei nach Satz 1.35 discr(B2 ) = discr(B1 ) = ±ps für ein s ∈ N (die
Transformationsmatrix ist obere Dreiecksmatrix mit Diagonalelement ±1). Wegen
ζ = 1 − (1 − ζ) ist Z[ζ] = Z[1 − ζ], d.h. es genügt OF = Z[η] zu zeigen.
Behauptung: Jedes β ∈ OF besitzt eine Darstellung
ϕ(pa )
(∗∗) β =
X
j=1
mit zj ∈ Z.
zj
· η j−1
discr(B2 )
Ist B3 := {α1 , α2 , . . . , αϕ(pa ) } eine Ganzheitsbasis von F , so existieren für j =
1, . . . , ϕ(pa ) Zahlen aj,k ∈ Z (1 ≤ k ≤ ϕ(pa )) mit
ϕ(pa )
η
j−1
=
X
k=1
aj,k · αj .
Nach der Cramer’schen Regel existieren dann Zahlen a0j,k ∈ Z derart, dass
ϕ(pa )
αj =
X
k=1
a0j,k
· η k−1
det(aj,k )
(1 ≤ j ≤ ϕ(pa )) ,
wobei wegen Satz 1.35 in ganzen Zahlen gilt
discr(B2 ) = (det(aj,k ))2 · discr(B3 ) ,
also det(aj,k ) | discr(B2 ). Da β als Linearkombination der αj geschrieben werden
kann, folgt die Zwischenbehauptung.
Wir nehmen nun an, es gäbe ein β ∈ OF mit β 6∈ Z[η]. Wegen (∗∗) und discr(B2 ) =
±ps können wir durch Multiplikation von (∗∗) mit einer geeigneten Potenz von p
o.B.d.A. annehmen, dass
ϕ(pa )
β=
X zj
η j−1
p
j=d
für ein d in 1 ≤ d ≤ ϕ(pa ), wobei p - zd . Mit einem Argument wie weiter oben im
Beweis folgt
NF (1 − ζ) = p .
Wegen (1 − ζ j )/(1 − ζ) = 1 + ζ + · · · + ζ j−1 ∈ Z[ζ] erhalten wir
p
η ϕ(pa )
a
p
Y
NF (1 − ζ)
1 − ζj
=
=
∈ Z[ζ] ;
(1 − ζ)ϕ(pa )
1−ζ
j=1
(j,pa )=1
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
66
also insbesondere
p
p
a
= ϕ(pa ) · η ϕ(p )−d ∈ Z[ζ] .
d
η
η
Dies impliziert, dass
a
a
ϕ(p )
ϕ(p )
X
pβ
1 X
zd
j−1
=
z
·
+
η
=
zj · η j−d−1
j
d
d
η
η j=d
η
j=d+1
in OF liegt, d.h. zd /η ∈ OF . Es folgt
ϕ(pa )
NF (η) = NF (1 − ζ) = p | NF (zd ) = zd
Widerspruch! (p - zd ) .
Dieser Widerspruch widerlegt unsere Annahme β ∈ Z[η], d.h. der Satz gilt für alle
n = pa .
Sei nun n ∈ N beliebig mit Primfaktorisierung
n = pa11 · . . . · par r .
Für Fj := Q(ζpaj ) haben wir ggT(∆Fk , ∆Fl ) = 1 für k 6= l wegen Satz 2.8 und
j
pk 6= pl . Für zwei Zahlkörper F und G bezeichnet F G den kleinsten Körper in C,
P
der F und G umfaßt (d.h. F G besteht aus allen endlichen Summen
αi βj mit
αi ∈ F und βj ∈ G). Falls ggT(∆F , ∆G ) = 1, so folgt nach einem Ergebnis von
Hilbert, dass OF G = OF OG . Bei uns ergibt sich
OF1 F2 = OF1 · OF2 = Z[ζp1a1 ] · Z[ζpa2 2 ]
= Z[ζpa1 1 , ζpa2 2 ] = Z[ζp1a1 ·pa2 2 ]
und damit induktiv
OF = OF1 · . . . · OFr = Z[ζp1a1 ·...·pa2 2 ] = Z[ζn ] .
2
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
67
Korollar 2.10
a )/2
Für F = Q(ζpa ) gilt ∆F = (−1)ϕ(p
· pp
a−1
(a · (p − 1) − 1).
Beweis:
Im Beweis von Satz 2.9 haben wir nach Satz 2.9 ∆F = discr(B1 ). Eine etwas genauere Analyse des Vorzeichens in der ersten Zwischenbehauptung dort liefert die
gewünschte Aussage.
2
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
68
2.3. Einheiten in Ganzzahlringen
Wir listen einige Ergebnisse über Einheiten auf, die uns im Wesentlichen schon
bekannt sind.
Satz 2.11
Für α ∈ A sind die folgenden Aussagen äquivalent:
(i) α ist eine Einheit.
(ii) α | 1 in A.
(iii) Für jeden Zahlkörper F mit α ∈ F gilt |NF (α)| = 1.
(iv) Für F = Q(α) gilt |mα,Q (0)| = 1.
Beweis:
Die Äquivalenz (i) ⇐⇒ (ii) folgt direkt aus der Definition der Einheit. Die Gleichwertigkeit von (i) und (ii) wurde schon im Beweis von Satz 1.46 gezeigt:
1 = NF (1) = NF (α) · NF (α−1 ) mit NF (α), NF (α−1 ) ∈ Z, also |NF (α)| = 1; umgeQ
kehrt ist ±1 = NF (α) = α · α(j) für die Konjugierten α = α(1) , α(2) , . . . , α(d) vo α,
j
also ist α invertierbar. Zur Äquivalenz von (i) und (iv):
Nach Satz 1.22 (iii) gilt wegen (i) ⇐⇒ (iii)
|mα,Q (0)| = 1
⇐⇒
|NF (α)| = 1
⇐⇒
α ist Einheit .
2
In den Sätzen 1.46 bzw. 2.4 enthielt die Einheitengruppe jeweils die Komponente
bestehend aus Einheitswurzeln. Wir bezeichnen mit RF die Menge der Einheitswurzeln in einem gegebenen Zahlkörper F (offenbar ist RF ⊆ UF ).
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
69
Satz 2.12
Sei F ein Zahlkörper. Dann gilt
(i) RF ist eine endliche zyklische Gruppe (bzgl. Multiplikation).
(ii) |RF | ist gerade und
|RF |
| ∆F .
2
Beweis:
(i) Offenbar ist RF eine kommutative Gruppe mit Einselement 1 und Inversem
ζnn−1 zu gegebenem ζn ∈ RF . Ist [F : Q] = d, so existieren nur endlich viele n ∈ N
mit ϕ(n) ≤ d und zu jedem solchen n genau ϕ(n) primitive n-te Einheitswurzeln.
Nach Korollar 2.7 ist somit RF endlich. Ist |RF | = n, so gilt nach dem Satz von
Lagrange ζ n = 1 für alle ζ∈ RF , d.h. in RF liegen nur n-te Einheitswurzeln. Da es
aber nur n n-te Einheitswurzeln gibt, folgt mit |RF | = n, dass RF genau aus den
n-ten Einheitswurzeln besteht. Jede primitive n-te Einheitswurzel erzeugt also RF .
(ii) Wegen {1, −1} ⊆ Q ⊆ F , also {1, −1} ⊆ RF , haben wir für jedes α ∈ RF ,
dass auch −α ∈ RF . Damit ist |RF | gerade.
Sei nun |RF | = n mit der Primfaktorisierung
n = pa11 · . . . ·ar r .
Nach (i) besteht RF genau aus den n-ten Einheitswurzeln, also insbesondere ζpaj ∈
j
RF für alle 1 ≤ j ≤ r. Demnach ist Fj := Q(ζpaj ) ⊆ F für alle j, und nach Korollar
j
2.10 gilt
p
aj −1
(∗) ∆Fj = ±pj j
(aj (pj − 1) − 1) .
Behauptung: ∆Fj | ∆F für 1 ≤ j ≤ r.
Seien dazu ganz allgemein Q ⊆ K ⊆ L Zahlkörper. Dann gilt [L : Q] = [L : K] · [K :
Q], also
d1 := [K : Q] | d2 := [L : Q] .
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
70
Wir wissen nach Satz 1.39, dass für geeignete Ganzheitsbasen {α1 , . . . , αd1 } bzw.
{β1 , . . . , βd2 }
OK =
d1
M
j=1
Zαj
,
OL =
d2
M
Zβj
j=1
als freie abelsche Gruppen. Wegen OK ⊆ OL ist OK freier Untermodul von OK ,
also können wir {α1 , . . . , αd1 } zu einer Ganzheitsbasis {α1 , . . . , αd2 } von L ergänzen.
Analog zu Satz 1.35 folgt
∆L = discr(α1 , . . . , αd2 ) = D2 · discr(α1 , . . . , αd1 )
= D2 · ∆K ,
also ∆K | ∆L , und die Zwischenbehauptung ist bewiesen. Mit (∗) ergibt sich
r
Y
aj −1
p
pj j
j=1
(aj (pj − 1) − 1) | ∆F .
Für pj > 2 ist
a −1
pj j
(aj (pj − 1) − 1) ≥ aj ,
und für pj = 2 gilt
a −1
pj j
also
(aj (pj − 1) − 1) = 2aj −1 (aj − 1) ≥ aj − 1 ,
Œ r
Œ
r
Œ
1 Y aj ŒŒY pjaj −1
|RF |
Œ
(aj (pj − 1) − 1)Œ ∆F .
=
pj Œ pj
Œ
Œ
2
2 j=1
j=1
2
Satz 2.13
Sei F ein Zahlkörper mit [F : Q] = d, seien Θ1 , . . . , Θd die Einbettungen von F . Zu
jedem r ∈ R>0 existieren nur endlich viele α ∈ OF derart, dass |Θj (α)| ≤ r für alle
j = 1, . . . , d.
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
71
Beweis:
Wir setzen:
š’ “
›
d
j
M := max
· r : j = 1, . . . , d
j
und
F :=
(
xd +
d
X
j=0
)
zj xj ∈ Z[x] : |zj | M (0 ≤ j < d)
.
Offenbar ist F eine endliche Menge von Polynomen, und damit ist auch
S := {α ∈ F : f (α) = 0 für ein f (x) ∈ F}
endlich. Sei nun α ∈ F mit |Θj (α)| ≤ r für alle j = 1, . . . , d. Bezeichnen s1 , s2 , . . . , sd
die elementarsymmetrischen Funktionen von x1 , . . . , xd , so folgt
|sj (Θ1 (α), . . . , Θd (α))| ≤ sj (r, r, . . . , r)
’ “
d
=
· rj ≤ M
j
für j = 1, . . . , d. Wegen α ∈ OF wissen wir außerdem, dass alle sj (Θ1 (α), . . . , Θd (α)) ∈
Z sind. Also gilt
d
d
X
Y
d
(−1)j sj (Θ1 (α), . . . , Θd (α))xd−j ∈ F ,
(x − Θj (α)) = x +
j=1
j=1
und somit α ∈ S.
2
Korollar 2.14
Es gibt ein α ∈ RF gdw. |Θj (α)| = 1 für j = 1, 2, . . . , d = [F : Q].
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
72
Beweis:
=⇒“
”
Ist α ∈ RF , so folgt für alle j = 1, . . . , d
(Θj (α))n = Θj (αn ) = ΘJ (1) = 1
mit einem geeigneten n ∈ N. Also ist |Θj (α)|n = 1, d.h. |Θj (α)| = 1.
⇐=“
”
Sei |Θj (α)| = 1 für j = 1, . . . , d. Nach Satz 2.13 gibt es nur endlich viele α ∈ OF
mit dieser Eigenschaft. Für alle k ∈ N ist αk ∈ OF und
Œ
Œ Œ
Œ
ŒΘj (αk )Œ = Œ(Θj (α))k Œ = |Θj (α)|k = 1
für j = 1, . . . , d. Also gibt es 1 ≤ k < l mit αk = αl , d.h. αl−l = 1. Das bedeutet
α ∈ RF .
2
Satz 2.15
Sei p 6= 2 Primzahl und ζp eine primitve p-te Einheitswurzel. Dann ist
RF = h−1i × hζp i
als multiplikative Gruppe.
Beweis:
Nach Satz 2.9 ist OF = Z[ζp ]. Selbsverständlich gilt h−1i × hζp i ⊆ RF . Wäre
h−1i × hζp i 6= RF , so gäbe es ein ζn ∈ RF mit n - 2p. Nach Satz 2.12 und Korollar
2.10 haben wir
|RF | | 2∆F = ±2 · pp−2 ,
d.h. die Ordnung der Gruppe RF ist 2·pt für ein t ∈ N. Nach dem Satz von Lagrange
hat dann auch jedes Element von RF eine Ordnung ps oder 2ps für ein s ≤ t.
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
73
Nach obiger Annahme existiert also ein ζp2 ∈ RF . Aber
[Q(ζp2 ) : Q] = ϕ(p2 ) = p2 − p > [Q(ζp ) : Q] . Widerspruch!
Damit folgt h−1i × hζp i = RF .
2
Bemerkung:
Man kann zeigen, dass für F = Q(ζp ), p > 2, jede Einheit u ∈ UF eine Darstellung
u = w · ζpk mit w ∈ UF ∩ R und k ∈ N besitzt. Selbstverständlich sind ±1 ∈ UF ∩ R,
aber es gibt noch weitere Elemente in UF ∩ R:
Sei u := (1 − ζpj )/(1 − ζp ) für ein j ∈ {1, . . . , p − 1}. Im Beweis zu Satz 2.9 hatten
wir gesehen, dass
NF (1 − ζpj ) = NF (1 − ζp ) = p ,
also NF (u) = 1, d.h. u ∈ UF nach Satz 2.11. Die komplex Konjugierte von u ist
u=
1 − ζp−j
ζp−j (ζpj − 1)
= ζp1−j · u .
=
1 − ζp−1
ζp−1 (ζp − 1)
Also ist auch u ∈ UF . Damit ist
1 − ζpj 1 − ζp−j
u·u=
·
= ζp1−j · u2 ∈ UF ∩ R ,
1 − ζp 1 − ζp−1
und für 2 - j ist auch
v=
√
1−j
uu = ζp 2 · u ∈ UF ∩ R .
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
74
2.4. Geometrie der Zahlen
Die Grundlagen der im Folgenden dargestellten Theorie mit dem Namen Geometrie
”
der Zahlen“ wurden von Minkowski im 19. Jahrhundert gelegt.
Definition 2.16
Seien ~v1 , . . . , ~vm ∈ Rn mit m, n ∈ N, m ≤ n, linear unabhängige Vektoren über R.
Dann heißt
Γ=
(
~v ∈ Rn : ~v =
m
X
j=1
)
zj ~vj , zj ∈ Z
= Z [~v1 , . . . , ~vm ]
ein Gitter der Dimension m in Rn . Für m = n heißt Γ volles Gitter, d.h. ein volles
Gitter ist eine freie abelsche Gruppe vom Rang n mit einer Z-Basis, die gleichzeitig
eine R-Basis des Rn bildet.
Desweiteren nennen wir für m = n
( n
)
X
P=
rj ~vj : 0 ≤ rj < 1 (j = 1, . . . , n)
j=1
den Fundamentalbereich (Fundamentalparallelepiped) von Γ. Das Volumen V (P) =
|det(~vj )| des Fundamentalbereichs heißt auch Diskriminante von Γ, bezeichnet mit
D(Γ).
Beispiel:
√
Sei F = Q( 3). Nach Satz 1.43 haben wir
√ •
√
”
’
“
’ “
1/2
1 + −3
1 + −3 ∼
1
√
=Γ
OF = Z
+Z·
=Z+Z·
=Z·
2
2
0
3/2
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
75
y
6
€ 1/2 
√
◦
◦
◦
}
◦€1
◦
◦
Fundamentalbereich P mit
√
1 1/2
V (P)=det
= 3/2=D(Γ)
√
3/2
◦
0
P
3/2
-x
0
◦
Eine Menge S ⊆ Rn heißt diskret, wenn in jeder beschränkten Teilmenge von Rn
höchstens endlich viele Punkte von S liegen.
Satz 2.17
Sei L ⊆ Rn , L =
6 ∅. Dann ist L ein Gitter, gdw. L eine diskrete, additive Untergruppe von Rn ist.
Bemerkung:
Häufig wird die in Satz 2.17 genannte Eigenschaft von Gittern als definierende Eigenschaft verwendet.
Üblicherweise heißt eine Menge S ⊆ Rn konvex, wenn für alle s, t ∈ S auch die
Punkte
λs + (1 − λ)t (0 ≤ λ ≤ 1)
in S liegen, d.h. mit s und t liegt auch die Verbindungsstrecke in S. Nach einem
Satz von Blaschke besitzen konvexe Mengen in Rn ein Volumen, nämlich
Z
Z
V (S) = . . . dx1 . . . dxn .
S
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
76
Eine Menge S ⊆ Rn heißt symmetrisch, falls für jedes s ∈ S auch −s ∈ S gilt.
Beispiele für konvexe Mengen im R2 sind Ellipsen und Quadrate; Beispiele für beschränkte, symmetrische, konvexe Mengen im Rn sind n-dimensionale Würfel
{~s = (s1 , . . . , sn ) ∈ Rn : |sj | ≤ 1 (j = 1, . . . , n)}
und die n-dimensionale Einheitskugel
{~s ∈ Rn : |~s| ≤ 1} .
Lemma 2.18
Sei S ⊆ Rn beschränkt, und sei Γ ⊆ Rn ein volles Gitter. Sind die verschobenen
Mengen
S~z := S + ~z := {~s + ~z : ~s ∈ S}
(~z ∈ Γ)
paarweise disjunkt, d.h. S~z1 ∩ S~z2 = ∅ für ~z1 , ~z2 ∈ Γ, ~z1 =
6 ~z2 , so gilt für das Volumen
des Fundamentalbereichs P
V (P) ≥ V (S) .
Beweis:
Wegen P~z1 ∩P~z2 = ∅ für ~z1 , ~z2 ∈ Γ, ~z1 6= ~z2 , und
Zerlegung
S=
[
•
~
z ∈Γ
also
V (S) =
S
~
z ∈Γ
P~z = Rn haben wir die disjunkte
(S ∩ P−~z ) ,
X
~
z ∈Γ
V (S ∩ P−~z ) .
Mit (S ∩ P−~z ) + ~z = S~z ∩ P folgt V (S ∩ P−~z ) = V (S~z ∩ P) und damit
V (S) =
X
~
z ∈Γ
V (S~z ∩ P) .
Da die S~z paarweise disjunkt sind, so gilt dies erst recht für die (S~z ∩ P). Mit S~z ∩P ⊆
P ergibt sich
V (S) =
X
~
z ∈Γ
also insgesamt die Behauptung.
V (S~z ∩ P) ≤ V (P) ,
2
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
77
Satz 2.19 (Minkowskis Gitterpunktsatz)
Sei Γ ∈ Rn ein volles Gitter mit Fundamentalbereich P. Ist S ⊆ Rn symmetrisch
und konvex derart, dass
V (S) > 2n · V (P) ,
so gibt es einen Punkt ~x ∈ S ∩ Γ mit ~x 6= ~0.
(Für unbeschränktes S setzen wir V (S) := ∞).
Beweis:
Sei o.B.d.A. S beschränkt; andernfalls wählen wir eine beschränkte Teilmenge von
S mit hinreichend großem Volumen (z.B. S ∩ {~s ∈ Rn : |~s| ≤ r} , r ∈ R groß). Sei
T := 1/2 · S := {1/2 · ~s : ~s ∈ S}. Dann gilt
V (T ) =
1
V (S) > V (P) .
2n
Wären alle T~z = 1/2 · S + ~z paarweise disjunkt, so wäre nach Lemma 2.18 V (P) ≥
V (T ). Widerspruch! Also gibt es ~s 6= ~t ∈ Γ mit
’
“ ’
“
1
1
T−~s ∩ T~t =
S − ~s ∩
S − ~t =
6 ∅.
2
2
Seien ~x, ~y ∈ S so, dass 1/2 · ~x − ~s = 1/2 · ~y − ~t, d.h. ~t − ~s = 1/2 · ~y − 1/2 · ~x. Da S
symmetrisch und konvex ist, haben wir −~x ∈ S und 1/2 · ~y + 1/2 · (−~x) ∈ S, also
~t − ~s ∈ S. Außerdem ist ~t − ~s ∈ Γ, zusammen also ~t − ~s ∈ S ∩ Γ \ {~0}.
2
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
78
Korollar 2.20 (Minkowskis Linearformensatz)
Für j = 1, . . . , n seien die Linearformen
Lj (x1 , . . . , xn ) =
n
X
ai,j xi
i=1
mit ai,j ∈ C gegeben, wobei zu Lj ein Lj 0 existiert, mit Lj 0 (~x) = Lj (~x) :=
n
P
ai,j xi
i=1
(diese Bedingung ist leer, sofern die ai,j ∈ R sind). Sei Γ ⊆ Rn ein volles Gitter mit
Diskriminante D(Γ). Sind c1 , . . . , cn ∈ R>0 mit cj = cj 0 und
n
Y
j=1
cj ≥ |det(ai,j )| · D(Γ) ,
so existiert ein ~x ∈ Γ, ~x 6= ~0 derart, dass
|L1 (~x)| ≤ c1
|Lj (~x)| < cj (j = 2, . . . , n) .
und
Beweis: (nur für den reellen Fall ai,j ∈ R)
Zu festem ε mit 0 < ε < 1 sei Sε ⊆ Rn definiert durch
Sε := {~x ∈ Rn : |L1 (~x)| < c1 + ε, |Lj (~x)| < cj (j = 2, . . . , n)} .
Offenbar ist Sε eine von Hyperebenen begrenzte beschränkte, konvexe und symmetrische Menge. Es folgt
1
V (Sε ) >
|det(ai,j )|
Zc1
dx1 · · ·
−c1
Zcn
−cn
dxn =
2n · c1 · . . . · cn
≥ 2n · D(Γ)
|det(ai,j )|
für jedes ε > 0. Also gibt es nach Satz 2.19 zu jedem ε > 0 ein ~xε ∈ Γ \ {~0} mit
|L1 (~xε )| < c1 + ε und
|Lj (~xε )| < cj
(j = 2, . . . , n) .
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
79
Da ~xε ∈ Γ ∩ Sε , also ~xε aus einer endlichen Menge stammt, gibt es ein ~x ∈ Γ \ {~0},
so dass
|L1 (~x)| < c1 + ε und
|Lj (~x)| < cj
(j = 2, . . . , n)
für alle ε > 0, und dieses ~x erfüllt die Behauptung des Korollars.
2
Satz 2.21
Für einen Zahlkörper F 6= Q gilt |∆F | ≥ 2.
Beweis:
(1)
(n)
Sei {α1 , . . . , αn } eine Ganzheitsbasis von F mit den Konjugierten αi , . . . , αi
(1)
αi = αi
von
für i = 1, . . . , n. Seien
Lj (x1 , . . . , xn ) :=
n
X
(j)
αi xj
(j = 1, . . . , n) ,
i=1
und sei Γ := Zn , also D(Γ) = 1. Wir wählen
q
n
(j)
1/2n
c1 = c2 = · · · = cn = |∆F |
=
| det(αi |. Damit sind alle Bedingungen aus
Korollar 2.20 erfüllt, insbesondere
n
Y
j=1
Œ
Œ
Œ
(j) Œ
cj = Œdet(αi )Œ · D(Γ) .
Somit existieren x1 , . . . , xn ∈ Z, nicht alle 0 derart, dass
|NF (x1 α1 + · · · + xn αn )| =
n
Y
j=1
|Lj (x1 , . . . , xn )| <
n
Y
j=1
cj =
p
|∆F | .
Mit x1 α1 + · · · + xn αn ∈ OF folgt |NF (x1 α1 + · · · + xn αn )| ≥ 1 und damit die Behauptung.
2
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
80
Definition 2.22
Sei {r1 , r2 } die Signatur eines Zahlkörpers F , seien Θj (F ) ⊆ R für j = 1, . . . , r1 und
Θj (F ) * R für j = r1 + 1, . . . , r1 + r2 und Θj = Θj−r2 für j = r1 + r2 + 1, . . . , r1 + 2r2 .
Wir definieren die Abbildung

r1
2r2
r2 ∼
r1


 F −→ R × C = R × R

ΘF :=
α 7−→ (Θ1 (α), . . . , Θr1 (α), Θr1 +1 (α), . . . , Θr1 +r2 (α))




∼
= (Θ1 (α), . . . , Θr1 (α), Re Θr1 +1 (α), Im Θr1 +1 (α), . . .) .
Bemerkungen:
(i) Sowohl F wie auch Rr1 × Cr2 sind Q-Algebren (d.h. kommutative Ringe mit
Einselement und gleichzeitig Q-Moduln, wobei r(αβ) = (rα)β = α(rβ) für
r ∈ Q und α, β aus der Algebra), und ΘF ist ein injektiver Q-Algebra-
Homomorphismus (d.h. Ring-Homomorphismus und Q-Modul-Monomorphismus).
Dabei ist die Multiplikation auf Rr1 × Cr2 komponentenweise erklärt.
(ii) Ist {α1 , . . . , αn } eine Ganzheitsbasis von F , so sind die Vektoren
ΘF (α1 ), . . . ΘF (αn ) ∈ Rn linear unabhängig über R, denn sonst wäre
det(ΘF (αi )) = 0 und somit ∆F = 0 (siehe unten). Also ist
ΘF (OF ) = ΘF (Zα1 ⊕ · · · ⊕ Zαn )
ein volles Gitter in Rn . Für den zugehörigen Fundamentalbereich POF haben
√
wir wegen Re z = (z + z)/2 und Im z = (z − z)/(2 −1) (z ∈ C)
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
V (POF ) =
=
=
=
=
=
=
=
81
Œ
Œ
Œ €
Œ
Œdet (Θ1 (αi ), . . . , Θr1 (αi ), Re Θr1 +1 (αi ), Im Θr1 +1 (αi ), . . . , Re Θr1 +r2 (αi ), Im Θr1 +r2 (αi )) Œ
Œ
Œ
Œ
’’
““Œ
Œ
Œ
z+z z−z
Œ
Œdet
√
,
.
.
.
,
,
.
.
.
mit z := Θr1 +1 (αi )
Œ
Œ
2 2 −1
Œ
““Œ
’’
Œ€√ −r2
Œ
z
z
−
+
z
z
Œ −1
Œ
,
,
.
.
.
·
det
.
.
.
,
Œ
Œ
2
2
Œ
’’
““Œ
Œ
Œ
z−z
Œdet
Œ
.
.
.
,
z,
,
.
.
.
Œ
Œ
2
Œ
’’
““Œ
Œ
Œ
−z
Œdet
Œ
,
.
.
.
.
.
.
,
z,
Œ
Œ
z
Œ
Œ’ “r2
Œ
Œ
Œ −1
· det ((. . . , z, z, . . .))ŒŒ
Œ
2
Œ’ “r2

‘‘ŒŒ
Œ
1
Œ −
· det Θ1 (αi ), . . . , Θr1 (αi ), Θr1 +1 (αi ), Θr1 +1 (αi ), . . . ŒŒ
Œ
2
’ “r2
p
1
· |∆F | .
2
(iii) Sei M ⊆ F ein freier Z-Modul vom Rang n = [F : Q]. Ist der Index
[OF : M ] = m ∈ N, so ist das volle Gitter Θ(M ) ⊆ Rn ein Teilgitter von
Θ(OF ), und für den Fundamentalbereich PM gilt V (PM ) = m · V (OF ).
Satz 2.23
Sei {r1 , r2 } die Signatur eines Zahlkörpers F mit [F : Q] = n = r1 + 2r2 . Sei
M ⊆ OF ein Z-Modul von endlichem Index in OF , d.h. m := [OF : M ] ∈ N (also
ist insbesondere der Rang von M gleich dem Rang des Z-Moduls OF ). Dann gibt es
ein α ∈ M \ {0} mit
’ “r2
q
n!
4
· n · m · |∆f | .
|NF (α)| ≤
π
n
Beweis:
Für B ∈ R>0 setzen wir
(
SB (r1 , r2 ) :=
(α1 , . . . , αr1 , β1 , . . . , βr2 ) ∈ Rr1 × Cr2 :
r1
X
j=1
|αj | + 2 ·
r2
X
j=1
|βj | ≤ B
)
,
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
82
wobei wir SB (r1 , r2 ) auch als Teilmenge des Rr1 +2r2 auffassen können. Offenbar ist
SB (r1 , r2 ) beschränkt und symmetrisch. Außerdem ist SB (r1 , r2 ) konvex, denn:
Seien (α1 , . . . , αr1 , β1 , . . . , βr2 ), (γ1 , . . . , γr1 , δ1 , . . . , δr2 ) ∈ SB (r1 , r2 ). Dann gilt für
µ ≥ 0, λ ≥ 0, µ + λ = 1
r1
X
j=1
|µαj + λγj | + 2 ·
r2
X
j=1
|µβj + λδj | ≤
r1
X
j=1
≤ µ
µ|αj | +
r
1
X
j=1
r1
X
j=1
λ|γj | + 2 ·
|αj | + 2 ·
r2
X
j=1
r2
X
!
|βj |
j=1
µ|βj | + 2 ·
+λ
≤ µB + λB = (µ + λ) · B = B ,
r
1
X
j=1
r2
X
j=1
|γj | + 2 ·
d.h. µ(α1 , . . . , αr1 , β1 , . . . , βr2 ) + λ(γ1 , . . . , γr1 , δ1 , . . . , δr2 ) ∈ SB (r1 , r2 ).
Behauptung: V (SB (r1 , r2 )) = 2r1 · (π/2)r2 · B n /n! .
Wir benutzen Doppelinduktion über r1 und r2 . Der Induktionsanfang besteht aus
den Fällen r1 = 1, r2 = 0 und r1 = 0, r2 = 1: Es ist SB (1, 0) das Intervall [−B, B] ⊆
R, also n = 1, und mit V (SB (1, 0)) = 2B gilt die Behauptung. Des Weiteren ist
SB (0, 1) die Kreisscheibe mit Radius B/2 um ~0 in R2 ∼
= C, also n = 2 und
V (SB (0, 1)) = π ·
B2
4
wie behauptet. Als Induktionshypothese dürfen wir nun annehmen, dass
 π ‘k B n
(∗)
V (SB (m, k)) = 2m ·
·
(m ≤ r1 , k ≤ r2 ) .
2
n!
Wir untersuchen zuerst SB (r1 + 1, r2 ), definiert durch die Ungleichung
|α| +
r1
X
j=1
|αj | + 2 ·
r2
X
j=1
|Bj | ≤ B ,
wobei α ∈ R mit |α| ≤ B und n = r1 + 2r2 + 1. Mit (∗) folgt
V (SB (r1 + 1, r2 )) =
ZB
−B
€

V SB−|α| (r1 , r2 ) dα
 π ‘r2 ZB
2r1
·
· (B − |α|)r1 +2r2 dα
=
(r1 + 2r2 )!
2
−B
λ|δj |
r2
X
j=1
!
|δj |
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
83
 π ‘r2 ZB
2r1
=
·
· (B − α)r1 +2r2 dα
(r1 + 2r2 )!
2
 π ‘r2
r1
0
2
·
=
(r1 + 2r2 )!
2
Es bleibt SB (r1 , r2 + 1) mit der Ungleichung
r1
X
j=1
|αj | + 2 ·
r2
X
j=1
 π ‘r2 B n
B r1 +2r2 +1
r1 +1
.
·
·
·
=2
r1 + 2r2 + 1
2
n!
|βj | + 2|β| ≤ B ,
wobei β = x + yi ∈ C mit |β|2 = x2 + y 2 ≤ (B/2)2 und n = r1 + 2(r2 + 1). Mit (∗)
kommt
Z Z
V (SB (r1 , r2 + 1)) =
x2 +y 2 ≤B 2 /4
r1
‘

V SB−2√x2 +y2 (r1 , r2 ) dx dy
 π ‘r2
2
=
·
·
(r1 + 2r2 )!
2
Z Z
x2 +y 2 ≤B 2 /4
‘r1 +2r2

p
dx dy
B − 2 x2 + y 2
B/2
 π ‘r2 Z Z2π
2r1
·
·
=
(B − 2ω)n−2 ω dn dω
(n − 2)!
2
0
= 2r1 ·
 π ‘r2
2
 π ‘r2
0
2π
·
·
(n − 2)!
ZB/2
(B − 2ω)n−2 ω dω
0
Bn
2π
·
2
(n − 2)! 4(n − 1) · n
 π ‘r2 +1 B n
= 2r1 ·
·
.
2
n!
= 2r1 ·
·
(Polarkoordinaten)
(partielle Integration)
Damit ist die Zwischenbehauptung gezeigt.
Sei 0 < ε < 1. Wir setzen
“1/n
’’ “r2
p
4
.
· n! · m · |∆F | + ε
Bε :=
π
Nach Zwischenbehauptung und Bemerkung (ii) und (iii) nach Definition 2.22 erhalten wir
“
’’ “r2
p
4
π r2 1
V (SBε (r1 , r2 )) = 2 ·
· ·
· n! · m · |∆F | + ε
2
n!
π
p
1 r1 −r2 r2
·π ·ε
= 2r1 +r2 · |∆F | +
·2
n!

‘
p
> m · 2−r2 · |∆F | · 2n = m · V (OF ) · 2n = V (PM ) · 2n .
r1
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
84
Wir können nun Minkowskis Gitterpunktsatz 2.19 für das volle Gitter Θ(M ) ⊆ Rn
und die symmetrische, konvexe Menge SBε (r1 , r2 ) ⊆ Rn anwenden und erhalten ein
√
αε ∈ M \ {0} mit Θ(αε ) ∈ SBε (r1 , r2 ). Wegen n x1 · . . . · xn ≤ 1/n · (x1 + · · · + xn )
für xi ∈ R≥0 folgt
|NF (αε )| =
≤
r1
Y
j=1
|Θj (αε )| ·
rY
1 +r2
j=r1 +1
r1
Y
|Θj (αε )|2
r1 +r2
2 Y
1
·
|Θj (αε )| + ·
|Θj (αε )|
n j=1
n j=r +1
1
!n
’ “n
bε
,
≤
n
wobei die letzte Ungleichung genau die Bedingung Θ(αε ) ∈ SBε (r1 , r2 ) widerspiegelt.
Nach Definition von Bε erhalten wir
(∗∗)
’ “r2
p
4
n!
|NF (αε )| ≤
· n · m · |∆F | + ε .
π
n
Wegen 0 < ε < 1 gibt es für αε nur endlich viele Möglichkeiten in M \ {0}. Also
existiert ein α ∈ M \ {0} derart, dass (∗∗) für alle ε > 0 gilt. Somit folgt der Satz.
2
Als Anwendung geben wir zunächst eine untere Abschätzung für Diskriminanten.
Satz 2.24
Ist F ein Zahlkörper mit Signatur {r1 , r2 } und n = [F : Q] = r1 + 2r2 , so gilt
 π ‘2r2 ’ nn “2
.
·
|∆F | ≥
4
n!
Beweis:
Sei M := OF . Nach Satz 2.23 mit m = [OF : M ] = 1 folgt
 π ‘2r2 ’ nn “2
· NF (α)2
|∆F | ≥
·
4
n!
für ein α ∈ OF \ {0}. Mit NF (α) ≥ 1 ergibt sich das Gewünschte.
2
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
85
Korollar 2.25
Für einen Zahlkörper F mit [F : Q] = n gilt
’ “2 ’ 2 “n
11
πe
1
|∆F | >
·
.
·
12
4
2πn
Beweis:
Nach der Formel von Stirling für n! ist für ein c, 0 < c < 1,
nn
1
=√
· en−c/12n .
n!
2πn
Wegen ec/12n < e1/12 <
∞
P
1/12j = 12/11 und Satz 2.24 erhalten wir
j=0
’ “2 ’ 2 “n
 π ‘2r2 ’ nn “2  π ‘2r2 ’ 11en “2 1
11
1
πe
|∆F | >
·
>
·
·
≥
·
.
·
4
n!
4
12
2πn
12
4
2πn
2
Satz 2.26 (von Hermite)
Sei d ∈ N gegeben. Dann existieren höchstens endlich viele Zahlkörper F mit
|∆F | = d.
Beweis:
Zu gegebenem d ∈ N ist |∆F | > d für alle Zahlkörper F mit [F : Q] ≥ n0 für ein
hinreichend großes n0 gemäß Korollar 2.25. Also ist nur zu zeigen, dass zu festem
d ∈ N und n ∈ N höchstens endlich viele ZahlkörperF mit |∆F | ≤ D und [F : Q] = n
existieren.
Nach Satz 2.21 haben wir für d = 1 nur den Zahlkörper F = Q, d.h. r1 = 1, r2 = 0.
√
Sei also d ≥ 2. Für r1 = 0 und r2 = 1 ist n = r1 + 2r2 = 2, also ist F = Q( D)
für ein quadratfreies D < 0. Nach Satz 1.43 ist ∆F = 4D oder ∆f = D, es gibt
jedenfalls höchstens einen quadratischen Zahlkörper mit ∆f = d.
Wir dürfen im Folgenden r := r1 + r2 ≥ 2 voraussetzen und werden zeigen, dass ein
δ ∈ F mit F = Q(δ) existiert, wobei δ aus einer endlichen Menge stammt, die nur
von d abhängt.
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
1. Fall:
86
r1 6= 0.
Wir definieren
S1 = {(α1 , . . . , αr1 , βr1 +1 , γr1 +1 , . . . , βr , γr ) ∈ Rn :
o
√
|α1 | < d + 1, |αi | < 1 (2 ≤ i ≤ r1 ), βj2 + γj2 < 1 (r1 + 1 ≤ j ≤ r) .
Selbstverständlich ist S1 ⊆ Rn beschränkt und symmetrisch. Wir zeigen, dass S1
auch konvex ist. Dazu seien λ, µ ≥ 0 mit λ + µ = 1. Wir nehmen an, dass
(α1 , . . . , αr1 , βr1 +1 , γr1 +1 , . . . , βr , γr ), (δ1 , . . . , δr1 , ρr1 +1 , σr1 +1 , . . . , ρr , σr ) ∈ S1 . Dann
gilt für j = 2, . . . , r1
|λαj + µδj | ≤ λ|αj | + µ|δj | < λ + µ = 1 ,
und
√
√
√
|λα1 + µδ1 | ≤ λ|α1 | + µ|δ1 | < λ d + 1 + µ d + 1 = d + 1 .
Für j = r1 + 1, . . . , r haben wir

€

€
λ βj2 + γj2 + µ ρ2j + σj2 < λ + µ = 1 .
Insgesamt hat sich S1 als konvex herausgestellt.
2. Fall:
r1 = 0.
Wir definieren
o
n
√
2
2
n
S2 = (β1 , γ1 , . . . , βr , γr ) ∈ R : |β1 | < 1, |γ1 | < d + 1, βj + γj < 1 (2 ≤ j ≤ r) .
Wie im ersten Fall lässt sich zeigen, dass S2 ⊆ Rn beschränkt, symmetrisch und
konvex ist. Durch Integration über Produkte von Intervallen und Kreisen erhalten
wir (analog zum Beweis von Satz 2.23)
V (S1 ) = 2r1 · π r2 ·
√
√
d + 1 und V (S2 ) = 2 · π r2 −1 · d + 1 ,
und mit Bemerkung (ii) nach Definition 2.22 erhalten wir
V (S1 ) > 2r1 +r2 ·
p
|∆F | = 2r1 +2r2 · V (POF ) = 2n · V (POF )
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
87
bzw. (wegen r2 ≥ 1 für r1 = 0)
V (S2 ) > 2r2 ·
p
|∆F | = 22r2 · V (POF ) = 2n · V (POF ) .
Nach Minkowskis Gitterpunktsatz 2.19 gibt es δ1 , δ2 ∈ OF \{0} mit Θ(δj ) ∈ Θ(OF )∩
Sj für j = 1, 2. Wegen Θ(δj ) ∈ Sj können wir folgendes feststellen:
(1)
(2)
(n)
Für die Konjugierten δj = δj , δj , . . . , δj
(unter Umständen mit Wiederholung)
von δj ist
√
(l)
d + 1 und |δ1 | < 1 für l = 2, . . . , n;
q
√
√
2
(l)
(1)
(1)
(2)
(ii) |δ2 | = |δ2 | = |δ2 | < 12 + d + 1 = d + 2 und |δ2 | < 1
(1)
(i) |δ1 | <
für l = 3, . . . , n .
Es folgt mit δj ∈ OF \ {0}, dass
(1)
(2)
(n)
1 ≤ |NF (δj )| = |δj , δj , . . . , δj | ,
(1)
(1)
also |δj | > 1. Damit tritt δj
(2)
(n)
unter den anderen Konjugierten δj , . . . , δj , nicht
mehr auf, d.h. es gibt darunter keine Wiederholungen. Also sind die Konjugierten
(1)
(n)
δj , . . . , δj
paarweise verschieden, und das bedeutet [Q(δj ) : Q] = n, mit anderen
Worten F = Q(δj ).
Es bleibt nur noch zu zeigen, dass δj aus einer endlichen Menge stammt, die nur von
d abhängt. Nach den obigen Überlegungen haben wir für gewisse zj ∈ Z mit zn = 1
mδj ,Q (x) =
n
X
j=0
n
Y
(l)
zj x =
(x − δj ) ,
j
l=1
(l)
wobei die δj und damit die zj durch eine Konstante, die nur von d abhängt, beschränkt sind. Damit ist δj Nullstelle eines von endlich vielen Polynomen.
2
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
88
2.5. Dirichlets Einheitensatz
Wir wollen die Einheitengruppe UF ⊆ OF für beliebige Zahlkörper F beschreiben.
Da UF eine multiplikative Gruppe, ein Gitter Γ jedoch eine additive Gruppe ist,
logarithmieren“ wir die Funktion ΘF aus Definition 2.22.
”
Definition 2.27
Sei F ein Zahlkörper mit Signatur {r1 , r2 } und [F : Q] = n = r1 + 2r2 . Es bezeichne
(R∗ )r1 × (C∗ )r2 die multiplikative Gruppe in Rr1 × Cr2 bestehend aus allen Vektoren,
deren Koordinaten alle ungleich 0 sind. Wir definieren die Abbildung


(R∗ )r1 × (C∗ )r2 −→ Rr1 +r2
Ψ:
 (α , . . . , α , α
1
r1
r1 +1 , . . . , αr1 +r2 ) 7−→ (l1 (α1 ), . . . , lr1 +r2 (αr1 +r2 )) ,
wobei

 log(|α|) für j = 1, . . . , r ,
1
lj (α) :=
 log(|α|2 ) für j = r + 1, . . . , r + r .
1
1
2
Die Abbildung LF : F −→ Rr1 +r2 definiert durch LF = Ψ ◦ ΘF mit
€

LF (α) = log |Θ1 (α)|, . . . , log |Θr1 (α)|, log |Θr1 +1 (α)|2 , . . . , log |Θr1 +r2 (α)|2
heißt logarithmische Darstellung von F , und Rr1 +r2 heißt der logarithmische Raum
von F .
Bemerkung:
Die logarithmische Darstellung LF ist ein Homomorphismus von der multiplikativen
Gruppe F ∗ := F \ {0} in die additive Gruppe des logarithmischen Raumes Rr1 +r2 .
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
89
Satz 2.28
Sei F ein Zahlkörper mit Signatur {r1 , r2 }. Dann gilt
(i) ker(LF ) = RF ;
(ii) LF (UF ) ⊆ Rr1 +r2 ist ein Gitter der Dimension r1 + r2 − 1 .
Beweis:
(i) Es ist
ker(LF ) =
n
o
~
α ∈ F : LF (α) = 0
∗
= {α ∈ F ∗ : |Θ(α)| = 1 für alle Einbettungen Θ}
= {α ∈ F ∗ : α ∈ RF } = RF
nach Korollar 2.14.
(ii) Wir setzen r := r1 + r2 und haben für α ∈ UF
±1 = NF (α) =
=
n
Y
j=1
r1
Y
j=1
Logarithmieren liefert
r
X
j=1
d.h.
Θj (α) =
r1
Y
j=1
Θj (α) ·
r
Y
Θj (α) ·
j=r1 +1
r
Y
j=r1 +1
Θj (α) · Θj (α)
|Θj (α)|2 .
Œr
Œ
rY
1
1 +r2
ŒY
Œ
Œ
Œ
lj (Θj (α)) = log Œ Θj (α) ·
Θj (α)2 Œ = 0 ,
Œ
Œ
LF (UF ) ⊆
j=1
(
(x1 , . . . , xr ) ∈ Rr :
j=r1 +1
r1
X
j=1
xj + 2 ·
rX
1 +r2
j=r1 +1
xj = 0
)
.
Demnach liegt LF (UF ) in einer Hyperebene des Rr , hat also Dimension ≤ r − 1. UF
ist eine multiplikative Untergruppe von OF , also ist LF (UF ) eine additive (Unter)Gruppe (LF ist Homomorphismus). Um zu zeigen, dass LF (UF ) ein Gitter ist,
müssen wir nach Satz 2.17 nur noch nachweisen, dass LF (UF ) in Rr diskret liegt.
Im Kreis um ~0 mit Radius N > 1 haben wir
|{α ∈ UF : |LF (α)| ≤ N }| ≤ |{α ∈ UF : log |Θj (α)| ≤ N (j = 1, . . . , r)}|
Œ
Œ
≤ Œ{α ∈ OF : |Θj (α)| ≤ eN (j = 1, . . . , r)}Œ < ∞
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
90
nach Satz 2.13.
Zur Vollständigkeit des Beweises von Aussage (ii) des Satzes fehlt nur noch, dass
dim LF (UF ) ≥ r1 + r2 − 1 .
Dies gelingt mit Hilfe des Minkowskischen Gitterpunktsatzes durch Konstruktion
von Einheiten u1 , . . . , ur1 +r2 ∈ UF derart, dass die LF (uj ) linear unabhängig über R
sind. Wir geben hierfür ein Konstruktionsverfahren an.
Für ~ν = (ν1 , . . . , νr1 +r2 ∈ Rr1 × Cr2 sei

 Rr1 × Cr2 −→ Rr1 × Cr2
λ~ν :

~x 7−→ ~ν ~x (komponentenweise Multiplikation)
eine lineare Abbildung mit
det(λ~ν ) =
r1
Y
j=1
rY
1 +r2
νj ·
j=r1 +1
|νj |2 .
Ist | det(λ~ν )| = 1, so haben die beiden Gitter ΘF (OF ) und λ~ν (ΘF (OF )) dieselbe
Diskriminante
V (λ~ν (ΘF (OF )) = V (ΘF (OF )) = 2−r2 ·
Setzen wir für geeignete cj ∈ R>0
p
|∆F | .
ˆ
‰
S = (x1 , . . . , xr1 +r2 ) ∈ Rr1 × Cr2 : |xj | < cj (1 ≤ j ≤ r1 ), |xj |2 < cj (r1 + 1 ≤ j ≤ r1 + r2 )
mit
r1
r2
V (S) = 2 · π ·
rY
1 +r2
j=1
cj > 2n · 2−r2 ·
p
|∆F | = V (λ~ν (Θ(OF )) · 2n ,
so existiert nach Minkowski ein α ∈ OF \ {0} mit λ~ν (ΘF (α)) ∈ S, d.h.
(∗)
|Θj (α) ·νj | < cj (1 ≤ j ≤ r1 ) und |Θj (α)· νj |2 < cj (r1 + 1 ≤ j ≤ r1 +r2 ) .
Insbesondere haben wir wegen | det(λ~ν )| = 1
|NF (α)| =
=
r1
Y
j=1
r1
Y
j=1
|Θj (α)| ·
rY
1 +r2
j=r1 +1
|Θj (α) · νj | ·
|Θj (α)|2
rY
1 +r2
j=r1 +1
2
|Θj (α) · νj | <
rY
1 +r2
j=1
cj .
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
91
Da für β ∈ OF stets NF (β) ∈ Z ist, nimmt |NF (β)| <
r1Q
+r2
cj nur endlich viele
j=1
Werte an, d.h. es gibt {β1 , . . . , βk } ⊆ OF so, dass alle diese Normwerte angenommen
werden. Also gilt für ein t, 1 ≤ t ≤ k, dass |NF (α)| = |NF (βt )|, d.h. α = u1 βt für
eine Einheit u1 ∈ UF . Mit bj := min |Θj (βt )| und (∗) erhalten wir
1≤t≤k
√
cj
cj
(1 ≤ j ≤ r1 ), |Θj (u1 )| · |νj | <
(r1 + 1 ≤ j ≤ r1 + r2 ) .
|Θj (u1 )| · |νj | <
bj
bj
Wir setzen nun über die Bedingung | det(λ~ν )| = 1 hinaus voraus, dass
|ν1 | = B −(r1 +2r2 −1) und |νj | = B (2 ≤ j ≤ r1 + r2 ) ,
wobei B eine hinreichend große Konstante sei. Wir erhalten
√
cj
cj
B r1 +r2 −1 · c1
, |Θj (u1 )| <
(2 ≤ j ≤ r1 ), |Θj (u1 )| <
(r1 +1 ≤ j ≤ r1 +r2 ) .
|Θ1 (u1 )| <
b1
bj B
bj B
Wir setzen noch voraus, dass B so groß gewählt wurde, dass |Θj (u1 )| < 1 für j ≥ 2.
Damit gilt mit der Bezeichnung lj (α) aus Definition 2.27, dass lj (Θj (u1 )) < 0 für
alle j = 2, . . . , r1 + r2 . Wegen |NF (u1 )| = 1 folgt
l1 (Θ1 (u1 )) = −
rX
1 +r2
lj (Θj (u1 )) > 0 .
j=2
νi | := B −(r1 +2r2 −1) )
Durch Verwendung der vorstehenden Methode mit anderen ~ν (|~
erhalten wir u2 , . . . , ur1 +r2 −1 ∈ UF derart, dass
(∗∗)
lj (Θj (ui )) < 0 (i 6= j) und
wegen
P :R
rX
1 +r2
j=1
r1 +r2
r1 +r
2 −1
X
j=1
lj (Θj (ui )) > 0 (i = 1, . . . , r1 +r2 −1)
lj (Θj (ui )) = 0 und lr1 +r2 (Θr1 +r2 (ui )) < 0. Es bezeichne
−→ Rr1 +r2 −1 die Projektion (w1 , . . . , wr1 +r2 ) 7−→ (w1 , . . . , wr1 +r2 −1 ).
Behauptung: Die Vektoren P (LF (u1 )), . . . , P (LF (ur1 +r2 −1 )) ∈ R sind linear un-
abhängig über R. Es genügt zu zeigen, dass die (n × n)-Matrix (mit n := r1 + r2 − 1)
über R
(mi,j ) := (P (LF (ui )))n×n
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
92
eine Determinante det(mi,j ) 6= 0 besitzt. Nach (∗∗) haben wir
mi,j < 0 (i 6= j) und
n
X
mi,j > 0 (i = 1, . . . , n) .
j=1
Wir nehmen an, dass det(mi,j ) = 0. Dann gibt es ein rj ∈ R (1 ≤ j ≤ n, nicht alle
0) derart, dass
n
X
mi,j rj = 0 (i = 1, . . . , n) .
j=1
Sei 1 ≤ n0 ≤ n derjenige Index mit |rn0 | ≥ |rj | für alle 1 ≤ j ≤ n. O.B.d.A. ist
rn0 > 0 (sonst ersetzen wir alle rj durch −rj ). Wir erhalten aus (∗∗)
0 = rn0 mn0 +
X
j6=n0
mn0 ,j · rj > rn0 mn0 +
X
j6=n0
mn0 ,j · rn0 > 0 .
Dieser Widerspruch beweist die Zwischenbehauptung, und somit sind r1 + r2 − 1
linear unabhängige Vektoren in LF (UF ) gefunden.
2
Satz 2.29 (Dirichlets Einheitensatz)
Sei F ein Zahlkörper mit Signatur, und sei m := |RF |. Dann gilt
r +r −1 Stück
z 1 2 }|
{
∼
UF = Z × Z × · · · × Z × hζm i ∼
= hu1 i × · · · × hur1 +r2 −1 i × hζm i
mit einer primitiven m-ten Einheitswurzel ζm und einem System u1 , . . . , ur1 +r2 −1 ∈
UF . Jedes solche System heißt Fundamentalsystem von Einheiten bzw. System von
Fundamentaleinheiten.
Beweis:
Nach Satz 2.28 (ii) existieren u1 , . . . , ur−1 ∈ UF mit r := r1 + r2 derart, dass
LF (u1 ), . . . , LF (ur−1 ) eine Z-Basis von LF (UF ) ist, d.h. zu jedem u ∈ UF existieren
eindeutige zj ∈ Z mit
LF (u) =
r−1
X
j=1
zj · LF (uj ) .
2 ARITHMETIK IN ZAHLKÖRPERN
93
Es folgt für den Gruppenhomomorphismus LF
r−1
!
r−1
Y −z
X
j
LF u ·
uj
= LF (u) +
(−zj ) · LF (uj ) = 0 .
j=1
j=1
Ist ν ∈ UF beliebig mit LF (ν) = 0, so gilt nach Satz 2.28 (i), dass ν ∈ RF . Aus Satz
s
2.12 (i) ergibt sich , dass ν = ζm
für eine primitive m-te Einheitswurzel ζn und ein
r−1
Q −zj
s ∈ Z. Für ν := u ·
uj folgt
j=1
u·
r−1
Y
−zj
uj
s
= ζm
j=1
und somit die Behauptung.
2
Beispiel:
Für reell-quadratische Zahlkörper F , d.h. r1 = 2, r2 = 0, erhalten wir gemäß Satz
2.29 UF ∼
= hu1 i × h−1i, da RF = {±1} (vgl. Satz 2.4). Für komplex-quadratische
Zahlkörper F , d.h. r1 = 0, r2 = 1, kommt mit Satz 2.29 UF = RF
(vgl. Satz 1.46).
Bemerkung:
Sei F ein Zahlkörper mit Signatur {r1 , r2 } und seien u1 , . . . , ur1 +r2 −1 und ν1 , . . . , νr1 +r2 −1
zwei Systeme von Fundamentaleinheiten. Mit Hilfe von Dirichlets Einheitensatz lässt
sich leicht zeigen, dass
| det(LF (ui ))| = | det(LF (νi ))| .
Diese charakteristische Größe von F , die nur vom Zahlkörper selbst abhängt, heißt
der Regulator von F , geschrieben rF . Im Allgemeinen ist die Berechnung des Regulators eines Zahlkörpers schwierig, da ein System von Fundamentaleinheiten bekannt sein muss. Für reell-quadratische Zahlkörper jedoch, d.h. r1 = 2, r2 = 0 und
UF = hu1 i × h−1i, ist die Fundamentaleinheit u1 die kleinste“ Lösung einer be”
√
stimmten Pell’schen Gleichung (vgl. Satz 2.4). Für F = Q( 5) haben wir zum
√
√
€

Beispiel u1 = ε5 = (1 + 5)/2, also rQ(√5) = log (1 + 5)/2 .
3 IDEALTHEORIE
3
94
Idealtheorie
3.1. Eigenschaften von Idealen
Wir hatten bereits zu Beginn der Vorlesung Beispiele dafür gesehen, dass die Faktorisierung von Zahlen in OF (für einen Zahlkörper F ) in Primelemente im Allgemeinen
nicht eindeutig ist. Wir wollen zeigen, dass jedoch eindeutige Zerlegung bezüglich
Idealen vorliegt. Ideale in einem kommutativen Ring R mit Eins wurden bereits in
Definition 1.6 erklärt und heißen auch kurz R-Ideale.
Satz 3.1
6 (0) ein OF -Ideal. Dann ist I eine
Sei F ein Zahlkörper mit [F : Q] = d und sei I =
freie abelsche Gruppe vom Rang d, d.h. es gibt Erzeugende α1 , . . . , αd ∈ I derart,
dass
I = [α1 , . . . , αd ] := Zα1 ⊕ · · · ⊕ Zαd .
Beweis:
Nach Satz 1.39 ist OF eine freie abelsche vom Rang d. Nach Definition des Ideals
ist I eine Untergruppe von OF und somit selbst freie abelsche Gruppe, wobei der
Rang r ≤ d ist. Also besitzt I eine Z-Basis {α1 , . . . , αr } ⊆ OF . Sei {β1 , . . . , βd } eine
Z-Basis von OF . Sei α ∈ I \ {0}. Dann sind αβ1 , . . . , αβd ∈ I linear unabhängig und
bilden eine Q-Basis von F . Außerdem gibt es zi,j ∈ Z mit
αβj =
r
X
zi,j αi
(j = 1, . . . , d).
i=1
Wäre r < d, so hätte das lineare Gleichungssystem
d
X
zi,j rj = 0
(i = 1, . . . r)
j=1
eine nichttriviale Lösung rj ∈ Q, j = 1, . . . d, nicht alle gleich 0.
3 IDEALTHEORIE
95
Es folgte
d
X
rj (αβj ) =
j=1
d
X
j=1
rj
r
X
zi,j αi =
i=1
r
X
αi
i=1
im Widerspruch zur linearen Unabhängigkeit der αβj .
d
X
zi,j rj = 0
j=1
2
Wir bezeichnen mit (α1 , . . . , αd ) das kleinste Ideal, welches α1 , . . . , αd enthält. Man
beachte, dass (α1 , . . . , αd ) per definitionem stets ein Ideal ist, hingegen [α1 , . . . , αd ]
nicht unbedingt.
Beispiel:
√ ƒ
€√ 
‚
2, 1 + 10 ist kein Ideal in OF mit F = Q 10 , denn
√  €
√
√  ‚
√ ƒ ˆ
€
‰
1 + 10 · 1 − 10 ∈
/ 2, 1 + 10 = (2a + b) + b 10 : a, b ∈ Z .
Jedes R-Ideal I, das eine endliche Menge von Erzeugenden besitzt, heißt endlich
erzeugt. Ist I = (α), so heißt I Hauptideal . Sind I = (α) und J = (β) Hauptideale,
so gilt I = J gdw. α | β und β | α gdw. (β) ⊆ (α) und (α) ⊆ (β). Unter dem
Produkt zweier endlich erzeugter R-Ideale
I = (α1 , . . . , αr ) und J = (β1 , . . . , βs )
verstehen wir das R-Ideal
I · J := (α1 β1 , . . . , α1 βs , α2 β1 , . . . , αi βj , . . . , αr βs )
erzeugt von allen Produkten αi βj
(1 ≤ i ≤ r, 1 ≤ j ≤ s). Dabei hängt I · J nicht
von den speziellen Erzeugendensystemen der αi bzw. der βj ab.
Lemma 3.2
Seien I und J R-Ideale in einem kommutativen Ring R mit Eins. Aus I | J folgt
J ⊆ I.
3 IDEALTHEORIE
96
Beweis:
Gemäß Definition 1.7 bedeutet I | J, dass J = I · H für ein R-Ideal H. Aus IH ⊆ I
ergibt sich die Behauptung.
2
Von großer Bedeutung für uns wird sein, dass im Falle R = OF für einen Zahlkörper
F auch die Umkehrung von Lemma 3.2 gilt, nämlich J ⊆ I =⇒ I | J. In geringer
Abänderung von Definition 1.7 haben wir
Definition 3.3
Sei F ein Zahlkörper. Ein OF -Primideal (kurz: Primideal) ist ein OF -Ideal P 6= OF
mit der Eigenschaft, dass aus P | IJ für zwei OF -Ideale I, J folgt, dass P | I oder
P | J. Das spezielle Primideal (0) heißt das triviale Ideal .
Beispiel:
Für F = Q ist OF = Z nach Korollar 1.30. Die Menge der Primideale ist dann
{(p) : p ∈ P} ∪ {(0)} ∼
= P ∪ {0}.
Es erweist sich in diesem Zusammenhang als sinnvoll, 0 als Primzahl zu betrachten.
Definition 3.4
Sei R ein kommutativer Ring mit Eins. Ein R-Ideal I =
6 R heißt maximal , falls
I ⊆ J für ein R-Ideal J impliziert, dass J = R. Ein R-Ideal I =
6 (0) heißt minimal ,
falls J ⊆ I für ein R-Ideal J impliziert, dass J = (0).
Beispiele:
(i) In R = Z sind die Ideale von der Form n · Z, n ∈ N0 . Die Primideale =
6 (0)
sind genau die p · Z mit p ∈ P, und dies sind wiederum genau die maximalen
Ideale.
3 IDEALTHEORIE
97
(ii) Sei F ein Körper und R := F [x]. Ist r ∈ F , so ist {f (x) ∈ F [x] : f (r) = 0} ein
maximales Ideal in F [x].
Es ist nicht schwer zu beweisen, dass jedes maximale R-Ideal I 6= R ein Primideal
ist. Außerdem gilt, dass jedes Ideal I 6= R in einem maximalen Ideal enthalten ist.
Definition 3.5
Ein Integritätsring R heißt Dedekind-Ring, sofern die folgenden Bedingungen gelten:
(i) Jedes Ideal in R ist endlich erzeugt.
(ii) Jedes Primideal 6= 0 in R ist maximal.
(iii) R ist ganzabgeschlossen in seinem Quotientenkörper
›
š
α
: α, β ∈ R, β 6= 0 ,
F :=
β
d.h. ist f (α/β) = 0 für ein α/β ∈ F und f (x) ∈ R[x] mit führendem Koeffizienten 1, so ist α/β ∈ R.
Bemerkung:
Bedingung (i) in Definition 3.5 charakterisiert sogenannte Noethersche Ringe und
ist äquivalent zu jeder der beiden folgenden Bedingungen:
(i’) Jede nichtleere Menge von R-Idealen besitzt ein (nicht notwendigerweise eindeutiges) maximales Element.
(i”) Sind I1 ⊆ I2 ⊆ · · · ⊆ Ij ⊆ · · · R-Ideale, so existiert ein j0 ∈ N mit Ij = Ij0 für
alle j ≥ j0 (Teilerkettenbedingung).
Nachdem das Produkt von Idealen bereits erklärt ist, definieren wir auch die Summe
zweier R-Ideale I und J als
I + J := {α + β : α ∈ I, β ∈ J} .
3 IDEALTHEORIE
98
Selbstverständlich ist I + J auch ein R-Ideal, denn für r ∈ R, α ∈ I, β ∈ J gilt
r(α + β) = rα + rβ ∈ I + J, da rα ∈ I und rβ ∈ J.
Wir nennen I und J teilerfremd , falls es kein R-Ideal H 6= R gibt mit H | I und
H | J. Es ist leicht zu sehen, dass dies äquivalent ist zu I + J = R.
Satz 3.6
Ist F ein Zahlkörper, so ist OF ein Dedekind-Ring.
Beweis:
Wir zeigen die drei definierenden Eigenschaften eines Dedekind-Rings für R = OF :
(i) Klar nach Satz 1.39.
(ii) Aus der Algebra ist bekannt, dass ein R-Ideal I genau dann maximal ist, wenn
der Quotientenring R/I := {α + I : α ∈ R} ein Körper ist. Wir zeigen zunächst,
dass OF /P für ein Primideal 6= (0) eine endliche Menge ist. Sei dazu α ∈ P \ {0}.
Schon im Beweis zu Satz 2.1 hatten wir benutzt, dass für jedes α ∈ OF \ {0} gilt
|OF /(α)| = |NF (α)| ,
also insbesondere OF /(α) endlich. Selbstverständlich ist der Ring OF /P (wie OF
selbst) ein Integritätsbereich. Jeder endliche Integritätsbereich wiederum ist ein
Körper, denn zu jedem Element g =
6 0 existiert n > m mit g m = g n , also
g m (g n−m − 1) = 0, also g n−m − 1 = 0, d.h. jedes g 6= 0 besitzt ein multiplikatives
Inverses.
(iii) Sei f (x) ∈ OF [x] mit führendem Koeffizienten 1, und sei f (α/β) = 0, also
f (x) = xm +
m−1
X
j=0
αj xj
(αj ∈ OF ).
Sei f˜(x) das Polynom, welches durch Multiplikation aller Polynome, die aus f (x)
durch Übergang zu konjugierten Koeffizienten hervorgehen, entsteht. Dann hat f˜(x)
ganzalgebraische Koeffizienten und ist symmetrisch in diesen. Nach dem Satz über
3 IDEALTHEORIE
99
elementarsymmetrische Funktionen folgt f˜ ∈ Z[x], offenbar mit führenden Koeffizienten 1 und Nullstelle α/β. Also ist α/β ∈ A und somit α/β ∈ F ∩ A = OF .
2
Lemma 3.7
Sei R ein Dedekind-Ring. Jedes R-Ideal I 6= (0) enthält ein Produkt von Primidealen.
Beweis:
Sei S die Menge aller R-Ideale =
6 0, die kein Produkt von Primidealen enthalten.
Wäre S 6= ∅, so gäbe es in S wegen (i’) in der Bemerkung zu Definition 3.5 ein
maximales Element M . Dabei kann M kein Primideal sein (sonst folgte M ∈
/ S).
Also existieren r, s ∈ R mit rs ∈ M , aber r ∈
/ M . Wegen M $M + (r) und
/ M, s ∈
M $M + (s) enthalten M + (r) und M + (s) beide Produkte von Primidealen. Damit
gilt dies auch für
(M + (r)) · (M + (s)) = M + (rs) = M .
Dieser Widerspruch beweist das Lemma.
2
Lemma 3.8
Sei R ein Dedekind-Ring mit Quotientenkörper F . Ist I 6= R ein R-Ideal, so existiert
ein γ ∈ F \ R mit γI ⊆ R.
Beweis:
Für I = (0) ist das Lemma trivial. Sei also α ∈ I \ {0} beliebig. Nach Lemma 3.7
enthält das Hauptideal (α) ein Produkt P1 · . . . · Pr von Primidealen, wobei wir
annehmen, dass r minimal ist. Da I 6= R, ist I in einem maximalen Ideal und somit
3 IDEALTHEORIE
100
in einem Primideal P enthalten, also zusammen
P | I | P1 · . . . · Pr .
Es folgt P | Pj für ein j, o.B.d.A. P | P1 , d.h. P1 ⊆ P. Nach Bedingung (ii) aus
Definition 3.5 folgt P1 = P. Wegen der Minimalität von r ist P2 · . . . · Pr \ (α) 6= ∅.
Sei β ∈ P2 · . . . · Pr \ (α) beliebig. Dann gilt
1
(α)
1
1
β
∈ · P2 · . . . · Pr \
= · P2 · . . . · Pr \ (1) = · P2 · . . . · Pr \ P .
α α
α
α
α
Außerdem ist
β · P ⊆ P2 · . . . · Pr · P = P1 · P2 · . . . · Pr ⊆ (α) ,
also gilt für jedes δ ∈ P, dass βδ ∈ (α) und damit
(α)
β
·δ ∈
= (1) = R. Mit
α
α
γ := β/α folgt die Behauptung.
2
Satz 3.9
Sei R ein Dedekind-Ring und sei I =
6 (0) ein R-Ideal. Dann gibt es ein R-Ideal
6 (0) derart, dass I · J ein Hauptideal ist.
J=
Beweis:
Für α ∈ I \ {0} setzen wir J := {β ∈ R : βI ⊆ (α)}. Damit ist α ∈ J, also J =
6 (0).
Offenbar ist J ein R-Ideal, und es gilt I · J ⊆ (α). Wir zeigen, dass I · J = (α) gilt.
Wir setzen L := 1/α · I · J ⊆
(α)/α
= R. Mit I und J ist auch L ein Ideal, also ein
R-Ideal. Mit L = R wäre der Satz bewiesen. Wir nehmen also an, dass L 6= R. Nach
Lemma 3.8 existiert ein γ ∈ F \ R (F ist Quotientenkörper von R) mit γL ⊆ R.
Wir werden nachweisen, dass γ Nullstelle eines Polynoms f (x) ∈ R[x] mit führendem
Koeffizienten 1 ist, und dies stände im Widerspruch zu Bedingung (iii) von Definition
3.5, da γ ∈
/ R.
3 IDEALTHEORIE
101
Wegen α ∈ I ist I/α ein R-Ideal und somit L := 1/α ·I ·J ⊇ J. Es folgt γJ ⊆ γL ⊆ R,
also
(γJ) · I = γ · (I · J) = γ · (αL) = (α) · (γL) ⊆ (α) · R ⊆ (α) ,
und deshalb γJ ⊆ J nach Definition von J. Sei
J = R · β1 ⊕ · · · ⊕ R · βr .
Wegen γJ ⊆ J gibt es zi,j ∈ R mit
γβi =
r
X
j=1
zi,j βj
(1 ≤ i ≤ r) .
Damit hat das homogene lineare Gleichungssystem
(z1,1 − γ) · x1 + z1,2 · x2 + · · · + z1,r · xr = 0
z2,1 · x1 + (z2,2 − γ) · x2 + · · · + z2,r · xr = 0
..
.
.
.
.
..
..
= ..
zr,1 · x1 + zr,2 · x2 + · · · + (zr,r − γ) · xr = 0
die nichttriviale Lösung xj = βj (1 ≤ j ≤ r). Also verschwindet die Determinante
der Koeffizientenmatrix, und dies ist ein Polynom in γ über R mit führendem Koeffizienten 1.
2
Korollar 3.10
Sind I =
6 (0), J und L Ideale in einem Dedekind-Ring R, so folgt aus I · J = I · L,
dass J = L.
Beweis:
Nach Satz 3.9 existiert ein Ideal H =
6 (0) und ein α ∈ R \ {0} mit I · H = (α), also
J · (α) = IJ · H = IL · H = L · (α) .
3 IDEALTHEORIE
102
Es folgt
J =J ·R=J ·
(α)
(α)
=L·
= LR = L .
α
α
2
Korollar 3.11
Sind I und J Ideale in einem Dedekind-Ring, dann gilt
I | J ⇐⇒ J ⊆ I .
Beweis:
Nach Lemma 3.2 ist nur zu zeigen: J ⊆ I =⇒ I | J. Sei J ⊆ I und sei L ein Ideal
gemäß Satz 3.9 derart, dass LI = (α) für ein α 6= 0. Es folgt, dass
H :=
1
1
(α)
· LJ ⊆ · LI =
=R,
α
α
α
also H ein R-Ideal ist. Dabei haben wir
I ·H =
(α)
1
· LI · J =
·J =R·J =J ,
α
α
also I | J.
2
Satz 3.12
6 R eine
In einem Dedekind-Ring R besitzt jedes R-Ideal I mit I 6= (0) und I =
eindeutige Darstellung als Produkt von Primidealen, d.h. bis auf die Reihenfolge
der Faktoren gibt es einen eindeutigen Ausdruck
I = P1a1 · P2a2 · . . . · Pnan
mit verschiedenen R-Primidealen Pj ⊇ I und aj ∈ N (1 ≤ j ≤ n).
3 IDEALTHEORIE
103
Beweis:
Existenz: Sei S die Menge aller R-Ideale I 6= (0), I 6= R, die keine gewünschte
Darstellung besitzen. Ist S 6= ∅, so enthält S nach (i’) der Bemerkung zu Definition
3.5 ein maximales Element M . Da M 6= R, ist M in einem maximalen Ideal, also in
einem Primideal P enthalten. Nach Korollar 3.11 folgt P | M , d.h. M = I · P für
ein R-Ideal I. Wir haben demnach I | M , d.h. M ⊆ I. Für den Fall M = I ergäbe
sich I · R = I = I · P , also aus Korollar 3.10 P = R. Widerspruch! Es bleibt nur
M $I. Da M maximal in S ist, ist I ein Produkt von Primidealen. Dann ist aber
auch M = I · P ein Produkt von Primidealen im Widerspruch zu M ∈ S.
Eindeutigkeit: Seien Pj (1 ≤ j ≤ r) und Qk (1 ≤ k ≤ s) Primideale mit
P1 · . . . · Pr = Q1 · . . . · Qs .
Also gilt P1 | Qk für ein k, o.B.d.A. P1 | Q1 , d.h. nach Korollar 3.11, dass Q1 ⊆ P1 .
Wegen (ii) in Definition 3.5 sind Q1 und P1 maximale Ideale, also Q1 = P1 . Aus
Korollar 3.10 folgt
P2 · . . . · Pr = Q2 · . . . · Qs .
Induktiv ergibt sich r = s und Pj = Qj (1 ≤ j ≤ r).
2
Mit Hilfe von Satz 3.6 liefert Satz 3.12 sofort
Korollar 3.13
Sei F ein Zahlkörper. Jedes OF -Ideal 6= (0) und 6= OF ist eindeutiges Produkt von
Primidealen.
Bemerkung:
Die Tatsache, dass in OF im Allgemeinen keine eindeutige Faktorisierung in Primelemente vorliegt (vgl. Beispiele aus Abschnitt 1.1.), erwies sich in Satz 1.47 (ii)
gleichwertig damit, dass nicht alle irreduziblen Elemente prim sind. Nennen wir ein
3 IDEALTHEORIE
104
R-Ideal, welches außer sich selbst und R keine Teiler besitzt, irreduzibel, so lässt
sich zeigen, dass irreduzibel äquivalent zu prim und damit zu maximal ist, sofern R
ein Dedekind-Ring ist.
Definition 3.14
Seien I und J R-Ideale in einem Dedekind-Ring R. Wir definieren den größten
gemeinsamen Teiler
ggT (I, J) := I + J
und das kleinste gemeinsame Vielfache
kgV (I, J) := I ∩ J .
Offenbar ist ggT (I, J) das kleinste Ideal, das I und J umfasst. Nach Korollar 3.11
ist kgV (I, J) das größte Ideal, welches in I und in J enthalten ist. Ist I = (α) ein
Hauptideal, so verwenden wir auch die abkürzende Schreibweise
ggT (α, J) := ggT (I, J) bzw. kgV (α, J) := kgV (I, J) .
Der Chinesiche Restsatz in Z besagt, dass für paarweise teilerfremde Moduln
m1 , . . . , mr ∈ Z und beliebige Zahlen a1 , . . . , ar ∈ Z ein eindeutiges a mod m1 , . . . , mr
existiert mit a ≡ ai mod mi (1 ≤ i ≤ r), d.h. a − ai ∈ (mi ).
Satz 3.15 (Chinesischer Restsatz für Ideale)
Sei R ein Dedekind-Ring und seien I1 , . . . Ir paarweise teilerfremde R-Ideale. Dann
ist die Abbildung
Ψ:
 ž r
T


Ij −→ R/I1 × · · · × R/Ir
 R
j=1
r

 α + T Ii 7−→ (α + I1 , . . . , α + Ir )

i=1
ein additiver Gruppen-Isomorphismus, d.h. zu beliebigen α1 , . . . , αr ∈ R existiert
r
T
Ij“ eindeutiges) α ∈ R mit α − αj ∈ Ij für 1 ≤ j ≤ r.
ein ( modulo
”
j=1
3 IDEALTHEORIE
105
Beweis:
Der Nachweis der Isomorphismus-Eigenschaften von Ψ ist offensichtlich bis auf die
Surjektivität von Ψ:
Sei zunächst r = 2. Wegen ggT (I1 , I2 ) = R existieren x1 ∈ I1 , x2 ∈ I2 mit x1 + x2 =
1. Sind α1 , α2 ∈ R beliebig, so gilt für α := x2 α1 + x1 α2 , dass
α − α1 = (x2 − 1)α1 + x1 α2 = (α2 − α1 )x1 ∈ I1
und analog α − α2 ∈ I2 , d.h. αj ∈ α + Ij (j = 1, 2). Für r > 2 finden wir analog zu
T
Ij . Zu beliebigen
jedem i, 1 ≤ i ≤ r, ein yi ∈ R derart, dass yi − 1 ∈ I1 und yi ∈
j6=i
α1 , . . . , αr ∈ R erhalten wir damit für α := y1 α1 + · · · + yr αr , dass
α − α1 = (y1 − 1)α1 + y2 α2 + · · · + yr αr ∈ I1
und analog α − αj ∈ Ij für j ≥ 2.
2
Lemma 3.16
Seien I 6= (0) und J 6= (0) R-Ideale in einem Dedekind-Ring R.
(i) Es existiert ein α ∈ I derart, dass ggT (α, IJ) = I.
(ii) Es gibt ein R-Ideal H teilerfremd zu J derart, dass H · I ein Hauptideal ist.
Beweis:
(i) Nach Satz 3.12 gibt es paarweise verschiedene Primideale Pj mit
I=
r
Y
a
Pj j
und J =
j=1
r
Y
j=1
a +1
a
für gewisse aj , bj ∈ N0 . Sei αj ∈ Pj j \ Pj j
(1 ≤ j ≤ r). Nach dem Chinesischen
a +1
Restsatz 3.15 existiert ein α ∈ R mit α − αj ∈ Pj j
a +1
α ∈ aj + Pj j
b
Pj j
a
a +1
⊆ Pj j \ Pj j
(1 ≤ j ≤ r), d.h.
(1 ≤ j ≤ r) ,
3 IDEALTHEORIE
106
a +1
denn sonst wäre αj + Pj j
Insbesondere ist α ∈
a
Pj j
a +1
⊆ Pj j
a +1
, also αj ∈ Pj j
. Widerspruch!
für alle j, also α ∈ I. Außerdem haben wir für gewisse
Primideale Qj = Pi und cj ∈ N
(α) =
Es folgt
Y
a
j = 1r Pj j ·
ggT (α, IJ) = ggT
=
r
Y
r
Y
j=1
a
Y
Pj j ·
c
j = 1s Qjj .
s
Y
c
Qjj ,
j=1
r
Y
j=1
a +bj
Pj j
!
a
Pj j = I .
j=1
(ii) Sei α ∈ I gemäß (i), also α =
6 0. Nach dem Beweis zu Satz 3.9 existiert ein
R-Ideal H mit H · I = (α), also H · I Hauptideal. Dabei haben wir nach (i)
I · ggT (H, J) = ggT (HI, IJ) = ggT (α, IJ) = I ,
also nach Korollar 3.10 ggT (H, J) = R.
2
Satz 3.17
Sei I ein R-Ideal in einem Dedekind-Ring R. Zu jedem α ∈ I \ {0} existiert ein
β ∈ I mit I = (α, β), d.h. jedes Ideal in einem Dedekind-Ring ist Hauptideal oder
wird von zwei Elementen erzeugt.
Beweis:
Mit J := (α) liefert Lemma 3.16 (ii) ein R-Ideal H derart, dass H + (α) = R und
H · I = (β) für ein β ∈ R. Es folgt
(α) + (β) = (α) + H · I ⊆ I ,
und die umgekehrte Inklusion bleibt zu zeigen. Wegen H +(α) = R existieren h ∈ H
und r ∈ R mit h + αr = 1.
3 IDEALTHEORIE
107
Also ist für jedes δ ∈ I
δ = hδ + αrδ ∈ H · I + (α) = (β) + (α) ,
d.h. I ⊆ (α) + (β).
2
Satz 3.18
Sei R ein Dedekind-Ring mit verschiedenen Primidealen P1 , . . . , Pr . Zu a1 , . . . , ar ∈
N0 existiert ein α ∈ R und ein R-Ideal I mit ggT (I, Pj ) = R für 1 ≤ j ≤ r, derart,
dass
(α) = I ·
Beweis:
r
Y
a
Pj j .
j=1
Folgt sofort aus Lemma 3.16 (ii).
2
Korollar 3.19
Sind I 6= (0), J 6= (0) R-Ideale in einem Dedekind-Ring R, so haben wir als additive
Gruppen R/I ∼
= J/IJ.
Beweis:
Nach Lemma 3.16 (ii) existiert ein R-Ideal H, teilerfremd zu I, mit H · J = (α) für
ein α ∈ R. Wir definieren den Gruppen-Homomorphismus

 R −→ J/IJ
Ψ:
 r 7−→ rα + IJ .
Dabei ist Ψ surjektiv, denn
(α) + I · J = H · J + I · J = (H + I) · J = R · J = J .
3 IDEALTHEORIE
108
Nach dem Isomorphiesatz für Gruppen erhalten wir
R/ ker Ψ ∼
= img Ψ = J/IJ .
Es bleibt zu zeigen, dass ker Ψ = I. Sei αβ ∈ I · J, d.h. β ∈ ker Ψ. Dann gilt
αβH ⊆ IJH ⊆ I(α) ,
also nach Korollar 3.10 β · H ⊆ I. Wegen H + I = R existieren h ∈ H und γ ∈ I
mit h + γ = 1, also
β = βh + βγ ∈ I + R · I = I .
Sei umgekehrt β ∈ I, also
Ψ(β) = αβ + I · J = I · J ,
denn α ∈ H · J ⊆ J. Somit haben wir I ⊆ ker Ψ und insgesamt ker Ψ = I.
2
3 IDEALTHEORIE
109
3.2. Hauptidealringe
Definition 3.20
Ein Integritätsbereich R, in dem alle R-Ideale Hauptideale sind, heißt Hauptidealring.
Aus der Algebra verwenden wir
Satz 3.21
Jeder Hauptidealring ist ZPE-Ring (vgl. Definition 1.48).
Korollar 3.22
In einem Hauptidealring R ist ein R-Ideal P prim genau dann, wenn P 6= (0) maximal ist.
Beweis:
=⇒“
”
Sei P ein Primideal. Wir haben P = (α) für ein α ∈ R. Ist (α ⊆ I = (β), so folgt
β | α. Ist dabei (α) 6= (β), so folgt α - β. Dann muss β eine Einheit sein, d.h. I = R.
Also ist P = (α) maximal.
⇐=“
”
Jedes maximale Ideal =
6 (0) ist prim.
2
3 IDEALTHEORIE
110
Satz 3.23
Ist R ein Dedekind-Ring, so gilt:
R ist ein ZPE-Ring genau dann, wenn R ein Hauptidealring ist.
Beweis:
=⇒“
”
Sei R ein ZPE-Ring. Wir nehmen an, dass ein R-Ideal existiert, welches kein Hauptideal ist. Nach Satz 3.12 gibt es dann auch ein Primideal P , das kein Hauptideal ist.
Sei
S := {I : I ist R-Ideal und P · I ist Hauptideal} .
Nach Satz 3.9 ist S 6= ∅ und enthält somit wegen (i’) zu Definition 3.5 ein maximales
Element M . Wir setzen P · M = (α) für ein geeignetes α ∈ R. Also ist α = βγ für
ein β ∈ P und ein γ ∈ R. Da R ein ZPE-Ring ist, zerfällt β (eindeutig) in irreduzible
Elemente β1 , . . . , βr , also
β = β1 · . . . · βr .
Es folgt (β1 ) · . . . · (βr ) = (β) ⊆ P , d.h. P | (β1 ) · . . . · (βr ). Da P ein Primideal ist,
haben wir P | (βj ) für ein j, also (βj ) ⊆ P , also βj ∈ P . Damit ist α = βj · γ 0 für
ein irreduzibles βj ∈ P ; wir schreiben wieder α = βγ mit β ∈ P irreduzibel. Also ist
(β) ⊆ P , d.h. P | (β), also (β) = P · J für ein R-Ideal J, wobei wegen
P · M = (α) = (β)(γ) = P · J · (γ)
nach Korollar 3.10 folgt J | M , also M ⊆ J. Aus der Maximalität von M in S
erhalten wir andererseits J ⊆ M , also J = M . Somit gilt (α) = P · M = (β), d.h. α
und β sind assoziiert, und daher ist auch α irreduzibel. Nach Voraussetzung ist P
kein Hauptideal, also existiert ein δ ∈ P \ (α). Außerdem ist (α) $M (sonst wäre
P = R), also gibt es ein σ ∈ M \ (α). Es folgt
δ · σ ∈ P · M = (α) ,
3 IDEALTHEORIE
111
d.h. α | δσ, aber α - δ und α - σ. Es gibt also in R ein irreduzibles Element α, das
nicht prim ist. Dies widerspricht der ZPE-Eigenschaft von R (Satz 1.47 (ii) gilt in
beliebigen Integritätsbereichen mit demselben Beweis).
⇐=“
”
Folgt direkt aus Satz 3.21.
2
Satz 3.24
Ein Integritätsbereich R ist ein Hauptidealring genau dann, wenn eine Funktion
f : R −→ N0 existiert mit folgenden Eigenschaften:
(i) Aus α | β folgt f (α) ≤ f (β), wobei f (α) = f (β) genau für Assoziierte α, β
gilt.
(ii) Sind α, β ∈ R \ {0} mit α - β und β - α, so gibt es Elemente p, q, r ∈ R derart,
dass
r = pα + qβ
und f (r) < min{f (α), f (β)}.
Beweis:
=⇒“
”
Ein Hauptidealring R ist nach Satz 3.21 ein ZPE-Ring. Wir definieren f (α) als die
Anzahl der irreduziblen Faktoren von α. Damit ist (i) sofort klar. Bedingung (ii)
ergibt sich mit r := ggT (α, β) (vgl. Beweis zu Satz 1.51).
3 IDEALTHEORIE
112
⇐=“
”
Sei f mit (i) und (ii) gegeben, und sei I 6= (0), I 6= R ein R-Ideal. Sei α ∈ I \ {0}
derart gewählt, dass f (α) minimal ist. Wir zeigen, dass I = (α) gilt. Wäre β ∈ I
mit α - β, so folgte wegen f (α) ≤ f (β) aus (i), dass β - α (sonst wären α und β
assoziiert, also α | β). Dann hätten wir mit (ii), dass für ein r ∈ R
f (r) < min{f (α), f (β)} ≤ f (α) .
Widerspruch! Also gilt α | β für alle β ∈ I, d.h. I = (α).
2
Korollar 3.25
Ist R ein euklidischer Ring, so ist R Hauptidealring und damit ZPE-Ring.
Beweis:
Eine euklidische Funktion (vgl. Definition 1.50) erfüllt die Bedingungen (i) und (ii)
aus Satz 3.24, also ist R ein Hauptidealring und damit nach Satz 3.21 ein ZPE-Ring.
2
Korollar 3.26
Sei F ein Zahlkörper. Dann ist OF ein Hauptidealring gdw. für alle α, β ∈ OF \ {0}
mit α - β und β - α existieren γ, δ ∈ OF derart, dass
Œ
’
“Œ
Œ
Œ
α
0 < ŒŒNF
· γ − δ ŒŒ < 1 .
β
Beweis:
Wir wählen f (α) = |NF (α)| in Satz 3.24. Dann ist (i) klar, und für |NF (α)| ≥
|NF (β)| haben wir
Œ
“Œ
›
’
š
Œ
Œ
ŒNF α · γ − δ Œ < 1 = min |NF (α)| , 1 ,
Œ
Œ
β
|NF (β)|
3 IDEALTHEORIE
113
also
|NF (αγ − βδ)| < min{|NF (α)| , |NF (β)|} ,
und damit ist (ii) erfüllt.
2
Bemerkung:
Korollar 3.26 kann verwendet werden, um explizit zu untersuchen, ob ein gegebenes
OF Hauptidealring ist oder nicht.
3.3. Normen von Idealen
Nach Satz 3.12 haben wir in einem Dedekind-Ring R für jedes R-Ideal I 6= (0),
I 6= R, eine eindeutige Zerlegung in Primideale
I=
P1α1
· ... ·
Prαr
= kgV
(P1α1 , . . . , Prαr )
=
r
\
αj
Pj
.
j=1
Aus dem Chinesischen Restsatz 3.15 ergibt sich damit
r
r
Y
Ž\
Ž α
Ž
α
R Pj j .
R I=R
pj j ∼
=
j=1
j=1
In R = OF mit einem Zahlkörper F haben wir für ein Primideal P gemäß Beweis
Ž
zu Satz 3.6, dass OF P endlich ist. Darüber hinaus zeigt man leicht, dass
Œ Ž Œ Œ Ž Œ
ŒOF P a Œ = ŒOF P Œa .
Also erhalten wir insgesamt für ein OF -Ideal I
r
Œ Ž Œ Y
Œ Ž Œaj
ŒOF I Œ =
ŒOF Pj Œ .
j=1
Definition 3.27
Sei F ein Zahlkörper, und sei I ein beliebiges OF -Ideal. Wir definieren die Norm
von I durch
Œ Ž Œ
N (I) = ŒOF I Œ .
3 IDEALTHEORIE
114
Satz 3.28
Sei F ein Zahlkörper, seien I =
6 (0) und J =
6 (0) OF -Ideale, sei P 6= (0) ein OF Primideal. Dann gilt:
(i)
N (I) ∈ P =⇒ I ist Primideal;
(ii)
I | (N (I));
(iii)
N (P ) = pm , wobei P ∩ Z = (p) mit einem p ∈ P und m ∈ N;
(iv)
N (I · J) = N (I) · N (J);
(v)
α ∈ OF prim =⇒ (α) ist Primideal.
Beweis:
(i) Mit I =
r
Y
a
Pj j gemäß Satz 3.12 folgt nach Definition der Norm
j=1
N (I) =
r
Y
N (Pj )aj .
j=1
Œ Ž Œ
Wegen N (Pj ) = ŒOF Pj Œ > 1, da Pj 6= OF , ist N (I) ∈ P nur möglich für r = 1 und
a1 = 1, d.h. I = P1 .
Œ Ž Œ
Ž
(ii) Sei OF I = {α1 + I, . . . , αn + I} mit n := ŒOF I Œ. Dann gilt auch
Ž
OF I = {α1 + 1 + I, . . . , αn + 1 + I} ,
denn aus αi + 1 + I = αj + 1 + I folgte sofort αi − αj = (αi + 1) − (αj + 1) ∈ I, d.h.
αi + I = αj + I. Widerspruch!
Das bedeutet
n
n
X
X
(αj + I) =
(αj + 1 + I) ,
j=1
also
j=1
n
n
X
X
Œ Ž Œ
Œ
Œ
(αj + 1) −
αj ∈ I .
N (I) = OF I = n =
j=1
j=1
3 IDEALTHEORIE
115
Es ergibt sich (N (I)) ⊆ I, d.h. I | (N (I)).
r
Q
m
(iii) Sei N (P ) =
pj j mit pj ∈ P, mj ∈ N. Es folgt mit (ii), dass P | N (P ) =
r
Q
j=1
(pj )mj , also P | (pj ) für ein j. Wäre auch P | (pk ) für ein k 6= j, so hätten wir
j=1
wegen upj + vpk = 1 für gewisse u, v ∈ Z und wegen upj ∈ P und vpk ∈ P , dass
1 = upj + vpk ∈ P , also P = OF . Widerspruch!
Also haben wir insgesamt , dass N (P ) = pm für ein p ∈ P mit P | (p), also p ∈ P
und q ∈
/ P für alle q ∈ P \ {p}.
r
r
Q
Q
a
b
(iv) Seien I =
Pj j und J =
Pj j mit aj , bj ∈ N0 gemäß Satz 3.12. Dann
j=1
j=1
haben wir
N (I · J) = N
=
r
Y
r
Y
j=1
a +bj
Pj j
j=1
N (Pj )aj ·
!
r
Y
j=1
=
r
Y
N (Pj )aj +bj
j=1
N (Pj )bj = N (I) · N (J) .
Ž
(v) (α) ist ein Primideal in OF gdw. OF (α) ein Integritätsring ist, d.h. es genügt
Ž
zu zeigen, dass OF (α) keine Nullteiler besitzt. Sei also
Ž
(β + (α)) · (γ + (α)) = βγ + (α) = 0 ∈ OF (α) ,
d.h. βγ ∈ (α). Demnach gilt α | βγ, also α | β oder α | γ, da α prim ist. Es folgt
β ∈ (α) oder γ ∈ (α), d.h. β + (α) = 0 oder γ + (α) = 0.
2
Beispiel:
√
√
Sei F = Q( 10), also OF = Z[ 10] nach Satz 1.43. Wir betrachten die OF -Ideale
√
√
√
P = (2, 10) , Q = (3, 1 + 10) , Q0 = (3, 1 − 10) .
Dann gilt

√ ‘
√
Q · Q0 = 9, 3(1 − 10), 3(1 + 10) ⊆ (3)
√
√
und auch 3 = 9−3(1− 10)−3(1+ 10) ∈ Q·Q0 , also (3) ⊆ Q·Q0 , d.h. Q·Q0 = (3).
Analog erhalten wir
√
P 2 = (4, 2 10, 10) ⊆ (2)
3 IDEALTHEORIE
116
und 2 = 10 − 2 · 4 ∈ P 2 , also (2) ⊆ P 2 und daher P 2 = (2). Zusammen erhalten wir
(6) = (2) · (3) = P 2 · Q · Q0 .
Wir wollen zeigen, dass dies die Primidealzerlegung von (6) ist (vgl. letztes Beispiel
√
in Abschnitt 1.1.). Wir haben OF = {a + b 10 : a, b ∈ Z} und somit
√
√
OF \ P = {a + b 10 : a, b ∈ Z} \ {2a + b 10 : a, b ∈ Z}
√
= {a + b 10 : a, b ∈ Z, 2 - a} .
√
Daher gilt für ein beliebiges u + v 10 ∈ OF \ P , dass
√
√
(P, u + v 10) = Z[ 10] = OF ,
√
denn mit (u + 1) + v 10 ∈ P haben wir

√ ‘ 
√ ‘
√ ‘ 
1 = (u + 1) + v 10 − u + v 10 ∈ P, u + v 10 .
Also ist P ein maximales Ideal und somit ein Primideal. Außerdem ist jedes Element
√
in Z[ 10] von der Form α ∈ P oder von der Form α + 1 mit α ∈ P , also
Œ Ž Œ ŒŒ √ Ž ŒŒ
N (P ) = ŒOF P Œ = ŒZ[ 10] P Œ = 2 .
√
Analog lässt sich zeigen, dass jedes Element in Z[ 10] von der Form α := 3a + b +
√
b 10 ∈ Q oder von der Form α + 1 oder α + 2 mit α ∈ Q ist, also
Œ √ Ž Œ
Œ
Œ
N (Q) = ŒZ[ 10] QŒ = 3 .
Entsprechend gilt N (Q0 ) = 3. Nach Satz 3.28 (i) folgt, dass Q und Q0 Primideale
sind. Damit haben wir die gewünschte Primidealzerlegung von (6) und darüber
hinaus
N ((6)) = N (P )2 · N (Q) · N (Q0 ) = 22 · 32 = 36 ,
wobei wir feststellen, dass N ((6)) = NF (6) (vgl. Beweis zu Satz 2.1).
3 IDEALTHEORIE
117
Satz 3.29
Sei F ein Zahlkörper und sei I 6= (0) ein OF -Ideal. Für jede Z-Basis B von I gilt
s
discr (B)
.
N (I) =
∆F
Beweis:
Nach Bemerkung (ii) und (iii) zu Definition 2.22 sind für [F : Q] =: n = r1 +
2r2 die Gitter Θ(OF ) ⊆ Rn und Θ(I) ⊆ Θ(OF ) volle Gitter in Rn , wobei für die
Fundamentalbereiche gilt
’ “r2
p
€

1
V PΘ(OF ) =
· |∆F | ,
2
und
€

V PΘ(I) =
’ “r2
p
1
· |discr B| ,
2
€
 Œ Ž Œ

€
V PΘ(I) = ŒOF I Œ · V PΘ(OF ) .
Also folgt
Œ Ž Œ
N (I) = ŒOF I Œ =
sŒ
€1 p
Œ
Œ discr (B) Œ
·
|discr
(B)|
2
Œ.
= ŒŒ
€1 p
Œ
∆
·
|∆
|
F
F
2
Nach Satz 1.35 haben discr (B) und ∆F dasselbe Vorzeichen, und damit folgt die
Behauptung.
2
Korollar 3.30
Ist (α) ein Hauptideal in OF , so gilt N ((α)) = |NF (α)|.
Beweis:
Sei B = {β1 , . . . , βn } mit n = [F : Q] eine Ganzheitsbasis von F , also discr B = ∆F .
Dann ist
αB = {αβ1 , . . . , αβn }
3 IDEALTHEORIE
118
eine Z-Basis von (α). Dabei haben wir
discr (αB) = det (Θi (αβj ))2 = det (Θi (α) · Θi (βj ))2
n
Y
=
Θi (α)2 · det (Θi (βj ))2
i=1
= NF (α)2 · discr (B) = NF (α)2 · ∆F .
Mit Satz 3.29 folgt
N ((α)) =
s
discr (αB) p
= NF (α)2 = |NF (α)| .
∆F
2
Satz 3.31
Sei F ein Zahlkörper mit [F : Q] = n = r1 + 2r2 , wobei {r1 , r2 } die Signatur von F
bezeichne. In jedem OF -Ideal I gibt es ein α ∈ I \ {o} derart, dass
’ “r2
4
n! p
|NF (α)| ≤
· n · |∆F | · N (I) .
π
n
Beweis:
Dies ist nur eine Neuformulierung von Satz 2.23 mit M := I.
2
3 IDEALTHEORIE
119
3.4. Idealformen und die Klassengruppe
Aus Z entsteht durch Bildung von Brüchen der Körper Q der rationalen Zahlen. Die
bislang untersuchten Ideale lassen sich als ganze“ Ideale auffassen.
”
Definition 3.32
Sei R ein Integritätsbereich mit Quotientenkörper F . Ein R-Modul M 6= {0} in F
heißt gebrochenes R-Ideal , falls es ein α ∈ R \ {0} gibt so, dass αM ⊆ R. Ist M ein
gebrochenes Ideal mit M ⊆ R, so nennen wir M ein ganzes Ideal.
Bemerkungen:
(i) Ganze Ideale sind genau die R-Ideale im früheren Sinne.
(ii) Ist M ein gebrochenes Ideal mit αM ⊆ R für ein α ∈ R \ {0}, so ist αM ein
ganzes Ideal I, d.h. jedes gebrochene Ideal M besitzt eine Darstellung
M=
1
·I
α
für ein α ∈ R \ {0} und ein ganzes Ideal I.
Wir wollen zeigen, dass die Menge der gebrochenen Ideale eine Gruppe bildet. Wie
bei ganzen Idealen erklären wir das Produkt M1 · M2 zweier gebrochener R-Ideale
M1 und M2 als den kleinsten R-Modul M , der alle Produkte m1 · m2 mit mi ∈ Mi
enthält, d.h. M besteht aus allen endlichen Summen solcher Produkte.
Ist M ein gebrochenes R-Ideal in einem Integritätsring R mit Quotientenkörper F ,
so setzen wir
M −1 := {α ∈ F : αM ⊆ R} .
M −1 ist ein gebrochenes Ideal, denn:
M −1 ist offensichtlich ein R-Modul. Sei β ∈ R \ {0} mit βM ⊆ R (M ist ein
3 IDEALTHEORIE
120
gebrochenes Ideal), und sei γ ∈ M −1 beliebig, d.h. γm ∈ R für alle m ∈ M . Mit
einem beliebigen m0 ∈ M \ {0} erhalten wir
(βm0 ) · γ = β · (γm0 ) ∈ R · R = R ,
d.h. (βm0 ) · M −1 ⊆ R.
Ein gebrochenes R-Ideal M heißt invertierbar , falls M · M −1 = R (also wird R das
Einselement in unserer Gruppe von Idealen sein).
Lemma 3.33
Sei R ein Dedekindring. Jedes ganze R-Primideal P 6= (0) ist invertierbar.
Beweis:
Nach Satz 3.12 existieren zu einem beliebigen α ∈ P \ {0} Primideale P1 , . . . , Pr mit
(α) = P1 · . . . · Pr .
Wegen α ∈ P ist (α) ⊆ P , also P | (α) und somit P = Pj für ein j. Sei o.B.d.A.
P = P1 . Selbstverständlich ist (α) - P2 · . . . · Pr , also P2 · . . . · Pr * (α). Wir wählen
ein β ∈ P2 · . . . · Pr \ (α). Es folgt
βP ⊆ P · P2 · . . . · Pr = (α) ,
also β/α · P ⊆ R und daher β/α ∈ P −1 . Wegen β ∈
/ (α) ist β/α ∈
/ R, und wegen P
ganz (also P ⊆ R) ist R ⊆ P −1 . Also haben wir
und damit

€
β
· P ⊆ P −1 \ R · P = P · P −1 \ P ,
α
P = P · R $ P · P −1 ⊆ R ,
wobei die letzte Inklusion direkt aus der Definition P −1 folgt. Damit gilt für die
ganzen Ideale P und P · P −1
P $ P · P −1 ⊆ R .
3 IDEALTHEORIE
121
Da P ein Primideal ist, folgt aus Eigenschaft (ii) für Dedekind-Ringe (Definition
3.5), dass P maximal ist. Also bleibt nur P · P −1 = R, d.h. P ist invertierbar.
2
Satz 3.34
Sei R ein Dedekind-Ring. Die Menge F(R) der gebrochenen Ideale in R bildet eine
multiplikative Gruppe mit neutralem Element R und Inversem M −1 von M für alle
M ∈ F(R). Die Menge P(R) der gebrochenen Hauptideale ist eine Untergruppe von
F(R).
Beweis:
Es sind alle Aussagen klar bis auf die Inversenbildung:
Sei zunächst M ∈ F(R) ganz. Dann existieren nach Satz 3.12 eindeutig Primideale
P1 , . . . , Pr mit
M = P1 · . . . · Pr .
Nach Lemma 3.33 besitzt jedes Pj das Inverse Pj−1 . Also ist M 0 := P1−1 · . . . · Pr−1
ein Inverses von M , d.h. M · M 0 = R. Es folgt sofort
M 0 ⊆ M −1 := {α ∈ F : αM ⊆ R} ,
wobei F den Quotientenkörper von R bezeichnet. Ist umgekehrt α ∈ M −1 , d.h.
αM ⊆ R, so haben wir
α ∈ αR = αM · M 0 ⊆ R · M 0 = M 0 ,
also insgesamt M 0 = M −1 .
Sei nun M ein gebrochenes Ideal. Dann gibt es ein α ∈ R \ {0} mit αM ⊆ R, d.h.
αM ist ein ganzes Ideal. Nach obigen Überlegungen ist (αM )−1 das Inverse von αM ,
wobei
3 IDEALTHEORIE
122
(αM )−1
=
αβ=:γ
=
=
=
{β ∈ F : β · (αM ) ⊆ R}
nγ
o
∈ F : γM ⊆ R
α
1
· {γ ∈ F : γM ⊆ R}
α
α−1 · M −1 .
Es folgt
M · M −1 = (αM ) · (αM )−1 = R .
Definition 3.35
Sei R ein Dedekind-Ring. Die Faktorgruppe
Ž
CR := F(R) P(R)
heißt Klassengruppe von R. Für R = OF schreiben wir CR = CF .
Zwei gebrochene Ideale heißen äquivalent, falls sie in dieselbe Nebenklasse von P(R)
in F(R) gehören; mit anderen Worten:
Zwei gebrochene Ideale I, J sind äquivalent, geschrieben I ∼ J, sofern Ψ(I) = Ψ(J)
unter der kanonischen Abbildung

 F(R) −→ F(R)ŽP(R)
Ψ:
 I
7−→ I · P(R) =: I .
Bemerkung:
Nach Definition von ∼ ist klar, dass I ∼ J ⇐⇒ I = (γ) · J für ein γ ∈ F . Nach
Bemerkung (ii) zu Definition 3.32 ist jedes gebrochene Ideal I darstellbar als I = α1 J
mit einem α ∈ F und einem ganzen Ideal J, also (α)·I = J, d.h. I ∼ J (⇐⇒ I = J).
Damit ist gezeigt, dass jede Idealklasse ganze Ideale enthält.
3 IDEALTHEORIE
123
Satz 3.36
Sei R ein Dedekind-Ring. Dann ist R ein ZPE-Ring gdw. |C| = 1.
Beweis:
Nach Satz 3.23 ist R ein ZPE-Ring genau dann, wenn R ein Hauptidealring ist,
d.h. alle ganzen Ideale sind Hauptideale. Nach vorangegangener Bemerkung sind
demnach alle Ideale Hauptideale, d.h. F(R) = P(R), d.h. |CR | = 1.
2
Satz 3.37
Für jeden Zahlkörper F besitzt CF nur endlich viele Elemente.
Beweis:
Behauptung: Zu jeder Konstanten C ∈ R>0 gibt es nur endlich viele ganze OF -Ideale
I mit N (I) ≤ C.
Dann sei zunächst P 6= (0) ein ganzes Primideal. Nach Satz 3.28 (iii) ist N (P ) = pm
für ein p ∈ P ∩ Z und ein m ∈ N, wobei p ∈ P. Zu jedem festen p ∈ P gibt es
nur endlich viele ganze Primideale P mit N (P ) = pm für irgendein m ∈ N, denn
(p) ⊆ P , d.h. P | (p), und (p) zerfällt eindeutig in endlich viele Primideale nach Satz
3.12. Da es nur endlich viele Primzahlpotenzen pm ≤ C gibt, haben wir die obige
behauptung für Primideale bereits gezeigt.
ist nun I beliebig, so haben wir nach Satz 3.12
I = P1a1 · . . . · Prar
für gewisse ganze Primideale Pj und aj ∈ N (1 ≤ j ≤ r). Aus N (I) ≤ C folgt wegen
N (I) = N (P1 )a1 · . . . · N (Pr )ar (nach Satz 3.28 (iv)), dass
N (Pj )aj ≤ C
(1 ≤ j ≤ r) ,
3 IDEALTHEORIE
denn N (Pj ) ≥ 2
124
Ž
(da N (Pj ) = |OF Pj | und OF 6= Pj ). Daher und aufgrund der
bereits bewiesenen Behauptung für Primideale folgt die Richtigkeit der eingangs gemachten Aussage.
Sei nun H ein beliebiges gebrochenes OF -Ideal. Nach der Bemerkung hinter Definition 3.35 gibt es ein ganzes OF -Ideal J ∈ H. Wir können ein β ∈ OF \ {0} wählen
derart, dass I = β · J −1 ⊆ OF . Nach Satz 3.31 existiert dann ein α ∈ I \ {0} mit
’ “r2
4
n! p
|NF (α)| ≤
· n · |∆F | · N (I) .
π
n
Wegen α ∈ I ist α · I −1 ⊆ I · I −1 = OF , d.h. H0 := αI −1 ist ein ganzes OF -Ideal.
Außerdem folgt
N (H0 ) = N ((α) · I −1 ) = N ((α)) · N (I −1 ) = |NF (α)| · N (I)−1
’ “r2
n! p
4
· n · |∆F | =: C
≤
π
n
nach Satz 3.28 (iv), Korollar 3.30 und wegen 1 = N (OF ) = N (I · I −1 ) = N (I) ·
N (I −1 ). Wir haben also wegen
H0 = αI −1 = α · β −1 · J ∼ J ∼ H
jedem gebrochenen Ideal H ein ganzes Ideal H0 mit H0 = H und N (H0 ) ≤ C
zugeordnet. Nach der zu Beginn des Beweises gezeigten Aussage gibt es nur endlich
viele ganze Ideale H0 mit N (H0 ) ≤ C und somit nur endlich viele Idealklassen H,
d.h. CF ist endlich.
2
Definition 3.38
Sei F ein Zahlkörper mit Signatur {r1 , r2 } und [F : Q] = n = r1 + 2r2 . Dann heißt
|CF | die Klassenzahl von OF ; Standardbezeichnung: hF := |CF |. Außerdem heißt
’ “r2
n! p
4
MF :=
· n · |∆F |
π
n
3 IDEALTHEORIE
125
die Minkowski-Schranke von F.
Bemerkung:
Der Ausdruck Minkowski-Schranke“ findet seine Berechtigung in der von Minkow”
ski bewiesenen Ungleichung
hF ≤ |{I ⊆ OF : N (I) ≤ MF }| .
Beispiel:
Sei F ein quadratischer Zahlkörper mit −8 ≤ ∆F ≤ 13. Dann gilt N (I) ≤ MF nur
p
Ž
für N (I) = |OF I| = 1, d.h. I = OF (MF = π2 · |∆F | < 2 für −8 ≤ ∆F ≤ 0 bzw.
p
MF = 21 · |∆F | < 2 für 0 ≤ ∆F ≤ 13). Nach Satz 3.36 folgt, dass OF ein ZPE-Ring
ist für ∆F ∈ {−3, −4, −7, −8, 5, 8, 12, 13}.
Bemerkung:
Satz 3.37 von der Endlichkeit der Klassenzahl hF zeigt, dass der Übergang von den
Zahlen zu den Idealen nicht ins Uferlose führt. Der günstigste Fall ist natürlich
hF = 1, d.h. OF ist Hauptidealring, was wiederum gleichbedeutend ist damit, dass
der Satz von der eindeutigen Primfaktorzerlegung wie in Z gilt. Bei den quadrqti-
schen Zahlkörpern ist der Stand der Dinge wie folgt: Es gibt genau neun komplex√
quadratische Zahlkörper Q( D) mit Klassenzahl 1, nämlich für D = −1, −2, −3, −7,
−11, −19, −43, −67, −163 und vermutlich unendlich viele reell-quadratische Zahlkörper (vgl. Bemerkung nach Satz 2.3). Dabei ist bis heute nicht einmal bewiesen, dass
es unter allen Zahlkörpern unendlich viele mit Klassenzahl 1 gibt.
In vielen Untersuchungen hat sich ergeben, dass die Klassengruppe CF zu verschiedenen Zahlkörpern F nach Größe und Struktur anscheinend ganz regellos ausfallen.
Eine Ausnahme hiervon bilden die Kreisteilungskörper Q(ζpa ) mit primitiven pa -ten
Einheitswurzeln ζpa . Die von Iwasawa entdeckte Gesetzmäßigkeit ist eng verknüpft
mit der in Abschnitt 1.1. erwähnten Fermat-Vermutung:
Aus xp + y p = z p folgt
(x + y)(x + ζp y)(x + ζp2 y) · . . . · (x + ζpp−1 y) = z · z · . . . · z ,
3 IDEALTHEORIE
126
d.h. wir haben zwei multiplikative Zerlegungen einer einzigen Zahl in Z[ζp ]. Das
widerspräche der eindeutigen Primfaktorzerlegung, vorausgesetzt, dass sie in Z[ζp ]
gilt, d.h. dass hQ(ζp ) = 1 gilt. Leider ist dies im Allgemeinen falsch. Kummer bewies
jedoch, dass sie genannte Schlussweise zu retten ist, sofern (anstelle von hQ(ζp ) = 1)
wenigstens p - hQ(ζp ) gilt Primzahlen mit dieser Eigenschaft nannte Kummer regulär .
Von den ersten 25 Primzahlen p (d.h. p < 100) sind nur drei irregulär (nämlich
p = 37, 59, 67). Damit ist also zum Beispiel die Fermat-Vermutung für alle anderen
Exponenten p < 100 bewiesen.
Index
L-Isomorphismus, 14
ganzalgebraisch, 2
n-dimensionale Einheitskugel, 73
ganzes Ideal, 117
n-dimensionale Würfel, 73
Ganzheitsbasis, 27, 34
n-te Einheitswurzel, 5
Gauß’sche Zahlen, 2
äquivalent, 120
gebrochenes R-Ideal, 117
Gitter, 72
algebraisch, 5, 8
größter gemeinsamer Teiler, 43, 103
algebraische Erweiterung, 8
algebraische Konjugierte, 14
Hauptideal, 94
algebraischer Abschluss, 12
Hauptideale, 7
assoziiert, 3
Hauptidealring, 108
Bachet-Gleichung, 46
Ideal, 6
invertierbar, 118
Dedekind-Ring, 96
irreduzibel, 3
diskret, 73
Diskriminante, 22, 28, 35, 72
Klassengruppe, 120
Klassenzahl, 123
Einbettung, 14
kleinstes gemeinsames Vielfaches, 43,
eindeutig zerlegbar, 3
103
Einheit, 3
komplexe Einbettung, 15
endlich erzeugt, 94
konvex, 73
endliche Erweiterung, 13
Kreisteilungskörper, 58
euklidische Funktion, 44
Kreisteilungspolynom, 58
euklidischer Ring, 44
logarithmische Darstellung, 86
Fundamentalbereich, 72
logarithmischer Raum, 86
Fundamentaleinheiten, 90
Fundamentalparallelepiped, 72
maximal, 95
Fundamentalsystem, 90
minimal, 95
127
INDEX
128
Minimalpolynom, 8
Minkowski-Schranke, 123
Noethersche Ringe, 96
Norm, 19, 112
norm-euklidisch, 49, 50
prim, 4
Primideal, 7, 95
quadratische Zahlkörper, 37
Radikand, 35
reelle Einbettung, 15
regulär, 124
Regulator, 91
Ring der ganz(algebraisch)en Zahlen,
26
Signatur, 15
teilerfremd, 43, 97
Teilerkettenbedingung, 96
teilt, 4, 7
total-komplexer Zahlkörper, 15
total-reeller Zahlkörper, 15
transzendent, 8
transzendente Erweiterung, 8
transzendente Zahlen, 6
triviales Ideal, 95
Vandermonde-Determinante, 28
ZIE-Ring, 43
ZPE-Ring, 43
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