TECHNIK Der 9. KunstZahnWerk-Wettbewerb 2015: Dokumentation einer Wettbewerbsarbeit TOTALPROTHETIK: DARF‘S NOCH EIN WENIG TRADITION SEIN? Ein Beitrag von Ztm. Philipp Köhler, Schwaig bei Nürnberg/Deutschland KONTAKT ■ Ztm. Philipp Köhler INDIZES 90571 Schwaig bei Nürnberg ■Artikulator Hot Spot Dental Seifert Fon +49 911 5692840 ■Aufstellung Reichswaldstraße 52 [email protected] ■Gerber ■Modellanalyse ■Totalprothetik 100 – dental dialogue 17. JAHRGANG – 1/16 TECHNIK Noch nie war Tradition so wertvoll wie heute. Getrieben von den Innovationen im Bereich der digitalen Fertigung sind die Besinnung auf bewährte prothetische Konzepte und die traditionelle zahntechnische Fertigkeit sehr wichtig, um dem „Knowhow-Verlust“ zu begegnen. Der Autor des Artikels ist einer der Gewinner des 9. KunstZahnWerk-Wettbewerbs 2015 – ein Wettbewerb für Totalprothetik, der alle zwei Jahre von Candulor ausgeschrieben wird. Philipp Köhler beschreibt sein Vorgehen bei der Anfertigung der Wettbewerbsarbeit, geht auf das Aufstellkonzept nach Gerber ein und gibt raffinierte Tipps für die individuelle Charakterisierung von Totalprothesen. HOMEPAGE 1/16 – dental dialogue 17. JAHRGANG – 101 TECHNIK 01 Foto der Wettbewerbs-Ausschreibung, die den Unterlagen 02 Für die Wettbewerbsarbeit wurden zudem die Arbeits- des KunstZahnWerk-Wettbewerbs 2015 beilag modelle, der Bisswall aus Gips sowie die Zahngarnituren zur Verfügung gestellt „Es ist besser, auf neuen Wegen etwas zu nik in Erinnerung gerufen und danach das chen aufweisen, die Minikalotten ähneln. stolpern, als in alten Pfaden auf der Stelle zu Vorgehen anhand des Patientenfalles (Wett- Nach dem sogenannten Mörser-Pistill-Prinzip treten“, besagt ein chinesisches Sprichwort. bewerbsarbeit) vorgestellt. Die Symbiose okkludieren die oberen Stampfhöcker in den Es soll dazu animieren, hin und wieder Neues aus dem traditionellen Gerber-Konzept und unteren „Mikropfannen“. Die bukkalen Hö- auszuprobieren und eigene Wege zu gehen. der modernen handwerklichen Umsetzung cker haben eine abradierte und bauchige Grundsätzlich hat jede Tradition einmal als führten zu einem funktionell idealen sowie Form, wodurch die Statik gesichert und die Neuheit begonnen, auch die heute bewähr- ästhetisch individuellen totalprothetischen Prothesen durch den Wangenkontakt sta- ten Methoden der prothetisch restaurati- Zahnersatz und zu einer sehr guten Platzie- bilisiert werden. ven Zahnmedizin. Der Schweizer Zahnarzt rung beim 9. KunstZahnWerk 2015. Pistill ≙ Stampfer | Mörser ≙ Grube Prof. Dr. Albert Gerber (1907 bis 1990) prägte mit seinen – zunächst visionären – Gedanken Aufstellkonzept und seinen später allgemein anerkannten Merkmale der Gerber-Theorie: ■Erzielung einer autonomen Kaustabilität Arbeiten die Totalprothetik. Aufbauend auf Im Mittelpunkt der Gerber-Theorie steht durch eine gezielte Platzierung der funk- der Tradition von Prof. Dr. Alfred Gysi (1865 der funktionelle Zusammenhang zwischen tionellen Höcker nach lingual (Vermeiden bis 1957) entwickelte Gerber 1964 ein neues der Formgebung des Kiefergelenks und der Verständnis für die Okklusion und trug damit Okklusion. Bei diesem Okklusionskonzept ■Aufbau einer sagittalen und transversalen wesentlich zum wissenschaftlichen Funda- wird durch eine bewusste Platzierung der Kompensationskurve durch kalottenför- ment der Totalprothetik bei. Basierend auf funktionellen Höcker nach lingual (bukkale mig gestaltete Kaumulden der Konfekti- diesen Tatsachen ruft der Totalprothetik- Entlastung) an jedem Zahnpaar eine „auto- Spezialist Candulor alle zwei Jahre zum Wett- nome Kaustabilität“ erreicht. Durch diese ■Bilateral balancierte Okklusion bewerb „KunstZahnWerk“ auf. Hierbei wird lingualisierte Okklusion werden Kipp- und ■Durch konkave Ausformung der Vestibu- nach dem Gerber-Aufstellkonzept gearbeitet, Hebelkräfte an der Prothese vermieden lärflächen Unterstützung des Prothesen- das trotz seiner fast 60 Jahre keineswegs [Gerber 1964]. Hohe Bedeutung hat hierbei halts veraltet ist. Es ist ein Trugschluss zu glauben, die Kondylartheorie. Diese besagt, dass Ge- dass mit der CAD/CAM-Technologie derartige lenkpfannen und Kondylen wie Mörser und Arbeitskonzepte an Relevanz verlieren; ganz Pistill zusammenpassen. Das Ergebnis ist im Gegenteil. Die bewährten Vorgehenswei- eine physiologische Beziehung von zweck- Der 82-jährige Patient ist seit 45 Jahren sen sind und bleiben eine wichtige Grundlage entsprechend ausgeformten Seitenzähnen Träger einer Totalprothese. Seither leidet für jedwede prothetische Restauration. Viel- zu den Funktionsformen der Kondylen in er an der hohen Mobilität seiner Unterkiefer- leicht ändern sich die Mittel zum Ziel, doch den Gelenkgruben. Daraus ergibt sich eine Prothese. Trotz mehrfacher Neuanfertigung das Wissen um die Basics ist unentbehrlich funktionelle Einheit zwischen konkaver Fossa konnte dieses Problem nicht behoben wer- – auch in einer zeitgemäßen und oft digitalen und konvexem Kondylus im Kiefergelenk. den. Der aktive Herr beklagte sich, dass der Zahntechnik. Im vorliegenden Artikel werden Davon ausgehend sollten die Kauflächen der mangelhafte Halt der Prothesen ihn unter zunächst Grundlagen zur Gerber-Aufstelltech- unteren Seitenzähne mörserartige Oberflä- anderem beim Sprechen und Essen be- 102 – dental dialogue 17. JAHRGANG – 1/16 von Kipp- und Hebelkräften) onszähne (Condyloform II NFC, Candulor) Patientenfall TECHNIK 03 Als erstes wurden die Origi- 04 Für die Aufstellung wurden Basisplatten 05 Die mitgelieferte Bissschablone nalmodelle dupliert und Zweitmo- aus einem kaltpolymerisierenden Löffelma- aus Gips diente unter anderem zur delle hergestellt terial angefertigt Vermessung des Overbite einträchtige und immer wiederkehrende wurde als neutral angegeben. Somit ent- Aspekten aufgestellt werden sollten. Der Druckstellen auslöse. Sein Wunsch war ein spricht der vertikale Überbiss (Overbite) in horizontale Kieferkammverlauf wurde mit „festsitzender“ Zahnersatz, der ihn im sozia- etwa dem horizontalen Überbiss (Overjet), einem speziellen Profilzirkel seitlich auf den len Alltag nicht einschränkt. Auch bezüglich also zirka 2 mm (Abb. 5). Das Einartikulie- Modellsockel übertragen. Zusätzlich musste der Ästhetik hatte er klare Vorstellungen: ren der Modelle erfolgte mittelwertig auf die tiefste Stelle des Alveolarkamms (kau­ Eine ähnliche Zahnstellung wie in seinen Basis des Gipswalls (Abb. 6a und b). Die stabile Zone) und der Beginn des aufstei- Jugendjahren, „nur ein bisschen schöner“. Kondylenbahnneigung wurde rechtsseitig genden Kieferkamms (Stopplinie) mit einem Besonderen Wert legte der Pensionär darauf, mit 28 ° und linksseitig mit 30 ° fixiert. Das senkrechten Strich skizziert werden. Nach dass die neuen Prothesen als solche nicht verwendete klassische Artikulatorsystem dem detaillierten Übertragen der Analyse wahrgenommen werden. Der Patient hatte (Condylator) wurde nach der Camper‘schen auf den Modellsockel konnte die Aufstellung einen leptosomen Körperbau und ein gutes Ebene konstruiert. Diese verläuft parallel zur der Zähne beginnen. Mundhygieneverhalten (Abb. 1). Okklusionsebene, womit eine gute Referenz Wettbewerbsaufgabe Die Ausschreibung des KunstZahnWerkWettbewerbs 2015 sah vor, dass für den Patienten neue Totalprothesen nach dem gegeben ist. Das Unterkiefer-Modell wurde Aufstellung nach dem Inzisalpunkt sowie der Kauebene ausgerichtet und dementsprechend das Für das Totalprothetik-Konzept nach Gerber Modell des Oberkiefers eingegipst. kommen in der Regel die Konfektionszähne von Candulor zur Anwendung. Im Grundsatz Modellanalyse entsprechen diese der bewährten Kondylar- Gerber-Konzept angefertigt werden sollten. Theorie. Hinsichtlich des Materials (Kaufunk- Zusätzlich zu den Ausgangs- und Porträtfo- Die Modellanalyse gilt als Schlüsselfaktor tionalität) und der Ästhetik (lichtoptische Ei- tos sowie den Arbeitsmodellen wurden ein der Totalprothetik, denn der Halt von To- genschaften, Zahnform) wurden die Zähne Gipswall mit angezeichneter Mittellinie und talprothesen ergibt sich aus dem harmoni- allerdings in den vergangenen Jahren von verschiedene Zahngarnituren zur Verfügung schen Zusammenspiel der physikalischen, Candulor optimiert und so die moderne Ma- gestellt (Abb. 2). Der Gipswall entsprach dem biologischen und prothetischen Kräfte. Das terialkunde mit dem traditionellen Konzept bukkalen Wangenkontakt. Ziel war es, einen aufmerksame Lesen des Modells vermittelt in Einklang gebracht. Die Entscheidung für funktionell exakten und ästhetisch individu- viele wichtige Informationen, wie zum Bei- die passende Frontzahngarnitur basierte auf ellen Zahnersatz herzustellen. spiel über die Kieferform oder die intra- und den Vorgaben des Wettbewerbsgremiums, interalveolare Beziehung. So kann zum Bei- das drei verschiedene Frontzahngarnituren spiel anhand der Modelle beurteilt werden, (PhysioStar NFC) in der Zahnfarbe B3 zur Methodisches Vorgehen ob eine Prothese unter Belastung die Ten- Verfügung stellte. Basierend auf den Erkennt- Im ersten Schritt wurden die Originalmodel- denz zum Kippen oder Abgleiten hat. Das nissen aus den Porträtbildern des Patienten le dupliert, Zweitmodelle ausgegossen und intensive Studium der Modelle gab auch in sowie den Fotos aus seiner Jugendzeit fiel Basisplatten aus Autopolymerisat angefertigt diesem Fall Auskunft darüber, wo die Ersatz- die Entscheidung für eine Kombination der (Abb. 3 und 4). Die Bisslage des Patienten zähne unter prothetischen und statischen markanten Zahnformengruppe 772 mit der 1/16 – dental dialogue 17. JAHRGANG – 103 TECHNIK 06a & b Die in den Condylator einartikulierten Modelle. 07a & b Die entsprechend des mitgelieferten Bisswalls Die Camper‘sche Ebene (Okklusionsebene) wurde an einem aufgestellten Frontzähne. Für die zentralen Inzisivi kamen Gummiband ausgerichtet PhysioStar NFC der Form 772 und für die seitlichen Frontzähne und Eckzähne PhysioStar NFC der Form 666 zum Einsatz 08 Die adäquaten Seitenzähne für die Gerber-Aufstellmethode 09a & b Die UK 6er wurden in der kaustabilen Zone sind nach dem Mörser-Pistill-Prinzip aufgebaut (Condyloform aufgestellt und der Antagonist im Oberkiefer dagegen plat- II NFC) ziert. Die palatinalen Höcker der OK 6er okkludieren in den mörserähnlichen zentralen Gruben der Unterkiefer-Zähne universellen Form 666. Für die zentralen In- liegen 0,5 mm unterhalb der Okklusions- der Dimension des vertikalen Überbisses. zisivi wurden Zähne mit eckigen Konturen ebene (Abb. 7b). Die Labialachse der mitt- Bei der Protrusion berührten die Schneide- und authentisch wirkenden Abrasionen leren Schneidezähne ist leicht und die der kanten der oberen mittleren Inzisivi nach an der Inzisalkante gewählt (772). Für die seitlichen Frontzähne etwas stärker nach 2 bis 3 mm die der unteren Schneidezähne. seitlichen Schneidezähne und die Eckzähne distal ausgerichtet. Und die Natur macht Bei der Aufstellung der Seitenzähne stand kam die Garnitur 666 – schlanke Form – zur es vor: Die approximale Achse der oberen die Statik im Mittelpunkt. Entsprechend der Anwendung, die gut zum schmalen und cha- Eckzähne ist invertiert. Dementsprechend Gerber-Theorie wurde eine bilateral balan- rismatischen Gesicht des Patienten passt. wurden die Eckzahnspitzen leicht nach innen cierte Okklusion angestrebt. Dies bedeutet, gekippt und der zervikale Anteil der Zähne dass bei der Unterkieferbewegung zwischen Zunächst wurden die oberen Frontzähne auf- nach vestibulär geneigt. Um der Zahnreihe allen Zähnen gleichzeitige und gleichmäßige gestellt (Abb. 7a). Als Orientierung diente die eine individuelle Charakteristik zu verleihen, Kontakte bestehen und so eine hohe Kau­ Ausformung des Bisswalls, die mittels Silikon- wurden die beiden lateralen Schneidezähne stabilität gewährleistet wird. Als Zahngarnitur schlüssel übertragen wurde. Hieraus ergibt leicht verschachtelt aufgestellt. Symmetrisch wurden Konfektionszähne in der Kondylar- sich unter anderem der bukkale Korridor. zur Oberkiefer-Frontzahnreihe wurden die form verwendet (Condyloform II NFC, Can- In der Regel überragen die Schneidekanten unteren Zähne aufgestellt. Der Freiraum dulor) (Abb. 8). Die Kauflächen dieser Zähne der zentralen Inzisivi die Okklusionsebene zwischen den labialen Flächen der unteren sind nach dem Mörser-Pistill-Prinzip gestaltet um etwa 1 mm. Die Eckzahnspitzen und Schneidezähne und der palatinalen Flächen und entsprechen der beschriebenen Theorie die Schneidekanten der lateralen Inzisivi der oberen Schneidezähne entsprach in etwa nach Gerber. 104 – dental dialogue 17. JAHRGANG – 1/16 TECHNIK 10a & b Die fertig aufgestellten Prothesen mit ana- 11a & b Die Ansicht von okklusal verdeutlicht die leicht tomisch exakt ausmodellierter prothetischer Gingiva. Es verschachtelte Zahnstellung im Frontzahnbereich sowie die wurde ein lebendiges Wechselspiel zwischen konkaven und entsprechend der Modellanalyse aufgestellten Seitenzähne konvexen Flächen geschaffen 12 Die Oberkiefer-Prothese ist so in der 13a & b Nach dem Ausbrühen des Wachses wurden die Zähne konditioniert Küvette ausgerichtet, dass der Pressdruck und die Umsetzung in das Heißpolymerisat vorbereitet die Zähne nicht beschädigen kann Zuerst wurden die ersten unteren Molaren mit Wachs auf der Prothesenbasis fixiert. Modellation der prothetischen Weichgewebe Die Position ergab sich aus der Modellana- ren Drittel der Seitenzähne unterstützt den Kontakt zur Wange. Im anterioren Bereich wurde eine eher konkave Fläche modelliert. lyse (kaustabile Zone). Dementsprechend Die Modellation der Gingivaanteile ist einer- Bändchen der Wangen-, Zungen- und Lip- konnte nun der Antagonist im Oberkiefer seits für das patientenindividuelle Aussehen penmuskulatur mussten ausgespart werden platziert werden. Laut Gerber okkludieren die und andererseits für den festen Halt der und es wurde entsprechend der natürlichen palatinalen Höcker (pistillförmig) der oberen Prothesen relevant. Die Prothesenbasis Vorgabe ein lebhaftes Wechselspiel zwischen Molaren in den mörserähnlichen zentralen wurde bis zum Funktionsrand gestaltet und Alveolenhügeln und Konkavitäten geschaffen Gruben (Minikalotten) der Unterkiefer-Sei- somit eine möglichst breite Kraftverteilung (Abb. 10a und b bis 11a und b). tenzähne (Abb. 9a und b). Ausnahme: Für die des Kaudrucks gewährleistet. Im Mund wird ersten Prämolaren gilt das umgekehrte Prin- sich im Spalt zwischen Prothesenbasis und zip. Im Sinne der Statik wird durchwegs auf Kieferkamm ein Speichelfilm bilden, dessen bukkale Kontakte verzichtet. Die Aufstellung Kapillarkräfte eine Ventilwirkung auslösen Für eine präzise Umsetzung der Wachsauf- aller Zähne folgte den bekannten Regeln. und den Halt der Prothese unterstützen. Die stellung in Kunststoff hat sich die Küvetten- Letztlich wurden die statischen und dyna- Außenflächen der Prothesen wurden „mus- technik mit einem Heißpolymerisat bewährt. mischen Kontaktbeziehungen im Artikulator kelgriffig“ gestaltet, sodass sich die mimische Die Modelle samt Aufstellung wurden daher kontrolliert. Muskulatur dort optimal anschmiegen kann. dem Artikulator entnommen und mit einem Die ausgeprägte bukkale Wölbung im unte- Gips der Klasse IV eingebettet. Bei der Posi- Fertigstellung 1/16 – dental dialogue 17. JAHRGANG – 105 TECHNIK 14 & 15 Für eine lebendige Gestaltung der Gingivaanteile wurden zunächst im vestibulären Bereich entsprechend eingefärbtes Prothesenbasismaterial eingebracht und die Prothese danach mit Basiskunststoff gepresst 16 Nach dem Reokkludieren (Prothesen hierfür nicht von den 17 ... auf Hochglanz poliert und abschließend hinsichtlich Modellen abnehmen) wurden die Pressfahnen entfernt und die der dynamischen und statischen Kontakte überprüft Prothesen sorgfältig ausgearbeitet, ... tionierung der Modelle in der Küvette (JST eingefärbter Prothesenbasiskunststoff, der Basiskunststoff behutsam aufgedrückt und Küvette, Candulor) wurde darauf geachtet, gezielt im vestibulären Bereich aufgebracht die Küvettenhälften asymmetrisch und spalt- dass die Approximalachsen der Einser im werden kann (Abb. 14). Für die naturnahe frei verschlossen werden. Die Pressung und rechten Winkel zur Küvetten-Ebene ausge- Reproduktion sind anatomische Grundla- Aushärtung erfolgte nach den Angaben des richtet waren (Abb. 12, 13a und b). Dadurch gen zu beachten. So ist zum Beispiel der Herstellers. Nach dem Öffnen zeigte sich wird verhindert, dass der Pressdruck an den Bereich der keratinisierten Gingiva hellrosa ein gelungenes Pressergebnis (Abb. 15). Die Zähnen eine Angriffsfläche findet und die- zu gestalten, da hier die Durchblutung in Prothesen konnten nun ausgebettet und se eventuell beschädigt werden. Um eine der Regel weniger stark ist. Im Gegensatz noch vor dem Abheben von den Modellen lebendige Wirkung der Gingivaanteile zu er- dazu sind die mukogingivalen Anteile stark reokkludiert werden. Dem Einschleifen der zielen, sollte eine natürliche Pigmentierung durchblutet und erscheinen in einem inten- zentrischen Okklusion (Nullstellung) folgte imitiert werden. Hierfür eignet sich ein unter- siven Rot. Nach der Einfärbung der vesti- das Einschleifen der Protrusion sowie das schiedlich mit dem Aesthetic Color Set Easy bulären Bereiche konnten der angeteigte Anpassen der Lateral- und Retralbewegun- 106 – dental dialogue 17. JAHRGANG – 1/16 TECHNIK 18 Die fertiggestellten Prothesen von frontal. Die individuell 19 Die Seitenansicht macht das kleine Goldinlay, das im vestibu- charakterisierten Gingivabereiche verleihen ein dreidimen- lären Bereich des oberen Molaren eingearbeitet wurde, sichtbar sionales, lebendiges Aussehen 20 & 21 Funktionelle Okklusionsgestaltung nach dem Gerber-Prinzip. Die palatinalen Höcker der oberen Molaren (Pistill) okkludieren in den mörserähnlichen zentralen Gruben der Unterkiefer-Seitenzähne. Da die zweiten Molaren hinter der Stopplinie stehen sind sie außer Kontakt gen. Danach wurden die Prothesen von den sowie akzentuiert und schließlich mit einem teristika zu verleihen, wurde im bukkalen Modellen abgehoben und Pressfahnen ver- glasklaren Kunststoff überschichtet. Nun Bereich eines oberen und eines unteren schliffen. Jetzt zahlte sich die gute Vorarbeit konnten die Prothesen fertiggestellt werden Molaren jeweils ein Goldinlay eingearbei- aus. Es war kaum Nacharbeit notwendig, da (Abb. 16). Der Kunststoff wurde mit feinem tet (Abb. 18 und 19). Nach der Präparation die morphologischen Kriterien der protheti- Sandpapier geglättet, mit nassem Bimsstein von Kavitäten konnten die Inlays modelliert, schen Gingiva bereits in Wachs berücksichtigt sowie Schwabbel vorpoliert und mit Polier- gusstechnisch in Gold übertragen und in die worden waren. Und auch die Prothesenzäh- paste auf Hochglanz gebracht (Abb. 17). Die Konfektionszähne eingearbeitet werden. ne wurden farblich charakterisiert, um dem fein angelegten Strukturen im Bereich der Zahnersatz dadurch die gewünschte Indi- Alveolenhügel, der Interdentalpapillen so- vidualität zu verleihen. Hierfür wurden die wie der eingeschliffenen Okklusalbereiche Schneidekanten etwas zurückgeschliffen, wurden mit dem Handstück poliert. Um dem Wenn das Künstliche nicht mehr vom Natür- die entsprechenden Bereiche leicht koloriert Zahnersatz zusätzlich individuelle Charak- lichen unterschieden werden kann, ist der Ergebnis 1/16 – dental dialogue 17. JAHRGANG – 107 TECHNIK 22a & b Die Seitenzähne der fertigen Prothesen stimmen exakt mit den Vorgaben der Modellanalyse überein (Okklusionsebene, Position des ersten Molars, Stopplinie) 23a - d Impressionen der fertigen Prothesen des KunstZahnWerk-Wettbewerbs 2015. Die lichtoptischen Eigenschaften der Konfektionszähne vermitteln Lebendigkeit und Tiefe. Die individuelle mehrfarbige Charakterisierung der roten Ästhetik verleiht den Prothesen ein natürliches, dreidimensionales Aussehen 108 – dental dialogue 17. JAHRGANG – 1/16 TECHNIK PRODUKTLISTE Produkt Name Firma Artikulationsgips ArtiTiger Klasse 4 Artikulatorsystem Condylator Gerber Condylator Aufstellwachs Aestehtic Wax Candulor Aufstellbasis C-Plast Candulor Einbettgips Rocky Mountain sahara Klasse 4 Goldlegierung, Inlays JRVT Jensen Dental ■Frontzahnbereich ■PhysioStar NFC, 772 und 666 ■Candulor ■Seitenzahnbereich ■Condyloform II NFC ■Candulor Küvette JST Küvette Candulor ■rosa Kunststoff ■Aesthetic Color Set Easy ■Candulor ■Prothesenzähne ■Stains for Resin Teeth ■Candulor Prothesenbasiskunststoff Baseplast 34, Heißpolymerisat Candulor Patientenwunsch erfüllt. Aus funktioneller Fazit eine Aufgabe, die darin besteht, das Wis- Konfektionszähne Individualisierungsset Sicht kann dieses Ziel in der Totalprothetik sen und Können um ein fundiertes und mit der traditionellen Gerber-Technik erreicht Trotz einer sich komplett wandelnden Zahn- mehr als 60 Jahre bewährtes Konzept zu werden (Abb. 20 bis 22b). Aus ästhetischer technik ist noch immer Tradition gefragt. erhalten. Ganz in diesem Sinne hat er am Sicht gewinnen moderne Materialien und Bewährte Vorgehensweisen sind und bleiben KunstZahnWerk-Wettbewerb der Candulor Konfektionszähne eine hohe Bedeutung. eine wichtige Grundlage – insbesondere bei teilgenommen. Im Beitrag wurde das me- Die Formen und Oberflächenmorphologien der Totalprothetik. Herstellungsmethoden thodische Vorgehen bei der Anfertigung der der für die Wettbewerbsarbeit verwendeten verändern sich, aber das patientenindividu- Wettbewerbsarbeit gezeigt. Konfektionszähne sowie deren lichtoptischen elle Vorgehen, das auf bewährten Konzep- Eigenschaften kommen der „Unsichtbarkeit“ ten basiert, bleibt bestehen. Die zeitgemäße des Zahnersatzes sehr zugute. Hinzu gesellt Zahntechnik ist eine Symbiose aus Tradition sich die individuell erarbeitete, lebendig und Innovation. Für den Autor des Artikels dreidimensional wirkende rote Ästhetik ist die Arbeit nach dem Gerber-Konzept (Abb. 23a bis d). mehr als eine Philosophie. Vielmehr ist es ■ WERDEGANG Philipp Köhler absolvierte seine Ausbildung zum Zahntechniker in den Jahren 1993 bis 1997 in Weiden. In seinem Lehrbetrieb war er bis 1998 beschäftigt, wechselte dann jedoch in ein Labor in das 30 Kilometer entfernte Nabburg. Nachdem er als Zahntechniker-Geselle fundierte Berufserfahrung gesammelt hat, entschied er sich im Jahr 2013 für den Besuch der Meisterschule Ronneburg. Im Sommer 2014 erhielt er seinen Meisterbrief und begann seine Tätigkeit bei Hot Spot Dental Seifert in Schwaig. Ztm. Philipp Köhler hat bereits mehrere Male am KunstZahnWerk-Wettberwerb teilgenommen und mit sehr guten Ergebnissen abgeschnitten. Im Jahr 2015 war er der 2. Gewinner des Candulor Award und zudem der Zweitplatzierte des „Internationalen Wettbewerbs um den Okklusalen Kompass“, der von der teamwork media GmbH ausgeschrieben wird. 1/16 – dental dialogue 17. JAHRGANG – 109