DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht September 2005 Zur Rolle von Volatilittsmustern an den Finanzmrkten Bei der laufenden Beobachtung von Finanzmrkten wird auf ein breites Spektrum an Stressindikatoren zurckgegriffen. Dabei nehmen Volatilittsentwicklungen in den Preisen und Renditen von Vermgensgtern auf Grund ihres dualen Charakters als Stressfaktor und -indikator eine besondere Rolle ein. Eine in Bezug auf die Finanzstabilitt wichtige Unterscheidung besteht zwischen einem Volatilittsniveau, welches funktionsgerechten Kursnderungen unter regulren Marktbedingungen entspricht, und schdlicher berschussvolatilitt. Dabei spielen fr die dynamische Entwicklung der Streuung von Vermgenspreisnderungen besondere Verlaufsmuster eine Rolle, die am Beispiel von Aktienmarktvolatilitten dargestellt werden. So zeigt sich, dass sich Phasen hoher mit solchen niedriger Volatilitt abwechseln. Dies muss bei der Bildung von Erwartungen ber die knftige Kursdispersion bercksichtigt werden. Die nachfolgende empirisch gesttzte Analyse kommt zu dem Schluss, dass Volatilittsmuster und andere Stressindikatoren Ende August 2005 auf keine unmittelbare Problemlage deuten. Dies darf jedoch nicht dazu fhren, dass der Finanzmarktstabilitt weniger Auf- merksamkeit gewidmet wird. 61 DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht September 2005 Volatilitt in den Finanzmrkten – mittelbar ber eine vernderte Wahrneh- Stressfaktor und Stressindikator mung seitens der (potenziellen) Geschftspartner. Sind gleich mehrere oder besonders Der Begriff Volatilitt beschreibt das Ausmaß, systemrelevante Finanzmarktteilnehmer von in dem Vermgenspreise innerhalb einer starken, berraschenden Marktbewegungen bestimmten Zeitspanne schwanken. Sie wird negativ betroffen, so knnen auch die ver- hufig in Form der Standardabweichung schiedenen Funktionen des Finanzsystems der nderungen logarithmierter Vermgens- (wie Abwicklung des Zahlungsverkehrs, Risiko- preise ausgedrckt. Allerdings zeigt sich, dass transfer und -bewertung, Kredit- und Liquidi- sich Volatilitt ber die Zeit in der Regel ver- ttsallokation) gestrt werden. Dies kann ndert. Alternativ wird daher die Volatilitt auch auf Realwirtschaft und Preisentwicklung hufig unter Verwendung eines exponentiel- ausstrahlen: Kapitalgeber werden sich ver- len Gewichtungsschemas ermittelt, wodurch strkt mglicher Informationsdefizite be- aktuellere Beobachtungen ein hheres Ge- wusst. Ihr Risikobewusstsein kann ansteigen. wicht bei der Berechnung bekommen als wei- Auch bei den Kapitalnachfragern mag sich ter zurckliegende. Volatilitt als Maß fr Risiko 1) Aus Anlegerperspektive dient die Volatilitt oftmals als eine Nherungsgrße fr Unsicherheit. Technisch gesehen ist die Volatilitt zwar ein symmetrisches Maß und steigt in Episoden ausgeprgter positiver Preisnderungen ebenso wie in Zeiten stark fallender Preise. Vor allem letztere werden aber von Anlegern als Stress 2) generierend empfunden, 3) wohingegen starke Preisschbe nach oben ceteris paribus weniger beunruhigen drften. 4) Da fr einen risikoaversen Anleger das mit einem Anstieg der Volatilitt verbundene Risiko nachgebender Bewertungen seiner Anlagepositionen schwerer wiegt als die Chance auf steigende Bewertungen, geht er es nur ein, wenn er dafr eine Entschdigung erhlt. Dieser Gedanke stellt einen Grundbaustein der Portfoliotheorie dar. So knnen starke, marktweite 5) Preisnderungen – besonders wenn sie unerwartet kommen und es an Absicherung fehlt – zu Liquiditts- und Bonittsproblemen fhren, sei es unmittelbar oder 62 1 Zu Details vgl. S. 68 ff. sowie die Erluterungen auf S. 70 f. 2 In Anlehnung an Illing und Liu (2003) lsst sich unter Finanzmarktstress der Druck verstehen, der durch Unsicherheit und sich verndernde Erwartungen ber Verluste in den Finanzmrkten auf die Wirtschaftssubjekte ausgebt wird. Das Niveau des Finanzmarktstresses hngt letztlich von dem Grad der Verwundbarkeit des Finanzsystems und dem Ausmaß des Schockereignisses ab. Dabei variiert der Stressgrad mit der Hhe des erwarteten Verlustes, dem Risiko, der Unsicherheit bezglich zuknftiger Verluste sowie der Risikoeinstellung der Finanzmarktteilnehmer. Als Krise lsst sich dann eine Phase extremen Finanzmarktstresses bezeichnen. Siehe dazu auch: M. Illing und Y. Liu (2003), An Index of Financial Stress for Canada, Bank for Canada Working Paper 2003-14. 3 Mit Hilfe von Value-at-Risk-Modellierungen und Stresstests versuchen Finanzinstitutionen eine Einschtzung ber die Anflligkeit ihres Portfolios auf bestimmte, im Vorfeld definierte Ereignisse zu erlangen. Solche Ereignisse knnen Preisbewegungen an den Aktienmrkten, Wechselkurs- und Zinsbewegungen oder hnliches sein. Vergleiche hierzu: Deutsche Bundesbank, Stresstests bei deutschen Banken – Methoden und Ergebnisse, Monatsbericht, Oktober 2004, S. 79 – 88 sowie: Deutsche Bundesbank, Das deutsche Bankensystem im Stresstest, Monatsbericht, Dezember 2003, S. 55 – 63. 4 Aus Perspektive der Finanzmarktaufsicht sind solche Preisschbe nach oben dennoch interessant: Gehufte, starke Preisschbe knnen Zeichen euphorischer bertreibung sein, zu Blasenbildung fhren und somit Stresssituationen, die aus einer anschließenden Preiskorrektur entstehen, vorauslaufen und diese verstrken. 5 Gerade in Phasen sehr ausgeprgter Aktienkursnderungen ist der Gleichlauf zwischen den Titeln regelmßig besonders hoch. Gegen solche marktweiten Entwicklungen kann das in der Aktienanlagestreuung liegende Diversifizierungspotenzial nicht schtzen. DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht September 2005 Aktienkurse und Volatilität 10000 Monatsendstände, log. Maßstab 6000 Dow Jones Industrial Average 4000 2000 1000 DAX 1) % p.a. Monatsmaxima, lin. Maßstab 500 Volatilität 2) Aktienmarkteinbruch (19.10.87) Savings and Loans-Krise, "Grey Thursday" (13.10.89) RusslandSüdostasienkrise moratorium (ab 10/97) (ab 08/98) Anschlag auf das BilanzierungsWorld skandale Trade (Worldcom Center usw.) (11.09.01) 100 80 60 40 20 Platzen der Dotcom-Blase (04/2000) Irak-Krieg (03/2003) 0 1980 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 2005 Quellen: Bloomberg, Deutsche Börse AG und eigene Berechnungen. — 1 Ende 1987 = 1000; ab 1988 Kursindex. — 2 Volatilität berechnet nach exponentiell gewichtetem Modell: Mit Hilfe der Aktualisierungsformel ergibt sich die geschäftstägliche Volatilität als Wurzel der Summe aus der Varianz des Vortages (gewichtet mit dem Faktor 0,94) und der quadrierten aktuellen Rendite (gewichtet mit dem Faktor 0,06). Annualisiert wurde durch Multiplikation mit dem Faktor Wurzel aus 250. Vgl. auch: J.C. Hull (2000), Options, Futures & Other Derivates, Prentice Hall, Upper Saddle River. Deutsche Bundesbank eine zunehmende Zurckhaltung bei der nen. Wie der Blick in die Vergangenheit zeigt, Einschtzung von Investitionsopportunitten knnen hohe Volatilittsausschlge als Be- einstellen. Nicht zuletzt kann bei erhhter gleiterscheinung besonderer Stresssituationen Unsicherheit und negativ vernderten Haus- an den Finanzmrkten auftreten. Dies wird im haltsvermgen das Konsumentenvertrauen Folgenden am Beispiel der Aktienmrkte leiden. Dabei ist das Ausmaß solcher ber- Deutschlands und der USA dargestellt. So schwappeffekte in hohem Maße abhngig kamen extreme Volatilittsausschlge des von dem gegebenen Finanzmarktumfeld: Deutschen Aktienindex (DAX) sowie des Dow ber Derivate und Kreditfinanzierung stark Jones Industrial Average regelmßig in Fi- gehebelte Portfolios, die verbreitete Verfol- nanzmarktepisoden vor, die als besonders gung von Stop-Loss- und Trend-Following- stressbehaftet gelten 7) und mit Ereignissen in Strategien, Liquidittsknappheit und Intrans- Verbindung gebracht werden knnen, die fr parenz verstrken die Volatilitt und erhhen die Finanzmrkte eine besondere Belastung die Gefahr systemischer Instabilitt. Volatilitt und Stresssituationen 6) Ausschlge der Volatilitt von Vermgensrenditen sind aber nicht nur Stressfaktor; dem Finanzmarktbeobachter knnen Volatilittsmuster auch als Indikatoren von Stress die- darstellten. 6 Vgl. auch: IWF (2003), Financial Asset Price Volatility: A Source of Instability?, in: Global Financial Stability Report, September, S. 62 – 88, hier S. 62. 7 In dem oben stehenden Schaubild wurden diejenigen Ausschlge jedes Index als extrem hervorgehoben, die oberhalb des jeweiligen 97,5 %-Quantils rangierten. 63 DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht September 2005 Bei einem Blick auf die historische Entwick- ebenso wie deren mglicherweise vernderte lung der Kursvolatilitt am Aktienmarkt (vgl. Verarbeitung haben zwangslufig eine ge- Schaubild auf S. 63) ist die Volatilittsspitze wisse Streuung der Kurse zur Folge, die eine im vierten Quartal 1987 besonders augenfl- gleichgewichtige Anpassung an neue Daten- lig. Am 19. Oktober bßte der Dow Jones lagen und Einschtzungen widerspiegelt. In- ber 20 % seines Wertes ein. Dieser grßte sofern ist auch nicht jede Schwankung in Kursrckgang, der jemals an einem einzigen der Kursnderungsrate im Hinblick auf die Tag am US-Markt verzeichnet worden war, Finanzmarktstabilitt problematisch. hatte vielfltige Ursachen: nachlassendes Vertrauen in die Durchhaltbarkeit hoher US- Fundamental begrndete Volatilitt ist Aus- Leistungsbilanzdefizite, Rezessionsngste, druck effizienter Finanzmrkte. Sie spiegelt spekulativ berhhte Kursstnde und neue lediglich die Vernderungsintensitt in den zu Handelstechniken (Portfolioabsicherung Grunde liegenden fundamentalen Faktoren durch automatische Verkufe), die den Rck- sowie die daraus erwachsende Einscht- gang der Aktienkurse verstrkten. Gleichzei- zungsunsicherheit ber knftige Entwicklun- tig hatte der US-Kongress – vor dem Hinter- gen wider. Wenn aber ein großer negativer grund einer sehr kritischen Debatte ber die Schock im Aktienmarkt das Finanzsystem Folgen der stark verschuldungsfinanzierten trifft, bewirken dieser und der damit verbun- Firmenbernahmen – Gesetzesnderungen dene (unmittelbare) Anstieg der Volatilitt diskutiert, die auf eine deutliche Erschwerung – obwohl letztlich fundamental begrndet – 8) feindlichen bernah- Stress im Finanzsystem. Auch eine mgliche men hinausliefen. Damit war zustzlich eini- Destabilisierung des Finanzsystems ist in die- ges an Kursphantasie verschwunden. In der sem Fall nicht ausgeschlossen. Gefhrdend Spitze erreichte damals die Volatilitt des kommt hinzu, dass Volatilitt nach einem Dow Jones am 21. Oktober einen Wert von deutlichen Anstieg hufig eine Beharrungs- 106,6 % pro Jahr, verglichen mit einem Mittel tendenz zeigt oder sich sogar noch weiter seit 1980 von 14,9 % pro Jahr. aufbaut. Eine solche Klumpenbildung, wie sie von LBO-getragenen mit abrupten, sich eventuell selbst noch vernderung von Vermgenspreisen und Marktprozess Nun ist aber die stndige Vernderung strkenden Kursprozessen einhergeht, kann von Vermgenspreisen und Renditen ein Ausdruck von Marktineffizienzen sein. Zwar natrliches Kennzeichen von Finanzmrkten, mag darber hufig erst ex post ein abschlie- die sich laufend verndernde Angebots-/ ßendes Urteil mglich sein. Trotzdem ist es Nachfragekonstellationen verarbeiten: Stn- fr Zentralbanken und Aufsichtsbehrden dig neu eintreffende Informationen fhren bei der Finanzmarktbeobachtung erforder- zu Neueinschtzungen der knftigen Ertrge von Vermgensgtern und zu einer kontinuierlichen Anpassung von Angebot und Nachfrage sowie von Preisen und Renditen dieser Gter. Die Vernderung exogener Daten 64 8 Von Leveraged Buyout (LBO) ist die Rede, wenn der Kauf eines Unternehmens zu großen Teilen mittels Fremdkapital finanziert wird. Das eingesetzte Eigenkapital wird auf diese Weise mit einem Hebel versehen, mithilfe dessen ggf. eine entsprechend hohe Eigenkapitalrentabilitt erwirtschaftet werden kann. DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht September 2005 lich, auch ex ante beziehungsweise kontem- Volatilität und „Renditemuster” an den Aktienmärkten Deutschlands und der USA porr eine Einschtzung bezglich mglicher Fehlentwicklungen 9) vorzunehmen. Diese Diagnose erfordert entsprechende Indikato- Tageswerte ren sowie Verfahren zu deren analytischer % p.a. 70 Wrdigung. Bei Letzterem muss dabei in er- 60 heblichem Umfang auf Erfahrungswissen zurckgegriffen werden. Deutschland Volatilität der DAX(Kursindex)Rendite 1) 50 40 30 20 10 0 DAX(Kursindex)-„Renditemuster” 2) Volatilitt und ihre Eigendynamik – + 0,006 + 0,003 Konzepte der Modellierung 0 - 0,003 Starke Kursausschlge oft gehuft ... - 0,006 In der Vergangenheit folgten extremen Kursrckgngen am Aktienmarkt regelmßig % p.a. 50 – gleich Nachbeben – Phasen erhhter 40 Kursschwankungen (siehe nebenstehendes 30 Schaubild). Auch ber diese extremen Episoden hinaus scheinen starke Kursausschlge - 0,009 USA Volatilität der S&P 500-Rendite 1) 20 10 0 S&P 500-„Renditemuster” 2) eine Tendenz zur Klumpenbildung aufzu- + 0,003 0 weisen: Krftigen Ausschlgen in den Kurs- - 0,003 bewegungen von DAX und S&P 500 folgten - 0,006 vielfach deutliche Gegenbewegungen und Phasen verstrkter Kursschwankungen. Auch so genannte negative Tail-Events – hier Tage mit Einbrchen des Aktienindex von mehr als 3 % – scheinen sich in bestimmten Perioden zu konzentrieren (vergleiche die Erluterungen zum Thema „Volatilitt und negative 1996 97 98 99 00 01 02 03 04 2005 Quelle: Bloomberg und eigene Berechnungen. — 1 Volatilität berechnet nach exponentiell gewichtetem Modell. — 2 Quadrierte Renditen unter Beibehaltung des Vorzeichens der Rendite (berechnet als Differenzen der logarithmierten täglichen Aktienindex-Werte). Die Quadrierung der Rendite dient der Akzentuierung von Phasen starker Renditeausschläge. Deutsche Bundesbank Extremereignisse am Beispiel des DAX und allerdings wenig plausibel. Wahrscheinlicher des Dow Jones Industrial Average“ auf S. 66). drfte sein, dass Volatilitt hier vielfach auch Ausdruck eines in den Mrkten vorhandenen ... und Ausdruck gestiegener Nervositt Eine Erklrung fr solche Phnomene knnte sein, dass Phasen ausgeprgter Kursausschlge allein auf ein vergleichsweise hochfrequentes Eintreffen einschtzungsndernder Nachrichten zurckzufhren sind. Volatilitt wre dann das Ergebnis fundamental gerechtfertigter Kursschwankungen. Dies ist 9 Aus Finanzstabilittsaspekten kann dabei auch eine (ber eine lngere Phase) sehr niedrige Volatilitt ein Grund zur Sorge sein, wenn dies z. B. dazu fhrt, dass Anleger bei ihren Finanzanlageentscheidungen Risiken von mglichen Bewertungskorrekturen unterschtzen und Renditeaspekte gegenber Risikoaspekten bergewichten. Siehe dazu auch: IWF (2005), Global Financial Market Developments, in: Global Financial Stability Report, April, S. 8 – 61, hier S. 8. 65 DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht September 2005 Volatilität und negative Extremereignisse am Beispiel des DAX und des Dow Jones Industrial Average Zeiten extremer Volatilität verbindet man mit Aspekt extremer Ereignisse ist damit trotzdem sehr starken Veränderungen von Preisen bezie- untrennbar verbunden, da länger andauernde hungsweise Renditen. Für Anleger sind dabei Phasen besonders hoher Volatilität häufig von insbesondere starke Wertverluste der in ihrem negativen Extremereignissen eingeleitet wur- Portfolio befindlichen Aktiva mit Stress verbun- den. den. Definiert man zum Beispiel den Einbruch Negative Extremereignisse 2) eines Aktienindex gegenüber dem Vortag um mehr als 3% in diesem Sinne als ein negatives Tage Extremereignis, 1) so zeigt sich, dass die Anzahl 30 der entsprechenden Tage pro Jahr bei DAX beim DAX 3) 27 und Dow Jones im Zeitablauf stark variiert. Im Vergleich zeigen sich aber deutliche Spitzen in der Zahl der negativen Extremereignisse für die 24 21 Jahre 1987, 1998 und 2002. Diese Jahre werden 18 verbunden mit Aktienmarktkrisen und beson- 15 ders lang andauernden Phasen stark erhöhter 12 Volatilität. Auslöser dieser Krisen waren der 9 „Schwarze Montag“ im Oktober 1987, die Russ6 landkrise und die anschließende Krise des LTCM Fonds 1998 und die Bilanzierungsskandale des Jahres 2002 (z.B. Enron, Worldcom usw.). 3 0 Tage beim Dow Jones Industrial Average 12 Extremereignisse stellen somit häufig durch 9 besondere Umstände ausgelöste „Sonderbewe- 6 gungen“ dar. Daher konzentriert man sich in 3 der Regel eher auf Volatilität im Sinne durch- 0 schnittlich beobachteter Schwankungen, wenn man Erwartungen hinsichtlich zukünftig zu 1980 85 90 95 00 2005 erwartender Schwankungen ableiten will. Der 1 Vgl. dazu z.B. auch: IWF (2003), Financial Asset Price Volatility: A Source of Instability?, Global Financial Stability Report, September, S. 62 - 88. — 2 Negative Extremereignisse sind definiert als Einbrüche des Aktienindexwertes gegenüber Deutsche Bundesbank 66 dem Vortag von mehr als 3%. Angegeben ist die Zahl der Tage pro Jahr, an denen ein negatives Extremereignis vorlag. Stand Ende August 2005. — 3 Ab 1988 Kursindex. DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht September 2005 erhhten Nervosittsgrades war. Nachrichten tilitt wre – gerade bei einem kurzen Er- trafen also auf einen vernderten Resonanz- wartungshorizont – die Bildung stationrer boden. Erwartungen. In diesem Fall wrde man zum Zeitpunkt t-1 fr t eine Volatilitt erwarten, So knnten Anspannungen verursachende die dem zum Zeitpunkt t-1 gemessenen his- Vermgenspreisnderungen Anpassungen in torischen Niveau entspricht. den Risikoeinschtzungen bewirken und auch den Grad an Risikoaversion erhhen – bei- Betrachtet man beispielsweise Aktienmarkt- spielsweise wegen der nach dem anfng- renditen ber einen lngeren Zeitraum, so lichen Stressereignis enger werdenden Dispo- lassen sich hufig Phasen unterschiedlicher sitionsspielrume. Weil Bewegungen des Ge- Schwankungsintensitten beobachten (siehe samtmarkts eher Stresspotenzial bergen als Schaubild auf S. 65). Diese Phnomene einer, Bewegungen einzelner Unternehmenstitel, erstens, nicht konstanten, also sich mit der knnten erstere in den Fokus des Anlegerin- Zeit verndernden Varianz (Heteroskedas- teresses rcken. Die Aussichten verschiedener tizitt) sowie, zweitens, deren Klumpenbil- Unternehmungen wrden in der Wahrneh- dung (bedingte Heteroskedastizitt) sind fr mung der Aktienanleger unter jeweils glei- die Finanzmarktstabilitt relevant, denn sie chem Vorzeichen, also im Lichte allgemeiner bedeuten, dass starke Kurs- oder Preisaus- Marktentwicklungen, korrigiert werden. Fr schlge in der Regel gehuft auftreten. Daher gleichgerichtete Anlagedispositionen ließen zeigt sich, dass eine mit einem gleitenden sich nur schwer Gegenparteien finden, große Fenster gegebener Stichprobenlnge 12) be- Kursausschlge ber den Gesamtmarkt hin- rechnete historische Standardabweichung weg wren die natrliche Folge. Die starke Resonanz auf Nachrichten und die anschließende Korrektur wahrgenommener bertreibungen kann zu weiteren Kursausschlgen fhren. Volatilitt entwickelt so zeitweise eine sich selbst verstrkende Eigendynamik, der bei Modellierung und Interpretation von Volatilittsmustern zu begegnen ist. Ableitung der erwarteten Volatilitt Die historische Volatilitt einer Zeitreihe im Sinn durchschnittlich realisierter Schwankungen (pro definierter Zeiteinheit) 10) wird traditionell als empirische Standardabweichung 11) ermittelt. Eine einfache Mglichkeit der Erwartungsbildung bezglich zuknftiger Vola- 10 Die Ermittlung der historischen Volatilitt einer Zeitreihe hngt von der Datenfrequenz bzw. der gewhlten Zeiteinheit ab. So lassen sich z. B. Fnf-Minuten-, Tagesoder Monatsvolatilitten berechnen, wobei die Wahl der Datenfrequenz u. a. von der Marktliquiditt abhngen sollte. Grundstzlich fhren Hochfrequenzdaten zwar zu prziseren Schtzungen, allerdings sollten bei wenig liquiden Mrkten tendenziell lngere Datenintervalle gewhlt werden. Vgl.: S.-H. Poon und C. W. J. Granger (2005), Practical Issues in Forecasting Volatility, Financial Analysts Journal, Bd. 61(1), S. 45 – 56. 11 Aus Grnden der Vergleichbarkeit werden Volatilitten anschließend hufig annualisiert. Dabei wird die zu einer bestimmten Beobachtungsfrequenz berechnete Standardabweichung mit der Wurzel der Zahl der mglichen Beobachtungen pro Jahr multipliziert. Nherungsweise ergibt sich die annualisierte historische Volatilitt aus einer Volatilitt pro Geschftstag durch Multiplikation pffiffiffiffiffiffiffiffi mit dem Faktor 250 (siehe auch: Europische Zentralbank, Monatsbericht, Mai 2000, Kasten 2: Jngste Tendenzen bei der Volatilitt von Aktienkursindizes). Man unterstellt also 250 Geschftstage pro Jahr. Da die einzelnen Beobachtungen allerdings keine unabhngigen Ziehungen von identisch verteilten Zufallsvariablen sein drften, ist diese Annualisierung freilich fehlerbehaftet. 12 Vgl. die Erluterungen auf S. 70. 67 DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht September 2005 (Volatilitt) der Aktienmarktrendite nicht kon- Spezielle beobachtbare Entwicklungsmuster stant bleibt, sondern variiert. Wenn aber die in der Volatilitt gilt es aber grundstzlich Volatilitt im Zeitablauf schwankt, liegt es auch in Schtzanstzen zu bercksichtigen. nahe, Erwartungen hinsichtlich der zuknf- Dabei erweist sich die Klasse der so genann- tigen Volatilitt anhand eines dynamischen ten ARCH- und GARCH (Generalized Auto- Ansatzes abzuleiten. regressive Conditional Heteroskedasticity)Anstze 14) als eine Mglichkeit, eine dynami- Die einfachste Mglichkeit besteht dabei zu- sche Entwicklung sowohl der zu Grunde lie- nchst in der Erweiterung des traditionellen genden Zeitreihe als auch der Varianz des Ansatzes durch Verwendung eines Gewich- Strprozesses anhand vergangener Werte zu tungsschemas, das aktuellere Beobachtungen modellieren (siehe dazu die Erluterungen strker bei der Berechnung der historisch rea- auf S. 70 f.). Aus dem Prozess, der die GARCH- lisierten Volatilitt bercksichtigt. Eine Be- Varianz beschreibt, lsst sich dann eine Zeit- rechnung der einfachen Standardabweichung reihe der fr die jeweils folgende Periode er- dagegen bedeutet, dass weiter zurckliegen- warteten Volatilitt unter Bercksichtigung de Beobachtungen genauso hoch gewich- der bedingten Heteroskedastizitt ermitteln. 15) tet werden wie nher an der Gegenwart Der so genannte GARCH-M-Ansatz erlaubt es liegende. 13) Alternativ wird daher in der ferner, zum Beispiel bei der Modellierung Finanzmarktpraxis hufig die so genannte eines Renditeprozesses durch eine Erweite- exponentiell gewichtete historische Volatilitt rung der entsprechenden Gleichung eine berechnet. Diese ergibt sich als Wurzel des mgliche systematische Rckwirkung von der Durchschnitts der vergangenen Schwankun- erwarteten Volatilitt – und damit dem er- gen mit exponentiell abnehmenden Gewichten fr weiter zurckliegende Beobachtungen. Mittels einer Aktualisierungsformel lsst sich die zum Zeitpunkt t zu ermittelnde Volatilitt einfach aus dem fr die Vorperiode (d. h. zum Zeitpunkt t-1) ermittelten Wert und der in t realisierten Schwankung nherungsweise berechnen (siehe dazu die bersicht in den Erluterungen auf S. 70 f.). Relativ zur jeweiligen Beobachtungsperiode lassen sich empirisch optimale Gewichte per Schtzung ermitteln; in den am weitesten verbreiteten Anwendungen wird darauf jedoch zumeist zu Gunsten von ad hoc spezifizierten Werten verzichtet. 68 13 Bei Verwendung eines gleitenden Fensters gilt dies, solange diese Beobachtungen noch innerhalb des Fensters liegen. Danach allerdings gehen sie nur noch mit einem Gewicht von null in die Berechnung ein. 14 Es wurde eingangs bereits auf das aus Finanzstabilittssicht zentrale Phnomen der Klumpenbildung beim Niveau der Volatilitt hingewiesen. Mit anderen Worten, die Volatilitt ist im Zeitablauf vernderlich: man spricht von Heteroskedastizitt. Dieses wurde zunchst von Engle (1982) im „autoregressive conditional heteroskedastic model“ bercksichtigt und dann von T. Bollerslev (1986) im GARCH verallgemeinert – daher der Zusatz G (fr „generalized“). Beim ARCH wird die Varianz allein aus ihrem Vergangenheitsverhalten erklrt. Beim GARCH kommen noch die fr Vorperioden erstellten Schtzungen der Varianz hinzu. Vgl.: R. F. Engle (1982), Autoregressive Conditional Heteroskedasticity with Estimates of the Variance of United Kingdom Inflation, in: Econometrica, Bd. 50, Nr. 4, S. 987 –1007, und T. Bollerslev (1986), Generalized Autoregressive Conditional Heteroskedasticity, in: Journal of Econometrics, April, Bd. 31, Nr. 3, S. 307 – 327. 15 Dabei lsst sich zeigen, dass sich die Varianzberechnung unter exponentieller Gewichtung als Spezialfall eines einfachen GARCH-Modells ansehen lsst. Siehe: J. C. Hull (2000), Options, Futures & Other Derivatives, Prentice Hall, Upper Saddle River. DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht September 2005 warteten Risiko einer Anlage – auf die erwar- marktbreite Indizes abzuleiten. Seit einer tete Rendite zu bercksichtigen. Reihe von Jahren gibt es zu ausgewhlten Finanzmarktindizes auch Volatilittsindizes, die Weitere Verallgemeinerungen des GARCH- es ermglichen sollen, zum Beispiel ber Deri- Ansatzes betreffen schließlich vor allem die vate, Volatilitt direkt zu handeln. Zu diesen Modellierung des bedingten Varianzprozes- Indizes gehren der auf Basis von Optionen 16) So bercksichtigt zum Beispiel das ermittelte VDAX beziehungsweise im ameri- von Nelson eingefhrte Exponential-GARCH- kanischen Markt der VIX als Streuungsmaß Modell (EGARCH) mglicherweise auftre- fr den S&P 500-Aktienindex. 21) Fr das obige tende asymmetrische Auswirkungen von Beispiel des DAX zeigt sich eine ausgeprgte Residuen sowie Leverage-Effekte negativer Korrespondenz zwischen Entwicklungen in Residuen auf den Prozess der logarithmierten der realisierten Volatilitt der tglichen nde- ses. bedingten Varianz. 17) Das Maß der so genannten impliziten Volatilitt hingegen ist eine Grße, die den Modellen zur Bewertung von Optionen – beziehungsweise bedingten Ansprchen – entstammt. Bei gegebener Volatilitt lsst sich ein solches Bewertungsmodell (beispielsweise die Modelle von Black und Scholes 18)) verwenden, um unter bestimmten Annahmen den fairen Preis einer Option auf einen Basiswert abzuleiten. Nimmt man dagegen die am Markt beobachtbaren Daten – Optionspreis zum Zeitpunkt t, Ausbungspreis der Option und Preis des Basiswertes in t – als Ausgangspunkt, dann lsst sich das Bewertungsmodell „invertieren“. Man erhlt so jene Volatilitt, bei der der realisierte Optionspreis gerade seinem „fairen“ – modellgerechten – Wert entspricht. 19) Dieses Maß ergibt sich also implizit aus dem benutzten Verfahren zur Optionspreisbestimmung. Auf Grund der Orientierung an Marktpreisen lsst sich diese Volatilitt zudem als die vom Markt erwartete durchschnittliche Streuung der Kurse ansehen. 20) Es ist ferner blich, auch auf aggregierter Ebene implizite Volatilittsmaße fr 16 Vgl. zu den verschiedenen Modellen z. B.: J. Y. Campbell, A. W. Lo und A. C. MacKinlay (1997), The Econometrics of Financial Markets, Princeton University Press, Princeton. 17 Vgl. dazu auch: D. B. Nelson (1991), Conditional Heteroskedasticity in Asset Returns: A New Approach, in: Econometrica, Bd. 59, S. 347 – 370. 18 Vgl.: F. Black und M. Scholes (1973), The Pricing of Options and Corporate Liabilities, in: Journal of Political Economy, Bd. 81, S. 637– 659, sowie F. Black (1976), The Pricing of Commodity Contracts, in: Journal of Financial Economics, Bd. 3, Mrz, S. 167–179. 19 Vgl. auch: Deutsche Bundesbank, Zum Informationsgehalt von Derivaten fr die Geld- und Whrungspolitik, Monatsbericht, November 1995, S. 17 ff. Zu dem theoretischen Widerspruch, dass die Ableitung eines solchen Modells selbst unter der Annahme einer in der Zeit konstanten Volatilitt erfolgt, vgl. z. B.: J. Y. Campbell, A. W. Lo und A. C. MacKinlay (1997), S. 378. 20 Zu den Besonderheiten impliziter Volatilitten wie z. B. den so genannten „volatility smiles“ bei einer Differenzierung nach den Ausbungspreisen siehe z. B.: Hull (2000), S. 435 ff. Um mglichen Asymmetrien Rechnung zu tragen, versucht das Konzept der impliziten risikoneutralen Dichtefunktion aus Optionen unter bestimmten vereinfachenden Annahmen eine gesamte „Verteilung“ von Markterwartungen und nicht nur ein Maß fr die erwartete durchschnittliche Streuung zu gewinnen. Siehe dazu z. B.: Deutsche Bundesbank, Instrumente zur Analyse von Markterwartungen: Risikoneutrale Dichtefunktionen, Monatsbericht, Oktober 2001, S. 33 – 52, und A. M. Malz (1997), Estimating the Probability Distribution of the Future Exchange Rate from Option Prices, in: The Journal of Derivatives, Bd. 5(2), S. 18 – 36. 21 Zu Details, insbesondere bzgl. der Unterschiede zwischen den neuen und alten Volatilittsindizes – VDAX bzw. VDAX-New zum DAX an der Deutschen Brse und VIX zum S&P 500 bzw. VIX-OLD zum S&P 100 an der Chicago Board Options Exchange – vgl. die Online-Dokumentationen der Deutschen Brse (siehe vdax_guide.pdf unter http://deutsche-boerse.com) sowie der Chicago Board Options Exchange (http://www.cboe.com/micro/ vix/vixwhite.pdf). 69 DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht September 2005 Volatilittsmaße im Vergleich am Beispiel der tglichen DAX-Rendite Fr das Beispiel sei die Rendite fr den DAX definiert Bei Verwendung exponentiell abnehmender Ge- als Vernderung des natrlichen Logarithmus (log) wichte, das heißt bei iþ1 ¼ i ; mit 0 < < 1, spricht des DAX-Wertes gegenber dem Wert des Vortages, man von einem exponentiell gewichteten (gleiten- also rt ¼ log ðDAXt Þ log ðDAXt1 Þ. den) Durchschnittsmodell fr die Volatilitt.1) Gegeben der Wert der Varianz zum Zeitpunkt t-2 und die Zum Zeitpunkt t-1 seien Beobachtungen (realisierte Werte) der Zeitreihe zurck bis zum Zeitpunkt t-M, also rt-1,rt-2,...rt-M, gegeben. Fr diese Stichprobe der Lnge M mit Endzeitpunkt t-1 sei die unverzerrte (Stichproben-) Varianz definiert als 2t1 ¼ 1 M1 M P ðrti rt1 Þ2 ; mit rt1 ¼ M1 i¼1 M P rti i¼1 als Mittelwert der Beobachtungen. Die zugehrige „historische Volatilitt“ zum Zeitpunkt t-1 als einfache (Stichproben-)Standardabwei- quadrierte Rendite zum Zeitpunkt t-1, lsst sich die fortlaufende Berechnung der Varianz dann weiter vereinfachen zu der reinen Aktualisierungsformel 2t1 ¼ 2t2 þ ð1 Þ r2t1 :2) Fr diese Anstze der Modellierung der historischen Volatilitt liegt es außerdem zum Zeitpunkt t-1 nahe, als einfachste Form der Erwartungsbildung zu unterstellen, dass dieser Volatilittswert auch zum Zeitpunkt t gilt. 3) chung ergibt sich dann als Wurzel der Varianz. Bei einer Berechnung mit einem gleitenden Fenster von Die auf diese Weise abgeleiteten „Erwartungen“ zei- M Beobachtungen erfolgt die Berechnung fr Teile gen ein sehr hnliches Entwicklungsmuster zu den einer Gesamtstichprobe zu lediglich entsprechend Ein-Schritt-Volatilittserwartungen, die sich bei einer verschobenen End- beziehungsweise Anfangszeit- zeitreihenanalytischen punkten, wobei in jedem Schritt End- und Anfangs- zusammen mit der dynamischen Entwicklung der zeitpunkt um je eine Einheit an den aktuellen Rand Varianz der unsystematischen Komponente (dem Str- verschoben werden. prozess) der Renditegleichung ergeben. In einem Modellierung der Rendite GARCH(1,1)-Modell wird zum Beispiel unterstellt, dass Da der Mittelwert der Renditen ber die Zeit hinweg die fr t im Zeitpunkt t-1 erwartete Varianz des nahe null liegt, lsst sich die Formel fr die Stichpro- Strprozesses 4) abhngt von einer Konstanten 5) !, benvarianz nherungsweise berechnen als gewichte- der fr t-1 (in t-2) erwarteten Varianz ð2t1 Þ und ter Durchschnitt der vergangenen quadrierten Rendite- dem quadrierten Wert des Strprozesses in t-1 werte ð"2t1 Þ: 2t ¼ ! þ "2t1 þ 2t1 . Auch diese Formel spie- 2t1 ¼ M P i¼1 i r2ti mit i ¼ M1 ; i ¼ 1; :::; M gelt somit eine im Hinblick auf „neue“ Informationen als konstanten Gewichten. 1 Siehe dazu z. B.: J. C. Hull (2000), Options, Futures & Other Derivatives, Prentice Hall, Upper Saddle River, S. 370 ff. — 2 Fr die hier verwandten tglichen Daten zur DAX-Rendite wurde dabei ein Wert von = 0,94 gewhlt, bei tglichen Daten ein in der Finanzmarktpraxis hufig verwandter Wert (siehe beispielsweise IWF (2003), Financial Asset Price Volatility: A Source of Instability?, in: Global Financial Stability Report, September, S. 62 – 88). — 3 Hull (2000) umgeht diese Differenzierung, indem er bei seiner Schreibweise direkt Erwartungen aus den vergangenen Werten ableitet. — 4 Hinzu kommt die bliche Deutsche Bundesbank 70 Annahme, dass der Strprozess " einen Mittelwert von null aufweist. — 5 Diese erlaubt es, ein langfristiges Durchschnittsniveau in der Varianz zu bercksichtigen. — 6 Im vorliegenden Fall ergab sich bei der Schtzung eines GARCH(1,1)-M-Modells fr die DAX(Kursindex)-Renditen ber den Zeitraum 1990 bis Ende August 2005 der bedingte Varianzprozess als 2t ¼ 0;000001 þ 0;07683 "2t1 þ 0;91873 2t1 ð0;0000004Þ ð0;00861Þ ð0;00852Þ DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht September 2005 vorgenommene Aktualisierung der (erwarteten) Va- Erwartete Volatilität der DAX(Kursindex)-Rendite: Modelle im Vergleich rianz wider. Das EGARCH(1,1)-Modell demgegenber unterstellt, dass sich die Entwicklung der logarithmierten bedingten Varianz beschreiben lsst als þ logð2t1 Þ: logð2t Þ ¼ ! þ "t1 þ "t1 t1 t1 Tageswerte % p.a. Gleitendes Fenster von 45 Tagen Exponentiell gewichtetes Modell GARCH-M-Modell EGARCH-M-Modell 70 60 Fr 6¼ 0 haben positive und negative skalierte Residuen der Vorperiode unterschiedliche Auswirkungen 50 auf die logarithmierte bedingte Varianz (Asymmetrie), wobei fr 0 der absolute Effekt negativer 40 skalierter Residuen auf die bedingte Varianz grßer ausfllt (Leverage). Das nebenstehende Schaubild zeigt die Graphen der 30 20 Volatilittserwartungen fr die DAX-Rendite, die sich nach den verschiedenen dynamischen Anstzen ablei- 10 ten lassen.6) Die Modell-Volatilittserwartungen wurpffiffiffiffiffiffiffiffi den durch Multiplikation mit dem Faktor 250 100 in entsprechende Werte pro Jahr und in Prozentnotie- 1996 97 98 99 00 01 02 03 04 2005 rung umgerechnet. Es zeigt sich eine große hnlichkeit in den vier Verlufen. Diese erklrt sich daraus, Die annhernde bereinstimmung mit der Volatili- dass die kurzfristigen Renditen weitgehend unsyste- ttsreihe bei einer traditionellen Berechnung unter matisch um null schwanken und somit in erster Linie Verwendung eines gleitenden Fensters schließlich von einem Strprozess dominiert sind. Außerdem folgt im vorliegenden Fall aus der Verwendung eines zeigt sich, dass die Koeffizienten der Volatilittsglei- relativ kurzen Beobachtungsfensters. Die Verwen- chung beim einfachen GARCH-Modell relativ nahe bei dung eines lngeren Fensters wrde demgegenber denjenigen Werten liegen, die implizit als Restriktio- zu einer strkeren Glttung in der Volatilittsentwick- nen bei der Aktualisierungsformel des exponentiell lung und damit zu deutlicheren Abweichungen fh- gewichteten Volatilittsmodells Verwendung finden.7) ren. (mit Standardfehlern in Klammern). Fr den EGARCH(1,1)-M-Ansatz lautete die entsprechende Schtzung " "t1 t1 þ 0;98875 logð2t1 Þ: logð2t Þ ¼ 0;20106 þ 0;13087 0;05301 t1 ð0;02561Þ ð0;01334Þ ð0;00813Þ t1 ð0;00236Þ mit zwlf Iterationen bentigte die EGARCH-Schtzung mit 168 Iterationen allerdings deutlich lnger, um zu einer Konvergenz zu fhren. Der Koeffizient der bedingten Standardabweichung in der Renditegleichung (0,055 im GARCH-Fall bzw. 0,037 im EGARCH-Modell) ist in beiden Fllen signifikant. Datenquelle: Bloomberg. — 7 Die mit der einfachen Aktualisierungsformel gesetzten Restriktionen sind zwar zum Teil leicht verletzt, diese Verletzung fllt aber nicht stark ins Gewicht. Dies lsst auf einen gewissen Leverage-Effekt schließen. Beide Schtzungen erfolgten dabei in Eviews unter der Annahme einer t-Verteilung fr den Strprozess. Gegenber dem einfacheren GARCH-Fall 71 DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht September 2005 Volatilität der DAX-Rendite und VDAX Tageswerte % p.a. 65 Volatilität der DAX-Rendite 1) VDAX 2) 60 sonders geringen Wert verbunden. Da die Referenzperiode den jeweils aktuellen Wert einschließt, kann der Indikator maximal einen Wert von eins erreichen. Das Schaubild auf Seite 73 zeigt die Entwicklung dieser Kennzahl 55 fr DAX und Dow Jones (mit einer Referenz- 50 periode von 60 Handelstagen) seit Januar 45 1980. Im Gegensatz zu Kenngrßen wie dem 40 CMAX ist die (historische) Volatilitt technisch 35 gesehen zwar ein symmetrisches Maß. In 30 ihrer Eigenschaft als Stressindikator sollte sie 25 20 aber insbesondere in Phasen fallender Ver- 15 mgenspreise „anschlagen“. 10 1996 97 98 99 00 01 02 03 04 2005 Quelle: Bloomberg und eigene Berechnungen. — 1 Historische Volatilität der DAX(Performance-Index)-Rendite berechnet nach exponentiell gewichtetem Modell. — 2 Vgl.: Online-Dokumentation der Deutschen Börse AG. Deutsche Bundesbank In der Tat waren die im Schaubild durch graue Schattierung gekennzeichneten Phasen außergewhnlich hoher Volatilitt zumeist mit Situationen verbunden, in denen sowohl der Indexstand des DAX als auch des Dow Jones deutlich absanken. 23) Nicht immer rungen des logarithmierten DAX-Wertes (also wurde eine solche Phase gesteigerter Volatili- der DAX-Rendite) und dem Volatilittsindex tt mit Kursrckgngen in den beobachteten VDAX. Daraus wird erneut ersichtlich, dass Mrkten eingeleitet. Bei Platzen der Blase im bei einem kurzen Erwartungshorizont im Informations- und Kommunikationstechnolo- Allgemeinen ein relativ hoher Grad von Kon- giesektor (IKT-Blase) im Frhjahr 2000 fanden gruenz in den Vernderungen der aus den zunchst Umschichtungen von Wachstums- verschiedenen Anstzen abgeleiteten Volatili- in Substanz-Titel statt und sorgten so fr ein ttserwartungen besteht. Ansteigen von Dow Jones Industrial Average und DAX. Volatilitt als Nervosittsmaß – Vergleich mit weiteren Indikatoren Volatilittsspitzen und adverse Kursbewegungen Ein in der Literatur stellenweise verwendeter Indikator adverser Kursbewegungen am Aktienmarkt drckt den Stand des Aktienindex in Prozent seines in einer vorangehenden Referenzperiode erreichten Maximums (CMAX) aus. 22) Kursstrze sind folglich mit einem be- 72 22 Vgl. z. B.: S. A. Patel und A. Sarkar (1998), Crises in Developed and Emerging Stock Markets, in: Financial Analysts Journal, November/Dezember, S. 50 – 61. 23 Erklrungen fr ein solches gemeinsames Auftreten von Volatilitt und Kursrckgngen sind die LeverageHypothese und die Volatility-feedback-Hypothese. Die Leverage-Hypothese stellt darauf ab, dass bei einem sinkenden Unternehmenswert der prozentuale Anteil des Eigenkapitals sinkt. Da das Eigenkapital das gesamte Unternehmensrisiko trgt, sollte infolgedessen die Volatilitt des Eigenkapitals zunehmen. Im Gegensatz dazu fhren nach der Volatility-feedback-Hypothese Volatilittsschocks zu Kursverlusten. Vgl.: J. Y. Campbell, A.W. Lo und A. C. MacKinlay (1997). DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht September 2005 CMAX-Index *) − Kenngröße für Aktienmarkteinbrüche Monatsminima DAX 1) Dow Jones Industrial Average 1,0 0,9 0,8 0,7 Savings and Loans-Krise, "Grey Thursday" (13.10.89) 0,6 Platzen der Dotcom-Blase (04/2000) Südostasienkrise (ab 10/97) Russlandmoratorium (ab 08/98) Aktienmarkteinbruch (19.10.87) Irak-Krieg (3/2003) Anschlag Bilanzierungsauf das skandale (Worldcom World usw.) Trade Center (11.09.01) 1980 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 2005 Quelle: Bloomberg und eigene Berechnungen. — * Der tägliche CMAX-Index ergibt sich hier als Aktienindexstand relativ zu dem Maximum in den vergangenen 60 Handelstagen. — 1 Ab 1988 Kursindex. Deutsche Bundesbank Hohes Maß an Gleichlauf mit weiteren Indikatoren Dass erhhte Volatilitt eventuell als Zeichen markt einerseits und Differenzen zwischen unruhiger Finanzmrkte dienen kann, unter- den Risikoprmien von als riskanter und streicht auch der Vergleich der Volatilittsent- weniger riskant eingestuften Unternehmens- wicklung mit weiteren, vielfach als Stressindi- anleihen andererseits. Weiterhin war stei- katoren verwendeten Kennzahlen. gende Volatilitt hufig verbunden mit einem zunehmenden Gegeneinanderlaufen der der Kursvernderungen von Staatsanleihen- und Renditeaufschlge risikobehafteter Anleihen Aktienindizes (siehe Schaubild auf S. 75). und gegenlufige Entwicklungen in Aktien- Dass die Indikatoren fr die Suche nach und Anleihemrkten als mglicher Ausdruck Sicherheit in den Finanzmrkten jedoch nicht von Verschiebungen der Anlegerportfolios in zur Gnze deckungsgleich sind mit dem Richtung relativ sicherer Titel. Die Suche nach Stressindikator „Volatilitt“, zeigen unter an- Sicherheit gilt als Zeichen eines gewachsenen derem die Entwicklungen der letzten Monate. Beispielsweise gelten Ausweitungen Pessimismus und einer sinkenden Bereitschaft zur bernahme von Risiko. 24) Das Schaubild auf Seite 74 zeigt eine deutliche bereinstimmung zwischen der Volatilitt von Vermgenspreisnderungen im Aktien- 24 Tarashev et al. leiten aus Optionspreisentwicklungen und historischen Volatilitten einen Index fr die Risikoaversion von Anlegern ab. Auch sie finden, dass Zeiten hoher Risikoaversion tendenziell mit Phasen hoher Volatilitt in den Aktienmrkten zusammenfallen. Vgl.: N. Tarashev, K. Tsatsaronis und D. Karampatos, Optionen und ihre Aussagekraft ber die Risikoneigung der Anleger, in: BIZ Quartalsbericht, Juni 2003, S. 63 – 72. 73 DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht September 2005 Anstiegs ist die Aktienmarkt-Volatilitt in den Aktienmarkt-Volatilität und Unternehmens-Spreads USA und in Deutschland im historischen Vergleich auf einem immer noch sehr niedrigen Tageswerte % p.a. 70 60 Niveau. Am aktuellen Rand scheint das Volatilität der DAX(Kursindex)Rendite 1) Stressniveau somit alles in allem relativ niedrig 50 zu sein. 40 30 Dabei ist allerdings zu bercksichtigen, dass 20 10 Basispunkte + 250 0 Unternehmens-Spreads in den EWU-Ländern 2) Spreadentwicklungen und Aktien- Staatsanleihe-Korrelationen nicht nur Indika- + 200 toren fr die Suche nach Sicherheit sind. Port- + 150 folioumschichtungen zwischen Staatsanleihen + 100 % p.a. 50 auch + 50 und Aktientiteln sind ebenso die Folge einer 0 Suche nach Rendite wie einer Suche nach Volatilität der S&P 500-Rendite 1) Sicherheit; Spreadausweitungen knnen zum 40 30 Beispiel zu einem erheblichen Teil auf funda- 20 mental begrndeten nderungen in der Ein- 10 schtzung des Ausfallrisikos basieren. 0 Unternehmens-Spreads in den USA Basispunkte + 250 2) + 200 + 150 99 00 01 02 03 kme man also nicht am aktuellen Rand, aber + 100 doch phasenweise zu leicht unterschiedlichen + 50 Einschtzungen hinsichtlich des auf den 0 1997 98 Auf Basis der verschiedenen Indikatoren 04 2005 Quellen: Bloomberg, Merrill Lynch und eigene Berechnungen. — 1 Volatilität berechnet nach exponentiell gewichtetem Modell. — 2 Unternehmens-Spreads berechnet als Differenz zwischen Merrill Lynch optionsadjustierten Spreads (OAS) von Unternehmensanleihe-Indizes mit BBB und AAA Rating. Deutsche Bundesbank Finanzmrkten wahrgenommenen Stress- niveaus. Fr die Beurteilung von Finanzmarktstress sind Volatilittsmuster somit Indikatoren, die man in einem Gesamtkontext, also unter Verwendung zustzlicher Informationen beziehungsweise Instrumente, bewer- So weiteten sich ab Mitte Mrz dieses Jahres ten sollte. Unbestritten bleibt aber, dass die Renditespreads im Anleihemarkt aus, wo- Volatilittsmuster dabei fr die Einschtzung bei allerdings schon ber die zweite Maihlfte der Finanzmarktlage von zentraler Bedeutung wieder ein teilweises Zusammenlaufen zu sind. Dies ergibt sich schon allein aus ihrem sehen war. 25) Gleichzeitig beobachtet man seit Mitte letzten Jahres wiederholt gegenlufige Entwicklungen von Staatsanleihe- und Aktienbewertungen. Die Volatilittsmuster zeigten hingegen bis Ende August 2005 keine signifikanten Ausschlge: Trotz eines leichten 74 25 Mitte Juli 2005 lagen daher die entsprechenden Merrill Lynch Unternehmens-Spreads fr Unternehmensanleihen der Ratingkategorie BBB gegenber der Ratingkategorie AAA im europischen Whrungsgebiet (in den USA) nur noch elf (vier) Basispunkte ber dem Niveau vom 15. Mrz 2005 (vor der GM-Gewinnwarnung am 16. Mrz 2005), whrend sie am 17. Mai 2005 noch 78 (45) Basispunkte hher gelegen hatten. DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht September 2005 dualen Charakter als Stressfaktor und zeitnah Aktienmarkt-Volatilität und Korrelation zwischen Renditen von Aktien- und Staatsanleihen-Indizes verfgbarer Indikator. In seinem Global Financial Stability Report im April dieses Jahres gab der IWF zu bedenken, dass sich ein zu hohes Maß an Zuversicht in den Mrkten spiegeln knnte. 26) Diese Ein- schtzung scheint angesichts des bis Ende August 2005 relativ niedrigen Niveaus der Tageswerte % p.a. 70 60 Deutschland Volatilität der DAX(Kursindex)Rendite 1) 50 40 30 20 Volatilitt zum Beispiel fr den Aktienmarkt in 10 den USA und in Deutschland plausibel. Zu- 0 Korrelation zwischen den Renditen von + 1,0 Aktien- und Staatsanleihen-Indizes 2) + 0,5 dem lehrt ein Blick in die Vergangenheit, 0 dass volatilittsarme Finanzmarktphasen von krftigen Kursbewegungen abgelst werden knnen und dass Episoden extremer Volatilitt in der Regel mit „Stress“ in den Finanz- - 0,5 % p.a. 50 40 20 zu bestimmen ist außerdem, zu welchem Teil 10 Sonderfaktoren, wie zum Beispiel der zu - 1,0 Volatilität der S&P 500-Rendite 1) 30 mrkten verbunden waren. Nicht endgltig die Marktdynamik in den letzten Jahren von USA 0 Korrelation zwischen den Renditen von + 1,0 Aktien- und Staatsanleihen-Indizes 2) + 0,5 0 beobachtenden berschussliquiditt in den - 0,5 Mrkten oder der wachsenden Rolle von - 1,0 Hedge-Fonds, beeinflusst war. Dies kann die 1996 97 98 99 00 01 02 03 04 2005 Indikatorqualitt blicher Stressindikatoren Quelle: Bloomberg und eigene Berechnungen. — 1 Volatilität berechnet nach exponentiell gewichtetem Modell. — 2 Renditen von Total-Return Bondindizes (Staatsanleihen, Laufzeitenbereich sieben bis zehn Jahre) berechnet als Differenzen der logarithmierten Indexwerte. Korrelation berechnet mit einem gleitenden Fenster von 45 Tagen. beeintrchtigen. Fr die Einschtzung der Gefahr zuknftigen Finanzmarktstresses ist es deshalb wichtig, solche „Sondereffekte“ zu identifizieren und bei der Beurteilung der Entwicklung von Finanzmarktstressindikatoren Deutsche Bundesbank einerseits und der Finanzmarktstabilittslage andererseits angemessen zu bercksichtigen. Idealerweise soll eine solche Analyse letztlich dazu dienen, frhzeitig – mglichst schon im Vorfeld – auf eventuelle Krisenkonstellationen hinweisen zu knnen. 26 Korrespondierend weist der Risikoappetit-Index der Bank fr Internationalen Zahlungsausgleich am aktuellen Rand (Anfang zweites Quartal 2005) einen relativ hohen Grad an Risikoappetit in den Kreditmrkten aus. Vgl.: BIZ (2005), 75. Jahresbericht, Kapitel VI: Finanzmrkte. 75