Proteine Protein-Design, die gezielte Entwicklung neuer, in der Natur nicht vorkommender Proteine mit maßgeschneiderten physikochemischen, strukturellen oder/und katalytischen Eigenschaften ( Synzyme). Das P. ist ein Fernziel des Protein-Engineering. Proteine, Eiweißstoffe, ausschließlich oder überwiegend aus Aminosäuren aufgebaute makromolekulare Verbindungen, die als Biopolymere entscheidender Bestandteil der lebenden Materie sind. In einer Escherichia-coli-Zelle sind 3000 verschiedene P. enthalten, mehr als 100000 unterschiedliche P. finden sich im menschlichen Organismus. P. bestimmen Struktur und Funktion jeder Zelle. Als Enzyme und Peptidhormone sind sie für den geregelten Ablauf der chem. Reaktionen des Stoffwechsels verantwortlich. Als Strukturproteine (Gerüstproteine, Skleroproteine), z. B. Kollagene, Elastine, Keratine, sind sie wesentlicher Bestandteil von Stützgewebe, Bindegewebe und Biomembranen. Als kontraktile P., z. B. Actin und Myosin, ermöglichen sie den Kontraktionsprozeß der Muskelfaser. Als Immunglobuline oder Interferone bilden sie spezifische körpereigene Abwehrproteine. Als Carrierproteine, z. B. Hämoglobine, Cytochrome, Transferrin, Coeruplasmin, sind sie an Elektronenübertragungsprozessen der Photosynthese und Atmung beteiligt oder transportieren Stoffwechselprodukte und Metall-Ionen. Als Speicherproteine, z. B. Eialbumine, Milchcasein, sichern sie die Aminosäurereserve des Organismus, als Rezeptorproteine vermitteln sie die spezifische Bindung von Wirkstoffmolekülen am Wirkort. Darüber hinaus sind P. beim Blutgerinnungsprozeß, bei der Blutgruppenspezifizierung, bei der Steuerung der Genaktivitäten und bei der Regulation vieler anderer biochem. Prozesse von entscheidender Bedeutung. Einteilung. Nach dem Vorkommen in Organismen unterscheidet man pflanzliche und tierische P., Virusproteine, Bakterienproteine, nach dem Vorkommen in Organen und Zellorganellen z. B. Plasma-, Muskel-, Milch-, Eiproteine sowie Ribosomen-, Zellkern-, Mikrosomen- und Membranproteine. Nach der allgemeinen biologischen Funktion lassen sich die P. in Enzym-, Struktur-, Transport-, Speicher- und Rezeptorproteine unterteilen. Auf Unterschieden in der Löslichkeit und in der Molekülstruktur beruht die Einteilung in globuläre P. und fibrilläre P. Die globulären P. (Sphäroproteine) sind in Wasser und verd. Salzlösungen löslich. Sie sind kugelförmig gebaut (Rotationsellipsoide). Die definierte Faltung der Sekundärstrukturelemente der Polypeptidketten beruht im wesentlichen auf hydrophoben Wechselwirkungen zwischen unpolaren Aminosäureseitenketten und anderen nicht kovalenten Bindungen. Die gute Löslichkeit beruht auf den an der Moleküloberfläche lokalisierten, ge- ladenen, hydrophilen Aminosäureresten, die – umgeben von einer Hydrathülle – für einen engen Kontakt mit dem Lösungsmittel sorgen. Zu den globulären P. gehören alle Enzyme und die meisten anderen biologisch aktiven P., z. B. die Hämoglobine. Die fibrillären P. (Linearproteine, Faserproteine) sind praktisch in Wasser und Salzlösungen unlöslich. Die Polypeptidketten sind hier parallel zueinander geordnet und bilden in Form langer Fasern unter anderem die Strukturelemente des Bindegewebes. Wichtige Vertreter sind die Kollagene, Keratine und Elastine. Nach den Bestandteilen unterscheidet man einfache P., die nur aus proteinogenen Aminosäuren aufgebaut sind, und Proteide (zusammengesetzte P., konjugierte P.), die neben dem Proteinanteil eine meist chemisch gebundene Nichtproteinkomponente enthalten. Einfache P. sind die Albumine, Globine, Globuline, Gluteline, Histone, Prolamine, Protamine, die sämtlich globuläre P. sind, und die fibrillären Skleroproteine. Aufbau und Struktur. Am Aufbau der P. sind 21 unterschiedliche Aminosäuren (auch proteinogene Aminosäuren genannt) beteiligt. Sie sind durch Peptidbindungen miteinander verknüpft, wobei die Reihenfolge (Sequenz) der Bausteine genetisch determiniert ist. Zur Charakterisierung des strukturellen Aufbaus der P. wurden die auch für andere Biopolymere gültigen Bezeichnungen Primär-, Sekundär-, Tertiär-, Quartärstruktur eingeführt. Unter Primärstruktur versteht man die Anzahl und Sequenz der miteinander verknüpften Aminosäurebausteine, die durch Sequenzanalyse ermittelt werden kann. P. enthalten in der Regel mehr als 100 Aminosäuren in einer Polypeptidkette. Zur Sequenzanalyse wird die Kette stufenweise vom N-terminalen oder C-terminalen Ende her abgebaut, und es wird eine Identifizierung der abgespaltenen Aminosäurereste vorgenommen. Das wichtigste chem. Abbauverfahren ist der inzwischen vollautomatisierte Edman-Abbau. Gewöhnlich werden die Polypeptidketten vor der Sequenzanalyse durch chem. oder enzymatische Partialhydrolyse in kleinere Bruchstücke zerlegt. Bei der enzymatischen Spaltung werden vor allem die spezifischen Proteasen, das bekannteste chem. Spaltreagens ist Bromcyan, das spezifisch Peptidbindungen spaltet, an denen die Carboxygruppe von Methionin beteiligt ist. Die Sekundärstruktur beschreibt die durch die Ausbildung von Wasserstoffbrücken zwischen den Carbonylsauerstoff- und Amidstickstoffatomen gegenüberliegender Peptidgruppen auftretenden spezifischen Faltungen der Polypeptidkette. Entstehen die H-Brücken innerhalb einer Kette, so bildet sich eine Schraubenstruktur (a-Helix, Abb. 1 a); liegen intermolekulare H-Brücken vor, so entsteht die Faltblattstruktur (b-Struktur, Abb. 1 b). Ein P. mit 109 Proteine einem sehr hohen Gehalt an a-Helix ist das MyogloC –CH–R C –CH–R O bin (>N75 %), eine vollständige Faltblattstruktur C N C C C N –NH findet sich im Seidenfibroin. Die a-Helix des Haar-WasserstoffN N O C CC H keratins kann durch Dehnung im feuchten ZustandbrückenN CC C –CO C bindung N reversibel inN eine b-Struktur umgewandelt werden. O C C H C Zur NUntersuchung der Sekundärstruktur von P. C C N O werden Messungen der optischen C C N H RotationsdisperC C C sion (ORD) (CD) herN Cund des Cirkulardichroismus N O H C angezogen ( C chiroptische Methoden). N C C N C Unter Tertiärstruktur wird dieO durchOintramolekuN H C lare C C Wechselwirkung der Seitenkettenfunktionen N N C C räumliche Faltung der Polypeptidkette verursachte C N NC N C C C C 0,54 nm C H N C C N C C C N O N N C H C N C C O H N C N C C N O H C O C C N C C O a) R R R R H N H C O H C H C H H C H C O R N N H N CH H C N H C C R N O O H C C C H O O H C N CH H R b) C O C H H C O R O H C N N O CH H C C N R N C H H C R C N O H R O C Proteine. Abb.1: Sekundärstruktur von Proteinen: (a) a-Helix, (b) antiparallele Faltblattstruktur. C R 20 80 100 50 26 124 COOH 60 84 30 58 72 90 10 120 95 PO4 110 65 40 70 NH2 110 1 Proteine. Abb. 2: Tertiärstruktur der Ribonuclease A nach Kartha. Proteine verstanden (Abb. 2). In dieser Struktur, die insbesondere durch Disulfidbrücken stabilisiert wird, ist die Lage reaktiver Aminosäurereste z. B. im aktiven Zentrum von Enzymen oder in der Antigenbindungsstelle von Antikörpern bis in den atomaren Bereich fixiert. Die Aufklärung der Tertiärstruktur erfolgt durch Röntgenkristallstrukturanalyse isomorph kristallisierter Schweratomderivate der P. Die erhaltenen Beugungsdiagramme und die daraus gewonnene Elektronendichteverteilungskurven geben Aufschluß über die Lage der Aminosäurereste, bei hoher Auflösung (0,15 nm) auch über die Atomabstände im Proteinmolekül. Durch intermolekulare Wechselwirkungen zwischen zwei oder mehreren identischen oder verschiedenen Polypeptidketten kommt es infolge Assoziation der Ketten zu stabilen oligomeren P. Diese geordneten Assoziate stellen die Quartärstruktur eines P. dar. Der größte Teil der quartären P. ist aus nicht kovalent verbundenen Untereinheiten aufgebaut. Die Untersuchung von Quartärstrukturen erfolgt auf elektronenmikroskopischem Wege oder durch Röntgenstrukturanalyse (Abb. Hämoglobin). Es gilt allgemein, daß die P. mit Quartärstruktur in bezug auf die Flexibilität ihrer Gestalt und Aktivität den physiologischen Bedingungen optimal angepaßt sind. Eigenschaften. Alle P. haben eine hohe relative Molekülmasse Mr, die unter anderem durch Bestimmung der Diffusions- und Sedimentationsgeschwindigkeit in der Ultrazentrifuge, durch Messung der Licht- und Röntgenkleinwinkelstreuung, durch osmotische und elektrophoretische Messungen sowie durch Bestimmung der Wanderungsgeschwindigkeit in Dextran- oder Polyacrylamidgelen ermittelt werden kann. Die Mr der Einkettenproteine liegen zwischen 10000 und 100000, die der Mehrkettenproteine im Bereich von etwa 50000 und mehreren Millionen. Entsprechend ihrer Molekülgröße und -gestalt (Abmessungen zwischen 2 und 100 nm) gehören die P. zu den Kolloiden. Sie dialysieren nicht, bilden keine echten Lösungen, zeigen den Tyndall-Effekt und weisen eine relativ hohe Viskosität auf. Infolge der großen Anzahl ionisierter Gruppen im Molekül haben die P. hohe Dipolmomente. Besonders charakteristisch ist die Ampholytnatur der P. Sie beruht auf der gleichzeitigen Anwesenheit freier saurer und basischer Gruppen im Proteinmolekül. Der Ladungszustand des Gesamtmoleküls hängt vom pH-Wert der Lösung ab. Im stark sauren Medium liegen Polykationen, im stark basischen Polyanionen vor. Durch die resultierende positive bzw. negative Überschußladung nehmen Hydratation und Löslichkeit zu. Dabei ist für die Hydratation allein die Absolutladung entscheidend. Der Ladungssinn ist für das elektrophoretische Verhalten, d. h. für die Wanderungs- richtung im elektrischen Feld, verantwortlich. Am isoelektrischen Punkt haben die P. keine Nettoüberschußladung. In der hier vorliegenden Zwitterionenform erreichen Löslichkeit und Hydratation ein Minimum. Die Ampholytnatur der P. ist von entscheidender Bedeutung für ihre Pufferwirkung in biologischen Systemen. Aufgrund der Hydratation sind die globulären P. in der Lage, hydrophobe Substanzen einzuschließen und vor Ausflockung zu schützen. Diese Schutzkolloidfunktion ist für die Stabilisierung von Körperflüssigkeiten wichtig. Durch den Zusatz schwach- oder nichtpolarer Lösungsmittel (z. B. Alkohol oder Aceton) kommt es ebenso wie durch hohe Neutralsalzkonzentrationen zur Entfernung der Hydrathülle und damit zur Ausflockung (Aussalzung) der P. Werden P. auf Temperaturen über 60 °C erhitzt, so entstehen tiefgreifende strukturelle Veränderungen, die gleichzeitig zum Verlust oder zur Beeinträchtigung der biologischen Aktivität der betreffenden P. führen. Diese Denaturierung beruht auf der Zerstörung der Tertiär- und Quartärstruktur der P. Sie kann außer durch Erhitzen auch durch UV- und Röntgenbestrahlung, durch extrem saure oder alkalische Behandlung, durch Einwirkung von Netzmitteln, z. B. von 1%iger Natriumdodecylsulfatlösung, oder durch wasserstoffbrückenlösende Reagenzien wie 8 M Harnstoff- und 6 M Guanidinhydrochloridlösung erfolgen. Wird die Denaturierung in Gegenwart von Reduktionsmitteln vorgenommen, so werden außer den nichtkovalenten Bindungen auch die Disulfidbindungen gespalten. Ist die Denaturierung reversibel, so kann der native Zustand des P. wiederhergestellt werden (Renaturierung). Bei irreversibler Denaturierung, z. B. bei der Hitzedenaturierung des Ovalbumins (Kochen des Hühnereis), kommt es zur Ausbildung ungeordneter Gerüstkonformationen, die auch als statistische Knäuel (random coil) bezeichnet werden. Nachweis und Bestimmung. P. können qualitativ durch Fällungsreaktionen mit Trichloressig-, Pikrinoder Perchlorsäure, durch Schwermetall-Ionen (Cu-, Fe-, Zn- und Pb-Salze) oder durch spezifische Farbreaktionen nachgewiesen werden. Bei der Xanthoproteinreaktion z. B. entsteht eine Gelbfärbung beim Versetzen mit konz. Salpetersäure, bei der Biuretreaktion eine Purpurviolettfärbung durch Zusatz von Kupfersulfat zur stark alkalischen Proteinlösung und bei der Pauly-Reaktion eine Rotfärbung durch Behandlung der alkalischen Lösung mit Diazobenzensulfonsäure. Zur quantitativen P.Bestimmung dient vor allem die Lowry-Methode. Hier wird ein mit dem P. gebildeter Kupferphosphomolybdänsäurekomplex (Absorptionsmaximum 750 nm) kolorimetrisch bestimmt und Humanoder Rinderserumalbumin als Eichsubstanz verwendet. 111 Proteine Beim klassischen Kjeldahl-Verfahren wird die Analysenprobe durch Kochen in konz. Schwefelsäure aufgeschlossen, wobei sich eine dem Stickstofffgehalt des P. äquivalente Menge Ammoniumsulfat bildet. Das daraus durch Alkalilauge freigesetzte Ammoniak wird acidimetrisch bestimmt. Eine direkte und schnelle Bestimmung von P. ist durch die Messung der UV-Absorption bei 280 nm möglich. Sie beruht auf der Anwesenheit von aromatischen Aminosäureresten (Tyr, Trp) in den meisten P. Isolierung und Reindarstellung. Während die Isolierung der in hohen Konzentrationen vorkommenden globulären P., z. B. von Hämoglobin aus Erythrocyten, von Casein aus Milch und von Ovalbumin aus dem Eiklar, sowie die Isolierung der unlöslichen fibrillären Strukturproteine keine besonderen Schwierigkeiten bereitet, erfordert die Gewinnung der nur in geringen Mengen auftretenden P. meist eine aufwendige Abtrennung von Begleitstoffen wie Kohlenhydraten, Lipiden, Nucleinsäuren und anderen Biomolekülen. Im ersten Schritt wird das biologische Material aufgeschlossen. Nach mechanischem Zerkleinern durch Homogenisatoren, Ultraschall, Schütteln mit Glasperlen, Zermörsern des in Aluminiumoxidkörnern eingefrorenen Gewebes, durch Detergensbehandlung u. a. erhält man ein Zellhomogenisat, aus dem die P. mit Salzlösungen, Glycerin, verd. Säuren oder anderen Extraktionsmitteln herausgelöst werden. Im zweiten Schritt erfolgt eine Vortrennung der P. durch fraktionierte Ammoniumsulfatfällung oder durch Lösungsmittelfraktionierung nach Cohn, anschließend eine weitere Reinigung durch Gelfiltration, Ionenaustauschoder Adsorptionschromatographie, gegebenenfalls auch durch präparative Elektrophorese, durch Elektrofokussierung, durch Affinitätschromatographie oder durch Ionenfiltrationschromatographie, d. i. eine Kombination von Ionenaustausch- und Gelchromatographie. Biosynthese. Hierbei werden freie Aminosäuren des Zellbereichs in genetisch determinierter Reihenfolge peptidartig miteinander verknüpft. An der Synthese sind als Matrize dienende Messenger-RNA (mRNA), die die Aminosäuren esterartig bindenden und transportierenden Transfer-RNA (tRNA), die in den Ribosomenuntereinheiten lokalisierten ribosomalen rRNA, eine Reihe spezifischer Ribosomenproteine und -enzyme, verschiedene niedermolekulare Cofaktoren sowie ATP (Adenosin-5′-triphosphat) und GTP (Guanosin-5′-triphosphat) als Energielieferanten kooperativ beteiligt. Die Biosynthese beginnt im Zellkern mit der Kopie einer mRNA, wobei eine entsprechende chromosomale DNA als Matrize fungiert (Transcription). Die gebildete mRNA wandert in das Cytoplasma und dient hier, an das Ribosom einer Polysomenkette des endoplasmatischen Reticulums gebunden, als Matrize für 112 den Aufbau der Polypeptidketten (Translation). Die Ribosomen bestehen aus einer großen und kleinen Untereinheit mit spezifischen Bindungsstellen für die anzubauenden Aminosäuren und die wachsende Peptidkette. Die mRNA bewegt sich in einer »Spurrinne« zwischen den beiden Untereinheiten (Abb. 3). Peptidyl-(P)-Stelle Aminoacyl-(A)-Stelle Große Untereinheit Aminoacyl-tRNA AS Anticodon 5′ mRNA Bindungsstelle für mRNA Codons Kleine Untereinheit Proteine. Abb. 3: Schematische Darstellung der Ribosomenstruktur von Escherichia coli nach Lehninger (AS Aminosäure). Die für die Peptidverknüpfung erforderliche Aktivierung der Aminosäuren erfolgt durch kovalente Bindung an hochspezifische tRNA-Moleküle. Es entstehen »aktivierte Ester« mit hohem Gruppenübertragungspotential, die als Aminoacyl-tRNA an die entsprechende Bindungsstelle transportiert und angelagert werden. Als Initiatoraminosäure fungiert bei der Synthese in E. coli das durch das Nucleotidtriplett AUG codierte Methionin, das als Formylmethionyl-tRNA gebunden wird. Die Knüpfung der ersten Peptidbindung erfolgt nach Anlagerung der zweiten Aminoacyl-tRNA durch nucleophilen Angriff der Aminogruppe auf die Esterbindung der benachbarten Formyl-Met-tRNA. Durch Weitertransport der entstandenen Dipeptidyl-tRNA um die Länge eines Codetripletts wird der Akzeptorort für die nachfolgende Anknüpfung freigegebenen (Abb. 4, S 113.). Stop-Codons geben das Signal für das Ende einer Synthese. Andere Signalsequenzen regulieren spezifische Synthesewege, z. B. die lokalspezifische Bildung von P., die die Zelle über Kanalsysteme des endoplasmatischen Reticulums verlassen sollen (Sekretproteine). Die Signalcodons folgen unmittelbar auf das Startcodon AUG. Der größte Teil der synthetisierten P. verläßt das Ribosom in biologisch aktiver Form. Die Abtrennung des Startmethionins und der Signalpeptide erfolgt auf enzymatischem Wege. Eine Reihe von P. wird im Anschluß an die Synthese durch Hydroxylierung, Methylierung, Prenylierung oder Phosphorylierung modifiziert (»Processing«) oder an Nichtproteinkomponenten gebunden. Die Regulation der mit außerordentlicher Präzision und hoher Geschwindigkeit (bis zu 100 Peptidbindun- Proteolyse H O C N CH3 S CH2 CH2 C H C O H H N C O C CH3 CH N H CH3 H2C CH2 C O H N H2N C H H C O C H OH pG A Se A C C C pG C pG A C CH3 O G AA AG r-tR T NA C C C O O C H3C O O NA Startcodon H3C HC C A H tR e- C O Ph C C CH2OH H2 N H N pG Val-tRNA Ala-tRNA CA A C GT 5′ G A C A UGG U UGG U U C GGU U G C A U U C GGU U GG UA U Ribosom 3′ Proteine. Abb. 4: Schematische Darstellung der Translation. gen je Sekunde werden geknüpft!) verlaufenden Biosynthese von P. erfolgt auf der Transcriptionsund Translationsebene. Auf der spezifischen Hemmung von Einzelschritten beruht die Wirkung einer Reihe von Antibiotika: Chloramphenicol z. B. stört die Translation, indem es Peptidylübertragungsreaktionen blockiert, Rifamycin stört die Transcription durch spezifische Hemmung von RNA-Polymerasen. P. als Nahrungsmittel. Die P. sind im Gegensatz zu den austauschbaren Kohlenhydraten und Fetten essentieller Grundbestandteil der menschlichen und tierischen Nahrung. Die hohe Wertigkeit der tierischen P., z. B. des Hühnereis, des Rindfleischs und der Milch, beruht darauf, daß sie die essentiellen Aminosäuren sowohl in ausreichender Menge als auch in einem für den menschlichen Bedarf günstigen Verhältnis zueinander enthalten. Die pflanzlichen P. enthalten gewöhnlich zu wenig Lysin, Methionin, Tryptophan oder Threonin. Das Defizit kann durch Zusatz der limitierenden Aminosäuren oder durch günstige Proteinkombinationen ausgeglichen werden. Protein-Engineering, die gezielte Veränderung natürlich vorkommender Proteine mit dem Ziel der Verbesserung der katalytischen Eigenschaften, der Spezifität, der Veränderung struktureller Parameter und der Anreicherung z. B. essentieller Aminosäuren. Die Kenntnis der Aminosäuresequenz und der räumlichen Struktur des Proteins ist eine Voraussetzung für die gezielte Veränderung des Proteins. Durch Verfahren der in-vitro-Mutagenese (gerichtete Mutagenese) können gezielt Nucleotide ausgetauscht und damit die proteincodierenden Regio- nen eines Gens verändert werden. Durch Mutagenese können so die Eigenschaften z. B. eines Enzyms (Thermostabilität, pH-Optimum, Substrat- und Wirkungsspezifität, verbesserte Wechselwirkung mit Inhibitoren, Molekülgröße usw.) variiert werden. Das P. umfaßt dabei folgende Schritte: Reinigung und Charakterisierung des Proteins, an dem die Manipulationen durchgeführt werden; Zusammenfassung aller strukturellen und funktionellen Daten im Computer; Molekül-Graphik und -Mechanik sowie mathematischer Näherungsmodelle des in einem Teilbereich veränderten Proteins; DNA-Synthese (DNA-Syntheseautomaten) für den zu verändernden Bereich und Expression, Reinigung und Charakterisierung des Proteins mit den veränderten Eigenschaften. Durch P. konnte z. B. die Stabilität von Proteinen gegenüber Denaturierung und Oxidationen (z. B. von Subtilisin; Herstellung eines oxidationsresistenten a1-Antitrypsins) erhöht werden. Proteinfasern, Eiweißfasern, Abk. PROT, Chemiefasern aus pflanzlichem oder tierischem Protein. Die P. werden nach dem Naßspinnverfahren aus einer wäßrigen alkalischen Lösung verschiedener Proteine ersponnen. Bedeutung hatten Proteine aus Mais (Zein), Erdnüssen (Ardein) und aus Milch (Casein). Die sehr geringe Festigkeit konnte etwas durch ein Formalinbad verbessert werden. Die P. sind heute ohne wirtschaftliche Bedeutung. Proteinhydrolysat, ein Gemisch von Peptiden unterschiedlicher Kettenlänge sowie freier Aminosäuren aus Eiweiß pflanzlicher, tierischer oder mikrobieller Herkunft. Die Gewinnung von P. erfolgt durch hydrolytische Spaltung der entsprechenden Eiweiße mittels spezifischer oder unspezifischer Proteasen. Der Hydrolysegrad des Substrats ist abhängig von dem verwendeten Enzympräparat und den Reaktionsbedingungen. Proteinsekretion, der Transport spezifischer, intrazellulär synthetisierter Proteine an den Ort ihrer biologischen Aktivität. Sekretproteine Exoproteine. Proteintechnik, ein Methodenkomplex zur gezielten Veränderung von Proteinen. ProteinEngineering; Protein-Design. Proteoglycane, Polysaccharide. Proteohormone, Peptidhormone. Proteolyse, ein durch Proteasen katalysierter hydrolytischer Abbau von Proteinen und Peptiden bis zu den Aminosäuren. Generell wird zwischen extrazellulärer (z. B. bei der Verdauung von Nahrungsproteinen) und intrazellulärer P. (durch lysosomale Kathepsine) unterschieden. Die liminierte P. ist ein Sonderfall der P., da hier nur eine begrenzte Zahl von Peptidbindungen entsprechend der Substratspezifität der fungierten Proteasen gespalten 113 Prothrombin wird. Eine nichtenzymatische Proteolyse von Proteinen ist unter stark sauren oder alkalischen Bedingungen möglich, wobei aber einige Aminosäuren partiell geschädigt bzw. zerstört werden können. Prothrombin, Thrombogen, Faktor II, das Proenzym des Thrombins. Das im Blutplasma vorkommende Glycoprotein (Mr ~ 72000) enthält bis zu 14 g-Carboxyglutaminsäurereste (Gla) sowie NAcetylglucosamin. An der Umwandlung von P. in Thrombin an der Plasmamembran der Thrombocyten sind Ca2+-Ionen, spezielle Lipoproteine und weitere Faktoren beteiligt. Protium, Isotop der Massenzahl 1 des Wasserstoffs. Protocatechualdehyd, 3,4-Dihydroxybenzaldehyd, ein Phenolaldehyd. P. ist eine hellgelbe, kristalline Verbindung; F. 153 bis 154 °C. Er ist in WasOH OH CHO ser wenig, in Alkohol und Ether löslich. P. ist die Stammverbindung einiger in der Natur frei oder gebunden vorkommender Phenoletheraldehyde. Er wird als Zwischenprodukt bei der Herstellung von Piperonal oder Vanillin verwendet. Protocyanin, Cyanidin. Protohäm, Cytochrome. Protolyse, Hydrolyse, Säure-Base-Konzepte, Abschn. Brönstedsche Definition. Proton, Elementarteilchen. Protonenaktivitätsexponent, pH-Wert. Protonenakzeptor, Säure-Base-Konzept, Abschn. Brönstedsche Definition. Protonendonator, Säure-Base-Konzepte. Absch. Brönstedsche Definition. Protoplasten (griech. proto ›zuerst, erster‹, platos ›geformt‹), Pflanzen-, Pilz- und Bakterienzellen, deren Zellwand mit Hilfe von Enzymen (bei Bakterien z. B. durch Lysozym) abgebaut wurde. Da der Stoffwechsel der P. dem der intakten Zelle gleicht, werden diese häufig als Untersuchungsobjekte eingesetzt. P. aus Bakterien werden z. B. zur schonenden Herstellung von zellfreien Extrakten und seinen Inhaltsstoffen sowie zur Protoplastenfusion verwendet. P., die noch Zellwandreste besitzen, werden als Sphäroplasten bezeichnet. Protoplastenfusion, eine Methode zur induzierten (in vitro-)Fusion zellwandloser Zellen zum Zweck der genetischen Kombination. Die P. kann sowohl chemisch als auch durch elektrische Impulse induziert werden. Die P. findet in der Genetik, Züchtungsforschung und Zellbiologie zur Herstellung von Hybridzellen Anwendung. 114 Protoporphyrin, Porphyrine. Prozeß, in der Thermodynamik Zustand. Prussiate, Cyanoferrate. Pschorr-Reaktion, Ringschlußreaktion, die vor allem zur Synthese von Phenanthren und Fluoren geeignet ist. Die entscheidenden Reaktionsschritte CH2 Cu –N2, –H+ N3+ Diazoniumsalz Fluoren sind die Diazotierung eines geeigneten aromatischen Amins, z. B. 2-Aminodiphenylmethan für Fluoren bzw. 2-Aminostilben für Phenanthren, und die Behandlung des Diazoniumsalzes mit Kupferpulver. Zur Synthese von Phenanthren geht man von 2-Nitrobenzaldehyd und Phenylessigsäure aus, die in einer Perkin-Reaktion kondensiert werden. Reduktion der Nitrogruppe, Diazotierung der Aminogruppe und Ringschluß führen dann zur Phenanthren-9-carbonsäure, die durch Destillation leicht decarboxyliert werden kann. Pseudoasymmetrie, Stereoisomerie 1.1. Pseudoazulene, Heteroaromaten, die mit Azulenen isoelektronisch sind. Formal sind sie durch Austausch einer C=C-Gruppierung im Cycloheptatrienring des Azulenmoleküls durch ein Heteroatom (O, S, N–R) abgeleitet. Man unterscheidet entsprechend Oxalene, Thialene und Azalene. Die Synthesemethoden für P. unterscheiden sich sehr von denen der Azulene. Die Molekülskelette werden nach verschiedenen Prinzipien erhalten, z. B. durch Umsetzung quartärer Salze mit Basen (Azalene), durch Dehydrierung gesättigter Verbindungen, die das Grundgerüst bereits vorgebildet enthalten sowie durch geeignete Kondensationsreaktionen. So lassen sich aus 2-Mercaptobenzaldehyd und a,b-ungesättigten Ketonen in einem Schritt Thialene herstellen. Im Gegensatz zu den Azulenen sind die P. oft wenig stabil, besonders die wenig substituierten Vertreter. Trotzdem sind zahlreiche elektrophile Substitutionsreaktionen wie Bromierung, Nitrierung, Vilsmeier-Formylierung bekannt. Die Substitution findet am Fünfring statt und entspricht damit vergleichbaren Umsetzungen an Azulenen. 3 4 2 1 5 6 7 O Oxalen 3 4 2 1 5 6 7 S Thialen 3 4 2 1 5 6 7 N R Azalen Einige P. erlangten Bedeutung, weil sie als Strukturelemente in Alkaloiden wie Semperverin, Alstonin und Kryptolenin vertreten sind. Einige P. besitzen auch Antitumorwirkung. Pseudochalkogenide, eine Gruppe mehratomiger, resonanzstabilisierter, zweiwertiger Anionen mit weitgehend symmetrischer Ladungsverteilung, die sich Psychoanaleptika ausgeprägt chalkogenidanalog verhalten. Zu den P. zählen z. B. das lineare Cyanamid-Ion [NCN]2– sowie nichtlineare Anionen, wie Dicyanmethanid [C(CN)2]2– und Tetracarbonylferrat [Fe(CO)4]2– (vgl. auch Pseudohalogenide). Pseudocumol, Trimethylbenzole. Pseudohalogene, Pseudohalogenide. Pseudohalogenide, eine Gruppe mehratomiger, resonanzstabilisierter, einwertiger Anionen mit weitgehend symmetrischer Ladungsverteilung, die sich ausgeprägt halogenidanalog verhalten. Zu den P. zählen lineare Anionen X–, wie Cyanid [CN]–, Fulminat [CNO]–, Cyanat [NCO]–, Thiocyanat [NCS]–, Selenocyanat [NCSe]–, Tellurocyanat [NCTe]– und Azid [NNN]–, nichtlineare Anionen, wie Dicyanamid [N(CN)2]–, Dicyanphosphid [P(CN)2]–, Tricyanmethanid [C(CN)3]– und Nitrosodicyanmethanid [NOC(CN)2]–, ferner anionische Übergangsmetallkomplexe, wie Tetracarbonylcobaltat [Co(CO)4]– und Pentacarbonylmanganat [Mn[CO)5]–. Parallelen in Verhalten und Eigenschaften von Pseudohalogeniden und Halogeniden, auf denen das Pseudohalogenkonzept sich vor allem gründet, zeigen sich an folgenden Beispielen: 1) Bildung der in Wasser schwer löslichen Silber(I)-, Quecksilber(I)und Blei(II)-Salze AgX bzw. Hg2X2 bzw. PbX2; 2) Existenz von Pseudohalogenwasserstoffsäuren HX, wie Blausäure HCN; 3) Bildung zahlreicher Pseudohalogenokomplexe des homogenen oder gemischten Typs, wie [MX4]2– , [MX6]3–, [MX2L2] und [MX3L3], wobei für die P. Cyanid und Fulminat Koordination über Kohlenstoff, für Azid, Cyanat, Dicyanamid und Tricyanmethanid Koordination über Stickstoff typisch ist; 4) reversible Oxidation einiger der P. zu den entsprechenden molekularen Pseudohalogenen X2 gemäß 2 X– X2 + 2e (X = CN, SCN, SeCN, C(CN)3 Co(CO)4, Mn(CO)5); 5) Existenz kovalenter Interpseudohalogene, wie Cyanazid NC–N3 Cyanisocyanat NC–NCO, Tetracyanomethan NC–C(CN)3 und Phosphortricyanid NC–P(CN)2, sowie kovalenter Halogenpseudohalogenide, wie Chlorcyan ClCN, Chlorazid ClN3 Chlorisocyanat Cl–NCO, Bromtricyanmethan Br–C(CN)3 und Cobaltcarbonylchlorid Cl–Co(CO)4; 6) halogenidvergleichbare Gruppenelektronegativitäten der P. Pseudonitrole, Reaktionsprodukte sekundärer Nitroalkane mit salpetriger Säure: NO2 R2CH NO2 + HO N O R2C Zeitgesetze ( Reaktionskinetik), wenn ein Reaktant in sehr hohem stöchiometrischem Überschuß vorliegt und seine Konzentration während der Umsetzung praktisch konstant bleibt. Der Konzentrationsterm dieses Reaktanten kann dann im Zeitgesetz näherungsweise mit der Geschwindigkeitskonstanten zu einer effektiven Konstanten zusammengefaßt werden, wodurch die Ordnung der Reaktion erniedrigt wird. Die Erscheinung der P. ist besonders in Lösungen häufig, wenn der eine Reaktant das Lösungsmittel ist. Pseudorotation, Stereoisomerisierung, die zu einer Struktur führt, die durch Rotation aus dem Ursprungsmolekül entstanden scheint und mit diesem unter Vernachlässigung unterschiedlicher Substituenten zur Deckung gebracht werden kann. P. liegt z. B. vor bei der Ineinanderumwandlung der verschiedenen Briefumschlag- und Twistkonformationen des Cyclopentans, bei der Berry-P., einem intramolekularen Mechanismus der Isomerisierung trigonal-bipyramidaler Verbindungen. Ein verwandter Konformationswechsel trigonalbipyramidaler Substituenten ist die Turnstile-Rotation. Pseudouridin, Abk. jrd, Kurzform j oder Q, 5b bD-Ribofuranosyluracil, ein C-Glycosid. P. ist Baustein der tRNS ( Nucleinsäuren). Es ist dort in der Tj-Schleife lokalisiert. Säurekatalysiert wird P. teilweise in 5-Ribopyranosyluracil umgelagert. O HN O HOH2C O HO OH PS-Formmassen, Polystyrol. Psilocin, 2-Dimethylaminoethyl-4-hydroxyindol, ein halluzinogen wirkendes Indolalkaloid, das neben Psilocybin, dem entsprechenden Phosphorsäureester, Hauptinhaltsstoff des mexikanischen Rauschpilzes Teonanacatl (Psilocybe mexicana, ›Gottesfleisch‹) ist. Die orale Aufnahme führt zu Rauschzuständen (Farbvisionen, stark erhöhte Lichtempfindlichkeit, Bewußtseinserweiterung) ähnlich wie Lysergsäurediethylamid (LSD), aber mit geringerer Wirkung. + H2O. H N N O In kristallinem Zustand liegen die P. in einer farblosen, dimeren Form vor. In der Schmelze oder in Lösung weisen P. eine intensiv blaue bis blaugrüne Farbe auf, die auf die Existenz der monomeren Form hindeutet. Pseudoordnung, scheinbare Ordnung kinetischer NH OR R=H Psilocin R = PO3H Psilocybin N Psilocybin, Psilocin. Psoralen, Methoxsalen. Psychoanaleptika, Psychopharmaka. 115 Psychodysleptika Psychodysleptika, Psychopharmaka. Psycholeptika, Psychopharmaka. Psychopharmaka, Verbindungen, die fördernd oder hemmend in die höhere Nerventätigkeit, d. h. in psychische und intellektuelle Prozesse beim Menschen, eingreifen. P. wirken auf die Informationsverarbeitung, -assoziation und -speicherung, Stimmungslage, das Affekt- und Sozialverhalten u. dgl. ein. Die einzelnen Wirkungsqualitäten sind in vielen Fällen nicht scharf zu trennen. Eine übliche Einteilung erfolgt in Neuroleptika, Tranquilizer und Antidepressiva. Neuroleptika und Tranquilizer werden bisweilen unter dem Begriff Psycholeptika zusammengefaßt. Ihnen gegenübergestellt werden die Psychoanaleptika (Psychostimulanzien). Zu den Psychoanaleptika werden neben den Antidepressiva z. B. auch die Weckamine gerechnet. 1) Neuroleptika (Antipsychotika) setzen den zentralnervösen Grundtonus herab, ohne daß die Wahrnehmungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt oder eine hypnotische Wirkung entfaltet wird. Auf diese Weise können Aggressivität, Angstgefühle und Erregungszustände unterdrückt oder beseitigt werden. Neuroleptika werden mit Erfolg zur Behandlung echter Psychosen eingesetzt. Als Nebenwirkungen treten mehr oder minder stark ausgeprägt sedierende, blutdrucksenkende und antiemetische Wirkungen auf, von denen letztere therapeutisch genutzt werden. Die wichtigsten Stoffgruppen sind basisch alkylierte Phenothiazine, basische Butyrophenone, Diphenylbutylpiperidine, z. B. Pimozid, und Rauwolfiaalkaloide. 2) Tranquilizer (Ataraktika, Psychosedativa) wirken schwächer dämpfend auf psychische Prozesse als Neuroleptika und werden in breitem Umfang bei nichtpsychotischen Erregungs-, Angst- und Spannungszuständen und dadurch bedingte Schlafstörungen eingesetzt. Die wichtigsten Stoffklassen sind Benzodiazepine, basisch alkylierte Diphenylmethanderivate, und Carbamidsäureester mehrwertiger Alkohole, z. B. Meprobamat. 3) Antidepressiva bewirken eine Hebung der Stimmungslage und z. T. eine Antriebsförderung. Man unterscheidet zwischen Thymoleptika und Thymeretika. Thymoleptika bewirken eine Aufhebung bzw. Abschwächung einer depressiven Stimmungslage, zeigen aber bei normaler Stimmungslage kaum eine Wirkung. Dagegen führen Thymeretika auch bei ausgeglichener Stimmungslage zu einer psychischen Stimulierung und Antriebssteigerung. Als Thymoleptika werden vor allem basisch alkylierte Dibenzodihydroazepine und basisch alkylierte Dibenzodihydrocycloheptadiene eingesetzt. Thymeretika bewirken eine Hemmung der Monoaminooxidase. Dadurch wird der Abbau der biogenen Amine unter anderem im Gehirn gehemmt. 116 Nicht als Arzneimittel verwendet werden die Psychodysleptika (Halluzinogene). Sie rufen bei psychisch normaler Ausgangslage Psychosen hervor. Die bekanntesten Substanzen sind Lysergsäurediethylamid, Mescalin und Psilocybin ( Psilocin). Psychosedativa, Psychopharmaka. psychotoxische chemische Kampfstoffe, chemische Kampfstoffe. Pt, Symbol für Platin. PTC, Abk. für Phasentransferkatalyse. Pteridin, Pyrazino[2,3-d]pyrimidin, eine kondensierte heterocyclische Verbindung. P. bildet gelbe Blättchen; F. 139 bis 140 °C, Sublimation bei N 6 7 5 4 8 1 N 3 2 N N 2,66 · 103 Pa und 125 bis 130 °C. Es ist löslich in Wasser und Alkohol. P. ist der Grundkörper der in der Natur weit verbreiteten Pteridine, die unter anderem als Flügel- und als Augenpigmente von Schmetterlingen und Insekten vorkommen. Synthetisch ist P. durch Kondensation von Glyoxal mit 4,5Diaminopyrimidin zugänglich. Pterin, 2-Amino-4-hydroxypteridin (R1, R2 = H). Derivate des P. kommen ubiquitär in allen Organismen vor. Die Biosynthese erfolgt aus PyrimidinDerivaten. O HN H2N N N R1 N R2 Biopterin (R1 = –CHOH–CHOH–CH3; R2 = H) ist für viele Mikroorganismen ein Wuchsstoff. Zu den Insektenpigmenten gehören das Leukopterin (R1 = OH; R2 = H) des Kohlweißlings und das Xanthopterin (R1, R2 = OH) des Zitronenfalters. P. wirken als Coenzyme von Oxidoreductasen. Ein wichtiges Pterinderivat ist die Folsäure. Pteroinsäure, Folsäure. Pteroylglutaminsäure, Folsäure. PTFE, Abk. für Polytetrafluorethylen. PTH, Abk. für Parathyrin. PTM-Effekt, Abk. für Post-Transition-MetallEffekt; d-Block-Kontraktion. Der P. beschreibt, daß die Nichtmetalle der ersten langen Periode (Ga, Ge, As, Se, Br) oft nur thermodynamisch instabile Verbindungen in ihren maximalen Oxidationsstufen ausbilden. Der P. kann im wesentlichen auf die schlecht abgeschirmte Kernladung zurückgeführt werden, da vor diesen Nichtmetallen im Periodensystem erstmals die 3d-Niveaus besetzt werden (vgl. auch Lanthanoidenkontraktion). Aufgrund der relativ größeren Kontraktion, d. h. der größeren energetischen Absenkung des 4s-Orbitals im Vergleich zu den 4p-Orbitalen, wird die Energiediffe- Pulver renz zwischen 4s und 4p größer als zwischen 3s und 3p. Daher ist z. B. HBrO4 weniger stabil als HClO4 und HIO4. Pu, Symbol für Plutonium. Pufferlösung, wäßrige Lösung, deren pH-Wert bei Zugabe geringer Mengen starker Säure oder Base praktisch konstant bleibt. Die P. besteht üblicherweise aus einer gelösten Mischung einer mittelstarken Säure und ihrer korrespondierenden Base, z. B. einer Mischung der Säure und ihres Salzes. Ausgehend vom Dissoziationsgleichgewicht, Säure + H2O Base + H3O+, ergibt sich durch entsprechende Umstellung des Massenwirkungsausdrucks die Gleichung nach Henderson und Hasselbalch, pH = pKS + lg (cBase/cSäure), wonach der pH-Wert der P. durch den pKS-Wert der Säure und das Konzentrationsverhältnis cBase/cSäurebestimmt wird. Durch Variation dieses Verhältnisses lassen sich Puffer ganz bestimmter pH-Werte herstellen. Bei Zusatz geringer Mengen OH–- oder H3O+-Ionen zur Lösung kommt es zur Neueinstellung des Protolysegleichgewichtes der das Puffersystem bildenden Säure und Base und somit zu einer Veränderung des Konzentrationsverhältnisses cBase/cSäure. Weil dieses Verhältnis jedoch im logarithmischen Glied der o. a. Gleichung steht, wirkt sich diese Veränderung nur sehr unbedeutend auf den pH-Wert aus, d. h., der pH-Wert der Lösung bleibt praktisch konstant. Zur Erreichung einer hohen Kapazität der P. soll das Konzentrationsverhältnis cBase/cSäure möglichst wenig von 1 abweichen. Für jeden zu puffernden pH-Bereich ist damit ein geeignetes korrespondierendes Säure-Base-Paar zu suchen, wobei der pKS-Wert der Säure dem gewünschten pH-Wert der P. möglichst nahe kommen soll (denn für cBase/cSäure = 1 ergibt sich pH = pKS!). P. wirken oder werden stets dann eingesetzt, wenn es auf die Einhaltung eines ganz bestimmten pH-Wertes ankommt. Das Puffersystem des menschlichen Blutes, mit dessen Hilfe der pH-Wert in den engen Grenzen zwischen 7,35 bis 7,45 konstant gehalten wird, basiert vorrangig auf dem CO2/HCO–3Gleichgewicht. Pulegon, p-Menth-4(8)-en-3-on, ein monocyclisches Monoterpenketon. P. ist eine farblose bis schwach gelbe Flüssigkeit von pfefferminzartigem Geruch; Kp. 224 °C. bei 100 kPa. P. ist meist als R(+)-Form in zahlreichen Labiatenölen enthalten. Es wird insbesondere aus Poleiöl der Pflanze Mentha pulegium gewonnen und dient zur Herstellung von Menthol. Pullulan, ein mikrobielles Exopolysaccharid, welches aus a-1,6-glucosidisch verknüpften Maltotriosegruppen besteht. Es werden auch Maltotetroseeinheiten und einzelne a-1,3- und a-1,4-Bindungen gefunden. P. ist ein gut wasserlösliches und stark quellfähiges farbloses Pulver. P. wird in Abhängigkeit vom pH-Wert und der Fermentationsdauer bei aerober, submerser Kultivierung von Pullularia pullulans (syn. Aureobasidium pullulans) und Acetobacter pullulans in einem breiten Molekulargewichtsbereich gebildet. Als Kohlenstoffquelle dienen z. B. Stärkehydrolysate, Glucose oder Saccharose. Aufgrund seiner Eigenschaften kann P. als Dikkungs-, Binde-, Gelier- und Quellungsmittel eingesetzt werden. P. kann zu dünnen, durchsichtigen Folien und Filmteilen gegossen oder gepreßt werden und wird so in der Lebensmittelindustrie als luftdichtes, durchsichtiges Verpackungsmaterial (eßbar bzw. biologisch abbaubar) verwendet. Wäßrige Lösungen dienen als Klebstoff. Pullulanase, eine Hydrolase, die die 1,6-a-glucosidischen Bindungen des Pullulans unter Freisetzung von Maltotriose spaltet. Die Fähigkeit zur Spaltung von Amylopektin und anderer verzweigter Polysaccharide ist abhängig von der Herkunft des Enzyms. Die Mr der meisten P. liegen zwischen 50000 und 150000, die pH-Optima zwischen 5,0 und 7,0. P. kommen vor allem in Bakterien (z. B. Aerobacter aerogenes), aber auch in einigen Pflanzen (z. B. Gerste, Hafer) vor. P. kann mit Klebsiella aerogenes unter C-Limitation in kontinuierlicher Kultur gewonnen werden. Das E. ist zu etwa je 50 % extrazellulär bzw. zellgebunden. P. in Kombination mit Glucoamylase verbessert die Glucoseproduktion aus Stärke. Die P. kann evtl. an Stelle der Pilzglucoamylase in Brauereien zur Bildung von Maltose und Maltotriose aus Dextrinen eingesetzt werden. Zusammen mit der b-Amylase verbessert die P. den Abbau von Stärkekörnern zu Maltose. Pulsfeld-(Gel)-Elektrophorese, ein Verfahren der Elektrophorese, bei dem durch FlachbettElektrophorese (mit Flachgelen arbeitend) im Agarose-Gel DNA-Moleküle bis 10000 kbp durch periodischen Richtungswechsel des elektrischen Feldes (periodisch zwischen zwei um einen gewissen Winkel verschiedene Richtungen) getrennt werden. Die Frequenz des Feld-Richtungswechsels ist entsprechend den DNA-Proben einstellbar. Die P. erlaubt u. a. die Präparation hoch angereicherter DNAProben für die Klonierung. Puls-Fourier-Transform-Technik, NMR-Spektroskopie. Pulsradiolyse, Radiolyse, Reaktionskinetik. Pulver, Schießpulver, Treibmittel für konventionelle Feuerwaffen, rauchschwache Pulver, Schwarzpulver. Man unterscheidet einbasige Pulver, z. B. Cellulosenitratpulver, zweibasige Pulver, z. B. eine Mischung aus Cellulosenitratpulver und Glycerintrinitratpulver, und dreibasige Pulver, z. B. eine Mischung aus Cellulosenitrat-, Glycerintrinitrat- und Nitroguanidinpulver. 117 Pulvermetallurgie Pulvermetallurgie, zusammenfassende Bezeichnung für alle metallurgischen Verfahren zur Herstellung von Halbzeugen und Fertigteilen aus Pulvern von Metallen oder hochresistenten Metallverbindungen ohne bzw. mit Zusatz nichtmetallener Bestandteile. Die Verbindung der Pulverteilchen erfolgt überwiegend durch Druck und nachfolgendes Sintern unterhalb des Schmelzpunktes der Basiskomponente. Durch P. werden z. B. hergestellt: gesinterte Hartmetalle, die aus mindestens einem Carbid oder Mischcarbid (z. B. Wolfram-Titan-Tantal-Carbid) mit Bindemetall (z. B. Cobalt) bestehen und zur Erhöhung der Verschleißfestigkeit mit Titancarbid oder Titannitrid beschichtet werden können, Kontaktlegierungen aus Wolfram und Kupfer oder Silber und Nickel für die Schaltgeräteindustrie, weichund hartmagnetische Werkstoffe, hochschmelzende Metalle (z. B. Wolfram, Molybdän, Chrom, Tantal) in der chem. Industrie, Luft- und Raumfahrt, Reaktor- und Raketentechnik, Gleit- und Reibwerkstoffe aus Eisen, Bronze oder Kupfer-Titan mit Graphit-, Blei- oder Magnesiumoxidzusatz, mit Öl oder Hochpolymeren getränkte selbstschmierende Gleitlager, Metallfilter zum Reinigen von Gasen und Flüssigkeiten, Maschinenteile aus legierten oder unlegierten Stählen. Zu den pulvermetallurgischen Werkstoffen zählen auch solche, die lediglich durch Verpressen von Pulver mit Bindemittel entstanden sind. Dazu gehören die Massekerne aus Carbonyleisenpulver mit einem isolierenden organischen Bindemittel (z. B. Phenolharz), die als weichmagnetische Materialien für Kerne in Hochfrequenzspulen dienen, ferner Dauermagnete aus vorlegiertem Eisen-AluminiumNickel-Pulver mit Kunstharzzusatz. Pulververfahren, Röntgenstrukturanalyse. Punktanalyse, Lokalanalyse. Punktdefekte, Kristallbaufehler. Punktgruppe, Symmetrie. PUR, Abk. für Polyurethane. Purinalkaloide, eine kleine Gruppe von Alkaloiden, die das bicyclische Grundgerüst des Purins enthalten ( Purine). Die wichtigsten Verbindungen leiten sich vom 2,6-Dioxo-1,2,3,6-tetrahydropurin ( Xanthin) ab und sind N-Methylderivate. Darunter fallen Coffein, Theobromin und Theophyllin. In der Therapie spielen auch partialsynthetische Derivate des Xanthins, z. B. Etofyllin, und Salze der natürlichen Xanthinderivate, wie Aminophyllin, eine Rolle. Purinanaloga, Antipurine, Purinderivate, die durch geringe Strukturabwandlungen der natürlichen Purinmetabolite entstehen und als Antimetabolite wirken. P. werden hauptsächlich durch Modifizierung der Basen, aber auch durch Abwandlung der Zuckeranteile von Nucleosiden gewonnen. Be118 vorzugte Variationen sind der Austausch von OHGruppen gegen SH- (z. B. 6-Mercaptopurin) oder NH2-Gruppen (2,6-Diaminopurin), Einführung von Halogenen am C-Atom 2 oder 6 (6-Chlorpurin), Austausch eines Ring-C-Atoms gegen ein N-Atom (8-Azaguanin), Austausch eines Ring-N-Atoms gegen ein C-Atom (z. B. Tubercidin) und Vertauschen der Positionen eines C- und N-Atoms im Ringsystem (Pyrazoloadenin). Wirksam ist auch die Umwandlung der OH-Gruppe am C-Atom 3 der Ribose in eine Desoxygruppe (Cordycepin). P. hemmen selektiv bestimmte enzymatische Reaktionen, insbesondere der Nucleinsäuresynthese. Purinantibiotika, in ihrer chemischen Struktur modifizierte Purinderivate mit antibiotischer Aktivität, die als Nucleoside ( Nucleosidantibiotika), Polypeptide (z. B. Viomycin) oder freie Basen (z. B. Pathocidin) vorkommen. Purine, in der Natur weit verbreitete bicyclische Heterosysteme von großer biologischer Bedeutung. Sie kommen frei in Pflanzen und Tieren sowie als Bausteine von Nucleosiden, Nucleotiden und Nucleinsäuren vor. Die P. leiten sich vom Grundkörper Purin ab. Die Stammverbindung, die in unsubstituierter Form in den tautomeren Formen 9HP. und 7H-P. vorkommt, ist bisher frei in der Natur nicht aufgefunden worden. NH2 N N NH2 + HCOOH – 2H2O N H N N N 7H-Purin Zu den wichtigsten P. gehören Adenin (6-Aminopurin) und Guanin (2-Amino-6-hydroxypurin) als Bestandteile der Nucleinsäuren, Adenin auch als Baustein für Adenosindiphosphat (ADP) und Adenosintriphosphat (ATP) sowie verschiedener Coenzyme, weiterhin Hypoxanthin, Xanthin und Harnsäure sowie die als Purinalkaloide bezeichneten P. Coffein, Theobromin und Theophyllin, die im Kaffee, Kakao und im schwarzen Tee vorkommen. Purisol-Verfahren, ein Verfahren zur Entfernung saurer Bestandteile (Kohlendioxid, Schwefelwasserstoff und Kohlenoxidsulfid) aus Erdgas, Ferngas und Synthesegas. Das P. arbeitet ähnlich wie das Sulfinol-Verfahren; als Lösungsmittel für die sauren Gase dient beim P. N-Methylpyrrolidon. Puromycin, 6-Dimethylamino-9-[3-(p-methoxy-Lb-phenylalanylamino)-3-desoxy-b-D-ribofuranosyl]purin, ein Nucleosidantibiotikum, das von Streptomyces alboniger produziert wird. Es bildete farblose Kristalle; F. 175 bis 177 °C, [a]2D –11° (Ethanol), die in Wasser bei schwach saurem pH-Wert sowie in Ethanol löslich sind. P. ist stark wirksam gegen grampositive Bakterien, während gramnegative Bakterien nur schwach gehemmt werden. Für Purpurmembran H3C N CH3 N N N HOCH2 O N ter Einbau des 14b-O-Atoms entsteht. Die entstehenden Isoverbindungen sind therapeutisch unwirksam. O H3C NH2 H3CO CH2 CH CO NH O CH3 OH H R1 O den Einsatz am Menschen ist P. zu toxisch. P. ist ein am Basen- und Zuckeranteil modifiziertes Analogon der endständigen Nucleosideinheit (CCAEnde) einer Aminoacyl-tRNA. Es bildet bei der ribosomalen Proteinsynthese ( Translation) eine Peptidbindung mit der COOH-Gruppe einer an Peptidyl-tRNA gekoppelten und so am Ribosom gebundenen Aminosäure. Die wachsende Polypeptidkette wird daraufhin vom Ribosom abgelöst, weil P. – im Gegensatz zur üblichen Struktur der tRNA – keine zusätzliche Bindung am Ribosom eingehen kann. Purpureaglycoside, zu den herzwirksamen Glycosiden gehörende Digitalisglycoside aus dem Roten Fingerhut Digitalis purpurea. In der Blattdroge sind 0,2 bis 0,6 % P. enthalten, es wurden etwa 30 verschiedene herzwirksame Glycoside aufgefunden. Daneben finden sich auch herzunwirksame Steroidverbindungen, die Digitanolglycoside; außerdem Saponine, beispielsweise Digitonin. Die Gewinnung der P. erfolgt aus Zuchtrassen, aus denen Digitoxin in relativ hoher Ausbeute erhalten werden kann. Die Aglykone der P. sind Digitoxigenin, Gitoxigenin und Gitaloxigenin, sie gehören zur Gruppe der Cardenolide. In den Blättern der Pflanze finden sich als wichtigste native Primärglycoside Purpureaglycosid A und B, aus denen beim Trocknen enzymatisch der endständige D-Glucosylrest unter Bildung der Sekundärglycoside Digitoxin und Gitoxin abgespalten wird. In diesen Verbindungen ist eine Kette von drei Digitoxoseresten mit den Aglykonen b-glycosidisch verknüpft. Die Digitoxosereste sind miteinander (1→4)-b-glycosidisch verbunden. Die P. sind instabile Verbindungen. Als Glycoside von Desoxyzuckern sind sie säurelabil, passieren aber zu einem hohen Prozentsatz den sauren Magen. Besonders leicht spaltbar sind die Verbindungen mit einer 16b-O-Formylstruktur. Unter Säureeinwirkung erfolgt auch die Abspaltung der 14bOH-Gruppe zusammen mit einem nachbarständigen H-Atom unter Bildung von Anhydroverbindungen. Bei den sich vom Gitoxigenin ableitenden Verbindungen wird auch die 16b-OH-Gruppe unter Bildung eines konjugierten Systems von Doppelbindungen abgespalten (Dianhydroverbindung). Im alkalischen Milieu kann Isomerisierung erfolgen, wobei der Lactonring geöffnet und ein neuer Ring un- R2 H OH H Name R1 R2 Digitoxigenin H H Gitoxigenin H OH Gitaloxigenin H –O–C Digitoxin -Digitoxose-DigitoxoseDigitoxose H Gitoxin -Digitoxose-DigitoxoseDigitoxose OH Gitaloxin -Digitoxose-DigitoxoseDigitoxose –O–C Purpureaglycosid A -Digitoxose-DigitoxoseDigitoxose-Glucose H Purpureaglycosid B -Digitoxose-DigitoxoseDigitoxose-Glucose OH O H O H Von therapeutischer Bedeutung ist nur Digitoxin, das nach oraler Gabe zu über 80 % resorbiert wird. Die Abklingquote liegt je Tag unter 10 %. Dadurch kann es bei unsachgemäßer Dosierung leicht zur Kumulation und damit zur Intoxikation kommen. Digitoxin wird wie alle herzwirksamen Glycoside bei Herzmuskelinsuffizienz eingesetzt. Es erhöht die Schlagkraft und verlangsamt die Schlagfolge des Herzens und erschwert die Erregungsleitung. Die Wirkung wird auf eine teilweise Hemmung des Mg2+-abhängigen Na+-K+-ATPase-Systems der Herzzellwand zurückgeführt. Purpurin, 1,2,4-Trihydroxyanthrachinon, ein synthetischer Farbstoff, der in Alkalien mit karminroter Farbe leicht löslich ist; F. 253 bis 256 °C. P. entsteht durch Oxidation von Alizarin mit Mangandioxid und Schwefelsäure. Es besitzt ähnliche färberische Eigenschaften wie Alizarin und dient zur Kernfärbung in der Histologie. P. ist der Begleiter des Alizarins in der Krappwurzel. Purpurmembran, die durch Einlagerung von Bacteriorhodopsin rot gefärbten photosynthetisch aktiven Abschnitte der Cytoplasmamembran von Halobakterien (Archaebakterien, die für das Wachstum u. a. hohe NaCl-Konzentrationen im Medium benötigen). Nach Lyse der Bakterien in destillier119 Purpursäure tem Wasser sind die P. isolierbar. Sie bestehen zu etwa 25 % aus Lipid und zu 75 % aus Protein. Alle sulfathaltigen Lipide der Zelle wurden in der P. gefunden (etwa 15 % des Gesamtlipid). Bacteriorhodopsin ist das einzigste Protein der P. Die extrem einfache Zusammensetzung der P. und die nahezu kristalline Anordnung des Bacteriorhodopsins haben vor Jahren eine exakte Strukturanalyse dieser Membran ermöglicht. Purpursäure, Murexid. push-pull-Systeme (engl. push ›schieben‹, engl. pull ›ziehen‹), Moleküle mit Atomen oder Atomgruppen mit Elektronenpaardonor-(EPD-) und ElekH H2N C C H C H O n tronenpaarakzeptor-(EPA-) Eigenschaften, z. B. lassen sich die Merocyanine als push-pull-Polyene auffassen. Beispiele für Donorgruppen sind Substituenten mit +I- und +M-Effekt (z. B. –NH2, −OH), Beispiele für Akzeptorgruppen sind Substituenten mit –I- und –M-Effekt (z. B. –NO2, –CHO). Putidaredoxin, ein Eisen-Schwefel-Protein vom Typ der Ferredoxine (FeS2-Cystein4). P. aus Pseudomonas putida besteht aus einer Polypeptidkette mit 106 Aminosäuren (Mr 12500). Es fungiert in diesem Mikroorganismus als Elektronenüberträger im Campher hydroxylierenden Monoosygenasesystem, das neben P. und einer NADH-abhängigen Putidaredoxinreductase noch Cytochrom P-450 ( Cytochrome) als terminale Oxidase enthält. Putrescin, Tetramethylendiamin, 1,4-Diaminobutan, H2N–(CH2)4–NH2, ein biogenes Diamin, das durch bakterielle Decarboxylierung von Ornithin entsteht. P. ist eine farblose, kristalline Verbindung mit unangenehmem Geruch, F. 27–28 °C, Kp. 158– −3 159 °C., n20 D 1,4969, D. 0,867 g cm , die in Wasser und Alkohol leicht, in Ether schwer löslich ist. P. wurde 1883 von Brieger in faulenden Eiweißstoffen gefunden (lat. putrescere ›verfaulen‹). Es zeigt die typischen Reaktionen der primären Amine, reagiert stark basisch und bildet mit Säuren beständige Salze. Bei Krebs ist die Ausscheidungsrate von P. im Harn erhöht. Andererseits wird P. durch Verknüpfung mit Cytostatika zur Herstellung selektiv wirkender Cytostatika eingesetzt. Es dient als Zwischenprodukt zur Herstellung von Polykondensations- und Polyadditionsprodukten, Mischpolymerisaten, Pharmazeutika sowie Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln. Vom P. leiten sich Spermin und Spermidin ab. PVAC, Abk. für Polyvinylacetat. PVAL, Abk. für Polyvinylalkohol. PVC, Abk. für Polyvinylchlorid. PVDF, Abk. für Polyvinylidenfluorid. 120 PVF, Abk. für Polyvinylfluorid. PVK, Abk. für Polyvinylcarbazol. p-Wert, in der Wasserchemie die bei Verwendung des Farbindikators Phenolphthalein zur Abstumpfung von 100 ml Wasser verbrauchten ml 0,1 N Salzsäure. Durch Multiplikation des p-Wertes mit 2,8 erhält man die Phenolphthalein-Alkalität (PA) und durch Multiplikation mit 40 die Alkalitätszahl (AZ). In modernen Höchstdruck- und Zwangs durchlaufdampferzeugern darf der zur Schutzalkalität erforderliche p-Wert 0,1 nicht übersteigen. m-Wert. Py, Abkürzung für Pyridin, insbesondere für Pyridinliganden in Metallkomplexen und -chelaten. Pyramidon®, Pyrazolone. Pyrane, sechsgliedrige, heterocyclische Verbindungen mit einem Sauerstoffatom und zwei C=CDoppelbindungen im Ring. Je nach der Lage der Dop4 5 3 6 1 2 O 2H-Pyran O 4H-Pyran pelbindungen unterscheidet man 2H-Pyran (aPyran) und 4H-Pyran (g-Pyran). Wichtige Abkömmlinge der P. sind die Pyrone, die Chromene ( Benzopyrane), das Xanthen und die Pyryliumsalze. 2H-Pyran-2-on, Pyrone. 4H-Pyran-4-on, Pyrone. Pyranose, Monosaccharide. Pyrantel, Anthelminthika. Pyrazin, 1,4-Diazin, pyridinähnlich riechende Kristalle; F. 54 °C, Kp. 115 bis 116 °C. P. ist leicht löslich in Wasser, Alkohol und Ether, mit Wasserdampf flüchtig. P. ist die Stammverbindung von vieN 4 1 N len Naturstoffen und Farbstoffen. Substituierte P. finden sich in getrockneten Pilzen, in den Röstaromen von Kaffee und Kakao, in Erdnüssen, Kartoffelchips und Knäckebrot. Pyrazinamid, Pyrazincarbonsäureamid, eine als Tuberkulostatikum verwendete Verbindung. Pyrazol, 1,2-Diazol, pyridinähnlich riechende, farblose Kristalle; F. 70 °C, Kp. 186 bis 188 °C. Es ist in Wasser, Alkohol und Ether leicht löslich. P. ist 43 512 N H N schwach basisch und hat einen ausgeprägten aromatischen Charakter. Gegenüber Säuren und Oxidationsmitteln ist es sehr beständig. Durch Reduktion von P. entsteht Pyrazolin, durch vollständige Hydrierung Pyrazolidin. Infolge intermolekularer Pyren Wasserstoffbrückenbindungen liegt P. dimer vor. Man stellt P. durch Kondensation von Hydrazin mit Propargylaldehydacetal oder durch Addition von Diazomethan an Acetylen dar. Als erstes natürlich vorkommendes Pyrazolderivat wurde die Aminosäure Pyrazolalanin aus den Samen der Wassermelone isoliert. Weiterhin ist P. der Grundkörper einer Reihe antipyretisch und antirheumatisch wirkender Heilmittel. Derivate des P. dienen als Kupplungskomponente für die Herstellung von Azofarbstoffen. Pyrazoline, die Dihydroverbindungen des Pyrazols. Nach der Stellung der verbliebenen Doppelbindung im Ring unterscheidet man 1-, 2- und 3-P. Derivate der drei möglichen tautomeren Formen sind bekannt. wirkungen wie Agranulocytose und Bildung von Alkylnitrosaminen in verschiedenen Ländern eingeschränkt bzw. verboten. Ein sehr gut wasserlösliches Derivat ist Analgin. Es wird durch Kondensation von 4-Methylaminophenazon mit Formaldehyd und Natriumhydrogensulfit erhalten. Im sauren Milieu zersetzt sich Analgin unter Bildung von 4-Methylaminophenazon, Formaldehyd und SO2. Im Propyphenazon ist die Dimethylaminogruppe durch den Isopropylrest ersetzt. Die Wirkung ist zwar schwächer als bei Aminophenazon, die Bildung von Alkylnitrosaminen dagegen wenig wahrscheinlich. R 4 3 5 12 N H N 2-Pyrazolin 2-P. ist eine kakaoähnlich riechende, farblose, luftempfindliche Flüssigkeit; Kp. 144 °C, n17 D 1,4796. Es ist in Wasser, Alkohol und Ether gut löslich, mit Wasserdampf ist es flüchtig. Man erhält 2-P. durch Reaktion von Diazomethan mit Ethylen, bei der Umsetzung von Acrolein mit Hydrazin oder durch Reduktion von Pyrazol. Im allg. sind die P. stärker basisch, leichter substituierbar und oxidierbar als Pyrazol. Von therapeutischer Bedeutung sind die Oxoderivate des 2-Pyrazolins, z. B. 2-Pyrazolin-5-on. 2-Pyrazolin-5-on, Pyrazolon, das Oxoderivat des 2-Pyrazolins. 2-P. bildet farblose Nadeln; F. 165 °C. Es ist leicht löslich in Wasser und Alkohol, unlöslich 5 12 N H N N H Pyrazol-5-on O O N N CH 3 C6H5 CH3 R = CH(CH3)2 : Propyphenazon Pyrazolonfarbstoffe, eine Gruppe von Azofarbstoffen, die als Kupplungskomponente Phenylmethylpyrazolon oder ein anderes Pyrazolonderivat enthalten, z. B. Eriochromrot (Abb.) und Tartrazin. OH CH3 N N N in Ether. 2-P. ist durch Reaktion von Formylessigsäureethylester mit Hydrazinsulfat zugänglich. 2-P. ist der Grundbaustein einer großen Gruppe von Antipyretika und Antineuralgika, z. B. Phenazon und Aminophenazon, sowie einiger technisch wichtiger Pyrazolonfarbstoffe. Pyrazolon, 2-Pyrazolin-5-on. Pyrazolone, Derivate des Pyrazol-5-on, die als Analgetika therapeutisch eingesetzt werden. Das erste Pyrazolonderivat, das als schwaches Analgetikum eingeführt wurde, war Phenazon (Antipyrin®); F. 113 °C. Es wird erhalten durch Kondensation von Acetessigester, CH3C(O)(CH2)–COOC2H5, mit Phenylhydrazin, C6H5NHNH2, und nachfolgende Methylierung. Aufgrund seiner schwachen analgetischen Wirkung und Nebenwirkungen wurde es weitgehend durch Aminophenazon (Pyramidon®), F. 109 °C, verdrängt. Letzteres wird aus Phenazon durch Nitrosierung, Reduktion der Nitrosogruppe zur Aminogruppe und deren Dimethylierung hergestellt. Die Verbindung ist wenig wasserlöslich. Die Anwendung von Aminophenazon ist wegen möglicher Neben- CH3 R = H : Phenazon R = N(CH3)2 : Aminophenazon R = N CH2 SO3– Na+ : Analgin NaO3S 4 3 O 4 3 2 5 1 HO N N C6H5 Eriochromrot Die P. werden in der Lackindustrie sowie zum Färben von Wolle nach dem Chromierverfahren angewendet. Pyren, ein kondensierter aromatischer Kohlenwasserstoff. P. bildet gelbe, blau fluoreszierende, sublimierende Kristalle; F. 156 °C, Kp. 393 °C. Es ist unlöslich in Wasser, wenig löslich in siedendem 10 1 9 2 3 8 7 4 6 5 Ethanol, gut löslich in Ether, Benzol, Toluol und Schwefelkohlenstoff. P. ist elektrophilen Substitutionsreaktionen zugänglich. Der Erstangriff erfolgt in 3-Stellung, die Zweitsubstitution in 8- oder 10-Position. P. kommt im Steinkohlenteer vor und wird daraus durch Extraktion mit Schwefelkohlenstoff und Reinigung über das Pikrat gewonnen. P. wird zur Herstellung von Farbstoffen verwendet. 121 Pyrethrine Pyrethrine, Sammelbezeichnung für die insektizid wirksamen Inhaltsstoffe des Pyrethrums. Sie werden aus den Blüten verschiedener Chrysanthemum-Arten gewonnen und kommen in unterschiedlichen Mengen in der Pflanze vor. Chemisch gesehen sind P. ein Gemisch von 6 optisch aktiven Estern der (+)-trans-Chrysanthemumsäure bzw. (+)-trans-Pyrethrinsäure mit (+)-Pyrethrolon, (+)Cinerolon und (+)-Jasmolon (Tab.). Die Absolutkonfiguration ist in allen Estern 1R,3R,4S. Die Doppelbindung in der Seitenkette des Alkoholteils ist cis-, die im Carbonsäureteil trans-konfiguriert. O C CH H3C Neo-Pynamin > 5000 Resmethrin Chryson, Synthrin >2500 Bioresmethrin Permethrin 7070 ... 8000 Ambush. Talcord, Dragon (Hygiene) Outflank (Veterinär) 430 ... 4000 Fastac Fendona (Hygiene) Renegade (Veterinär) 79 ... 400 BetaCypermethrin Cyperil, Chinmix 166 ... 178 ZetaCypermethrin Fury 106 molare Masse Cyfluthrin Baythroid Baygon (Hygiene) Solfac (Veterinär) 250 ... 500 BetaCyfluthrin Bulldock Responsar (Veterinär) 270 ... 500 135 ... 5000 Pyrethrin I –CH3 –CH=CH2 C21H28O3 328,43 Jasmolin I –CH3 –CH2–CH3 C21H30O3 330,45 Deltamethrin Decis Cinerin I –CH3 –CH3 C20H28O3 316,42 Cyhalothrin Grenade 114 ... 166 Pyrethrin II –COOCH3 –CH=CH2 C22H28O5 372,44 Karate 56 ... 79 Jasmolin II –COOCH3 –CH2–CH3 C22H30O5 374,46 LambdaCyhalothrin Cinerin II –COOCH3 –CH3 360,43 C21H28O5 Die Ester sind als Ganzes insektizid wirksam, die Bestandteile sind wirkungslos. Pyrethrine sind Kontaktgifte mit schnell eintretender Wirkung (knockdown-Effekt) und geringer Persistenz. Dies ist der Hauptgrund für den breiten Einsatz in den Anwendungsbereichen Haushalt, Hygiene und Vorratsschutz sowie in geringem Maße im Gemüse-, Obstund Gartenbau. Die Wirkung der Pyrethrine wird durch den Zusatz von Synergisten wie Piperonylbutoxid entscheidend verbessert. Pyrethroide. Ausgehend von den natürlich vorkommenden Pyrethrinen wurden durch synthetische Abwandlung photostabilere und persistentere Strukturen geschaffen, die zu der bedeutenden und sehr diversifizierten Wirkstoffklasse der P. führte (s. Tab. 1). Grundbaustein ist überwiegend die Chrysanthemumsäure, die mit verschiedenen aromatischen Alkoholen verestert ist (z. B. Allethrin, Tetramethrin, Resmethrin). Sie sind bei sehr geringer Warmblütertoxizität in ihrer Wirkung den Naturprodukten gleich oder erheblich besser. Von Bedeutung war auch die Einführung der Permethrinsäure, bei der formal die Isobutenylgruppe 122 784 ... 1545 Tetramethrin AlphaCypermethrin Pyrethrine. Tab.: Die Strukturen der Pyrethrine. Summenformel 585 ... 1100 Pynamin Forte 54 H R′ Pynamin Bioallethrin 250 ... 4150 CH3 R Allethrin Talstar O H3C Akute orale LD50 Ratte mg/kg Cymbush. Ripcord CH2 CH C C O Handelsnamen Cypermethrin R′ H3C Name Bifenthrin Allgemeines Strukturschema: R Pyrethroide. Tab. 1: Wichtige synthetische Pyrethroide. Acrinathrin Rufast >5000 Fenvalerate Sumicidin 451 Esfenvalerate Sumi-alpha 75 ... 458 Flucythrinate Cybolt, Cythrin 67 ... 81 Fluvalinate Mavrik >3000 CH3 CH3 H3C C CH CH2CH CH2 COO H3C CH3 O Pyrethroide. Abb. 1: Strukturbeispiel Allethrin. gegen eine Dihalogenvinylgruppe ausgetauscht ist (z. B. Permethrin, Cypermethrin, Deltamethrin). Diese P. sind Berührungs- und Fraßgifte und zeigen auch im Freiland eine Wirkungsdauer von mehreren CH3 Cl2C CH C O CH2 O CH3 O Pyrethroide. Abb. 2: Strukturbeispiel Permethrin. Pyridin Wochen. Das Deltamethrin, mit einer mehr als 1000mal höheren Wirksamkeit als das natürliche Pyrethrin, wird in der optisch aktiven D,cis-Form hergestellt (Decis). Wird die Cyclopropancarbonsäuregruppe durch strukturell und sterisch ähnliche, substituierte Carbonsäuren ersetzt, so resultieren zwar in der insektiziden Wirksamkeit etwas geminderte, aber im Wirkungsspektrum und den Gebrauchseigenschaften den natürlichen Pyrethrinen vielfach überlegene Verbindungen (z. B. Fenvalerate, Fluvalinate, Flucythrinate). Cl F 3C NH H3C H O CN O C Pyrethrum, Pyrethrine. Pyridat, heterocyclische Herbizide. Pyridazin, 1,2-Diazin, eine farblose, pyridinähnlich riechende Flüssigkeit; F. –8 °C, Kp. 208 °C, n20 D 1,5218. P. ist in Wasser, Alkohol und Ether leicht lös1 N 2 N lich. Es ist eine schwache Base. Mit Säuren bildet es Salze. Man gewinnt P. durch Decarboxylierung von Pyridazin-4,5-dicarbonsäure. Von technischem Interesse sind die Pyridazinone als Herbizide. Pyridin, eine farblose, hygroskopische, charakteristisch unangenehm riechende, brennbare Flüssigkeit; F. –42 °C, Kp. 115,5 °C, n20 D 1,5095. Es ist mit O CH3 Pyrethroide. Abb. 3: Strukturbeispiel Fluvalinate. Wichtige Wirkungsunterschiede zwischen den P. ergeben sich auch aufgrund einer vorhandenen oder nicht vorhandenen a-Cyano-Substitution. P. ohne a-Cyano-Substitution wie beispielsweise Bioresmethrin, Permethrin oder Tetramethrin zeichnen sich aus durch schnelles Einsetzen der Intoxikationssymptome in der Population, Koordinationsstörungen, Krämpfe und hohe Wiederholungsraten. P. mit a-Cyano-Substitution wie beispielsweise Cyfluthrin, Cypermethrin, Cyhalothrin, Deltamethrin, Fenvalerat, Esfenvalerat oder Fluvalinat zeichnen sich aus durch langsames Einsetzen der Intoxikationssymptome in der Population, hohe Mortalität und relativ niedrige Wiedererholungsraten. Die wichtigsten Einsatzgebiete der P. sind in Tab. 2 aufgeführt. Pyrethroide. Tab. 2: Wichtige Einsatzbereiche. Anwendungsgebiet Anwendungszweck Landwirtschaft und Gartenbau Bekämpfung von Pflanzenschädlingen Holzschutz Bekämpfung von Nutzholzschädlingen Vorratsschutz Bekämpfung von Schädlingen an pflanzlichen Lebensmitteln Hygiene Bekämpfung von KrankheitserregerÜberträgern (Vektoren), Allergenerzeugern, Toxinerzeugern und Lebensmittelverderbern einschließlich Ekelerregern Textilschutz Bekämpfung und Abwehr von Textilien-, Material- und Hygieneschädlingen Human- und Vetreinärtherapie Bekämpfung und Abwehr von Ektoparasiten N Wasser und organischen Lösungsmitteln in jedem Verhältnis mischbar. P. ist aromatisch und reagiert basisch. Im Gegensatz zum Benzol sind jedoch die π-Elektronendichten an den einzelnen Positionen des Ringes unterschiedlich: Am Stickstoffatom ist die Elektronendichte am größten und in den Positionen 2, 6 und 4 am kleinsten. Dies wird durch die im Vergleich zum Kohlenstoff höhere Elektronegativität des Stickstoffs verursacht. Elektrophile Substitutionsreaktionen verlaufen sehr schwer und nur unter verschärften Reaktionsbedingungen. Halogenierung, Sulfonierung und Nitrierung erfolgen in 3Position nur bei hohen Temperaturen. Nucleophile Substitutionsreaktionen laufen leichter ab, besonders in 2-, 4- und 6-Position. So liefert z. B. die Umsetzung mit Natriumamid 2-Aminopyridin und 2,6Diaminopyridin ( Tschitschibabin-Reaktion). Aufgrund dieser Besonderheit wird Pyridin als Stammverbindung der π-Mangel-Heterocyclen betrachtet. Eine vergleichbare Reaktion zeigt sich beim Nitrobenzol, d. h., das Ringstickstoffatom beeinflußt die Reaktivität des P. in ähnlicher Weise wie der –M-Effekt der Nitrogruppe im Benzolring. P. ist ein Elektronenpaardonator und bildet leicht DonorAkzeptor-Komplexe, z. B. mit Schwefeltrioxid, Zinkoder Kupferchlorid. Für organische Verbindungen zeigt es ein gutes Lösungsvermögen. Mit Säuren und Alkylierungsmitteln bildet es Pyridiniumsalze, Oxidation mit Wasserstoffperoxid ergibt Pyridin-Noxid. P. ist im Steinkohlen- und im Knochenteer, in pyrogenen Ölen verschiedener Herkunft, in Ölen bituminöser Schiefer, im Kaffeeöl und im technischen Amylalkohol enthalten. Technisch gewinnt man P. aus Steinkohlenteer durch Auswaschen mit verd. Schwefelsäure, anschließende Abscheidung mit Alkalien und Rektifikation. Es läßt sich auch aus einem Formaldehyd/Acetaldehyd-Gemisch und Am123 Pyridin-2-carbonsäure moniak synthetisieren. Vom P. und seinen hydrierten Derivaten leiten sich zahlreiche Naturstoffe ab, z. B. Coniin, Piperin, Nicotin, Tropin und Cocain. Man verwendet P. als Lösungsmittel, z. B. für wasserfreie anorganische Salze, viele organische Verbindungen und bei der Bestimmung der löslichen Bestandteile der Steinkohle, in der Technik zur Trennung nitrierter Naphthaline und zur Reinigung des Anthracens, als Kondensationsmittel bei der Herstellung von Phenolharzen, als halogenwasserstoffbindendes Mittel bei Acylierungsreaktionen sowie in großem Umfang als Ausgangsmaterial zur Synthese von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf der Basis von 2,2′-Bipyridin. Pyridin-2-carbonsäure, Picolinsäure. Pyridin-3-carbonsäure, Nicotinsäure. Pyridin-4-carbonsäure, Isonicotinsäure. Pyridin-2,3-dicarbonsäure, Chinolinsäure. Pyridin-3,4-dicarbonsäure, Cinchomeronsäure. Pyridinherbizide, Wirkstoffe, die bevorzugt zur Lösung besonderer Unkrautprobleme eingesetzt werden (s. Tab.). Die Schädigung der Pflanzen erfolgt durch einen Eingriff in den Wuchsstoffhaushalt. Pyridinherbizide. Tab.: Wichtige Beispiele. Name Handelsname Akute orale LD50 Ratte mg/kg NH2 Cl Cl 8200 Picloram Cl N COOH NH2 Cl Cl Fluroxypyr 2405 F N Cl O CH2 COOH Cl 690 ... 580 Triclopyr Cl N O CH2 COOH Cl Clopyralid 4300 Cl N COOH Pyridiniumsalze, zu den Oniumverbindungen gehörende quartäre Salze des Pyridins. Sie entstehen durch Anlagerung von Säuren, Alkylhalogeniden, Dialkylsulfaten, Sulfonsäureestern und Säurechloriden an das N-Atom von Pyridin. Es sind meist gut kristallisierende, reaktive Verbindungen. Infolge des starken –I-Effektes des quartären Stickstoffatoms sind in 2- und 4-Position methylsubstituierte N-Alkylpyridiniumsalze der Aldolreaktion zugäng124 lich. Durch Natronlauge werden N-substituierte P. zu 5-Hydroxypenta-2,4-dienal gespalten, aus dem durch Kondensation mit N-Methylanilin 5-(N-Methylanilino)-penta-2,4-dienal (Zincke-Aldehyd) entsteht, das mit Cyclopentadien zu Azulen kondensiert werden kann. Pyridin-N-oxid, Pyridin-1-oxid, bildet farblose, zerfließende Kristalle; F. 65 bis 66 °C, Kp. 146 bis 147 °C bei 1,73 · 103 Pa. Es wird durch Oxidation von Pyridin mittels Persäuren oder 30%igem Wasserstoffperoxid hergestellt. P. ist bevorzugt nucleophi- + N – O len Substitutionen in 2- und 4-Positionen und – im Gegensatz zum Pyridin – elektrophilen Substitutionen in 4-Position zugänglich. Bei der Einwirkung von Nitriersäure auf P. entsteht in 85%iger Ausbeute 4-Nitropyridin-N-oxid, das sich durch Behandeln mit Phosphor(III)chlorid in Chloroform in 4-Nitropyridin überführen läßt. Nimmt man die Abspaltung des Sauerstoffs reduktiv, z. B. mit Raney-Nickel in Eisessig/Acetanhydrid, vor, so wird zugleich die Nitrogruppe unter Bildung von 4-Aminopyridin reduziert. Durch Umsetzung von 4-Nitropyridin-N-oxid mit Acylhalogeniden kommt man zu 4-Halogenpyridin-N-oxiden und mit Natriumalkoholaten zu 4-Alkoxypyridin-N-oxiden. Diese sind reduzierbar und ermöglichen so die Synthese 4-substituierter Pyridinderivate, die sonst nur schwer zugänglich sind. Pyridostigmin, Parasympathikomimetika. Pyridoxal, Vitamin B6. Pyridoxalphosphat, Abk. PLP, ein aus Pyridoxin ( Vitamin B6) gebildetes Coenzym, das bei zahlreichen Reaktionen des Aminosäurestoffwechsels (u. a. Transaminierung, Decarboxylierung, Racemisierung) eine zentrale Rolle spielt. Pyridoxamin, Vitamin B6. Pyridoxin, Vitamin B6. Pyridoxol, Vitamin B6. Pyrimethamin, ein Diaminopyrimidinderivat, das als Antimalariamittel eingesetzt wird. Es wirkt als Schizontenmittel und wird zur Prophylaxe der Malaria z. T. zusammen mit einem Sulfonamid eingesetzt. P. hemmt die Dihydrofolsäurereductase ( Trimethoprim). Pyrimidin, 1,3-Diazin, farblose, charakteristisch riechende Kristalle; F. 22 °C, Kp. 123 bis 124 °C, n20 D 1,4998. Es ist in Wasser, Alkohol und Ether leicht 3 N 1 N löslich. P. ist eine schwache Base und bildet mit Mineralsäuren Salze. Elektrophile und nucleophile