Erwartungseffekte im Klassenzimmer

Werbung
Erwartungseffekte im Klassenzimmer
1. Begriffsklärung:
Lehrer wie Schüler interpretieren auf der Basis ihrer subjektiven Theorien die Situation und den
Interaktionspartner und richten ihr Handeln an diesen Ergebnissen aus. Die institutionsbedingte MachtAsymmetrie zwischen Lehrern und Schülern führt dazu, daß Schüler ihr Verhalten in hohem Maß auf
Erwartungen des Lehrers abstimmen. Für den Lehrer entfallen weitgehend Notwendigkeit und
Möglichkeit, eigene Erwartungen zu korrigieren. Die Schüler „formen“ sich nach dem „Bild“, das sich
der Lehrer von ihnen macht; dies ist der sogenannte „Pygmalion- Effekt“.
Da Erwartungen keineswegs immer zu positiven Effekten führen, haben BABAD et al. eine
Differenzierung vorgeschlagen. Sie sprechen von einem Galatea- Effekt, wenn Schüler die
Leistungserwartungen der Lehrer erfüllen und von Golem- Effekt, wenn Schüler mit Leistungsabfall
auf negative Erwartungen reagieren. Es besteht keine Notwendigkeit, für die Erklärung beider Effekte
prinzipiell unterschiedliche Prozesse in Anspruch zu nehmen.
Seit dem Erscheinen des Buches „Stigma“ von GOFFMAN hat sich für negative Erwartungsprozesse
der Begriff Stigmatisierung eingebürgert. Stigmatisierungsprozesse finden in fast allen
Lebensbereichen statt, angefangen von der sozialen Schicht als Stigma, der Zugehörigkeit zu einer
bestimmten Randgruppe oder Familie, der negativen Rollenzuweisung innerhalb der Familie, bis zur
Stigmatisierung als „geisteskrank, verwahrlost“ im Gesundheits- und Rechtswesen.
Stigmatisierungsprozesse beeinflussen Identität und Selbstgefühl der Betroffenen. Der Teufelskreis der
Stigmatisierung wurde von LÖSEL beschrieben.
2. Empirische Untersuchungen:
Die „Pygmalion“ Untersuchung: (positive Etikettierung) ROSENTHAL und JAKOBSON
•
In einem früheren Laborexperiment von Rosenthal wurde mit Ratten experimentiert. Die Tiere wurden in zwei
Gruppen aufgeteilt und sollten dann von Vpn trainiert werden. Ihnen wurde mitgeteilt, daß die Ratten der einen
Gruppe intelligenter als die anderen seien.
•
Das Ergebnis zeigte, daß die angeblich intelligenteren Tiere die besseren Ergebnisse lieferten. Die Erwartungen
der Vp.hatten ihr Verhalten beeinflußt: Sie zeigten mehr Geduld, mehr Wärme und Zuneigung.
R./J. übertrugen diese Versuchsanordnung an die Schule:
In der Schule wurden in 17 Klassen der unteren 6 Klassenstufen ein Intelligenztest durchgeführt. Der
den Lehrern unbekannte Test wurde als eine Methode vorgestellt, besonders schnelles „intellektuelles
Wachstum“ und günstige Leistungsentwicklungen vorherzusagen. Den Lehrern wurde sodann als
„Ergebnis“ mitgeteilt, daß einige ihrer Schüler voraussichtlich in nächster Zeit erhebliche
Leistungsverbesserungen erwarten ließen. - In Wirklichkeit war nach dem Zufall jeder 5. Schüler so
günstig etikettiert worden. Vier Monate später und am Jahresende wurde der Intelligenztest wiederholt.
Die IQ- Steigerung der Experimentalgruppe in den ersten beiden Klassenstufen überragte die der
Kontrollgruppen beträchtlich.
•
Für diese Klassentypen schien sich der „Erwartungsvorteil“ tatsächlich deutlich auf ein Merkmal auszuwirken, das
nach gängiger Vorstellung in diesem Alter bereits als relativ stabil angesehen wurde.
•
Der aufregende Schluß lag nahe, daß es von den Meinungen und Informationen des Lehrers abhängen sollte, ob
ein Kind intelligent wird oder nicht.
•
Diese Untersuchung löste viel Kritik aus. Zentraler Kritikpunkt ist die Vernachlässigung der konkreten Prozesse
im Unterricht. In diesem Experiment wurden nur die Produktmeßwerte gesammelt, aber die Interaktionsprozesse
C:\D A T E N\DIENST B\S E M I N A R\AUSBILDUNG\BEURTEILEN\Leistungsmessung\Sammlung\Erwartungseffekte im Klassenzimmer.doc- 1 / 21.11.2004 / Hv
nicht beobachtet. Es wurde auch an den Methoden der Untersuchung Kritik geübt, da der Ausgangs-IQ nicht bei
allen Schülern gleich war und der Test in jüngeren Klassenstufen recht unzuverlässig ist.
•
Den Prozeß- Gesichtspunkt, der von R. und J. außer Acht gelassen wurde, haben BROPHY und GOOD am
deutlichsten in einem Modell, aus 6 Phasen bestehend, herausgestellt. Darin werden die Interaktionen zwischen
Lehrer und Schüler beschrieben.
•
es bilden sich Lehrererwartungen
•
Lehrer behandeln die Schüler gemäß diesen Erwartungen
•
Schüler verhalten sich in der Regel reziprok zum Lehrerverhalten (Freundlichkeit - Sympathie; Ablehnung Rückzug)
•
bleiben die Erwartungen des Lehrers relativ starr, wird der Schüler gezwungen allmählich „eine andere Art
Schüler zu werden
•
Schülerverhalten und -leistungen weichen von früherem Verhalten und früheren Leistungen ab
Feldstudie von Seaver :
Seaver untersuchte die Auswirkungen von Erwartungseffekten unter natürlichen Bedingungen an
Geschwistern, die an die gleiche Schule gingen. Er teilte die älteren Geschwisterteile in gute und
schlechte ein (Leistung und IQ- Test) und machte Voraussagen, wie die jüngeren Geschwister bei dem
gleichen Lehrer benotet werden würden. Seine Vorhersagen wurden bestätigt. Waren beide beim
gleichen Lehrer, übertrugen die Lehrkräfte die Erwartungen vom älteren auf das jüngere Geschwister.
Hatten Schüler einen anderen Lehrer, als ihre älteren Geschwister, ließen sich keine Erwartungseffekte
zeigen. Jüngere Geschwister schlechter Schüler erreichten bessere Leistungen, wenn sie einen anderen
(unvoreingenommenen) Lehrer hatten.
3. Prozeßverlauf: nach Mietzel
Inzwischen liegen mehrere Modelle vor, wie Lehrer Erwartungen entwickeln, wie sie diese dem
Schüler mitteilen und wie dieser darauf reagieren kann. In den folgenden Abschnitten werden die
einzelnen Phasen näher erläutert.
Wahrnehmung der Schülerpersönlichkeit:
•
das Leistungsverhalten wird nicht nur von Persönlichkeitsmerkmalen des Schülers, sondern ebenso von seinen
äußeren Lernbedingungen (Unterrichtsmethode) mitbestimmt
•
Untersuchungen von MEYER/BUTZKAMM zeigten aber, daß Lehrer das Leistungsverhalten von Schülern zu 90
% auf Persönlichkeitsmerkmale der Schüler beziehen. Offenkundig machten sie den Schüler und seine
außerschulischen Lernbedingungen, nicht aber sich selbst für die Ergebnisse der Unterrichtsarbeit verantwortlich.
•
Einer Übersicht von BRAUN ist zu entnehmen, daß sich der Lehrer an sehr verschiedenen Informationen
orientieren kann, um Rückschlüsse auf die Schülerpersönlichkeit ziehen zu können. Nicht alle dieser Daten lassen
wirklich einen Rückschluß auf das Leistungsverhalten eines Schülers zu. Name, Geschlecht, IQ- Test,
vorausgegangene Leistungen...
•
In den Experimenten von Braun sollten Lehrer Schüler beurteilen, mit denen sie erst sehr wenig Kontakt gehabt
hatten. Bei einer geforderten Beurteilung kann in das Urteil des Lehrers auch mit einfließen, welche Leistungen
bereits von älteren Geschwistern erbracht wurden (Seaver)
•
Untersuchungen haben gezeigt, daß Lehrer auch den Vornamen, das Aussehen, Geschlecht, ethnischen Rasse...
berücksichtigen.
•
Es ist damit zu rechnen, daß ein Lehrer bei geforderter Beurteilung der Leistungsfähigkeit, sich an seiner
impliziten Persönlichkeitstheorie orientiert. Die IPT ist ein System von unreflektierten, vereinfachten Annahmen
über Zusammenhänge von Persönlichkeitseigenschaften. Diese Theorie umfaßt das naive Wissen über die
Persönlichkeitsstruktur eines Menschen, über sein Wesen. Man setzt sich mit den Inhalten seiner P.theorie in der
Regel nicht bewußt auseinander. Beispielsweise schreibt man Brillenträgern häufig vergleichsweise hohe
Intelligenz zu. Diese Theorie kann sich vorurteilhaft auf die Schülerbeurteilung auswirken. Die Existenz dieser
Theorien wurde von HOFER in Untersuchungen nachgewiesen.
C:\D A T E N\DIENST B\S E M I N A R\AUSBILDUNG\BEURTEILEN\Leistungsmessung\Sammlung\Erwartungseffekte im Klassenzimmer.doc- 2 / 21.11.2004 / Hv
•
In einer zweiten Studie wurde untersucht, welche Merkmale ein Lehrer beachtet, wenn er bereits für einige Zeit
Erfahrungen mit Schülern gesammelt hat. Sie haben gezeigt, daß erfahrene Lehrer nicht mehr bereit sind, von
Außenstehenden für einzelne Schüler Kennzeichnungen zu akzeptieren, die ihren eigenen Erfahrungen
widersprechen.
•
Es gibt umfassende Belege, daß in die Erwartungen von Lehrern Merkmale wie Geschlechts- und
Rassenzugehörigkeit, sozio- ökonomischer Status sowie Anpassung eines Kindes an Schul- und
Unterrichtsbedingungen mit einfließen.
Differentielle Behandlung von Schülern
•
Anerkannte Unterschiede in der Lern- und Leistungsfähigkeit von Schülern machen Differenzierungsmaßnahmen,
Unterschiede in der Behandlung von Mitgliedern in einer Klasse, notwendig, allerdings ist zu fordern, daß jeder
Schüler die ihm jeweils adäquaten Anregungsbedingungen erhält.
•
Man konnte aber beobachten, daß Lehrer die Schüler im Einklang mit ihren jeweiligen Leistungserwartungen
behandelten. Dies wurde von BROPHY/GOOD mittels umfangreicher standardisierter Fragebögen im Unterricht
untersucht. Sie kamen zu dem Ergebnis, daß es zu einem Schereneffekt, im Beziehung auf die
Aufmerksamkeitszuwendung, kommt.:
Art und Häufigkeit der Kontakte
•
Vermeintlich schwachen Schülern wird häufig weniger Aufmerksamkeit zuteil; an sie richtete der Lehrer weniger
Fragen.
•
es wurde Ihnen weniger Zeit zur Beantwortung einer Frage gegeben.
•
Verminderte Bereitschaft zur Umformulierung einer Frage; Lehrer neigen dazu die Frage selbst zu beantworten
oder einen „Guten“ aufzurufen
Sozial- emotionales Klima:
•
weniger Freundlichkeit; weniger emotionale Unterstützung über nonverbale Ausdrucksmerkmale
•
weniger Augenkontakt
Rückmeldungen:
•
Lobende Stellungnahmen auf falsche oder unzureichende Antworten von „schwächeren“ Schülern
•
für Erfolge werden gute Schüler mehr gelobt als schlechte Schüler
•
Bei schriftlichen Arbeiten wurden bei guten Schülern mehr Fehler übersehen als bei schlechten S.; Lehrer
entschied eher zu Gunsten der guten Schüler
•
Nach CARNO & MELLON beeinflussen sich Lehrer und Schüler gegenseitig. Allerdings ist der Einfluß von
Lehrererwartungen auf die Schülerleistung tendenziell größer als der Einfluß, den das Schülerverhalten auf die
Einstellungen von Lehrern nimmt.
•
DWECK und ihre Mitarbeiter beobachteten in mehreren Klassen, daß Jungen insgesamt mehr Tadel als Mädchen
empfingen. Mißerfolge bei Jungen führten die Lehrer achtmal häufiger als bei Mädchen auf fehlende Anstrengung
zurück. In 88,2 % der Fälle bezogen sich dagegen kritische Stellungnahmen der Lehrer gegenüber Schülerinnen
auf intellektuelle Aspekte ihrer Arbeit. Auch beim Lob ließen sich Geschlechtsunterschiede feststellen. Dies bezog
sich bei Mädchen eher auf nicht- intellektuelle Aspekte (ordentlicher Hefteintrag), bei Jungen auf deren
intellektuelle Kompetenz.
Interpretation des Lehrerverhaltens durch den Schüler
•
Der Nachweis, daß Lehrer Erwartungen entwickeln und sich diesen entsprechend den Schülern gegenüber
verhalten, erklärt noch keinen Erwartungseffekt. Entscheidend ist, wie der Schüler das Verhalten des Lehrers
wahrnimmt und interpretiert.
•
DWECK et al. überprüften die Vermutung, daß, durch die unterschiedliche Akzentuierung der Stellungnahmen
der Lehrer, bestimmte Interpretationsweisen eher verstärkt werden, durch ein Experiment. Sie schufen eine
Situation, in der Kinder Mißerfolge erleben sollten. Unter der einen Bedingung wurden Mißerfolge mit
intellektuellen Aspekten in Beziehung gebracht (Lehrer-Mädchen-Bedingung), bei der anderen wurden
Mißerfolge wechselnd mit intellektuellen Aspekten oder mangelnder Sorgfalt in Beziehung gebracht (LehrerJungen-Bedingung). Nach einem Mißerfolg an einer weiteren Aufgabe wurden die Kinder nach den Ursachen für
C:\D A T E N\DIENST B\S E M I N A R\AUSBILDUNG\BEURTEILEN\Leistungsmessung\Sammlung\Erwartungseffekte im Klassenzimmer.doc- 3 / 21.11.2004 / Hv
diesen befragt. Kinder der Gruppe 1 bezogen diesen auf mangelnde Fähigkeit, Kinder der Gruppe 2 auf mangelnde
Anstrengung.
•
Es ist auch damit zu rechnen, daß der Schüler auch affektive Reaktionen des Lehrers wahrnimmt und interpretiert.
Die Einstellung des Lehrers kann nicht nur über sprachliche Mitteilungen, sondern auch über nonverbale
Kommunikationsformen zum Ausdruck gebracht werden. In Studien von WEINER zeigte sich, daß Affekte
Aufschluß darüber geben können, welche Erwartungen Interaktionspartner voneinander haben. (Zufriedenheit =
Erfolg erwartet)
Akzeptierung der Lehrererwartung durch den Schüler
•
Ob sich ein Erwartungseffekt realisiert, hängt im wesentlichen davon ab, ob ein Schüler die an ihn
herangetragenen Erwartungen auch akzeptiert. Schüler sind jedoch aufgrund ihres Selbstkonzepts unterschiedlich
stark bereit dies zu tun.
•
Der Mensch (vor allem jüngere Kinder) ist bezüglich der Einschätzung seiner eigenen Leistungsfähigkeit unsicher,
wenn es ihm noch an Erfahrung mangelt. In der Grundschule ist deshalb die Bereitschaft, sich von den
Erwartungshaltungen des Lehrers beeinflussen zu lassen noch vergleichsweise hoch.
•
Aber auch Erwartungen seitens der Eltern, der Gleichaltrigen und weiterer Personen üben ihren Einfluß auf das
Selbstkonzept und die Selbsterwartungen von Schülern aus. Den ersten Schuljahren kommt für die Entwicklung
des Selbstkonzepts eine besondere Bedeutung zu.
•
Ein negatives Selbstkonzept, das in den ersten Jahren geprägt wurde, weist gegenüber Veränderungen eine hohe
Resistenz auf.
Realisierung der Lehrererwartungen durch den Schüler
•
Von der Wirksamkeit eines Erwartungseffektes kann nur dann gesprochen werden, wenn ein Schüler im Verlauf
von Interaktion mit seinem Lehrer die Erwartungen erfüllt, die an ihn herangetragen werden.
•
es müßte nachgewiesen werden, daß die Leistungsveränderungen eines Schülers wenigsten teilweise als Ergebnis
von Lehrererwartungen zustand gekommen sind. Die Gegenwärtigen Kenntnisse sind völlig unzureichend.
•
BROPHY faßt zusammen, daß „die Existenz einer Lehrererwartung gegenüber den Leistungen eines bestimmten
Schülers die Wahrscheinlichkeit erhöht, daß sich die Schülerleistung in die erwartete Richtung und nicht in die
entgegengesetzte Richtung bewegt.“
4. Pädagogische Konsequenzen:
•
Sensibilisieren durch Bewußtmachen: Schriftliche Notizen tragen zur Bewußtmachung des Schülerbildes bei.
Kollegen können zur Beobachtung herangezogen werden.
•
Individuelle Bezugsnorm: Der Lehrer sollte schlechte Schüler an einer individueller Bezugsnorm messen, um
Lernfortschritte zu erkennen und schlechte Leistungen nicht als Provokation zu betrachten. Gleichzeitig wird
dadurch das Selbstkonzept des Schülers positiv beeinflußt.
•
Wechsel der Sozialformen: Wie stark diese Voreingenommenheit aber in Erscheinung tritt, hängt wiederum von
Merkmalen der Unterrichtsgestaltung ab. Im Frontalunterricht erhalten die Schüler nur Rückmeldung durch den
Lehrer, in anderen Unterrichtsformen auch von Mitschülern. Dabei können falsche Lehrererwartungen
abgemildert oder korrigiert werden.
•
AMES & McKELVIE stellten fest, daß Lehrer unter Wettstreitbedingungen größere Unterschiede in der
Leistungsfähigkeit von Schülern wahrnehmen als unter kooperativen Bedingungen.
2. Gruppen und Gruppenprozesse
Die soziale Gruppe:
Zum Begriff „soziale Gruppe“ unter psychologischem Aspekt:
•
Gruppenmitglieder stehen in Beziehungen zueinander, so daß das Verhalten eines Mitgliedes Konsequenzen für
die anderen hat. (Interaktion - Abhängigkeit)
•
Gruppenmitglieder haben ein großes Maß an Gemeinsamkeit bezüglich ihrer Ziele, Normen und Werte.
C:\D A T E N\DIENST B\S E M I N A R\AUSBILDUNG\BEURTEILEN\Leistungsmessung\Sammlung\Erwartungseffekte im Klassenzimmer.doc- 4 / 21.11.2004 / Hv
Angesichts der Vielgestaltigkeit sozialer Gruppen ist eine allgemeine Bestimmung des
Gruppenbegriffs recht unbefriedigend
1. Vier Dimensionen von Gruppen:
Kleingruppe versus Großgruppe: quantitativ
•
Kleingruppen bestehen in der Regel aus bis zu fünf Personen; genau fünf Mitglieder erwiesen sich als besonders
günstig: am Zufriedensten
•
Kleingruppen können mit gerader und ungerader Anzahl bestehen: ungerade Gruppenstärken verhindern toten
Punkt
•
Kleingruppen bieten verbesserte Möglichkeiten des „Face-to-face“ - Kontakts, gute Überschaubarkeit des
Geschehens
•
Kleingruppen bedeuten gute Vertrautheit, Bekanntheit, wenig Anonymität, Fremdheit und Angst
•
Kleingruppen erfordern mehr Verantwortlichkeit des Einzelnen für das Gruppengeschehen
•
Auf Kleingruppenarbeit wird aber häufig mit Abwehr, Vorbehalten oder Angst reagiert
•
Es kommt auf die Vorerfahrungen, Inhalte und Ziele der jeweiligen Arbeit an, wenn man über die Vor- und
Nachteile von Klein und Großgruppen urteilen will.
•
Schulklassen sind kaum als Kleingruppe anzusehen Problem der Übertragung der Ergebnisse der
Kleingruppenforschung
Primärgruppe versus Sekundärgruppe: Gefühlsbindung
•
Der Begriff „Primärgruppe“ wurde von COOLEY (1902) geprägt; sie spielen für Persönlichkeitsentwicklung
„primäre“ Rolle und zeichnen sich durch starke, intime Gefühlsbindungen aus: Familie, ihr wird allerdings von
einigen Autoren eine Sonderstellung eingeräumt; Freundschaftsgruppen, zeichnen sich durch „Wir-Gefühl“ aus,
das häufig eine Abgrenzung zu anderen mit sich bringt (ingroup - outgroup)
•
Die Sekundärgruppe stellt die Negation zur Primärgruppe dar
Formelle und informelle Gruppen: Offenheit/Struktur
•
bei formellen Gruppen sind Ziele, Rollen und Normen vorgeschrieben
•
Informelle Gruppen zeichnen sich aus durch: Flexibilität und Spontaneität; Struktur nicht organisatorisch
festgelegt; keine feste Rollen; momentane Struktur ist stärker durch Sympathie und Antipathie geprägt
•
In Schulklassen lassen sich sowohl formelle als auch informelle Momente feststellen; Mitgliedschaft in der
Schulklasse beruht nicht auf freier Entscheidung, Aufgaben des Lehrers sind gesetzlich vorgeschrieben; Daneben
kommt es zur Bildung kleiner Gruppen, Grüppchen und Cliquen
Gruppen mit unterschiedlichen Aufgaben und Zielen: Funktion
•
Arbeitsgruppe: Zweckgerichtet; auf eine Aufgabe außerhalb des eigentlichen Gruppenprozesses bezogen
•
Freizeitgruppe: Gruppenprozess und -situation haben für sich Befriedigungscharakter
•
Eine besondere Aufgabe erhält eine Gruppe dann, wenn sie sich selbst ausdrücklich zum Gegenstand macht
(Selbsterfahrungsgruppe)
2. Die empirische Untersuchung von Gruppen (Soziogramm):
•
Mit Hilfe bestimmter Methoden kann man eine Art „Momentaufnahme“ von einer Gruppe erstellen und dadurch
die Gruppenstrukturen erfahren. Dies ist möglich durch:
•
die Aufforderung zu einer Stellungnahme der Gruppenmitglieder (Befragungsmethode); wobei die
Gruppenmitglieder gebeten werden, die anderen zu beurteilen und einzuschätzen
•
Beobachtungsmethoden, dabei wurden drei Forderungen hervorgehoben:
C:\D A T E N\DIENST B\S E M I N A R\AUSBILDUNG\BEURTEILEN\Leistungsmessung\Sammlung\Erwartungseffekte im Klassenzimmer.doc- 5 / 21.11.2004 / Hv
•
Ziele und Gegenstände der Beobachtung müssen festgelegt werden
•
Es sind Beobachtungseinheiten zu bestimmen und Kategorien festzulegen
•
Zuverlässigkeit (siehe Jahnke S. 181)
Das Soziogramm:
•
das Soziogramm ist die wichtigste Befragungsmethode zur Analyse von Interaktionsprozessen.
•
dieses Verfahren geht auf den Arzt J. L. MORENO zurück. Inzwischen gibt es zahlreiche Weiterentwicklungen.
•
es wird besonders häufig in Schulklassen angewendet
•
es scheint einfach handhabbar
•
die Aussagekraft sollte nicht überschätzt werden
•
MIKULA unterscheidet drei Fragestellungen, die einer empirischen Gruppenuntersuchung mit Hilfe der
Soziometrie zugrunde liegen können:
Aussagen über einzelne Gruppenmitglieder (Bsp: Wer ist deiner Meinung nach der Gruppenführer?)
2.
Feststellung der zwischenmenschlichen Relation (Bsp: Neben wem möchtest du gerne sitzen?)
Feststellung bestimmter Gruppencharakteristika (Bsp: Fühlst du dich in deiner Gruppe wohl?)
•
Eine der gebräuchlichsten Fragen bei Schulklassen - Soziogrammen ist die nach dem Wunsch - Sitznachbarn (regt
offenbar eine realistische Einschätzung von Sympathie und Interaktionsbereitschaft an; gilt nur wenn die Frage
ernst genommen wird und Konsequenzen erwartet werden)
•
Verschiedene Fragestellungen führen zu unterschiedlichen Hypothesen: es gibt demnach nicht die
Gruppenstruktur an sich, sondern mehrere Strukturebenen
•
BARTUSSEK und MIKULA verglichen 14 verschiedene Fragestellungen an vier Gymnasial-Abschlußklassen
Nachweis von 4 voneinander unabhängigen Faktoren, d. h. 4 verschiedene Gruppenstrukturebenen (Annahme: bei
jüngeren Kindern eine weniger differenzierte Faktorenstruktur).
•
Sympathie im Sinne gewünschten Kontakts
•
Freundschaft im Sinne bestehenden Kontakts
•
(eingeschätzte) Schulleistung des Gewählten
•
(eingeschätztes) Organisationstalent des Gewählten (siehe Jahnke S. 183)
•
Eine einzige Frage kann also nicht das Soziogramm der Gruppe ergeben, sondern meist nur einen von mehreren
Beziehungsaspekten beleuchten.
Die Durchführung und Auswertung von Soziogrammen (Beispiel: „Sitznachbar“-Frage)
•
Die Festlegung oder Begrenzung der Anzahl von Wahlen ermöglicht eine bessere statistische Auswertung.
•
Bei unbegrenzter Anzahl von Wahlen kann das Maß für Kontakthunger bzw. Kontaktdichte ermittelt werden.
•
Die Ergebnisse einer Befragung werden in einer Tabelle, der Soziomatix zusammengefaßt (Bsp. siehe Jahnke S.
185) (Urliste/Grundtabelle), die alle Informationen aus der Befragung enthält, aber noch kein sehr anschauliches
Bild von den Beziehungen und Strukturen in der Gruppe gibt.
•
Die Soziomatrix zeigt auch, ob Gleich- oder Gegengeschlechtlich gewählt wurde. Dieses Verhältnis kann aber
auch separat in Form einer Tabelle ausgedrückt werden.
•
Die Rangreihe der Gruppenmitglieder gibt die Beliebtheit des Einzelnen durch die Häufigkeit der auf ihn
entfallenen Stimmen an. Sie sagt allerdings noch nichts über gegenseitige Beziehungen der Gruppenmitglieder
untereinander aus oder von wem die Stimmen kommen und ob die Wahlen erwidert wurden.
C:\D A T E N\DIENST B\S E M I N A R\AUSBILDUNG\BEURTEILEN\Leistungsmessung\Sammlung\Erwartungseffekte im Klassenzimmer.doc- 6 / 21.11.2004 / Hv
•
Negative Wahlen sind deshalb bedeutsam, weil sie eine Unterscheidung zwischen aktiver Ablehnung und Nicht Beachtung gestatten
•
Die zwischenmenschlichen Beziehungen kommen in eine graphische Darstellung, das eigentliche Soziogramm.
Für dieses gibt es aber kein allgemein verbindliches Zeichensystem; z. B. das Zielscheibensoziogramm: Das
Gruppenmitglied mit dem meisten Stimmen wird in der Mitte, das mit den wenigsten am Rand angeordnet
•
Übersichtlichkeit und Anschaulichkeit leiden, wenn die Gruppenmitgliederanzahl zu hoch wird
Gruppenprozesse/Gruppendynamik:
Voraussetzungen und Bedingungen der Gruppenbildung:
•
Menschen bringen verschiedene Vorerfahrungen, Erwartungen und Einstellungen gegenüber Gruppen und
Gruppenarbeit mit.
•
Gruppenbildung braucht Zeit: Klärung des Vorgehens, Aufbau der Gruppenstruktur
•
Entscheidungen sind erst dann zu erwarten, wenn man einen „kleinsten, gemeinsamen Nenner“ gefunden hat, z.B.
Einigung auf ein formales, unpersönliches Vorgehen.
•
Ein wesentliches Problem scheint das Führungsproblem zu sein.
•
Zu Beginn von Gruppenbildungsprozessen ist Vorsicht und Angst bei den meisten Teilnehmern zu beobachten:
Gefahr der Ablehnung (man kann sich nicht verstecken; es werden höhere Anforderungen an den Einzelnen
gefordert und gefürchtet); auf der anderen Seite besteht die Möglichkeit der Selbstdarstellung und
Selbstbestätigung
1. Phasenmodelle zur Gliederung von Gruppenbildungsprozessen:
(stellt nur allgemeine Gemeinsamkeiten dar; kann nicht vereinheitlicht werden)
•
BENNIS & SHEPARD nehmen ein 2 Phasenmodell mit jeweils 3 Unterphasen an. (Dependenz Machtverhältnisse und Interdependenz - persönliche Beziehungen)
•
TUCKMAN schlägt die Einteilung in 4 Phasen vor
•
beide Modelle beziehen sich auf Therapie und Trainingsgruppen; daraus ergibt sich das Problem der
Generalisation
Das 4 Phasen Modell:
Gruppenstruktur
1. Forming
Formierung
2. Storming
Konfliktphase
3. Norming
Normierungsphase
4. Performing
Arbeitsphase
Arbeitsaktivität
Angst und Abhängigkeit von einem
Führer; Prüfung der Situation und
des angemessenen Verhaltens
Die Aufgabe ist definiert; Methodene
und Regeln sind bekannt
Konflikte innerhalb der Gruppe;
Auflehnung gegen den Führer;
Meinungsver-schiedenheiten;
Konflikte über Kontrolle und
Intimität
Emotionaler Widerstand gegen die
Aufgabenanforderungen
Mehr Offenheit über Meinungen und
Entwicklung des Gruppenzusammenhalts, des Gruppengefühls; Gefühle; kooperation wird möglich
Normen werden gebildet;
gegenseitige Unterstützung
Zwischenmenschliche Probleme sind
gelöst. Die Beziehungen stehen mehr
im Dienst der Aufgaben; Rollen sind
flexibel und funktional
Die Energie ist für effektive,
problemlösende Arbeit verfügbar.
Die Gruppe strengt sich an, die
Aufgabe abzuschließen
C:\D A T E N\DIENST B\S E M I N A R\AUSBILDUNG\BEURTEILEN\Leistungsmessung\Sammlung\Erwartungseffekte im Klassenzimmer.doc- 7 / 21.11.2004 / Hv
Probleme des 4 Phasen Modells
•
Frage der Dauer der einzelnen Phasen ist unklar?
•
Ist ein zurückfallen in bereits überwundene Phasen möglich?
•
Ist das Modell zu harmonisch? „von Chaos zum geordneten Miteinander“ (Realität: Spannung - Lösung; Streit Versöhnung)
•
Modell ist kein sozialpsychologisches Gesetz, eher die Beschreibung eines durchschnittlichen Verlaufs
2. Gruppendynamik:
•
FRASER äußerte die Hypothese, daß Gruppen immer zu Einigung, Konsens und Konformität streben.
•
M. SHERIF zeigt, daß Mitglieder einer Gruppe ihre Urteile (Schätzungen) angleichen (Mittelwert)
•
S. ASCH untersuchte die Wirkung des Gruppendrucks auf eine leichte, eindeutig lösbare Wahrnehmungsaufgabe.
Aus drei deutlich verschieden langen Linien sollte diejenige herausgesucht werden, die einer Vergleichsstrecke
entsprach. Es gab pro Gruppe eine Vp, alle anderen wurden eingeweiht. Ein drittel der Vpn beugte sich dem
Gruppendruck in mehr als der Hälfte der Fälle.
•
Aber: trotzdem fraglich ab man auf einen allgemeinen Konformitätstrend in Gruppen schließen kann
•
In weiteren Untersuchungen von WILKENING zeigte es sich, daß auch bei Meinungsäußerungen (Beurteilung
von Sätzen wie: Wer viel fernsieht, braucht keine Bücher mehr zu lesen) Konformitätseffekte nachweisbar sind.
•
Aber: dennoch ist Skepsis angebracht. Die Alltagsbeobachtung zeigt nicht selten Konflikte,
Meinungsverschiedenheiten, Spannungen und Spaltungen, die der Annahme widersprechen.
•
Konformitätstendenzen sind für die Gruppenbildung wichtig, sie können jedoch im Verlauf der
Gruppenentwicklung von gegenläufigen Tendenzen kontrastiert und überformt werden.
3. Rollen und Verhaltensdifferenzierung in Gruppen
Frage: Wie kommt es zu verschiedenen Verhaltensweisen von Individuen in sozialen Gruppen
•
Unterschiede des Verhaltens zeigen sich in Gruppen mit Regelmäßigkeit
•
Ungleichheit zeigt sich schnell: einzelne ergreifen Initiativen, andere beobachten zunächst abwartend, ein weiterer
steht der Sache skeptisch gegenüber.
•
Jeder bringt seine spezifischen Vorerfahrungen und seine eigene Sozialisation in eine Gruppe hinein.
•
In einer Gruppe treffen Individuen mit unterschiedlichen Sichtweisen, Erwartungen, Befürchtungen und Absichten
zusammen.
•
Alle diese unterschiedlichen Voraussetzungen können den Einzelnen in seiner Aktivität hemmen oder stimulieren
Eine Untersuchung von BALES zeigt die Aktivitätsunterschiede in Gruppen unabhängig von der
Gruppengröße
•
Auffallend ist, daß in allen Gruppen eine Person ungleich häufiger als die übrigen agiert. Es bildet sich auch in „ad
hoc“ zusammengesetzten Experimentalgruppen spontan eine Art Führer heraus.
•
Auch in einer Grundschüler - Gruppe (3. Klasse) entstand ein ganz ähnliches Bild.
•
In Gruppen scheint es regelmäßig zu Verhaltensdifferenzierungen nach der Aktivität zu kommen. Es liegt nahe,
diese Unterschiede im Sinne von Dominanz und Hierarchie zu interpretieren und sie als Merkmale der
Machtstruktur einer Gruppe anzusehen.
•
Im alltäglichen Sprachgebrauch wird bei auffälligen Verhaltensunterschieden gern der Begriff „Rolle“ verwendet.
Nach ULICH gibt es in der Schulklasse nur zwei gesellschaftlich bestimmte Positionen: Lehrer und Schüler. An
alle Schüler werden die gleichen gesellschaftlichen Erwartungen gerichtet. Verhaltensunterschiede sind eher im
Sinne von „Verhaltenstypen“ zu verstehen.
4. Lehren und Lernen in Gruppen
C:\D A T E N\DIENST B\S E M I N A R\AUSBILDUNG\BEURTEILEN\Leistungsmessung\Sammlung\Erwartungseffekte im Klassenzimmer.doc- 8 / 21.11.2004 / Hv
Soziale Gruppeneinflüsse auf Lernen; Motivation und Leistung
•
Das Verhalten wird durch die Anwesenheit anderer entscheidend beeinflußt
•
Andere können ein anregendes oder gefürchtetes Publikum sein
•
Andere können eine anspornende oder entmutigende Vergleichsgruppe sein
•
Andere können helfend oder störend erlebt werden
Das Lernen in Gruppen wird als höchst unterschiedlich bewertet.
HOFSTÄTTER unterschied drei Bereiche, in denen Gruppen gegenüber isolierten Individuen im
Vorteil sein können:
•
1. Bei Leistungen vom Typ des Hebens und Tragens (Addition der Körperkräfte)
•
2. Bei Leistungen vom Typ des Suchens, allerdings besonders dann, wenn Kommunikation und Unabhängigkeit
gewährleistet sind.
•
3. Bei Leistungen vom Typ des Bestimmens (Bewertungs-, Definitions- und Benenn-ungsleistungen)
•
Leistungen vom „Typus des Lernens“ kann nicht mit einer pauschalen Stellungnahme gerechtfertigt werden; aber:
Gruppenarbeit ist der Individualarbeit nicht unterlegen
Zwei Thesen zur Schlüsselrolle der Motivation beim Lernen im sozialen Kontext:
•
Soziale Einflüsse auf den LernProzess sind in erster Linie Beeinflussungen der Lernmotivation. Die Gegenwart
anderer wirkt sich nicht nur im Sinne „Sozialer Erleichterung“ von Leistungen aus, sondern wohl in erster Linie in
einer Sozialen Aktivierung. Auch Angst, Furcht, „Lampenfieber“ sind Zustände erhöhter Aktivierung und
Erregung.
•
Bestimmte „Rollen“ oder Positionen in Lern- oder Arbeitsgruppen sind mit unterschiedlichen Lernbereitschaften
(Motivation) verbunden.
HEIGL-EVERS und HEIGL unterscheiden 4 Gruppenpositionen oder Funktionen in sozialen
Gruppen:
Position
dominierende
Sichtweise
Lernbereitschaft, motivation(LM)
Folgen einer
Verfestigung in
der Position
Erhaltung von Macht und
Aussehen
geringere LM Lernbereitschaft wäre eine
Gefährdung der
Vollkommenheit
Identifikation mit dem
Lehrer; Anpassung
rezeptive Bereitschaft,
Williges Mitmachen ohne
jedoch unkritisch, unkreativ Reflexion und Distanz
3. Beobachter
Distanz, bedingtes
Engagement
Abwägende
Auseinandersetzung;
unpersönliches Interesse
4. Außenseiter
Gefährdung, Protest und
Abwehr
geringe LM, („alles was die Fixierung in
machen oder was von
(schweigenden) Protest
denen kommt taugt sowieso
nichts“)
1. Repräsentant
2. Anhänger
Lernstoff ist Machtmittel;
Erstarrung im
Vollkommen-heitsanspruch
Handlungsbehindernde ja,
aber teils-teils-Haltung
Dieses Gruppenmodell stammt aus Therapie- und Diskussionsgruppen und kann nur mit Vorbehalt auf
Klassen übertragen werden
C:\D A T E N\DIENST B\S E M I N A R\AUSBILDUNG\BEURTEILEN\Leistungsmessung\Sammlung\Erwartungseffekte im Klassenzimmer.doc- 9 / 21.11.2004 / Hv
•
Positionen werden besonders deutlich bei Diskussionen
•
Die Autoren ordnen den Positionen spezifische Lernbereitschaften zu / Lernen im Sinne von annehmen und
akzeptieren
•
Optimales Lernen geschieht dann, wenn jemand positionsflexibel ist
•
Übertragung auf die Schule:
Hier beeinflussen noch zahlreiche andere Faktoren das Motivationsniveau (Bsp: Interesse am Stoffgebiet)
Attraktivität sozialer Systeme:
•
Mit der Kohäsion (Zusammenhalt) wird in der Regel die Attraktivität bezeichnet, die ein soziales System auf seine
Mitglieder ausübt.
•
Eine Möglichkeit zur Feststellung des Kohäsionsgrades erfolgt über die Befragung der Mitglieder einer Gruppe.
Vielfach wird zu diesem Zweck auf soziometrische Verfahren zurückgegriffen.
•
Bei einer hohen Kohäsion arbeiten die Mitglieder besser zusammen, sind freundlicher miteinander, loben sich
gegenseitig häufiger, planen sorgfältiger und üben einen erheblichen Druck aus, sich an der Verwirklichung der
Ziele zu beteiligen. Das Ergebnis ist eine vergleichsweise hohe Produktivität
•
Die positive, sozial- emotionalen Beziehungen wirken sich positiv auf das Selbstkonzept der Schüler aus, somit
auf das Lern- und Leistungsverhalten ↔ Unzureichende Akzeptierung durch Gleichaltrige untergräbt das
Selbstvertrauen, schwächere Motivation
•
Untersuchung zur Kohäsion von SHAW und SHAW. Sie bildeten Gruppen aus jeweils 3 Schülern, die sich
bezüglich ihres Kohäsionsgrades unterschieden. Zunächst zeigte sich, daß zwischen dem Kohäsionsgrad einer
Gruppe und ihrer Produktivität ein Zusammenhang bestand. Im weiteren Verlauf zeigte sich, daß die Gruppe mit
größerem „Wir- Gefühl“ eine Verschiebung der Ziele vornahmen. Sie verwendeten mehr und mehr Zeit auf
soziale Aktivitäten und vernachlässigten dabei die ihnen zugewiesenen Leistungsaufgaben. In diesem Stadium
sank die Leistungseffektivität im Vergleich zu den Gruppen geringer Kohäsion ab, denn deren Mitglieder
tendierten dazu, die Ziele im Alleingang zu erreichen.
•
Für den Unterricht ergibt sich daraus ein Problem; der Lehrer muß auf der einen Seite die Kohäsion fördern um
bessere Leistungen und ein besseres Klima in der Klasse zu erreichen, auf der anderen Seite wächst dadurch die
Gefahr, daß die Mitglieder andere (kognitive) Lernziele vernachlässigen.
Sozialformen im Unterricht:
Nach KÖSEL lassen sich 9 Varianten unterscheiden, von denen hier nur drei aufgezählt sind.
Frontalunterricht:
Nach TAUSCH und TAUSCH wird diese Form in mindestens 95% aller Unterrichtsstunden
angewandt.
•
Dominanz des Lehrers
•
Innere Differenzierung wird - meist ungeplant - praktiziert
•
Sinnvoll: z.B. im Sinne eines Vortrages von Sachverhalten; allerdings bei Förderung der Aktivität und
Selbständigkeit der Schüler nicht
•
Nach TAUSCH und TAUSCH wird beim Frontalunterricht auch soziales Verhalten gelernt:
•
Führerzentriertes und z.T. gleichzeitig egozentristisches Verhalten
•
Submissives (unterwürfiges) oder opponierendes Verhalten gegenüber anderen.
Partnerarbeit:
•
Die kleinste Arbeitsgemeinschaft ist die Dyade; sie bringt kaum organisatorische Schwierigkeiten und stellt eine
gute Abwechslung zum Frontalunterricht dar.
C:\D A T E N\DIENST B\S E M I N A R\AUSBILDUNG\BEURTEILEN\Leistungsmessung\Sammlung\Erwartungseffekte im Klassenzimmer.doc- 10 / 21.11.2004 / Hv
•
Sie erlaubt mehr Intimität und Interaktionsintensität als größere Gruppen.
•
Sie kann jedoch auch mehr Streß und Feindseligkeit bedingen.
•
Partnerarbeit ist daher anfällig gegenüber Verschiedenheiten der Partner; gegenüber Konkurrenz und Dominanz.
•
Erlernen von sozialem Verhalten:
o
Erfahrung von Nähe, Hilfe, direktem Kontakt
o
Flucht in die Paarbeziehung, die vor schwierigen Interaktionsproblemen in Gruppen bewahren soll.
Gruppenarbeit, Gruppenunterricht
•
Die Möglichkeiten der Gruppenarbeit liegen in der Arbeitsteilung; Gruppenarbeit läßt gegenseitige Abhängigkeit
und Hilfe direkt erfahren
•
Gleiche Aufgabe für alle Gruppen werden als frustrierend erlebt. Sinn der Gruppenarbeit wird nicht ersichtlich.
•
Gruppenarbeit verlangt vom Lehrer meist mehr Vorbereitung, selbst wenn die Aktivität während der
Arbeitsphasen weniger lenkend und steuernd ist.
Befunde von DIEGRITZ und ROSENBUSCH über die Interaktionshäufigkeit:
•
In Gruppenunterricht zeigt sich eine größere Vielfalt sozialer und verbaler Verhaltensweisen bei den Schülern
•
In einem Interaktiogramm wird die Häufigkeit zwischenmenschlicher Interaktionen durch Pfeile dargestellt (siehe
Jahnke S. 207)
•
Befunde durch: Videoband, Transskriptionen
•
Der Behauptung, Frontalunterricht nivelliere, steht die Gegenthese vom „Schereneffekt“ entgegen. Die „Guten“
werden gefördert, die „Schlechten“ verurteilt.
•
Solche „globale“ Thesen konnten bisher noch nicht empirisch belegt werden großer Spielraum für Meinungen und
Überzeugungen
•
es gibt die optimale Sozialform nicht. Je nach Lehr- und Lernziel, Gegenstand und Thema kann die eine oder
anderer Form Vor- und Nachteile haben
Schulklassen und Konflikte:
Die Klasse als soziales Gebilde:
•
eine Formelle Zwangsgruppe, in der sich informelle Beziehungsstrukturen herausbilden
•
eine Großgruppe (mehr als 8 Personen) mit der Möglichkeit zur Kleingruppenbildung (Differenzierung)
•
eine Sekundärgruppe, die nach jahrelanger Interaktion den Charakter einer Primärgruppe gewinnen kann.
•
eine Arbeitsgruppe mit von außen vorgegebenen Aufgabenstellungen, Möglichkeiten zur Freizeitgruppe
•
eine Gruppe, deren formaler Leiter (Lehrer) von außen bestimmt wird; er hat eine besondere Verantwortung, einen
Alters- und Wissensvorsprung und deutliche Initiativ- und Disziplinierungsfunktionen
Konfliktmomente in Gruppen:
•
Konformität versus Unabhängigkeit von der Gruppe
•
Normierung versus Individualität
•
Kooperation versus Konkurrenz
•
Freiheit des Ausdrucks versus Gefühlshemmung
•
Intimität versus Distanz
C:\D A T E N\DIENST B\S E M I N A R\AUSBILDUNG\BEURTEILEN\Leistungsmessung\Sammlung\Erwartungseffekte im Klassenzimmer.doc- 11 / 21.11.2004 / Hv
•
Konsensus versus Konflikt
Kooperation und Konkurrenz:
•
Zur Erreichung der Lernziele ist Kooperation meist nicht nötig
•
Von den Lernanforderungen wird Arbeitsteilung kaum verlangt
•
Einzelleistungen werden verglichen
•
Die Kommunikation der Schüler werden verboten
•
Die Schulklasse ist paradoxer Weise in der Leistung eher ein Gegeneinander, im Lernen eher ein Miteinander.
Bedingungen für Kooperation:
•
eine Bedingung liegt vor, wenn ein Schüler ein attraktives Ziel (Erfolgserlebnis)
•
ausschließlich in der Gemeinsamkeit mit den übrigen seiner Gruppe erreichen kann. Im Unterschied dazu ist unter
der Bedingung des Wettstreits der Erfolg nur auf Kosten anderer zu erreichen, d.h. der Erfolg eines Schülers muß
bei einem oder mehreren zwangsläufig zu einem relativen Mißerfolg führen.
•
Die individualistische Bedingung ist dann gegeben, wenn das Erreichen eines Ziels durch einen Schüler
unabhängig von einem anderen erfolgen kann.
•
Ein Beispiel liefert die von ARONSON entwickelte Puzzle- Methode (siehe Mietzel 4. Auflage S. 295)
Quelle:
http://www.google.de/search?q=cache:CBu_72bDKn4C:www.onlineaufgaben.de/skripten/sozpserwa.doc+PygmalionEffekt&hl=de (am 09.04.2002)
C:\D A T E N\DIENST B\S E M I N A R\AUSBILDUNG\BEURTEILEN\Leistungsmessung\Sammlung\Erwartungseffekte im Klassenzimmer.doc- 12 / 21.11.2004 / Hv
Herunterladen