Grundlagen der Zahnbehandlung beim Pferd

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ORIGINALIEN
Tierärztl. Umschau 68, 000 – 000 (2013)
Aus der EquiProDenta, in der Tierärztlichen Klinik für Pferde, Großwallstadt
Grundlagen der Zahnbehandlung beim Pferd
von Souel Maleh
7 Abbildungen, 3 Literaturangaben)
Kurztitel: Zahnbehandlung Pferd
Stichworte: Pferdezahnheilkunde – ausbalancierte Zahnkorrektur – Untersuchungsgang
Zusammenfassung
Dieser Artikel erklärt die Grundlagen
der Biomechanik der Mastikation und
die Basisgrundlagen einer Zahnbehandlung beim Pferd. Der Untersuchungsgang in Bezug auf Zahnerkrankungen wird beschrieben und anhand
von Beispielen wird aufgezeigt, wie
eine ausbalancierte Korrektur der Fehlabriebe idealerweise vorgenommen
werden sollte..
Abstract
Equine dentistry on horses
Key Words: equine dentistry – balanced
horse dentistry – practice of oral exploration
This article explains the basics of the
biomechanic of mastication and the basic of equine dentistry on horses. Also it
explains the practice of oral exploration
to decide the necessity of an equine dentistry. It shows by examples the possibilities of correction to balance the teeth of a
horse by floating.
Tischmodell 1
1 Grundwissen
Um die Grundlagen einer Pferdezahnbehandlung durchführen zu können, muss
man sich zuerst die physiologische Biomechanik vor Augen führen. Der physiologische Abbeißvorgang findet am Boden
mit vollständig abgesenktem Kopf statt.
In dieser Position befindet sich der Unterkiefer ca. 0,5 bis 1 cm weiter rostral, als
in der angehobenen Kopfposition. Diese
Verschiebung wird zum einen durch die
Form der Mandibelcondylen, als auch
durch den knorpeligen rollhöckerartigen
Kamm des dorsalen Anteils des Kiefergelenksdiskuses hervorgerufen. Beim
Abbeißen des Grases kommt es dann zu
einer kaudal gerichteten Bewegung des
Unterkiefers, wodurch eine Schneidebewegung hervorgerufen wird. Alternativ
dazu kann das Pferd auch das Gras mit
den Zähnen fixieren und durch eine aus
der Halswirbelsäule resultierenden Bewegung das Gras abreißen. Um das abgebissene Gras zu zerkleinern, öffnet das
Pferd zuerst leicht den Mund und führt
Tischmodell 2
den Unterkiefer fast völlig nach lateral.
Dann erst kommt es mittels des Muskulus
masseter und Mm. temporalis zu einem
Zusammenpressen der Backenzähne.
Dadurch kommt es durch den lateralen
Ausschlag des schmäleren Unterkiefers
zu einem Kontakt zuerst an dem letzten
Backenzahnpaar (M3, 11-er) und in der
weiteren unter Kaudruck durchgeführten
Medianbewegung zu einer nach und nach
vollständigen Kontaktaufnahme der antagonistischen Backenzähne bis zum ersten Backenzahn (P2, 6-er). In der Folge
öffnet der Mund wieder und führt eine
weitere Mahlbewegung durch. Während
des Mahlvorganges führen die sogenannten TR (Transversal ridges, Querrillen)
durch ihren rostrobukalen – distopalatinalen Verlauf auf der Okklusionsfläche
den Futterbolus weiter nach kaudal zum
nächsten Backenzahnpaar. Umso weiter
der Futterbolus nach distal transportiert
worden ist, umso kleiner werden die
Futterpartikel und umso komprimierter
wird der Futterbolus. Ist der Futterbolus
am letzten Zahn angekommen, hat die
PFERDE
Tischmodell 4
mechanische Zerkleinerung vollständig
abgeschlossen. Dann ist das Futter zusätzlich gut mit Speichel versetzt, sodass
auch die chemische Vorverdauung durch
den Speichel bereits begonnen hat, bevor
der Futterbolus abgeschluckt wird. Bei
all diesen Abbeiß- und Mahlvorgängen
kommt es zu einer Abrasion der Zähne.
Dies gilt sowohl für die Schneidezähne
mit ihrer kleinen Okklusionsfläche, als
auch den Backenzähnen mit ihrer größeren Okklusionsfläche. Durch den einmaligen Abbiss ist die Höhenabrasion
des Schneidezahns mit seiner kleinen
Okklusalfläche in etwa genauso viel,
wie der durch den mehrfach durchgeführten Mahlkontakt der Backenzähne.
Das heißt, im physiologischen Zustand
bleibt es immer bei einer gleichmäßig
Kontaktsituation der Schneide- als auch
Backenzähne. Man spricht hier von einer sogenannten Dreipunktbalance. Ein
bildliches Verständnis dieser Situation ist
das Bild eines sechsbeinigen Tisches, bei
dem die vorderen zwei Beine die Schnei-
Tischmodell 6
Tischmodell 7
dezähne, die mittleren beiden Beine die
Backenzähne und die letzten beiden Beine die Kiefergelenke darstellen. Kommt
es zu einem vermehrten Höhenabrieb der
mittleren Beine, dann schweben sie in
der Luft und der Tisch wird in der Mitte instabil und lässt sich durchdrücken.
Kommt es zu einem verminderten Abrieb
der Schneidezähne, so resultiert das gleiche Phänomen. Die gleiche Problematik
taucht auf durch iatrogene selektive Be-
Abb. 1: Vor der Bearbeitung, leicht abfallender Diagonalbiss
mit Zahnstein und Parodontose Grad 2..
handlung der Okklusalflächen der Molare. Eine Überbelastung der vorderen und
hinteren Beinpaare wäre ein zusätzliches
Resultat (Schneidezähne und Kiefergelenk) (siehe Tischmodel 1, 6, 7).
Würde man die vorderen Beinpaare vermehrt abreiben, so kommt es zu einer Instabilität und der Tisch könnte nach vorne kippeln. Dadurch werden die hintern
Beinpaare in die Luft gehoben. In unserem Beispiel entspricht das einer dorsa-
Abb. 2: Nach der Bearbeitung, Begradigung und Reduktion auf
ein den Backenzähnen angepasstes Niveau und Zahnsteinentfernung.
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len Luxation des Kiefergelenkes. Durch
die relative Statik des Oberkopfes mit der
Wirbelsäule wird beim Pferd bei solchen
Problemen der Unterkiefercondylus im
Kiefergelenk ventral mehr gedehnt, was
zu Verspannungen und Rittigkeitsprobleme vor allem in der Anlehnung führen
kann (siehe Tischmodell 1, 2, 4).
Ein wichtiges Kriterium in der Pferdezahnmedizin ist, dass die Pferdezähne
sogenannte hysodonte Zähne haben.
Dies bedeutet, dass die Zähne eine vergleichsweise lange Krone besitzen und
nur ein geringgradiger Anteil ihrer Zähne
aus Wurzeln bestehen. In der Praxis heißt
das, dass die Backenzähne erst mit ca.
sieben bis acht Jahren vollständig ausgewachsen sind und diese dann mit ihrer
Ersatzkrone lebenslang eruptieren. Bei
den Schneidezähnen zeigen neuere Untersuchungen, dass das reine Wachstum
des Zahnes wahrscheinlich viel länger
möglich ist. Durch die kontinuierliche
Eruption der Zähne und ihren, wie bei jedem anderen Abrasionsgeschehen möglichen, Fehlabrieben, sind Korrekturen der
daraus resultierenden Protuberanzen bei
einem jungen Pferd bis ca. 4,5 Jahren im
Halbjahrestakt und bei älteren Pferden
im Jahrestakt zu empfehlen.
Grundsätzlich ist also zu sagen, dass das
Ziel einer vollständig ausbalancierten
Zahnbehandlung darin liegt, die Normokklusion, die Möglichkeit der Lateralund der Anterior-Posterior-Bewegung,
in einer bilateral symmetrischen Art und
Weise wieder herzustellen.
2 Voruntersuchung
Bevor erwogen wird, eine Zahnbehandlung durchzuführen, sollte eine Voruntersuchung stattfinden. Dabei sind sowohl
der Vorbericht bezüglich Fressprobleme,
als auch bezüglich der reiterlichen Probleme und auch die Nutzung zu erfragen.
Daraufhin erfolgt die allgemeine klinische Untersuchung. Wichtig ist hierbei,
auf Asymmetrien des Angesichtsschädels
in Bezug auf knöcherne Veränderungen,
als auch muskuläre Veränderungen (Mm.
Temporalis und Mm. Masseter) zu achten.
Außerdem sollten die Kopflymphknoten
palpiert werden, auf Weichteilschwellungen, Veränderungen und Verletzungen an
Lippen, Schleimhäute und Mundwinkel
sollte geachtet werden. Auch können
chronische einseitige Conjunctividen
und/oder chronisch rezidivierende einseitige Tränennasenkanalprobleme auf
Zahnprobleme hinweisen. Weiterhin ist
eine Geruchsprüfung sowohl im Maulbereich als auch im Nasenbereich oft
sehr hilfreich, um chronisch dentogene
Fäulnisprozesse im Vorfeld eruieren zu
können. Nicht zu vergessen sind die Fragen nach Trächtigkeit und Tetanusimpfschutz. Erst nach diesen Voruntersuchungen sollte ein Adspektion und Palpation
der Mundhöhle nach folgendem Schema
durchgeführt werden.
Palpation und Adspektion des Diastemas
in Bezug auf Hengstzahnerkrankungen
und evtl. vorliegenden Wolfszähnen.
Bei dieser Untersuchung ist es auch mit
ein bisschen Übung möglich, relativ gefahrlos die bukalen Kanten der zweiten
Oberkieferprämolaren (P2, 106/206) auf
Kantenbildung zu überprüfen. Bei der
routinemäßigen Untersuchung dieses
Bereiches kann auch gleich die eruptierte
Höhe des mesialen Anteiles des zweiten
Prämolaren mit beurteilt werden. Bei allen vier Quadranten sollten die gleichen
Höhen erkennbar sein. Veränderungen in
diesem Bereich lassen schon Interpretationen auf einen Fehlabrieb zu. Ursächlich
können hier Zahnwechselstörungen, aber
auch Backenzahnüber- oder Unterbisse
verantwortlich sein, welche einseitig, als
auch beidseits vorliegen können.
Nach gründlicher Spülung der Mundhöhle mit einem geeigneten Drencher lässt
sich mit einer vernünftigen Kopflampe
nun auch die Mundhöhle untersuchen.
Beim Spülen der Mundhöhle sollte darauf geachtet werden, aus welchem
Quadranten die meisten Futteranteile
herausgespült werden. Dies kann einen
Hinweis auf klinisch bedeutsame Zahnveränderungen geben. Zum Beispiel:
Zeigt ein Pferd eine unphysiologische
Veränderung nur auf dem linken Quadrant und frisst auch auf dieser Seite, so
sollte die klinische Bedeutsamkeit dieser
Veränderung als nicht so schwerwiegend
interpretiert werden können. Andererseits lässt ein Fressen auf der rechten
Seite die Interpretation zu, dass die Veränderung klinisch relevanter sein könn-
te. Beim Ausleuchten der Mundhöhle
empfiehlt es sich, die Zunge, nicht wie
allgemein praktiziert, in irgendeiner Art
und Weise zu fixieren. Es empfiehlt sich
die Zahnarkade von rostral bis distal in
Augenschein zu nehmen, um protuberante Zähne in Form von Wellen, abnorm
ausgeprägten Querrillen, Meiselzähne
und Farbveränderungen zu erkennen.
Dazu ist es hilfreich, wenn das Pferd den
Mund gar nicht weit aufmachen muss,
denn so lassen sich geringfügigere Wellenstrukturen weitaus besser erkennen.
Der Blick erfolgt eher von bukal durch
eine leichte seitliche Ausziehung der
Wangenschleimhaut und sodann diagonal bei etwas mehr geöffnetem Mund auf
die gegenüberliegende Oberkieferseite.
Bei der zuletzt beschrieben Art der Untersuchung lassen sich sehr gut palatinale
Parodontose an einzelnen Zähnen erkennen, welche Rückschlüsse auf Zahnentzündungen zulassen können. Erkennt
man an dieser Stelle starke Impressionen
in der Oberkieferokklusalfläche, so lässt
diese Veränderung die Interpretation auf
protuberante Zähne im antagonistischen
Unterkiefer zu.
3 Überprüfen der Okklusion
Durch die Simulierung einer Lateralbewegung des Unterkiefers lässt sich bei
mit den Daumen angehobenen Lippen
beobachten, ab welchem Verschub die
Backenzähne in Okklusion kommen.
Dies erkennt man daran, dass eine, dem
Winkel der Backenzähne, entsprechende Lücke zwischen den Oberkiefer- und
Unterkieferschneidezähne entsteht. Diese Lücke wird umso größer, umso weiter
kaudal die Backenzähne Kontakt bekommen. Im Idealfall, bei physiologischer
Stellung der Backenzähne, sollte die
Lücke sofort entstehen und sich konstant
mit stetem und gleichmäßigem Winkel
öffnen. Dies muss bilateral symmetrisch
erfolgen. Liegt ein Verschub von einem
halben Schneidezahn (75 % Okklusion)
vor, bevor eine Lücke entsteht, sollte eine
Reduktion der Schneidezähne in Erwägung gezogen werden. Kann die Lateralbewegung über zwei Schneidezahnbreiten verschoben werden, so spricht man
von einer Nonokklussion. Diese Unter-
PFERDE
Abb. 3: Parodontose Grad 0.
suchung kann man als grobes Richtwerk
benutzen, allerdings ist zu bedenken, dass
die relative Schmäle oder Breite des Unterkiefers diesen Test beeinflussen. Man
nennt dies den Unterkiefereng-, -norm,
bzw. -weitstand. Er ist bedingt durch die
individuelle Anisognathie.
3.1 Überprüfen der Okklusionslinie der
Schneidezähne
Die Schneidezähne sollten idealerweise
eine horizontale Linie parallel zu der Augenlinie besitzen. Bei jeder Abweichung
von dieser Linie ist eine Reduktion der
Schneidezähne in Erwägung zu ziehen.
3.2 Überprüfung der Parodontose der
Schneidezähne
Der Interdentalspalt ist idealerweise, mit
Ausnahme beim Pferd, im oder kurz nach
dem Zahnwechsel bis auf die Okklusionsfläche mit Schleimhaut/Zahnfleisch
ausgekleidet. Der Rückgang dieses
Zahnfleisches lässt auf vermehrten Druck
schließen. Umso deutlicher das Zahnfleisch atrophiert ist, umso notwendiger
ist eine entsprechende, den Backenzähnen angepasste Reduktion. Die Schneidezahnparodontose ist nach Grell/Maleh
eingeteilt in Grad 0 bis 4.
3.3 Schmerzreaktionen
Die Schmerzreaktion sollte aus Gründen
der Compliance erst zum Schluss durchgeführt werden. Zu diesen gehören die
Palpation der Backen mit Druck gegen
die Kanten der Oberkieferbackenzähne
und die Schmerzhaftigkeit im Bereich
des Kiefergelenkes. Diese Untersuchun-
Abb. 4: Parodontose Grad 2 – 3.
gen sollten auf beiden Seiten vergleichend durchgeführt werden.
Cave: Von einer Untersuchung mit einem Maulgatter ohne Sedierung ist dem
ungeübten Untersucher dringendst abzuraten. Es wird zusätzlich von sehr vielen Spezialisten auf diesem Gebiet noch
ein palpierenden Griff ohne Maulgatter
durchgeführt, durch welchen die Okklusionsflächen, die Bekantung der Oberkiefer und Unterkieferbackenzähne und
Frakturen bis zum letzten Molaren sehr
gut befundet werden kann. Auch von
diesem Untersuchungsgriff ist dem ungeübten und nicht explizit eingewiesenen
Untersucher dringendst abzuraten.
Behandlung mit manuellen Equipment
(Raspeln) möglich und eine Sedierung in
Abhängigkeit der Compliance des Pferdes nicht immer zwingend nötig.
4.2 Pferde mit deutlicheren Befundungen,
welche zusätzlichen zu den manuellen
auch mit maschinellem Equipment bearbeitet werden müssen.
4.3 Vorgehensweise
Bei der Behandlung ist grundsätzlich zu
empfehlen zuerst die Backenzähne zu
bearbeiten. Eine Ausnahme von dieser
Regel ergibt sich nur bei hochgradigen
unregelmäßigen Schneidezähnen, welche
4 Behandlung
Nachdem nun die vorläufige Befundung
am unsedierten Pferd vorgenommen
worden ist, hat der Tierarzt/In genügend
Daten gesammelt, um die Notwendigkeit
einer Zahnbehandlung zu entscheiden
und die voraussichtliche Therapie mit
dem Besitzer zusammen zu besprechen.
Eine Aussage über kariöse Veränderungen, oder Veränderungen auf den Pulpenästen der Backenzähne, ist mit dieser
Voruntersuchung nicht oder nur sehr unzureichend erkennbar.
Bei der Behandlung unterscheidet man
zwei Varianten.
4.1 Pferde mit geringgradigen Veränderungen
Kleinere Bekantungen und klinisch irrelevante und geringfügige Okklusionsverminderungen. Bei diesen Pferden ist die
Abb. 5: Falsche Berundung!!! Berundung P2 buko-mesial, Berundung P3, P4
bukal bis über die bukalen Pulpenäste
in die Mediane reichend geraspelt, dies
nennt man „Overfloating“.
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Abb. 6: Richtige Bearbeitung der Molaren. Nur Reduktion der über die Mitte stehenden Protuberanzen und Berundung der bukalen
Kanten.
ein sicheres Einlegen eines Maulgatters
unmöglich macht, oder die Gefahr von
Frakturen an einzelnen Schneidezähnen
zur Folge haben könnte. Auch bei sehr
stark entzündeten Schneidezähnen sollte
evtl. von dem angegebenen Schema individuell abgewichen werden.
Man sollte sich idealerweise ein Schema
bei der Bearbeitung zulegen, welches nur
in Ausnahmefällen verändert werden sollte.
4.3.1 Bekantungen
Die, aus der mangelnden Lateralbewegung heraus resultierende, scharfen Kanten im Oberkiefer bukal und im Unterkiefer lingual werden maschinell und/oder
manuell berundet. Zu beachten ist zum
einen, dass die Berundung gleichmäßig
vom ersten bis zum letzten Backenzahn
durchgeführt werden muss. Außerdem ist
bei der Berundung so wenig wie möglich
Okklussalfläche zu reduzieren.
4.3.2 Okklusalfläche Die Protuberanzen, welche über die Mitte herausstehen, werden reduziert. Dabei
ist darauf zu achten, dass man tunlichst
die Mitte sucht und nicht den am tiefsten eingeschliffenen Zahn als Referenzpunkt wählt. Es muss bei der Arbeit so
viel Raustruktur auf der Kauoberfläche
wie nur möglich erhalten werden. Dies
hat dreierlei Gründe. Zum einen benötigt
das Pferd für den Mahlakt die aus den
drei unterschiedlichen Zahnsubstanzen
resultierende rauhe Kauoberfläche zum
Zerkleinern des Raufutters. Zum anderen hat ein übermäßiges Beschleifen der
Backenzähne die Folge, dass umso mehr
Schneidezahnreduktion erfolgen muss,
um mindestens die gleiche Okklusion
wie vor der Zahnbehandlung zu erreichen. Und schließlich wird durch die
übermäßige Bearbeitung die endliche Ersatzkrone und damit das Lebensdauer des
Zahnapparates deutlich verkürzt.
4.3.3 Schneidezahnreduktion Die Schneidezähne sollten in einer horizontalen Linie gekürzt werden, welche
parallel zu einer horizontalen Verbindungslinie der Augen ist. Der Winkel der
Abb. 7: Angemessene Reduktion und Wiederherstellung der horizontalen Linie.
Schneidezähne sollte in Richtung auf das
Kiefergelenk angepasst sein. Ein gutes
Hilfsmittel ist die vor der Anpassung der
Schneidezähne durchgeführte visuelle
Kontrolle des Spaltes zwischen den Backenzähnen. Dieser Höhenabstand sollte
gleich Null sein. Hat man im Bereich der
6er einen Spalt zwischen den Okklusalflächen von 3 mm, so kann eine Anpassung von ca. 4 bis 5 mm an den Schneidezähnen vorgenommen werden. Dabei
orientiert man sich am besten an dem Parodontosegrad der Schneidezähne. Liegt
im Unterkiefer eine starke Parodontose
vor, so reduziert man die Schneidezähne
im Unterkiefer ca. 3 mm und im Oberkiefer ca. 1 bis 2 mm. Grundsätzlich ist
im Vorfeld darauf zu achten, wie deutlich
die Parodontose vorliegt. Zeigt sich im
Vorfeld fast gar kein Zahnfleischrückgang, so sollte so wenig wie möglich Okklusalfläche der Backenzähne reduziert
werden, da in diesem Fall die Pulpenäste meistens näher an der Okklusalfläche
sind, als bei Schneidezähnen, die eine
starke Parodontose aufweisen.
PFERDE
4.3.4 Hengstzähne
lassen. Zahnformulare beziehungsweise
Eine Reduktion und Berundung sollte Zahnpässe kann man bei CP-Pharma, der
zur Vermeidung von Zungenverletzungen GPM und das detaillierteste Zahnformudurchgeführt werden. Außerdem sind die lar, mit alle rechtlichen Bestandteilen,
Zahnsteinablagerungen zu entfernen.
Aufklärung, usw. als geprüftes Mitglied
der IGFP (Internationale Gesellschaft zur
4.3.5 Wolfszähne
Funktionsverbesserung der Pferdezähne)
Die Extraktion von blinden oder sichtba- www.igfp.eu, erhalten.
ren Wolfszähnen sollte bei Pferden, welche mit Gebiss geritten werden, immer
7 Fazit
durchgeführt werden.
Wie bei jeder anderen handwerklichen,
chirurgischen Tätigkeit ist das theoreti5 Nachsorge und Empfehlungen sche Grundwissen die Basis einer guten
für den Besitzer
Arbeit. Die handwerkliche Umsetzung
Das Pferd sollte an diesem Tag zur Ver- dieses Wissens bedingt allerdings ein
meidung von Verstopfungskoliken kein langjähriges Training. Eine Umsetzung
Kraftfutter bekommen. Eine Raufutter- des theoretischen Wissen in praktische
gabe zwei Stunden post injectionem ist i. Arbeit nach dem Konzept „learning by
doing“ oder „try and error“ ist insoweit
d. R. problemlos
bedenklich, weil Zahnbehandlungen immer mit der unwiederbringlichen Entfer5.1 Wiederholungsintervalle
Grundsätzlich ist eine Nachkontrolle auf- nung von Zahnmaterial verbunden sind.
grund der altersabhängigen Eruption der Da aber zur Nahrungszerkleinerung ausZähne beim jungen Pferd zwischen 2,5 und reichend Kaufläche aufeinander mahlen
5 Jahren im Halbjahrestakt und beim äl- können muss, und das einem Pferd für
teren Pferd im Jahrestakt durchzuführen. sein ganzes Leben zur Verfügung stehenBei geriatrischen Patienten sind evtl. wie- de Zahnmaterial begrenzt ist, kann under Halbjahresintervalle zu empfehlen. sachgemäße Korrektur des PferdegebisDie Neuentstehung der fehlerhaften Ab- ses weitreichende Konsequenzen haben.
rasionen ist deutlich abhängig von dem Aus diesem Grund empfiehlt der Autor
Futtermanagement. Ein Pferd welches die regelmäßige Teilnahme an sogenannnur Raufutter erhält, wird nach einem ten Workshops. In diesen werden die
Jahr deutlich weniger Kanten aufweisen, handwerklichen Fähigkeiten am Pferd
als ein Pferd, das leistungsbedingt eine trainiert, und von professionellen Behandlern angeleitet. Solche Stallworkhohe Kraftfuttermenge benötigt.
shops bieten die IGFP (Internationale
Gesellschaft zur Funktionsverbesserung
6 Dokumentation
der Pferdezähne) www.igfp.eu und die
Es empfiehlt sich eine explizite Doku- GPM (Gesellschaft für Pferdemedizin)
mentation in Form eines Zahnformula- www.g-p-m.org an.
res durchzuführen. Auf diesem sollte der
Zahnbefund, die Sedationsmenge, die Literatur
evtl. applizierte Analgesie oder abgege- 1.Vogt, C. (Hrsg.) (2011): Lehrbuch der Zahnbenen Medikamente vermerkt werden. heilkunde beim Pferd. 1. Auflage, Schattauer.
2. Grell, M., S. Maleh (2011): Atlas der ZahnWenn man aus bestimmten Gründen
heilkunde beim Pferde. 1. Auflage, Schattauer.
irgendwelche Behandlungen, welche 3. Tilmann, S. (2008): Praxis-Leitfaden Zahn
normalerweise indiziert gewesen wä- und Kiefererkrankung vom Pferd, Parey.
ren, nicht durchgeführt hat, sollten diese mit der Angabe des Grundes auf dem Korrespondenzadresse:
Zahnformular vermerkt werden. Es hat Souel Maleh
sich aus Gründen der Rechtssicherheit prakt. Tierarzt
als vorteilhaft herausgestellt, die Besit- WBE Pferdezahnheilkunde und Pferdezerangaben durch den Besitzer selbst dentalpraktikerprüfer nach IGFP
ausfüllen zu lassen. Auch ist es sinnvoll 64367 Mühltal
sich die Aufklärung unterschreiben zu www.equiprodenta.de
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