Protokoll: Herder, Vom neuen Gebrauch der Mythologie Andreas Cavazzini Für das Textverständnis relevante Fakten zur Person: - Herder ist ein kritischer Vertreter der Aufklärung, er verfolgt auch antirationalistische Ansätze. Er ist nicht alleine auf griechische Mythen fixiert, sondern auch in der Mythologie anderer Völker (so etwa in der Nordischen) bewandert. Herder war Student der protestantischen Theologie und betrachtete die Bibel aus einer mythologischen Perspektive, im vorliegenden Text aus seinen jüngeren Jahren distanziert er sich jedoch von einer Mischung der christlichen Figuren mit anderen Mythen. Thesen zum Text: 1. Mythologie hat in christlichen Literarisierungen nichts zu suchen Die Entstehungszeit des Textes fiel in eine Phase schriftstellerischen Wirkens, in welcher die Literarisierung der Bibel eines der großen Themen war (siehe Klopstocks Messias). Wie bereits erwähnt, möchte sich Herder von den dogmatischen Problemen distanzieren, die etwa ein gleichzeitiges Auftreten von Jesus und Jupiter bewirken würden. 2. Mythologie ist stets nur Werkzeug für neue Inhalte und Ausdrücke Hier bricht Herder mit dem barocken Verständnis von Mythologie, wie es etwa Hederich in seinem Gründlichen mythologischen Lexikon vertritt. Nach Herder darf und soll man über die Konventionen der antiken Mythen hinausgehen und neue Inhalte vermitteln. In der griechischen Vorlage eher eindimensionale Charaktere, wie ein mutiger Herkules, dürfen nun Vielschichtigkeit zeigen, also auch innehalten, zweifeln und schaudern, wenn es dem zu Erzählenden dient. 3. Ein Großteil der Mythologie ist Allegorie Herder meint, man solle die Mythologie der Alten studieren um selbst ein Erfinder zu werden. Mythologie gestaltet sich demnach in seinem Verständnis als poetische Heuristik*. So können aktuelle Themen an mythologische Vorgaben angeknüpft werden, um so das Altbekannte für das Neue nutzbar zu machen. Die Mythologie lässt durch ihre allgemeine Bekanntheit eindrucksvolle Bilder für den Leser entstehen, welche die Schönheit der Texte verbessern und als akzeptable Träger für aktuelle Themen dienen. Besagte Schönheit wurzelt für Herder vor allem in der anerkannten Sinnlichkeit der Mythen, die er in anderen Bereichen durch eine rationale Sicht der Aufklärung verdrängt sieht. Herder versucht durch die Verbindung von sinnlichen Motiven mit aktuellen Themen der Aufklärung einen Mittelweg zu beschreiten, der beides wieder vereint. Mythen sind für ihn also auch ein Repertoire der poetischen Sinnlichkeit. * Die Kunst zur Auffindung von neuen Formen und Erkenntnissen. Mythen werden demnach nicht als reine Metapher im Sinne einer Gleichsetzung benutzt (x ist wie y), sondern die altbekannten Szenarien werden mit neuen Fragestellungen, Handlungen, Erzählweisen usw. erweitert.