REAKTIONSMECHANISMEN DER VERBRENNUNG FLÜSSIGER KOHLENWASSERSTOFFE V. Karbach, Y. Muharam, U. Riedel, B. Schramm, J. Warnatz Interdisziplinäres Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR), Universität Heidelberg Im Neuenheimer Feld 368, 69120 Heidelberg 1. Zusammenfassung Die Zusammensetzung von flüssigen Brennstoffen ist sehr komplex und variiert je nach Charge. So besteht z. B. Kerosin typischer weisen aus ca. 75 % Aliphaten, 10 % Cycloalkane und ca. 12 % aromatischen Bestandteilen. Zur Modellierung der Verbrennung von Kerosin bietet sich eine binäre Mischung aus n-Dekan und n-Propylbenzen an. Die chemische Kinetik der aromatischen Brennstoffe ist bisher wenig erforscht. Daher musste ein detaillierter Mechanismus für n-Propylbenzen neu erstellt werden. Er basiert auf einem Grundmechanismus für Benzen/Toluen, erweitert um spezifische Reaktionen für n-Propylbenzen. Dieser detaillierte Mechanismus wurde zur Simulation von homogenen Systemen und von eindimensionalen laminaren Flammen verwendet und die Ergebnisse wurde mit experimentellen Daten verglichen. Ein vollständiger detaillierter Reaktionsmechanismus für Brennstoffe wie z. B. Dekan umfasst mehr als 100 Spezies und mehr als 1000 Elementarreaktionen. Daher ist es nicht möglich, dreidimensionale technische Systeme wie Motoren oder Turbinen mit Hilfe von detaillierten Reaktionsmechanismen zu simulieren. Stattdessen ist es nötig, einen reduzierten Reaktionsmechanismus zu verwenden, der mit Hilfe von wenigen Variablen die chemischen Prozesse beschreibt. Ein mögliches Verfahren dafür ist die ILDM-Methode. Das bestehende Tabellierungsprogramm wurde so erweitert, dass zur Erhöhung der Stabilität die Verwendung einer adaptiven Schrittweite möglich ist. Durch Testrechnungen in homogenen Systemen kann gezeigt werden, dass bei adaptiver Verfeinerung in der Nähe des Gleichgewichts selbst bei Verwendung eines relativ groben Tabellengitters das Simulationsergebnis kaum durch Interpolationsfehler verfälscht wird. Dies wurde bei der Wahl des Verfeinerungskriteriums ausgenutzt. In der Nähe des Gleichgewichtes wird das Koordinatengitter verfeinert, während in anderen Bereichen mit einem relativ groben Gitter gearbeitet wird. Ein weiteres Problem bei der Erzeugung von ILDM-Tabellen ist der große Rechenzeitaufwand. Die Generierung einer vollständigen vierdimensionalen ILDM-Tabelle für höhere Kohlenwasserstoffe dauert in der Regel mehrere Wochen. Daher wurde das Programm zur ILDM-Tabellengenerierung parallelisiert. Dabei übernimmt ein Prozessor die Verwaltung der Tabelle während die übrigen Prozessoren die zeitaufwendige Bestimmung der ILDM-Punkte übernehmen. Die Kommunikation zwischen den einzelnen Prozessoren erfolgt mit Hilfe der Standard-Software MPI. Der Einsatz einer ILDM-Tabelle zur Beschreibung der Verbrennung eines flüssigen Kohlenwasserstoffs wird am Beispiel der Einspritzung in einen Dieselmotor demonstriert: Es werden die Einzelprozesse bei der Spray-Zündung und -Verbrennung betrachtet werden und die Konsequenzen für die Schadstoffbildung (CO, NO, Ruß und unverbrannte Kohlenwasserstoffe) durch detaillierte Modellierung aufgezeigt mit dem Ziel einer Minimierung der Schadstoffbildung (Ruß und Stickoxide). 2. Einleitung Die Modellierung von Verbrennungsprozessen, sowie derer Induktionsphasen und Zündphänomene erfordert eine detaillierte Kenntnis ihrer chemischen Kinetik. Dabei macht die Implementierung von Elementarreaktion das Erstellen modularer Submechanismen möglich. Diese Teilmechanismen lassen sich separat entwickeln und validieren. Je nach Art des zu modellierenden Brennstoffes werden diese dann zusammengefügt. Die Basis der Kohlenwasserstoffmechanismen stellen die Reaktionen des C1-C4-Systems dar, zur Beschreibung der Kinetik unverzweigter Alkane bis vier C-Atome. Dieser wird in Bezug auf druckabhängige unimolekulare Reaktionen modifiziert. Für solche Reaktionen wird der sog. „Formalismus nach Troe“ implementiert, der eine Erweiterung des nur bedingt gültigen „Lindemann-Hinshelwood-Ansatzes“ darstellt. Im Wesentlichen wird durch den nach Troe erweiterten Ansatz der „fall off”-Bereich der druckabhängiger Reaktionen realistischer wiedergeben. In diesem Bereich findet ein Übergang in der Reaktionsordnung statt, die sich von 2. Ordnung bei niedrigem Druck zu 1. Ordnung bei hohem Druck erniedrigt. Es lassen sich nun auch druckabhängige Prozesse, wie z. B. die Vorgabe eines Druckprofils zur Simulation des Verbrennungsraumes im Otto- oder Dieselmotor einfacher und exakter berechnen. 3. Automatische Generierung von Reaktionsmechanismen Die hier beschriebene Niedertemperatur-Oxidation führt zu sehr großen Reaktionsmechanismen, da die enthaltenen Radikale R, R', R", usw. viele verschiedene isomere Strukturen haben können (~5000 Reaktionen von ~1000 Spezies für n-C16H34 , n-Cetan, einem Bestandteil von Diesel- und Flugzeugturbinenkraftstoff, siehe Abb. 1). Aus diesem Grunde werden diese Reaktionsmechanismen von Computerprogrammen automatisch erzeugt, um Fehlerquellen bei der Eingabe der großen Mechanismen von Hand zu vermeiden (Chevalier et al. 1990b). (a) H atom abstraction (per C-H bond, A in cm3·mol·s / b / Ea in kJ/mol) primary secondary tertiary 32.2 4.50 . 1006 / 2.0 / 20.9 1.26 . 1014 / 0.0 / 30.6 32.9 7.58 81.2 1.30 . 1013 / 0.0 / 21.8 6.50 . 1008 / 1.25 / 2.94 1.68 . 1012 / 0.0 / 71.2 1.00 . 1013 / 0.0 / 13.7 4.00 . 1012 / 0.0 / 1.85 1.00 . 1012 / 0.0 / 60.3 2.20 . 1011 / 0.0 / 48.6 2.00 . 1011 / 0.0 / 39.8 1.00 . 1011 / 0.0 / 33.1 RH + CH3O2 4.20 . 1012 / 0.0 / 85.7 RH + O2 4.20 . 1012 / 0.0 / 205. 1.50 . 1012 / 0.0 / 71.2 1.00 . 1012 / 0.0 / 199. 3.00 . 1012 / 0.0 / 62.8 2.00 . 1012 / 0.0 / 193. RH + H RH + O RH + OH RH + HO2 RH + CH3 9.38 . 1006 / 2.0 / 1.67 . 1013 / 0.0 / 1.43 . 1009 / 1.05 / 1.87 . 1012 / 0.0 / (b) Alkyl radical isomerization (A in s-1 / b / Ea in kJ/mol) primary secondary tertiary (1,4) ring 1.00 . 1011 / 0.0 / 88.3 1.00 . 1011 / 0.0 / 75.8 1.00 . 1011 / 0.0 / 67.4 (1,5) ring 1.00 . 1011 / 0.0 / 59.0 1.00 . 1011 / 0.0 / 88.3 1.00 . 1011 / 0.0 / 46.5 --- (1,6) ring 1.00 . 1011 / 0.0 / 75.8 --- (d) b-decomposition of alkyl radical (A in s-1 / b / Ea in kJ/mol) R (d) Æ RS + Olefin 2.50 . 1013 / 0.0 / 120. Alkane decomposition (A in s-1 / b / Ea in kJ/mol) RH Æ RS' + RS" 3.20 . 1016 / 0.0 / 339. Tab. 1: Geschwindigkeitskoeffizienten k = ATb·exp(-Ea/RT) für die Hochtemperatur-Oxidation von aliphatischen Kohlenwasserstoffen [1] Die dabei berücksichtigten Reaktionstypen (Geschwindigkeitsdaten in Tab. 1) siehe Abb. 1) sind bei hohen Temperaturen (1) Alkan- und Alkenzerfall, (2) H-Atom-Abstraktion aus Alkanen und Alkenen durch H, O, OH, HO2 und CH-Radikalen, (3) b-Zerfall der Alkyl-Radikale und (4) Isomerisierung der Alkyl-Radikale. Bei tiefen Temperaturen hat man zusätzlich (5) zwei aufeinander folgende O2-Additionen an die Alkyl-Radikale, (6) Isomerisierung der Alkylperoxi- und Alkylhydroperoxi-Radikale über Ringstrukturen, (7) OH-Abspaltung nach interner Umlagerung und (8) b- Zerfall von O=RO•, C=RO•, O=R• und Alkenyl-Radikalen. Diese Reaktionen werden für die jeweiligen molekularen Strukturen formuliert, die aus der Oxidation des Kraftstoffs resultieren. Zahl 5000 Reaktionen 4000 3000 2000 Spezies 1000 0 2 n(C) 4 6 8 10 12 14 16 18 20 Abb. 1: Zahl der Spezies und Reaktionen bei der Niedertemperatur-Oxidation 4. Entwicklung eines Modellbrennstoff für Kerosin Bisher wurden Mechanismen für die höheren Alkane n-Pentan, n-Hexan und n-Heptan, als auch für iso-Oktan entwickelt. Zur Beschreibung von Kerosin wird darüber hinaus ein detaillierter Reaktionsmechanismus für n-Dekan erstellt. Dieser Brennstoff ist für die Modellierung von Kerosin von Interesse, welches als Treibstoff von Gasturbinen benötigt wird. Die Zusammensetzung von Kerosin („Jet A fuel“) ist sehr komplex und variiert je nach Charge, besteht aber meist zu etwa dreiviertel aus Aliphaten (C5-C15), 10 % Cycloalkane (C9-C10) und ca. 12 % aromatischen Bestandteilen (C8-C10 ). Zur Modellierung der Verbrennung von Kerosin ist daher die Annahme eines vereinfachten Modellbrennstoffes notwendig. Hier bietet sich eine binäre Mischung aus n-Dekan und n-Propylbenzen an, welche die chemischen und physikalischen Eigenschaften von Kerosin recht zufrieden stellend wiedergibt. Abb. 2: Rolle des Abbaus von aliphatischen Kohlenwasserstoffen im Gesamtmechanismus Der entwickelte Hochtemperatur-Oxidationsmechanismus für n-Dekan besteht aus 1214 Reaktionen in denen 143 Spezies involviert sind. Es wurden folgende Änderungen gemacht, um einen „funktionierenden” Mechanismus für n-Propylbenzol zu generieren, ohne die Reaktionen des H2O2-CO-C1-C2 und des C10H22-Systems (siehe Abb. 2) zu ändern: • Inkonsistenzen in den thermodynamischen Daten wurden beseitigt. Die Aktivierungsenergien von endothermen Reaktionen wurden auf die Reaktionsenthalpie erhöht. • Neue Daten der UPAC-Gruppe für sensitive Reaktionen im aromatischen Submechanismus wurden verwendet [2]. Abb. 3: Flammengeschwindigkeit für die n-Dekan-Verbrennung bei verschiedenen Drücken Zur Validierung werden Simulationen von Flammengeschwindigkeiten für n-Dekan/Luft-Mischungen über einen weiten Stöchiometrie- (F = 0,6-1,6) und Druckbereich (p = 1 bar -100 bar) durchgeführt (siehe Abb. 3) und mit experimentell bestimmten Daten verglichen (Abb. 4). Ebenso wurden Rechnungen zur Bestimmung der Zündverzugszeit durchgeführt. Abb. 4: Experimentelle [3] und berechnete Flammengeschwindigkeit für die n-Dekan-Verbrennung Abb. 5: Abbau von Toluol und Benzol Die chemische Kinetik der Verbrennung aromatischer Brennstoffe ist im Gegensatz zur Aliphatenchemie bisher nur sehr wenig erforscht. Insbesondere fehlen kinetische und thermodynamische Daten der beteiligten Spezies. Als ersten Schritt zur Modellierung von n-Propylbenzen wird ein aromatischer Grundmechanismus für Benzen/Toluen erstellt (Abb. 5). Der primäre Toluen-Abbau findet an der Methylgruppe statt: nach einer H-Abstraktion zum Benzylradikal reagiert dieses über Benzaldehyd, Benzoylradikal in einer anschließenden Decarbonylierung zum Phenylradikal. Der Ringbruch des Phenylradikals benötigt eine hohe Aktivierungsenergie von 305 kJ/mol. Der alternative Oxidationspfad durch Reaktion mit Sauerstoff mit darauf folgender CO-Abspaltung zum Cyclopentadienylradikal wird daher präferiert. Im Folgenden wird das Cyclopentadienylradikal sowohl oxidativ als auch durch thermischen Zerfall zu kleineren Spezies (C4H5, C4H4, C4H3, C4H2, C3H3, etc.) abgebaut. Anhand von Simulationen bezüglich Flammengeschwindigkeit wird dieser Benzen/Toluen-Mechanismus überprüft (siehe Abb. 6). Für Benzol/Luft-Gemische zeigt sich eine gute Übereinstimmung der berechneten Flammengeschwindigkeiten mit den experimentellen Daten im gesamten Spektrum der gemessenen Stöchiometrie. Für Toluol/Luft-Gemische zeigt sich eine gute Übereinstimmung bei stöchiometrischen bis leicht brennstoffreichen Bedingungen. Für magere Gemische werden die berechneten Flammengeschwindigkeiten etwas überschätzt, bei brennstoffreichen Bedingungen hingegen unterschätzt. Mit maximalen Abweichungen bei berechneten und experimentellen Daten von ca. 10 % wurden die Flammengeschwindigkeiten für diese Brennstoffe erfolgreich berechnet. v u / cm·s -1 v u / cm·s -1 50 Goloniva/Fyodorov (1956) 50 Gibbs/Calcote (1959) Simulation 40 40 30 30 20 20 10 10 0 % benzene 1 2 3 4 5 Experiments Wagner/Dugger (1955) Experiments Davis et al. (1995) Simulation 0 0.5 1.0 1.5 F Abb. 6: Flammengeschwindigkeit für Benzol- (links) und Toluol-Verbrennung (rechts) Durch Zusammenfügen des n-Dekan- und n-Propylbenzen-Mechanismus wurde schließlich ein komplettes Rektionsschema zur Beschreibung des Kerosin-Modellbrennstoffes erstellt und ein Vergleich mit experimentellen Daten bezüglich des Modellbrennstoffs als auch realen Kerosins durchgeführt (siehe Abb. 7). Abb. 7: Rolle des Abbaus von aromatischen Kohlenwasserstoffen im Gesamtmechanismus v u / cm·s -1 Exp. (corr.) DLR Simulation 100 80 60 40 10 0 0.5 1.0 1.5 Abb. 8: Flammengeschwindigkeit für die Verbrennung eines n-Dekan/n-Propylbenzol-Gemisches 1,2 10-2 5 10-4 1 10-2 4 10-4 8 10-3 mole fraction mole fraction C10H22 6 10-4 3 10-4 2 10-4 6 10-3 4 10-3 1 10-4 0 100 800 2 10-3 900 1000 T (K) 1100 0 100 800 1200 Ph-C3H7 2,5 10-4 mole fraction mole fraction 1 10-4 -5 5 10 1200 1100 1200 Styrene 3 10-5 2 10-5 1 10-5 900 1000 T (K) 1100 0 100 800 1200 900 CO 4 10-3 2 10-3 mole fraction 2,5 10-3 3 10-3 2 10-3 1 10-3 1000 T (K) CO2 3 10-3 5 10-3 1,5 10-3 1 10-3 5 10-4 900 1000 0 100 800 1100 900 T (K) 3,5 10-4 1100 4 10-5 6 10-3 mole fraction 1000 T (K) 5 10-5 1,5 10-4 0 100 800 900 6 10-5 2 10-4 0 100 800 O2 1000 1100 T (K) CH2O 1,2 10-4 3 10-4 CH3CHO 1 10-4 -4 8 10-5 mole fraction mole fraction 2,5 10 2 10-4 1,5 10-4 1 10-4 4 10-5 2 10-5 5 10-5 0 100 800 6 10-5 900 1000 T (K) 1100 0 100 800 900 1000 1100 T (K) Abb. 9: Experimente und Simulationen der n-C10H22-Oxidation bei p = 10 bar, t = 0,5 s Beim Vergleich der Flammengeschwindigkeiten für das Gemisch des Modellbrennstoffs zeigen die berechneten Werte eine gute Übereinstimmung mit den Experimenten für leicht brennstoffreiche Gemische (Abb. 8). Die berechneten Flammengeschwindigkeiten sind weniger abhängig von der Stöchiometrie als die experimentell bestimmten [4]. Auch ist die berechnete maximale Flammengeschwindigkeit ca. 10 % langsamer als die gemessene. Beim Vergleich der berechneten Flammengeschwindigkeiten untereinander, hat pures n-Propylbenzol die niedrigsten, n-Dekan die höchsten Werte. Das Modellbrennstoff-Gemisch liegt dazwischen, wie auch im Experiment. Die Experimente zeigen auch, dass von mageren bis zu brennstoffreichen Bedingungen der Abstand zwischen den Flammengeschwindigkeiten von purem n-Dekan und Modelbrennstoff-Gemisch divergiert. Dieses Verhalten kann ebenso durch unsere Berechnungen reproduziert werden. Schließlich werden Flammengeschwindigkeiten bei 80 bar und Tu = 800 K berechnet. Hier zeigt die Modellierung ein realistisches Verhalten des Mechanismus bei Hochdruckbedingungen. Darüber hinaus wurden 0-dimensionale Simulationen von JSR Experimenten [5], für pures nPropylbenzol und für Gemische von 20 % n-Dekan und 80 % n-Propylbenzol durchgeführt. In beiden Fällen konnte das Verhalten der Hauptspezies gut reproduziert werden (Beispiel in Abb. 9). Besonders bei dem Modellbrennstoff-Gemisch zeigt der Verbrauch beider Brennstoffkomponenten eine gute Übereinstimmung mit den Experimenten. Hinsichtlich der aliphatischen und aromatischen Intermediärspezies sind die Ergebnisse im Allgemeinen befriedigend, obwohl sie einige größere Abweichungen zeigen. Diese Diskrepanzen sind abhängig von den spezifischen Bedingungen, wie beispielsweise der Brennstoffzusammensetzung, Stöchiometrie oder Druck. Andere Zwischenprodukte wie Acetaldehyd oder Formaldehyd konnten gut reproduziert werden. t [ms] 1.0 0.1 6.0 6.5 7.0 104 K T Abb. 10: Experimente und Simulationen für die Zündverzugszeit eines n-C10H22 /n-C3H7-C6H5/Luft-Gemischs Zum Abschluss wurden auch Zündverzugszeiten für Modellbrennstoff/Argon-Gemische mit verschiedenen Ausgangstemperaturen, Drücken und Stöchiometrien berechnet. Insgesamt ist die Übereinstimmung mit experimentellen Daten [4] befriedigend (Beispiel in Abb. 10): Es zeigt sich, dass die Zündverzugszeit von reinem n-Dekan kaum von der der 80 %/20 %-Mischung von nDekan/n-Propylbenzen abweicht. Der Grund für dieses Verhalten ist die große Stabilität des aromatischen Ringes, die bewirkt, dass in der Zündungsphase der Zerfall der Aliphate dominiert. 5. Schadstoffbildung Um die Bildung von Schadstoffen bei der Verbrennung besser zu verstehen, ist ein genaueres Wissen um deren chemische Reaktionskinetik hilfreich. Solche detaillierten Mechanismen sind für eine Optimierung der Verbrennungsführung notwendig. Folgende Elementarreaktionsmechanismen wurden entwickelt: • Stickoxidbildung: Der C4-Basismechanismus ist um einen Stickoxid-Submechanismus erweitert worden. Dieser beinhaltet sowohl die Bildung thermischen und prompten Stickoxids, als auch die Konversion von Brennstoff-gebundenem Stickstoff. • Bildung von Ruß-Vorläufern: Dieser Submechanismus wurde unter der Prämisse der Oxidation von Benzol entwickelt. Der Aufbau des Benzols aus Verbrennungsprodukten ist derzeit nicht korrekt berücksichtigt und erfordert weitere Arbeiten. 6. ILDM-Tabellierung Zur Anwendung in Motor- oder Brennersimulationen muss dieses Reaktionsgeschehen mit nur wenigen Variablen beschrieben werden können, da anderenfalls unakzeptabel große Rechenzeiten resultieren würden. Deshalb werden ILDM-Tabellen (Intrinsic Low-Dimensional Manifolds) erzeugt, die mit wenigen Zustandsvariablen den Zustand des reagierenden Gemisches durch einfachen Zugriff auf die Tabelle beschreiben können [6]. Da die Berechnung der niedrig-dimensionalen Mannigfaltigkeit auch auf modernen Computeranlagen sehr rechenaufwendig ist, ist es sinnvoll, einmal berechnete Punkte auf der ILDM in einer Tabelle zu speichern [7]. Schon bei Verwendung von zwei Reaktionsfortschrittsvariablen, einer variablen Mischung beschrieben durch einen Mischungsbruch und eine variable Enthalpie, führt die Tabellierung der gesamten Mannigfaltigkeit zu Tabellen, die mehrere 100 MB groß sind. Daher wurde ein effizienter Tabellierungsalgorithmus basierend auf binären Suchbäumen, den AVL (Adelson-Velskii-Landis)-Bäumen entwickelt. Um zu verhindern, dass der binäre Suchbaum zu einer Liste degeneriert, ist es nötig, ihn zu rebalancieren (siehe Abb. 11). Andererseits ist der Aufwand für das Ausbalancieren möglichst gering zu halten. AVL-Bäume stellen dabei einen guten Kompromiss dar. In ihnen kann mit wenigen und schnellen Operationen das Rebalancieren erfolgen, und andererseits ist der Suchaufwand bei ihnen um maximal 44% höher als in perfekt ausbalancierten Suchbäumen. Diese Datenstruktur ermöglicht es, mit wenigen Vergleichen (ca. 20) einen Punkt in der Tabelle zu bestimmen. 17 10 14 14 9 12 10 5 12 17 9 5 Abb.11: Balancierter (links) und unbalancierter (rechts) Suchbaum Änderung des Algorithmus zur Bestimmung von ILDM-Punkten: Die Berechnung der Eigenwerte und der Eigenvektorbasis der Jacobi-Matrix des betrachteten Reaktionssystems ist wegen der Größe des Reaktionsmechanismus sehr rechenzeitintensiv. Um den Rechenaufwand zu verringern, wurde der Lösungsprozeß (mit dem differential-algebraischen Gleichungssystemlöser LIMEX [8]) in eine innere Schleife, bei der die Gleichungen zur ILDM-Bestimmung samt Parametrisierung gelöst werden, und eine äußere Fixpunktiteration zerlegt [7]. Die Berechnung des Eigenraums in der Fixpunktiteration ist möglich, da die Mannigfaltigkeiten meist nur mäßig nichtlinear sind und der Eigenraum der langsamen Zeitskalen sehr viel weniger steif ist als das gesamte Reaktionssystem. Abb. 12: ILDM-Bereich (grau) für eine stöchiometrische n-Dekan/Luft-Mischung bei Atmosphärendruck; die Kreuze markieren die Zustände in eine laminaren flachen Flamme Besonders bei hohen Drücken tritt bei diesem Algorithmus jedoch das Problem auf, daß die Fixpunktiteration in der äußeren Schleife nicht konvergiert. Der Algorithmus wurde daher so modifiziert, dass die Berechnung des langsamen Eigenraumes nach jedem Limex-Zeitschritt neu durchgeführt wird. Mit dieser Änderung ist man in der Lage, die Konvergenz deutlich zu verbessern, so dass im physikalisch sinnvollen Bereich der Zustandsvariablen immer Lösungen gefunden werden (Beispiel in Abb. 12). Der Nachteil ist, dass dieses Verfahren wesentlich rechenaufwendiger ist, weil die Berechnung der Jakobimatrix in dem zugehörenden Eigenraum einen Großteil der benötigten Rechenzeit in Anspruch nimmt (daher: Parallelisierung; siehe weiter unten). Eine Möglichkeit, den zusätzlichen Aufwand in Grenzen zu halten, ist, diesen langsamen, aber sicheren Algorithmus nur zu verwenden, wenn der schnelle Algorithmus nicht in der Lage war, die niedrig-dimensionale Mannigfaltigkeit zu bestimmen. Adaptives Tabellengitter: Normalerweise werden Daten benötigt, die nicht exakt auf dem Tabellengitter liegen. Daher findet beim Auslesen von Daten aus der ILDM-Tabelle eine lineare Interpolation zwischen Punkten auf dem Tabellengitter statt. Als Tabellengitter wird ein kartesisches Gitter mit fester oder adaptiver Schrittweite verwendet (siehe Abb. 13). Als Koordinaten dienen dabei die Enthalpie oder die Temperatur, der Mischungsbruch, und die Reaktionsfortschrittsvariablen. Simulationen in räumlich homogenen Systemen zeigen, dass besonders in der Nähe des Gleichgewichtes ein sehr feines Tabellengitter nötig ist, um Interpolationsfehler zu minimieren. Da es nicht möglich und sinnvoll ist, ein so feines Gitter für den ganzen Bereich der ILDM zu verwenden, wurde die Möglichkeit zur adaptiven Verfeinerung der Schrittweite innerhalb der Tabelle implementiert [9]. Abb. 13: Dreimalige Bisektion des Tabellengitters; ILDM-Werte werden in den Punkten bestimmt Parallelisierung der Tabellenerzeugung: Die Erzeugung von ILDM-Tabellen, welche die gesamte ILDM umfassen, benötigt bei Verwendung von zwei Fortschrittsvariablen, einem variablen Mischungsbruch und der Enthalpie als Achsen meist über einen Monat Rechenzeit (SGI R10 000). Daher ist es sinnvoll, die Tabellengenerierung zu parallelisieren. Es wurde ein Algorithmus entwickelt [9], bei dem die ILDM-Tabelle gleichzeitig auf mehreren (ca. 30) Prozessoren berechnet wird. Dabei übernimmt ein Prozessor die Verwaltung der Tabellierung und die Steuerung der Tabellenerzeugung, die übrigen Prozessoren übernehmen die rechenintensive Lösung der ILDM-Gleichungen (siehe Abb. 14). Die Kommunikation zwischen den Prozessoren erfolgt mit MPI. Master Slave Slave Slave ..... Slave Abb. 14: Parallele Ausführung der ILDM-Tabellenerzeugung nach einem „Master-Slave”-Konzept Verbindung mit CFD-Codes: Bei der Verbindung des ILDM-Algorithmus mit CFD-Codes ergibt sich die Frage, wie man vernünftige Werte für die Dichte und die Temperatur/Enthalpie erhalten kann, wenn keine ILDM-Punkte existieren. Das Standard-Modell hier besteht darin, für diese Größen z. B. eine Interpolation zwischen dem unverbrannten Gemisch und existierenden ILDMPunkten vorzunehmen. Alternativ kann man den Ansatz wählen, die Massenbrüche für einige häufig vorkommende Spezies entsprechend dem Mischungsbruch und den Reaktionsfortschrittsvariablen zu wählen. Exemplarisch soll hier der Algorithmus für eine zweidimensionale Mannigfaltigkeit mit CO2 und H2O als Fortschrittsvariablen vorgestellt werden: (1) Die Masenbrüche von CO2 und H2O werden entsprechend den vorgegebenen Fortschrittsvariablen gewählt, (2) N2 entsprechend dem N-Elementmassenbruch. (3) Der verbleibender Kohlenstoff soll in Form des Brennstoffs vorliegen; ist dies aufgrund der HBilanz nicht möglich, so sollen alle nicht als Brennstoff vorliegenden C-Atome zu CO reagiert sein. (4) Der noch nicht verbrauchte Wasserstoff soll zu H2 reagieren. (5) Der übrige Sauerstoff soll in Form von O2 vorliegen. Die sich ergebende Spezieszusammensetzung ist zwar nur eine Näherung, ist aber in der Lage, die Temperatur/Enthalpie in der richtigen Größenordnung vorherzusagen. (Im Allgemeinen wird die Temperatur überschätzt, da keine energiereichen Radikale berücksichtigt werden.) Die Spezieszusammensetzung soll keineswegs zur Vorhersage der Gemischzusammensetzung dienen, sondern nur dazu, im unverbrannten Bereich der Flamme die Dichte in der richtigen Größenordnung vorherzusagen. Die ILDM-Methode wurde genutzt, um einen Dekan-Mechanismus zu reduzieren [9]. Dekan stellt einen einfachen Modellbrennstoff für Kerosin dar, dem als Brennstoff für Turbinen eine große Bedeutung zukommt. Es wurden ILDM-Tabellen für Drücke zwischen 0,125 bar und 50 bar erzeugt. Abb. 15 zeigt Beispiele von berechneten ILDMs für 2, 3 und eine variable Zahl von Fortschrittsvariablen im Vergleich zum detaillierten Reaktionsmechnismus. Abb. 15: Homogenes Dekan-System für detaillierten Mechanismus, 2- und 3-dimensionale ILDM und ILDM mit variabler Dimension (Multi-D-ILDM) Tests der reduzierten Dekanmechanismen in laminaren Flammen zeigen, dass sowohl mit zwei wie auch mit drei Fortschrittsvariablen der Verlauf von CO2 und H2O zufrieden stellend beschrieben werden kann [9]. Ist man aber an der Konzentration von Radikalen wie O interessiert, so wird die maximale Konzentration deutlich überschätzt, wenn nur zwei Fortschrittsvariablen verwendet werden. Bei drei Fortschrittsvariablen kann diese Konzentration dagegen deutlich besser wiedergegeben werden. Dieses Ergebnis ist wichtig, weil den O-Radikalen bei der thermischen NOxBildung eine zentrale Bedeutung zukommt. Die Ergebnisse zeigen, dass es sinnvoll ist, möglichst drei oder mehr Reaktionsfortschrittsvariablen zu nutzen. In der Nähe des Gleichgewichts befindet sich das chemische System aber meist schon auf einer eindimensionalen Mannigfaltigkeit. In diesem Bereich ist es numerisch schwierig, drei Fortschrittsvariablen zu nutzen. Daher ist es sinnvoll, in diesem Bereich eine eindimensionale Mannigfaltigkeit zu nutzen und nur für relativ unverbrannte Gemische höher-dimensionale Mannigfaltigkeiten zu verwenden. Andererseits ist es schwierig, in einem CFD-Programm eine ILDM mit variabler Dimension zu implementieren. Üblicherweise wird für jede Reaktionsfortschrittsvariable eine Erhaltungsgleichung im CFD-Programm gelöst. Bei einer ILDM mit variablen Dimension müsste dann auch mit einer verschiedenen Anzahl von Gleichungen im CFD-Programm gerechnet werden. Dies würde die Implementierung deutlich erschweren, besonders bei Verwendung von kommerziellen CFD-Programmen. Daher wurde die Implementierung entwickelt, bei der immer mit der maximalen Anzahl von Fortschrittsvariablen im CFD-Code gerechnet wird. Abb. 16: Simulation einer eindimensionalen laminaren Vormischflamme für ein stöchiometrisches Dekan-LuftGemisch (Mischungsbruch 0,062). Rote Linie: Simulation mit dem detaillierten Mechanismus, grüne Rechtecke: ILDM mit zwei Fortschrittsvariablen, blaue Rechtecke ILDM mit drei Fortschrittsvariablen Diese Implementierung wurde erfolgreich in räumlich homogenen Systemen und in laminaren Flammen getestet (Abb. 16). 7. Spray-Zündung und -Verbrennung Die detaillierte Beschreibung der Zündung von Sprays erfordert ein gutes Modell zur Beschreibung der Verdampfung der Sprays, und später detaillierte Reaktionsmechanismen zur Beschreibung der Radikalbildung, die die Zündverzugszeit bestimmt. Das entwickelte Zündmodell hat die Eigenschaften: • Verwendung von detaillierten Reaktionsmechanismen mit mehr als 1000 Spezies und Elementarreaktionen. Im vorliegenden Fall wird ein Test für die Zündung von n-Heptan gezeigt. • Erhaltungsgleichung im CFD-Programm für nur eine Spezies (wie z.B. CO), die ein monotones Verhalten während der Zündung zeigt, und deshalb die gesamte Radikalbildung repräsentiert: ∂r Y˜CO ˜r ˜ ) = div( r D gradY˜ ) + r Y˜˙ C + div( r uY CO T CO CO ∂t • Tabellierung der Reaktionsgeschwindigkeit von CO (berechnet mit dem detaillierten Reaktionsmechanismus als Funktion von Mischungsbruch, Druck, Temperatur und CO-Konzentration). • Integration der Reaktionsgeschwindigkeit über eine Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion (pdf) für turbulente Strömungen: C C Y˜˙CO = Ú Y˙CO ◊ P (x ) ◊ P ( T ) ◊ P ( YCO ) ◊ dx ◊ dT ◊ dYCO • Implementierung des Zündmodells in einem Standard-3-D-Motorprogramm (KIVA III), um die Zündverzugszeit und den Ort der Zündung vorherzusagen. Abb. 17 zeigt den Zeitpunkt und Abb. 18 den Ort der Zündung für einen typischen Fall der SprayZündung. In Übereinstimmung mit Messungen zeigt sich, dass die Zündung an der Flanke der Spray-Wolke erfolgt, nicht – wie fälschlicherweise oft behauptet – an der Spitze. Abb. 17: Messung und Simulation des Zündzeitpunktes einer Spray-Wolke (SOI = start of injection) Z X Y Abb. 18: Simulation der Zündung einer Spray-Wolke von n-Hexan (blau = kalt, rot = heiss); die Kreisdurchmesser repräsentieren die Tröpfchengrößen. Der Ort der aktuellen Zündung wird durch das entsprechende Volumenelement angezeigt. 8. Literatur [1] J. Warnatz, U. Maas, R. W. Dibble: Combustion. Springer, Heidelberg (1996); 2nd edition (1999), 3rd edition (2001) [2] D. L. Baulch, C. T. Bowman, R. A. Cox, T. Just, J. A. Kerr, M. J. Pilling, J. Troe, W. Tsang, R. W. Walker, J. Warnatz: Evaluated Kinetic Data for Combustion Modelling. J. Phys. Chem. Ref. Data (2004), zur Veröffentlichung eingereicht [3] C. J. Gibbs, H. C. Calcote: Effect of Molecular Structure on Burning Velocity. J. Chem. Eng. Data 4, 226 (1959); M. Gerstein, O. Levine, E. L. Wong: J. Am. Chem. Soc. 73 : 418-422 (1951) [4] Private Mitteilung: Dr. Franck, DLR Stuttgart, Institut für Verbrennungstechnik [5] M. Cathonnet, A. el Bakali, P. Dagaut, M. Reuillon, J.-C. Boettner: Modélisation de la combustion du kérosène à l'aide de schémas cinétiques détaillés et réduits. Revue Scientifique et Technique de la Défense, 3, 113-116 (2001) [6] U. Maas, S. B. Pope: Implementation of Simplified Chemical Kinetics Based on Intrinsic LowDimensional Manifolds. Proc. Comb. Inst. 24, 103 (1993) [7] C. Correa, H. Niemann, B. Schramm, J. Warnatz: Reaction Mechanism Reduction for Higher Hydrocarbons by the ILDM Method. Proc. Comb. Inst. 28, 1607-1614 (2001) [8] P. Deuflhard, E. Hairer, J. Zugck: One-Step and Extrapolation Methods for Differential/Algebraic Systems. Numer. Math. 51, 501 (1987) [9] J. Warnatz: Generation and Reduction of Reaction Mechanisms Relevant to Combustion in Turbines, in: G. D. Roy, S. M. Frolov, A. M. Starik (Ed.): Combustion and Atmospheric Pollution, S. 9-17. Torus Press, Moscow (2003)