Übung 13

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Sommersemester 2008
Prof. Dr. R. Ketzmerick/Dr. R. Schumann
Technische Universität Dresden
Institut für Theoretische Physik
Theoretische Mechanik
13. Übung Lösungen
13.1 Trägheitstensor und Satz von Steiner
a) Berechnen Sie den Trägheitstensor eines Quaders der Kantenlängen a, b und c mit
a > b > c bezüglich seines Schwerpunktes.
Wir gehen von einer homogenen Dichte ρ aus. Dann berechnet sich das Trägheitsmoment Θxx bezüglich des Schwerpunktes entsprechend:
Θxx = ρ
Za/2
dx
Zb/2
dy
dz (y 2 + z 2 )
−c/2
−b/2
−a/2
Zc/2
a/2 b/2 z 3 c/2 a/2 y 3 b/2 c/2
= ρ x
y
+
x
z
−a/2 3 −b/2 −c/2
−a/2 −b/2 3 −c/2
abc 2
m
= ρ
(b + c2 ) = (b2 + c2 ) .
12
12
Das Deviationsmoment Θxy ergibt sich
Θxy = ρ
Za/2
dx
−b/2
−a/2
= −ρ
Zb/2
Za/2
dy
Zc/2
dz (−xy)
−c/2
dx x × · · · = 0 .
−a/2
|
{z }
=0
Analog (oder schneller durch zyklische Vertauschung!) findet man die anderen Trägheitsbzw. Deviationsmomente. Der Trägheitstensor hat damit folgende Gestalt:
~
~ =
Θ
 2
 

b + c2
0
0
J1 0 0
m
0
a2 + c2
0  =  0 J2 0  ,
12
2
0
0
a + b2
0 0 J3
d.h er ist bereits bzg. seiner Hauptachsen berechnet, die hier mit den Koordinatenachsen zusammenfallen und hat drei verschiedene Hauptträgheitsmomente.
b) Wie a) aber mit a = b > c (quadratisches Prisma)!
Der Trägheitstensor bekommt damit folgende Gestalt:
~
~ =
Θ
 2

 
a + c2
0
0
J1 0 0
m
0
a2 + c2 0  =  0 J1 0  .
12
0
0
2a2
0 0 J3
Es gibt nut noch zwei verschiedene Hauptträgheitmomente. Das bedeutet, daß die
Trägheitsmomente in Bezug auf alle Achsen, die in der x-y-Ebene liegen und durch
den Schwerpunkt gehen gleich ist.
c) Wie a) aber mit a = b = c (Würfel)!
In diesem Fall sind alle Hauptträgheitsmomente gleich. Der Trägheitstensor vereinfacht sich damit folgendermaßen:
~
~ =
Θ



 2


1 0 0
2a
0
0
1 0 0
m
m
0 2a2 0  = a2 0 1 0 = J 0 1 0 .
12
6
0 0 1
0
0 2a2
0 0 1
d) Berechnen Sie den Radius R und die Höhe h eines Kreiszylinders, der denselben
Trägheitstensor bezüglich seines Schwerpunktes aufweist, wie das unter b) berechnete
quadratische Prisma.
Hier geht man natürlich zweckmäßigerweise zu Zylinderkoordinaten über, wobei im
folgenden der senkrechte Abstand zur Symmetrieachse mit r bezeichnet wird, um
Verwechslungen mit der Dichte zu vermeiden. Es ist klar, daß in der x-y-Ebene
Isotropie herrscht. Deswegen müssen nur zwei Hauptträgheitsmomente berechnet
werden. Das Trägheitsmoment J1 = Θxx = Θyy bezüglich des Schwerpunktes ergibt
sich damit:
J1 = ρ
= ρ
0
ZR
Z2π
ZR
Z2π
dϕ
drr
0
dϕ
0
h/2
= ρz = ρπR2 h
drr
Z2π
|0
dz (y 2 + z 2 )
Zh/2
dz (r 2 sin2 ϕ + z 2 )
−h/2
0
−h/2
Zh/2
−h/2
dϕ sin2 ϕ
ZR
drr 3 + ρπR2
z 3 h/2
3 −h/2
{z
}0
=π
R2 h2
m
h2
2
+
=
R +
.
4
12
4
3
Das Trägheitsmoment J3 = Θzz bezüglich des Schwerpunktes ergibt sich damit:
J3 = ρ
= ρ
0
ZR
Z2π
ZR
Z2π
dϕ
drr
0
dϕ
0
−h/2
dz (x2 + y 2 )
Zh/2
dz r 2
−h/2
drr
0
h/2
= ρz Zh/2
Z2π
0
−h/2
dϕ
ZR
drr 3 = ρπR2 h
m
R2
= R2 .
2
2
0
Durch Gleichsetzen mit den in Aufgabenteil b) gewonnenen Trägheitsmomenten findet man
a
R= √
3
und h = c .
e) Berechnen Sie den Radius R einer Kugel, die denselben Trägheitstensor bezüglich
seines Schwerpunktes aufweist, wie der unter c) berechnete Würfel.
Es ist klar, daß keine Raumrichtung ausgezeichnet ist (Isotropie). Deswegen muß
hier lediglich ein Trägheitsmoment berechnet werden, was man zweckmäßigerweise
in Kugelkoordinaten durchführt Das Trägheitsmoment J = Θxx = Θyy = Θzz =
(Θxx + Θyy + Θzz )/3 bezüglich des Schwerpunktes ergibt sich damit:
J
= ρ
Z2π
dϕ
0
=
2
ρ
3
Z2π
0
Zπ
dϑ sin ϑ,
0
dϕ
Zπ
0
ZR
0
dϑ sin ϑ
y 2 + z 2 x2 + z 2 x2 + y 2
dr r
+
+
3
3
3
|
{z
}
2
2 r /3
ZR
2
dr r 4
0
2
2
4π
= ρ R3 R2 = mR2 .
3
5
5
Durch Gleichsetzen mit dem im Aufgabenteil c) berechneten Trägheitsmoment findet
man
r
1 5
R=
a.
2 3
f) Berechnen Sie die Trägheitsmomente für die unter a) bis c) berechneten Körper für
eine Rotation um die Kanten, für den Kreiszylinder bezüglich einer Rotation um
eine parallel zur Symmetrieachse im Zylindermantel liegende Drehachse und für die
Kugel für eine den Kugelmantel tangierende Drehachse.
Hier kommt nun der Satz von Steiner zur Anwendung. Bei Rotation des Quaders
um eine Kante der Länge a ist die Richtung der Drehachse
∝ ~ex , der senkrechte
√
Abstand der Drehachse zum Schwerpunkt ist dann b2 + c2 /2. Damit ergibt sich
1
1
2
JA,1 = JS,1 + m r⊥
= JS,1 + m(b2 + c2 ) = m(b2 + c2 ) .
4
3
Die Trägheitsmomente bezüglich der anderen Kanten gewinnt man durch zyklische
Vertauschung. Beim quadratischen Prisma mit a = b ergibt sich
1
2
JA,1 = JS,1 + m r⊥
= m(a2 + c2 )
3
2
2
und JA,3 = JS,3 + m r⊥
= ma2 .
3
Für den Würfel erhält man
2
2
= ma2 .
JA = JS + mr⊥
3
Für den Kreiszylinder ist der senkrechte Abstand einer Achse, die im Zylindermantel
liegt, zur Symmetrieachse gerade R, so daß man
3
JA,3 = JS,3 + mR2 = mR2 .
2
erhält.
Für eine Kugel ergibt sich bei Drehung um eine den Kugelmantel tangierende Drehachse
7
JA = JS + mR2 = mR2 .
5
g) Berechnen Sie den Trägheitstensor des unter d) betrachteten Kreiszylinders bezüglich
eines Punktes des Körpers, der am weitesten vom Schwerpunkt entfernt ist.
Da alle Punkte auf den Kanten des Kreiszylinders gleichweit vom Schwerpunkt entfernt sind, können wir einen beliebigen herausgreifen. Der Vektor ~a vom Schwerpunkt
zu diesem Punkt sei
h
~a = R~ex + ~ez .
2
Der Trägheitstensor bezüglich dieses Punktes bekommt damit folgende Gestalt:
~
~
~A = Θ
~ S + m(~a 2 1 − ~a ◦ ~a) .
Θ
Mit
~a 2

R2
bzw. ~a ◦ ~a =  0
h2
= R2 +
4
liefert das

R2
4

R2
4
~
~A = m
Θ

+
0
0
h2
12
R2
4
0
+
0
2
+ h3

= m 0
− R2h
5 2
4R
h2
12
0
+
0
h2
3
Rh
2
0
0
0
R h
2
0 
h2
4

 2
h
0

 4
0  + m 0
R2
− R2h
2

− R2h

0 .
3R2
2
0
2
R +
0
h2
4

− R2h

0 
R2
13.2 Drehmoment, Rotationsenergie und Drehschwingung
mR
∆ l0
mr
2R
δϕ
mr
δl
2r
F
l0
m
m
k
α
δz
z0
h
Ö
Betrachtet wird die obenstehende Apparatur, bei der auf einer Welle zwei Seilscheiben mit
den Massen mR bzw. mr und den Radien R bzw. r auf einer Welle angebracht sind. Am
Seil der größeren hängt die Last m in der Höhe h über dem Erdboden. Das Seil der kleineren Scheibe ist mittels eine Feder (Federkonstante k) unter dem Winkel α abgespannt.
Die Massen der Seile, der Welle und der Feder, sowie Pendelbewegungen der Last können
vernachlässigt werden.
a) Bestimmen Sie mit Hilfe des d’alembertschen Prinzips die Dehnung der Feder!
Das System befindet sich in Ruhe. Die Beschleunigungen verschwinden. Es verbleibt
~F δ~rF + F~m δ~rm
0=F
,
wobei F die mit der Feder in Zusammenhang stehenden Größen und m die mit der
Masse zusammenhängenden Größen indiziert. Man bekommt mit
F~F δ~rF = k∆l δl
k∆l δl = mg δz
und F~m δ~rm = −mg δz
mg δz
.
=⇒
∆l =
k δl
Da eine virtuelle Verschiebung δz der Masse die Welle und damit beide Seilscheiben
virtuell um den Winkel δϕ verdreht, findet man wegen δz = R δϕ und δl = r δϕ
∆l =
mg R
k r
b) Bestimmen Sie die Drehmomente der Feder bzw. der Last bezüglich der Welle.
~ F = k∆lr ~eA
M
~ m = −mgR ~eA ,
M
wobei ~eA die Richtung der Symmetrieachse der Seilscheiben angibt. Man sieht mit
Blick auf a) sofort, daß das Gesamtdrehmoment verschwindet.
c) Überlegen Sie sich angepaßte generalisierte Koordinaten und bestimmen Sie die
Lagrange-Funktion!
Angepaßte Koordinaten könnten zum Beispiel z oder ϕ sein. Die kinetische Energie
ergibt sich aus der Rotationsenergie der beiden Seilscheiben und der translatorischen
Energie der Masse zu
T
=
JR 2 Jr 2 m 2 JR + Jr + mR2 2
ϕ̇ + ϕ̇ + ż =
ϕ̇ .
2
2
2
2
Zur potentiellen Energie trägt sowohl die Feder als auch die Gewichtskraft bei
U
k
= mg(z0 + z) + (∆l0 − δl)2
2
k
k
= mgz0 + mgz + (∆l0 )2 − k∆l0 δl + (δl)2 .
2
2
Hier ist jetzt mit ∆l0 unter a) berechnete Auslenkung der Feder und mit z0 die zugehörige Ruhelage der Masse bezeichnet worden. Drückt man die variablen Größen
z und δl, d.h. die Lagekoordinaten gemessen von der Ruhelage (siehe rechte Abbildung) wieder mit dem Winkel ϕ aus ergibt sich mit den Resultaten aus a)
U
k
k
(mgR − k∆l0 r)
ϕ + r 2 ϕ2
= mgz0 + (∆l0 )2 +
|
{z
}
2
2
|
{z
}
=
0,
wegen
a)
bzw.
b)
=const.
k
= const. + r 2 ϕ2 .
2
Die Lagrange-Funktion bekommt die folgende Form
L =
JR + Jr + mR2 2
k
ϕ̇ − const. − r 2 ϕ2 .
2
2
d) Stellen Sie die Bewegungsgleichung auf und bestimmen Sie die Eigenfrequenz der
Apparatur.
d ∂L ∂L
−
dt ∂ ϕ̇ ∂ϕ
= (JR + Jr + m R2 )ϕ̈ + kr 2 ϕ = 0 .
Indem man jetzt die DGL in die Normalform bringt
ϕ̈ +
kr 2
ϕ = 0,
(JR + Jr + m R2 )
mit der DGL für den harmonischen Oszillator vergleicht und für die Trägheitmomente der Seilscheiben Jr = mr r 2 /2 und JR = mR R2 /2 einsetzt, findet man
ω=
s
kr 2
=:
JR + Jr + m R2
r
k
m⋆
mit m⋆ = m
R 2 mR R 2 mr
.
+
+
r2
2 r2
2
e) Zum Zeitpunkt t0 , das System befinde sich zu diesem Zeitpunkt in Ruhe, wird das
Seil zwischen Feder und Seilscheibe zerschnitten. Wann und mit welcher Geschwindigkeit schlägt die Last am Boden auf?
Aus dem Energieerhaltungssatz findet man
E = mgh = mgz +
m 2 1
ż + (JR + Jr )ϕ̇2 .
2
2
Indem man ϕ̇ = ż/R einsetzt ergibt sich
1
Jr
JR
mgh − mgz =
m + 2 + 2 ż 2 .
2
R
R
Die Auftreffgeschwindigkeit ż1 = ż(t = t1 ) ergibt sich damit zu
s
2mgh
ż1 = −
m + JRR2 + RJr2
Die Auftreffzeit t1 erhält man, indem man
s
2mg(h − z)
ż(t) = −
JR
Jr
m+ R
2 + R2
mittels TdV von 0 bis t1 integriert.
13.3 Rollpendel
y
A
A
m2
A
ϕ
R
δϕ
ϕ
m1
a
rS’
δϕ
vA δ t
S
S
S
vS δ t
R
δϕ x rS’
rS(t)
s
rS(t+ δt)
B
B
B
x
Ein aus zwei Halbzylindern verschiedener Massendichten (Massen m1 , m2 ) zusammengesetzter Zylinder (Radius R), dessen Schwerpunkt S sich außerhalb der Symmetrieachse A
befindet, rollt (ohne zu rutschen) auf einer ebenen Unterlage.
a) Bestimmen Sie die kinetische Energie des Körpers, indem Sie einmal die momentane Drehachse und einmal die Drehachse durch den Schwerpunkt als Bezugsachse
wählen!
Es gibt drei Möglichkeiten dieses Problem zu behandeln, je nach Wahl der Rotationsachse.
Fall B: Die Bewegung des Zylinders wird als reine Drehbewegung um die momentane
Drehachse B betrachtet, die durch den Auflagepunkt hindurch geht.
Fall A: Die Bewegung des Zylinders wird als translatorische Bewegung des Punktes A
und eine Rotation um die Drehachse durch diesen Punkt aufgefasst.
Fall S: Die Bewegung des Zylinders wird als translatorische Bewegung des Schwerpunktes S und eine Rotation um die Drehachse durch diesen Punkt aufgefasst.
Da der Körper infolge der Haftreibung auf der Unterlage nicht gleiten soll, sind
Translationsbewegung des körperfesten Koordinatenursprungs und die Rotation um
diesen über eine Rollbedingung verknüpft.
Im raumfesten System mit Koordinatenursprung in B dreht sich die Symmetrieachse
A in der Zeit dt um den Winkel d~
ϕ, wobei sie sich um das Stück d~rA = d~
ϕ × R~ey
weiter bewegt.
Im körperfesten System dreht sich der Punkt B um den Punkt A und bewegt sich
′ = dϕ
~ ′ × (−R~ey ) auf dem Kreisbogen mit Radius R nach links.
dabei um d~rB
“Abrollen” bedeutet, daß der Weg, den der Punkt B in einer festen Zeitspanne auf
dem Kreisbogen um A zurücklegt, genausolang ist, wie die Strecke, die der Auflagepunkt B auf der Unterlage zurücklegt.
Die Rollbedingung kann also als
d~
ϕ = d~
ϕ′
′
bzw. d~rB
= −d~rA
geschrieben werden. Die Rollbedingung ist verletzt, wenn “Schlupf” auftritt. Dann
gilt entweder dϕ′ > dϕ, d.h. der Zylinder dreht sich schneller (Bsp.: Durchdrehen
der Räder beim Formel 1 Start), oder dϕ′ < dϕ, d.h der Zylinder dreht sich langsamer (das ist z.B. auf etwa den ersten beiden Dritteln des Weges einer gestoßenen
Billardkugel der Fall).
Aus der Rollbedingung folgt also sofort, daß die Winkelgeschwindigkeit der Rotation um die momentane Drehachse B bzw. um eine körperfeste Achse (z.B. A oder
S) gleich sind, und deshalb hier in der Bezeichnung nicht unterschieden zu werden
brauchen. Wegen dieser Rollbedingung besitzt das System nur einen mechanischen
Freiheitsgrad. Als verallgemeinerte Koordinate wird der Winkel ϕ gewählt.
Je nach Wahl der Achslage unterscheiden sich die Trägheitsmomente des Zylinders.
Der Steinersche Satz (für parallele Achsen!) erlaubt uns aber, diese miteinander in
Beziehung zu setzen. Es gilt
JA = JS + M a2
, JB = JS + M s2
bzw. JB = JA + M R2 − 2M aR cos ϕ ,
wobei M die Gesamtmasse des Zylinders ist.
Zwischen den Abständen der Achsen besteht der aus dem Cosinussatz folgende Zusammenhang (siehe linke Abbildung):
s2 = a2 + R2 − 2 · a · R cos ϕ .
Die kinetische Energie wird jetzt für alle drei Fälle berechnet:
Fall B: Die Rotationsachse geht durch die momentane Drehachse B.
TB =
=
JB ϕ̇2
2
(JS + M s2 ) ϕ̇2
JS ϕ̇2 M 2 2
=
+
ϕ̇ (a + R2 − 2aR cos ϕ)
2
2
2
Fall A: Die Rotationsachse geht durch die Symmetrieachse A.
′
′
Die kinetische Energie bekommt mit ~v = ~vA + ~ω × ~r′ (r ′ bezeichnet die Position eines Massenelementes im körperfesten System, siehe Vorlesung) folgende
Gestalt:
JA 2
M 2
~v + M~va (~ω × ~rS′ ) +
ω .
TA =
2 A
2
Orientiert man die x-Achse nach rechts und die y-Achse nach oben, gilt
ω = ω (−~ez )
~
und ~rS′ = a sin ϕ ~ex − a cos ϕ ~ey
Damit kann man den zweiten Term umschreiben
M~va (~
ω × ~rS′ ) = M (~va × ~ω ) ~rS′ = M va ω(~ex × (−~ez )) ~rS′
= M va ω ~ey ~rS′ = −M va ω a cos ϕ .
Indem man va = Rω = Rϕ̇ benutzt und das Trägheitsmoment JA über den
Satz von Steiner ausdrückt, erhält man schließlich
JA 2
M R2 2
ϕ̇ − M Raϕ̇2 cos ϕ +
ϕ̇
2
2
M R2 2
JS + M a2 2
=
ϕ̇ − M Raϕ̇2 cos ϕ +
ϕ̇
2
2
JS 2 M 2
=
ϕ̇ +
(R − 2Ra cos ϕ + a2 )ϕ̇2 .
2
2
Fall S: Die Rotationsachse geht durch den Schwerpunkt S.
TA =
M 2 JS 2
~v +
ϕ̇
2 S
2
Der rechten Abbildung entnimmt man ~vS = ~vA + ~ω × ~rS′ was mit denselben
Schritten wie im Fall A zu
M
JS 2
TS =
(~vA + ω
~ × ~rS′ )2 +
ϕ̇
2
2
M
JS 2
M 2
~vA + M~vA (~ω × ~rS′ ) +
(~ω × ~rS′ )2 +
ϕ̇
=
2
2
2
JS 2
M
2
M R2 2
ϕ̇ − M Raϕ̇2 cos ϕ +
ϕ̇
~ω 2~rS′ − (~ω~rS′ )2 +
=
| {z }
2
2 | {z }
2
=0
= ϕ̇2 a2
JS 2 M 2
=
ϕ̇ +
(R − 2Ra cos ϕ + a2 )ϕ̇2 .
2
2
TS
=
Man sieht also, daß die kinetische Energie in allen drei Fällen dieselbe Abhängigkeit
von der verallgemeinerten Koordinate ϕ und der verallgemeinerten Geschwindigkeit
ϕ̇ hat, so daß bei der Lösung der Ausdruck, der die Arbeit am meisten vereinfacht,
gewählt werden kann.
b) Geben Sie die Lagrange - Funktion L(ϕ, ϕ̇) an, wobei als verallgemeinerte Koordinate der Winkel ϕ zwischen der Vertikalen und dem Lot vom Schwerpunkt auf die
Zylinderachse A benutzt wird!
Die Lagrange - Funktion lautet:
L=
ΘS · ϕ̇2 M 2 2
+
ϕ̇ (a + R2 − 2aR · cos ϕ) − M g(R − a cos ϕ)
2
2
c) Wie lautet die Bewegungsgleichung?
Die Bewegungsgleichung ergibt sich zu:
d ∂L ∂L
−
dt ∂ ϕ̇ ∂ϕ
= ΘS ϕ̈ + M ϕ̈(a2 + R2 − 2aR · cos ϕ) − M aRϕ̇2 sin ϕ + M ga sin ϕ
0 =
d) Zeigen Sie, dass bei der tiefsten Lage des Schwerpunktes ein stabiles Gleichgewicht,
bei seiner höchsten Lage ein labiles Gleichgewicht vorliegt! Bestimmen Sie die Frequenz der harmonischen Schwingungen, die der Zylinder für kleine Winkel ϕ ≪ 1
um das stabile Gleichgewicht ausführt!
Gleichgewichtslagen (ϕ̈ = 0 ) liegen vor bei ϕ = 0 und ϕ = π. Die Art des Gleichgewichts wird dadurch bestimmt, dass man das System etwas auslenkt, und nachschaut
ob das System in die Gleichgewichtslage zurückkehrt oder davonläuft. Bewegungsgleichung für die Winkel ϕ = ǫ ≪ 1:
ΘS ϕ̈ + M ϕ̈(a − R)2 = −M gaϕ
Die rechte Seite ist ein rücktreibendes Drehmoment, es handelt sich also um eine
stabile Gleichgewichtslage bei ϕ = 0. Bewegungsgleichung für den Winkel ϕ = π +
ǫ, ǫ ≪ 1:
ΘS ϕ̈ + M ϕ̈(a + R)2 = −M ga sin (π + ǫ)
ΘS ǫ̈ + M ǫ̈(a + R)2 = M ga ǫ
Die rechte Seite ist ein Drehmoment, das das System aus dem Gleichgewicht heraus
treibt, also liegt bei ϕ = π ein labiles Gleichgewicht vor.
Die Näherung der Bewegungsgleichung für kleine Winkel ϕ ≪ 1 ergibt die gesuchte Frequenz:
(ΘS + M (a − R)2 )ϕ̈ + M gaϕ = 0
=⇒
ω2 =
g
M ga
= ⋆, ,
2
ΘS + M (a − R)
l
mit der “reduzierten” Pendellänge
Θs
R R2
⋆
.
l =a 1−2 + 2 +
a
a
M a2
Der Vergleich mit der Frequenz ω02 = g/l für ein mathematisches Pendel zeigt, dass wie
beim physikalischen Pendel die Trägheit des Systems durch das Trägheitsmoment vergrößert wird, so dass scheinbar die Fallbeschleunigung verringert ist.
Der Abstand a des Schwerpunktes von der Zylinderachse A ergibt sich mit den Abständen
si der Schwerpunkte beider Halbzylinder von dieser Achse s1 = s2 = 4R/3π (siehe Bemerkung) :
M a = m1 · s 1 + m2 · s 2 =
4R
(m1 − m2 ).
3π
Damit kann das Trägheitsmoment ΘS mit dem STEINERschen Satz durch das Trägheitsmoment ΘA des Zylinders bezüglich seiner Symmetrieachse angegeben werden:
ΘS = ΘA − M a2 = M
R2
− M a2
2
und es folgt endgültig für die Frequenz
ω2 =
8∆/M
g
·
R 9π − 16∆/M
∆/M ≡
m1 − m2
m1 + m2
Diskussion:
• Grenzfall symmetrischer Massenverteilung (m1 = m2 ): ω 2 = 0 ; keine Schwingung !
• Grenzfall a → R (Schwerpunkt liegt sehr tief, rückt gegen Auflagepunkt des Zylinders
auf der Ebene): ω wird sehr groß
• Masse m1 werde außerhalb des Zylinders angebracht, wobei a ≫ R: Schwingung
geht in die des physikalischen Pendels über:
ω2 =
M ga
.
ΘS + M a2
Bemerkung: Die Abstände s1 bzw. s2 der Schwerpunkte von der Achse erhält man, wenn
man den Schwerpunkt einer mit der Masse m belegten halben Kreisscheibe berechnet.
~ durch
Für eine kontinuierliche Massenverteilung (Massedichte µ) ist der Schwerpunkt S
Volumenintegration definiert über
RRR
dV µ(~r) · ~r
~
,
S = RRR
dV µ(~r)
woraus für homogene Massendichte für die y - Koordinate des Schwerpunkts (Integration
mit ebenen Polarkoordinaten)
2
·
Sy =
πR2
ZZ
2
dAy =
·
πR2
Z
R
drr
0
2
Z
π
dϕ sin ϕ =
0
4R
3π
folgt. Sx ist aus Symmetriegründen gleich null.
13.4 Freie Achsen
In der Vorlesung wurde die Rotation des starren Körpers um freie Achsen besprochen.
Weisen Sie analytisch nach, dass die kräftefreie Rotation um die Achse des mittleren
Hauptträgheitsmoments stets instabil ist. Gehen Sie dabei von dem Ansatz
ω1 ≈ ω0 = konst.
ω2 ≪ ω0
ω3 ≪ ω0
aus. Setzen Sie diesen in die kräftefreien eulerschen Gleichungen ein, vernachlässigen Sie
die in ω2 und ω3 quadratischen Terme und gewinnen Sie damit die Differentialgleichungen
ω¨2 + F (Θ1 , Θ2 , Θ3 ) · ω2 = 0
ω¨3 + F (Θ1 , Θ2 , Θ3 ) · ω3 = 0.
Diskutieren Sie anschließend das Vorzeichen der Größe F .
In der Vorlesung wurde besprochen:
• Eulersche Gleichungen
Θ1 · ω̇1 + (Θ3 − Θ2 ) · ω2 ω3 = M1
Θ2 · ω̇2 + (Θ1 − Θ3 ) · ω1 ω3 = M2
Θ3 · ω̇3 + (Θ2 − Θ1 ) · ω1 ω2 = M3
mit
ω1 ≡ ϕ̇ · sin θ sin ψ + θ̇ cos ψ
ω2 ≡ ϕ̇ · sin θ cos ψ − θ̇ sin ψ
ω3 ≡ ϕ̇ · cos θ + ψ̇
• Eine kräftefreie Translationsbewegung erfolgt mit konstanter Geschwindigkeit. Greifen keine Drehmomente (Mi = 0) am starren Körper an, so folgen aus den Eulerschen Gleichungen die drei möglichen Lösungen (Rotation um freie Achsen):
ω1 ≡ ω0 = konst.
ω2 = ω3 = 0
ω2 ≡ ω0 = konst.
ω1 = ω3 = 0
ω3 ≡ ω0 = konst.
ω1 = ω2 = 0
Zur Untersuchung der Stabilität dieser Rotation geht man ähnlich vor, wie bei der Untersuchung von Gleichgewichtslagen: Man linearisiert die Bewegungsgleichung (TAYLOREntwicklung der Kraft bzw. des Potentials um die Gleichgewichtslage), so dass sie die
Form der Bewegungsgleichung für einen harmonischen Oszillator annimmt.
Wir untersuchen eine der oben angegebenen Lösungen: ω1 = ω0 , ω2 = ω3 = 0. Bei einer
kleinen Störung dieser Lösung setzen wir
ω1 ≈ ω0
ω2 ≪ ω0
ω3 ≪ ω0 .
Die EULERschen Gleichungen lauten dann
Θ1 · ω̇1 ≈ 0
Θ2 · ω̇2 + (Θ1 − Θ3 ) · ω0 ω3 ≈ 0
Θ3 · ω̇3 + (Θ2 − Θ1 ) · ω0 ω2 ≈ 0
Differenzieren der zweiten Gleichung und Einsetzen der dritten bzw. Differenzieren der
dritten Gleichung und Einsetzen der zweiten ergibt die Differentialgleichungen
ω̈2 + F (Θ1 , Θ2 , Θ3 ) · ω2 = 0
ω̈3 + F (Θ1 , Θ2 , Θ3 ) · ω3 = 0
mit
F (Θ1 , Θ2 , Θ3 ) = ω02 ·
Diskussion:
(Θ1 − Θ3 ) (Θ1 − Θ2 )
.
Θ2 Θ3
• Falls Θ1 das größte oder das kleinste Hauptträgheitsmoment ist, gilt stets F > 0.
Die Gleichungen für ω2 und ω3 sind Schwingungsgleichungen mit den Lösungen
√
√
Ft + β
ω3 (t) = γ · cos
Ft + δ .
ω2 (t) = α · cos
Das bedeutet: Kleine Störungen α ≪ ω0 bzw. γ ≪ ω0 führen zu Oszillationen um
den stabilen Bewegungszustand ω1 = ω0 , ω2 = ω3 = 0.
• Falls Θ1 das mittlere Hauptträgheitsmoment ist, gilt stets F < 0. In diesem Falle
ergeben sich Lösungen vom Typ
ω2 (t) = α · e−
√
−F t
+ β · e+
√
−F t
ω3 (t) = γ · e−
√
−F t
+ δ · e+
√
−F t
.
Hier führen kleine Störungen β ≪ ω0 , δ ≪ ω0 zu einem exponentiellen Anwachsen der
Störung; sie schaukelt“ sich auf. Der ursprüngliche Bewegungszustand ist deshalb
”
instabil.
Bemerkung: Die exponentielle Zeitabhängigkeit gilt natürlich nur, solange die ursprüngliche Bedingung ω2 ≪ ω0 , ω3 ≪ ω0 erfüllt ist!
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