Abschlussbericht des Projektes

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Abschlussbericht
Thema:
Untersuchungen zum Vorkommen, Verbreitung von Zecken (Ixoidae) bei Wild
(Rehen) und Jagdhunden in Sachsen (Biodiversität) und Bestimmung der
Infektion mit Krankheitserregern (Borrelien) über Mikroskopie und PCR
vorgelegt von: Arbeitsgruppe Parasitologie TU Dresden
Mitarbeiter: Prof. Dr. R. Entzeroth
Prof. Dr. M. Göttfert
Dipl. Biologe Sacha Hanig
Annegret Fenske (studentische Hilfskraft)
Stephan Friebe (studentische Hilfskraft)
am: 15.12.2009
Zusammenfassung
Im Zeitraum 2008-2009 wurden im Großraum Dresden insgesamt 1044 Zecken von
Jagdhunden, Rehen und anderen Tierarten entnommen oder mit Hilfe der
Fahnenmethode von der Bodenvegetation gesammelt und 1013 davon bezüglich
ihrer Art bestimmt.
Nach makro- und mikroskopischer Bestimmung entfielen auf
Ixodes ricinus 984, Ixodes hexagonus 10, Ixodes acuminatus 2, Ixodes canisuga 2,
Dermacentor reticulatus 15 Tiere.
Mit Hilfe
rasterelektronenmikroskopischer
Aufnahmen wurden die morphologischen Besonderheiten der verschiedenen
Zeckenspezies dokumentiert.
Männchen, Weibchen, und Larven von Ixodes ricinus wurden mittels nested PCR mit
Borrelien-spezifischen Primern auf Borrelien-DNA hin untersucht. Die vom Tier
stammenden Zecken Männchen erwiesen sich zu 28,2 %, Weibchen zu 24,9 % und
Nymphen zu 80 % Borrelien-DNA positiv. Unter den von Rehen stammenden
Zecken wurden 27,1 %, von Hunden 30,4 % und anderen Haustieren 26.5 % positiv
auf Borrelien-DNA getestet.
Die aus der Vegetation der Dresdner Heide mittels „Flaggen“ gesammelten
Zeckenmännchen waren zu 37,5 %, Weibchen zu 28,6 %, und Nymphen zu 41,8 %
mit Borrelien infiziert.
1. Einleitung
In Europa gibt es mehr als 25 verschiedene Zeckenarten (Gattungen: Ixodes,
Dermacentor, Haemaphysalis, Hyalomma, etc.). Viele dieser Arten kommen auch in
Sachsen vor. Zecken sind Ektoparasiten, die sich vom Blut ihrer Wirte ernähren. Dies
birgt ein hohes Gefahrenpotenzial, da sich die Wirte mit Krankheitserregern infizieren
können, die von der Zecke als Vektor übertragen werden. Zu diesen Erregern
gehören unter anderem Bakterien der Gattung Borrelia sp., die für akute und
chronische Erkrankung bei Menschen und Tieren verantwortlich sind. Berufsgruppen,
wie zum Beispiel Jäger, Forstarbeiter oder Gärtner, sind aufgrund ihres
Arbeitsplatzes im Habitat der Zecken besonders häufig der Gefahr durch
Zeckenstiche ausgesetzt. Das gilt auch für Jagdhunde, die aufgrund ihrer
Körpergröße und ihres Einsatzgebiets im Unterholz und der Krautschicht den
Lebensraum der Zecken durchstreifen. Die sogenannte canine Lyme-Borreliose kann
für Jagdhunde gefährlich sein, da sie zu Leistungsabfall, Gelenkentzündungen,
Bewegungsstörungen, Fieber und Lähmungserscheinungen führen kann. Außerdem
besteht die Frage, ob Borrelia-Infektionen zu Gesundheits-Problemen bei jagdbarem
Wild führen können. Da durch Lyme-Borreliose Komplikationen entstehen können,
die beim Menschen bis zur Berufsunfähigkeit führen können, besteht großes
Interesse an der Aufklärung des Gefahrenpotenzials. Privatpersonen, die in ihrer
Freizeitgestaltung in der freien Natur von der Gefahr durch Zecken betroffen sind,
zählen ebenfalls zum Interessenkreis, der sich dadurch erheblich erweitert.
Der häufigste Vertreter der Zecken ist in Sachsen der gemeine Holzbock (Ixodes
ricinus). Diese Zeckenspezies gehört zu den Schildzecken (Ixodidae) und ist der für
Nord- und Mitteleuropa bedeutendste Überträger der Erreger der Lyme-Borreliose.
Die Übertragung der Erreger erfolgt durch den so genannten „Zeckenstich“,
wesentlich seltener kommt es durch Zeckenkot zu Infektionen (SÜSS 2007).
Der Wissensstand zum Thema Zecken in der Bevölkerung ist sehr unterschiedlich.
Darüber hinaus sind ebenso viele Vorurteile wie Fehlinterpretationen zum Verhalten
der Parasiten anzutreffen. Durch das Projekt soll gezielt Aufklärungsarbeit vor allem
für Jäger und Forstarbeiter geleistet werden. Das Hauptaugenmerk lag auf den
Freilandarbeiten, bei denen eine große Anzahl von Zecken in Jagdrevieren oder
direkt vom Wild oder Jagdhund gesammelt wird. Anschließend erfolgte die
Artbestimmung, die dazu beitrug, einen Überblick über die Biodiversität der
verschieden Ixodes-, Dermacentor- und Haemaphysalis-Arten zu erhalten. Nach der
Bestimmung wurden die Zecken mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) auf
Borrelia sp. untersucht, um die Durchseuchungsrate in bestimmten Jagdrevieren des
Großraumes Dresden zu ermitteln.
2. Material und Methoden
Die Zecken wurden direkt von Wild oder Hunden entnommen oder mithilfe der
Fahnenmethode von der Bodenvegetation gesammelt. Idealerweise wurde zu der
Tageszeit geflaggt, als im Habitat die Luftfeuchtigkeit hoch war (Dämmerung), da die
Zecken dann am aktivsten sind. Zeitnah erfolgte die Artbestimmung und
Konservierung der noch lebenden Tiere in 70 % unvergälltem Ethanol, wobei jedes
einzelne Tier in ein separates Gefäß überführt wurde. Gelagert wurden die Proben
bei 4 °C im Kühlschrank, bis die PCR-Untersuchung erfolgte. Tierärzte, Jäger und
Reiter im Großraum Dresden unterstützten die Sammlung mit Zecken, die sie von
ihren jeweiligen Haustieren, Patienten, Jagdhunden oder den erlegten Tieren
absammelten, in 70 % Ethanol aufbewahrten und dann an uns weiterleiteten. Die
Artbestimmung erfolgte mithilfe des Bestimmungsschlüssels „Ticks of North-Western
Europe“ von Paul D. Hillyard.
Zur Visualisierung der Borrelien wurde die Methode des extrazellulären IFAT
(indirekter Immunfluoreszenz-Antikörper-Test) mit Antikörpern der Firma Euroimmun
angewendet. Dazu wurden lebende, frisch gefangene Zecken als Quetschpräparat
aufbereitet und die Borrelien anschließend mit spezifischen Antikörpern gefärbt.
Unter dem Fluoreszenzmikroskop wurden dann arttypische Formen von Borrelia sp.
detektiert. Mittels der Rasterelektronenmikroskopie wurde jede Zeckenspezies im
Detail dokumentiert.
2.1 DNA-Isolation
Die DNA-Extraktion erfolgte nach einem modifizierten Protokoll von GUY & STANEK,
1991. Die Zecken wurden einzeln aus dem 70 %igen Ethanol mittels einer Pinzette in
neue Reaktionsgefäße (VWR, single tube + Pestil) überführt und in der
Vakuumzentrifuge (Speedvac) für 20 min bei 31 °C mit offenem Gefäßdeckel
getrocknet. Die Pinzette wurde nach jedem Kontakt mit einer Zecke abgeflammt, um
Kontaminationen zu verhindern. Anschließend wurde ca. 1 ml flüssiger Stickstoff
dazugegeben und die Zecke mit einem Pestil zerrieben. Danach wurde der Inhalt des
Reaktionsgefäßes
mit
100 µl
3,5 M
Ammoniakwasser
aufgefüllt
und
mit
geschlossenem, arretiertem Deckel für 20 min im Heizblock bei 100 °C inkubiert. Es
folgten 5 min Inkubationszeit auf Eis, nach einer Zentrifugation bei 14.000 rpm
schloss sich ein weiterer Inkubationsschritt zum Verdampfen des Ammoniaks bei
100 °C im Heizblock mit offenem Deckel und unter dem Abzug an. Die fertigen
Proben wurden im Tiefkühlschrank bei –20 °C gelagert.
2.2 PCR
Die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) wurde in zwei Schritten durchgeführt und ist
unter dem Namen nested PCR in der Literatur zu finden. Die PCR-Reaktionen
wurden in Cyclern der Firma Biometra (T personal) durchgeführt. Das Endvolumen
des Reaktionsgefäßes betrug in beiden PCR-Schritten jeweils 50 µl. Es setzte sich
bei der ersten PCR-Reaktion (ITS 1) aus 45 µl Reaktionsmastermix und 5 µl DNAProbe zusammen, die aus dem Überstand der oben beschriebenen DNA-Extraktion
für jede Zecke stammte. Der Primer-Mix setzte sich aus jeweils Vorwärts- und
Rückwärtsprimer zusammen, die in einem Verhältnis von 1:1 mit Reinstwasser in
80 µl Aliquoten vorbereitet und bis zur Verwendung bei –20 °C eingefroren wurden.
(Primer-Sequenzen
Vorwärts-Primer:
5’ gttattgccagggtttt 3’,
Rückwärts-Primer:
5’ ctaggcattcaccatagac 3’) Im Mastermix befanden sich 212 µl Reinstwasser, 40 µl
Reaktionspuffer (10x Reaktionspuffer BD ohne MgCl2, Solice Biodyne), 80 µl
Magnesiumchloridlösung (20 mM, Solice Biodyne), 8 µl Primermix, 16 µl dNTPs
(Fermentas, 10 mM), und 4 µl Polymerase (FIREPol-DNA-Polymerase, Solice
BioDyne, 5 U / µl (2000 U)). Das Cyclerprotokoll für die ITS 1 setzte sich folgt
zusammen: Initialdenaturierung bei 94 °C für 4 min, gefolgt von einer Schleife (35
Zyklen) bestehend aus Denaturierung bei 94 °C für 30 sec, Annealing bei 56 °C für
30 sec und Elongation bei 72 °C für 25 sec. Die finale Elongation dauerte 4 min bei
72 °C. Die ITS 1 wurde in Reihen von 8 Reaktionsgefäßen (ABgene PCR Plates)
durchgeführt, bei denen jedes Tube mit 12 µl Kaltwachs (Chill Out – 4 Liquid Wax)
überschichtet und zusätzlich die gesamte Reihe mit einem Klebestreifen (Brand)
abgedeckt wurde. In jeder Reihe wurden jeweils 6 Proben der Zecken nebst einer
Positiv- (Referenz DNA für Borrelia sp.) und einer Negativkontrolle bearbeitet. Die
zweite PCR (nested ITS ) erfolgte in einzelnen Tubes (VWR). Von jeder Probe wurde
1 µl des PCR-Produktes aus der ITS 1-PCR verwendet. Der Mastermix setzte sich
aus den gleichen Komponenten zusammen wie in der ITS 1-PCR (nested Primer:
Vorwärts:
5’ tatttttatactttaaactt 3’,
Rückwärts:
5’ tcttattactttgaccatat 3’),
die
im
gleichen Verhältnis, wie oben beschrieben, in 80 µl Aliquoten vorbereitet, im
Tiefkühlschrank bei -20 °C lagerten. Die Cyclerkonfigurationen lauteten wie folgt:
Initialdenaturierung bei 94 °C für 4 min, gefolgt von einer Schleife (30 Zyklen)
bestehend aus Denaturierung bei 94 °C für 30 sec, Annealing bei 30 °C für 30 sec,
Elongation bei 72 °C für 25 sec, Finalelongation bei 72 °C für 4 min. Der
nachfolgende Gel-Lauf wurde in einem 2 %igem Agarosegel in 1x TAE durchgeführt.
Als Laufpuffer diente 1x TAE. Jede Geltasche wurde mit 10 µl PCR-Produkt und 2 µl
Probenpuffer (6x LP mit 0,06 % Xylencyanol) gefüllt. Der Gel-Lauf erfolgte bei 120 V
(konstant) für ca. 45 min. Anschließend wurde mit Ethidiumbromid (10 min) gefärbt
und ein Waschschritt (10 min) durchgeführt. Die Detektion der markierten DNA wurde
im Alpha Imotech bei UV Transmission unter dem Ethidiumbromidfilter durchgeführt.
Die Gele wurden fotodokumentarisch festgehalten (Alpha Imager). Die PCRProdukte wurden regelmäßig mittels Sequenzierung (Firma GATC) überprüft.
IFAT
Zur Visualisierung der Borrelien wurde der extrazelluläre IFAT (indirekter
Immunfluoreszenz-Antikörper-Test)
mit
Antikörpern
der
Firma
Euroimmun
angewendet. Dazu werden lebende, frisch gefangene Zecken als Quetschpräparat
aufbereitet, mit Aceton fixiert und anschließend mit Borrelien - spezifischen
Antikörpern beschichtet. Der zweite Antikörper enthält ein Fluorochrom, das unter
dem Fluoreszenzmikroskop detektiert werden kann. Erkennungsmerkmale sind die
Spiralform und Größe.
3. Ergebnisse
Die Gesamtzahl aller im Rahmen des Projektes gesammelten Zecken belief sich auf
1044 Individuen.
Gesamtzahl Zecken nach Entwicklungsstadium in 2009
700
628
600
Anzahl
500
400
300
215
170
200
100
31
0
Weibchen
Männchen
Nymphen
Larven
Abb. 3.1: Darstellung aller im Jahr 2009 gesammelten Zecken nach
Entwicklungsstadium
Die Gesamtzahl der für den Großraum Dresden zur Artbestimmung auswertbaren
Zecken betrug 996. Für die diagnostische PCR wurden die Proben der Dresdener
Heide (Königsplatz) und die Proben aus dem Jagdrevier im Moritzburger Wald
verwendet (Abb. 3.2)
Gesamtzahl Zecken nach Sammelgebieten in 2009
Kreyern
Heidersdorf
Kirnitzschtal
Dresdner Heide
Lockw itz
Radeburg
Oberau/Niederau
Mohorn
Dresden (Tierärzte)
Laubegast
Cossebaude
Friedew ald
Großer Garten
Windberg
Friedersdorf
LiegauWeinböhla
Waldkindergarten
Wilschdorf
Radebeul
Steinbach
Elbw iesen
Bannew itz
Moritzburger Wald
Kreischa
21
9
20
10
6
6
119
20
13
12
31
17
15
35
65
32
38
98
42
122
16
13
67
165
6
0
20
40
60
80
100
120
140
160
180
Anzahl
Abb. 3.2: Verteilung gesammelter Zecken nach Fundort im Großraum Dresden im
Jahr 2009
Unterstützung des Projektes im Jahr 2009
Fahnenmethode durch SHK der
TU
415
56
Reiter
155
Tierärzte
418
Jäger
0
50
100
150
200
250
300
350
400
Anzahl der gesammelten Zecken
Abb. 3.3: Mitwirkende des Projektes in Bezug zur gesammelten Probenanzahl
Insgesamt wurden 338 Zecken zur Ermittlung der Borrelien-Durchseuchung
verwendet. (Abb. 3.4)
Gesamtzahl auf Borrelia sp. untersuchte Zecken im Jahr 2009
350
300
116
Anzahl
250
200
35
150
100
222
173
24
50
39
0
Zecken
Weibchen
von Jägern gesammelte Zecken
Männchen
51
10
6
Nymphen
Larven
gesammelte Zecken mittels Fahnenmethode
Abb. 3.4: Anzahl der auf Borrelia sp. untersuchten Zecken im Bezug auf das
Entwicklungsstadium
450
Gesamtzahl auf Borrelia sp. getestete Zecken von Jägern gesammelt
200
180
160
140
Anzahl
120
100
130
80
60
40
20
43
0
Weibchen
28
11
2
8
Mänchen
Nymphen
positiv auf Borrelien getestet
Larven
negativ auf Borrelien getestet
Abb. 3.5: Anzahl der von Jägern gesammelten Zecken in Bezug auf die Infektion mit
Borrelia sp.
Gesamtzahl auf Borrelia sp. getestete Zecken aus Dresdner Heide mittels
Fahnenmethode gesammelt
60
50
40
Anzahl
30
30
20
25
15
21
10
10
9
Weibchen
Mänchen
2
4
0
positiv auf Borrelien getestet
Nymphen
Larven
negativ auf Borrelien getestet
Abb. 3.6: Anzahl der von TU-Mitarbeitern gesammelten Zecken in Bezug auf die
Infektion mit Borrelia sp.
Art
Ixodes ricinus
Ixodes hexagonus
Ixodes acuminatus
Ixodes canisuga
Dermacentor reticulatus
Anzahl
984
10
2
2
15
Tab. 3.1: Verteilung verschiedener Zeckenarten im Großraum Dresden im Jahr 2009
Tabelle 3.1 zeigt die Verteilung der Arten aller gesammelten Zecken. Es wird
deutlich, dass Ixodes ricinus die am häufigsten vorkommende Zeckenart des
Untersuchungsraumes ist.
Herkunft
Anzahl
davon negativ davon positiv
vom Tier
222
160
62
vom Boden
116
72
44
Tab. 3.2: Ergebnisse der auf Borrelien untersuchten Zecken mittels PCR im Bezug
auf die verwendete Sammelmethode
(Jäger: Absammeln vom befallenen Wild/Hund, TU-Mitarbeiter: Sammlung mittels
Fahnenmethode)
Wirtstiere
gesamt
118
56
48
Rehe
Hunde
andere Haustiere
negativ
86
39
35
positiv
32
17
13
positiv in %
27,1 %
30,4 %
26,5 %
Tab. 3.3: Ergebnisse der Borrelien-Untersuchung der Zecken, die von Jägern
gesammelt wurden (n=222) unterteilt in die einzelnen Wirtstiere
Herkunft
vom Wild
vom Boden
(Flaggen)
gesamt
davon positiv
positiv in %
Weibchen
173
43
24,9 %
Männchen
39
11
28,2 %
Nymphen
10
8
80,0 %
Larven
0
0
gesamt
davon positiv
positiv in %
35
10
28,6 %
24
9
37,5 %
51
21
41,8 %
6
4
66,7 %
Tab. 3.4: Prozentuale Verteilung von Borrelia sp. in den Entwicklungsstadien der
Zecken
getestete Zecken
vom Wild
vom Boden
gesamt
Anzahl
222
116
338
negativ
160
72
232
positiv
62
44
106
positiv in %
27,9
37,9
31,4
Tab. 3.5: Prozentuale Verteilung der auf Borrelien getesteten Zecken
3.2 Mikroskopie
3.2.1 Raster-Elektronen-Mikroskopische Aufnahmen gefundener Arten und
deren wichtige Bestimmungsmerkmale
Dermacentor reticulatus
a
b
GS
C
S
d
c
Co
rG
Hy
a) Scutellum (S) und Capitulum (C) eines Dermacentor reticulatus Weibchens
b) Ventralansicht, vollgesogenes weibl. Exemplar, Geschlechtsöffnung (GS) sichtbar
c) Coxa I (Co) mit V-förmigem Spalt, wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu
D. marginatus
d) Capitulum mit Hypostom (Hy), rudimentäres IV. Glied (rG) der Palpen mit
Tasthaaren, apikal auf der Ventralseite des III. Gliedes der Palpen
Ixodes hexagonus
e) Dorsalansicht I. hexagonus (weibl.) mit charakteristisch spitz zulaufendem
Scutellum (S)
f) Ventralansicht I. hexagonus mit dornigem 1. Coxenpaar (Co),
Geschlechtsöffnung (GS) zwischen Coxa III
g) Capitulum mit Palpen (P), porösen Vertiefungen (PV) zur Exkretion von Sekret
dient als Fungizid zum Schutz der Eier, Hypostom (Hy) abgebrochen
h) Tarsus I mit Hallerschem Organ (HO), das als Chemorezeptor dient
Ixodes canisuga
j
i
K
k
KR
HO
i) Dorsalansicht I.canisuga (weibl.)
vollgesogen
j) Capitulum I.canisuga mit Korona (K)
k) Tarsus I mit Kralle (KR) und
Hallerschem Organ (HO)
Haemaphysalis concinna
l
m
P
Cd
l)
m)
Dorsalansicht Männchen
Capitulum mit überlappenden Palpen (P) und Crista dorsalis (Cd) dazwischen
o) Dorsalansicht der gesamten Nymphe
p) Afteröffnung (AÖ)
q) Ventralansicht: Capitulum mit Hypostom und 1. Coxenpaar
Ixodes ricinus
r)
s)
t)
u)
v)
w)
I. ricinus Männchen platziert Spermatophoren in die Geschlechtsöffnung des
Weibchens
Detailaufnahme einer Trachee
Capitulum mit Palpen
stark gezähntes Hypostom
Ei
sechsbeinige Larve
3.2.2 Fluoreszenzmikroskopie (IFAT) von Borrelia sp.
Dem exklusiven Nachweis der Spirochäten der Gattung Borrelia diente die
Fluoreszenzmikroskopie mittels IFAT. Abbildungen a-d zeigen die durch
fluoreszenzmarkierte Antikörper nachgewiesenen Borrelien aus Quetschpräparaten
von Ixodes ricinus.
a
b
c
d
IFAT vom 07.07.2009, Sammelort: Großer Garten, Zecken lebendig verarbeitet,
verwendete Vergrößerung: 4*105, Originalaufnahmen, TU-Dresden, Spezielle Zoologie und Parasitologie
a) spiralförmiges Bakterium (weißer Pfeil) im Zeckenquetschpräparat beschichtet mit
Borrelien-Serum (Euroimmun) und fluoreszierendem IgG Antikörper (Euroimmun)
b) Cluster von Spirochäten (weißer Pfeil) im Zeckenquetschpräparat mit Antikörper
wie bei a)
c) mehre spiralförmige Bakterien (weißer Kreis) im Zeckenquetschpräparat behandelt
mit Antikörper wie a)
d)
spiralförmiges
Bakterium
mit
Längenbestimmung auf 15,14 µm
Messwerkzeug
am
Fluoreszenzmikroskop,
3.3 Agarose Gelelektrophorese
Abb.3.3.1: Elektropherogramm der amplifizierten DNA
M:
Größenstandard in bp
1-12: DNA-Proben isoliert aus Zecken
P:
Positiv-Kontrolle enthält isolierte Borrelien-DNA
N, N2: Negativkontrollen
4. Diskussion
4.1 Zeckenarten
Unter den gesammelten Zecken war die Art Ixodes ricinus (gemeiner Holzbock)
erwartungsgemäß am häufigsten. Der gemeine Holzbock ist nicht nur die häufigste
Zeckenart, sondern auch am weitesten in Sachsen verbreitet und damit auch der
wichtigste Überträger der Lyme Borreliose.
Andere für die Jagdkunde wichtige Zeckenarten wie z.B. Dermacentor reticulatus
(Auwaldzecke) waren eher Zufallsfunde. Dies liegt einerseits daran, dass Dresden
nicht im Kern des Verbreitungsgebietes dieser Art liegt (BAUCH et al. 1988) und
andererseits daran, dass sich die verwendeten Sammelmethoden nur bedingt für
diese Auwaldzecke eignet. Den Funden von Auwaldzecken ist allerdings
insbesondere
hinsichtlich
ihrer
Bedeutung
als
Überträger
der
Babesiose
(„Hundemalaria“) Beachtung zu schenken. Der durch Dermacentor reticulatus
übertragene Parasit Babesia canis kann für Hunde sehr gefährlich sein und scheint
in einigen Teilen Europas zunehmend aufzutreten (L'HOSTIS et al. 2002).
Veterinärmedizinisch ist B. canis schwer zu behandeln (RKI 2007). Für die
Übertragung von Borrelia sp. spielt diese Zeckenart allerdings eine untergeordnete
Rolle. Trotzdem sollte die Verbreitung der Auwaldzecken auch in Sachsen in
regelmäßigen Studien untersucht werden, da sie z.B. im benachbarten Brandenburg,
aber auch im Raum Leipzig deutlich häufiger anzutreffen ist und offenbar
Ausbreitungstendenzen zeigt (RKI 2007).
Die rasterelektronenmikroskopischen Aufnahmen der verschiedenen Zeckenarten
dienten
als
Beleg
und
eindeutige
Dokumentation
der
wichtigen
Bestimmungsmerkmale der einzelnen Arten und Gattungen. Mit diesen Aufnahmen
kann man sich ein Bild von der hohen Biodiversität der Zecken machen und
Rückschlüsse auf Habitat und Wirtsspezifität der Zeckenarten ziehen. So ist zum
Beispiel die unterschiedliche Bezahnung des Hypostoms ein Hinweis auf dessen
Anpassung an die Wirtstierhaut. Auch die Länge der Beine ist eine Anpassung der
Zecken an das Habitat, in dem sie vorkommen. Die Struktur und Dicke der Cuticula
korreliert
mit
dem
Feuchtigkeitsgehalt
der
unterschiedlichen
Habitate
der
verschiedenen Arten. Eine detaillierte Dokumentation der gefunden Arten und deren
Besonderheiten werden auf der Homepage unserer Arbeitsgruppe zugänglich
gemacht und sollen Jägerschaft und Privatpersonen als Informationsquelle dienen.
(http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/fakultaet_mathematik_und_naturwissenschaften/
fachrichtung_biologie/zoologie/spezielle_zoologie/)
4.2 Durchseuchung gesammelter Zecken mit Borrelia sp.
Die Etablierung der Methode mittels nested-PCR Zecken auf Infektion mit Borrelien
zu untersuchen war eine große Herausforderung. Die PCR zeigt allgemein eine sehr
hohe Sensitivität für DNA. Es genügen kleinste Mengen an DNA, um diese mittels
PCR amplifizieren zu können. Das erhöht die Gefahr, durch Kontamination von
negativen Proben ein falsch-positives Ergebnis zu erhalten. Aufgrund der Sensitivität
der Methode und der Gefahr der Kontamination der Proben war es im Rahmen des
Projektes nicht möglich eine noch größere Anzahl von Zecken auf Borrelia sp. zu
testen. Durch die angewandte Methode der nested-PCR ist die Interpretation der
Ergebnisse eindeutig. Das Endprodukt der PCR enthält fast ausschließlich
amplifizierte DNA der ITS1-Region. Der geringe restliche Teil wird zum einen aus
den eingesetzten Primern und den dNTPs gebildet, die sich auf dem Gelbild
(Abb.3.3.1) an vorderster (unterster) Front befinden. Das PCR-Produkt (Amplifikat)
hat eine definierte Größe und ist als distinkte Bande erkennbar. Negativ getestete
Zecken weisen diese Bande nicht auf.
Die in dieser Studie auf Borrelien getesteten Zecken aus der Dresdner Heide wurden
am Rande des Weges vom Königsplatz Richtung Prießnitztal (Kannenhenkelbrücke)
gesammelt. Es handelt sich um ein beschattetes feuchtes Mikrohabitat mit häufig
genutzten Wildwechseln. An dieser Stelle konnten stets in kurzer Zeit sehr viele
Zecken mit der Fahnenmethode gesammelt werden. Der Befall der dort
gesammelten Zecken mit Borrelia sp. betrug 37,9 % (n=116) (Siehe Tabelle 3.5).
Die Durchseuchungsrate für von Tieren abgesammelten Zecken ist mit 27,9 %
deutlich geringer (10 %) als für die im Habitat gefangenen Zecken. Zur Deutung
dieser Ergebnisse sind weitere Daten aus verschiedenen Jagdrevieren nötig. Eine
Vermutung wäre, dass Borrelien-infizierte Zecken aktiver auf die Fahne reagieren
und somit häufiger gefangen werden. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden,
dass die Durchseuchung im Untersuchungsgebiet Heide/Königsplatz höher ist als im
Vergleichsraum Moritzburger Wald.
Fasst man alle in dieser Studie auf Borrelien untersuchten Zecken zusammen, ergibt
sich eine Durchseuchungsrate von 31,4 %, wobei der Unterschied von 10 % beider
Sammelmethoden jedoch sehr deutlich ist.
Die von Jägern gesammelten Proben konnten leider nicht alle für die PCR verwendet
werden, da oft (obwohl im Anschreiben anders beschrieben) mehrere Zecken in ein
Probenröhrchen gefüllt wurden. Dies führt dazu, dass die Zecken nicht mehr einzeln
auf Borrelien DNA untersucht werden können, da sie sich potenziell gegenseitig
kontaminieren.
4.3 Potenzielle Gefahren für Hunde und jagdbares Wild
Neben den Gefahren für den Menschen kann die Infektion mit Borrelia sp. in
manchen Fällen auch für Hunde ernstzunehmende Folgen haben (SKOTARCZAK
2002; LITTMAN 2003). Genau wie bei humanen Erkrankungen stellt die genaue
Diagnose durch entstehende Symptome bei der Lyme Borreliose des Hundes jedoch
ein großes Problem dar. Viele Tiere die einen positiven Antikörpertiter aufweisen, aus
deren Blut Borrelien isoliert oder mittels PCR nachgewiesen werden konnten, zeigen
keinerlei Krankheitserscheinungen (SKOTARCZAK 2002). Nach entsprechend früher
Diagnose ist in den meisten Fällen eine Behandlung mit Antibiotika oft möglich und
erfolgreich. Symptome wie Lähmungserscheinungen, wiederkehrendes Fieber,
Übelkeit und Abgeschlagenheit der Hunde in Kombination mit einem positiven
Antikörpertiter gegen Borrelia sp. weisen auf eine Lyme-Borreliose bei Hunden hin.
Eine Korrelation vom Auftreten der Lyme-Borreliose beim Menschen und bei Hunden
ist in einer Studie von GUERRA et al. (2001) für Wisconsin und Illinois (USA) mit
Ixodes scapularis als Vektor nachgewiesen worden (GUERRA et al. 2001). Im Falle
der
vorliegenden
Studie
ist
eine
solche
Korrelation
nicht
prüfbar,
da
veterinärmedizinische Befunde für Hunde nicht erfasst wurden. Die BorrelienDurchseuchung der auf Hunden gefundenen Zecken (30,4 %, Tabelle 3.3) lässt
allerdings die Vermutung zu, dass auch im Großraum Dresden viele Hunde von
Borrelia-Infektionen betroffen sind. Veterinärmediziner bestätigen, dass im in der
Studie betrachteten Raum regelmäßig Lyme-Borreliosen bei Hunden behandelt
werden müssen (pers. Mitteilung Dr. vet. med. Thomas Kiesling, Possendorf).
Präventiv gibt es für Hunde die Möglichkeit einer Impfung gegen bestimmte BorreliaStämme und die regelmäßige Behandlung mit Repellenzien gegen Ektoparasiten.
Wildtiere (vor allem kleine Nager, Vögel, Igel, Reh- und Rotwild) sind meist nur als
Borrelien-Reservoir in der Literatur zu finden. Mögliche Auswirkungen auf den
Gesundheitszustand oder Beeinträchtigungen von jagdbaren Wildtieren sind in
Europa bisher nicht untersucht worden bzw. nicht bekannt. In den Vereinigten
Staaten wurden in den vergangenen Jahren vor allem Weißwedelhirsche
(Odocoileus virginianus) als Borrelien-Reservoir identifiziert. Obwohl bei den Tieren
selbst keine klinischen Symptome beobachtet wurden, konnten Borrelien bis zu 25
Tagen
nach
der
Infektion
im
Serum
der
Tiere
nachgewiesen
werden.
Weißwedelhirsche spielen eine wichtige Rolle in der Aufrechterhaltung des Lebens und Infektionskreislaufes der Bakterien (MOYER et al. 2006). Europäisches Rehwild
(Capreolus capreolus) wird als reservoirinkompetent eingeschätzt (KURTENBACH et al.
1998; RIZZOLI et al. 2004; BHIDE et al. 2005), was seinen Grund vor allem in den
Reaktionen des Complementsystemes innerhalb des Immunsystems zu haben
scheint. Allerdings war es möglich, Borrelien aus bestimmten Hautpartien von Rot (Cervus elaphus) und Rehwild (Capreolus capreolus) zu isolieren. Die Frage der
Kompetenz als Reservoir wird noch immer kontrovers diskutiert (PICHON et al. 2000).
Beim Schwarzwild wurden vor allem im Frühjahr Infektionen mit Borrelien festgestellt.
Eine Infektion von Zecken, die zugleich an einem Wirt parasitieren, wird für möglich
gehalten (JURICOVA et al. 2009).
Für die von Zecken übertragenen Parasiten der Gattung Babesia liegen vor allem
Studien zur Pathologie bei Rindern in Frankreich vor (L'HOSTIS and SEEGERS 2002).
In diesem Zusammenhang sind vor allem Grenzbereiche von Weiden und
Waldgebieten interessant, da die Zecken dort mit verschiedenen Wirten Kontakt
haben können. Insbesondere Rehe (Capreolus capreolus) scheinen dabei einen
großen Einfluss auf die Stabilität und Präsens von Ixodes ricinus Populationen zu
haben (GILOT et al. 1994). Da Rehwild als letzter Wirt der Ernährung der ZeckenImagos
dient,
besteht
Rehwildpopulation
und
ein
direkter
der
Größe
Zusammenhang
der
von
Zeckenpopulation.
der
Größe
Beim
der
adulten
Zeckenweibchen löst die letzte Blutmalzeit die Eiproduktion aus. Je größer das
Rehvorkommen, umso größer die Zeckenpopulation (GILBERT 2009). Wildtiere und
Haustiere können in solchen Grenzgebieten vermutlich ein Parasitenreservoir
füreinander darstellen (THOMPSON 2001), denn Ixodes ricinus ist neben dem für
Rinder gefährlichen Parasiten Babesia divergens auch Überträger von Babesia
capreoli, einem Parasit des Rehs. Zumindest experimentell konnten Cervidae schon
mit Babesia divergens infiziert werden (LEVINE 1988).
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