Evaluation des EuroSCOREs im Hinblick auf die

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Evaluation des EuroSCOREs im Hinblick auf die
generelle Verlässlichkeit und die Relevanz der einzelnen Parameter
Universitätsklinik für Herz-und Gefässchirugie, Inselspital, Universität Bern
Der EuroSCORE (European System for Cardiac Operartive Risk Evaluation) ist
eines der meist verwendeten Risikostratifizierungssysteme in der Herzchirurgie.
Anhand von 17 vorgegebenen Parametern (Abb.1) lässt sich das Risiko einer
postoperativen 30-Tage-Letalität standardisiert einschätzen. Dabei beruht der
EuroSCORE auf Daten von über 19000 europäischen Patienten und wurde bereits
1995 entwickelt. Der ursprünglich 1999 herausgegebene additive Euroscore fand
2003 bereits eine Fortentwicklung im logistischen Euroscore (1,2).
Abb. 1 Parameter des EuroSCORE
Aufgrund neuer Operationstechniken, zunehmender minimalinvasiver Zugänge,
verbessertem perioperativen Management und nicht zuletzt aufgrund der rasanten
demographischen Entwicklung und Veränderung der Patienten innerhalb der letzten
Jahre wurde die Aussagekraft des EuroSCOREs wiederholt in Frage gestellt.
Zahlreiche Studien haben die zunehmende Diskrepanz zwischen vorausgesagter
und eingetroffener Mortalität beschrieben und kritisiert, dass der EuroSCORE in
seiner jetzigen Form die Mortalität überschätze (3,4).
Auf diesem Hintergrund basierend, wurde eine Studie zur Evaluation des Euroscores
bei kontemporärer Patientenpopulation in einem herzchirurgischen Zentrum initiiert.
Dabei wurde die Validität der einzelnen Parameter des Euroscores analysiert und
auf seine globale Aussagekraft überprüft. Eingeschlossen wurden insgesamt 5734
konsekutive erwachsene Patienten, die an unserer Klinik am Inselspital Bern operiert
wurden. Nicht eingeschlossen wurden Patienten mit Marfan, Herztransplantationen
und Patienten mit kongenitalen Herzfehlern. Das Durchschnittsalter lag bei 69.5
Jahre (range 17-97 Jahre). 71% der Patienten waren Männer.
Um die Relevanz der einzelnen Parameter und deren Einfluss auf die
Krankenhausmortalität zu analysieren, wurde zunächst eine univariate
Regressionsanalyse durchgeführt. In einem zweiten Schritt führten wir eine
multivariate Regressionsanalyse durch, um den Einfluss aller Parameter auf die
Krankenhausmortalität zu beurteilen. Zuletzt sollte mithilfe der Receiver Operating
Characteristics - Kurve die globale Aussagekraft des EuroScore in unserem Setting
nachgewiesen werden.
Univariate Regressionsanalyse
Die univariate Regressionsanalyse (Abb. 2) ergab signifikante relative
Risikoerhöhungen für Mortalität bei 15 von 17 Parametern. Lediglich das Alter und
die neurologische Dysfunktion (Abb. 3) hatten in unserem Patientengut keinerlei
Einfluss auf die Mortalität. Die Aufschlüsselung des Alters ergab zudem eine
gleichmässige Sterblichkeit in den punktebringenden und nicht punktebringenden
Altersgruppen.
Abb.2 Univariate Regressionsanalyse der EuroSCORE relevanten Parameter
Abb. 3 Univariate Regressionsanalyse der EuroSCORE relevanten Parameter
Multivariate Regressionsanalyse
Im Gegensatz fand sich bei der Multivariaten Regressionsanalyse (Abb. 4), dass
lediglich 7 Parameter für eine erhöhte Mortalität verantwortlich sind, während 8
Parameter keinerlei Einfluss auf die Erhöhung des relativen Risikos haben. Es zeigt
sich, dass lediglich 23% der beobachteten Krankenhausmortalität in unserem Setting
auf Euroscore relevante Parameter zurückzuführen sind.
Abb. 4 Multivariate Regressionsanalyse der EuroSCORE relevanten Parameter
Receiver Operating Characteristics - Kurve
Die Auswertung der ROC-Kurve (Abb. 5) ergibt sowohl für den additiven als auch
logistischen EuroSCORE eine hoch signifikante Area Under the Curve (AUC) von
0.808.
Abb. 5 Receiver operating curve des additive und logistischen EuroSCOREs
Schlussfolgerung:
Entgegen den Erwartungen, zeigte sich, dass der EuroSCORE auch in einem
kontemporären Setting mit einer zunehmenden Anzahl von geriatrischen Patienten
mit hoher (zum Teil mit dem EuroSCORE System nicht klassifizierbare Komorbidität)
eine verlässliche Risikostratifizierung ermöglicht. In der univariaten Analyse wird
deutlich, dass das Kriterium Alter mit insgesamt acht zu vergebenden Punkten einen
grossen Einfluss ausübt. Da in der Studienpopulation die beobachtete Mortalität in
allen EuroSCORE relevanten Altersgruppen, einschliesslich bei Patienten unter 60
Jahren keine signifikanten Unterschiede aufweist, lässt sich schlussfolgern, dass der
Risikofaktor Alter überschätzt wird. Junge Patienten sterben ebenso häufig wie die
älteren.
Interessant ist dabei, dass lediglich circa ein Viertel (23%) der beobachteten
Mortalität auf EuroSCORE relevante Parameter zurückzuführen ist, d.h. 77% der
Todesfälle sind sehr wahrscheinlich durch andere Komorbiditäten, wie z.B. Diabetes,
Adipositas, Schweregrad
der zugrundeliegenden Erkrankung, globale
Gebrechlichkeit und Porzellanaorta verursacht. .
Betreffs der Ergebnisse der multivariaten Analyse ist anzumerken, dass die Situation
eines singulären Zentrums untersucht worden ist, so dass institutionelle Stärken und
Schwächen und individuelle Expertisen die Ergebnisse beeinflussen und eine
Erklärung dafür darstellen, dass insbesondere Aorteneingriffe, Endokardititen,
Niereninsuffizienz keine Relative Risikoerhöhung bedingen.
Es muss betont werden, dass der EuroSCORE nur für herzchirurgische Patienten
validiert wurde. Mit ein Grund für die zunehmende Kritik am EuroSCORE ist
sicherlich die Tatsache, dass er fälschlicherweise für die Risikobetrachtung
kardiologischer Kathetereingriffe herangezogen wird, um wiederum diese
„minimalinvasiven“ Eingriffe zu rechtfertigen.
Für dieses Patientengut sind in Zukunft spezifische Testbatterien wie
multidimensionale Geriatrische Beurteilungen zu evaluieren (Frailty, Timed Get Up
and Go Test, Basic Activities of Daily Living).
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