Automatische Messung der Restspannungen in Glas

Werbung
Spannungsmessung
Einleitung
Automatische Messung der Restspannungen in Glas
Grundlagen und Anwendungen
von Dipl.-Inf. Henning Katte, ilis gmbh, Erlangen (www.ilis.de)
1.
Einleitung
Die Festigkeit und Verarbeitbarkeit von Glasprodukten wird stark von mechanischen
Spannungen beeinflusst, die produktionsbedingt z.B. durch Probleme im Entspannungsprozess entstehen können. Darüber hinaus haben Spannungen Einfluss auf die optischen
Eigenschaften, was in vielen Anwendungen (z.B. Linsen für Polarisationsoptiken) unerwünscht ist. Die produktionsbegleitende schnelle und genaue Messung von Restspannungen ist daher eine unbedingte Voraussetzung zur Steuerung der entscheidenden Prozessparameter und damit ein wesentlicher Faktor für die Optimierung der Qualität.
In den meisten Glasbetrieben wird die Restspannung mit manuell bedienten Polariskopen
oder Polarimetern geprüft, die mit einer speziellen Filteranordnung Spannungen durch
Farbverschiebungen oder Intensitätsunterschiede sichtbar machen. Diese Art der Messung ist jedoch relativ ungenau und auf farblose oder nur schwach gefärbte Gläser beschränkt. Oft bleibt auch die Glasdicke bei der Messung unberücksichtigt. Die manuellen
Messmethoden sind also mit einer großen Unsicherheit des Messwertes behaftet und
können nur von geschultem und erfahrenem Personal zuverlässig eingesetzt werden.
Der vorliegende Beitrag gibt eine anschauliche Einführung in die wesentlichen physikalischen Grundlagen der Spannungsoptik und beschreibt ein automatisches Messverfahren
zur objektiven Messung von Restspannungen, das den manuellen Verfahren in Genauigkeit und Reproduzierbarkeit überlegen ist.
2.
Grundlagen der Spannungsoptik
2.1. Spannungen in festen Körpern
Mechanische Spannungen führen zu Verformungen der Materialstruktur. Wenn man z.B.
eine Luftpolsterfolie mit den Händen wie einen Expander auseinander zieht (Bild 1), sieht
man, dass der Abstand der Blasen in Zugrichtung zunimmt. Dieser Effekt tritt auch bei
kompakten Körpern aus Glas oder Kunststoff auf, allerdings auf mikroskopischer Ebene.
Bild 1: Deformation einer Luftpolsterfolie unter Zugspannung.
Welche Auswirkungen haben nun derartige Änderungen der Mikrostruktur auf die Wechselwirkungen zwischen Licht und Materie und damit auf die optischen Eigenschaften?
Copyright © 2005 ilis gmbh, alle Rechte vorbehalten
1
Spannungsmessung
Grundlagen der Spannungsoptik
2.2. Lichtausbreitung und Lichtbrechung
Trifft Licht auf ein Atom, so wird dessen Elektronenhülle durch das elektromagnetische
Feld des Lichts zum Schwingen angeregt. Die Schwingung führt wiederum zum Abstrahlen von Licht. Dieser Vorgang kann mit einem Staffellauf verglichen werden. Ein Läufer
erreicht den nächsten Läufer, er gibt das Staffelholz an diesen weiter, der wiederum läuft
weiter usw. Die Geschwindigkeit des Staffelholzes würde sich bei einem 400 m-Staffellauf
verringern, wenn man die Anzahl der Läufer bei gleicher Streckenlänge erhöhen würde
und annimmt, dass es bei jeder Übergabe zu einer Verzögerung kommt.
Ebenso führt bei lichtdurchlässigen Materialien eine höhere Teilchenzahl pro Strecke zu
einer Verringerung der Lichtgeschwindigkeit, d.h. die Ausbreitungsgeschwindigkeit des
Lichts hängt von der Teilchendichte ab. Die Brechzahl (oder Brechungsindex) ist ein Maß
für die Lichtgeschwindigkeit im jeweiligen Medium. Je größer die Fortpflanzungsgeschwindigkeit v des Lichts im Verhältnis zur Lichtgeschwindigkeit c im Vakuum ist, desto
kleiner ist die Brechzahl n, es gilt die Beziehung n = c/v.
Da bei Dehnung die Entfernung der Moleküle zueinander größer wird und sich damit die
Lichtgeschwindigkeit im Medium erhöht, muss die Brechzahl in Zugrichtung also abnehmen. Nun wird klar, dass sich die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichts in Zugrichtung und senkrecht dazu unterscheidet, also auch die Brechzahl in verschiedenen Richtungen variiert. Man sagt, dass ein Material doppelbrechend ist.
2.3. Spannungsdoppelbrechung
Es gibt Materialien, die auch ohne das Vorhandensein von mechanischen Spannungen
doppelbrechend sind, zum Beispiel viele Kristalle. Glas ist hingegen optisch isotrop, d.h.
im entspannten Zustand ist die Brechzahl in jeder Raumrichtung gleich. Glas wird aber
doppelbrechend, wenn es unter Spannung steht.
Man kann also Spannungen in Glas messen, indem man die Ausbreitungsgeschwindigkeit
des Lichts für die verschiedenen Richtungen bestimmt. Die dabei auftretenden Differenzen sind ein direktes Maß für die Doppelbrechung und damit für die Spannung. Bei der
Messung macht man sich den Einfluss der Spannungsdoppelbrechung auf linear polarisiertes Licht zu Nutze. Doch was genau ist polarisiertes Licht?
2.4. Linear polarisiertes Licht
Man stelle sich ein Gitter aus Kugeln vor, die untereinander flexibel mit Federn verbunden sind (Bild 2).
Bild 2: Anschauungsmodell für einen Festkörper.
Copyright © 2005 ilis gmbh, alle Rechte vorbehalten
2
Spannungsmessung
Grundlagen der Spannungsoptik
Lenkt man eine Kugel in diesem Gitter nach links aus und lässt sie los, schwingt diese
Kugel abwechselnd nach rechts und links. Jedoch nur kurz; ihre nächsten Nachbarn fangen ebenfalls an nach rechts und links zu schwingen. Diese Schwingung setzt sich schnell
im Gitter fort, während die ursprünglich ausgelenkte Kugel zur Ruhe kommt. Für Auslenkungen nach oben und unten kann man ein analoges Verhalten beobachten. Dies ist ein
anschauliches Modell für die Auswirkung des elektromagnetischen Feldes des Lichts auf
einen festen Körper.
Schwingt das elektrische Feld nur in einer Ebene, so spricht man von linear polarisiertem
Licht. In diesem Modell bedeutet das, dass die Kugeln nur nach rechts und links bzw.
oben und unten schwingen.
2.5. Optischer Gangunterschied
Lenkt man eine Kugel diagonal aus, so kann man das als eine Überlagerung einer waagerechten und einer senkrecht polarisierten Lichtwelle ansehen, d.h. man erhält eine Welle
mit vertikaler Auslenkung und eine zweite dazu senkrechte Welle (Bild 3).
Bild 3: Eine Welle, die horizontal bzw. vertikal oszilliert. Die Kreise zeigen von links ausgehend die zeitliche Entwicklung.
Wenn sich diese beiden Wellen gleich schnell ausbreiten, trifft immer ein Wellenberg der
waagerechten Welle auf einen Wellenberg der horizontalen Welle. Die Addition der Auslenkungen ergibt die ursprüngliche diagonale Welle, man hat immer noch lineare Polarisation (Bild 4).
Bild 4: Addition von zwei Wellen mit gleicher Ausbreitungsgeschwindigkeit.
Ist der Abstand der Kugeln im Kugelmodell in der Vertikalen anders als in der Horizontalen, wie es bei doppelbrechenden Materialien der Fall ist, breitet sich das Licht in horizontaler Richtung mit anderer Geschwindigkeit aus als in vertikaler Richtung. Dadurch
kommt es zu einer Verzögerung zwischen den beiden Wellen. Diese Verzögerung wird als
optischer Gangunterschied bezeichnet und in der Einheit Nanometer gemessen.
2.6. Zirkular und elliptisch polarisiertes Licht
Wenn der Gangunterschied gerade so groß ist, dass ein Wellenberg der vertikalen Welle
auf einen Nulldurchgang der horizontalen Welle trifft, erhält man einen Sonderfall: Bei
Betrachtung der Lichtwelle in Ausbreitungsrichtung beschreibt diese einen Kreis. Der
Gangunterschied beträgt dann genau ein Viertel der Wellenlänge und man spricht von
zirkular polarisiertem Licht (Bild 5).
Copyright © 2005 ilis gmbh, alle Rechte vorbehalten
3
Spannungsmessung
Grundlagen der Spannungsoptik
Bild 5: Addition von zwei Wellen, deren Gangunterschied genau ein Viertel der Wellenlänge beträgt.
Im allgemeinen Fall ist der Gangunterschied aber ungleich einem Viertel der Wellenlänge
und man erhält keinen Kreis, sondern eine Ellipse. Man spricht dann von elliptisch polarisiertem Licht (Bild 6).
Bild 6: Addition von zwei Wellen mit einem Gangunterschied von einem Achtel der Wellenlänge.
Linear polarisiertes Licht verlässt ein doppelbrechendes Material also als Überlagerung
von zwei aufeinander senkrecht stehenden Lichtwellen mit unterschiedlicher Phasenlage
und ist daher im allgemeinen Fall elliptisch polarisiert. Die Elliptizität des austretenden
Lichts, also das Verhältnis zwischen kurzer und langer Ellipsen-Halbachse, ist dabei ein
Maß für die Spannungsdoppelbrechung und somit auch für die Spannung im Material.
Betrachtet man eine doppelbrechende Probe durch einen Polarisator, dessen Polarisationsebene in einem Winkel von 90° zur ursprünglichen Polarisationsrichtung angeordnet
ist, sieht man helle Bereiche im ansonsten schwarzen Sichtfeld, deren Intensität proportional zur Elliptizität des Lichts ist.
Aus der Intensität der Aufhellung lässt sich also bereits auf den Grad der Spannungsdoppelbrechung schließen. Zur quantitativen Bestimmung der Doppelbrechung ist es jedoch
sinnvoll, das elliptisch polarisierte Licht zunächst mit Hilfe einer Viertelwellenplatte in
linear polarisiertes Licht zurück zu verwandeln.
2.7. Viertelwellenplatte
Eine Viertelwellenplatte besteht aus doppelbrechendem Material, z.B. Quarzkristall. Der
Unterschied zwischen den Brechzahlen ist gerade so groß, dass die horizontal polarisierte
Welle gegenüber der vertikal polarisierten Welle um ein Viertel der Wellenlänge
verzö-
gert wird. Der Gangunterschied der beiden Wellen beträgt also /4, weshalb die Viertelwellenplatte auch /4-Platte genannt wird. Linear polarisiertes Licht, dessen Polarisationsrichtung in einem Winkel von 45° zu den optischen Achsen der Viertelwellenplatte
steht, wird dadurch in zirkular polarisiertes Licht umgewandelt und umgekehrt.
Copyright © 2005 ilis gmbh, alle Rechte vorbehalten
4
Spannungsmessung
2.8.
Grundlagen der Spannungsoptik
Spannungsmessung
Bild 7 zeigt den grundlegenden Aufbau eines Polarimeters zur Messung der Spannungsdoppelbrechung nach Sénarmont. Die Viertelwellenplatte wird hier so angeordnet, dass
deren optische Achsen parallel zur Polarisationsrichtung des eingestrahlten Lichts orientiert sind.
Elliptisch polarisiertes Licht, das aus der Probe austritt, wird also wieder in linear polarisiertes Licht umgewandelt, allerdings mit einer anderen Polarisationsrichtung. Die Differenz zur ursprünglichen Polarisationsrichtung wird Polarisationswinkel genannt. Der Polarisationswinkel beschreibt die Elliptizität des aus der Probe autretenden Lichts, ist also
ein Maß für die Doppelbrechung und damit für die Spannung im Material.
Die Bestimmung des Polarisationswinkels erfolgt mit einem Analysator, einem zweiten,
drehbaren Polarisator, der in Grundstellung zum ersten Polarisator gekreuzt ist. Verspannte Bereiche der Probe erscheinen als Aufhellungen im ansonsten schwarzen Sichtfeld. Der Analysator wird nun solange gedreht, bis an der betrachteten Stelle ein Intensitätsminimum erreicht ist. Der Drehwinkel des Analysators ist dann gleich dem Polarisationswinkel.
Aus dem Polarisationswinkel
lässt sich gemäß der Gleichung R = P /180° der optische
Gangunterschied R in nm berechnen, der ein Maß für die Spannung ist.
Bild 7: Aufbau eines Polarimeters zur Messung der Spannungsdoppelbrechung. Der Polarisator lässt nur den linear polarisierten Anteil des einfallenden Lichts durch. Doppelbrechung in der Probe führt zu elliptisch polarisiertem Licht. Mit Hilfe einer Viertelwellenplatte wird aus dem elliptisch polarisierten Licht wieder linear polarisiertes Licht. Der Polarisationswinkel kann mit einem drehbaren Analysator bestimmt und daraus der optische
Gangunterschied berechnet werden.
Quellen und weiterführende Literatur zum Thema Spannungsoptik:
[1] Lehrbuch der Experimentalphysik, Band 3 Optik, Bergmann, Schaefer. 9. Auflage.
De Gruyter, Berlin, New York, 1993
[2] Einführung in die Kristallographie, Kleber. VEB Verlag Technik, 1983
[3] Physik, Gerthsen, Kneser, Vogel. Springer Verlag, 1986
Copyright © 2005 ilis gmbh, alle Rechte vorbehalten
5
Spannungsmessung
3.
Automatische Messung
Automatische Messung
3.1. StrainMatic® Polarimetersystem
Das StrainMatic® Polarimetersystem wurde von der ilis gmbh entwickelt, um die einleitend aufgezeigten Schwachpunkten der bisher eingesetzten manuell-visuellen Verfahren
zu beseitigen und damit die Messung der Spannungsmessung zu objektivieren. Bei diesem Messgerät handelt es sich im Prinzip um ein Polarimeter, dass nach dem in Abschnitt
2.8 beschriebenen Verfahren arbeitet, allerdings in automatisierter Form.
Bild 8 zeigt ein StrainMatic® Polarimetersystem und den prinzipiellen Messaufbau. Kern
der Vorrichtung ist ein Bildverarbeitungssystem, mit dem die Intensitätsbilder unter
verschiedenen Analysator- und Polarisator-Stellungen aufgenommen und in einem Rechner automatisch verarbeitet werden.
Bild 8: Aufbau eines StrainMatic® M2/M Polarimetersystems
Im Unterschied zu herkömmlichen Verfahren wird dabei nicht nur ein einzelner Punkt,
sondern der gesamte Messbereich in verschiedenen Spannungsebenen betrachtet. Die
ermittelten Spannungswerte werden farbkodiert dargestellt und von der Software automatisch in die gängigen Maßeinheiten Polarisationswinkel, Tempernummer, Gangunterschied und Spannung umgerechnet.
Zur Anpassung an verschiedene Probendimensionen ist die Standardversion mit einem
beweglichen Messkopf ausgerüstet. Die Bedienung erfolgt je nach Modell entweder mittels eines integrierten PCs mit Touch-Screen oder über einen externen Rechner.
3.2. Messaufbau und Messprinzip
Der Prüfkörper im Probenraum wird mit linear polarisiertem Licht durchleuchtet, welches
von einer quasi-monochromatischen Lichtquelle und einem Polarisator erzeugt wird.
Durch Spannungsdoppelbrechung im Prüfkörper wird dieses linear polarisierte Licht in
elliptisch polarisiertes Licht umgewandelt. Ein Retarder (Viertelwellenplatte) wandelt das
elliptisch polarisierte Licht wieder in linear polarisiertes Licht zurück.
Copyright © 2005 ilis gmbh, alle Rechte vorbehalten
6
Spannungsmessung
Automatische Messung
Nach Austritt aus dem Retarder ist die Polarisationsebene gegenüber der ursprünglichen
Polarisationsrichtung um einen Winkel gedreht, der mit einem drehbar angeordneten
Analysator und einer CCD-Kamera bestimmt wird. Dazu wird der Analysator wie bei
einem herkömmlichen Polarimeter schrittweise aus der Nullstellung bewegt, bis für einen
Messpunkt die maximale Abdunklung erreicht ist.
Bild 9: Spannungsbild einer vorgespannten Glasscheibe (Strain Disc) im Polarimeter mit
Analysator in Grundstellung (links) und in einem Winkel von ca. 8° (rechts). Der Kreis
markiert den betrachteten Messpunkt.
Bild 9 verdeutlicht das Messprinzip anhand einer sogenannten Strain Disc, einer runden
Glasscheibe mit zum Rand gleichmäßig ansteigender Spannungsdoppelbrechung. In
Grundstellung (Analysator zum Polarisator gekreuzt) erscheinen verspannte Bereiche als
aufgehellte Flecken im ansonsten schwarzen Bild. Durch Drehen des Analysators vermindert sich die Intensität des betrachteten Messpunktes (roter Kreis), bis bei einem bestimmten Winkel (hier bei ca. 8°) das Intensitätsminimum erreicht ist (rechtes Bild).
Dieser Winkel entspricht dem Polarisationswinkel des betrachteten Messpunktes.
Aus den gemessenen Polarisationswinkeln aller Bildpunkte lassen sich die Spannungsdoppelbrechungswerte des Prüfkörpers ableiten und farbkodiert darstellen (Bild 10).
Bild 10: Farbkodierte Darstellung der Spannungsverteilung in einer Strain Disc. Rote
Bereiche markieren hohe Werte, blaue Bereiche niedrige Werte.
Wie man in den Abbildungen deutlich sieht, können mit dem beschriebenen Verfahren
prinzipbedingt nur Spannungen bestimmt werden, die in einem 45°-Winkel zu den Polarisatorachsen orientiert sind, in der Darstellung also waagerecht oder senkrecht verlaufen
(der Polarisator wird in der Regel in einem Winkel von 45° zu den Bildachsen angeordet).
Alle anderen Orientierungen sind um den Faktor cos2 abgeschwächt. Spannungen, die
genau im Winkel von 45° zu den Bildachsen orientiert sind, sind also nicht sichtbar.
Copyright © 2005 ilis gmbh, alle Rechte vorbehalten
7
Spannungsmessung
Automatische Messung
Statt die Probe nun manuell zu drehen und die Messung zu wiederholen, kann der Polarisator automatisch in einer wählbaren Schrittweite gedreht werden. Bei einer Schrittweite
von z.B. 15° werden also sechs Einzelmessungen durchgeführt (Bild 11) und zu einem
Gesamtergebnis überlagert (Bild 12).
Bild 11: Einzelergebnisse einer Strain Disc-Messung unter 0°, 15°, 30°, 45°, 60° und 75°
Polarisatorstellung (von oben links nach unten rechts).
Bild 12: Gesamtergebnis einer Strain-Disc-Messung mit 15° Polarisatorschrittweite.
3.3. Ergebnisauswertung
Die gemessenen Polarisationswinkel werden automatisch in die proportionalen Größen
scheinbare/reale Tempernummer (gemäß ASTM C-148), Gangunterschied (in nm), normierter Gangunterschied (nm/cm) oder Spannung (MPa) umgerechnet und dargestellt.
In der Routinemessung wird als Messergebnis in der Regel der Maximalwert über den
gesamten Messbereich ermittelt und automatisch mit in der Messvorschrift hinterlegten
Grenzwerten verglichen, so dass am Ende der Messung eine Gut/Schlecht-Aussage steht.
Copyright © 2005 ilis gmbh, alle Rechte vorbehalten
8
Spannungsmessung
4.
Anwendungen und Beispiele
Anwendungen und Beispiele
Spannungen beeinflussen sowohl die mechanische Festigkeit als auch die optischen Eigenschaften von Glas und damit zwei wichtige Produkteigenschaften. So vielseitig und
unterschiedlich die Einsatzmöglichkeiten von Glas sind, so vielfältig sind auch die Anwendungen der Spannungsoptik. Im Folgenden werden exemplarisch einige ausgewählte
Anwendungen der Spannungsmessung mit StrainMatic® Polarimetersystemen vorgestellt.
4.1. Kühlbahn-Optimierung bei der Hohlglasherstellung
Durch das für die Formgebung notwendige schnelle Abkühlen bauen sich in den produzierten Glasbehältern starke mechanische Spannungen auf, die anschließend im „Kühlofen“ durch kontrolliertes Aufheizen und anschließendes Abkühlen wieder abgebaut werden müssen. Insbesondere im Bereich großer Wandstärken und/oder starker Krümmungen, z.B. im Boden oder in der Seitenwand von Glasflaschen (Bild 13), können die im
Glas verbliebenen Restspannungen zum Problem werden. Das gilt besonders für Produkte, die einer thermischen Nachbehandlung unterzogen werden (z.B. Einbrandetiketten
auf Trinkgläsern).
Bild 13: Spannungsverteilung in einem Behälterglas-Boden (links) und in der Seitenwand
eines Glasflakons (rechts).
Wie bei jedem Prozess ist das Vorhandensein eines verlässlichen Messwerts Voraussetzung zur Optimierung der Kühlofen-Einstellungen (Einschubbreite, Transportgeschwindigkeit, Temperaturkurve). Die oft praktizierte Prüfung der Restspannungen durch den
visuellen Vergleich mit Strain Discs ist hierfür zu ungenau, so dass entweder das Spannungsniveau insgesamt zu hoch oder uneinheitlich ist oder mehr Energie und damit Geld
verbraucht wird, als eigentlich notwendig wäre.
In einem praktischen Versuch wurden die Restspannungen in einem Konservenglas in
Abhängigkeit von der Position in der Kühlbahn und der Stationsnummer in der Formgebungsmaschine mit der StrainMatic® systematisch untersucht. Beide Variablen spiegelten
sich klar in den Messwerten wieder. Eine anschließende Optimierung der KühlofenEinstellungen ergab eine Energieeinsparung von 50% - bei verbesserter Qualität.
4.2. Charakterisierung von Glaseinschlüssen
Steinchen und andere Einschlüsse im Glas verursachen häufig starke lokale Spannungen
und damit Schwachstellen, die zu einem späteren Bruch führen können. Da die EinCopyright © 2005 ilis gmbh, alle Rechte vorbehalten
9
Spannungsmessung
Anwendungen und Beispiele
schlüsse selbst sehr klein sein können, werden sie in der Regel indirekt über das Spannungsfeld detektiert. Dazu wird z.B. jeder Glasbehälter zwischen zwei gekreuzten Polarisatoren durchleuchtet und mit einem Kamerasystem das zugehörige Intensitätsbild ausgewertet. Verspannte Bereiche treten als aufgehellte Bereiche im ansonsten schwarzen
Bild deutlich hervor (siehe Abschnitte 2.6 und 2.8). Das Problem besteht in der Notwendigkeit, eindeutig zwischen normaler Restspannung und Einschlüssen zu unterscheiden,
da ansonsten entweder zu viele Behälter aussortiert oder schlechte Behälter die Inspektionsmaschine passieren würden.
Mit Hilfe der StrainMatic® können die von Einschlüssen verursachten Spannungen quantitativ genau vermessen und die ermittelten Werte als Einstellkriterien für die Inspektionsmaschine verwendet werden.
4.3. Vorspannen von Flachglas
Die Zugfestigkeit von Glas ist etwa 10-fach geringer als die Druckfestigkeit. Zur Erhöhung der Bruchfestigkeit wird Flachglas deshalb häufig thermisch vorgespannt. Dabei
werden Druckspannungen in der Oberfläche erzeugt (z.B. durch Anblasen mit Luft),
denen Zugspannungen im Inneren entgegenstehen. In Summe heben sich die Spannungen also auf.
Mit Hilfe der StrainMatic® kann der Spannungsverlauf anhand von angefertigten Profilschnitten genau bestimmt werden (Bild 14).
Bild 14: Spannungsverteilung in einer 12 mm dicken, vorgespannten Glasscheibe. Druckspannungen nahe der Glasoberfläche erhöhen die Zugfestigkeit und Behindern das
Wachstum von Mikrorissen. Das Diagramm rechts zeigt die auf 10 mm normierten Gangunterschiede (Absolutwerte) entlang der senkrechten weißen Linie.
4.4. Umformen von Rohrglas
Viele Glasprodukte wie Laborgläser oder pharmazeutische Verpackungen (Ampullen,
Kanülen, etc.) werden nicht direkt aus der Schmelze, sondern aus Glasrohren oder Glasstäben gefertigt. Dazu wird das Rohrglas an manuellen, halb- oder vollautomatischen
Drehmaschinen mit Brennern erhitzt und mit Werkzeugen in die gewünschte Form gebracht. Beim anschließenden Abkühlen bauen sich Spannungen auf, die insbesondere im
medizinischen Bereich bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten dürfen.
Copyright © 2005 ilis gmbh, alle Rechte vorbehalten
10
Spannungsmessung
Anwendungen und Beispiele
Für Abbrechampullen schreibt ISO 9187 beispielsweise einen Maximalwert von 50 nm
Gangunterschied pro mm Glasdicke vor. Bild 15 zeigt die gemessene Spannungsverteilung in einer solchen Ampulle in zwei verschiedenen Auflösungen.
Bild 15: Spannungen in einer ca. 11 cm langen Abbrechampulle. Im Kopfbereich sind
Restspannungen deutlich als Ringe sichtbar.
4.5. Prüfung von optischen Bauteilen
Da Spannungsdoppelbrechung die Orientierung von linear polarisiertem Licht verändert
(siehe Abschnitt 2.6), können bereits geringe Restspannungen (<10 nm optischer Gangunterschied) die Funktionstüchtigkeit von optischen Bauteilen beeinträchtigen.
Beispielsweise werden in Reflexions-Lichtschranken mit Hilfe von Polarisatoren unerwünschte Reflexe unterdrückt. Eine ungenügende Entspannung oder lokale Defekte der
zur Strahlfokussierung verwendeten Linsen können zu fehlerhaften Signalen führen.
Mit Hilfe der StrainMatic® können sehr kleine Spannungen mit hoher Ortsauflösung und
Genauigkeit bestimmt werden. Die gleichzeitige Vermessung mehrerer Objekte ermöglicht die Selektion von Bauteilen im Rahmen einer Wareneingangsprüfung (Bild 16).
Bild 16: Spannungsdoppelbrechung in einer einzelnen Glaslinse mit 20 mm Kantenlänge
(links) und in einem Feld von 4 x 3 solcher Linsen (rechts). Die defekte Linse (unterste
Reihe, zweite von links) ist deutlich zu erkennen.
Copyright © 2005 ilis gmbh, alle Rechte vorbehalten
11
Spannungsmessung
5.
Zusammenfassung
Zusammenfassung
In vielen Bereichen, z.B. optische Gläser oder pharmazeutische Verpackungen, existieren
bereits nationale und internationale Normen oder werksinterne Qualitätsstandards, die
Obergrenzen für Spannungen verbindlich vorgeben. In anderen Bereichen werden solche
Spezifikationen zurzeit entwickelt. Die objektive Bestimmung und Dokumentation der
Restspannungen gewinnt daher zunehmend an Bedeutung.
Gegenüber den manuellen Messmethoden und rein laborbasierten Lösungen bietet die
automatisierte, rechnergestützte Messung mit StrainMatic® Polarimetersystemen viele
Vorteile:
• Die ermittelten Werte sind bedienerunabhängig und jederzeit reproduzierbar. Die
Werte bieten damit eine solide Datenbasis für Qualitätsvereinbarungen zwischen
Produzenten und Abnehmern.
• Die Messung ist schnell und wesentlich genauer als herkömmliche Methoden. Abweichungen vom Sollwert können so schneller erkannt und geeignete Gegenmaßnahmen zeit- und prozessnah ergriffen werden.
• Für die Bedienung genügt bereits eine kurze Einweisung. Alle für die Messung und
Auswertung notwendigen Parameter werden artikelbezogen in Messvorschriften
verwaltet, die nur von autorisiertem Personal verändert werden können.
• Sämtliche Ergebnisse werden automatisch gespeichert und dokumentiert. Im Reklamationsfall stehen die notwendigen Daten sofort zur Verfügung.
Zur Erfüllung von gegenwärtigen und zukünftigen Qualitätsanforderungen stehen verschiedene Varianten von StrainMatic®-Systemen zum produktionsnahen Einsatz in der
Routinekontrolle sowie zur Anwendung im Prüf- oder Entwicklungslabor zur Verfügung.
Bild 17: StrainMatic® M3/S Polarimetersystem mit externem Bedienrechner.
Copyright © 2005 ilis gmbh, alle Rechte vorbehalten
12
Herunterladen