36 Medizinisches Thema KV-Blatt 01.2011 Die Spirometrie: Schlüsseluntersuchung für die Diagnose der COPD Wenn sie husten, lasst sie pusten! Wenn sie husten, lasst sie pusten, die Patienten, die vielleicht COPD haben! Allzu leicht wird ein chronischer Husten – gerade beim Raucher – als „harmloser, normaler“ Husten eingestuft und nicht weiter verfolgt. Dabei ist der chronische – nicht immer produktive – Husten eines der wichtigsten Schlüsselsymptome für die COPD. Diese erheblich unterdiagnostizierte Erkrankung ist ansonsten gekennzeichnet durch eine schleichende – und auch gerade deswegen oft vom Patienten nicht wirklich bemerkte – Belastungsdyspnoe. Dauerhafter Husten und Belastungsdyspnoe – Verdacht auf COPD Wenn früher der Raucher mittleren bis fortgeschritteneren Alters der COPD-Kranke war, so wandelt sich bei den Neudiagnosen inzwischen das Bild. Immer mehr Frauen rauchen und ziehen deswegen auch bei der Neudiagnose der COPD nach. 10 – 20 Packungsjahre (1 Packungsjahr = 1 Jahr täglich eine Packung Zigaretten rauchen) genügen, damit auf das Rauchen mit COPD reagiert wird (das ist bei etwa 25 % aller dauerhaften Raucher der Fall). Es ist also heutzutage durchaus gängiges Erleben, dass bereits bei Frauen in ihren mittleren dreißiger Lebensjahren eine moderate bis mittelschwere COPD diagnostiziert wird. Aus den USA liegen Daten vor, die zeigen, dass Frauen inzwischen häufiger an COPD versterben als Männer 1. COPD – weitgehend unterdiagnostiziert Die BOLD-Studie (Burden Of Lung Diseases) hat dies eindrucksvoll gezeigt 3,4. Insgesamt ist wohl mit etwa sechs Mio. COPD-Kranken in Deutschland zu rechnen – in großen Teilen davon bislang nicht aufgedeckt 2. Dabei hängt der weitere Verlauf der Erkrankung entscheidend von der frühzeitigen Aufdeckung ab. Doch dazu weiter unten mehr. Pusten also: die Spirometrie Die Anfertigung einer aussagekräftigen Lungenfunktionsprüfung am Spirometer – nicht selten leichter gesagt als getan! Schließlich ist eine Spirometrie nur aussagekräftig, wenn der Patient dabei wirklich gut mitarbeitet; und das bedeutet, er muss so angetrieben werden, dass er „bis zum Äußersten“ einatmet, ausatmet, schnell ausatmet … Das ist – gerade wenn nicht ständig und Todesfälle als Folge chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (USA, 1980 –2000) Todesfälle /Jahr 70.000 60.000 Männer 50.000 40.000 30.000 Frauen täglich durchgeführt – nicht jedermanns Sache. Nicht selten zögern junge Arzthelferinnen, ältere Patienten wirklich direktiv und entschlossen so anzutreiben, dass eine verwertbare Spirometrie dabei herauskommt. Aber: Eine lasch durchgeführte Lungenfunktionsprüfung ist vollständig wertlos! Woran man eine gute Spirometrie erkennen kann Folgende vier Merkmale führen zum Ziel: r Aus tiefster Inspiration muss sehr forciert und schnell ausgeatmet werden. Das führt zu einem sehr steilen initialen Anstieg der Flussvolumenkurve. r Eine forcierte Exspiration ist daran zu erkennen, dass der schnelle Atemfluss-Anstieg mit einem markanten spitzen Kurvenumschlag endet. r Wer unter ständigem Antreiben („und weiter ausatmen und weiter, weiter, weiter …“) wirklich komplett bis zum Ende ausatmet, erzeugt ein flaches Auslaufen des exspiratorischen Anteils der Flussvolumenkurve. r Die Vitalkapazität – Volumen von maximaler Ausatmung zu maximaler Einatmung bzw. umgekehrt – ist von entscheidender Bedeutung bei der Bewertung: Aus ihr wird abgelesen, ob der Einsekundenstoß (FEV1) im Vergleich zur Vitalkapazität tatsächlich ausreichend oder zu gering war: Es wird der Quotient FEV1 / VC gebildet. – Eine Spirometrie muss also eine verlässliche Vitalkapazität messen. Wenn diese in Einatmung und Ausatmung gleich hoch ist, liegen Sie wahrscheinlich richtig. 20.000 10.000 0 1980 1984 1988 COPD Mortalität um 67 % gestiegen 2000 erstmals mehr COPD-Todesfälle bei Frauen 1982 1996 2000 Eine routiniert durchgeführte Spirometrie muss nicht mehr als 2 – 3 Minuten dauern. Und: Der Patient muss dabei nicht angeschrieen werden! Es kommt darauf an, dass die Helferin sich auf den Patienten voll konzentriert, ihm vorher alles genau erklärt und ihn dann bei der Untersuchung immer gut Medizinisches Thema KV-Blatt 01.2011 l/s Neue Substanzen erleichtern die COPD-Behandlung l/s l Initial steiler Anstieg des Flusses l r Indacaterol, besonders stark und lang wirksames Betamimetikum r Roflumilast, ein sogenannter PDEInhibitor (Phosphodiesterase-Hemmer), eine erste vielversprechende entzündungshemmende Substanz neben Kortikosteroiden. Spitzer Kurvenumschlag l/s l/s l l Flaches Auslaufen der Exspiration VKexspir = VKinspir führt. Das bedeutet auch: Tür zu bei der Spirometrie. Und: Die Helferin wird in keinem Fall abgelenkt, angesprochen, vom Telefonklingeln weggeholt etc. Der Patient sitzt mit Nasenklammer und Mundstück da und möchte das gerne hinter sich bringen – nur zu verständlich! der COPD und nicht mit Asthma bronchiale zu tun haben. Das ist so auch als Einschreibekriterium für das DMP COPD festgelegt. Die Interpretation der Spirometrie Das Merkmal der COPD ist die sogenannte „fixierte“ Obstruktion. Wenn Sie also eine obstruktive Ventilationsstörung messen, also eine Herabsetzung des FEV1 unter 80 % des erwarteten sowie eine Verringerung des Quotienten FEV1 / FVC, liegt eine Obstruktion vor. Wenn Sie dann eine Spasmolyse durchführen – also den Patienten z. B. Salbutamol oder Ipatropiumpromid inhalieren lassen und dann nach ca. 15 Min. die Spirometrie wiederholen, ändert sich beim COPDPatienten wenig. Dieses Wenig – also weniger als 20 % Verbesserung – ist geradezu ein Kriterium, dass wir es mit Zwei neue Substanzen sind aktuell für die Behandlung der moderaten bis schweren COPD in Deutschland zugelassen worden: COPD-Diagnose gestellt – wie weiter? Die nationale Versorgungsleitlinie COPD 5 gibt das vom Schweregrad abhängige Stufenschema vor: Eskaliert wird mit zunächst bedarfsabhängig inhalierten kurz wirksamen Bronchospasmolytika, am häufigsten ein Betamimetikum, wie Salbutamol, und / oder ein Vagolytikum, wie Ipatropiumpromid. Die Steigerungsschritte in Abhängigkeit der Lungenfunktion gehen über lang wirksame Spasmolytika und die eventuelle Einbeziehung inhalativer Kortikosteroide bis hin zur Langzeitsauerstofftherapie, Heimbeatmung, Lungentransplantation. Über allem aber steht: Noxen meiden! Das bedeutet fast immer: Rauchstopp! Außerdem Impfungen, also Grippeimpfung und Pneumokokkenimpfung. Indacaterol zeichnet sich durch eine gegenüber bisherigen Betamimetika sehr viel längere und etwas stärkere Wirksamkeit von 24 Stunden aus und ist in Deutschland unter den Handelsnamen Onbrez ®“ / Novartis bzw. Hirobrez ® / Takeda eingeführt worden. Roflumilast ist als Daxas ® / Nycomed eingeführt worden. Es ist in Tablettenform erhältlich. Roflumilast ist geeignet, den eigentlichen Schrittmacher des COPD-Fortschrittes, die Exazerbation, seltener zu machen und damit die Progression der Erkrankung aufzuhalten. Roflumilast, das ergänzend zur inhalativen Therapie gegeben wird, kann daneben die ventilatorische Funktion bereits nach kurzer Gabe steigern. Es eignet sich – so der erste Eindruck aufgrund der bisherigen ZulassungsStudienlage – vor allem für Übergewichtige „blue bloater“ mit Neigung zur häufigen Exazerbation (Nebenwirkung von Roflumilast: Gewichtsabnahme im ersten Jahr). Beide neuen Substanzen erscheinen vielversprechend – und für die kommenden Jahre hat die Arzneimittelindustrie weitere Verbesserungen in der „Pipeline“. Oberste Priorität bei COPD: Rauchstopp Aber: Wer mit COPD weiter raucht, dem helfen alle Medikamente allen- 37 Medizinisches Thema KV-Blatt 01.2011 Fortsetzung von Seite 37 falls, die begrenzte Besserung der Lungenfunktion (Stichwort Reversibilität unter 20 %) etwas zu fördern. Die eigentliche Progression der Erkrankung ist wirksam nur zu verringern, wenn ein möglichst frühzeitiger und vollständiger Rauchstopp realisiert wird. Nur dann ist gesichert, dass die verbliebene ventilatorische Kapazität bestmöglich bewahrt wird. Beim fortdauernden Rauchen sinkt das FEV1 nun einmal jährlich um 50 – 60 ml ab. Wenn der Rauchstopp gelingt, ist das jährliche Verlusttempo der ventilatorischen Kapazität bei nur noch 25 – 30 ml – so schnell wie beim nichtrauchenden Gesunden 6. Ein Silberstreif am Horizont: Der Gemeinsame Bundesausschuss hat am 15.10.2009 beschlossen, dass COPD-Patienten innerhalb von DMP die Tabakentwöhnung einschließlich psychosozialer Unterstützung (Verhaltenstherapie) und medikamentöser Unterstützung angeboten und damit bezahlt werden soll, wenn Entwöhnungswilligkeit besteht. Dieser Beschluss harrt der Bestätigung durch das Bundesministerium für Gesundheit – auf dessen Weisheit wir Ärzte für unsere COPD-Kranken hoffen. Thomas Hering Lungen- und Bronchialheilkunde 13507 Berlin tion in the prevalence of COPD (the BOLD Study): a population-based prevalence study. Lancet, 2007. 370 (9589): p. 741 – 50. 5 Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, and A.d.W.M. Fachgesellschaften, Nationale Versorgungsleitlinie COPD, Version 1.7. www.versorgungsleitlinien.de, 2010. 6 Andreas, S., et al., Tabakentwöhnung bei COPD – S3 Leitlinie herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin [Guidelines for smoking cessation in patients with COPD issued by the Deutsche Gesellschaft fur Pneumologie und Beatmungsmedizin]. Pneumologie, 2008. 62 (5): p. 255 – 72. Fluß-Volumen-Kurve Asthma (vollständig reversible Obstruktion) COPD (kaum reversible Obstruktion) Fluß [L/sec] Fluß [L/sec] 10 10 8 8 9 9 4 4 2 2 –2 1 2 3 4 5 Volumen [L] –4 Emphysemknick 1 –2 2 3 4 5 Volumen [L] –4 vor Broncholyse nach 200 μg Salbutamol Referenzen Study Nurse Ausbildung 1 Berufsbegleitendes Intensivtraining für medizinisches )achSersRnal als beruÀiche 4uali¿zierung im Bereich der klinischen Forschung Mannino, D. M., et al., Chronic obstructive pulmonary disease surveillance– United States, 1971 – 2000. MMWR Surveill Summ, 2002. 51 (6): p. 1 – 16. 2 Geldmacher, H., et al., [The prevalence of chronic obstructive pulmonary disease (COPD) in Germany: results of the BOLD study]. Dtsch Med Wochenschr, 2008. 133 (50): p. 2609 – 14. 3 Mannino, D. M. and A. S. Buist, Global burden of COPD: risk factors, prevalence, and future trends. Lancet, 2007. 370 (9589): p. 765 – 73. 4 Buist, A. S., et al., International varia- Norm Quelle: Thomas Hering – Lungenarztpraxistegel Anzeige 38 Wochenkurs (Mo-Fr) Termine: 17. Jan. - 21. Jan. 2011 / 14. Feb. - 18. Feb. 2011 Wochenendkurs (Fr/Sa/So/Sa/So) Termin: 25. - 27. Feb. 2011 und 12. - 13. März 2011 Teilnahmekosten: 1.200,- Euro zzgl. MwSt. Programm und Anmeldeformular: www.parexel-akademie.de Prüfarztkurs Leitfaden Klinische Studien für Prüfärzte unter besonderer Berücksichtigung von ICH-GCP/AMG Theoretische Grundlagen und Übungen zur praktischen Durchführung. PAREXEL-Akademie Termine: 28. Jan. 2011 / 23. Feb. 2011 / 30. März 2011 Teilnahmekosten: 500,- Euro zzgl. MwSt. [email protected] www.parexel-akademie.de Telefon: (030) 30685-3091 1-tägiger Kurs Programm und Anmeldeformular: www.parexel-akademie.de Am Bahnhof Westend 15 1405 Berlin