Kossbiel (Hg.): Modellgestützte Personlentscheidungen CHRISTIAN BENDER*/THOMAS RÖHLING** Ansätze zur Bewertung und Risikomessung von Humankapital Zusammenfassung: Humankapital stellt möglicherweise einen wichtigen Faktor bei der Bewertung von Unternehmen in wissensintensiven Branchen dar. Es wird versucht, eine risikoadjustierte Bewertung von Humankapital sowie von Investitionen in qualifiziertes Humankapital (im Rahmen von Aus- und Weiterbildung) zu konzeptualisieren. In einem ersten Schritt wird ein einfaches, auf mengentheoretischen Überlegungen basiertes Rendite-Risikomodell entwickelt, das die Spezifika von Humankapital abbildet. Zudem wird die im zweiten Schritt folgende analoge Anwendung von Modellen aus der Kapitalmarkttheorie kritisch diskutiert. Anschließend werden zur Humankapitalbewertung kapitalmarkttheoretische Modelle (Capital Asset Pricing Model (CAPM) und Arbitrage Pricing Theory (APT)) angewendet, anhand derer, erste Ansätze eines Human Capital Pricing Models (HCPM) entwickelt werden sollen. Der Beitrag schließt mit einem Ausblick über weiteren Forschungsbedarf und konzeptionelle Erweiterungsmöglichkeiten des HCPM. * Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Professur für Betriebswirtschaftslehre, insb. Internationale Wirtschaft, Universtitätsstr. 14-16, 48143 Münster, Tel. 0251/83-21929, Fax 0251/83-21887, [email protected] ** Gerhard Mercator Universität Duisburg, Fachgebiet für Betriebswirtschaftslehre, insb. Personal und Unternehmensführung, Gerhard-Mercator-Universität Duisburg erschienen als: „Ansätze zur Bewertung und Risikomessung von Humankapital“ in: Kossbiel, Hugo (ed.), Modellgestützte Personalentscheidungen, Bd. 5, München, R. Hampp Verlag 2001, S. 27-39 Inhaltsverzeichnis 1. 2. 3. 4. 5. 6. Einleitung Zur Analogie von Human- und Finanzkapital Ein einfaches Rendite-Risikokonzept Humankapitalbewertung anhand des Capital Asset Pricing Model (CAPM) Humankapitalbewertung anhand der Arbitrage Pricing Theory (APT) 5.1 Modelltheoretische Grundlagen 5.2 Bestimmung der Risikofaktoren Schlußbetrachtung 28 29 30 32 34 34 35 37 27 Bender/Röhling: Ansätze zur Bewertung und Risikomessung von Humankapital 1. Einleitung Die zunehmende Bedeutung intangibler Vermögenswerte für den Unternehmenswert wirft eine Reihe von Fragen auf. Wie kann ein wissens- und damit humankapitalintensives Unternehmen richtig bewertet werden? Traditionelle Bewertungs- und Buchhaltungsmethodik stößt hierbei schnell an ihre Grenzen und bedarf einiger Modifikationen, um den aktuellen Umständen Rechnung zu tragen. Im folgenden soll versucht werden, Humankapital bzw. Humankapitalinvestitionen anhand kapitalmarkttheoretischer Modelle risikoadjustiert zu bewerten. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt dabei auf dem Zusammenhang von Risiko und Rendite sowie auf der konzeptionellen Herleitung einer Renditemessung. Durch eine näherungsweise Quantifizierung der Renditen von Humankapitalinvestitionen kann eine optimale Allokation der vorhandenen Mittel erreicht werden, um im Sinne des „Shareholder Value“ den Unternehmenswert zu maximieren. Vor dem Hintergrund stark gestiegener Ausgaben für Weiterbildungsmaßnahmen in den letzten 20 Jahren (Anstieg von 32% in den Jahren zwischen 1995 und 1998) sind geeignete Methoden zu entwickeln, um diese Investitionen bewerten zu können. 1 Bisher sind weder in der Theorie noch in der Praxis verläßliche Methoden entwickelt worden, um Investitionen in Humankapital adäquat bewerten zu können. Während in der neoklassischen Modellwelt Humankapital als homogenes Gut betrachtet wird, unterscheidet der Humankapitalansatz zwischen qualifiziertem und unqualifiziertem Humankapital. Hierbei wird davon ausgegangen, daß höher qualifizierte Arbeitskräfte auch eine höhere Produktivität besitzen und entsprechend höher bezahlt werden. Zur Bewertung der Investitionen in dieses Humankapital werden aber in der Literatur lediglich Kosten-Nutzen Kalküle erstellt, wobei auf eine detaillierte Ermittlung der Rendite verzichtet wird und das Risiko der Investitionen nur indirekt abgebildet wird. Grundlegende Arbeiten finden sich u.a. bei Thurow (1970) und Becker (1993). 2 Es wird versucht Kapitalmarktmodelle, die zu Bewertung bzw. Renditeermittlung, von Wertpapieren entwickelt wurden, auf die Bewertung von Humankapitalinvestitionen anzuwenden. Hierbei wurden zwei Theorien herangezogen: Das Capital Asset Pricing Modell (CAPM) 3 sowie die ArbitragePricing-Theory (APT). 4 Da der Investitionswert in t0, dessen Rendite und dessen Wert in t1 interdependente Größen sind, die ineinander überführbar sind, wird im 1 Vgl. o.V. (1999), S. 4 sowie Robbers (1993), S. 39. Vgl. Becker (1993); Thurow (1970). 3 Vgl. hierzu Sharpe (1964), S. 425ff.; Lintner (1965), S. 13ff.. 4 Vgl. Ross (1976), S. 341ff.; Ross (1977), S. 189ff.. 2 28 Kossbiel (Hg.): Modellgestützte Personlentscheidungen weiteren Verlauf dieser Arbeit keine Differenzierung bezüglich dieser drei Größen vorgenommen. Betrachtet werden die Humankapitalrendite bzw. Investition eines Arbeitgebers in das Humankapital eines Mitarbeiters. 2. Zur Analogie von Human- und Finanzkapital Die Bewertung von Humankaptial weist die Problematik der Personengebundenheit von Humankapital und Humankapitalträger auf. Dies führt zu einer begrenzten Fungibilität und Handelbarkeit dieses Kapitaltyps. Traditionelle CAP-Modelle, die um die Komponente Humankapital erweitert werden, führen zu keiner bedeutsamen Steigerung des Erklärungsgehaltes.5 Deshalb soll in dieser Arbeit versucht werden, eine eigenständige Definition der CAPM-Größen vorzunehmen. Anstelle der Verwendung von Finanzmarktdaten werden die verwendeten Modellgrößen aus der Rendite für Realinvestitionen hergeleitet. Der Grund dafür ist die konzeptionelle Nähe von unqualifizierten (maschinell substituierbaren) Tätigkeiten und der Rendite für Realinvestitionen. Dasselbe trifft auch auf den Erwerb derartiger Fähigkeiten (Humankapitalinvestitionen des Arbeitgebers in den Arbeitnehmer) zu. Diese eher tayloristische Sichtweise trifft sicherlich auf den Bereich des unqualifizierten Humankapitals zu, was sich an Realitätsphänomenen wie Zeitarbeitsfirmen und Fertigungsautomatisierung zeigt. Beispiele, wie die relativ kurzen Beschäftigungsintervalle und das Abwerben von Branchen-Expertenteams in den Mergers & Acquisitions-Abteilungen großer Investmentbanken für einen gewissen Preis, deuten aber darauf hin, daß ein marktmäßiger Handel von Humankapital auch im Bereich des qualifizierten Humankapitals stattfinden kann. Wertschwankungen der (zumindest perzipierten) Arbeitsproduktivität werden bei diesem Handel durch Arbitrageprozesse beseitigt, so daß der Analogieschluß zum Kapitalmarkt zulässig erscheint. Somit erscheint die Übertragung der Modellmechanik kapitalmarkttheoretischer Bewertungsansätze zulässig. Zudem führt mangelnde Bewertbarkeit zu mangelnder Fungibilität und vice versa, so daß durch die Formulierung neuer Bewertungsansätze dieser Zirkelschluß möglicherweise durchbrochen werden kann. Im folgenden Kapitel soll eine simplifizierte aber für unsere Darstellungsziele ausreichende Modellierung von Humankapitalrendite vorgenommen werden. Zu diskutieren ist, inwiefern sich die zunehmende Ähnlichkeit elektronischer Märkte im Zuge der Revolution der Informationsund Kommunikationstechnologie nur auf Güter- und Finanzmärkte beschränkt, oder ob auch Arbeits- bzw. Humankapitalmärkte betroffen sind. 5 Vgl. Liberman (1980), S. 164ff. oder Fama/Schwert (1977), S. 95ff.. 29 Bender/Röhling: Ansätze zur Bewertung und Risikomessung von Humankapital Von einer Unterscheidung in unspezifische bzw. spezifische Humankapitalinvestitionen, wie in der klassischen Humankapitaltheorie üblich, wird in diesem Kontext abgesehen. Dies ergibt sich aus der Tatsache, daß die beiden betrachteten Kapitalmarktmodelle lediglich Einperiodenmodelle sind und somit durch arbeitsvertragliche Regelungen eine Bindung des Arbeitsnehmers für die betrachtete Periode an das Unternehmen gewährleistet werden kann. Hierdurch entfällt die Problematik der potentiellen Nutzung von unspezifischen Humankapitalinvestitionen durch andere Unternehmen, d.h. der Nutzung von allgemeinem, nicht-firmenspezifischen Wissen, welches z.B. durch Arbeitgeberinvestitionen in Fort- und Weiterbildung erworben wurde. 3. Ein einfaches Rendite-Risikokonzept Die Bewertung von Humankapital soll in Analogie zur kapitalmarktheoretischen Bewertung risikobehafteter Finanztitel erfolgen. Die Bewertung besteht aus einem zweistufigen Prozeß. Zunächst soll auf Basis von mengentheoretischen Überlegungen ein Renditebegriff für Humankapital entwickelt werden, der im zweiten Schritt hinsichtlich seiner Relation zum zu definierenden Risiko näher erläutert wird. Mengentheoretische Ansätze in der Personalwirtschaftslehre finden sich z.B. bereits bei Kossbiel (1974). 6 Die Rendite für Humankapital soll hier als Funktion der Wertschöpfung pro Mitarbeiter i verstanden werden, so daß gilt: Humankapitalrendite [%]= Ri = f(Wertschöpfung pro Mitarbeiter i) Bei wertschöpfender Tätigkeit muß zwischen qualifiziertem und unqualifizierten Humankapital unterschieden werden. Bei unqualifiziertem Humankapital besteht die Wertschöpfung in der Aus führung einer bestimmten Menge an Verrichtungsteilleistungen Vk für eine Stelle definiert als |Wiu| mit Wiu∈ V für alle Mitarbeiter i=1, 2, ..., n mit n = Anzahl der unqualifizierten Stellen pro Unternehmen und k = 1, 2, ..., s = Anzahl der Verrichtungsteilleistungen pro unqualifizierter Stelle und s ∈ N + sowie V = Menge der Verrichtungsteilleistungen im Unternehmen. Bei qualifiziertem Humankapital hingegen resultiert die Wertschöpfung aus der Vernetzung einer bestimmten Menge an Verrichtungsteilleistungen Vk für eine Stelle, definiert als 6 Vgl. Kossbiel (1974), S. 14f. 30 Kossbiel (Hg.): Modellgestützte Personlentscheidungen |Wiq| mit Wiq = Ã(Wiu) Wertschöpfende Tätigkeit insgesamt läßt sich formal als V = {Vk | Vk = V 1, V 2, ..., V s} = Menge der Verrichtungsteilleistungen im Unternehmen darstellen. Jeder unqualifizierten wertschöpfenden Tätigkeit, z.B. Wiu∈ V z.B. W1u = {V1, V 2} = “Maschine rüsten, Werkstück fräsen” entspricht nun annahmegemäß einer qualifizierten wertschöpfenden Tätigkeit Wiq = ℘(Wiu) z.B. W 1q = ℘(A1u) = Ã({V1, V 2}) = {{V 1}; {V1; V2}; {V 2}; {} } = “Koordination von Maschinenrüsten und Fräsen” Im Fall unqualifizierter Arbeit ist die Menge der Verrichtungsteilleistungen (Arbeitsplan) z.B. durch REFA- Methoden oder die Methods-Time-MeasurementAnalyse beschreibbar. 7 Im Fall von qualifizierter Arbeit sind Aufgaben und damit die Anforderungen komplexer, d.h. sie bestehen aus einer Menge von Teilmengen, deren Elemente Verrichtungsteilleistungen sind. Diese mehrelementigen Teilmengen entsprechen abstrakteren Qualifikationen und vernetztem Denken. Da |Ã(X)| > |X| gilt für jedes i im Unternehmen: |℘(Wiu)| > | Wiu | Folglich ist die Rendite von qualifiziertem Humankapital c.p. größer als die des unqualifizierten Humankapitals. Abgesehen von der größeren Rendite steigt mit zunehmendem Abstraktionsgrad auch das Risiko. Aufgrund der Komplexität sind einzelne Verrichtungsteilleistungen möglicherweise nicht mehr identifizierbar, was die Spezifikation von Aufgaben im Sinne eines REFA-ähnlichen Arbeitsplans schwieriger bzw. unmöglich machen kann. Dadurch besteht auch eine höheres 7 Vgl. hierzu: Bühner (1999), S. 31ff.. 31 Bender/Röhling: Ansätze zur Bewertung und Risikomessung von Humankapital Nicht-Ausführungsrisiko (durch mangelnde Überwachbarkeit und mangelnde exante Spezifikation konkreter Aufgaben). Annahmegemäß ist also nur qualifiziertes Humankapital risikobehaftet. Risiken wie Engpaß-, Austritts- bzw. Anpassungsrisiko werden in diesem Kontext nicht weiter berücksichtigt, da es sich bei den benutzten kapitalmarkttheoretischen Modellen um implizite Einperiodenmodelle 8 handelt und die genannten Risiken nur bei langfristiger Betrachtung relevant sind. Arbeitslosigkeitsrisiko oder Einkommensrisiko bleiben im Rahmen dieser Betrachtung unberücksichtigt, da annahmegemäß nur die Arbeitgebersicht betrachtet wird. In der Klassifizierung nach Kobi9 verbleibt daher lediglich das Motivationsrisiko, welches im Rahmen dieser Arbeit als Nichtausführungsrisiko bzw. als Schlechtausführungsrisiko definiert wird. Es bestehen allerdings noch Unterschiede im vernetzten Denken bei qualifiziertem Humankapital. Je vernetzter das Denken, desto höher ist hier definitionsgemäß die erwartete Rendite, desto höher ist aber auch das Risiko. Humankapitalinvestitionen durch Fort- und Weiterbildung in abstrakte Qualifikationen (Rhetorikkurse etc.), die vernetztes Denken erfordern, weisen eine höhere Rendite, aber auch ein höheres Risiko auf als Fort- und Weiterbildung im unqualifizierten Bereich. Abstraktheit und Anzahl der Elemente in der Wertschöpfungsmenge sind dabei positiv korreliert. Ziel ist es nun dieses so definierte Risiko bewertbar zu machen, indem es in einen Renditezusammenhang gebracht wird. 4. Humankapitalbewertung anhand des Capital Asset Pricing Model (CAPM) Analog zur Kapitalmarkttheorie soll ein theoretisches Bewertungsmodell für risikobehaftete Humankapitalinvestitionen vorgestellt werden. Als Grundlage dafür dient das CAPM. Das Capital Asset Pricing Model10 hat folgende Grundgleichung: µi = rf + (µm - rf ) s iM = rf + (µm - rf ) ßi mit s 2m ßi = cov(Ri; Rm) var(R m) µi = E(R i) entspricht dem Erwartungswert der Rendite des Wertpapiers i, hier des Humankapitalträgers i. 8 Vgl. Perridon/Steiner (1997), S. 260. Vgl. Kobi (1999), S. 13f.. 10 Vgl. hierzu Sharpe (1964), S. 425ff.; Lintner (1965), S. 13ff.. 9 32 Kossbiel (Hg.): Modellgestützte Personlentscheidungen µm = E(Rm) entspricht dem Erwartungswert der Rendite des Marktportfolios, hier: der Rendite von Unternehmen mit qualifizierten und unqualifizierten Mitarbeitern, z.B. gemessen durch den internen Return On Investment (ROI). Das Marktportfolio enthält alle Humankapitalträger (Mitarbeiter im Unternehmen), d.h. alle potentiellen unternehmensinternen Humankapitalinvestitionsmöglichkeiten. rf = Risikoloser Zinssatz, hier: Rendite, die durch unqualifiziertes Humankapital erwirtschaftet wird. Derartige Qualifikationen sind standardisierbar und theoretisch automatisierbar. Damit entspricht diese Rendite der rein maschinellen Produktivität. Graphisch läßt sich dieser Zusammenhang folgendermaßen darstellen: Abbildung 1: Das Capitel Asset Pricing Model Aus dem Modell läßt sich erkennen, daß die Rendite eines Trägers von qualifiziertem Humankapital von verschiedenen Größen abhängt: Die Rendite, die ein fiktives Unternehmen aus ungelernten Arbeitern erwirtschaften würde, bildet den risikolosen Zinssatz. Der risikolose Zinssatz könnte aufgrund der Automatisierbarkeit auch rein maschinell erzielt werden. Hinzu kommt ein branchenabhängiger Aufschlag für qualifiziertes und damit risikobehaftetes Humankapital (µm - rf ). Dieser besteht aus der Differenz zwischen rein maschineller Produktivität und dem internen ROI eines Unternehmens, das neben einfachen Arbeitern auch höher qualifizierteres Humankapital einsetzt. Dieser Risikoaufschlag für einen Arbeitnehmer ist umso größer, je höher der jeweilige ßFaktor ist. Ein Träger von qualifiziertem Humankapital, der einen ß -Wert von 1 aufweist, hat die gleichen Rendite-Risiko Charakteristika wie das Marktportfolio, das aus der vollständig diversifizierten Gesamtheit des unternehmensinternen 33 Bender/Röhling: Ansätze zur Bewertung und Risikomessung von Humankapital Humankapitals besteht. Diese entspricht Humankapitalinvestitionsmöglichkeiten des Unternehmens. damit den Die Betrachtung des CAPM im Kontext der Humankapitalbewertung zeigt, daß eine analoge Anwendung neue Interpretationsmöglichkeiten bietet, aber insbesondere hinsichtlich der Operationalisierung der einzelnen Größen (insbesondere ßi, µm) noch weitere Forschungsarbeit benötigt. Es soll hier lediglich versucht werden, einen konzeptionellen Analyserahmen zu schaffen, der Möglichkeiten zu Erweiterung, empirischen Überprüfung und differenzierteren Ausgestaltung bietet. 5. Humankapitalbewertung anhand der Arbitrage Pricing Theory (APT) Die Arbitrage Pricing Theory APT geht davon aus, daß das systematische Risiko von Investitionen durch n Faktoren bestimmt wird und wurde bisher zur risikoadjustierten Bewertung von Finanztiteln verwendet. 11 In dieser Arbeit soll erörtert werden, inwieweit auch Investitionen in Humankapital mittels der APT bewertet werden können. Dabei sollen Einflußfaktoren ermittelt werden, die die erwartete Rendite determinieren. Ziel ist es, die APT zur Bestimmung von Humankapitalinvestitionsrenditen ähnlich operationalisierbar zu machen, wie dies bisher für Finanzinvestitionen geschehen ist. 5.1 Modelltheoretische Grundlagen Die approximativ hergeleitete Bewertungsgleichung der „traditionellen“ APT lautet:12 n µ =λ + ∑ λ b i 0 k =1 k ik µi entspricht dem Erwartungswert der Rendite des Wertpapiers i, hier der Humankapitalinvestition i. Hierbei stellt der Koeffizient ?0 die Verzinsung eines sicheren Wertpapiers dar, welches zum Beispiel eine staatliche Bundesanleihe sein kann. Die Koeffizienten ?1 bis ?k können als faktorbezogene Risikoprämien interpretiert werden. So werden in der „traditionellen“ APT Faktoren wie Wechselkurse, Wachstumsraten oder auch unternehmensspezifische Daten als 11 Weiterführende Literatur zum Einstieg in die APT: Perridon/Steiner (1997), S. 273ff.; Lockert (1996), S. 7ff. oder Brealey/Myers (1996), S. 190f. 12 Vgl. hier und im folgenden Lockert (1996), S. 18. 34 Kossbiel (Hg.): Modellgestützte Personlentscheidungen Einflußfaktoren identifiziert. bik gibt die Sensitivität der Rendite des Wertpapiers i gegenüber Ausprägungen des Faktors k wieder. Um die APT auch zur Bewertung von Humankapitalinvestitionen nutzen zu können, sind entsprechend die Wertpapiere und die Risikofaktoren umzuinterpretieren. Die Wertpapiere i werden in unserem Modell als funktionelle Organisationseinheit, z.B. Personal- oder Marketingabteilung etc., betrachtet. Es werden also die erwarteten Renditen einer Investition in das Humankapital - also der Mitarbeiter - der entsprechenden Organisationseinheit ermittelt. ?0 wird bei Anwendung der Humankapital-APT analog wie bei der CAPM Betrachtung als Verzinsung eines unqualifizierten Arbeiters betrachtet, d.h. die Verzinsung für das Unternehmen, die risikolos erwirtschaftet werden kann (s. auch Abschnitt 3). Die verschiedenen Risikofaktoren werden analog zur „traditionellen“ APT definiert, da zu erwarten ist, daß verschiedene Arten von Einflüssen auch verschieden in den unterschiedlichen Abteilungen wirken. So ist anzunehmen, daß in einer Verkaufsabteilung Investitionen in die rhetorischen Fähigkeiten höheren Nutzen stiften als in einer Ingenieursabteilung. Ferner sind hier Unterschiede über Ländergrenzen hinweg zu erwarten, d.h. in den USA, die einen großen Binnenmarkt mit einer einheitlichen Sprache darstellen, werden Investitionen in Sprachfähigkeiten weniger Rendite abwerfen als in Europa, wo auf engem Raum viele Muttersprachen existieren. Da ?0 der sicheren Verzinsung entspricht, ergibt sich aus der Gleichung, daß der zweite Summand bei unqualifiziertem Humankapital der APT-Gleichung gleich Null sein muß (was allerdings nicht bedeutet, daß jeder einzelne Summand null sein muß). 5.2 Bestimmung der Risikofaktoren Problematisch wie bei der „traditionellen“ APT ist die Herleitung von Risikofaktoren nach Art und Höhe, um die zu erwartenden Renditen bestimmen zu können, da die APT selbst hierzu keine Aussagen trifft. 13 Einflußfaktoren können zum einen endogen aus dem Modell hergeleitet werden, zum anderen können plausible Faktoren exogen vorgegeben werden. Endogen ermittelte Faktoren haben bei der „traditionellen“ APT“ den Vorteil, genaue Ergebnisse zu erzielen, da diese mathematisch exakt ermittelt werden können. Sie bleiben allerdings meist statistische Artefakte, die nicht weiter zu interpretieren sind. Bei Anwendung der APT im Rahmen von Humankapitalinvestitionen ergibt sich das Problem, daß der Genauigkeitsgrad der Renditebestimmung ex-post unter dem der Renditebestimmung von Finanzanlagen liegen dürfte. Die endogenen Parameter 13 Zur Bestimmung von Risikofaktoren und deren Problematik vgl. Steiner/Nowak (1994), S. 350ff.. 35 Bender/Röhling: Ansätze zur Bewertung und Risikomessung von Humankapital haben dann neben der mangelnden Interpretierbarkeit den Nachteil, daß sie auch noch ungenau sind. Im Gegensatz dazu haben exogen vorgegebene (vorabspezifizierte) Faktoren den Vorteil plausibel zu sein. Die Faktoren, die einerseits aus Plausibilitätserwägungen heraus geschätzt und anschließend iterativ verbessert oder andererseits aus einer ökonomischen Theorie abgeleitet werden können, werden bei dieser Vorgehensweise nicht die gesamte Rendite erklären können, so daß deren Genauigkeit zu wünschen übrig läßt. Durch iteratives Vorgehen über mehrere Perioden bzw. Investitionsrunden, können aber auch im Humankapitalbereich zufriedenstellende Ergebnisse, also eine relativ genaue Renditevorhersage, erreicht werden. Dieser Weg ist hier vorzuziehen, da dann z.B. nachvollziehbare Kriterien mittels einer Schätzrendite verifiziert bzw. falsifiziert werden können. Diese „exogene“ Methode wird auch bei der überwiegenden Zahl der neueren, empirischen Untersuchungen im Rahmen der „traditionellen“ APT verwendet. 14 Die geschätzten Renditen, die dann zur Verifizierung von allgemeingültigen Faktorenmodellen dienen, können z.B. näherungsweise in kleinen Unternehmen oder in Unternehmen mit Profit-Centern ermittelt werden. Da hier Interdependenzen zwischen Mitarbeitern bzw. Teams nicht existieren, bzw. durch das Unternehmen zerschnitten werden, können Renditen von Humankapitalinvestitionen besser ermittelt werden als in großen komplexen Umfeldern. Mittels dieser in einfachen Unternehmensumfeldern ermittelten Schätzrenditen können dann geeignete Einflußfaktoren nach Art und Höhe ermittelt werden, die dann zur Berechnung der erwarteten Renditen von Humankapitalinvestitionen auch in komplexeren Situationen geeignet sind. Da die künstlich zerschnittenen Interdependenzen dann aber nicht die volle Rentabilität der Investition ermöglichen, stellt die mittels APT-Humankapital ermittelte Rendite eine zu erwartende Mindestverzinsung dar. Falls diese komplexitätsreduzierte Konstellation in der Organisation nicht gegeben ist, können mittels Simulation die Auswirkungen von nicht getätigten Investition ermittelt werden und hierdurch auch in komplexeren Umfeldern eine näherungsweise Ermittlung der zu erwartenden Renditen erfolgen. Genauso wie bei der traditionellen APT können auch bei ihrer Anwendung auf Humankapitalinvestitionen Einflußfaktoren negativ werden. Diese stellen dann z.B. einen information overload dar, d.h. der Mitarbeiter bzw. die Abteilung bekommt Wissen oder Bildung, die im Rahmen der Aufgabentätigkeit überhaupt nicht benötigt werden. Weitere Investitionen in diesem Bereich führen also zu einem abnehmenden Nutzen und verwirren den Mitarbeiter lediglich. 14 Vgl. Steiner/Nowak (1994), S. 350. 36 Kossbiel (Hg.): Modellgestützte Personlentscheidungen Die Tatsache, daß Investitionen in Humankapital auch Einfluß auf Zufriedenheit, sozialen Status und eine unmittelbare Konsequenz auf die Qualität der Prozesse und Produkte besitzt, wird hier implizit berücksichtigt, indem diese schwer quantifizierbaren Größen in den Einflußfaktoren enthalten sind. 6. Schlußbetrachtung Die vorliegende Arbeit sollte einerseits als Denkanstoß verstanden werden, um finanzwirtschaftliche Modelle in den Personalbereich hineinzutragen und kann als Rahmenmodell sinnvolle Anwendung bei der Personalentwicklung und im Personalcontrolling finden. Andererseits soll die Arbeit auch als konzeptuelle Erweiterung der Anwendung kapitalmarkttheoretischer Modelle in der Finanzierungstheorie gesehen werden. Weitere, vor allem empirische, Arbeiten sind notwendig, um Einflußfaktoren und Sensitivitäten zu ermitteln. Das auf Basis der Mengenkonzepte entwickelte Rendite-Risiko-Konzept für Humankapital soll dabei als Grundlage eines Human Capital Pricing Models (HCPM) dienen. Die Anwendung beider Modelle zur Bewertung von Humankapitalinvestitionen wirft allerdings u.a. folgende Fragen auf: • Zeitpunktproblematik: Beide Modelle sind lediglich einperiodige Modelle, während Humankapitalinvestitionen i.d.R. langfristigen Charakter aufweisen. Um die Modelle anwenden zu können müssen die Aus- und Einzahlungen auf einen Zeitpunkt gemappt werden. Die Problematik der unsicheren, zukünftigen Zahlungsströme nach Höhe und Zeitpunkt sowie die Abdiskontierung mit einem geeigneten Zins sind hier nicht angesprochene Probleme, die allerdings bei jeder mehrperiodigen Investitionsentscheidung problematisch sind. • Gibt es neben der verwendeten Analogie andere womöglich effizientere Deskriptionstechniken, die die Rendite-Risiko Kopplung im Humankapitalfall abbilden? Ist eine Einbeziehung des Risikos in der vorliegenden Form umfassend genug? Da Bildung, im Gegensatz zum Investment in Wertpapiere, allgemein als langlebiges Gut und aus Unternehmenssicht als „sunk cost“ betrachtet werden, ist zu überlegen, ob hier nicht vielleicht ganz andere Parameter relevant sind (z.B. Humankapitalentwertung). Zudem gilt es zu bedenken, das Kapitalmärkte möglicherweise Arbeitsmärkte hinsichtlich ihrer Effizienz und Arbitragefreiheit übertreffen. • Unter gegebener Annahme der Angemessenheit von Rendite-Risiko-Kopplung für Humankapitalinvestitionen, stellt sich die Frage, ob man den σ/µZusammenhang entweder als vertikalen Querschnitt über verschiedene Investitionsarten in einem Zeitpunkt oder als Querschnitt über die Zeit für eine Investitionsart betrachtet (letzteres entspricht dem Vorgehen des Portfoliotheorie, auf der das CAPM aufbaut). 37 Bender/Röhling: Ansätze zur Bewertung und Risikomessung von Humankapital • Im Rahmen der hier vorgestellten kapitalmarkttheoretischen Betrachtung wird von Einzelbewertbarkeit ausgegangen, um einen angemessenen Komplexitätsgrad zu erreichen. Eine theoretische Fundierung der Problematik der Produktivitätsmessung bei gemeinsamer Input-Nutzung in einem Produktionsprozeß, an dem ein Team beteiligt ist, findet sich bei Alchian/Demsetz.15 Ferner kann man auch Investitionen in Teams als Einzelinvestition betrachten und so die Problematik der Bewertung von Teams oder ganzen Unternehmen in einem zweiten Schritt lösen (man denke an Expertenteams bei Investment Banken, die als eine einzelne Humankapitalentität interpretiert werden können). Ferner besteht die Möglichkeit, weitere finanzwirtschaftliche Modelle zur Bewertung von Humankapitalinvestitionen zu nutzen. So kann z.B. die Optionspreistheorie mit deren Anwendung von Realoptionen leicht Anwendung finden. 16 Durch die verschiedensten Optionsarten (wie z.B. Abbruchoptionen, Erweiterungsoptionen u.a.) kann möglicherweise der Vielschichtigkeit bei Humankapitalinvestitionen besser Rechnung getragen werden. So könnte z.B. eine Schließungsoption das Entlassungsrisiko darstellen womit der Optionspreisansatz außerdem den Vorteil bietet, den Blickwinkel des Modells auch auf die Arbeitnehmersicht zu erweitern. Ferner ist die Optionspreistheorie kein Einperiodenmodell, so daß auch Humankapitalinvestitionsrenditen über mehrere Perioden auf diese Art ermittelt werden können und so eine bedeutsame Steigerung der Aussagekrafts des HCPM-Modells erreicht werden kann. Literaturverzeichnis: Alchian, A., H. Demsetz, Production, Information Costs, and Economic Organization, in: American Economic Review (1972), S. 777-795 Becker, G. S., Human Capital. A Theoretical and Empirical Analysis With Special Reference to Education, Chicago, 3rd edition, 1993 Brealey, R.A., S. C. Myers, Principles of Corporate Finance, 5. Aufl., New York, 1996 Bühner, R., Betriebswirtschaftliche Organisationslehre, 9. bearb. und erg. Aufl., Oldenbourg Verlag München Wien, 1999 Fama, E.F., Schwert, G.W., Human Capital and Capital Market Equilibrium, in: Journal of Financial Economics, 4, 1977, S. 95-125 Kobi, J.M.: Personalrisikomanagement, Wiesbaden, 1999 Kossbiel, H., Probleme und Instrumente der betrieblichen Personalplanung, in: Jacob, H. (Hrsg.), Personalplanung, Schriften zur Unternehmensführung, Band 20, Wiesbaden, 1974, S. 5.-40 Liberman, J., Human Capital and the Financial Capital Market, in: Journal of Business, Vol. 53, No. 2, 1980, S. 164-191 15 16 Alchian/Demsetz (1972), S. 777ff.. Zur Thematik der Realoptionen vgl. Trigeorgis (1996). 38 Kossbiel (Hg.): Modellgestützte Personlentscheidungen Lintner, J., "The Valuation of Risk Assets and the Selection of Risky Investments in Stock Portfolio and Capital Budgets", in: Review of Economics and Statistics, February 1965, S. 13-37. Lockert, G., Risikofaktoren und Preisbildung am deutschen Aktienmarkt, Heidelberg, 1996 o.V., Mehr Weiterbildung , in: Rheinische Post, 54 (295) vom 18. Dezember 1999, S. 4 Perridon, L., M. Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, 9. Aufl., München, 1997 Robbers, T., Investitionen in berufliches Humankapital und die Absicherung erwarteter Erträge, Köln, 1993, zugl.: Münster, Univ., Diss., 1992 Ross, St. A., The Arbitrage Theory of Capital Asset Pricing, in: Journal of Economic Theory 13 (1976) S. 341-360 Ross, St. A., Return, Risk and Arbitrage, in: Risk and Return in Finance, Vol. 1, Hrsg. von I. Friend und J.L. Bicksler, Cambridge/Mass. 1977, S. 189-218 Sharpe, W. F., "Capital Asset Prices: A Theory of Market Equilibrium under Conditions of Risk", Journal of Finance, September 1964, S. 425-452 Steiner, M., T. Nowak, Zur Bestimmung von Risikofaktoren am deutschen Aktienmarkt auf Basis der Arbitrage Pricing Theory, in: DBW 1994, S. 347-362 Thurow, L.C., Investment in Human Capital, Belmont, 1970 Trigeorgis, L., Real Options, Cambridge, MA, 1996 39