Perkutane und chirurgische Therapie der Mitralklappeninsuffizienz

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ÜBERSICHTSARBEIT
Perkutane und chirurgische Therapie
der Mitralklappeninsuffizienz
Joerg Seeburger, Hugo A. Katus, Sven T. Pleger, Ulrike Krumsdorf, Friedrich-Wilhelm Mohr,
Raffi Bekeredjian
ZUSAMMENFASSUNG
Hintergrund: Die Mitralklappeninsuffizienz ist mit einer
jährlichen Inzidenz von circa 2–3 % das zweithäufigste
klinisch relevante Klappenvitium im Erwachsenenalter. Die
chirurgische Klappenrekonstruktion stellt das Therapieverfahren der Wahl für die Mitralinsuffizienz dar. Insbesondere
im Bereich der minimal-invasiven Mitralklappenchirurgie
konnten in den letzten Jahren bedeutsame Fortschritte
erzielt werden. Allerdings befinden sich derzeit neue
katheterbasierte Behandlungsverfahren, wie die perkutane
endovaskuläre Rekonstruktion der Mitralklappe durch Einsetzen eines Mitral-Clips, in der klinischen Evaluierung.
Methode: Selektive Literaturrecherche sowie eigene klinische Erfahrung
Ergebnisse: In den letzten Jahren konnten zunehmend minimal-invasive und rekonstruktive Verfahren in der Mitralklappenchirurgie eingesetzt werden. Deutschlandweit
werden mehr als 50 % aller Mitralklappenvitien durch eine
klappenerhaltende Rekonstruktion behandelt. Gleichzeitig
wurden perkutane Verfahren entwickelt, die im Herzkatheterlabor, ohne Chirurgie, eine Reduktion der Mitralinsuffizienz zulassen. Das Einsetzen eines Mitral-Clips ist aktuell
das einzige zugelassene Verfahren. Eine kürzlich publizierte
vergleichende randomisierte klinische Studie (EVEREST II)
zeigte die überlegene Sicherheit des Mitral-Clips bei allerdings geringerer klinischer Wirksamkeit.
Schlussfolgerung: Die Mitralklappenchirurgie ist bei hochgradiger Mitralklappeninsuffizienz das Therapieverfahren
der Wahl. Bei Hochrisikopatienten und insbesondere bei
Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz bietet die Implantation eines Mitral-Clips eine risikoarme Therapieoption.
►Zitierweise
Seeburger J, Katus HA, Pleger ST, Krumsdorf U, Mohr FW,
Bekeredjian R: Percutaneous and surgical treatments
of mitral valve regurgitation. Dtsch Arztebl Int 2011;
108(48): 816–21. DOI: 10.3238/arztebl.2011.0816
Abteilung für Herzchirurgie, Herzzentrum Universität Leipzig: Dr. med. Seeburger,
Prof. Dr. med. Mohr
Abteilung für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie; Universitätsklinik
Heidelberg: Prof. Dr. med. Katus, Dr. med. Pleger, Dr. med. Krumsdorf, Prof. Dr.
med. Bekeredjian
816
rkrankungen der Mitralklappe stellen das
zweithäufigste, klinisch relevante Klappenvitium im Erwachsenenalter dar. Insbesondere die
Mitralklappeninsuffizienz im Rahmen degenerativer
Veränderungen tritt mit zunehmendem Alter häufiger
auf. Die jährliche Inzidenz degenerativer Mitralklappenerkrankungen in industrialisierten Ländern wird
auf etwa 2–3 % geschätzt (1, 2), wobei allerdings
keine Daten zur Verteilung symptomatischer und
asymptomatischer Patienten mit Mitralklappeninsuffizienz vorliegen. Neben degenerativen Veränderungen sind die kardiale Ischämie, spontane Abrisse der
Chordae tendineae und die Erweiterung des Mitralklappenanulus im Rahmen eines dilatierten linken
Ventrikels mit hochgradig eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion weitere Ursachen für eine
klinisch relevante Mitralklappeninsuffizienz (2, 3).
Die Mitralklappeninsuffizienz führt bei einem höheren Schweregrad zu einer Belastungsdyspnoe und
kann mit einer Dilatation des linken Atriums, dem
Auftreten von Vorhofflimmern und einem erhöhten
pulmonalarteriellen Druck einhergehen. Eine alleinige medikamentöse Therapie führt bei einer symptomatischen Erkrankung der Mitralklappe typischerweise nicht zu einer ausreichenden oder anhaltenden
Verbesserung der klinischen Symptome und ist bei
der hochgradigen Mitralklappeninsuffizienz mit einer jährlichen Sterblichkeitsrate von circa 6–7 % assoziiert. Verlaufsdaten zu einer rein konservativen
Therapie bestehen vor allem für asymptomatische
Patienten mit hochgradiger Mitralklappeninsuffizienz. Hier zeigt sich bei einem Untersuchungszeitraum von fünf Jahren eine Rate kardial bedingter Todesfälle von 22 % und eine Notwendigkeit zur Mitralklappenoperation bei 51 % der Patienten (4).
Die Therapie der Wahl ist die chirurgische Mitralrekonstruktion, gegebenenfalls mittels des minimalinvasiven Operationsverfahrens (5–7). Der Anteil an
Rekonstruktionen hat bei den Mitralklappenoperationen in Deutschland deutlich zugenommen und
wird mittlerweile häufiger als eine Mitralklappenersatzoperation durchgeführt (8). Die Empfehlungen
zur Mitralklappenoperation sind dabei unterteilt
nach der Symptomatik des Patienten (Tabelle) (9).
Leider gibt es keine Daten darüber, wie viele der Patienten mit Mitralklappen insuffizienz tatsächlich ei-
E
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ne Operationsindikation haben. Ebenso fehlen große
randomisierte, kontrollierte Studien zur operativen
Therapie der Mitralklappeninsuffizienz.
In den letzten Jahren sind allerdings auch neue interventionelle Verfahren im Herzkatheterlabor entstanden, die zu einer Reduktion der Mitralklappeninsuffizienz führen. Diese Verfahren basieren entweder
auf einer direkten Rekonstruktion der Mitralklappe
oder auf einer Modifikation des Mitralklappenanulus. Insbesondere das Mitral-Clip-Verfahren findet in
der interventionellen Kardiologie zunehmende Beachtung.
In der vorliegenden Übersichtsarbeit werden die
chirurgischen Entwicklungen der letzten Jahre dargestellt. Zusätzlich wird das noch relativ junge Verfahren der perkutanen Clip-Implantation als nichtchirurgische Therapieoption erklärt und mit der bislang
begrenzten Literatur zu dieser Technik diskutiert. Die
Darstellung basiert auf einer selektiven Literaturrecherche zur Therapie der Mitralklappeninsuffizienz
in PubMed und eigener Erfahrungen und Daten der
Autoren.
Therapie der Mitralklappeninsuffizienz
Die Therapie der Wahl bei der Mitralklappeninsuffizienz ist die chirurgische Operation (3, 10–12). Die
Operation ist bisher die einzige nachgewiesene Therapiemöglichkeit, um die Entwicklung der Herzinsuffizienz und damit ein signifikant geringeres Überleben
zu verhindern (13). Als chirurgische Therapiemöglichkeit steht neben dem Mitralklappenersatz mit einer biologischen oder mechanischen Klappenprothese
die Mitralklappenrekonstruktion zur Verfügung. In
den letzten Jahren hat sich hier die minimal-invasive
Operation über eine rechts-laterale Minithorakotomie, sowie femoraler Kanülierung (das heißt der Anschluss der Herz-Lungen-Maschine erfolgt über die
Leistengefäße) etabliert (Abbildung 1) (5). Große Serien zeigen die Sicherheit und Effektivität dieser Operation (5, 14–16). So liegt – abhängig von der Erfahrung der Chirurgen die minimal-invasive Rekonstruktionsrate für Patienten mit führender Mitralinsuffizienz bei über 80 %, bei isolierter Mitralinsuffizienz
sogar bei bis zu 97 % (5, 17). Das Langzeitüberleben
ist anhand der Kaplan-Meier- Analyse bei fünf Jahren
mit über 82 % vergleichbar mit dem der Normalbevölkerung. Ebenso zeigt sich eine sehr niedrige Reoperationsrate dieser Patienten, mit nahezu 97 % Erfolg nach fünf Jahren (14, 18). Die intraoperative
Konversionsrate zur konventionellen Operation lag in
dieser Serie mit 0,3 % sehr niedrig (5). Weitere große
Serien bestätigen die Qualität und Reproduzierbarkeit
dieser Operation eindeutig (15, 19, 20).
Für das Erreichen dieser exzellenten Ergebnisse,
insbesondere in Bezug auf die hohe Rekonstruktionsrate als auch Rekonstruktionsqualität, ist die hierfür notwendige intraoperative Darstellung der Mitralklappe durch die direkte perpendikulare Sicht auf
die Mitralklappenebene maßgeblich. Die femorale
Kanülierung verbessert die intraoperative Übersicht
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TABELLE
Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie
zur Operationsindikation bei schwerer chronischer
Mitralklappeninsuffizienz
Patienten
Symptome
Empfeh- Evilungsdenzgrad
niveau
symptomatische
Patienten
Ejektionsfraktion
≥ 30 %
I
B
Ejektionsfraktion
< 30 %,
wenn rekonstruktionsfähig
IIa
C
Ejektionsfraktion
< 60 % und/oder
endsystolischer
linksventrikulärer
Durchmesser
> 45 mm
I
B
paroxysmales
oder neu aufgetretenes
persistierendes
Vorhofflimmern
IIa
C
systolischer pulmonalarterieller
Druck in Ruhe
> 50 mmHg
IIa
C
Ejektionsfraktion
> 60 % und
endsystolischer
Durchmesser
> 45 mm,
aber fehlende
kontraktile
Reserve unter
Belastung
IIa
C
asymptomatische
Patienten
zudem und trägt zu dieser Entwicklung bei. Des
Weiteren sind die Vorteile dieser Methode die sehr
kleine Wundfläche, schnelle Rekonvaleszenz, reduzierte postoperative Schmerzintensität sowie vorteilhaftere Kosmetik (Abbildung 1) (21).
Basierend auf diesen Ergebnissen stellt die (minimal-invasive) Mitralklappenrekonstruktion den aktuellen Goldstandard in der „modernen“ operativen
Therapie der Mitralinsuffizienz dar (5, 14, 15, 19).
Insbesondere gilt dies nicht nur für die Gruppe der
Primäroperationen, sondern auch für Patienten mit
Reoperationen, speziellen Pathologien wie der hypertrophen obstruktiven Kardiomyopathie (HOCM),
und älteren Patienten (22–25).
Wie einleitend erwähnt, konnten in den letzten
fünf bis zehn Jahren mehrere „alternative“ Verfahren
wie beispielsweise die perkutane Implantation eines
Clips an die Mitralsegel, die Implantation eines Anuloplastiedevices in den Coronarsinus oder auch die
transapikale Implantation von einzelnen Sehnenfäden zur Behandlung der Mitralinsuffizienz entwickelt werden (6, e1–e5). Insbesondere die Implantati-
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Abbildung 1:
Intraoperativer
Set-up für die minimal-invasive Mitralklappenoperation
mit rechtslateraler
Mini-Thorakotomie
(oben) und femoraler Kanülierung
(Mitte) für die
extrakorporale
Zirkulation sowie
postoperatives,
kosmetisches
Ergebnis (unten).
on eines Mitralklappen-Clips zeigt, bei sorgfältiger
Indikationsstellung, das Potenzial langfristig eine
wichtige Nische in der Therapie der Mitralklappeninsuffizienz zu füllen. Das Konzept, eine Mitralklappeninsuffizienz perkutan zu therapieren, gehört zu den
neueren Techniken in der invasiven Kardiologie.
Trotz der exzellenten Ergebnisse chirurgischer Verfahren besteht weiterhin großes Interesse an der Entwicklung interventioneller Verfahren im Herzkatheterlabor, die eine Operation, den Einsatz einer HerzLungen-Maschine und gegebenenfalls eine Vollnarkose vermeiden beziehungsweise verzögern. Ein solches interventionelles Verfahren sollte unserer Meinung nach insbesondere für Patienten mit deutlich er-
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höhtem Operationsrisiko und/oder deutlich reduzierter Ejektionsfraktion, bei geeigneter Klappenpathologie und -morphologie, evaluiert werden. Aktuell ist
das einzige kommerziell erhältliche System ein Clip,
der in Anlehnung an einer operativen Rekonstruktionsmethode nach Alfieri an beide Mitralsegel gesetzt
wird. Das vom italienischen Herzchirurgen Alfieri
entwickelte Konzept basiert auf einer Vernähung des
mittleren Segments der beiden Mitralsegel (AlfieriStich), wodurch ein sogenanntes „double orifice“
entsteht und es somit zu einer signifikanten Reduktion der Mitralklappeninsuffizienz kommen kann (e6).
Der Mitral-Clip imitiert diese chirurgische Methode
und kann perkutan eingesetzt werden.
In einer ersten, multizentrischen Zulassungsstudie
(EVEREST I) wurde diese Technik an über 100 Patienten eingesetzt, die auch für eine chirurgische
Mitralklappenrekonstruktion in Frage gekommen
wären (e1). In dieser Studie konnte ein geringes periprozedurales Risiko (Blutungen, Schlaganfall, Perikarderguss, Notfall-Operation, 30-Tage-Mortalität,
Clip-Embolisation), sowie eine initiale Erfolgsrate
von 74 % gezeigt werden. Die Nachfolgestudie
(EVEREST II) hat 279 Patienten in einen MitralClip-Arm und einen chirurgischen Arm randomisiert
(im Verhältnis 2:1) und insbesondere die Sicherheit
und den therapeutischen Erfolg verglichen (e7). Diese Studie zeigte eine signifikant überlegene periprozedurale Sicherheit des Mitral-Clips (schwere Komplikationen – einschließlich der Gabe von mehr als
einem Erythrozytenkonzentrat – in den ersten 30 Tagen 15 % bei den Clip-Patienten und 48 % bei den
chirurgischen Patienten; p < 0,001) und eine signifikant überlegene klinische Wirksamkeit des chirurgischen Arms nach 12 Monaten von 73 % im Vergleich
zum Mitral-Clip-Arm mit 55 % (p = 0,007) (e7). Als
primärer Endpunkt für die klinische Wirksamkeit
wurde die Kombination aus fehlendem Tod, fehlender
Notwendigkeit für eine (gegebenenfalls erneute) Mitralklappen-Operation und das Fehlen einer schweren
Mitralklappeninsuffizienz (3+ oder 4+) nach zwölf
Monaten verwendet. Nach zwölf Monaten waren in
beiden Gruppen die Lebensqualität der Patienten signifikant verbessert (ohne Unterschied zwischen den
Gruppen), bei allerdings statistisch signifikantem
Vorteil bezüglich der Herzinsuffizienz Symptomatik
für die Mitral-Clip-Gruppe. Die EVEREST-II-Daten
geben auch Hinweise dafür, dass durch eine auch
nur geringe Reduktion der Mitralinsuffizienz eine
Verbesserung der Belastbarkeit sowie des klinischen Zustandes des Patienten erreicht werden kann.
Eine prospektive Studie an 51 Hochrisiko-Patienten (definiert als Patienten mit einem logistischen
EuroSCORE > 20 % oder einem Society of Thoracic
Surgeons Score > 12) konnte ebenfalls eine hohe
periprozedurale Sicherheit des interventionellen
Verfahrens (keine Krankenhaussterblichkeit, keine
schweren Komplikationen) und eine erfolgreiche
Clip-Implantation bei 96 % der Patienten zeigen
(e8). Im Heidelberger und Leipziger PatientenkolDeutsches Ärzteblatt | Jg. 108 | Heft 48 | 2. Dezember 2011
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Abbildung 2: Darstellung einer Mitral-Clip-Implantation: In der transösophagealen Echokardiographie wird das Einfangen und Fixieren
der beiden Mitralsegel visualisiert. Oben links ist der offene Clip im linken Ventrikel zu erkennen. Oben rechts wird der offene Clip auf die Mitralklappensegel zurückgezogen. Unten links wird der Clip nach Greifen der Segel geschlossen. Unten rechts ist eine schematische Darstellung der endovaskulären Mitralklappenrekonstruktion dargestellt (Sicht auf die Mitralklappe aus dem linken Vorhof). LA, linkes Atrium; LV, linker Ventrikel; AK, Aortenklappe; Pfeile: Clip-Arme.
lektiv können die Autoren diese Erfahrung für Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz bestätigen.
Dies spiegelt nach Meinung der Autoren die Anwendbarkeit dieser Methode bei Hochrisiko-Patienten wider – hier halten die Autoren dieses Verfahren
bei geeigneter Klappenmorphologie für angemessen.
Technischer Ablauf der perkutanen
Mitral-Clip-Implantation
Da zur Steuerung dieser Prozedur eine kontinuierliche transösophageale Echokardiographie (TEE) notwendig ist, werden die Mitral-Clip-Implantationen
in Vollnarkose durchgeführt. Nach Einleitung der
Narkose wird ein venöser Zugang über die V. femoralis der rechten Leiste gewählt. Nach Punktion der
Vene wird diese mit einem Draht sondiert und eine
transseptale Punktionsnadel zum Herzen vorgeführt.
Über eine Punktion des Vorhofseptums kann ein Katheter vom rechten in das linke Atrium eingeführt
werden. Nach Einwechseln eines härteren Drahtes
wird ein 24-French-Führungskatheter mit einem Dilatator in den linken Vorhof eingebracht. Der Dilatator und der Draht werden entfernt und ein Katheter
mit dem Mitral-Clip wird dann in das linke Atrium
vorgeführt. Dort wird zunächst der Mitral-Clip über
dem Ort der maximalen Regurgitation ausgerichtet
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und dann im geöffneten Zustand in den linken Ventrikel eingebracht. Durch Zurückziehen können die
Mitralsegel eingefangen und mit den Greifarmen des
Clips fixiert werden. Durch Schließen des Clips wird
dieser weiter fixiert und die Segel aneinander geführt
(Abbildung 2). Es kann unmittelbar nach Schließen
des Clips eine Kontrolle im TEE erfolgen, um die
Reduktion der Insuffizienz zu quantifizieren und eine potenzielle Mitralklappenstenose, die durch den
Mitral-Clip entstehen kann, auszuschließen. Bei sehr
breiten Regurgitationsflächen ist in Einzelfällen das
Setzen eines zweiten Clips notwendig. Sollte sich
beim Implantieren des Clips keine relevante Reduktion der Insuffizienz darstellen, so kann dieser wieder entfernt werden. Bei gutem Ergebnis wird der
Katheter vom Clip gelöst und der Clip verbleibt an
der Mitralklappe.
Ausblick
Die perkutanen interventionellen Behandlungen von
Mitralklappenerkrankungen sollten nach Meinung
der Autoren bei Patienten mit einer Hochrisiko-Konstellation durchgeführt werden. Das sind insbesondere Patienten mit einer Ejektionsfraktion < 30 %
beziehungsweise Patienten mit einem logistischen
EuroSCORE > 20 %.
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Die katheterbasierte, perkutane Rekonstruktion
der Mitralklappe wird in prospektiven, kontrollierten
klinischen Studien ihre Wertigkeit in ihrem Kurzund Langzeiterfolg unter Beweis stellen müssen. Bereits vorliegende Daten sprechen dafür, dass für Patienten mit deutlich eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion eine Mitral-Clip-Implantation ein
weiteres Standbein in der Therapie der Herzinsuffizienz darstellen kann. Bislang fehlen allerdings
Langzeitergebnisse zum Mitral-Clip.
Weitere Techniken zur interventionellen Therapie
der Mitralinsuffizienz sind in der klinischen Erprobung, wie die linksventrikuläre Anuloplastie
(6, e1–e5). Wichtig ist jedoch, dass diese Weiterentwicklungen in intensiver und übergreifender Zusammenarbeit zwischen den Fachbereichen der interventionellen Kardiologen und Herzchirurgen erfolgt.
Eine intensive Kooperation ist nach Meinung der
Autoren unabdingbar, um weiterhin eine optimale
Versorgung der Patienten gewährleisten zu können.
KERNAUSSAGEN
● Die Therapie der Wahl der Mitralklappeninsuffizienz
ist die chirurgische Klappenrekonstruktion. Dabei gewinnt die minimal-invasiv durchgeführte Operation
aufgrund sehr guter Ergebnisse zunehmend an Bedeutung.
● Das neuere, interventionelle Verfahren der perkutanen Implantation eines Mitral-Clips bietet die Möglichkeit, bei Hochrisikopatienten eine relevante Reduktion der Mitralklappeninsuffizienz zu erreichen.
● Die Weiterentwicklung der chirurgischen und interventionellen Therapie der Mitralklappe muss in enger
Zusammenarbeit zwischen Kardiologen und Kardiochirurgen erfolgen.
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Interessenkonflikt
Prof. Katus erhielt Gelder für eine initiiertes Forschungsvorhaben von der
Firma Abbott für die Biobank.
Dr. Pleger erhielt Erstattung von Teilnahmegebühren von der Firma Abbott
für TCT, Washington.
Prof. Mohr erhielt Drittmittel für die Durchführung von klinischen Auftragsstudien der Sapien und Partnerstudie.
Prof. Bekeredjian erhielt Honorare für die Vorbereitung von wissenschaftlichen Fortbildungsveranstaltungen von der Firma Abbott.
Dr. Seeburger und Dr. Krumsdorf erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 26. 1. 2011, revidierte Fassung angenommen: 18. 4. 2011
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Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. med. Raffi Bekeredjian
Abteilung für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie
Universitätsklinik Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 410
69120 Heidelberg
[email protected]
SUMMARY
Percutaneous and Surgical Treatments of
Mitral Valve Regurgitation
Background: Mitral valve regurgitation is the second most common
clinically relevant valvular heart disease in adults, with an incidence
of about 2% to 3% per year. Surgical mitral valve repair is the treatment of choice. Recent years have seen major advances in minimally invasive mitral valve surgery. Several new catheter-based
techniques are now being clinically evaluated, including percutaneous endovascular mitral valve repair with a mitral clip.
Method: This review is based on a selective review of the literature
and on the authors’ clinical experience.
Results: Minimally invasive and reconstructive techniques for mitral
valve surgery have come into more common use in recent years. In
Germany, more than 50% of all mitral valve defects are now treated
with a valve-preserving repair procedure. At the same time, percutaneous techniques have been developed that enable reduction of
mitral regurgitation in the cardiac catheterization laboratory, without
surgery. The implantation of a mitral clip is the sole currently approved technique of this type. In a recently published, randomized
comparative clinical trial (EVEREST II), it was found to be safer, but
less effective, than surgery.
Conclusion: Mitral valve surgery remains the treatment of choice for
severe mitral regurgitation. For patients at high risk from surgery,
and particularly those with severe heart failure, the implantation of
a mitral clip is a safe and feasible treatment option.
Zitierweise
Seeburger J, Katus HA, Pleger ST, Krumsdorf U, Mohr FW, Bekeredjian R:
Percutaneous and surgical treatments of mitral valve regurgitation. Dtsch
Arztebl Int 2011; 108(48): 816–21. DOI: 10.3238/arztebl.2011.0816
@
Mit „e“ gekennzeichnete Literatur:
www.aerzteblatt.de/lit4811
The English version of this article is available online:
www.aerzteblatt-international.de
Berichtigung
In der cme-Einheit „Impfempfehlungen für Deutschland“ in Heft 45 von Miriam Wiese-Posselt et al. sind
durch die redaktionelle Bearbeitung die Schreibweisen der Kombinationsimpfstoffe nicht korrekt wiedergegeben worden.
Ab dem Alter von 5–6 Jahren werden Impfstoffe mit reduziertem Antigengehalt für Diphtherie, Tetanus
und Pertussis verimpft und die Abkürzungen für Diphtherie und Pertussis werden dann verändert wiedergegeben: kleines „d“ statt „D“ und kleines „ap“ statt „aP“. Dies wurde in der Tabelle 2, im Kapitel „Impfempfehlungen für Erwachsene“ (Seite 775) sowie in der CME-Fragen 8 und 9 falsch wiedergegeben.
International werden die Impfstoffe mit reduziertem Antigengehalt alle mit Kleinbuchstaben gekennzeichnet, lediglich im deutschen Sprachraum wird bei diesen Impfstoffen die Schreibweise des Tetanusimpfstoffes mit einer Versalie (T) begonnen.
MWR
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