Sprechstunde: Eltern fragen – Ärzte antworten

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Sprechstunde:
Eltern fragen – Ärzte antworten
Offenes Foramen ovale
Wir bitten Sie wegen unserer Tochter Maren um
Rat. Bei ihr wurde ein persisteriendes Foramen
ovale (PFO) festgestellt. Eine kleine Öffnung in
der Vorhofscheidewand ist ihr nach der Geburt geblieben, außerdem hat ein Sehnenfaden einen atypischen Verlauf (aberrierender Sehnenfaden).
Maren ist jetzt viereinhalb Jahre alt, besucht einen
Regel-Kindergarten. Es geht ihr gut, und sie ist
körperlich voll belastbar. Beim letzten Kontrolltermin in der kinderkardiologischen Ambulanz
waren alle Befunde normal: Blutdruck, Herzleistung, Herzrhythmus, usw. Die Beurteilung war wie
folgt:
„Weiterhin lässt sich ein hämodynamisch geringer, klinisch nicht bedeutsamer Defekt auf Vorhofebene mit Links-Rechts-Shunt nachweisen. Das
persistierende Herzgeräusch würden wir im Zusammenhang mit dem aberrierenden Sehnenfaden
im linken Ventrikel interpretieren. Maren erscheint
von kinderkardiologischer Seite aus altersentsprechend belastbar. Eine medikamentöse oder andersgeartete Therapie halten wir zum momentanen
Zeitpunkt nicht für erforderlich. Eine erneute
ambulante Wiedervorstellung würden wir in rund
zwei Jahren (vor der Einschulung) in unserer
kinderkardiologischen Ambulanz vorschlagen.“
Für uns ergeben sich die folgenden Fragen:
■ Wie ist dieser Befund für einen Nichtmediziner
zu verstehen?
■ Unter welchen Voraussetzungen ist bei diesem
Befund eine Therapie erforderlich oder kann
dieser Defekt unbehandelt bleiben?
■ Wenn nicht behandelt wird, mit welchen Risiken muss man rechnen? In welchen Abständen
sollte kontrolliert werden?
■ Ab welcher Größe sollte ein PFO behandelt
werden? Wann ist es zwingend erforderlich?
■ Halten Sie bei diesem Befund eine transöso6
phageale Echokardiographie für erforderlich?
Wenn ja, welche Risiken sind zu beachten?
■ Würden Sie vor der Einschulung zu dieser
Untersuchung raten?
■ Wann sollten wir unsere Tochter über diesen
Defekt informieren? Da sie altersentsprechend
belastbar ist, haben wir bisher davon abgesehen.
Wir würden uns freuen, wenn Sie zu unseren
Fragen Stellung nehmen könnten. Wie alle besorgten Eltern fiebern wir jetzt schon Ihrer Antwort entgegen.
Familie V., Bonn
Ihre Tochter Maren ist komplett herzgesund. Die
kleine Öffnung zwischen der linken und der rechten Vorkammer muss man zu den Normalitäten des
menschlichen Herzens zählen. Man schätzt, dass
etwa ein Drittel aller Erwachsenen ein offenes
Foramen ovale (PFO) hat. Der Defekt erfordert definitiv keine Therapie. Auch halte ich Kontrolluntersuchungen nicht für erforderlich.
Ein PFO ist immer klein, im Gegensatz dazu nennt
man ein großes Loch in der Vorhofscheidewand
einen Vorhofscheidewanddefekt. Diese Defekte
müssen in der Mehrzahl behandelt werden. Ein
solcher Vorhofscheidewanddefekt liegt aber bei
Maren nicht vor. Eine transösophageale Echokardiographie ist definitiv nicht erforderlich.
Weil es sich um einen Normalbefund handelt,
der keine Auswirkungen hat, können Sie, wenn
Sie möchten, Ihrer Tochter sagen, dass die Untersuchung ihres Herzens einen Normalbefund ergeben hat.
Einen Aspekt, der Ihnen aber keine Sorge bereiten sollte, möchte ich der Vollständigkeit wegen
jedoch nicht unterschlagen: In Familien oder bei
Patienten, die eine gesteigerte Gerinnungsneigung haben, kann es im Erwachsenenalter über
das Löchlein zu einem Transport eines Blutge-
rinnsels in den Körperkreislauf und dementsprechend zu einer Embolie führen. Im Kindesalter gibt
es solche Embolien jedoch nicht. Man wird in
zehn Jahren oder mehr, bestimmt besser als heute, eine Strategie entwickelt haben, wie in solchen Fällen vorgebeugt werden kann. Jedenfalls
bin ich strikt dagegen (und mit mir alle meine
Fachkollegen), dass ein Foramen ovale mit den heute zur Verfügung stehenden Verschlusssystemen
(für Vorhofscheidewanddefekte) behandelt werden sollte.
Zusammengefasst sollten Sie den Arztbericht zur
Seite legen und frühestens wieder einmal im jungen Erwachsenenalter eine kardiologische Untersuchung vornehmen lassen, in deren Zusammenhang dann über den letztgenannten Aspekt gesprochen werden würde.
Prof. Dr. med. Hans-Heiner Kramer, Kiel
Hypoxämische Anfälle
Unser Sohn ist vor etwa sechs Wochen mit einem
angeborenen Herzfehler zur Welt gekommen. Er
leidet unter einem DORV (Double Outlet Right
Ventricle). Die beiden großen Arterien, Pulmonalarterie und Aorta, entspringen aus der rechten Herzkammer. Dabei besteht ein Kammerscheidewanddefekt, über den die linke Herzkammer das
Blut in die rechte Herzkammer entleert. Außerdem
ist seine Pulmonalklappe verengt. Eine Operation
soll innerhalb der nächsten Monate durchgeführt
werden. Besteht bis dahin die Gefahr von sogenannten hypoxämischen Anfällen, bei denen die
Kinder durch die Sauerstoffunterversorgung in
eine tiefe Blausucht bzw. Bewusstlosigkeit fallen
können? Wir haben große Angst vor diesen Anfällen, weil wir gehört haben, dass sie zu Hirnschäden oder unter Umständen zum Tod führen können.
Wenn diese Gefahr tatsächlich bei unserem Sohn
besteht, gibt es Risikofaktoren, die es zu vermeiden
gilt?
Familie K., Bremen
Ihr jetzt sechswöchiger Sohn hat einen schweren angeborenen Herzfehler (DORV und Pulmonalstenose), der letztlich in den großen Formenkreis von Patienten mit sogenannter Fallot’scher
Tetralogie einzuordnen ist. Hier gilt, dass die
Gefahr von hypoxämischen Anfällen dann besteht,
wenn die Muskulatur
unterhalb der Pulmonalklappe sehr aktiv ist
und den Bluteinstrom
in die Lungenstrombahn hochgradig einschränken kann. Man
kann die Gegebenheiten der Entwicklung
von Muskulatur unterhalb der Pulmonalklappe mit einer qualitativ
hochwertigen Echokardiographie im Säuglingsalter recht gut
untersuchen. Es gibt
hier ein ganzes Spektrum von Möglichkeiten, angefangen von einer hinsichtlich ihrer Größe
gut entwickelten Pulmonalklappe, die natürlich nicht
komplett öffnen kann (Pulmonalstenose) mit darunterliegender geringfügiger bis ausgeprägter
sogenannter Infundibulum-Muskulatur bis hin
zu einer deutlich unterentwickelten Größe der
Lungenschlagaderklappe mit darunterliegendem
schmalem, langem, konischem, engem Muskelschlauch.
Mich würde interessieren, wie hoch zurzeit die Sauerstoffsättigung Ihres Sohnes ist. Ist Ihr Sohn vom
Aussehen her ganz rosig oder hat er schon in
Ruhe eine bläuliche Hautverfärbung (Lippen,
Zunge, Nägel)? Allerdings muss man sagen, dass
ein hypoxämischer Anfall durchaus auch bei Patienten auftreten kann, die in Ruhe rosig sind. Richtige Risikofaktoren, denen man aus dem Weg
gehen könnte, gibt es nicht. Typisch ist allerdings,
dass gerade in den Morgenstunden aus nicht ganz
klaren Gründen eine größere Häufigkeit hypoxämischer Anfälle zu verzeichnen ist.
Achten Sie speziell darauf, ob zu diesen Zeitpunkten eine stärkere Unruhe des Kindes zu
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beobachten ist und es in der Atmung beschleunigt oder sogar kurzatmig wird. Die Unruhephasen sind ein deutliches Anzeichen dafür, dass
etwas im Raume schwebt.
Grundsätzlich kann man hypoxämischen Anfällen auch medikamentös mit sogenannten Betablockern vorbeugen, dies ist jedoch eine Notlösung, denn in erfahrenen Herzzentren, in denen
täglich von speziellen Herzchirurgen Eingriffe
durchgeführt werden, ist es heute Standard, die
Kinder so früh wie möglich zu operieren (Korrekturoperation).
Aufgrund dieser Praxis habe ich persönlich in
den letzten Jahren viel, viel seltener als früher
die Problematik des hypoxämischen Anfalls klinisch erleben müssen. Ich kann nur dringend zu
einem frühen Zeitpunkt der Korrekturoperation
raten. Ich hoffe, Ihnen mit diesen Angaben geholfen zu haben und wünsche Ihrem Sohn und Ihrer
Familie alles Gute.
Prof. Dr. med. Hans-Heiner Kramer, Kiel
Probleme einer Schwangerschaft
Wir, mein Mann und ich, sind seit Mai letzten
Jahres verheiratet. Bei uns beiden besteht der
Wunsch nach einem Kind. Ich habe seit Geburt einen
Herzfehler. Dieser wurde in meinem 14. Lebensjahr durch das Einsetzen einer künstlichen Aortenklappe behoben. Damit verbunden ist die Einnahme von Marcumar.
Was ist vor, beziehungsweise bei einer Schwangerschaft zu beachten? Können bei dem Kind eventuell Gesundheitsschäden auftreten? Gibt es Erfahrungen von Herzklappenpatientinnen, die das
Medikament Marcumar einnehmen und ein Kind
bekommen haben? Wir würden uns sehr freuen,
wenn Sie unsere Fragen beantworten könnten.
Familie S., Ansbach
Was ist vor beziehungsweise bei einer Schwangerschaft zu beachten?
Bei Frauen mit einem angeborenen Herzfehler
sollte vor Planung einer Schwangerschaft eine
ausführliche kardiologische Untersuchung durchgeführt werden, um das Risiko einer Schwangerschaft sowohl für die Mutter, als auch für das
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Kind genau anhand der individuell erhobenen
Befunde festzulegen sowie eine entsprechende
Beratung zu ermöglichen. Dabei sind viele Faktoren zu berücksichtigen, die in die Risikobeurteilung und die entsprechenden Empfehlungen
eingehen wie die Art des
Herzfehlers der Mutter,
die zur Zeit vorliegende
Herzmuskelfunktion, die
Beschwerden, die Leistungsfähigkeit in nichtschwangerem Zustand,
die medikamentöse Therapie und eventuelle
Begleiterkrankungen. Sie
haben eine künstliche
Aortenklappe, die Ihnen
im 14. Lebensjahr eingesetzt wurde. Leider
gaben Sie nicht an, welche Herzerkrankung
zugrunde lag. Man darf allerdings davon ausgehen, dass es sich wahrscheinlich um eine hochgradige Aortenklappenstenose oder Aortenklappeninsuffizienz gehandelt hat. Trifft ersteres zu,
kann man auch davon ausgehen, dass Ihre Herzmuskelfunktion jetzt normal ist. Dies sollte jedoch
durch ein Echokardiogramm bestätigt werden,
und der Gradient über der Aortenklappe bestimmt
werden. Es ist auch wichtig zu wissen, wie groß
die Aortenklappe ist, die Sie damals erhalten
haben, denn dies ist wichtig für die Beurteilung,
ob Sie eine Schwangerschaft gut oder weniger
gut tolerieren können. Dazu ist die Durchführung
eines Belastungs-EKGs erforderlich, um Ihre jetzige Leistungsfähigkeit zu überprüfen.
Können bei dem Kind Gesundheitsschäden auftreten?
Neben dem Risiko, eventuell ebenfalls einen
Herzfehler zu haben, können auch andere Störungen bei dem Kind auftreten. Das hängt unter
anderem von der Art des Herzfehlers bei der Mutter und von den während der Schwangerschaft eingenommenen Medikamenten ab.
Auch in dieser Hinsicht ist es wichtig zu wissen,
weshalb Sie den Aortenklappenersatz erhalten
haben. Falls Sie wie oben angenommen eine
angeborene schwere Aortenklappenstenose gehabt
haben und bei Ihrem Mann kein Herzklappenfehler vorliegt, können Sie davon ausgehen, dass
das Risiko Ihres Kindes, ebenfalls einen Herzfehler zu entwickeln, bei etwa 5% liegt.
Gerinnungshemmung (Marcumar) während der
Schwangerschaft
Bei Patientinnen, die mit Gerinnungshemmern
behandelt werden, besteht ein etwa 5 – 10 %iges
Risiko für eine sogenannte Embryopathie, das
heißt eine Schädigung des Kindes im Mutterleib.
Marcumar passiert die Plazenta (Mutterkuchen)
und führt ebenfalls zu einer Gerinnungshemmung
bei dem Kind, die etwas stärker ausgeprägt ist
als bei der Mutter.
In der Vergangenheit wurde deshalb empfohlen,
die mögliche Schädigung des Kindes durch Marcumar dadurch zu umgehen, dass das Marcumar
durch Heparin ersetzt wird. Dies hat sich jedoch
als sehr risikoreich für die Mutter erwiesen. Es
kann zu Klappenthrombosen und Thromboembolien kommen.
Heparin führt zwar nicht zu einer Embryopathie,
es verbessert jedoch insgesamt das Ergebnis der
Schwangerschaft aus der Sicht des Kindes nicht.
Aus diesem Grund wird empfohlen, die Entscheidung von der Marcumar-Dosis, die die Mutter
benötigt, abhängig zu machen. Braucht die Mutter täglich eine Tablette Marcumar oder weniger,
sollte das Marcumar auch während der ersten
drei Monate fortgeführt werden, da es damit nicht
zu einer Embryopathie kommt. Benötigt die Mutter hingegen deutlich höhere Dosen von Marcumar, liegt das Embryopathierisiko bei etwa 8%. Dann
gilt es, die Sicherheit der Mutter gegen dieses
Risiko abzuwägen. Entscheidet sich die Mutter
unter Kenntnis der Risiken für eine Umstellung auf
Heparin, so muss diese Umstellung unter sehr
sorgfältiger, engmaschiger Kontrolle durch Arzt
und Labor erfolgen. Das Heparin muss gespritzt
und ein sehr strikter therapeutischer Bereich eingehalten werden. Bei Hochrisikopatientinnen,
z.B. Frauen mit künstlichen Mitralklappen, sollte
das Heparin in die Vene verabreicht werden.
Wenn es unter die Bauchhaut gespritzt wird, muss
es unbedingt 3 x täglich verabfolgt werden. Es
wurde von einigen Ärzten vorgeschlagen, nie-
dermolekulare Heparine stattdessen zu verwenden. Diese sind bisher jedoch noch nicht für die
Verwendung bei Trägerinnen künstlicher Herzklappen während der Schwangerschaft zugelassen.
Nach den ersten drei Monaten nimmt das Risiko
für eine Schädigung durch Marcumar deutlich ab
und deshalb empfehlen die meisten Experten,
die Behandlung auch aus Gründen der Sicherheit für die Mutter mit Marcumar fortzusetzen.
Hierbei ist eine strikte Kontrolle von allergrößter
Bedeutung. Abweichungen von dem therapeutischen Bereich mit höheren INR-Werten sollten
unbedingt vermieden werden. Um die Gerinnungshemmung optimal zu kontrollieren, ist es für
die Patientin vorteilhaft, diese Bestimmungen
selbst durchzuführen. Im Rahmen von Schulungskursen können Patienten erlernen, mit einem
Gerinnungsmonitor (CoaguChek) den INR-Wert selbst
zu bestimmen.
Die Marcumar-Behandlung kann dann bis zur 36.
Woche fortgeführt werden. Zu diesem Zeitpunkt
sollte die Therapie bis zur Entbindung erneut auf
Heparin umgesetzt werden.
Welches Schema in Ihrem speziellen Fall zu verfolgen ist, sollte anhand einer sorgfältigen kardiologischen Untersuchung mit Ihnen und Ihrem
Mann besprochen werden.
Gibt es Erfahrungen von Herzklappenpatientinnen, die das Marcumar einnehmen und ein Kind
bekommen haben?
Ja, es gibt Erfahrungen darüber. Bei einer Reihe
von jungen Patientinnen, bei denen der INR-Wert
von 2,5 nicht überschritten wurde, verlief die
Schwangerschaft unkompliziert, und sie brachten gesunde Kinder zur Welt. Dies darf jedoch
nicht verallgemeinert werden. Eine wichtige Voraussetzung für eine Schwangerschaft bei einer
Patientin mit einem angeborenen Herzfehler unter
Marcumar-Therapie ist eine ausführliche kardiologische Befunderhebung vor Planung einer
Schwangerschaft sowie eine gute Zusammenarbeit
zwischen betreuendem Kardiologen, Gynäkologen, Hausarzt, Patientin sowie ihrem Lebenspartner.
Dr. med. Christa Gohlke-Bärwolf,
Bad Krozingen
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