1 Asteraceae – Korbblütler (Asterales) © Dr. VEIT M. DÖRKEN, Universität Konstanz, FB Biologie 1 Systematik und Verbreitung Die Asteraceae aus der Ordnung der Asterales (Magnoliopsida, Dikotyledoneae) gehören mit rund 1.600 Gattungen und 24.000 Arten neben den Poaceae (Süßgräsern) und den Orchidaceae (Orchideengewächsen) zu den größten Familien im Pflanzenreich. Ehemals wurden die Asteraceae in zwei Unterfamilien, die Asteroideae (ohne Milchsaft) und die Cichorioideae (mit Milchsaft), unterschieden. Aufgrund neuerer molekularphylogenetischer Daten werden die Asteraceae in 12 Unterfamilien unterteilt: 1. Barnadesioideae, 2. Mutisioideae, 3. Stifftioideae, 4. Wunderlichioideae, 5. Gochnatioideae, 6. Hecastocleidoideae, 7. Carduoideae, 8. Pertyioideae, 9. Gymnarrhenoideae, 10. Cichorioideae, 11. Corymbioideae und 12. Asteroideae. In M-Europa sind lediglich Arten aus den Unterfamilien Asteroideae, Cichorioideae und Carduoideae heimisch. Asteraceae sind kosmopolitisch verbreitet. Nur in den tropischen Regenwäldern kommen vergleichsweise wenige Arten vor. Abb. 1: Verbreitungskarte (vgl. HEYWOOD, 1982); 2 Morphologie 2.1 Habitus Asteraceae sind extrem vielgestaltig. Es handelt sich einerseits um annuelle oder ausdauernde Kräuter oder aber auch um immergrüne Halbsträucher und Sträucher. Einige Arten wachsen baumförmig. Nur wenige Arten sind Epiphyten oder 2 Wasserpflanzen. Bei den krautigen Arten handelt es sich nicht selten um Arten mit einem kräftigen Rhizom (z.B. Helianthus tuberosus) oder einer ausgeprägten Pfahlwurzel (z.B. Taraxacum officinale). 2.2 Blatt Die Blattstellung der Asteraceae ist überwiegend wechselständig. Bei nur wenigen Arten stehen sie gegen- oder quirlständig. Nebenblätter fehlen bei allen Arten. Der Blattgrund ist bei vielen Arten jedoch stark verbreitert oder geöhrt. Beim Großteil der Arten ist das Blatt ungeteilt (z.B. Helianthus annuus). Zusammengesetzte Blätter sind die Ausnahme und nur bei wenigen Arten zu finden. Die Blätter sind bei einigen Arten von Milchsaftröhren (z.B. Lactuca) oder von Harzkanälen durchzogen (z.B. Senecio haworthii). 2.3 Blüte Die Einzelblüten stehen in wenig- bis vielblütigen Köpfchen, die von einer sterilen Hochblatthülle, dem Involucrum, umgeben sind. Bei nur wenigen Arten fehlt diese sterile Hülle. Abb. 2: Blütendiagramm Asteraceae; Kelchblätter sich mit zunehmender Samenreife in einen fedrigen Pappus auflösend; Antheren postgenital über Epidermiszellen zu einer Staubblattröhre verwachsen; Abb. 3: Centaurea jacea, Pseudanthium nur aus Röhrenblüten aufgebaut; Randblüten vergrößert; Blütenstand von zahlreichen Hüllblättern (Involucrum) umgeben; ; ; Die Blütenstandsachse kann abgeflacht (z.B. Aster), stark gewölbt (z.B. Echinacea) bis kugelförmig (z.B. Echinops) sein. Im Blütenstand stehen die Einzelblüten in der Achsel kleiner rudimentärer Tragblätter, den sog. Spreuschuppen, die jedoch bei zahlreichen Arten fast vollständig reduziert sind. Innerhalb der Asteraceae gibt es zwei verschiedene Blütentypen: 1. die Röhrenblüten, in denen die Kronblätter 3 röhrenartig miteinander verwachsen sind; 2. Zungenblüten, die der Verstärkung des Schauapparates dienen. Bei den Cichorioideae treten nur Zungenblüten auf. Bei zahlreichen Arten kommen beide Blütentypen gemeinsam in einem Blütenstand vor. Dann stehen die sterilen Zungenblüten meist in der Peripherie und die fertilen Röhrenblüten im Zentrum des Blütenstandes (z.B. Bellis perennis). In diesem Fall spricht man von einem Pseudanthium, bei dem die Blume aus vielen Einzelblüten besteht, jedoch den Eindruck einer Einzelblüte entstehen lässt. Abb. 4: Bellis perennis, Pseudanthium = Blume besteht aus vielen Einzelblüten; Abb. 5: Leontopodium alpinum, Blütenstand aus zahlreichen Köpfchen aufgebaut; ; Abb. 6 & 7: Mycelis muralis, Blütenstand einer 5-zähligen Blüte ähnelnd; Die Einzelblüten der Asteraceae bauen sich aus 4 jeweils 5-zähligen Wirteln auf. Die 5 freien Kelchblätter lösen sich mit zunehmender Samenreife in einen fedrigen Pappus auf, der bei zahlreichen Arten der späteren Windausbreitung der Früchte dient. Die 5 Kronblätter sind bei den meisten Arten verwachsen. Dabei kann die Krone je nach Art mehr oder weniger radiärsymmetrisch oder in unterschiedlicher Weise stark zygomorph ausgebildet sein. Auf der Innenseite der Kronblattröhre inserieren die 5 Staubgefäße. Die Antheren (Pollensäcke) sind postgenital über 4 Epidermiszellen zu einer festen Staubblattröhre verwachsen. Bei den sehr nahe verwandten Campanulaceae (Glockenblumengewächse) wird zwar auch eine Staubblattröhre ausgebildet, jedoch sind in dieser Gruppe die Pollensäcke nicht miteinander verwachsen, sondern nur zusammengepresst. Bei den Asteraceae wird der Pollen beim Aufblühen nach innen in die Staubblattröhre abgegeben und dort von den sog. Fegehaaren des Griffels, der durch die Staubblattröhre hindurch wächst, aufgenommen und aus der Blüte “hinaus gefegt“. Der Pollen wird durch das Ausfegen sekundär in den Fegehaaren des Griffels präsentiert. Man bezeichnet dieses als sekundäre Pollenpräsentation. Erst nachdem der eigene Pollen aus der Blüte hinaus getragen wurde, reifen die rezeptiven Strukturen der Narbe heran. Das unterständige Gynoeceum baut sich aus 2 Karpellen auf. Beide Karpelle bilden nur eine Karpellhöhle aus, in der jeweils nur ein einziger Same gebildet wird. Abb. 8: Cichorium intybus, Pseudanthium nur aus Zungenblüten aufgebaut; Abb. 9: Centaurea jacea, Pseudanthium nur aus Röhrenblüten aufgebaut; 2.4 Frucht Die Frucht ist eine unterständige Nuss, die als Achaene bezeichnet wird. Abb. 10 & 11: Taraxacum officinale, unterständige Nussfrüchte (Achaenen) mit lang gestieltem “Pappus“; 5 Abb. 12: Xanthium albinum, der ganze Blütenstand Abb. 13: Calendula officinalis, Achaenen schiedlicher Größe und Form (Heterokarpie); wird als eine Einheit (Klettfrucht) ausgebreitet; unter- 3 Inhaltsstoffe Die Asteraceae speichern in den unterirdischen Pflanzenteilen anstelle von Stärke das Polysaccharid Inulin. Inulin ist bei Diabetes ein geeigneter Zuckerersatz. In den Samen werden hohe Anteile an fetten Ölen eingelagert. 4 Nutz- und Zierpflanzen Zu den Asteraceae gehören neben einigen Gemüsepflanzen wie Lactuca sativa (Kopfsalat), Cynara scolymus (Artischocke), Helianthus tuberosus (als Kartoffelersatz) auch wichtige Öl liefernde Pflanzen wie z.B. Helianthus annuus (Sonnenblume). Arten wie Calendula officinalis (Ringelblume), Arnica montana (Arnika), Matricaria recutita (Echte Kamille) und Echinacea purpurea (Roter Sonnenhut) werden arzneilich genutzt. Die Asteraceae beinhalten auch zahlreiche Zierpflanzen wie z.B. Leontopodium alpinum (Alpen-Edelweiß), Dahlia spec. (Dahlie), Tagetes spec. (Studentenblume) oder Gaillardia aristata (Kokardenblume). Abb. 14: Lactuca sativa var. capitata (Gemüsepflanze); Abb. 15: Cynara scolymus (Gemüsepflanze); 6 Abb. 16: Helianthus annuus (Ölpflanze); Abb. 17: Carthamus tinctorius (Färberpflanze); Abb. 18: Echinacea purpurea (Arzneipflanze); Abb. 19: Calendula officinalis (Arzneipflanze); Abb. 20: Stevia rebaudiana (zum Süßen); Abb. 21: Helianthus tuberosus (Kartoffelersatz); 5 Weiterführende Literatur DÜLL, R. & KUTZELNIGG, H. (2011): Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands und angrenzender Länder. 7. Auflage. – Quelle & Meyer, Wiebelsheim. HEYWOOD, V. H. (1982): Blütenpflanzen der Welt. – Birkhäuser Verlag, Basel. LEINS, P. & ERBAR, C. (2010): Flower and Fruit; Morphology, Ontongeny, Phylogeny; Function and Ecology. – Schweizerbart Science Publishers, Stuttgart. 7 LIEBEREI, R. & REISSDORF, C. (2007): Nutzpflanzenkunde. 7. Auflage. – Thieme, Stuttgart. MABBERLEY, D.J. (2008): MABBERLEY´s plant book, 3rd ed. – Cambridge University Press, Cambridge. STEVENS, P. F. (2001): Angiosperm Phylogeny Website. Version 12, July 2012. http://www.mobot.org/mobot/research/apweb/ STÜTZEL, TH. (2015): Botanische Bestimmungsübungen. 3. Auflage. – Ulmer, Stuttgart. WEBERLING, F. (1981): Morphologie der Blüten und der Blütenstände. – Ulmer, Stuttgart.