Fit For Work? - Rheuma Job Coach

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Fit For Work?
Der Einfluss von muskuloskeletalen Erkrankungen
auf den Österreichischen Arbeitsmarkt
Robin McGee
Stephen Bevan
Tatiana Quadrello
Weibliche / männliche Schreibweise
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde in der Regel die männliche Schreibweise verwendet.
Wir weisen aber an dieser Stelle ausdrücklich darauf hin, dass sowohl Frauen als auch Männer gleichermaßen gemeint
sind, wenn auch schriftlich nur die männliche Form verwendet wurde.
Inhaltsverzeichnis
1. Zusammenfassung
5
2. Einleitung
2.1 Warum ist die Gesundheit der Arbeitskräfte ein wichtiges Thema?
2.2 Erkrankungen des Bewegungsapparates: der europäische Kontext
2.3 Ziele der Studie
2.4 Anmerkung zur Definition
2.5 Aufbau dieses Berichtes
10
10
14
15
17
18
3. Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
3.1 Ein undeutliches Bild
3.2 Der Einfluss von Erkrankungen des Bewegungs­apparates auf die Arbeitsfähigkeit
3.3 Der Einfluss des Arbeitsplatzes auf Erkrankungen des Bewegungsapparates
3.4 Der Einfluss muskuloskeletaler Erkrankungen auf Wirtschaft und Gesellschaft
3.5 Zusammenfassung
19
19
23
31
35
45
4. Interventionen
4.1 Gründe für die Frühinter­vention
4.2 Das Sozial­versicherungs­programm für arbeitsunfähige Menschen
4.3 Krankheitsspezifische Interventionen
4.4 Das bio­psychosoziale Modell und die Erwerb­stätigkeit
4.5 Die Rolle des Arbeitgebers
4.6 Zusammenfassung
47
48
52
55
59
61
67
5. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
5.1 Empfehlungen für Arbeitgeber
5.2 Empfehlungen für Arbeitnehmer
5.3 Empfehlungen für Hausärzte
5.4 Empfehlungen für Arbeitsmediziner
5.5 Empfehlungen an den Staat
68
69
70
71
72
72
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
3
Auflistung der Abbildungen, Kästchen und Tabellen
Abbildung 2.1
Krankheitsbedingten Abwesenheit vom Arbeitsplatz, 1965 bis 2004
13
Abbildung 3.1
Bevölkerungszahlen in Österreich, 2004 bis 2030
21
Abbildung 3.2
Prozentsatz von Krankenständen durch Erkrankungen des Bewegungsapparates
22
Abbildung 3.3
Bevölkerung mit Schmerzen im Bewegungsapparat
25
Abbildung 3.4
Wechselbeziehung der Krankheitsaktivität 29
Tabelle 3.1
Zusammenfassung intrinsischer Risikofaktoren für unspezifische Erkrankungen
32
Abbildung 3.5
Durch rheumatoide Arthritis verursachte direkte Kosten 38
Tabelle 3.2
Direkte Kosten im Zusammenhang mit Erkrankungen des Bewegungsapparates
39
Tabelle 3.3
Kosten und Ausgaben für das Fehlen am Arbeitsplatz
41
Tabelle 3.5.
Variablen zur Schätzung der Kosten durch RA in Österreich
44
Abbildung 4.1
Das österreichische Sozialversicherungssystem
54
Abbildung 4.2
Das ICF-Model und seine Anwendung auf Arbeitsunfähigkeit bei RA
60
Kästchen 1
Grundlagen für die Behandlung unspezifischer Erkrankungen des Bewegungsapparates
4
64
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
1. Zusammenfassung
Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern haben sich das Wirtschaftswachstum in Österreich sowie die Angestelltenzahlen historisch betrachtet positiv entwickelt. Die globale Wirtschaftskrise hat jedoch zu einer Verlangsamung des Wachstums und damit zum Ansteigen der
Arbeitslosigkeit geführt. Wie auch in anderen europäischen Ländern werden Erwerbstätige in
Österreich zunehmend älter. Damit steigt auch die Notwendigkeit, qualifizierte Arbeitnehmer
gesund zu halten, damit diese weiterhin ihren Aufgaben nachkommen können. Um die Lücke
zwischen den Bedürfnissen der Arbeitgeber und den Fähigkeiten der Arbeitnehmer zu schließen, werden immer mehr Stimmen laut, die eine Erhöhung des Anteils an älteren Arbeitnehmern
fordern. Österreich gehört nämlich zu den Ländern mit dem niedrigsten Anteil an älteren Arbeitnehmern. Neue Intitativen zielen darauf ab, diese Rate zu verbessern. Vor dem Hintergrund, dass
vor allem auch ältere Menschen weiter arbeitsfähig bleiben müssen und einen Beitrag leisten
können, ist es wichtig, sich über die Gesundheit dieser Arbeitsgruppe Gedanken zu machen.
Es ist hinreichend belegt, dass Arbeitslosigkeit und Arbeitsplatzverlust negative Folgen für die
Gesundheit haben können. Ebenso können die Beibehaltung des Arbeitsplatzes bzw. die Wiedereingliederung in das Arbeitsleben einen positiven Einfluss auf das physische und psychische
Wohlbefinden haben und die Menschen vor Armut bewaren. Muskuloskeletale Erkrankungen sind
die mit Abstand häufigste Ursache für berufsbedingte Krankheiten in Österreich.
Das
„Fit for Work?“Projekt
Dieses Projekt ist Teil eines breiter angelegten Programms, das sich mit arbeitsrelevanten
Aspekten in 24 europäischen und nicht-europäischen Länder beschäftigt. Bei dem Projekt wurde
der Einfluss von Erkrankungen des Bewegungsapparates auf das Arbeitsleben tausender österreichischer Arbeitnehmer, die richtige Behandlung und Pflege, Erfahrungen am Arbeitsplatz, die
Auswirkungen der Erkrankung auf Familienangehörige und Kollegen sowie der dabei entstehende
menschliche und finanzielle Aufwand im Detail untersucht. Im Einzelnen haben wir Rückenschmerzen und berufsbedingte Erkrankungen der oberen Extremitäten – zwei Krankheitsgruppen, die meistens durch unspezifische und kurze Schübe von Schmerzen und Arbeitsunfähigkeit
gekennzeichnet sind – sowie rheumatoide Arthritis (RA) und Spondylarthropathie (SpA) – das
sind spezifische Erkrankungen mit einem häufig progressiven Verlauf und zunehmender Erwerbsunfähigkeit – untersucht. Wir haben neueste akademische sowie aus der praktischen Forschung
gewonnene Daten zum Thema Erkrankungen des Bewegungsapparates im Zusammenhang
mit Arbeitsfähigkeit gesichtet und Interviews mit anerkannten Österreichischen Fachleuten auf
diesem Gebiet geführt.
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
5
Zusammenfassung
Der Einfluss
von
Erkrankungen
des Bewegungsapparates auf
Erkrankungen des Bewegungsapparates haben einen maßgeblichen Einfluss auf die Erwerbsfähigkeit der Menschen: nicht nur auf individueller, sondern auch auf gemeinschaftlicher Ebene.
Diese Erkrankungen beeinflussen die Leistungsfähigkeit und aktive Teilnahme tausender österreichischer Arbeitnehmer. Die erhobenen Daten zeigen, dass:
•
mehr als 7.7 Millionen Arbeitstage durch Erkrankungen des Bewegungsapparates verloren
gingen. Damit ist diese die größte aller Krankheitsgruppen (Lang, 2006).
österreichische
40 Prozent der verlorenen gegangenen Arbeitszeit waren auf Erkrankungen des Bewe-
Arbeitskräfte
gungsapparates zurückzuführen (Leoni, Biffl, und Guger, 2008). Erkrankungen des
Bewegungsapparates wurden auch häufig als Ursache für Berufsunfähigkeitspensionen
und vorzeitige Pensionierungen angeführt.
•
Rückenprobleme werden in Österreich häufig als ernsthafte berufsbedingte Krankheit
beschrieben (Statistik Österreich, 2009a). Etwa 24 Prozent (European Working Conditions
Survey (EWCS), 2005) der österreichischen Erwerbstätigen klagen jährlich über arbeitsbedingte Rückenschmerzen. Bei der großen Mehrheit der Patienten wird keine spezifische
Diagnose angegeben.
•
Über 20 Prozent der österreichischen Arbeitnehmer haben Muskelschmerzen im Nackenund Schulterbereich sowie Erkrankungen der oberen Extremitäten (EWCS, 2005).
Berufsbedingte Erkrankungen der oberen Extremitäten können Sehnen, Muskeln,
Gelenke, Blutgefäße und/oder Nerven betreffen. Zu den Symptomen gehören Schmerzen,
Unwohlsein, Taubheit und Krippeln im betroffenen Körperbereich.
•
55.000 Menschen in Österreich leiden an RA (Lundkvist, Kastäng und Kobelt, 2008).
Die durch RA verursachten Gesamtkosten liegen bei knapp unter 16.000 Euro pro Patient
pro Jahr (Lundkvist et al., 2008).
•
Ankylosierende Spondylitis (AS) ist eine progressive chronische rheumatische Erkrankung,
die in erster Linie die Wirbelsäule betrifft, jedoch auch andere Gelenke, Sehnen und
Bänder befallen kann. Schätzungen zufolge leiden 8.300 bis 16.000 Menschen in Österreich an AS. Es handelt sich um eine Erkrankung, die am häufigsten bei Männern im Alter
von etwa 20 Jahren diagnostiziert wird. Im schlimmsten Fall kann die Erkrankung das
Arbeitsleben des Betroffenen schwer einschränken.
Die Auswirkungen der durch diese und andere Erkrankungen des Bewegungsapparates entstehenden Erwerbsunfähigkeit und Schmerzen können verschiedene Aspekte der Arbeitsleistung
des Betroffenen beeinflussen. Dazu gehören:
6
•
Ausdauer;
•
Kognitive Fähigkeiten und Konzentration;
•
Vernunft/Stimmung;
•
Beweglichkeit;
•
Gelenkigkeit.
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Zusammenfassung
Es zeigt sich immer mehr, dass Menschen mit Erkrankungen des Bewegungsapparates für Depression oder Angstzustände im Zusammenhang mit ihren Erkrankungen viel anfälliger sind. Dies
kann die Schwere der Erkrankung, die fortgesetzte Erwerbsfähigkeit des Betroffenen, die Dauer
der Abwesenheit vom Arbeitsplatz und den Verlauf der Rehabilitation beeinflussen. Untersuchungen haben gezeigt, dass ein großer Anteil der Hausärzte, Arbeitgeber und auch Menschen mit
Erkrankungen des Bewegungsapparates den Einfluss von Stress auf die Schwere der körperlichen
Leistungsfähigkeit nicht vollständig begreifen. Das biopsychosoziale Gesundheitsmodell betont
das Zusammenspiel zwischen biologischen (z.B. Krankheit, Anstrengung, Gelenkschädigung),
psychologischen (z.B. Stimmung, Angstzustände) und gesellschaftlichen Aspekten
(z.B. Arbeitsansprüche, Unterstützung durch Familienangehörige) und stellt somit ein sinnvolles
Werkzeug zur Einschätzung der Ursachen einiger Erkrankungen des Bewegungsapparates, der
Behandlungsplanung und Wiedereingliederung in das Arbeitsleben dar. Das Modell wird jedoch nicht
in dem Maße akzeptiert wie dies der Fall sein sollte, denn vielen Hausärztenn und Arbeitgebern fällt
es schwer, einen Blick hinter die Kulissen der unmittelbaren körperlichen Symptome zu werfen.
Die Arbeit kann sowohl Ursache als auch Heilung sein. Physische Arbeitsbedingungen können zu
Beschwerden im Bewegungsapparat führen oder vorhandene Symptome verstärken; der Einfluss
oder die Wirkung auf den einzelnen Menschen (Abwesenheit und Arbeitsunfähigkeit) hängen
jedoch stark von psychosozialen Faktoren ab. Es gibt Hinweise dafür, dass die fortgesetzte
Erwerbstätigkeit die Progression verschiedener Erkrankungen anhalten bzw. den Erholungsprozess nach Erkrankungen des Bewegungsapparates unterstützen kann. Viele Hausärzte und
Arbeitgeber gehen jedoch möglicherweise von der fehlerhaften Annahme aus, dass Arbeitnehmer mit Erkrankungen des Bewegungsapparats vollständig gesund sein müssen, bevor sie auch
nur ansatzweise in das Arbeitsleben zurückkehren können.
Ein Blick in die Zukunft zeigt das Bild einer alternden Arbeiterschaft, eine Zunahme der Adipositas und eine Abnahme von Bewegung, körperlicher Betätigung und der Gesamtfitness in der
breiteren Bevölkerung. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden die Häufigkeit und Auswirkungen
von Erkrankungen des Bewegungsapparates eher zunehmen und sich auch verschlechtern.
Wir gehen davon aus, dass dieser Trend die Qualität des Arbeitslebens vieler österreichischer
Arbeitnehmer betrifft, und dass damit die Leistungsfähigkeit der österreichischen Arbeitskräfte zu
einem Zeitpunkt, zu welchem sie eigentlich in Bestform sein sollte, negativ beeinträchtigt sein wird.
Auch wenn sich die wirtschaftlichen Bedingungen mit der globalen Krise verschlechtert haben,
darf sich Arbeitsplatzverlust nicht ausgerechnet in der schwächsten Gruppe der Arbeiterschaft
konzentrieren, also bei Menschen mit Behinderungen oder anderen langfristigen Gesundheitsproblemen. Gerade für diese Mitarbeiter ist es wichtig, den Arbeitsplatz und die Arbeitsfähigkeit
zu erhalten. Wenn sie nämlich erst einmal aus ihrem Beruf ausgestiegen sind, sind die Chancen,
wieder eine erfüllende Aufgabe zu finden, leider äußerst gering.
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
7
Zusammenfassung
Was kann
Die Zielvorstellung sollte die sein, dass das Arbeitsleben von und die Konditionen für Menschen
man tun?
mit Erkrankungen des Bewegungsapparates zu verbessern. Darüber hinaus sollten diejenigen,
die den Wunsch haben, weiter zu arbeiten, auch die Unterstützung erhalten, die ihnen dies
ermöglicht. Dafür gibt es fünf wichtige Aspekte, auf die Mediziner, Arbeitgeber, Arbeitnehmer und
der Staat ihre Aufmerksamkeit richten sollten:
•
Die Behandlung muss früh eingeleitet werden. Es ist hinreichend belegt, dass sich
eine lange Abwesenheit vom Arbeitsplatz nachteilig auf Patienten mit Erkrankungen des
Bewegungsapparates auswirkt - je länger dieser von der Arbeit fernbleibt, desto schwieriger wird die Rückkehr in das Arbeitsleben. Früh eingeleitete Maßnahmen, vorzugsweise in
Zusammenarbeit mit dem Hausarzt, dem Betriebsarzt (wenn vorhanden), dem Patienten
und dem Arbeitgeber, können Menschen mit Erkrankungen des Bewegungsapparates
helfen, ihre Arbeitsplätze beizubehalten und den Ausgleich zwischen Ruhe-Bedarf und dem
Wunsch nach Arbeit zu finden. Bei manchen Patienten lassen sich die Schwere, der Einfluss
oder die Progression der Erkrankung durch die zeitgerechte Einleitung von Physiotherapie
oder medikamentöser Therapie reduzieren. Eine verzögerte Diagnose oder Behandlung
kann den Erholungsprozess, die Beibehaltung des Arbeitsplatzes und die Rehabilitation
wesentlich erschweren. Der wirtschaftliche Aufschwung wird sicher kommen, und dann sollte sicher gestellt sein, dass ein Mangel an begabten, motivierten und gesunden Arbeitskräften diesen Aufschwung nicht bremst. Eine rechtzeitige Therapieintervention kann möglicherweise die Rate der krankheitsbedingten Frühpensionierungen und Fehlzeiten reduzieren.
•
Das Augenmerk auf Fähigkeit und nicht auf Unfähigkeit richten. Arbeitgeber und
Arbeitnehmer können Erkrankungen des Bewegungsapparates als „Katastrophe“ darstellen, indem sie ihre Auswirkungen viel ernster oder unüberwindbarer einschätzen, als dies
tatsächlich der Fall ist. Die meisten betroffenen Arbeitnehmer können beruflich nach wie
vor einen großartigen Beitrag leisten, sofern ihnen dies erlaubt wird. Sie müssen keineswegs vollständig fit sein, um zur Arbeit zurückzukehren. Mit einer etwas unkonventionelleren Sichtweise könnten betroffene Arbeitnehmer sinnvolle Aufgaben bekommen, die
sie bei der Wiedererlangung ihrer vollen Leistungsfähigkeit unterstützen. Beispielsweise
könnten Hausärzte gebeten werden, den Arbeitnehmern eine „Arbeitsfähigkeitsbescheinigung“ anstelle einer „Krankheitsbestätigung“ auszustellen. Eine solche Bescheinigung
würde mehr darüber aussagen, welche Art von Arbeit der Betroffene an seinem Arbeitsplatz verrichten darf. Dieser Ansatz wurde gegenwärtig in England eingeführt und könnte
auch Österreich als Modell dienen.
•
In einer einfallsreichen Planung des Aufgabenbereiches liegt der Schlüssel zur
Rehabilitation. Führungskräfte können die Arbeitsorganisation anders gestalten (dazu
gehören u.a. auch verbesserte ergonomische Bedingungen oder Arbeitszeitenregelungen),
um das Voranschreiten der Krankheit zu verhindern. Solche Maßnahmen können
8
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Zusammenfassung
Menschen mit Erkrankungen des Bewegungsapparates helfen, ihren Arbeitsplatz beizubehalten oder zu ihrem Arbeitsplatz zurückzukehren. Dabei müssen Arbeitsqualität aufrechterhalten, übermäßig belastende Ansprüche verhindert und praktische ergonomische
Grundlagen berücksichtigt werden.
•
Den Blick jenseits der physischen Symptome richten. Mediziner sollten sich bei der
Diagnose und Behandlung der Patienten der Grenzen des biomedizinischen Modells
bewusst sein und auch das biopsychosozialen Modells in ihre Überlegungen einbeziehen.
Noch wichtiger ist es, dass Kliniker ihr Wissen über die Rolle des Arbeitsplatzes bei der
Beibehaltung eines aktiven Lebens und Vermeidung der Isolation des Einzelnen einsetzen.
In der Versorgungskette befinden sich Hausärzte an optimaler Stelle, um viele Erkrankungen des Bewegungsapparates früh erkennen zu können. Hausärzte sollten betroffene
Patienten so früh wie möglich an Fachärzte zuweisen, um die Behandlung möglichst früh
einleiten zu können.
•
Einschätzung der direkten und indirekten Kosten von muskuloskeletalen Erkrankungen. Wir brauchen noch bessere Maßnahmen, um die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und arbeitsplatzbezogenen Auswirkungen von Erkrankungen des Bewegungsapparates einschätzen zu können; basierend auf dieser Grundlage können das
Gesundheits- und Sozialministerium den Einfluss von Erkrankungen des Bewegungsapparates sowohl auf den Gesundheits- als auch den Arbeitsmarkt in abgestimmter Weise
beurteilen und beaufsichtigen.
Die in diesem Bericht dargestellten Daten zeigen, dass ein Großteil der erwerbsfähigen österreichischen Bevölkerung von Erkrankungen des Bewegungsapparates betroffen ist oder in den
nächsten Jahren von solchen Erkrankungen betroffen sein wird. Diese können erhebliche gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen für die Betroffenen und ihre Familien haben, die Leistungsfähigkeit der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung und Bereiche der österreichischen Industrie
beeinflussen sowie die Ressourcen des Gesundheitswesens und der Krankenversicherungsträger schwer belasten.
Wir haben wichtige klinische, epidemiologische, psychologische und wirtschaftliche Daten sowie
Expertenmeinungen zur Natur, zum Ausmaß und zu den Folgen von Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich erhoben. Es scheint jedoch noch immer einen Mangel an Kohärenz
bzw. an „abgestimmtem“ Denken und Maßnahmen zu geben, bei denen der Patient auch als
Arbeitnehmer betrachtet wird. Während die Zahl der Befürworter des biopsychosozialen Modells
in Bezug auf alle Erkrankungen des Bewegungsapparates zunimmt, müssen noch mehr Entscheidungsträger, die nämlich die Teilnahme der Arbeitnehmer mit Erkrankungen des Bewegungsapparates auf den Arbeitsmarkt beeinflussen können, die Grundlagen des Modells annehmen und
umsetzen.
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
9
2. Einleitung
2.1
Wie viele westliche Länder geht auch Österreich aus einer langen Periode des anhaltenden wirt-
Warum ist
schaftlichen Wachstums und wachsender Beschäftigungszahlen hervor. Tatsächlich hatte Öster-
die Gesundheit
der Arbeitskräfte
reich bereits das Ziel der Lissabon-Agenda erreicht: 70 Prozent der österreichischen Bevölkerung
im arbeitsfähigen Alter hatte einen festen Arbeitsplatz (Sherwood, 2006). Die österreichische
ein wichtiges
Wirtschaft wuchs um 3,1 Prozent im Jahr 2007 – etwas weniger im Vergleich zu 3,4 Prozent im
Thema
Vorjahr 2006 (Statistik Österreich, 2009b). Selbst im vierten Quartal des Jahres 2008 blieb die
für Österreich?
Zahl der Angestellten in Österreich trotz spürbarer Zeichen der wirtschaftlichen Krise bei über 70
Prozent und betrug sogar über 72 Prozent (Statistik Österreich, 2009c). 2008 betrug das Brutto­
sozialprodukt in Österreich 282,20 Milliarden Euro; dabei wurde ein Zuwachs von 10 Millionen
Euro im Vergleich zu 2007 verzeichnet (Statistik Österreich, 2009b). Die in diesem Zeitraum
angestiegenen Beschäftigungszahlen und damit einhergehenden Vorteile für die Gesellschaft und
die Wirtschaft waren für den österreichischen Staat verständlicherweise ein wichtiger Grund, ein
besonderes Augenmerk auf die Optimierung der Leistungsfähigkeit der Arbeitskräfte zu richten,
um so den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil zu sichern.
Einhergehend mit Fähigkeiten, Ausbildung und Qualifikationen sind die Gesundheit und das Wohlbefinden der Arbeitskräfte die primären treibenden Kräfte für die Arbeitsproduktivität. Bleibt ein beträchtlicher Anteil der arbeitenden Bevölkerung krankheitsbedingt entweder vorübergehend oder dauerhaft
arbeitsunfähig, können dadurch die Leistungsfähigkeit der Arbeitskräfte einer Wirtschaft bzw. die
Konkurrenz- und Ertragsfähigkeit sowohl privater als auch öffentlicher Arbeitgeber - selbst in einem
günstigen Wirtschaftsklima - beeinträchtigt sein. Krankheiten oder chronische Erkrankungen können
natürlich auch mit einer Vielzahl von schädlichen Folgen für die Gesellschaft verbunden sein.
Mit der Verlangsamung des wirtschaftlichen Wachstums und den Auswirkungen auf den österreichischen Arbeitsmarkt wird es zwingend notwendig, die Produktivität der Arbeitskräfte zu
optimieren, damit diese in der Lage sind, den anstehenden Aufschwung entsprechend zu nutzen.
Da die Arbeitslosenrate wieder im Begriff ist zu steigen - im vierten Quartal 2008 stieg die Arbeitslosigkeit in Österreich auf 6,6 Prozent1 auch wenn die Beschäftigungsrate wuchs (Statistik Austria,
2009d) – wird es noch wichtiger sicherzustellen, dass jene mit Krankheiten oder chronischen
Erkrankungen nicht unverhältnismäßig betroffen sind. Maßnahmen zur Unterstützung der Arbeitslosen müssen deshalb besonders auf die Bedürfnisse erwerbsunfähiger Patienten eingehen. Dies
wird besonders wichtig, wenn die österreichische Wirtschaft am Ende der Konjunkturschwäche
für die Erreichung ihrer Ziele „fit“ sein soll.
Arbeitslosigkeit sowie der Verlust des Arbeitsplatzes haben schwerwiegende finanzielle und
gesundheitliche Folgen für die Betroffenen. Studien haben eine weitreichende Verschlechterung
1 Die Arbeitslosenrate der International Labour Organisation (ILO) blieb mit vier Prozent konstant.
10
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Einleitung
des körperlichen und psychischen Wohlbefindens bei jenen nachgewiesen, die ihre Arbeitsplätze
verlieren; die Verschlechterung kann mehrere Monate lang anhalten (Armstrong, 2006; Brinkley,
Clayton, Coats, Hutton, und Overell, 2008).
Arbeitsplatzverlust darf sich nicht ausgerechnet im verwundbarsten Teil der arbeitenden Bevölkerung konzentrieren, also bei behinderten oder auf lange Sicht erkrankten Menschen, oder bei
Patienten, die unter einer chronischen Krankheit leiden. Statt dessen brauchen wir Lösungen, die
es auch diesen Arbeitnehmern ermöglichen, ihren Arbeitsplatz zu behalten, da bekannt ist, dass,
wenn man erst mal aus dem Arbeitsprozess ausgeschieden ist, es extrem schwierig ist, wieder
eine erfüllende oder den Qualifikationen entsprechende Arbeit zu finden.
Nach Beginn des mit Sicherheit zu erwartenden Wirtschaftsaufschwungs kann es sich die österreichische Wirtschaft nicht leisten, ihr Wachstum durch einen Mangel an fähigen, motivierten und
gesunden Arbeitnehmern zu gefährden. Und vor allem auf den letzteren Punkt konzentriert sich
ein großer Teil dieses Reports.
Trotz freundlicher wirtschaftlicher Bedingungen haben Gesundheit und das Wohlbefinden der
österreichischen Arbeitskräfte schon in den vergangenen Jahren Grund zur Besorgnis geliefert.
Angesichts der wirtschaftlichen Rezession und der alternden Arbeitskräfte wird das aller Voraussicht nach auch so bleiben. Einige Anzeichen sprechen dafür, dass politische Entscheidungsträger sowie Arbeitgeber auch in absehbarer Zukunft der Gesundheit der Arbeitnehmer einen hohen
Stellenwert einräumen werden:
•
Besonders bei Frauen und Jugendlichen sind die Raucherzahlen in den letzten Jahren
gestiegen. Im Jahr 2004 haben 46.5 Prozent aller Frauen und 48,1 Prozent aller Männer
geraucht (Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, 2005).
•
37 Prozent der ÖsterreicherInnen sind übergewichtig und knapp 9Prozent sind von Fettsucht betroffen (Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, 2005).
•
Ungefähr 27 Prozent der österreichischen Arbeitnehmer finden ihren Beruf stressig
(Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, 2005).
•
Arbeitslose ÖsterreicherInnen waren doppelt so oft krank wie erwerbstätige Menschen
(Biffl, 2005).
•
38,5 Prozent aller erwerbslosen ÖsterreicherInnen erhalten Berufsunfähigkeitshilfe,
36,2 Prozent erhalten eine Alterspension (OECD, 2003).
•
In 2003 war mehr als ein Drittel aller Pensionierungen wegen Dienstunfähigkeit oder
eingeschränkter Berufsfähigkeit auf Erkrankungen des Bewegungsapparates zurückzuführen (Lang, 2006).
•
Bei knapp 40 Prozent der arbeitslosen ÖsterreicherInnen war die Arbeitslosigkeit - nach eigenen Angaben - auf berufsbedingte Krankheiten zurückzuführen (Statistik Österreich, 2009a).
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
11
Einleitung
•
Nach eigenen Angaben hatten mehr als 5 Prozent der aktiven Arbeitnehmer einen
Arbeitsunfall erlitten (Statistik Austria, 2009a)
•
2,4 Millionen österreichische Arbeiter melden schädliche Einflüsse am Arbeitsplatz; landwirtschaftliche Arbeiter sind eher körperlichen Einflüssen ausgesetzt, während Angestellte
eine Ausprägung von psychischen Einflüssen erleben (Statistik Österreich, 2009a).
•
80 Prozent der Menschen mit berufsbedingten Krankheiten erleben Einschränkungen bei
der Ausführung ihrer täglichen Aufgaben (Statistik Österreich, 2009a).
•
Abwesenheiten am Arbeitsplatz kosten schätzungsweise 2,1Prozent bis 3,1Prozent des
Bruttosozialproduktes von Österreich (Leoni, Biffl, und Guger, 2008); dies entspricht ca.
5,9 bis 8,8 Milliarden Euro.
•
2004 gingen nahezu 35 Millionen Arbeitstage durch Krankenstände verloren (Lang, 2006).
Davon waren allein 7,7 Millionen dieser Tage auf Erkrankungen des Bewegungsapparates
zurückzuführen. Muskuloskeletale Erkrankungen machen hier die größte Krankheitsgruppe aus (Lang, 2006).
•
2003 betrug die durchschnittliche Abwesenheitsdauer vom Arbeitsplatz 12 Tage (Lang,
2006). Bei Menschen mit Fehlzeiten wegen Erkrankungen des Bewegungsapparates
waren dies fast 18 Tage (Lang, 2006).
•
40 Prozent der verloren gegangenen Zeit wurden auf Erkrankungen des Bewegungsapparates zurückgeführt (Leoni, et al., 2008).
•
Wirbelsäulenbeschwerden wurden am häufigsten als schwerwiegendste berufsbedingte
Erkrankung unter ÖsterreicherInnen beschrieben (Statistik Österreich, 2009a).
Trotz der weit verbreiteten Ansicht, dass „Stress“ und andere häufig auftretende psychische
Erkrankungen wie Depression oder Angstzustände die vorrangigsten Gesundheitsthemen sind,
von denen österreichische Arbeitskräfte betroffen sind (Lang, 2006), stellen die Erkrankungen des
Bewegungsapparates mit Blick auf die Gesundheit der erwerbsfähigen Menschen in Österreich
tatsächlich das größte Gesundheitsproblem dar. Die psychische Gesundheit ist sehr offensichtlich
ein zunehmend wichtiges Thema. Bis zu 14Prozent aller krankheitsbedingten Abwesenheiten vom
Arbeitsplatz sind auf Stress zurückzuführen (Lang, 2006). Die Dominanz jedoch der muskuloskeletalen Erkrankungen rechtfertigt eine genauere Untersuchung.
Die gute Nachricht: die Zahl der Unfälle am Arbeitsplatz ist gesunken. 2004 wurden 122.837
Unfälle am Arbeitsplatz gemeldet. 1995 betrug diese Zahl noch 181.642 (Bundesministerium für
Gesundheit und Frauen, 2005). Weniger Unfälle am Arbeitsplatz bedeuten weniger Fehlzeiten.
Wie aus Abbildung 2.1 ersichtlich, ist die Rate der Abwesenheiten vom Arbeitsplatz in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Kurzeitige Abwesenheiten stiegen jedoch an, während langfristige Abwesenheiten stabil blieben (Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, 2005).
12
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Einleitung
Abbildung 2.1 Krankheitsbedingten Abwesenheit vom Arbeitsplatz, 1965 bis 2004
18.6
16.8
15.6
16.2
15.4
14.8
14.5
14.1
13.4
12.6
12.1
1965
1975
1985
1990
2000
2004
Abwesenheitstage pro Arbeitnehmer
Mittlere Dauer der krankheitsbedingten Abwesenheit in Tagen
Quelle: Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, 2005, mit Daten aus dem Hauptverband der
Österreichischen Sozialversicherungsträger
ÖsterreicherInnen legen großen Wert auf ihre Gesundheit und sind bemüht, ein gesundes Leben
zu führen; den Beweis dafür liefert die österreichische Gesundheitspolitik, die der Vorbeugung von
Krankheiten einen großen Stellenwert einräumt (Bundesministerium für Gesundheit und Frauen,
2005). 1998 rief die österreichische Regierung die „Initiative zur Förderung der Gesundheit“ ins
Leben, mit dem Ziel, innovative Präventionsprojekte zu unterstützen. Durch dieses Programm, dem
„Fonds Gesundes Österreich“, wurden körperliche Bewegung sowie emotionale Gesundheit und
Ernährung gefördert. Das Programm erreichte durch seine besonderen Bemühungen einen großen
Teil der Bevölkerung (Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, 2005). Im Rahmen der dabei
eingeleiteten Vorbeugungs- und Frühbehandlungsmaßnahmen wurde jedoch den Erkrankungen
des Bewegungsapparates nicht genug Aufmerksamkeit gewidmet. Tatsächlich wurde in einer 2007
erschienenen Arbeit mit dem Titel „Work-related musculoskeletal disorders: Back to work report“
(Berufsbedingte Erkrankungen des Bewegungsapparates: Bericht über die Rückkehr an den
Arbeitsplatz) mehr Aufmerksamkeit auf die primäre Prävention in Österreich gefordert (European
Agency for Safety und Health at Work; Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz 2007). Deshalb sollten die aus diesen Erfolgen gewonnenen Erkenntnisse
auch auf die Vorbeugung von Erkrankungen des Bewegungsapparates angewendet werden.
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
13
Einleitung
Entscheidungsträger in Österreich sehen die Bedeutung von Gesundheit und Wohlbefinden am
Arbeitsplatz und haben im Jahr 2000 das Österreichische Netzwerk zur Förderung der Gesundheit am Arbeitsplatz ins Leben gerufen (Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, 2005).
In den letzten Jahren hat der Fonds Gesundes Österreich ebenfalls die Gesundheit des Arbeitsnehmers besonders bei kleinen und mittelgroßen Betrieben in den Vordergrund gestellt. Als Ziele
wurden Verbesserung der Arbeit, Prozessorganisation, und Arbeitsbedingungen genannt (Europäische Kommission DG, Beschäftigung, Soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit, 2008).
Auch andere Faktoren beeinflussen die Arbeitskraft in Österreich. Ein Aspekt, dem hierbei
besondere Aufmerksamkeit zukommt, ist die niedrige Erwerbstätigkeit älterer Menschen. Im
Vergleich zu anderen europäischen Ländern liegt das mittlere Pensionsalter in Österreich, Belgien und Frankreich unter 60 Jahren (Borsch-Supan, 2007). Österreichische Männer im Alter von
> 56 Jahren gehören seltener zu den aktiven Arbeitskräften des Landes, nämlich schon bis zu 25
Prozent seltener als vergleichsweise bei den 50-jährigen Männern (Kalwij und Vermeulen, 2007).
Frühpensionierung bei älteren Arbeitnehmern ist nicht nur häufig; auch Berufsunfähigkeitspensionen sind deutlich höher unter ÖsterreicherInnen im Alter von 50 bis 64 Jahren – 27 Prozent
im Vergleich zu etwa 8Prozent unter den 20 bis 49 Jahre alten Angestellten. Es könnte also sein,
dass manche Menschen das Berufsunfähigkeitsprogramm als Weg in die Frühpensionierung
sehen (OECD, 2003). Langfristige Krankenstände können eine Prädisposition für Berufsunfähigkeitspensionen schaffen - knapp 30 Prozent der österreichischen Männer erhielten eine Berufsunfähigkeitspension, nachdem sie Krankengelder bezogen hatten (Stefanits und Hayer-Schulz,
2007). Da österreichische Arbeitgeber daran interessiert sind, qualifizierte Arbeiter einzustellen
(European Commission DG, Beschäftigung, Soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit,
2008), können Maßnahmen wie die Beibehaltung älterer Arbeitnehmer im Beschäftigungsverhältnis und unterstützende Anpassungen des Arbeitsplatzes für einzelne betroffene Menschen mit
gesundheitlichen Problemen dem Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften gerecht werden.
2.2
Erkrankungen
des Bewegungsapparates: der
In einem im Jahr 2004 erschienenen Leitartikel über Erkrankungen des Bewegungsapparates in Europa sagte Professor Josef Smolen: „Obwohl Erkrankungen des Bewegungsapparates häufiger auftreten, schwerer verlaufen und kostenaufwändiger sind als Erkrankungen eines anderen Körpersystems,
müssen Menschen mit Arthritis härter kämpfen, um die bestmögliche Versorgung zu erhalten, selbst
europäische
wenn diese ihre Lebensqualität verbessert und Krankenstände sowie Berufsunfähigkeit verhindert“.
Kontext
Er sprach ebenso von den Schwierigkeiten, die Wissenschaftler in Kauf nehmen müssen, wenn sie
Erkrankungen des Bewegungsapparates untersuchen und finanzielle Ressourcen zur Unterstützung
ihrer Studien finden müssen, denn „Erkrankungen des Bewegungsapparates gelten nicht als „wichtige Krankheiten“ bei den europäischen Behörden“ (Smolen, 2004). Was die Europäischen Union
(EU) betrifft, so sehen die Europäische Kommission und ihre sozialen Partner die Prävalenz und den
Einfluss berufsbedingter Erkrankungen des Bewegungsapparates mit wachsender Besorgnis.
14
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Einleitung
Chronische Schmerzen des Bewegungsapparates (chronic musculoskeletal pain; CMP) betreffen
schätzungsweise 100 Millionen Arbeitnehmer in Europa (Veale, Woolf, und Carr, 2008). Erkrankungen des Bewegungsapparates betreffen mehr als vier Millionen Arbeitnehmer in der EU und
sind für ungefähr die Hälfte aller berufsbedingten Erkrankungen in den EU-Ländern verantwortlich (European Trade Union Institute (ETUI), 2007). Sie kosten die Gesellschaft schätzungsweise
2,6 bis 3,8 Prozent des Bruttosozialprodukts. Die durch die Europäische Stiftung (Parent-Thirion,
Fernandez Macias, Hurley, und Vermeylen, 2005) veröffentlichte vierte Europäische Erhebung
zu Arbeitsbedingungen (European Working Conditions Survey (EWCS) hat gezeigt, dass 24,7
Prozent aller Arbeitnehmer in der gesamten EU über Rückenschmerzen und 22,8Prozent über
Muskelschmerzen klagen. Die Europäische Kommission geht deshalb davon aus, dass Erkrankungen des Bewegungsapparates für nahezu 50Prozent aller über drei Tage dauernden Fehlzeiten vom Arbeitsplatz, bzw. 60Prozent aller dauerhaften Berufsunfähigkeiten verantwortlich
sind (EC, 2007). Wenn die europäische Wirtschaft sich erholen und ihre Wettbewerbsfähigkeit
gegenüber den USA und der wachsenden Wirtschaft der asiatischen Länder gewährleistet sein
soll, muss der Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Arbeitskräfte in der EU eine hohe Priorität
in der Gesundheitspolitik eingeräumt werden. Dieser Bericht wirft einen Blick auf den Zustand in
Österreich - mit der EU im Hintergrund - und analysiert jene Bereiche, in denen Österreich bereits
erfolgreich gewesen ist bzw. jene Bereiche, die eine Herausforderung für die Zukunft darstellen.
2.3
Im Einzelnen werden bei diesem Projekt Antworten zu folgenden Fragen gesucht:
Ziele
der Studie
1,
Auf welche Weise beeinflussen Erkrankungen des Bewegungsapparates die Erwerbstätigkeit und wirtschaftliche Leistung in Österreich? Wie werden diese von Veränderungen
hinsichtlich der demographischen Verhältnisse, des Arbeitskräftepotenzials, und des
Lebensstils beeinflusst?
2,
Wie sieht der Zusammenhang zwischen Arbeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates aus? Welchen Einfluss haben biologische, psychologische und gesellschaftliche Faktoren einschließlich Arbeitsplatzbedingungen auf Erkrankungen des Bewegungsapparates?
3, Wie gut werden Erkrankungen des Bewegungsapparates - sofern sie mit dem Arbeitsplatz
zusammenhängen - von Arbeitgebern, staatlichen Behörden, Allgemein- und Arbeitsmedizinern verstanden und gehandhabt? Wie gut ist der Gesundheitssektor ausgerüstet, um
Menschen mit diesen Erkrankungen frühe Behandlungsmöglichkeiten, Rehabilitation und
sonstige Unterstützung anzubieten?
4, Welche frühzeitig greifenden Maßnahmen können politische Entscheidungsträger und
Arbeitgeber anbieten um sicherzustellen, dass Menschen mit Erkrankungen des Bewegungsapparates a) ihre Arbeitsplätze behalten b) die Qualität ihres Arbeitslebens und ihren
Beitrag für die Gesellschaft optimieren und c) den Zugang (bzw. den Weg zurück) zum
Arbeitsleben aufrechterhalten/schaffen können?
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
15
Einleitung
Um die oben genannten Ziele zu erreichen, haben wir folgende Ansätze verwendet:
1, Sekundärforschung: Dazu haben wir die vorhandene veröffentlichte Literatur aus den
Bereichen der Medizin, Arbeitsmedizin und der Gesundheitsökonomie untersucht. Damit
konnten wir die vorhandenen Daten zur Natur, zum Ausmaß, Einfluss und zu den durch
Erkrankungen des Bewegungsapparates verursachten Kosten für die österreichische
Wirtschaft, für Arbeitgeber und für einzelne Menschen zusammenstellen. Wir haben eine
Reihe von unterschiedlichen Erkrankungen des Bewegungsapparates untersucht, um
zu erforschen, in welchem Ausmaß ihr Einfluss auf die Auswirkungen variiert. Wir haben
auch versucht, diejenigen Bereiche zu identifizieren, in denen die Richtlinien und Umsetzung bei der Vorbeugung und Behandlung stark bzw. schwach gewirkt haben.
2, Analyse der Sekundärdaten: Wir haben Daten aus landesweiten und europäischen
Studien bzw. Umfragen verwendet, um Häufigkeiten und Kosten durch Erkrankungen des
Bewegungsapparates in der arbeitenden österreichischen Bevölkerung zu erheben.
3, Interviews mit Fachleuten: Wir haben Interviews mit österreichischen Experten aus
verschiedenen Fachgebieten (unter anderem Arbeitsmedizin, Volkswirtschaft, rheumatische Erkrankungen und Sozialmedizin) durchgeführt, um die Hauptthemen für Richtlinien
und Verfahren zu identifizieren, die Entscheidungsträger, medizinische Fachkräfte und
Arbeitgeber aufgreifen sollten.
Parallel zum globalen Ansatz haben wir uns dafür entschieden, vier Kategorien oder Gruppen von
Erkrankungen des Bewegungsapparates genauer zu untersuchen. Das sind im Einzelnen:
•
Rückenschmerzen;
•
Berufsbedingte Erkrankungen der oberen Extremitäten (WRULDs);
•
Rheumatoide Arthritis (RA);
•
Spondylarthropathie (SpA).
Rückenschmerzen und die Mehrheit der berufsbedingten Erkrankungen der oberen Extremitäten
werden als unspezifische und schubweise verlaufende Erkrankungen bezeichnet, die häufig durch
Arbeit verursacht oder verschlechtert werden können. Sie manifestieren sich auf vielerlei Art und Weise
und werden von starken körperlichen Beschwerden begleitet, die auch die Fähigkeit des einzelnen
Arbeitnehmers bei der Ausführung seiner Arbeit einschränken können. Für längere Perioden können
sie sogar ganz abklingen. Viele Menschen, die unter Rückenschmerzen leiden, suchen keinen Arzt auf,
und oft erholen sich die meisten Menschen von allein wieder. Die Erkrankungen können allerdings zu
erheblichen Fehlzeiten bei der Arbeit oder Produktivitätsverlust führen. Rückenschmerzen und berufsbedingte Erkrankungen der oberen Extremitäten werden häufig in den Richtlinien zur Arbeitsgesundheit
und -sicherheit erwähnt und gehören üblicherweise in den Fachbereich der Arbeitsmediziner.
16
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Einleitung
Dem gegenüber sind RA und SpA spezifische progressive rheumatische Erkrankungen, deren
Ursache nicht in der Arbeit liegt. Sie können sich jedoch durch die Arbeit verschlechtern und
werden häufig von Allgemeinmedizinern und Fachärzten behandelt - klassischerweise fallen sie
nicht in das Fachgebiet des Arbeitsmediziners. Sie sind klinisch diagnostizierte Erkrankungen,
die größtenteils auf vorhersagbare Art und Weise verlaufen, wenn sie unbehandelt bleiben. Sie
können die funktionelle Leistung bei der Arbeit maßgeblich beeinflussen und langfristig auch die
Teilnahme der Betroffenen am Arbeitsmarkt einschränken. Die meisten Menschen mit diesen
Erkrankungen sind in langfristiger Behandlung. Die Behandlung jener im arbeitsfähigen Alter
sollte mit häufiger und aktiver Teilnahme von Krankenhaus- oder Fachärzten, Arbeitgebern und
Arbeitsmedizinern erfolgen.
Im Gesamten betrachtet verbildlichen diese Erkrankungen die Auswirkungen von Krankheitszuständen, die zu einem gegebenen Zeitpunkt einen großen Anteil der arbeitenden Bevölkerung
betreffen können. Indem wir unser Wissen über die Auswirkungen dieser Krankheiten kontinuierlich erweitern, die Vorteile des Arbeitserhalts verstehen und ein Bewusstsein für die Möglichkeiten entwickeln, mit denen sich die Auswirkungen minimieren lassen, können wir einen wichtigen
Beitrag zum Wohl der Gesellschaft und der Wirtschaft leisten.
2.4
Da es keinen Konsens über klinische Definitionen für viele Erkrankungen des Bewegungsappara-
Anmerkung
tes gibt, ist es schwer, Daten über ihre Häufigkeit, Inzidenz, Diagnose, Epidemiologie, Behandlung
zur Definition
und Kosten für die österreichische Wirtschaft anhand der Literatur zu erheben. Das Fehlen einer
standardisierten und validierten Terminologie und Klassifikation von Erkrankungen des Bewegungsapparates ist einer der Gründe für widersprüchliche Daten in der Literatur in Bezug auf die
Diagnose, Epidemiologie, Behandlung und Rehabilitation dieser Erkrankungen (WHO Wissenschaftliche Arbeitsgruppe, 2003; Krenn, 2005). Manche Kliniker unterscheiden zwischen Erkrankungen des Bewegungsapparates und Störungen des Bewegungsapparates. Der erste Begriff
bezieht sich auf alle klinischen Erkrankungen, die den Bewegungsapparat betreffen und der zweite - um eine Definition aus der ETUI zu übernehmen (ETUI, 2007) - steht für „jegliches Gebrechen
des Bewegungsapparates, das bei der Durchführung der Arbeit auftritt und zum Unbehagen, zu
Schwierigkeiten oder Schmerzen bei der Verrichtung der Arbeit führt.“
In Österreich gibt es keine offizielle Definition für berufsbedingte Erkrankungen des Bewegungsapparates. Tatsächlich werden Erkrankungen des Bewegungsapparates in der offiziellen Liste aller
berufsbedingten Erkrankungen im Österreichischen Sozialversicherungsgesetz gar nicht erwähnt
(Krenn, 2005). Basierend auf §177 und Anhang 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes
umfasst die AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt), eine der österreichischen Sozialversicherungsanstalten und die für Berufskrankheiten zuständige Organisation, nur folgende Erkrankungen des Bewegungsapparates in ihrem Register für Berufskrankheiten (AUVA, 2008):
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
17
Einleitung
•
Erkrankungen durch Erschütterungen am Arbeitsplatz, die durch den Einsatz von Druckluft-Geräten oder ähnlichen Werkzeugen oder Maschinen entstehen (z.B. motorbetriebene
Sägen); das Arbeiten mit Hammermaschinen
•
Nervverletzungen durch Kompression
•
Erkrankungen durch das Arbeiten mit druckluftbetriebenen Werkzeugen
•
Chronische Verletzungen der Bursa im Knie oder im Handgelenk durch ständigen Druck
oder ständige Erschütterung
•
Knochenbrüche der Gelenksfortsätze der Wirbelkörper
•
Meniskus-Verletzungen bei Bergbauarbeitern, die mindestens drei Jahre lang regelmäßig
beim Kohleabbau sowie bei anderen Personen, die mindestens drei Jahre lang in kniender
oder hockender Stellung gearbeitet haben
•
Nervverletzungen durch Kompression
Diese Störungen betreffen in erster Linie die Extremitäten. In anderen EU-Ländern gehören oft
Kreuzschmerzen, entzündliche Erkrankungen und Erkrankungen der Wirbelsäule dazu. Die österreichische Definition für Erkrankungen des Bewegungsapparates könnte somit zu eng sein, um
ein umfassendes Bild über die Häufigkeit und den Einfluss von Erkrankungen des Bewegungsapparates zu gewinnen. Die in diesem Bericht enthaltenen Angaben stammen aus der Literatur
und aus Daten, die verschiedene Namen und Definitionen für Erkrankungen des Bewegungsapparates enthalten, z.B. Störungen des Bewegungsapparates oder Erkrankungen des Bewegungsapparates. Mit den vier oben genannten Erkrankungen können wir genauere Details über die
einzelnen Krankheitsbilder präsentieren und die verfügbaren Daten spezifischer darlegen.
2.5
Aufbau
Dieser Bericht setzt sich wie folgt zusammen:
•
Kapitel 3 untersucht das Ausmaß von Erkrankungen des Bewegungsapparates in
Österreich und ihren Einfluss auf die Leistungsfähigkeit und Anwesenheit am Arbeitsplatz,
dieses
die Teilnahme am Arbeitsmarkt und die österreichische Wirtschaft.
Berichtes
•
Kapitel 4 prüft das Spektrum der Behandlungsoptionen einschließlich der Wiedereingliederung in das Berufsleben; das sind Maßnahmen, die die Beibehaltung des Arbeitsplatzes
und die Teilnahme am Arbeitsmarkt bei Menschen mit Erkrankungen des
Bewegungsapparates verbessern können.
•
Im Kapitel 5 stellen wir unsere Empfehlungen an Arbeitgeber, Arbeitnehmer,
Allgemeinärzte, Arbeitsmediziner und den österreichischen Staat vor.
18
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
3. Erwerbstätigkeit und Erkrankungen
des Bewegungsapparates in Österreich
Dieser Abschnitt umreißt unser bisheriges Wissen über den Einfluss von Erkrankungen des
Bewegungsapparates auf Menschen im erwerbsfähigen Alter in Österreich. Dabei werden Daten,
Forschungsergebnisse und Umfragen aus österreichischen Quellen verwendet, sofern diese
verfügbar sind. Die Herausforderungen, denen sich gegenwärtige und zukünftige österreichische
Arbeitnehmer, ihre Familienangehörigen, ihre Arbeitgeber und letztendlich staatliche Behörden in
Österreich stellen müssen, werden zusammengefasst. Der Abschnitt behandelt die folgenden vier
Hauptthemen:
1, Die unzureichende Datenlage zu muskuloskeletalen Erkrankungen in Österreich und
die Folgen davon;
2, Einfluss von Erkrankungen des Bewegungsapparates auf die Arbeitsfähigkeit der Menschen;
3, Möglicher Einfluss von Arbeit auf Erkrankungen des Bewegungsapparates;
4, Der breite wirtschaftliche und gesellschaftliche Einfluss von Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich.
Wir beginnen zunächst mit einem Blick auf die Qualität der Daten
3.1
Wenngleich viele den Versuch gemacht haben, bleibt es nach wie vor schwierig, das Ausmaß von
Ein
Erkrankungen des Bewegungsapparates bei Menschen im erwerbsfähigen Alter in Österreich
undeutliches
Bild
genau zu quantifizieren. Die Europäische Stiftung zur Verbesserung von Lebens- und Arbeitsbedingungen (European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions; Eurofound) hat wiederholt festgestellt, dass es schwierig ist, ein verlässliches statistisches Bild von
Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich zu präsentieren. Die französische Organisation Eurogip hat neulich versucht, ein statistisches Profil für Erkrankungen des Bewegungsapparates in der Europäischen Union zu erarbeiten. Sie musste jedoch feststellen, dass es in
Österreich (und in vielen anderen Mitgliedsstaaten) nicht genügend Daten zu diesem Thema gibt
(Eurogip, 2007). Den Interviews zufolge ist es schwierig, den Einfluss individueller Erkrankungen
des Bewegungsapparates wie Rückenschmerzen oder rheumatoider Arthritis nachzuvollziehen,
weil spezifische Daten zu den einzelnen Krankheiten fehlen. Stattdessen gibt es das allgemeine,
übergeordnete Bild von Erkrankungen des Bewegungsapparates. In einem durch das Institut für
Pharmako-ökonomische Forschung publizierten Bericht im Jahr 2006 heißt es: „epidemiologische
Umfragen, die direkt in Österreich gemacht wurden oder sich auf Österreich beziehen, sind sehr
selten“ (Walter und Zehetmayr, 2006; Seite 8). Dies ist aus vielerlei Gründen beunruhigend:
•
Genaue Aussagen über die wirtschaftlichen Folgen von Erkrankungen des Bewegungsapparates, ihren Einfluss auf die Leistungsfähigkeit oder ihre Kosten für den Staat, die
Arbeitnehmer und deren Familien sind unmöglich.
•
Wenn die Häufigkeit von Erkrankungen des Bewegungsapparates mit dem Durchschnitts-
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
19
Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
alter österreichischer Arbeitskräfte zunimmt (wie dies zu erwarten ist), wird es aufgrund
fehlender Ausgangsdaten zum jetzigen Zeitpunkt sehr schwierig, Prognosen über den
zukünftigen Einfluss von Erkrankungen des Bewegungsapparates zu erstellen.
•
Unausreichende Daten machen es schwierig, österreichische Arbeitgeber oder politische
Entscheidungsträger von den dringend benötigten Maßnahmen zu überzeugen.
•
Um so schwieriger wird es, die Vorteile klinischer, arbeitsmarktbezogener oder arbeitsplatzbezogener Interventionen zu quantifizieren (oder zu rechtfertigen), wenn es keine
verlässlichen oder umfassenden Daten über das Ausmaß und den Einfluss von Erkrankungen des Bewegungsapparates bei österreichischen Arbeitskräften gibt.
Trotz dieser Tatsachen ist die Work Foundation zuversichtlich, dass es in Österreich genügend
Daten gibt, um nachdrücklich zu fordern, dass Erkrankungen des Bewegungsapparates eine
hohe Priorität auf politischer Ebene in den kommenden Jahren eingeräumt wird.
Wir wissen, dass im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedsstaaten ein relativ hoher Prozentsatz der
österreichischen Arbeitskräfte über regelmäßige Rücken- oder Muskelschmerzen klagt (European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions, 2007; Leoni, et al., 2008).
2006 waren Erkrankungen des Bewegungsapparates an vierter Stelle im Entlassungsregister
der Krankenhäuser - ein 19,5 Prozentiger Anstieg im Vergleich zu 2001 (Statistik Austria, 2008).
Diese Zahlen werden sich wahrscheinlich nicht verbessern, wenn die neuesten Schätzungen
zur Entwicklung der Bevölkerung in Österreich korrekt sind. Bevölkerungszahlen in Österreich
haben zugenommen und Prognosen zufolge werden sie in den nächsten Jahren weiter wachsen
(Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, 2005). Abbildung 3.1 zeigt, dass die österreichische Bevölkerung stark altern wird. Bis 2030 werden 2,7 Millionen Menschen über 60 Jahre alt
sein, während die Zahl der Erwerbstätigen, nämlich jene im Alter von 15 bis 59 Jahren, auf knapp
4,6 Millionen abnehmen wird (Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, 2005).
Mit der alternden Bevölkerung muss man einen weiteren Faktor berücksichtigen, nämlich das
EU-Ziel, die Zahl der älteren Arbeitnehmer zu erhöhen. Österreich hat die geringste Anzahl von
älteren Menschen in Anstellung in der EU. Daher kann der geplante Anstieg älterer Arbeitnehmer
die Zahl der Krankenstände unter Arbeitnehmern in den nächsten Jahren erhöhen (Biffl, 2002).
Mit dem Anstieg der Zahl an älteren Arbeitskräften muss der Staat den Gesundheitsthemen, die
die älteren Arbeitnehmer betreffen, größere Aufmerksamkeit widmen.
Wenn Österreich jetzt Maßnahmen zur Förderung der Gesundheit der Arbeitskräfte einschließlich
älterer Arbeitnehmer ergreift, kann dieser Entwicklung aktiv entgegengewirkt werden, bevor die
Zahl der Krankenstände steigt.
20
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
Abbildung 3.1 Bevölkerungszahlen in Österreich, 2004 bis 2030
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
2004
Über 60
2015
15-59
2030
0-14
Quelle: Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, 2005 mit Daten aus Statistik Österreich
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
21
Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
Die Erfahrung aus Ländern mit einer Altersverteilung zugunsten älterer Menschen zeigt, dass die
Belastung durch Erkrankungen des Bewegungsapparates erhebliche wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen haben kann. In Österreich steigt die Morbidität drastisch bei Menschen im Alter
von 45 bis 60 Jahren im Vergleich zu jüngeren Bevölkerungsgruppen (Biffl, 2005). Im Fehlzeitenreport aus dem Jahr 2007 wurde festgestellt, dass die Gesamtzahl der durch Erkrankungen des
Bewegungsapparates verursachten Krankenstände mit dem Alter zunimmt - wie in Abbildung 3.2
dargestellt. Österreich muss in der Lage sein, das in den nächsten Jahren mit Sicherheit zu
erwartende Wachstum, das manche Berichterstatter als „schlecht verstandene Pandemie“
bezeichnen, zu antizipieren und zu bewältigen (ETUI, 2007), um damit einen Anstieg der Arbeitslosigkeit und Zunahme der Krankenstände zu verhindern. Muskuloskeletale Erkrankungen können
schon jetzt in Zusammenhang mit den im Vergleich zu anderen Krankheiten häufigsten Abwesenheiten vom Arbeitsplatz in Verbindung gebracht werden (Lang, 2006) und resultierten in über
7,7 Millionen Tagen von Krankenurlaub.
Abbildung 3.2 Prozentsatz von Krankenständen durch Erkrankungen des Bewegungsapparates,
unterteilt nach Altersgruppen
35
33%
30
25%
25
20
15
11%
10
5
0
junge Erwerbstätige
mittleren Alters
ältere Erwerbstätige
Quelle: Leoni, et al., 2007
22
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
3.2
Der Einfluss von Erkrankungen des Bewegungsapparates auf die Betroffenen und ihre Arbeits-
Der
fähigkeit zeigt große Unterschiede von einer Person zur anderen. Abhängig von der Methode der
Einfluss
von
Erkrankungen
des
Bewegungs­
Datenerhebung, Auswahl der Befragten und Definitionen von Arbeitsunfähigkeit gibt es unterschiedliche Arten der Messung der relativen Arbeitsunfähigkeit. Die Arbeitsunfähigkeit bezieht
sich in der Regel auf die Beendigung des Dienstverhältnisses, eingeschränkte Arbeitszeiten oder
Anträge auf Berufsunfähigkeitspensionen. Dabei werden selten Schätzungen von verloren gegangener Leistung während der Arbeit berücksichtigt.
apparates
auf die
Arbeitsfähigkeit
Erkrankungen des Bewegungsapparates können Schmerzen und Erschöpfung hervorrufen, die
die Arbeitsfähigkeit des Einzelnen einschränken; viele Menschen sind nicht in der Lage, über
diese Schmerzen oder Erschöpfungszustände zu sprechen. Untersuchungen haben gezeigt, dass
bis zu 30 Prozent aller Arbeitnehmer mit Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis (RA) aus Angst
vor Diskriminierung nicht mit Kollegen oder Vorgesetzten über ihre Erkrankung sprechen (Gignac,
Cao, Lacaille, Anis, und Badley, 2008); 22 Prozent der Arbeitnehmer teilen die Erkrankung dem
Arbeitgeber gar nicht mit (Gignac et al., 2004). Menschen mit bestimmten Erkrankungen des
Bewegungsapparates in Österreich verschweigen oft die Diagnose gegenüber ihren Arbeitgebern,
weil sie nicht wollen, dass die Diagnose ihre beruflichen Beziehungen und Karrieremöglichkeiten
beeinträchtigt.2
Wie im Abschnitt 2 erläutert, können Erkrankungen des Bewegungsapparates unspezifisch oder
spezifisch sein. Die Auswirkungen spezifischer Erkrankungen des Bewegungsapparates werden
im Folgenden unter besonderer Berücksichtigung von RA und Spondylarthropathien (SpAs)
besprochen. Andere, größtenteils unspezifische Erkrankungen des Bewegungsapparates werden
in Bezug auf zwei Hauptkategorien, nämlich Wirbelsäulenschmerzen und berufsbedingten
Erkrankungen der oberen Extremitäten (work-related upper limb disorders – WRULDs) behandelt.
Die Auswirkungen von Schmerzen durch Erkrankungen des Bewegungsapparates können somit
folgende Aspekte der Leistung am Arbeitsplatz beeinflussen:
•
Ausdauer und Widerstandsfähigkeit;
•
Kognitive Fähigkeit oder Konzentration;
•
Vernunft/Stimmung;
•
Erschöpfung;
•
Beweglichkeit;
•
Gelenkigkeit.
2 Eperten-Interview.
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
23
Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
Erkrankungen des Bewegungsapparates können sich auch auf die Sicherheit am Arbeitsplatz
auswirken. Werden Konzentration oder Beweglichkeit durch die Erkrankung oder die damit einhergenden Schmerzen eingeschränkt, kann sich dies in manchen Arbeitsbereichen negativ auf die
Sicherheit auswirken. Man muss auch bedenken, dass manche Therapien mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden sind und die Leistungsfähigkeit des Betroffenen deutlich beeinflussen können.
In bestimmten gefährlichen Situationen wie bei dem Umgang mit schweren Maschinen oder dem
Lenken eines Fahrzeugs muss ebenfalls die Sicherheit am Arbeitsplatz bedacht werden.
3.2.1 Berufsbedingte Erkrankungen der oberen Extremitäten
Über 20 Prozent Prozent der österreichischen Arbeitnehmer haben im Laufe ihres Lebens
Muskelschmerzen im Bereich des Nackens, der Schultern und der oberen Extremitäten erlebt
(EWCS, 2007). Nach den Daten aus Statistik Österreich (2009a) klagen über 14 Prozent der
Arbeitnehmer über Schmerzen in den oberen Extremitäten, die in den vergangenen 12 Monaten
durch die Arbeit verursacht oder verschlechtert wurden. Abbildung 3.3 zeigt die Altersverteilung
der allgemeinen österreichischen Bevölkerung mit Schmerzen im Bewegungsapparat. Bei der
Mehrheit der Fälle traten schwere Schmerzen im Nackenbereich auf, nämlich bei 22 Prozent
(Friedrich, Rustler, und Hahne, 2006).
Berufsbedingte Erkrankungen im Nacken und in den oberen Extremitäten (WRULDs) sind Erkrankungen des Bewegungsapparates, die in der oberen Körperhälfte auftreten und durch die Arbeit
bzw. die berufliche Umgebung verursacht oder verschlechtert werden. Es gibt jedoch beachtliche
Diskussionen über die Definition und diagnostischen Kriterien dieser Erkrankungen, die umgangssprachlich als „Verstauchung oder Anspannung“, „Schäden oder Verletzungen durch wiederholte
Belastung“ oder „kumulative traumatische Störungen“ bezeichnet werden. Van Eerd et al. (2003)
identifizierten 27 verschiedene Klassifikationssysteme für berufsbedingte Erkrankungen des
Bewegungsapparates, wobei keines dieser Systeme dem anderen ähnelte.
24
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
Abbildung 3.3 Prozentsatz der allgemeinen österreichischen Bevölkerung mit Schmerzen
im Bewegungsapparat, unterteilt nach Altersgruppen
40%
35%
30%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
15-24
25-29
30-39
40-44
45-49
50-54
55-59
60-69
70<
Quelle: Friedrich et al., 2006
Die Tatsache, dass die gleiche Erkrankung auf verschiedene Art und Weise beschrieben wird,
erschwert das Problem. Nach sorgfältiger Überprüfung fanden Van Eerd et al. (2003), dass bei
den verschiedenen Klassifizierungssysteme keine Einigkeit darüber herrschte, welche Erkrankungen in die Klassifizierung aufgenommen werden sollen. Dieses Problem der Definition macht es
schwierig, die Zahl der Menschen mit WRULs zu bestimmen bzw. ein gemeinsames Verstehen
über die damit verbundenen Risikofaktoren zu erreichen.
Während es keine übereinstimmende Klassifizierung gibt, herrscht allgemeiner Konsens darüber, dass sich die Symptome von berufsbedingten Erkrankungen der oberen Extremitäten in
den Sehnen, Muskeln, Gelenken, Blutgefäßen und/oder Nerven manifestieren bzw. Schmerzen,
Unbehagen, Taubheit, und Krippeln im betroffenen Bereich verursachen können. Berufsbedingte
Erkrankungen der oberen Extremitäten können spezifisch oder unspezifisch sein (Aptel, AubletCuvelier und Cnockaert, 2002). Bei Klassifizierungen wird das Augenmerk entweder auf den
betroffenen Körperbereich oder auf die Ursache gelegt. Beispiele für WRULDs unterteilt nach
Körperbereichen sind unter anderem:
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
25
Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
•
Ellbogen: Epikondylitis (Tennisarm oder Golferarm);
•
Hand, Handgelenk und Unterarm: Karpaltunnelsyndrom; Schäden durch wiederholte
Belastung, de Quervain‘s-Syndrom;
•
Schulter: Tendinitis in der Schulter;
•
Nacken: Nackenschmerzen.
Eine Einteilung nach berufsbedingten Ursachen bezieht sich auf Handlungen wie ständige
Erschütterungen im Hand- bzw. Armbereich, die zum Raynaud-Syndrom führen können. Die
Bandbreite der Kategorie von berufsbedingten Erkrankungen der oberen Extremitäten deutet auf
folgendes hin: nahezu alle Symptome und Einflüsse auf das Berufsleben, die mit Erkrankungen
des Bewegungsapparates einhergehen, sind mit berufsbedingten Störungen der oberen Extremitäten verbunden. Im Folgenden werden die Symptome und Einflüsse von Erkrankungen des
Bewegungsapparates im Detail behandelt; im Einzelnen werden Rückenschmerzen, RA und SpA
besprochen.
3.2.2 Rückenschmerzen
Rückenschmerzen sind ein sehr häufiges Symptom in Österreich, obwohl es wenig verlässliche,
systematisch erhobene Daten zu ihrer Häufigkeit gibt. Nach Angaben von Statistik Österreich
(2009a) klagen über 37Prozent der erkrankten Arbeitnehmer über Rückenschmerzen, die in den
vergangenen 12 Monaten durch die Arbeit verursacht oder verschlechtert wurden. Das EWCS
aus dem Jahr 2005 zeigt jedoch, dass etwa 24 aller österreichischen Arbeitnehmer an berufsbedingten Rückenschmerzen leiden.
Bei der großen Mehrheit von Patienten mit Rückenschmerzen wird keine spezifische Diagnose
angegeben. Rückenschmerzen sind ein häufig vorkommendes, schubweise verlaufendes, oft
wiederkehrendes und im Allgemeinen von allein abklingendes Ereignis. Rückenschmerzen
werden als rezidivierend bezeichnet, wenn mehrere Schübe in einem Jahr auftreten und sechs
Monate oder kürzer dauern. Sie werden als akut bezeichnet, wenn der Schub kürzer als sechs
Wochen dauert und als subakut (7-12 Wochen) bzw. chronisch, wenn die Schmerzen länger
als 12 Wochen andauern. Rückenschmerzen sind für viele Menschen ein wiederkehrendes
Problem, obwohl dies nicht unbedingt bedeutet, dass die Symptome an Intensität zunehmen.
Bei der großen Mehrheit der Betroffenen verschwinden die Rückenschmerzen innerhalb von
vier bis sechs Wochen. Bei einer europäischen Studie mit Menschen, die den Hausarzt wegen
Rückenschmerzen aufsuchten, waren 65Prozent innerhalb von 12 Wochen symptomfrei (van der
Hoogen et al., 1998 in Bekkering et al., 2003). Abwesenheiten wurden am häufigsten bei jener
Minderheit von Menschen dokumentiert, die chronisch oder rezidivierend erkrankt waren. Die
meisten Menschen mit Rückenschmerzen bleiben entweder lückenlos bei ihrer Arbeit oder kehren
unverzüglich ins Arbeitsleben zurück. Ungefähr 85 Prozent der Menschen mit Rückenschmerzen
26
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
nehmen weniger als sieben Tage frei. Jedoch entspricht dies nur der Hälfte aller verloren gegangenen Arbeitstage. Der Rest besteht aus den 15 Prozent, die länger als einen Monat vom Arbeitsplatz fernbleiben (Bekkering et al., 2003).
Zwischen dem Erleben von Symptomen, dem Aufsuchen eines Arztes, verloren gegangener
Produktivität und Behinderung sowie Faktoren, die zu diesen Umständen beitragen, muss man
klar unterscheiden (Burton, 2005). In anderen Worten: während manche Menschen an Schmerzen im Bewegungsapparat leiden (Rückenschmerzen, zum Beispiel), ist es nicht möglich, ihre
Strategien für den Umgang mit der Krankheit oder Verletzung (das Aufsuchen eines Arztes, zum
Beispiel), wie dies ihre Arbeitsleistung beeinflussen wird, ob sie von der Arbeit fehlen werden und
letztendlich ob sie zu der sehr kleinen Minderheit der dauerhaft Arbeitsunfähigen gehören werden,
vorauszusagen. Die wichtige Frage ist daher warum - wenn so viele Menschen Rückenschmerzen haben - hat dieser Zustand stark nachteilige Auswirkungen auf manche und warum ist dies
bei anderen nicht der Fall? Man ist sich zunehmend darüber einig, dass psychische Faktoren mit
der Verschlimmerung von Rückenschmerzen einhergehen - aus einem akuten Zustand zu einer
chronischen Erkrankung, die zwei bis sieben Prozent der Betroffenen betrifft (Burton, 2005) und
letztendlich zur Behinderung führt (Burton, 2005; Bekkering et al., 2003).
3.2.3 Rheumatoide Arthritis
Rheumatoide Arthritis (RA) ist ein Beispiel für eine spezifische Erkrankung des Bewegungsapparates. Es handelt sich um eine Form von entzündlicher Arthritis. In den meisten Industrieländern
sind 0,3 bis 1 Prozent der Bevölkerung davon betroffen (WHO Wissenschaftliche Gruppe, 2003).
Daten zur Häufigkeit von RA stammen größtenteils aus Studien in den USA und Europa. Nach
einer kürzlich erfolgten Schätzung gibt es 55,000 Menschen mit RA in Österreich (Lundkvist,
Kastäng, und Kobelt, 2008). Diese Krankheit betrifft Menschen jeden Alters, obwohl die Spitze im
mittleren Altersbereich der arbeitenden Bevölkerung liegt, d.h. zwischen 25 und 55 Jahren. Epidemiologischen Studien zufolge verkürzt RA die Lebenserwartung um ca. 6-10 Jahre.
Die genaue Ursache von RA ist unbekannt. Untersuchungen weisen darauf hin, dass es sich um
eine Immunreaktion handelt, die sich als Entzündung in den Gelenken und anderen Gewebearten manifestiert. Zu den Risikofaktoren gehören Geschlecht, Familienanamnese mit RA und das
spezifische Leukozytenantigen (HLA) (WHO Wissenschaftliche Arbeitsgruppe, 2003). Der klinische Verlauf von RA kann auf individueller Ebene stark variieren. RA verursacht verschiedene
Symptome einschließlich Schmerzen, Gelenksteifigkeit und Erschöpfung, besonders in der Früh
oder nach längerer Untätigkeit, Gewichtsabnahme und Fieber- bzw. Grippe-ähnliche Symptome.
Sie betrifft die Synovialgelenke, bewirkt Schmerzen und in manchen Fällen auch Fehlbildungen
und Behinderung. Die Krankheit kann sehr rasch voranschreiten, zu Schwellungen führen, und
den Knorpel sowie Knochen um die Gelenke schädigen. Sie kann jedes Gelenk des Körpers
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
27
Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
betreffen; am häufigsten sind jedoch die Hände, Füße und Handgelenke betroffen. RA kann sich
auch auf das Herz, die Augen, die Lungen, das Blut und die Haut auswirken.
Der Verlauf von RA zeigt große Unterschiede: sie kann einen leichten Verlauf haben und sogar
von selbst wieder abklingen, in anderen Fällen kann sie aber auch innerhalb kurzer Zeit schwerwiegend und destruktiv verlaufen (Young et al., 2000). RA ist in den meisten Fällen chronisch und
Menschen mit dieser Erkrankung erleben häufig Schübe von starken Schmerzen, oft einhergehend mit Erschöpfung, obwohl der Grund für diese Beschwerden unbekannt ist. „Schübe“ bedeuten, dass der Mensch an einem Tag seine Pflichten ausführen kann und am anderen Tag dazu
nicht fähig ist. Dies kann für Kollegen und Arbeitgeber schwer begreiflich sein und die Planung
der Arbeit erschweren. Der richtige Umgang mit solchen „Schüben“ im Berufsleben erfordert
enge Kommunikation und ein gutes Verständnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
Die Auswirkungen dieser Erkrankungen können daher die Ausführung von bestimmten Tätigkeiten
im täglichen Lebens erschweren, wobei die Menschen oft gezwungen sind, ihre berufliche Tätigkeit
aufzugeben. Bei den meisten Menschen wird die Arbeitsleistung innerhalb von fünf Jahren nach
der Erstdiagnose eingeschränkt (WHO Wissenschaftliche Gruppe, 2003). Nach Expertenangaben
beenden in Österreich die meisten Menschen mit rheumatischen Erkrankungen ihre berufliche
Tätigkeit nach 10 Jahren. Einer Analyse des Produktivitätsverlustes durch RA zufolge erlebten in
den davorliegenden 12 Monaten 36 bis 85 Prozent aller Menschen mit RA einen Arbeitszeitverlust;
im Mittel (median) betrug der Zeitraum 39 Tage (Burton, Morrison, Maclean, und Ruderman, 2006)
– das ist mehr als das 1,5-fache des gesetzlich festgelegten Jahresurlaubs in Österreich.3 Young et
al. (2002) schrieben, dass 22 Prozent der mit RA diagnostizierten Menschen ihr Berufsleben nach
fünf Jahren wegen ihrer Krankheit beendeten. In manchen Fällen war jedoch die Erkrankung nicht
die Hauptursache oder die einzige Ursache für die Beendigung der beruflichen Tätigkeit. Young et
al. (2002) identifizierte eine weitere Gruppe von Befragten, die ihr Berufsleben wegen einer Kombination von RA und anderen persönlichen Faktoren beendeten; dies führte zu einer geschätzten
Zahl von 40 Prozent jener mit RA, die sich krankheitsbedingt vom Berufsleben entfernten. Einer
Umfrage der Österreichischen Rheumaliga zufolge sprechen 67 Prozent der ÖsterreicherInnen mit
RA von eingeschränkter Arbeitsleistung durch RA und 85 Prozent von eingeschränkten Freizeitaktivitäten durch RA („More Can Be Done“, 2005).
In ihrem Bericht über die Entwicklung des klinischen Wissensstandes über RA zeigen Smolen
und Aletaha (2009) eine Grafik (Abbildung 3.4), die den Zusammenhang zwischen der Krankheitsaktivität, Lebensqualität, Arbeitsfähigkeit, Kosten, Komorbiditäten und anderen Faktoren
verdeutlicht.
3 Experten-Interview.
28
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
Abbildung 3.4 Wechselbeziehung der Krankheitsaktivität
Gelenkschädigung
Chirurgische
Eingriffe an
Gelenken
Behinderung
Arbeitsfähigkeit
Krankheitsaktivität
Lebensqualität
Kosten
Komorbiditäten
Überleben
Quelle: Smolen und Aletaha, 2009
3.2.4 Spondylarthropathien
Spondylarthropathien (SpAs) sind eine Gruppe von chronisch-entzündlichen Erkrankungen. Das
sind unter anderem:
•
Ankylosierende Spondylitis (AS);
•
Reaktive Arthritis (ReA)/ Reiter-Syndrom (RS);
•
Psoriasis Arthritis (PsA);
•
Spondylarthropathie einhergehend mit entzündlicher Darmerkrankung (IBD);
•
Undifferenzierte Spondylarthropathie (USpA).
Neues internationale Studien über die Häufigkeit von SpA belegen, dass die Häufigkeit lange Zeit
unterschätzt wurde und in einem ähnlichen Bereich wie RA liegen könnte (Akkoc, 2008).
Bei der ankylosierenden Spondylitis (AS) handelt es sich um eine spezifische progressive und
chronische rheumatische Erkrankung, die in erster Linie die Wirbelsäule betrifft; sie kann jedoch
auch andere Gelenke, Sehnen und Bänder befallen. Ihre Häufigkeit in der allgemeinen Bevölkerung liegt bei 0,1 bis 0,2 Prozent; Männer sind von der Diagnose häufiger betroffen (Dagfinrud,
Mengshoel, Hagen, Loge, und Kvien, 2004). Prävalenzdaten für Österreich sind nicht verfügbar.
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
29
Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
Die oben erwähnten Häufigkeitszahlen ergeben jedoch Schätzungen von 8,300 bis 16,000
Menschen in Österreich. Die Primärdiagnose wird häufig bei Menschen im jugendlichen Alter bzw.
in den frühen Zwanzigern gestellt (das mittlere Alter, in dem die Krankheit beginnt, ist 26 Jahre).
Untersuchungen weisen auf eine starke genetische Komponente als Ursache der AS hin. Obwohl
jeder an AS erkranken kann, werden Männer, Frauen und Kinder auf leicht unterschiedliche Art
und Weise betroffen (Dagfinrud et al., 2004). Bei Männern werden häufiger das Becken und
die Wirbelsäule sowie die Thoraxwand, Hüften, Schultern und Füße betroffen. Frauen erkranken angeblich später, erleben einen leichteren Krankheitsverlauf und längere beschwerdefreie
Zeiten; bei Frauen sind jedoch häufiger andere Körperbereiche (als die Wirbelsäule) betroffen.
Die genaue Diagnose kann häufig verzögert sein - manche Untersucher sprechen von einem
mittleren Zeitabstand von sieben Jahren zwischen Krankheitsbeginn und Diagnose (Sieper,
Braun, Rudwaleit, Boonen, und Zink, 2002), weil die Frühsymptome häufig mit Sportverletzungen
verwechselt werden. Bei Frauen befällt die Krankheit häufig das Becken, die Hüfte, die Knie, die
Handgelenke und die Knöchel. Die Wirbelsäule ist bei Frauen seltener betroffen. Zu den typischen Symptomen von AS gehören Schmerzen (besonders in der Früh), Gewichtsverlust, besonders in den Frühstadien; Erschöpfung; Fieber und Nachtschweiß. Die Beschwerden lassen nach
körperlicher Bewegung nach. Wie bei RA erfordern die zeitlichen Aspekte der Erkrankung eine
sorgfältige Behandlung um sicherzustellen, dass die Menschen ihre Arbeit verrichten können und
dass die Arbeit auch zu bewältigen ist.
AS gilt im Allgemeinen als eine Erkrankung, bei der viele Menschen eine relativ gute funktionelle Leistungsfähigkeit aufrechterhalten können (Chorus, Boonen, Miedema, und van der Linden
2002). Die bisher gemeldeten Arbeitslosenzahlen sind um das Dreifache höher bei Menschen mit
AS als bei der allgemeinen Bevölkerung (Boonen et al., 2001). Auch bei der AS hängen Krankheitsaktivität und Berufsfähigkeit zusammen. Kobelt et al. (2004) fanden einen starken Zusammenhang zwischen funktioneller Leistungsfähigkeit und Frühpensionierung sowie auch reduzierten Arbeitszeiten und längeren Abwesenheiten.
Kürzlich erschienene Untersuchungen liefern den Beweis dafür, dass die mit der körperlichen
Gesundheit zusammenhängende Lebensqualität bei Menschen mit RA (Chorus, Miedema,
Boonen, und van der Linden, 2003) und AS durch die Arbeit positiv beeinflusst wird (Chorus et al.,
2003; Gordeev et al., 2009). Chorus et al. schließen daraus, dass die Arbeit „möglicherweise eine
wichtige Rolle bei der positiven Beeinflussung der Wahrnehmung des Patienten hinsichtlich seiner
körperlichen Leistung spielt“. Dies wird durch Waddell und Burton (2006a) bestätigt: insgesamt
bringt qualitätsvolle Arbeit gesundheitliche und erholungsfördernde Vorteile für Arbeitnehmer. Das
Ausmaß der positiven oder negativen Auswirkung des Arbeitsplatzes auf die Entwicklung von
Erkrankungen des Bewegungsapparates wird im Folgenden besprochen.
30
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
Arthropathia psoriatica (PsA) ist eine entzündliche Gelenkserkrankung, die 0,2 bis 1,0 Prozent
der allgemeinen Bevölkerung (Wallenius et al., 2008) bzw. 10 bis 20 Prozent der Menschen
mit Psoriasis betrifft. In Österreich liegen keine Daten zu PsA vor. Entzündete Gelenke werden
schmerzempfindlich, geschwollen und schmerzhaft bei Bewegung. Die Gelenke werden typischerweise nach Ruhephasen steif, in der Früh, oder beim Ausruhen am Abend. Gewebearten
wie Bänder und Sehnen um die Gelenke können auch betroffen sein. Entzündungen der Sehnen
und Muskeln (wie Tennisarm oder Schmerzen um die Ferse) sind ebenfalls Anzeichen von Arthropathia psoriatica. Bei ca. 80 Prozent der Fälle entsteht die Arthritis nach dem Erscheinen der
Psoriasis. Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen. Vergleichsstudien haben gezeigt,
dass Patienten mit PsA eine ähnliche Belastung durch die Krankheit erleben, wie Menschen mit
RA oder AS (Wallenius et al., 2008).
Es gibt verschiedene Unterschiede zwischen PsA und anderen Formen von Arthritis; ein Entzündungsmuster zeigt sich meistens am Ende der Fingergelenke. Ein weiteres Muster zeigt sich an
den Wirbelsäulen- und Sakroiliakalgelenken, genannt Spondylitis (ähnlich wie ankylosierende
Spondylitis). Nackenschmerzen und Steifigkeit können auftreten; ein ganzer Zeh oder Finger kann
anschwellen oder entzündet sein (Daktylitis). Es besteht auch eine Tendenz zur Gelenksteifigkeit.
Gelegentlich wachsen die Gelenke zusammen. Wichtig ist das Fehlen des Rheumafaktors im
Blut: damit kann man zwischen PsA und RA unterscheiden. Die Erkrankung entsteht häufig im
Jugendalter. Bei Frauen kann tritt sie oft nach einer Schwangerschaft oder nach der Menopause
auf. Da PsA sowohl die Haut als auch die Gelenke betrifft, wirkt sie sich auf die Lebensqualität der
Betroffenen negativ aus. Tatsächlich können sie mehr Schmerzen und Einschränkungen erleben
als Patienten mit RA (Husted, Gladman, Farewell, und Cook, 2001). Bei PsA wurde außerdem
eine höhere Mortalität als bei der allgemeinen Bevölkerung festgestellt (Wallenius et al., 2008).
3.3
Risikofaktoren für Erkrankungen des Bewegungsapparates sind weitreichend. Während es unter
Der Einfluss
Fachleuten allgemeinen Konsens darüber gibt, dass die Erwerbstätigkeit einen Risikofaktor für
des Arbeits-
Erkrankungen des Bewegungsapparates darstellt, können auch außer-berufliche Tätigkeiten wie
platzes auf
Sport oder Hausarbeit ebenfalls den Bewegungsapparat belasten. Bei manchen Studien wurde
Erkrankungen
zum Beispiel die höhere Prävalenz von Muskel- bzw. Knochenschmerzen bei berufstätigen Frau-
des
en mit dem Umstand in Zusammenhang gebracht, dass Frauen für einen Großteil der Hausarbeit
Bewegungsapparates
verantwortlich sind (Punnett und Wegman, 2004). Intrinsische Risikofaktoren spielen auch eine
Rolle beim Ausbruch und bei der Verschlechterung von Erkrankungen des Bewegungsapparates.
Manche intrinsische Faktoren können beeinflusst werden; andere wie genetische Prädisposition
sind jedoch nicht beeinflussbar. Tabelle 3.1 fasst die intrinsischen Risikofaktoren für unspezifische
Erkrankungen des Bewegungsapparates zusammen.
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
31
Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
Tabelle 3.1
Zusammenfassung intrinsischer Risikofaktoren für unspezifische
Erkrankungen des Bewegungsapparates
Intrinsische Faktoren
•
Übergewicht, Größe
•
Anomalien der Wirbelsäule
•
Genetische Prädisposition
•
Schwangerschaft
•
Psychosozialer Stress: Selbstwahrnehmung
•
Vorstellungen über Gesundheit: Kontrollüberzeugung, Selbstwirksamkeit,
Wahrnehmung von Unfähigkeit und Erwartung
•
Familienstress
•
Psychischer Stress: Somatisation, Angst und Depression
•
Altern
Quelle: Adaptiert von Angaben der WHO Wissenschaftliche Arbeitsgruppe, 2003
Was die Nachweise und Risikofaktoren für den Einfluss der Arbeit auf Erkrankungen des Bewegungsapparates betrifft, muss man zwischen arbeitsbedingten und berufsbedingten Erkrankungen unterscheiden (Punnett und Wegman 2004). Bestimmte Erkrankungen des Bewegungsapparates sind in manchen EU-Staaten anerkannte Berufskrankheiten - beispielsweise Tenosynovitis
im Handgelenk, Epikondylitis im Ellbogen, Raynaud-Syndrom oder Durchblutungsstörung der
Finger und Karpaltunnelsyndrom (Eurostat, 2004). In diesem Zusammenhang wird die Tatsache,
dass Arbeit diese Erkrankungen verursachen oder verschlechtern kann, allseits anerkannt. Der
Einsatz von Arbeitsplatzanalysen zur Reduktion der Häufigkeit dieser Erkrankungen hat sich
ebenfalls bewährt.
Arbeit ist bekannterweise nicht die Ursache für rheumatische Erkrankungen wie RA und SpA,
obwohl die Daten dafür sprechen, dass Ansprüche bei körperlicher Arbeit, das Fehlen von Unterstützung, die eigene Stigmatisierung und unflexible Arbeitszeiten - jeder Faktor für sich alleine die Beibehaltung des Arbeitsplatzes und die Rückkehr zur Arbeit wesentlich erschweren kann (der
Tempel und van der Linden, 2001; Gignac et al., 2004).
Der Zusammenhang zwischen manchen unspezifischen Erkrankungen des Bewegungsapparates (wie Rückenschmerzen) und Arbeit ist deutlich nachgewiesen. Manche Arbeitsanforderungen, die häufig als Risikofaktoren für Erkrankungen des Bewegungsapparates genannt werden,
sind folgende:
32
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
•
Rasches Arbeitstempo und wiederholende Bewegungsmuster;
•
Das Heben schwerer Gegenstände und kräftige manuelle Anstrengung;
•
Von der neutralen Stellung abweichende Körperhaltung (dynamisch oder statisch), häufiges Beugen oder Drehen;
•
Konzentrierter mechanischer Druck;
•
Erschütterungen, die auf bestimmte Körperbereiche oder auf den gesamten Körper einwirken;
•
Kälte, die lokal oder auf den gesamten Körper einwirkt;
•
Unausreichende Zeit für die Genesung (Punnett und Wegman, 2004).
Erkrankungen des Bewegungsapparates betreffen Arbeitnehmer aus allen Industriezweigen und
Berufen, obwohl manche einem höheren Risiko ausgesetzt sind als andere, und bestimmte Berufe mit Belastungen auf bestimmte Körperbereiche verbunden sind.
Bei vielen Arbeitsplätzen gibt es Tätigkeiten, die einen Risikofaktor für Erkrankungen des Bewegungsapparates darstellen können. Nach Parent-Thirion et al. (2005) sprechen 17 Prozent
aller europäischen Arbeitnehmer von Erschütterungen durch Handwerkzeuge oder Maschinen
während mindestens 50 Prozent ihrer Arbeitszeit; 33 Prozent der Arbeitnehmer müssen über
den gleichen Zeitraum schmerzhafte oder ermüdende Körperstellungen einnehmen, 23 Prozent
müssen schwere Lasten tragen oder schieben, 46 Prozent müssen wiederholte Hand- oder
Armbewegungen durchführen und 31 Prozent mit dem Computer arbeiten (Parent-Thirion et al.,
2005). In Österreich melden 50 Prozent aller Arbeiter, dass sie physisch belastenden Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind; dazu gehören das Tragen schwerer Lasten, unangenehme Körperstellungen bei der Arbeit sowie Umwelteinflüsse (Statistik Österreich, 2009a). Darüber hinaus
enthält das Register der Österreichischen Sozialversicherungen Angaben, denen zufolge etwa 25
Prozent der Fehlzeiten, die auf muskuloskeletale Erkrankungen zurückzuführen sind, als Folge
von körperlich anstrengenden Arbeitsbedingungen zustande kommen (European Foundation for
the Improvement of Living and Working Conditions, 2007).
Ein Großteil der Aufmerksamkeit, die Arbeitgeber dem Thema Erkrankungen des Bewegungsapparates bzw. dem Einfluss des Arbeitsplatzes auf den Ausbruch oder die Verschlechterung
dieser Erkrankungen widmen, entspringt ihrem Interesse an der Vermeidung bzw. Begrenzung
von Rechtsstreitigkeiten und der Erfüllung ihrer Sorgfaltspflicht. Dies erreichen sie beispielsweise
durch Arbeitsplatzanalysen oder durch Anleitungen zur manuellen Handhabung. Damit wird jedoch
das größere Thema, nämlich dass auch andere arbeitsbezogene Faktoren zu Erkrankungen des
Bewegungsapparates beitragen können, vernachlässigt. Diese Aspekte werden in der Literatur und
bei Ratschlägen für den Umgang mit Gesundheit und Sicherheit häufig ausgelassen. Selbst wenn
„Stress“ erwähnt wird, wird der Zusammenhang zwischen psychosozialen Faktoren und körperlichen Erkrankungen außer Acht gelassen; lediglich die Sicherheit wird verstärkt angesprochen.
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
33
Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
Treten irgendwelche der oben genannten körperlichen Risikofaktoren kombiniert auf bzw. liegen
unerwünschte psychosoziale, persönliche oder berufliche Umstände vor, steigt im Allgemeinen
das Verletzungsrisiko (Devereux, Rydstedt, Kelly, Weston, und Buckle, 2004). Psychische und
organisatorische Faktoren können ebenfalls mit körperlichen Faktoren gemeinsam auftreten und
die Wahrscheinlichkeit einer frühzeitigen Pensionierung beeinflussen. Untersuchungen im Bezug
auf Rückenschmerzen haben folgendes gezeigt: Die Vorstellung des Arbeitnehmers, dass die
Arbeit selbst die Schmerzen verursacht, geht der Krankheit voraus. Die Studie zeigte auch, dass
eine solche Einstellung als Risikofaktor für chronische Berufsunfähigkeit wirkt (Werner, Lærum,
Wormgoor, Lindh, und Indhal, 2007). Nach ihrer Analyse von 15 Studien identifizierten Sokka und
Pincus (2001) folgende Faktoren als Prädiktoren für die Frühpensionierung: körperlich belastende Arbeit, fehlende Autonomie, größere Schmerzen, ein niedriger Funktionsstatus und geringe
Bildung. Die Daten von Sokka und Pincus verdeutlichen die Tatsache, dass nicht nur körperliche
Aspekte der Arbeit die funktionelle Leistung einer Person und seine Chancen, im Arbeitsmarkt
überleben zu können, beeinflussen. Wir müssen auch psychosoziale und organisatorische Aspekte der Erwerbstätigkeit berücksichtigen.
Zu den psychosozialen und organisatorischen Faktoren im Zusammenhang mit Erkrankungen
des Bewegungsapparates gehören:
•
Rasches Arbeitstempo oder intensive Arbeitsbelastung;
•
Als monoton wahrgenommene Arbeit;
•
Geringe Befriedigung bei der Arbeit;
•
Wenig Entscheidungsfreiheit / Geringe Kontrolle über die Arbeit;
•
Wenig soziale Unterstützung;
•
Stress bei der Arbeit.
Berufsbedingter Stress ist ein umfassender Begriff und kann eine Vielzahl von Ursachen haben:
hohe Ansprüche am Arbeitsplatz oder Ungleichgewicht zwischen Fertigkeiten und Anforderungen.
Außerdem kann Stress durch Misshandlung oder Gewalt bei der Arbeit bzw. durch Diskriminierung entstehen. Neuesten statistischen Daten zufolge erleben ca. 3 Prozent aller ÖsterreicherInnen Belästigung oder Mobbing am Arbeitsplatz. Erfahrungen mit Gewalt oder Drohungen von
Gewalt treten bei 1Prozent der Arbeiter auf (Statistik Österreich, 2009a).
Es ist wiederum wichtig, den Zusammenhang zwischen psychischen und physischen Faktoren
zu erkennen. Während Stress am Arbeitsplatz einschließlich Gewalt und Diskriminierung zum
stressbedingten Produktivitätsverlust oder zu häufigen psychischen Problemen führen kann, kann
er auch spannungs- oder belastungsbedingte Erkrankungen des Bewegungsapparates bewirken.
Eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von starken Schmerzen wurde auch mit geringer sozialer Unter-
34
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
stützung, schwacher gesellschaftlicher Verankerung und geringer Teilnahme am gesellschaftlichen
Leben in Verbindung gebracht (Katz, 2002). „Gute Arbeit“ und die Verfügbarkeit von qualitätsvollen
Berufen ist daher von größter Bedeutung (Coats und Max, 2005, Coats und Lehki, 2008).
3.4
Die möglichen Auswirkungen von Erkrankungen des Bewegungsapparates auf die Erwerbsfä-
Der
higkeit des Menschen und seine mögliche Abwesenheit vom Arbeitsplatz bedeuten, dass Erkran-
größere
kungen des Bewegungsapparates mit maßgeblichen Kosten für den Betroffenen, die Familie, den
wirtschaftliche
Arbeitgeber und die Wirtschaft einhergehen. Die genauen Kosten lassen sich schwer berechnen
und gesell-
(Lundkvist et al., 2008). Verschiedene Faktoren müssen berücksichtigt werden und es ist nahezu
schaftliche
unmöglich, genaue, verlässliche und übereinstimmende Zahlen zu ermitteln. Die verfügbaren
Einfluss von
Erkrankungen
des
Zahlen über den wirtschaftlichen Einfluss von Erkrankungen des Bewegungsapparates basieren
auf konservativen Annäherungen und zeigen, dass diese Erkrankungen eine erheblich wirtschaftliche Belastung für Österreich darstellen.
Bewegungsapparates
Um die Kosten von Erkrankungen des Bewegungsapparates (oder irgendeiner Krankheit) zu
berechnen, müssen folgende Faktoren berücksichtigt werden:
•
Direkte Kosten einschließlich Ausgaben für medizinische Behandlungen, z.B. Kosten für
Prävention, Erkennung, Behandlung, Rehabilitation, langfristige Behandlung und fortlaufende medizinische und private Ausgaben. Diese werden weiter unterteilt in medizinische
Kosten im Gesundheitsbereich und außer-medizinische Kosten in anderen Bereichen
(Lundkvist et al., 2008);
•
Indirekte Kosten einschließlich verloren gegangener Arbeitsleistung durch reduzierte Belastbarkeit, z.B. verloren gegangene Produktivität, reduzierter Ertrag, verpasste
Möglichkeiten für Familienmitglieder, Einkommenseinbußen für Familienmitglieder sowie
verloren gegangene Steuereinnahmen;
•
Immaterielle Kosten einschließlich psychosozialer Belastungen, die zu verminderter
Lebensqualität führen, z.B. Stress am Arbeitsplatz, finanzieller Stress, Familienstress,
Schmerzen und Leid (WHO Wissenschaftliche Arbeitsgruppe, 2003).
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
35
Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
Diese Kosten variieren je nach Erkrankung, Schwere der Symptome, und ob diese zu kurz- oder
langfristigen Abwesenheiten oder Behinderung führen. Außerdem hängt die Höhe der Kosten
davon ab, welche Methoden zu deren Berechnung verwendet werden. Einige der Faktoren, die
die Berechnungen beeinflussen, sind:
•
Schwere der Erkrankung des Patienten;
•
Die Kombination demographischer Faktoren bei einer Studie;
•
Berechnungsmethode für die Produktivität;
•
Definitionen für Arbeitsunfähigkeit;
•
Behandlungskosten oder Ergebnisse der Behandlungen (die jährlichen Kosten sind auch ein
wichtiger Faktor, denn die Behandlungsverfahren können sich im Laufe der Zeit verändern);
•
Veränderte Finanzierungsmodelle im Gesundheitswesen;
•
Auf Inzidenz bzw. Prävalenz basierende Kostenschätzungen;
Immaterielle Kosten werden bei Kostenberechnungen selten berücksichtigt, weil es fast unmöglich
ist, immaterielle Kosten in Form von Geldbeträgen adäquat darzustellen (Sieper et al., 2002). Die
Analyse der immateriellen Kosten liefert jedoch nützliche Informationen über die verminderte Lebensqualität bei Menschen mit Erkrankungen des Bewegungsapparates. Messungen der Lebensqualität
sollten als weitere Indikatoren eingesetzt werden, um die Wirksamkeit der Interventionen zu messen
(Leardini, Salaffi, Montanelli, Gerzeli, und Canesi, 2002). Zurzeit werden zwei Maße verwendet:
1,
Behinderungsangepasste Lebensjahre (Disability adjusted life years; DALYs). Dies
ist ein Maß für die gesamte krankheitsbedingte Belastung und ein Versuch, die durch die
Krankheit bedingte Gesamtbelastung zu berechnen. Die Schlüsselelemente sind das Alter,
in dem die Krankheit oder Behinderung ausbricht, wie lange die Auswirkungen andauern,
und ihr Einfluss auf die Lebensqualität. Ein DALY entspricht daher einem verloren gegangenen gesunden Lebensjahr. In Österreich zählen Erkrankungen des Bewegungsapparates zu den 10 häufigsten Erkrankungen die Männer und Frauen betreffen, und machen
3,3 Prozent bzw. 5,4 Prozent aller DALYS aus (WHO, 2006). RA war für 0,86 Prozent aller
verloren gegangenen DALYs in Österreich verantwortlich. In anderen Worten: 102 DALYs
pro 100,000 Menschen gingen durch RA verloren (Lundkvist et al., 2008).
2,
Qualitätsangepasste Lebensjahre (QALYs). QALY ist ebenfalls ein Maß der krankheitsbedingten Belastung, einschließlich Lebensqualität und Lebensdauer. Es wird zur Schätzung
des Geldwertes für medizinische Behandlungen eingesetzt und basiert auf der Anzahl
der Lebensjahre, die durch diese Interventionen hinzugekommen wären. Ein QALY ist ein
Maß dafür, wie viele zusätzliche Lebensmonate oder -jahre von annehmbarer Qualität eine
Person durch eine Behandlung gewinnen könnte, und hilft bei der Kosten-Nutzen-Analyse
der Behandlung.
36
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
Beide Maße stehen zur Diskussion. Sie werden jedoch als hilfreiche Werkzeuge für vergleichende Einschätzungen von Erkrankungen und auch international eingesetzt.
3.4.1 Direkte Kosten
Wie oben erwähnt braucht man Angaben aus einer Vielzahl von Faktoren, um die Kosten von
Krankheiten einschätzen zu können. Die verschiedenen Studien sind in dieser Hinsicht sehr
unterschiedlich. Für Rückenschmerzen sind die wichtigsten direkten Kosten jene, die mit Physiotherapie, stationären Diensten, pharmazeutischer und primärer Behandlung zusammenhängen
(Dagenais et al., 2008). Nachemson et al. (2000) stellten fest, dass ca. 80Prozent der Behandlungskosten durch die 10Prozent mit chronischen Schmerzen und Behinderung verursacht
werden. Bei RA weist eine Vielzahl von Studien darauf hin, dass direkte Kosten mit abnehmender funktioneller Leistung steigen - damit wird die funktionelle Leistung ein großer Kostentreiber
(Huscher, Gladman, Farewell, und Cook, 2006; Kobelt, 2007).
Im Vergleich zu indirekten Kosten machen direkte Kosten bei Erkrankungen des Bewegungsapparates typischerweise einen kleinen Teil der Gesamtkosten aus (Dagenais et al., 2008; Kavanaugh,
2005; Kobelt, 2007; Lundkvist et al., 2008). Für RA ergaben jedoch Schätzungen der direkten
Kosten große Unterschiede zwischen den Ländern; dies ist durch die unterschiedliche Inanspruchnahme der einzelnen Behandlungen in den verschiedenen Ländern bedingt (Lundkvist et
al., 2008). Bei einer von Österreich ausgehenden Studie machten medizinische Kosten mehr als
80 Prozent der direkten Kosten aus - teilweise durch die Kosten der Arzneimittel bedingt, wie in
Abbildung 3.5 dargestellt (Wagner et al., 2005). Insgesamt waren die direkten Kosten knapp unter
6.500 Euro pro Patient pro Jahr.
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
37
Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
Abbildung 3.5 Durch rheumatoide Arthritis verursachte direkte Kosten
18%
€1.177
Nicht-medizinische Kosten
Medizinische Kosten
€5.319
82%
Quelle: Wagner et al., 2005
Tabelle 3.2 zeigt einige der spezifischen direkten Kosten im Zusammenhang mit Erkrankungen
des Bewegungsapparates im Allgemeinen sowie RA und Kreuzschmerzen im Besonderen; diese
Daten wurden aus der Literatur ermittelt (Woolf, 2004; zitiert in The Bone and Joint Decade, 2005;
Kavanaugh, 2005; Dagenais et al., 2008).
38
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
Tabelle 3.2 Direkte Kosten im Zusammenhang mit Erkrankungen des Bewegungsapparates,
RA und Rückenschmerzen
Erkrankungen des
Bewegungsapparates
Behandlungskosten
Arztbesuche
Arztbesuche
Besuche bei anderen Fachleuten aus dem Gesundheits­
bereich
Besuche beim Chiropraktiker
Ambulante chirurgische Eingriffe
Ambulante chirurgische Eingriffe
Ambulante chirurgische Eingriffe
Notaufnahme
Notaufnahme
Notaufnahme
Anwendung von Rehabilitationsdiensten (Physiotherapeut,
Ergotherapeut, Sozialarbeiter)
Physiotherapie und die Anwendung von Rehabilitationsdiensten
Komplementär- und Alternativmedizin
Medikamente
Medikamente (einschließlich
Verwaltungskosten)
Medikamente
Diagnostische / therapeutische
Verfahren und Tests
Bildgebungsverfahren
Laborkontrollen
Toxizität (Diagnose, Behandlung)
Bildgebungsverfahren
Akute Spitalseinrichtungen (mit
und ohne Chirurgie)
Nicht-akute Spitalseinrichtungen
Personal­
kosten
Rückenschmerzen
Arztbesuche
Apparate und Hilfsmittel
Andere
krankheitsbedingteKosten
RA
Medizinische Hilfsmittel und
-apparate
Stationäre Aufnahmen (im
Zusammenhang mit RA oder
ihrer Behandlung): orthopädische Chirurgie, erweiterte Pflege
/ Rehabilitationseinrichtungen
Transport
Zeit des Patienten
Zeit der Pflegepersonen
Häusliche Pflegedienste
Anpassungen im Wohnbereich
des Patienten
Dienste im Bereiche der
psychischen Gesundheit
Medizinische Ausrüstung
Außer-medizinische Fachleute,
Alternativtherapie
Quelle: Woolf, 2004; zitiert in The Bone and Joint Decade, 2005; Kavanaugh, 2005; Dagenais et al., 2008
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
39
Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
Bei der Berechnung der Behandlungskosten werden klinische Kosten und der Nutzen durch die
Behandlung berücksichtigt. Dass Menschen mit Erkrankungen des Bewegungsapparates ihre
Erwerbstätigkeit nicht unterbrechen oder schnell zum Arbeitsleben zurückkehren, hat weitere
Folgen: es hat biopsychosoziale und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Betroffenen und senkt
Kosten für Sozialversicherungsanstalten und den Staat. Ein gemeinsamer Ansatz zur Analyse der
Behandlungskosten für Krankheiten im Allgemeinen und Erkrankungen des Bewegungsapparates
im Besonderen kann zu einer differenzierten und möglicherweise realistischeren Einschätzung
der Kosten und Behandlungsvorteile führen.
3.4.2 Indirekte Kosten
Es gibt zwei Hauptkategorien von indirekten Kosten, die am häufigsten im Zusammenhang mit
Krankheiten bei Arbeitnehmern berücksichtigt werden. Diese sind Fehlzeiten und Anwesenheiten
am Arbeitsplatz (der Produktivitätsverlust durch den Arbeitnehmer, der mit einer Krankheit oder
Behinderung arbeitet).
Kosten durch anwesende, eingeschränkt leistungsfähige Arbeitnehmer lassen sich sehr schwer
messen. In Österreich gibt es keine Daten über solche Kosten. Die meisten Schätzungen von
indirekten Kosten werden daher von den Fehlzeiten abgeleitet. Einige Einschränkungen der Daten
über Fehlzeiten sind jedoch zu beachten. Aufzeichnungen über Krankenstände sind selten genau.
In Österreich stammt ein Teil der Aufzeichnungen über Fehlzeiten aus ärztlichen Meldungen an
Sozialversicherungsanstalten (Krenn, 2005). Bei Umfragen zur Selbstauskunft werden einzelne
Arbeitnehmer gebeten, die Umfrage in Bezug auf einen bestimmten Zeitraum auszufüllen, z.B. die
vergangenen zwei bis vier Wochen (ein Beispiel ist die Mikrozensus-Erhebung von Statistik Österreich). Jede Methode hat ihre Limitationen. Beispielsweise melden Arbeitnehmer im Rahmen der
Selbstauskunft Krankenstände an bestimmten Tagen, an denen sie gar nicht zur Arbeit erscheinen sollten.
Wie im Fehlzeitenbericht aus dem Jahr 2007 erwähnt, bestehen die Kosten und Ausgaben für das
Fehlen am Arbeitsplatz aus folgenden Komponenten (Leoni et al., 2008):
40
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
Tabelle 3.3
Kosten und Ausgaben für das Fehlen am Arbeitsplatz
Arbeitgeber
Volkswirtschaft
Arbeitnehmer
Direkte Kosten
Entgeltfortzahlung
Krankengeld
Beitrag zu den
Behandlungskosten
Behandlungskosten inkl. Verwaltungskosten
Rehabilitation
Unfallversehrtenrente
Indirekte Kosten
„non-wage-costs“:
Gesamtwirtschaftliche Op-
Verringerung der Erwerbs-
•
Produktionsausfälle
portunitätskosten - Produktivi-
fähigkeit, damit verbunden
•
Neuaufnahmen, Über-
tätseffekt und Verminderung
Verringerung des Einkom-
stunden der vorhan-
der Bruttowertschöpfung
mens und der Konsummög-
denen Belegschaft,
Verwaltungsaufwand
lichkeiten
Dämpfung der Nachfrage
infolge sinkender Kaufkraft
Längerfristige Schwächung
des Potentials für Produktivi-
Entgangene Produktion im
Haushalt
Invaliditätspensionen
tätssteigerungen
Fehlzeitenreport 2007. WIFO 2008.
Diese Kosten und Ausgaben verdeutlichen die Tatsache, dass Krankheiten für alle Interessensgruppen teuer ausfallen. Nach Schätzungen im Fehlzeitenbericht kann - unter Berücksichtigung
aller Indizien - eine Einsparung von 2,6Prozent im Bruttosozialprodukt von Österreich erzielt
werden, wenn krankheitsbedingte Abwesenheiten unter österreichischen Arbeitnehmern gesenkt
werden (Leoni et al., 2008). Das entspricht mehr als sieben Milliarden Euro. Bezüglich Kosten
durch Abwesenheit wurde ca. 1Prozent des Bruttosozialproduktes durch Firmen und Sozialversicherungsträger in Form von Krankengeldern bezahlt.4 Die neuesten Zahlen zeigen, dass
Erkrankungen des Bewegungsapparates für 22,5Prozent aller verloren gegangenen Arbeitstage
4 Experten-Interview.
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
41
Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
verantwortlich waren; diese Zahl ist in den letzten 15 Jahren relativ konstant geblieben.5 Wie bei
den direkten Behandlungskosten für Rückenschmerzen wird ein großer Teil der Krankenstände
oft durch einige sehr lange Abwesenheitsperioden verursacht.6 Je länger der Arbeitnehmer von
der Arbeit fernbleibt, desto geringer ist die Möglichkeit seiner Rückkehr zur Arbeit.
Abwesenheiten durch Krankenstände und Anwesenheiten am Arbeitsplatz (eingeschränkt arbeitsfähige Menschen am Arbeitsplatz) sind nicht nur mit indirekten Kosten verbunden; es gibt auch
indirekte Kosten durch Frühpensionierung bei Menschen mit Erkrankungen des Bewegungsapparates (Dagenais et al., 2008; Alavinia und Burdorf, 2008). In der Fachliteratur gibt es große
Schwankungen hinsichtlich Frühpensionierungsraten - abhängig vom Land, Zeitpunkt der Studie
und von der untersuchten Bevölkerung (Lundkvist et al., 2008).
2007 standen Erkrankungen des Bewegungsapparates an erster Stelle bei den Gründen für Berufsunfähigkeitspensionen und vorzeitige Pensionierungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit unter österreichischen Männern - 35,2Prozent aller Fälle waren durch Erkrankungen des Bewegungsapparates
bedingt (Stefanits und Mayer-Schulz, 2007). Bei Frauen zeigt sich ein etwas anderes Bild: 28,1Prozent
aller Berufsunfähigkeitspensionen und vorzeitigen Pensionierungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit waren auf Erkrankungen des Bewegungsapparates zurückzuführen, damit war dies die zweitgrößte
Kategorie nach psychiatrischen Störungen (Stefanits und Mayer-Schulz, 2007). Daher sind nicht nur
Erkrankungen des Bewegungsapparates eine große Quelle von krankheitsbedingten Abwesenheiten,
sondern auch die wichtigste Ursache für Frühpensionierungen wegen gesundheitlicher Störungen.7
Außerdem sind die Kosten der Frühpensionierungen im Zusammenhang mit Erkrankungen des Bewegungsapparates proportional, wenn nicht überproportional zu Kosten durch Fehlzeiten.8
Einige indirekte Kosten im Zusammenhang mit RA wurden im Rahmen einer von Österreich ausgehenden Studie berechnet. Dabei wurde festgestellt, dass die Teilnahmevergütung 858 Euro pro
Patient und die Krankengelder 162 Euro pro Patient ausmachen (Wagner et al., 2005). Die Autoren
konnten andere Variablen, die zu den indirekten Kosten zählen (z.B. Kosten durch eingeschränkte Arbeitsfähigkeit anwesender Arbeitnehmer) nicht berechnen. Die indirekten Kosten von RA in
Österreich sind daher nicht vollständig bekannt. Lundkvist et al. (2008) erwähnen indirekte Gesamtkosten in Höhe von 5.547 Euro pro Patient. Geht man von ähnlichen Zuständen in Österreich wie in
anderen europäischen Ländern (z.B. Deutschland) aus, sind indirekte Kosten für weit mehr als 50
Prozent der Gesamtkosten durch RA verantwortlich (Huscher et al., 2006).
5 Experten-Interview.
6 Experten-Interview.
7 Experten-Interview.
8 Experten-Interview.
42
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
Diese Zahlen stellen trotzdem eine Unterschätzung der tatsächlichen Kosten durch Krankheiten
wie Erkrankungen des Bewegungsapparates dar. Die meisten Menschen mit Erkrankungen des
Bewegungsapparates werden nicht arbeitsunfähig. Trotz der relativ hohen HIntergrundprävalenz
von Erkrankungen des Bewegungsapparates bleiben die meisten Menschen (auch jene mit diagnostizierten Erkrankungen) weiterhin erwerbstätig (Waddell und Burton, 2006a). Es gibt jedoch
potentiell signifikante Kosten durch Produktivitätsverlust, wenn Menschen mit Schmerzen oder
Leiden erwerbstätig bleiben, während sie auf Behandlungen oder Anpassungen am Arbeitsplatz
warten. Wie im vorhergehenden Abschnitt besprochen, reichen die indirekten Kosten durch Krankheiten weit über die verminderte Leistungsfähigkeit des Betroffenen hinaus; sie beeinflussen oft
die Arbeitsleistung der Angehörigen (Pugner, Scott, Holmes, und Hieke, 2000). Ein weiterer Aspekt
von berufsbedingten indirekten Kosten sind zusätzliche Aufwendungen in Zusammenhang mit
der Bereitstellung von Haushaltshilfe (Kavanaugh, 2005) und informeller Pflege. Achtzig Prozent
aller österreichischen Arbeiter mit berufsbedingten Erkrankungen erleben Einschränkungen bei
den Tätigkeiten des täglichen Lebens (Statistik Österreich, 2009a). Unterstützung durch Familienangehörige und zusätzliche Haushaltshilfe können zur Erfüllung der täglichen Pflichten notwendig
sein. Obwohl solche informelle Hilfe schwer zu bestimmen, messen und bewerten ist (was manche
als „informelle Hilfe“ bezeichnen, kann für andere „normal“ sein), sprechen Lundkvist et al. (2008)
von geschätzten jährlichen Kosten in Höhe von 2.562 Euro pro Patient pro Jahr für informelle
Hilfsdienstleistungen in Europa. Diese Zahl schwankt stark und hängt in großem Maße von den im
Rahmen des Gesundheitswesens oder Sozialversicherungssystems gebotenen Diensten und den
Eigenschaften des Arbeitsmarktes im jeweiligen Land ab. In Österreich liegen die Kosten für informelle Betreuung bei knapp unter 3.500 Euro pro Patient (Lundkvist et al., 2008).
3.4.3 Gesamtkosten
Eine Berechnung der spezifischen Kosten für Erkrankungen des Bewegungsapparates birgt die gleichen Schwierigkeiten wie die Berechnung der Gesamtkosten. Kostenschätzungen in den meisten
Studien über die wirtschaftliche Belastung durch RA beziehen sich auf die US-Bevölkerung und das
amerikanische Gesundheitswesen (Cooper, 2000). Die Belastung durch AS für die Gesellschaft ist
weniger bekannt (Chorus et al., 2002). Die Kosten in den USA, Kanada und anderen europäischen
Ländern, besonders in den Niederlanden, Frankreich und Belgien sind besser untersucht als in
Österreich. Angesichts unterschiedlicher Bestimmungen (z. B. Bedingungen für die Auszahlung des
gesetzlichen Krankengeldes und die Dauer dieser Auszahlungen) sind im Allgemeinen die Daten
aus den verschiedenen Ländern hinsichtlich Berufsunfähigkeit nicht direkt vergleichbar (Sieper et
al., 2002). In Österreich werden Arbeitgeber häufig mit Kosten durch Krankenstände konfrontiert,
weil sie die Gehälter der Arbeitnehmer bis zu 12 Wochen lang auszahlen (OECD, 2003). Nach
einer groben Schätzung der Gesamtbelastung für österreichische Firmen durch Erkrankungen des
Bewegungsapparates betrug diese 520 Millionen Euro im Jahr 2002 - direkte und indirekte Kosten
im Zusammenhang mit Erkrankungen des Bewegungsapparates sind in dieser Zahl nicht enthal-
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
43
Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
ten (Krenn, 2005). Arbeitgeber sind daher stark daran interessiert, sich um ihre Arbeitnehmer zu
kümmern bzw. Vorbeugungs- und Frühbehandlungsmaßnahmen zu unterstützen.
Nach Angaben von Lundkvist et al. (2008) betragen die Gesamtkosten für die Behandlung von
RA-Patienten in Österreich 15.799 Euro pro Patient pro Jahr bzw. 862 Millionen Euro. In diesem
Betrag enthalten sind Kosten für medizinische Behandlungen, Arzneimittel, außer-medizinische
Kosten, Kosten für informelle Betreuung und andere indirekte Kosten; hierbei wird jedoch kein
Unterschied zwischen Menschen im erwerbsfähigen Alter und Menschen über dem Pensionsalter
gemacht. Diese Zahlen sind etwas geringer (pro Patient) als jene in anderen westeuropäischen
Ländern. Verglichen mit Osteuropa sind die Kosten pro Patient wesentlich höher (mehr als 10.000
Euro).
Bei einer österreichischen Studie über direkte und indirekte Kosten gaben Wagner et al. (2005)
Schätzungen auf der Basis der in Abbildung 3.5 genannten Variablen.
Tabelle 3.5.
Variablen zur Schätzung der Kosten durch RA in Österreich
Direkte Kosten durch RA in Österreich
Medizinische Kosten
Außer-medizinische Kosten
Diagnostika
Arzneimittel
Unterstützung
Haushaltshilfe
Anpassungen im Wohnbereich und am Arbeitsplatz
Transport
Verabreichung von Arzneimitteln
Chirurgische Eingriffe
Krankenhausaufenthalte
Physiotherapie
Ergotherapie/Ergonomie
Arztbesuche
Indirekte Kosten durch RA in Österreich
Gesetzliches Krankengeld
Pflegegeld
Verminderte Leistungsfähigkeit
Einkommensverlust
Psychosoziale Auswirkungen
Quelle: Wagner et al., 2005
Wegen der oben genannten Einschränkungen hinsichtlich Datenerhebung konnten Wagner et
al. (2005) die Gesamtkosten durch RA nicht ermitteln. Dies unterstreicht einige der Schwierigkeiten, die bei der Berechnung der Kosten durch Erkrankungen des Bewegungsapparates für
44
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
3.5
Zusammenfassung
Arbeitgeber und die Gesellschaft entstehen.
In diesem Abschnitt haben wir den Einfluss von Erkrankungen des Bewegungsapparates auf die
Erwerbsfähigkeit des Betroffenen untersucht - sowohl die physische Seite aufgrund der Erkrankung selbst als auch damit verbundene Auswirkungen durch Konzentrationsverlust und Schmerzen, untersucht. Wir haben den Einfluss des Arbeitsplatzes auf Erkrankungen des Bewegungsapparates bei Krankheitsausbruch und im weiteren Verlauf besprochen. Während viele intrinsische
Risikofaktoren eine Rolle bei Erkrankungen des Bewegungsapparates spielen, sind Arbeitnehmer
auch anderen potentiellen Risikofaktoren - sowohl physischer als auch psychosozialer Natur ausgesetzt. Einige der gängigen Risikofaktoren am Arbeitsplatz sind vielen Arbeitgebern bereits
bekannt und werden analysiert, um ihren Einfluss auf ein Mindestmaß zu beschränken - wie
Erschütterungen oder ergonomische Aspekte am Arbeitsplatz. Der Einfluss anderer Risikofaktoren am Arbeitsplatz - wie Jobqualität - ist jedoch nicht in gleichem Maße bekannt.
Um dieser Lücke in der Produktivität Rechnung zu tragen und eine produktive, über alle Altersgruppen reichende erwerbstätige Bevölkerung zu haben, müssen staatliche Behörden und
Arbeitgeber gemeinsam agieren und sicherstellen, dass die Menschen fit für die Arbeit sind. Die
Erreichung dieses Ziels setzt voraus, dass alle Beteiligten - Arbeitgeber, Kliniker, Staat und Arbeitnehmer - den Stellenwert physischer, psychischer und gesellschaftlicher Faktoren in Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit und deren maßgeblicher Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit des
Einzelnen erkennen.
Wir haben bereits aufgezeigt, wie wichtig es ist, zwischen Risikofaktoren für den Ausbruch von
Erkrankungen des Bewegungsapparates und Risikofaktoren für chronische Erkrankung und
Behinderung zu unterscheiden. Während physische Arbeitsbedingungen Beschwerden im Bewegungsapparat verursachen oder verschlechtern können, hängt der Einfluss oder die Auswirkung
auf einzelne Menschen (Fehlen am Arbeitsplatz oder Arbeitsunfähigkeit) stark mit psychosozialen Aspekten zusammen (Waddell und Burton, 2006b). Den erhobenen Daten zufolge kann die
Erwerbstätigkeit das Voranschreiten dieser Erkrankungen verhindern (Breen, Langworthy und
Bagust, 2005) und dem Betroffenen bei der Erholung von Erkrankungen des Bewegungsapparates helfen, wenn dies notwendig ist (Feuerstein, Shaw, Lincoln, Miller, und Wood, 2003; Chorus
et al., 2003). Diese Maßnahmen haben Folgen für die Entwicklung von Strategien und Interventionen zur Sicherstellung eines erfüllten und produktiven Arbeitslebens für Menschen mit Erkrankungen des Bewegungsapparates und für die Reduktion von Kosten durch Erkrankungen des
Bewegungsapparates.
Abschließend haben wir den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Einfluss von Erkrankungen
des Bewegungsapparates behandelt bzw. direkte, indirekte und Gesamtkosten dieser Erkrankungen besprochen. Erkrankungen des Bewegungsapparates haben einen deutlichen Einfluss auf
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
45
Erwerbstätigkeit und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich
die Erwerbsfähigkeit der Menschen; nicht nur auf individueller sondern auch auf gemeinschaftlicher Ebene betreffen sie einen großen Teil der erwerbstätigen Bevölkerung. Schätzungen zufolge
stellen Erkrankungen des Bewegungsapparates signifikante Kosten für Arbeitgeber, Arbeitnehmer
und die ganze Gesellschaft dar. Es ist daher wichtig, unser Augenmerk darauf zu richten, was
Menschen tun können, um ihre Leistungsfähigkeit möglichst hoch zu halten - einerseits im Interesse der langfristigen Gesundheit des Einzelnen und andererseits um den negativen wirtschaftlichen Effekt des Produktivitätsverlustes zu vermindern.
Im nächsten Abschnitt wird die Rolle der Frühbehandlung in Bezug auf die Aufrechterhaltung der
Erwerbstätigkeit und die frühe Rückkehr zum Arbeitsleben bei Menschen mit Erkrankungen des
Bewegungsapparates behandelt.
46
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
4. Interventionen
Wie wir bereits gesehen haben, haben Erkrankungen des Bewegungsapparates einen erheblichen Einfluss auf die Betroffenen, deren Arbeitgeber und die gesamte Gesellschaft. Diesem
Einfluss wird seit kurzem mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Während es allseits bekannt ist, dass
die Frühintervention ein wesentlicher Bestandteil der Bewältigung des Ausbruchs dieser Krankheiten und der daraus resultierenden Abwesenheiten vom Arbeitsplatz ist, muss man noch ein
Stück des Weges zurücklegen, bevor Menschen mit Erkrankungen des Bewegungsapparates
die bestmögliche Unterstützung bei der Beibehaltung ihrer Arbeitsplätze bzw. der Rückkehr zum
Arbeitsleben erhalten. Manche Arbeitgeber können mit Krankheiten nicht umgehen, manchen
fehlt das Wissen über die Erkrankungen und deren Behandlung, und es gibt widersprüchliche
Aussagen über die Wirksamkeit verschiedener Ansätze zur Anpassung des Arbeitsplatzes bzw.
Programme für die Rückkehr zum Arbeitsplatz. All diese Faktoren wirken als Hindernisse bei der
Verwirklichung eines guten und gesunden Arbeitsklimas für Menschen mit Erkrankungen des
Bewegungsapparates.
Zu den Faktoren, die zur Beibehaltung des Arbeitsplatzes oder Rückkehr zum Arbeitsleben für
Menschen mit Erkrankungen des Bewegungsapparates beitragen, zählt der Kontakt mit Kollegen
und Führungskräften, denn dies bindet den Arbeitnehmer an seinen/ihren Arbeitsplatz. In Österreich wurden folgende Zahlen erhoben: während des Krankenstandes haben 44Prozent aller
Menschen im Krankenstand Kontakt mit ihrem Vorgesetzten oder Geschäftsleiter und 60Prozent
Kontakt mit ihren Kollegen (Lang, 2006). Außerdem wird das Ergebnis durch die Erwartungen des
Arbeitnehmers und seinen Wunsch nach Rückkehr zur Arbeit beeinflusst. Nach einer Umfrage
durch Lang (2006) rechnen mehr als die Hälfte aller österreichischen Arbeitnehmer im Krankenstand damit, dass sie zu ihren Arbeitsplätzen gar nicht zurückkehren. Bei einer nachfolgenden
Umfrage war nach sechs Monaten nur ein Drittel der Menschen im Krankenstand zur Arbeit
zurückgekehrt (Lang, 2006). Das Augenmerk auf Frühbehandlungen zu richten, bei denen die
Arbeitnehmer erwerbstätig bleiben bevor sie in den Krankenstand gehen, könnte die Zahl der
Menschen im längerfristigen Krankenstand reduzieren. Ein Faktor, der möglicherweise die Rückkehr zur Arbeit beeinflusst ist Stress; jene, die zum Berufsleben nicht zurückkehrten, hatten nach
eigenen Angaben mehr Stress bei der Arbeit erlebt (Lang, 2006).
Den Angaben des Österreichischen Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen zufolge
wird die Wiedereingliederung von Menschen in die berufliche Umgebung und Gemeinschaft mit
zunehmendem Nachdruck verfolgt (Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, 2005). In
Österreich herrscht jedoch ein Mangel an Interventionen am Arbeitsplatz (Lang, 2006). Außerdem
muss mehr getan werden, um Arbeitnehmer mit einem Risiko für langfristige Abwesenheiten zu
identifizieren und ihnen Interventionen für die frühzeitige Rückkehr zum Berufsleben zu bieten.9
9 Experten-Interview.
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
47
Interventionen
Die Österreichische Wirtschaftskammer (WKO) hat das erste bundesweite Netzwerk zur Förderung der Gesundheit am Arbeitsplatz gegründet (Gleitsmann, 2004). Programme zur Förderung
der Gesundheit am Arbeitsplatz haben das Potential, Kosten für die österreichische Wirtschaft
um 43,6 Milliarden bzw. 1,7Prozent des Bruttosozialproduktes zu reduzieren (Gleitsmann, 2004).
Unter Führungskräften, Gewerkschaften, Arbeitsmedizinern und Fachleuten gibt es ein steigendes Bewusstsein über den Einfluss von Erkrankungen des Bewegungsapparates auf das Arbeitsleben.10 Sozialversicherungsanstalten und Sozialpartner, welche die Interessen der Arbeitgeber
und Arbeitnehmer vertreten, haben sich bemüht, Maßnahmen zur Förderung der Gesundheit am
Arbeitsplatz zu unterstützen; diese betreffen auch Erkrankungen des Bewegungsapparates.11
Allerdings ist das Bewusstsein über bestimmte Erkrankungen des Bewegungsapparates nicht
stark ausgeprägt.12
Ein verbessertes Bewusstsein erhöht die Chancen der Frühintervention und erfolgreichen
Intervention. Es muss allerdings noch viel getan werden, um die Programme zur Förderung der
Gesundheit am Arbeitsplatz zu verbreiten. Dieses Ziel wäre leichter zu erreichen, wenn man im
Rahmen arbeitsmedizinischer und sicherheitstechnischer Maßnahmen die Hauptursachen der
Berufsunfähigkeit gezielt angehen würde.13 Parallel zur verstärkten Verbreitung können Qualitätskontrollen und -analysen zusätzliche Daten über die Wirksamkeit und das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Interventionen liefern.
Dieser Abschnitt behandelt die verschiedenen Interventionen, die Arbeitnehmer mit Erkrankungen
des Bewegungsapparates mit größter Wahrscheinlichkeit dabei unterstützen können, erwerbsfähig zu bleiben, zur Arbeit zurückzukehren, leistungsfähig zu bleiben, gesundheitliche Vorteile bei
der Arbeit zu erleben und weiterhin einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten.
4.1
Arbeitnehmern mit Erkrankungen des Bewegungsapparates den raschestmöglichen Zugang zur
Gründe
entsprechenden Behandlung und Unterstützung sicherzustellen ist ein Thema, dem Arbeitgeber
für die
Frühinter­
vention
und medizinische Fachleute größte Priorität einräumen müssen. Epidemiologische Studien mit
Arbeitnehmern, die wegen Rückenschmerzen vom Arbeitsplatz fernblieben, zeigten folgendes: je
länger der Krankenstand, desto schwieriger wird die Rückkehr des Arbeitnehmers zum Arbeitsplatz und desto höher ist die wirtschaftliche Belastung (Frank et al., 1998; Meijer, Sluiter, Heyma,
Sadiraj, und Frings-Dresen, 2006). Krankenstände haben auch nachgewiesenermaßen einen
nachteiligen psychischen Einfluss auf die Arbeitnehmer (Meijer, Sluiter, und Frings-Dresen, 2005).
10 Experten-Interviews.
11 Experten-Interview.
12 Experten-Interview.
13 Experten-Interview.
48
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Interventionen
Die zeitgerechte Einleitung der Behandlung ist daher von größter Wichtigkeit für die Genesung
des Betroffenen und seine Selbstverwaltung; sie kann außerdem die Zahl der verloren gegangenen Arbeitstage bzw. den durch Erkrankungen des Bewegungsapparates bedingten Produktivitätsverlust reduzieren (obwohl die Daten über die Kostenwirksamkeit der einzelnen Programmen
für die Rückkehr zum Arbeitsplatz nicht beweiskräftig sind).
Verschiedene Interessensgruppen haben das Thema Gesundheit am Arbeitsplatz behandelt.14
Beispielsweise wurden Initiativen zur Erhöhung des Bewusstseins über die Integration benachteiligter Gruppen in die arbeitende Bevölkerung veröffentlicht. Wie bereits erwähnt, wurde der
steigenden Zahl älterer Arbeitnehmer in Österreich einige Aufmerksamkeit gewidmet. Programme
für den Umgang mit dem Altern am Arbeitsplatz wurden entwickelt, um eine tragfähige Beschäftigung älterer Arbeitnehmer zu gewährleisten (Biffl, 2005). Eine Intervention zur Unterstützung der
fortgesetzten Beschäftigung älterer Arbeitnehmer und der langfristig Arbeitslosen ist das „Health
Foundations“ -Programm. Im Rahmen dieses Programms werden Arbeitnehmer und Arbeitgeber
angeregt, ältere Arbeitnehmer mit Krankheiten in der Belegschaft zu halten; dies geschieht durch
Vorschläge für die Anpassung des Arbeitsplatzes und Rehabilitationsmaßnahmen (Europäische
Kommission DG, Beschäftigung, Soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit; 2008). Eine
weitere Initiative zur Verbreitung von Informationen über gute Praktiken ist die Internet-Plattform
„Arbeit und Alter“ (Europäische Kommission DG, Beschäftigung, Soziale Angelegenheiten und
Chancengleichheit; 2008). Um die Teilnahme älterer Menschen noch mehr zu fördern wird
empfohlen, neue Modelle der Teilzeitbeschäftigung zu entwickeln.15
Parallel zu den Faktoren, die die Teilnahme älterer Arbeitnehmer beeinflussen, bietet die InternetPlattform „Arbeit und Behinderung“ - ähnlich wie „Arbeit und Alter“ - Beispiele von guten Praktiken und Informationen über jene Stellen, bei denen der Betroffene Unterstützung und Beratung
suchen kann. Diese Webseite hat das Ziel, die Integration älterer Menschen zu fördern und der
Diskriminierung entgegenzuwirken. Eine ähnliche Initiative ist die Webseite „Arbeit und Gesundheit“ mit dem Ziel, die Leser über die erhältlichen Daten zu informieren und Firmen zu der Einsicht
zu bringen, dass „eine Firma so gesund wie ihre Mitarbeiter ist“ (Europäische Kommission DG,
Beschäftigung, Soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit, 2008).
Ein weiteres Programm, das in Österreich angeboten wird, ist das Service Arbeit und Gesundheit
(SAG) durch das Berufliche Bildungs-und Rehabilitationszentrum (BBRZ) (Europäische Kommission DG, Beschäftigung, Soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit, 2008). Unter anderem
wirkt dieses Programm als Koordinationsstelle und hilft bei der Suche nach Anpassungen des
14 Expert-Interviews.
15 Experten-Interview.
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
49
Interventionen
Arbeitsplatzes bzw. Umschulung und legt das Augenmerk eher auf die Arbeitsfähigkeit als auf die
Arbeitsunfähigkeit des Menschen (Europäische Kommission DG, Beschäftigung, Soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit, 2008). Die durch das BBRZ angebotene berufliche Rehabilitation enthält vier Stufen der Fall-Betreuung: Diagnose; Rehabilitation; Stabilisierung, Ausbildung
und Qualifikation; und Wiedereingliederung. Auch bei diesem Programm wird die Frühintervention
betont, d.h. die Einleitung von Maßnahmen, bevor der Betroffene seine Erwerbstätigkeit aufgibt
(Europäische Kommission DG, Beschäftigung, Soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit, 2008). Das neue Programm hat 327 Arbeitnehmer zum Arbeitsplatz zurückgebracht - dies
entspricht einer Erfolgsrate von 65Prozent (European Commission DG, Beschäftigung, Soziale
Angelegenheiten und Chancengleichheit, 2008).
Trotz der Fortschritte in manchen Bereichen fordert der Österreichische Gewerkschaftsbund
mehr Bewusstsein, besonders in Bezug auf Vorbeugungsmaßnahmen am Arbeitsplatz (Krenn,
2005). Der Zurück-zur-Arbeit-(Back to Work) Bericht (Europäische Kommission für Sicherheit und
Gesundheit am Arbeitsplatz, 2007) unterstreicht den Bedarf an Maßnahmen für die Primärprävention. Den Interviews zufolge steigt das Bewusstsein über die Verbesserung von Arbeitsbedingungen bei Menschen mit Erkrankungen des Bewegungsapparates; die Interessensgruppen sind
bemüht, die Gesundheit am Arbeitsplatz zu fördern. Trotzdem gibt es noch einiges zu tun.
Eine Möglichkeit, die im Folgenden anhand eines Beispiels erläutert wird, wäre die Bekämpfung
von Erkrankungen des Bewegungsapparates durch ein Motivationsprogramm mit dem Ziel, die
Gesundheit von Menschen mit chronischen Rückenschmerzen zu verbessern.
50
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Interventionen
Fallbericht
Einleitung
Das Ziel der Intervention waren verbesserte Ergebnisse bei Arbeitnehmern mit Rückenschmerzen durch das Angebot eines kombinierten Bewegungs- und Motivationsprogramms.
Welcher Ansatz wurde gewählt?
Die Studie umfasste zwei Gruppen - die erste Gruppe absolvierte ein Bewegungsprogramm (Kontrollgruppe) und die zweite absolvierte das kombinierte Bewegungs- und
Motivationsprogramm. Beide Gruppen erhielten 10 Behandlungen von gleicher Dauer - ca.
25 Minuten pro Sitzung, zwei- bis dreimal pro Woche. Allen Patienten wurde geraten, die
Übungen zu machen und auch zu Hause aktiv zu bleiben.
Das Ziel des Bewegungsprogramms war die Verbesserung der Beweglichkeit der Wirbelsäule, der Kraft im Oberkörper und in den unteren Extremitäten, Belastbarkeit, Ausdauer
und Koordination. Als optimales Ergebnis galt die Wiederherstellung der normalen Funktion.
Das Motivationsprogramm bot umfangreiche Beratung und Aufklärung für Patienten;
verstärkte die Kontrollüberzeugung der Patienten durch Aufklärung über den Einfluss
ihrer Handlungen auf das Ergebnis; verstärkte die Teilnehmer durch positives Feedback
und die Entwicklung einer Belohnungs- und Bestrafungsstrategie für die Einhaltung der
Behandlungsempfehlungen; entwickelte Behandlungsverträge, die zwischen dem Therapeuten und dem Patienten ausgehandelt und in der häuslichen Umgebung des Patienten
zur Verstärkung der Motivation ausgehängt wurden; und ermutigte die Patienten, ein
Bewegungstagebuch zu führen.
Was waren die Ergebnisse?
Die Arbeitsfähigkeit stieg unmittelbar während der Bewegungstherapie nicht an. Eine
signifikante Verbesserung zeigte sich jedoch in der Motivationsgruppe zwischen der
ersten Behandlung und der viermonatigen Nachbeobachtungszeit und auch zwischen
der ersten Behandlung und der fünfjährigen Nachbeobachtungszeit. In der Gruppe, die
nur Bewegungstherapie erhielt, wurde keine Verbesserung festgestellt. Insgesamt zeigte
die Motivationsgruppe zweifach verbesserte Ergebnisse zwischen 12 Monaten und fünf
Jahren hinsichtlich der Reduktion der langfristigen Arbeitsunfähigkeit.
Schlussfolgerung
Die Kombination von Bewegungstherapie und einem Motivationsprogramm kann die langfristige Behinderung und Schmerzen im Zusammenhang mit chronischen Rückenschmerzen verbessern und auch die Arbeitsfähigkeit signifikant beeinflussen.
Quellen:
Frederich, M., Gittler, G., Arendasy, M, & Friedrich, K.M. (2005). Long-term effects of a combined exercised
and motivational program on the level of disability of patients with chronic low back pain. Spine, 30, 9, 995-1000.
Frederich, M., Gittler, G, Halberstadt, Y, Cermak, T., & Heiller, I. (1998). Combined exercise and motivation
program: effect on the compliance and level of disability of patients with chronic low back pain: a randomized
controlled trial. Archives of Physical Medicine and Rehabilitation, 79, 5, 475-87.
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
51
Interventionen
Frühinterventionen sind auch im besten Interesse der Arbeitgeber, die ihre Kosten durch Krankenstände und den Einkommensverlust durch Abwesenheit verringern wollen. Nach einer Überprüfung der vorhandenen Daten empfehlen Breen et al. (2005), dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber
die Arbeitsverhältnisse in der erste Woche besprechen und anpassen. Arbeitnehmer, die über
ihre Erkrankung besorgt sind, sollten fachliche Hilfe suchen. Nach entsprechender Zuweisung,
Diagnose, Beratung und geplanten Maßnahmen sollte die Situation innerhalb von vier Wochen
nochmals überprüft werden.
Programme zur Beibehaltung des Arbeitsplatzes und Rückkehr zum Arbeitsplatz hängen davon
ab, dass die Patienten so früh wie möglich die entsprechende medizinische Betreuung erhalten.
Hausärzte sind die erste Anlaufstelle für viele Menschen mit Erkrankungen des Bewegungsapparates und die ausstellende Stelle für Krankheitsbescheinigungen. Hausärzte können den Patienten beim Umgang mit der Krankheit stark unterstützen und tragen wesentlich zur Verhinderung
bzw. Erleichterung der Rückkehr des Betroffenen zum Arbeitsplatz bei.
4.2
Das
Sozial­
In den meisten EU-Mitgliedsstaaten wird folgendes zunehmend klarer: Interventionen durch das
Sozialversicherungssystem können einen großen Unterschied bei Bürgern im arbeitsfähigen Alter
mit langfristigen und chronischen erkrankten bzw. bei arbeitsunfähigen Menschen bewirken.
versicherungs­
programm
Zwei Ministerien beaufsichtigen die Verwaltung des Sozialversicherungssystems in Österreich:
für arbeitsun-
das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen (jetzt Bundesministerium für Gesundheit) und
fähige
das Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz( jetzt Bundesministerium für Arbeit,
Menschen
Soziales und Konsumentenschutz). 16 Die tägliche Verwaltung obliegt unabhängigen Institutionen
und 21 Krankenkassen wie der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) (Hofmarcher und
Rack, 2006). Zur Sozialversicherung gehören Gesundheits-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung (Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, 2007).
Die Versicherung wird durch einkommenbezogene Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern
finanziert. Das Geld fließt der entsprechenden Krankenkasse oder Unfallversicherungskasse zu.
Außerdem gibt es private Krankenversicherungen für ÖsterreicherInnen aber diese sind zum Teil
teuer (Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, 2007). Mit
einer Privatversicherung kann der Betroffene sofort eine Rehabilitation beanspruchen und muss
nicht auf die im staatlichen System vorgesehene Genehmigung warten.
Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten obliegen der AUVA (ESIP, 2003; Europäische Agentur für
Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, 2007). Die Berufsunfallversicherung versorgt
ungefähr 4,3 Millionen Menschen (2,7 Millionen Lohn- und Gehaltsempfänger, 1,3 Millionen Schü16 Expert-Interview.
52
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Interventionen
ler und Studenten, 272.000 Selbständige) und ist dem Gesetz nach verpflichtet, für die Vorbeugung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, arbeitsmedizinische Betreuung, erste Hilfe bei
Arbeitsunfällen, post-traumatische Behandlung, Rehabilitation, Entschädigung nach Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten zu sorgen (Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz
am Arbeitsplatz, 2007). Arbeitgebern bietet die AUVA Beratung zum Thema Arbeitssicherheit und
-gesundheit sowie zum Thema Anpassungen am Arbeitsplatz. Außerdem bietet die AUVA arbeitsmedizinische Dienste sowie Behandlung nach Unfällen und Rehabilitation für arbeitsunfähige
Menschen (Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, 2007).
Nach einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit ist das erste Ziel die Wiederherstellung der
Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des Betroffenen durch Rehabilitation und Umschulung, falls nötig
(Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, 2007).
Erkrankte Menschen erhalten Zuschüsse von einer der neun Gebietskrankenkassen oder einer
der acht Betriebskrankenkassen. Manche Krankenkassen sind für bestimmte Bereiche vorgesehen - Bergbauarbeiter, Öffentlich Bedienstete, oder Bauern. Kranke Menschen werden insgesamt
durch 22 Krankenkassen versorgt (ESIP, 2003). Erkrankte Arbeitnehmer haben Anspruch auf
Krankengelder ab dem vierten Tag des Krankenstandes bis zu 52 Wochen danach (Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, 2005). Die Höhe des Krankengeldes hängt vom letzten
Einkommen des Arbeitnehmers (oder vom Höchstbetrag) ab und beträgt 50 Prozent dieser
Summe bis zum 43. Tag. Nach dieser Zeit erhält der Betroffene 60 Prozent (Bundesministerium
für Gesundheit und Frauen, 2005). Solange die erkrankte Person ihren Lohn/ihr Gehalt bekommt,
werden jedoch keine Krankengelder bezahlt (Bundesministerium für Gesundheit und Frauen,
2005).
Invaliditätspensionen, Renten und Berufsunfähigkeitspensionen werden durch eine weitere Institution – die Pensionsversicherungsanstalt – verwaltet (ESIP, 2003). 2001 machten Berufsunfähigkeitspensionen über 35 Prozent aller neuen Pensioneriungen aus. Erkrankungen des Bewegungsapparates (35 Prozent) wurden als häufigste Erkrankung genannt, gefolgt von psychischen
und psychiatrischen Erkrankungen (21 Prozent) sowie koronarer Herzkrankheit (13 Prozent).
(Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, 2007). Gegenwärtig
kann der Aufbau der Berufsunfähigkeitspension Menschen daran hindern, ihre Erwerbstätigkeit
fortzusetzen oder zum Arbeitsplatz zurückzukehren, denn sie bietet keine Möglichkeit für teilweise
Berufsunfähigkeit oder teilweise Fortsetzung der Erwerbstätigkeit.17
17 Experten-Interview.
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
53
Interventionen
Das österreichische Sozialversicherungssystem wird unten dargestellt.
Abbildung 4.1 Das österreichische Sozialversicherungssystem
Unfallversicherung
Krankenversicherung
Pensionsversicherung
AUVA
Regionale
Krankenversicherungs
einrichtungen
Pensionsversicherung
Firmeninterne
Krankenkassen
Sozialversicherungsanstalt
der gewerblichen Wirtschaft
Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft
Sozialversicherungsanstalt der Bauern
Versicherungsanstalt für Öffentlich
Bedienstete
Versicherungsanstalt des
Österreichischen Notariats
Quelle: Vilmos, 2005
Bei einer durch die AUVA finanzierten Intervention wurde versucht, die Zahl der Unfälle und
Abwesenheitstage zu reduzieren (Krenn, 2005). Das BAUfit-Programm war einschlägig für die
Bauindustrie konzipiert. Es wurde versucht, die Beweglichkeit, Kompetenz und Zusammenarbeit
zu fördern bzw. Stress und Abnutzungserscheinungen am Körper zu reduzieren. An diesem interdisziplinären Projekt nahmen Arbeitsmediziner, Psychologen, Physiologen und Unternehmensberater teil. Die Vorbeugung von Erkrankungen des Bewegungsapparates war eines der erklärten
Ziele des Programms. Die AUVA stellte fest, dass die voraussichtliche Anzahl der Krankentage
durch das Programm signifikant reduziert wurde und verzeichnete auch einen Rückgang der
Unfälle auf Null (Krenn, 2005). Der Erfolg des BAUfit-Programms hat zur Einführung ähnlicher
Programme (AUVAfit und PFLEGEfit) für andere Industriezweige geführt (Krenn, 2005).
54
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Interventionen
4.3
Für jene mit bestimmten Erkrankungen des Bewegungsapparates ist die prompte Zuweisung an
Krankheits-
den entsprechenden Facharzt zwecks Untersuchung und Behandlung meistens von entschei-
spezifische
dender Bedeutung.18 Jene mit Erkrankungen des Bewegungsapparates erleben zahlreiche
Interventionen
Probleme im Zusammenhang mit der langfristigen Behandlung. Dazu gehören das Fehlen eines
multidisziplinären Ansatzes, schlechte Beratung über Schmerztherapie und das Fehlen eines klar
integrierten Behandlungsverlaufs. Trotzdem gibt es einige krankheitsspezifische Interventionen,
die sich bei der Beibehaltung des Arbeitsplatzes und der Rückkehr zum Arbeitsplatz als wirksam
erwiesen haben.
4.3.1 Rheumatoide Arthritis
Der Stellenwert der wirksamen und frühen Behandlung zur Verminderung von Gelenkschädigung und Arbeitsunfähigkeit wird allseits akzeptiert (Pugner et al., 2000). Da es gegenwärtig
keine „Heilung“ für RA gibt, hat die Behandlung folgende Schwerpunkte: a) Zeichen und Symptome beherrschen, b) den Patienten befähigen, mit der Krankheit umzugehen, b) Lebensqualität
verbessern. RA-Behandlungen haben das Ziel, den einen oder anderen Teil des gelenkschädigenden Vorgangs zu hemmen. Die Wirksamkeit der Behandlung ist in den letzten Jahren verbessert worden. Da es klar dokumentiert ist, dass die funktionellen Fähigkeiten von RA-Patienten
mit der Zeit abnehmen, müssen die Patienten so rasch wie möglich krankheitsmodifizierende
Antirheumatika zur Beherrschung der Symptome und Hemmung der Krankheitsprogression
erhalten (Aletaha et al., 2002; Nell et al., 2004). Eine Studie zeigte ein 73%-iges Risiko für erosive
Schädigung bei Patienten, die länger als ein Jahr nach Krankheitsausbruch warten, bevor sie sich
an eine Rheuma-Klinik zuweisen lassen (Irvine, 1999 in Luqmani et al., 2006). Die zeitgerechte
Zuweisung vom Hausarzt an Fachärzte - die in Österreich einer Verbesserung bedarf - würde
die Zeit zwischen Ausbruch der Krankheit und angemessener Behandlung reduzieren.19 Ein Teil
des Problems in Österreich in Bezug auf den Erhalt einer angemessenen Behandlung resultiert
aus dem fehlenden Bewusstsein bei der allgemeinen Bevölkerung über spezifischen Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis (Machold et al., 2003; Machold, 2007). Aus diesem Grund wird die
Behandlung erst lange nach Ausbruch der Symptome gesucht (Machold et al., 2003; Machold et
al., 2007). Obwohl die österreichische Bevölkerung relativ gesundheitsbewusst ist, müssen das
Wissen und die Wichtigkeit der Früherkennung und -intervention gesteigert werden.
Die ständige Erweiterung der klinischen Erkenntnisse zeigt, dass medikamentöse Anti-TNFTherapien auf RA stärker wirken können als DMARD, besonders in Bezug auf die Verbesserung
im Bereich der Arbeitsfähigkeit und der Teilnahme am Berufsleben (Halpern, Cifaldi, und Kvien,
2008). Menschen mit RA in Österreich, die von medikamentösen Anti-TNF-Therapien profitieren
18 Expert-Interview.
19 Expert-Interview.
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
55
Interventionen
können, erhalten sie anscheinend nicht (Jonsson, Kobelt, und Smolen, 2008). Ein Drittel der
Bevölkerung lebt in ländlichen bzw. Alpinenregionen, wo es an fachärztlicher Betreuung mangelt
(Machold et al., 2003). In Österreich korreliert die Zufriedenheit des Patienten mit der Nähe zu
einer rheumatologischen Betreuungseinrichtung. Angesichts der eingeschränkten Betreuung
in ländlichen Gebieten fordert die Österreichische Rheumaliga mehr rheumatologische Pflegeeinrichtungen bzw. praktizierende niedergelassene Rheumatologen außerhalb der Großstädte
(Nothnagl et al., 2003). Die Tatsache, dass es in einem Verwaltungsbezirk von Österreich keinen
einzigen niedergelassenen Rheumatologen gibt, unterstreicht diesen Mangel (Rheumalandkarte, 2008). Außerdem wurde die Facharztausbildung für Rheumatologie in Österreich erst vor 15
Jahren ins Leben gerufen.20
Um den Zugang zu fachärztlicher Betreuung und das Bewusstsein über Erkrankungen des Bewegungsapparates zu verbessern entwickelte die Österreichische Gesellschaft für Rheumatologie
das Rheuma-Bus-Programm (Machold et al., 2007): ein großer mobiler Bus wurde an 40 leicht
erreichbaren öffentlichen Stellen in ganz Österreich platziert und fast 3.000 Menschen wurden
im Bus durch Fachärzte untersucht (Machold et al., 2007). Bei mehr als 40% der Besucher wurde
eine degenerative Gelenkserkrankung oder Erkrankung der Wirbelsäule vermutet und fast 90%
hatten Schmerzen aufgrund einer Erkrankung des Bewegungsapparates (Machold et al., 2007).
RA wurde bei 3,6% der Klienten vermutet (Machold et al., 2007).
Um den Zugang zu angemessener Behandlung zu verbessern, wurde 1995 das Österreichische
Früharthritis-Aktionsprogramm auf Bundesebene gegründet (Machold et al., 2003). Das Hauptziel
dieser Klinik bestand darin, Patienten auf dem schnellsten Weg zum Facharzt zu bringen, indem
Wartezeiten für Menschen mit Beschwerden, die seit weniger als 12 Wochen bestehen, auf weniger als zwei Wochen zu verkürzen. Um die Zuweisungsmodalität zu verbessern wurde für das
Programm bei Interessensgruppen geworben, aufklärende Artikel in der Österreichischen Ärztezeitung veröffentlicht, Aufklärung über die Zeichen und Symptome von Arthritis über die Medien
gefördert und Früharthritis-Kliniken wurden von der Logistik her aufgebaut (Machold et al., 2003).
Unter den Patienten, die am Programm teilnahmen, fanden sich innerhalb eines Jahres signifikante Verbesserungen der RA und auch spontane Remissionen (Machold et al., 2003). Nach drei
Jahren wurden bei den wenigen, in der Studie verbliebenen Patienten trotz Frühbehandlung mit
DMARD Gelenkschädigungen festgestellt (Machold et al., 2007). Andererseits war die Anzahl
von Menschen mit Gelenkschädigung trotzdem geringer als in anderen Bevölkerungsgruppen: ein
Hinweis dafür, dass die Frühbehandlung erosive krankheitsbedingte Schädigungen bei mindestens einigen Patienten verhindern kann (Machold et al., 2007). Frühdiagnose und -behandlung
20 Experten-Interview.
56
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Interventionen
haben das Potential, entzündliche Erkrankungen zu hemmen, das Behandlungsergebnis bei
Patienten zu verbessern und die Möglichkeit der fortgesetzten Erwerbstätigkeit zu erhöhen.21 Die
Kombination von Anti-TNFs und DMARDs kann ebenfalls den Zustand des Patienten verbessern
(Machold et al., 2006) und den Betroffenen die Erwerbstätigkeit bzw. die Rückkehr zur Arbeit
ermöglichen.
Medizinische Behandlungen in Form von Arzneimitteltherapie zur Beherrschung der Entzündung und der Krankheitsprogression sowie chirurgische Eingriffe zur Beseitigung struktureller
Schäden sind nur ein Teil der RA-Behandlung. Andere wichtige Bestandteile sind die Aufklärung
und Mitwirkung des Patienten, praktische Selbstverwaltung beim Umgang mit Symptomen und
fachärztliche Unterstützung beim Leben mit der Krankheit und ihren Folgen. Zur wirksamen
RA-Behandlung gehört nicht nur das klinische Team (einschließlich Hausärzte, Rheumatologen,
Physiotherapien, Ergotherapeuten, Fußpfleger, Apotheker, Krankenschwestern und orthopädischer Chirurgen), sondern auch die Teilnahme des Patienten und idealerweise deren Arbeitgeber.
Sozialarbeiter spielen auch eine wichtige Rolle.
4.3.2 Spondylarthropathien
Die prompte Zuweisung an den Facharzt zur Bestätigung der Diagnose und für den Beginn der
Behandlung ist auch unerlässlich für Menschen mit AS oder anderen rheumatischen Erkrankungen
(Falkenbach, Frankke, und van der Linden, 2003). Ähnlich wie bei RA gibt es auch für AS keine
Heilung. Die Ziele der therapeutischen Intervention liegen daher in der Reduktion der Entzündung,
Beherrschung von Schmerzen und Steifigkeit, Linderung systemischer Symptome wie Erschöpfung,
und Verlangsamung bzw. Anhalten der Krankheitsprogression. Die Verschreibung nicht-steroidaler
anti-entzündlicher Arzneimittel (NSAID) oder Anti-TNF-Mittel in Kombination mit regelmäßiger
Physiotherapie bilden gegenwärtig die Basis der AS-Behandlung. Trotz der nachgewiesenen
Vorteile von körperlicher Bewegung bei AS wird diese nur von einer Minderheit der Betroffenen in
Österreich konsequent betrieben (Falkenbach, 2003). Jüngere, weniger behinderte Menschen in
Österreich mit AS betreiben am wenigsten Sport – dadurch verringert sich die Möglichkeit, Bewegungseinschränkungen und Krankheitsprogression zu vermeiden (Falkenbach, 2003).
Da typischerweise relativ junge Menschen von AS betroffen sind, kann das Potential der Krankheit, die Teilnahme des Betroffenen am Arbeitsmarkt zu unterbrechen oder gar einzuschränken,
ziemlich hoch sein. Wie bereits besprochen, hat die möglichst lange, ununterbrochene Beschäftigung dieser Menschen wichtige klinische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Vorteile. Die
meisten Menschen mit entzündlichen Erkrankungen wollen ihre Erwerbstätigkeit beibehalten.22
21 Experten-Interview.
22 Experten-Interview.
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
57
Interventionen
Abhängig von der Schwere ihrer Erkrankungen können AS-Patienten von Anpassungen des
Arbeitsplatzes, flexiblen Arbeitsbedingungen, Bewegungsprogrammen und Physiotherapie profitieren (Boonen et al., 2001).
4.3.3 Unspezifische Erkrankungen des Bewegungsapparates
Der primäre Fokus diese Berichts lag auf der Erhebung von Interventionen und anderen Faktoren,
die die Beibehaltung des Arbeitsplatzes, die Teilnahme am Arbeitsmarkt und die Jobqualität bei
Menschen mit Erkrankungen des Bewegungsapparates beeinflussen. Wir haben bereits gesehen,
dass die körperliche Beeinträchtigung jeden dieser Aspekte behindern kann; trotzdem können
viele Menschen - selbst jene mit ernsthafter und chronischer Arbeitsunfähigkeit - ein umfassendes
und erfüllendes Arbeitsleben führen und tun dies auch. Da Rückenschmerzen und die Mehrheit der
Erkrankungen der oberen Extremitäten keine heilbaren Krankheiten sind und es sehr wenig Daten
zur Vorbeugung dieser Erkrankungen gibt, sollte nach Ansicht mancher Fachleute die Behandlung darauf abzielen, das höchstmögliche bzw. erwünschte Maß an Bewegung und Teilnahme zu
erreichen sowie chronische Beschwerden und das periodische Wiederkehren der Beschwerden zu
vermeiden (Burton, 2005; Bekkering et al., 2003); diesen Zielen wird mehr Bedeutung beigemessen als der Eliminierung der Ursache oder der Rückkehr zur normalen Funktion.
Maßnahmen zur Erleichterung oder Linderung der Symptome von unspezifischen Erkrankungen des Bewegungsapparates werden immer Priorität haben; nichtsdestotrotz sind medizinische
Interventionen nicht unbedingt der einzige oder beste Weg zur Erholung oder die beste Methode
der Hilfeleistung für jene mit unspezifischen Erkrankungen des Bewegungsapparates. Tatsächlich
können bei unspezifischen Erkrankungen die Chancen der Erholung und Rückkehr zur Arbeit durch
„Überbehandlung“ nachteilig beeinflusst werden. Einschränkungen durch Krankheitsbestätigungen,
gesetzlich festgelegte Krankenstandsdauer und pro forma „Zurück-zur-Arbeit-Programme“ können
die „Krankheit“ des Patienten verstärken und die Handlungsfreiheit der Arbeitgeber beschneiden. Da psychosoziale Faktoren nachweislich für die Chronizität und den Behinderungsgrad von
Menschen mit Rückenschmerzen bestimmend sind, gibt es starke Argumente für die Neudefinierung und Behandlung dieser Erkrankung; daraus lassen sich auch wichtige Schlussfolgerungen für
andere Arten von unspezifischen Schmerzen des Bewegungsapparates ableiten (Burton, 2005).
In ihrer Arbeit über die berufliche Rehabilitation fassen Waddell und Burton (2006b) die Herausforderung kurz und bündig zusammen: während viele unspezifische Erkrankungen des Bewegungsapparates keine klar definierten klinischen Merkmale und eine hohe Prävalenz bei der
arbeitenden Bevölkerung aufweisen, klingen die meisten Episoden von alleine ab und die Mehrheit der Menschen mit diesen Erkrankungen bleibt entweder erwerbstätig oder kehrt rasch ins
Berufsleben zurück. Den Autoren zufolge kann es wenig hilfreich sein, wenn man sich allein auf
die Arbeitsunfähigkeit konzentriert:
58
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Interventionen
„...die wesentliche Frage ist nicht, was manche Menschen dazu bringt, langfristige Arbeitsunfähigkeit zu entwickeln, sondern warum sich manche Menschen mit üblichen Erkrankungen nicht
so rasch erholen wie erwartet? Es wird inzwischen allseits anerkannt, dass biopsychosoziale
Faktoren zur Entwicklung und Persistenz von chronischen Schmerzen und Behinderung beitragen. Von äußerster Wichtigkeit ist der Umstand, dass sie auch die Erholung und Rückkehr zur
Arbeit behindern können. Die Logik der Rehabilitation verschiebt sich dann vom Umgang mit
verbleibender Beeinträchtigung zur Lösung der biopsychosozialen Hindernisse, die die ersehnte
Erholung verzögern oder verhindern können.’
(Waddell und Burton, 2006b, p.7)
Das biopsychosoziale Modell ist ein erklärender Rahmen, bei dem der Stellenwert psychischer
und gesellschaftlicher Faktoren und der bestimmende Einfluss dieser Faktoren auf den Umgang
mit Erkrankungen des Bewegungsapparates berücksichtigt wird. Im folgenden Abschnitt wird
das biopsychosoziale Modell kurz besprochen und seine Folgen für die arbeitende Bevölkerung
umrissen.
4.4
Das bio­
psychosoziale
Das biopsychosoziale Modell regt Kliniker, Arbeitsmediziner und andere Fachleute an,
das Wechselspiel biologischer (z.B. Erkrankung, Gelenkschädigung), psychischer (z.B.
Disposition, Angst) und gesellschaftlicher (z.B. berufliche Ansprüche, Unterstützung durch
Modell und
die Familie) Faktoren abzuwägen. Es steht außer Frage, dass die psychische Disposition
die Erwerb­
und das Verhalten des Patienten des Patienten seinen Ansatz in Bezug auf eine körperliche
stätigkeit
Beeinträchtigung (wie Rückenschmerzen) maßgeblich beeinflussen können. In manchen
Fällen riskiert der Patient, in einen selbstverstärkenden Zyklus von Arbeitsunfähigkeit, verzögerter Erholung und sogar Depression einzutreten, wenn seine vordergründige Reaktion auf
Schmerzen darin besteht, den Zustand als „Katastrophe“ anzusehen. Natürlich kann eine
Vielzahl von Faktoren dazu beitragen, dass ein Mensch seine Erkrankung als „Katastrophe“
einstuft - dazu gehören seine Persönlichkeit, seine frühere Krankengeschichte, die familiäre
Unterstützung und seine Zufriedenheit am Arbeitsplatz (Sullivan und D’Eon, 1990). Offensichtlich kann die Wechselwirkung biologischer, psychischer und gesellschaftlicher Dimensionen einen signifikanten Einfluss auf die Entstehung, Progression, und Rehabilitation einer
Erkrankung des Bewegungsapparates haben.
Seit der Einführung des biopsychosozialen Modells in den späten Siebzigerjahren wird das Modell
zunehmend durch Daten untermauert. Beispielsweise haben Studien gezeigt, dass die Unzufriedenheit am Arbeitsplatz ein wesentlicher Prädiktor für die rasche und erfolgreiche Rückkehr zum
Arbeitsleben sein kann (Bigos, Battie, und Spengler, 1992). Hinsichtlich sozialer Unterstützung
haben Studien gezeigt, dass funktionelle Einschränkungen, die auf Erkrankungen des Bewegungsapparates zurückzuführen sind, familiäre Systeme belasten und zu Konflikten innerhalb der
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
59
Interventionen
Familie führen können, wenn der Patient seine täglichen Pflichten nicht erfüllen kann (Hamberg,
Johansson, Lindgren, und Westman, 1997; MacGregor , Brandes, Eikermann, und Giammarco,
2004; Kemler und Furnée, 2002). Andererseits kann eine übermäßig besorgte Familie (oder im
erweiterten Sinne Führungskraft oder Kollege) die passive Rolle des Patienten mit Erkrankungen
des Bewegungsapparates verstärken und ihn veranlassen, in die Rolle des „Behinderten“ zu
schlüpfen (Kerns, Haythornthwaite, Southwick, und Giller, 1990; Block, Kremer, und Gaylor, 1980).
De Croon et al. (2004) überprüften die Publikationen über Arbeitsunfähigkeit bei Menschen mit
RA und schlossen daraus, dass psychosoziale Faktoren oft ein besserer Prädiktor für Arbeitsunfähigkeit waren als die üblichen biomedizinischen Faktoren. In Abbildung 4.2 zeigen die Autoren,
wie persönliche und umweltbedingte Faktoren das Erklärungspotential der Internationalen Klassifizierung von Funktion, Behinderung und Gesundheit (International Classification of Functioning,
Disability and Health; ICF) im Falle der Arbeitsunfähigkeit und RA verbessern.
Abbildung 4.2 Das ICF-Model und seine Anwendung auf Arbeitsunfähigkeit bei RA
Rheumatoide
Arthritis
(Beeinträchtigte)
Körperfunktionen
und -strukturen
Tätigkeit
(Einschränkungen)
Umweltfaktoren
Teilnahme
(Einschränkungen);
Arbeitsunfähigkeit
Persönliche
Faktoren
Quelle: de Croon et al., 2004
60
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Interventionen
Manche Kritiker des biopsychosozialen Modells (McLaren, 2006) haben sich auf den letzten
Punkt konzentriert; sie haben Bedenken, dass dieser Ansatz bei manchen Patienten die
Hilflosigkeit fördern oder „zulassen“ könnte oder dass unter Umständen der Ansatz jene
Patienten entfremden könnte, denen gesagt wird, dass sich ihre Erkrankung „nur in ihren
Köpfen“ befindet. Klarerweise muss man sicherstellen, dass Kliniker und andere diese
Risiken in geeigneter Weise entschärfen; die Analyse der publizierten Literatur und der im
Rahmen unserer Interviews geäußerten Expertenmeinungen unterstützen in hohem Maße
das biopsychosoziale Modell und seine Rolle in der Erklärung der Behandlung von Erkrankungen des Bewegungsapparates in klinischer und beruflicher Hinsicht (Smyth, Stone, Hurewitz, und Kaell, 1999; Carter, McNeil, und Vowles, 2002; Zampolini, Bernadinello, und Tesio,
2007). Tatsächlich bildet das Modell die Basis der Internationalen Klassifizierung von Funktion, Behinderung und Gesundheit (International Classification of Functioning, Disability and
Health; ICF) der WHO, die von vielen Fachleuten als verbindliche Richtlinie für die berufliche
Rehabilitation angesehen wird (WHO Wissenschaftliche Arbeitsgruppe, 2001).
Wie Waddell und Burton (2006b) erläutert haben, liegen die Ziele des biomedizinischen
Modells in der Linderung von Symptomen, während die Ziele der durch das biopsychosoziale
Modell unterstützten klinischen Behandlung - besonders in der beruflichen Umgebung - in der
Beherrschung von Symptomen und der Wiederherstellung von Funktion liegen sollten. Dies
ist ein Hinweis darauf, dass Arbeitgeber zum „sozialen“ Teil des biopsychosozialen Modells
beitragen und dass ihre Handlungen das Behandlungsergebnis bei Menschen mit Erkrankungen des Bewegungsapparates stark beeinflussen können.
4.5
Die Rolle
des
Arbeitgebers
4.5.1 Bewusstsein über die Erkrankungen und Management
Die tatsächlichen Eigenschaften von Erkrankungen des Bewegungsapparates sind vielen
Arbeitgebern unbekannt, sowohl in Bezug auf ihren unmittelbaren Einfluss auf die Leistungsfähigkeit bei der Arbeit als auch, wo zutreffend, die Erscheinungsbilder und Progression
der Erkrankungen. Beispielsweise können Arbeitnehmer mit RA oder SpA für periodische
„Entzündungsschübe“ und schwere Schmerzen mit anschließender Erschöpfung und Depression anfällig sein.23 Fehlt den Arbeitgebern das Wissen darüber, dass diese Symptome
vorhersagbar oder „typisch“ sind, könnten sie der Rückkehr des Arbeitnehmers zum Arbeitsleben wenig hilfreich oder übermäßig vorsichtig gegenüberstehen.
Während die Botschaft über manuelle Handhabung und Anordnung des Arbeitsplatzes
möglicherweise zu den Arbeitgebern durchgedrungen ist, wird die Tatsache, dass das Fehlen
am Arbeitsplatz oder auch reduzierte Anforderungen am Arbeitsplatz kontraproduktiv sein
23 Expert-Interview.
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
61
Interventionen
können, noch nicht allseits wahrgenommen. Die Belastung durch Erkrankungen des Bewegungsapparates für Arbeitgeber und Gesellschaft kann wesentlich erleichtert werden, wenn das
Wissen und die Einstellungen in Bezug auf ihre Behandlung eine Veränderung erfahren. Es ist
jedoch nicht genug, dass nur Arbeitgeber über Erkrankungen des Bewegungsapparates und
ihre Behandlung Bescheid wissen. Einer der hartnäckigsten (und schädlichsten) Mythen über
Rückenschmerzen ist zum Beispiel die These, dass Bettruhe die beste Lösung sei. Kampagnen
zur Förderung der Gesundheit haben die Botschaft wirksam vermittelt, dass das Empfinden von
Schmerzen nicht unbedingt einer Verschlechterung des Zustandes entspricht; Schmerzen bedeuten auch nicht, dass es schlecht ist, aktiv zu sein (Buchbinder, Jolley, und Wyatt, 2001).
Mit anderen Worten: mit einem ausreichenden Maß an Einsatz und Investition seitens der
Bundesregierung können Kampagnen von dieser Größe die Wahrnehmung von häufig vorkommenden Erkrankungen des Bewegungsapparates in der Öffentlichkeit beeinflussen.
4.5.2 Intervention und Anpassung der Anforderungen am Arbeitsplatz
Durch Studien wird nicht nur belegt dass Arbeit gut ist; es gibt auch Beweise dafür, dass die
Rückkehr zu geänderten Arbeitsbedingungen die Erholung unterstützen kann (Feuerstein et al.,
2003; van Duijn und Burdorf, 2008). Unter Arbeitsmedizinern wird der Einsatz von beruflicher
Rehabilitation als anerkanntes Mittel, um sicherzustellen, dass erkrankte, verletzte oder arbeitsunfähige Menschen so bald wie möglich und so tragfähig wie möglich zur Arbeit zurückkehren
können, seit langem akzeptiert. Es gibt Bedenken darüber, dass die Rehabilitation im Kernbereich
der klinischen Praxis nicht gut integriert ist und zu wenig Kliniker die Rückkehr zur Arbeit als wertvolles Ergebnis für den Patienten ansehen (Frank und Chamberlain, 2006). Es muss auch darauf
hingewiesen werden, dass die berufliche Rehabilitation nicht unbedingt eine Domäne von Fachleuten ist. In der Praxis ist die wirksame Behandlung gleich wichtig, wenn nicht wichtiger,
als die formale Rehabilitation.
Wenn Arbeitgeber überhaupt darüber nachdenken, betrachten sie als erstes die körperlichen
Anforderungen, die der Arbeitnehmer mit Erkrankungen des Bewegungsapparates zu erfüllen hat.
Das biopsychosoziale Modell setzt voraus, dass die geistigen Anforderungen der Arbeit ebenfalls
als Teil der Rückkehr zum Arbeitsprozess angesehen werden. Es gibt zunehmende Daten, die
zeigen, dass die Anpassung verschiedener Anforderungen am Arbeitsplatz die erfolgreiche Rückkehr zur Arbeit bei Menschen mit verschiedenen Erkrankungen des Bewegungsapparates unterstützen kann (Schultz, Stowell, Feuerstein, und Gatchel, 2007; de Croon et al., 2004; Feuerstein,
Shaw, Nicholas, und Huang, 2004; Chorus, Miedema, Wevers, und van der Linden, 2001). Der
Erfolg, mit dem sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer den Prozess der Anpassung bewältigen können, kann von der Überzeugung beider Seiten darüber abhängen, in welchem Ausmaß
die Erkrankung oder Arbeitsunfähigkeit an sich (zumindest weilweise) durch die Arbeit verursacht
wurde oder in welchem Zusammenhang sie damit steht. Einem kürzlich erschienenen Bericht des
62
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Interventionen
WIFO zufolge wären kostengünstige und früh eingeleitete Verbesserungen und Anpassungen
der Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter vorteilhaft für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und die ganze
Gesellschaft, und würden langfristig höhere Kosten vermeiden (Biffl und Leoni, 2008).
Es gibt verschiedene arbeitsplatzbezogene Interventionen als Unterstützung für Menschen mit
Erkrankungen des Bewegungsapparates. Diese reichen von ergonomischen Anpassungen bis zur
Bereitstellung von Physiotherapie, angepassten Arbeitsprogrammen, kognitiver Verhaltenstherapie, oder einer Kombination verschiedener Strategien. Nachweise des Erfolges dieser Interventionen bei der Behandlung unspezifischer Erkrankungen des Bewegungsapparates sind gemischter
Natur (Meijer et al., 2005).24 Eine systematische Überprüfung des interdisziplinären Behandlungsansatzes bei Patienten mit Rückenschmerzen zeigte beispielsweise, dass die Behandlung funktionelle Verbesserungen und Schmerzlinderung bei den Betroffenen bewirkte; es konnte jedoch nicht
gezeigt werden, dass diese mit der früheren Rückkehr zur Arbeit des betreffenden Mitarbeiters
zusammenhingen. Die direkte Verbindung zwischen diesen Maßnahmen und der frühen Rückkehr
bzw. späteren Rückkehr zur Arbeit war unschlüssig (Guzman et al., 2001). Während biomechanische oder ergonomische Faktoren mit dem Ausbruch von Schmerzen in der unteren Wirbelsäule
zusammenhängen können, ist es nicht ausreichend belegt, dass die auf diesen Grundlagen
basierenden Interventionen das Wiederkehren oder die Progression in einen chronischen Zustand
verhindern können (Burton, 1997; van Eerd et al., 2006). Tatsächlich war es fast unmöglich, festzustellen, ob eine Behandlung signifikant wirksamer war als die andere (Ekberg, 1995). Selbst
bei spezifischen Erkrankungen wie RA gibt es wenig Beweise für die Wirksamkeit der beruflichen
Rehabilitation (Backman, 2004; de Buck, Schoones, Allaire, und Vliet Vlieland, 2002).25
Es gibt trotzdem große Übereinstimmung über die Grundlagen der Behandlung unspezifischer
Erkrankungen des Bewegungsapparates, besonders Rückenschmerzen; diese sind im Kästchen 1
zusammengefasst. Dazu gehören Beratung und eine Reihe von relativ einfachen Maßnahmen,
die Arbeitnehmer und Arbeitgeber beim Umgang mit Rückenschmerzen einsetzen sollten.
24 Die Ergebnisse einer Analyse der Wirksamkeit von Zurück-zur-Arbeit-Behandlungsprogramme waren unterschiedlich.
25 Backman, 2004 fanden nur sechs Studien für den Zeitraum 1980 bis 2001.
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
63
Interventionen
Kästchen 1: Grundlagen für die Behandlung unspezifischer Erkrankungen des Bewegungsapparates
•
Rückenschmerzen sollten früh behandelt werden
•
In den meisten Fällen liegt Rückenschmerzen keine ernsthafte Erkrankung zugrunde
•
Einfache Rückenschmerzen sind mit üblichen schmerzstillenden Mitteln und Mobilisation zu behandeln
•
Man muss aktiv bleiben, wenn man Rückenschmerzen verhindern oder behandeln will
•
Die schnelle Rückkehr zur Arbeit hilft bei der Vorbeugung von chronischen Rückenschmerzen
•
Achten Sie auf die richtige Haltung beim Arbeiten
•
Alle Einrichtungen am Arbeitsplatz sollten regelbar sein
•
Machen Sie Pausen bei repetitiven oder ausgedehnten Aufgaben oder Haltungen
•
Vermeiden Sie schwere Lasten zu heben und verwenden Sie Hebevorrichtungen
wenn möglich
•
Arbeitnehmer müssen klare Auskünfte über die Schonung der Wirbelsäule erhalten
•
Gesundheits- und Sicherheitsrichtlinien sollten implementiert werden, um alle
Aspekte der täglichen Arbeit einzubeziehen und diese sollten regelmäßig überprüft
werden.
Quelle: HSE (1999)
Dazu ist es notwendig, dass Arbeitgeber über ihre gesetzlichen Pflichten hinaus denken, wenn
sie Gesundheits- und Sicherheitsrisiken behandeln. Sie müssen auch erkennen, dass der
Umgang mit Krankenständen, Programme zur wirksamen Rückkehr zur Arbeit und Rehabilitation
letztendlich das Fundament guten Managements bilden (Waddell und Burton, 2006b). Viel hängt
davon ab, dass man den Wissensstand über den Umgang mit Symptomen von Erkrankungen des
Bewegungsapparates unter Arbeitnehmern und deren Vorgesetzten steigert und sicherstellt, dass
Arbeitgeber mit den notwendigen Fähigkeiten und der notwendigen Sicherheit ausgestattet sind,
um Arbeitnehmer bei ihrer Arbeit zu unterstützen.
4.5.3 Linienvorgesetzte
Linienvorgesetzte spielen offensichtlich eine entscheidende Rolle sowohl bei der Beibehaltung
des Arbeitsplatzes für den Arbeitnehmer als auch bei der Rehabilitation. Doch fühlen sich viele
Linienvorgesetzte nicht fähig, mit langfristigen Abwesenheiten und Arbeitsunfähigkeit umzugehen.
Manche Aspekte von psychischen Erkrankungen oder chronischer Arbeitsunfähigkeit sind ihnen
peinlich. Sie können diesen nicht gegenüber treten oder darüber sprechen. Es fällt ihnen schwer,
Krankheitsbestätigungen zu hinterfragen oder den Hausarzt um mehr Information zu bitten,
64
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Interventionen
Hausbesuche zu machen oder Mitarbeiter zu Hause anzurufen. Gründe dafür sind ihre Angst
vor dem Vorwurf der Belästigung, der möglichen Übertretung gesetzlicher Vorschriften und die
Angst davor, sich selbst und ihre Organisation in einen Rechtsstreit zu verwickeln. Ihnen fehlt das
Wissen oder sie fühlen sich unwohl beim Thema Rehabilitation. Obwohl das Gesetz zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderung vorschreibt, dass Arbeitgeber „angemessene“ Einrichtungen zur Unterstützung von Arbeitnehmern mit langfristiger Erkrankung oder Verletzung schaffen
sollen, finden die meisten Linienvorgesetzten eine Neuanpassung des Arbeitsplatzes schwierig,
ärgerlich und störend.
Angesichts der Tatsache, dass Erkrankungen des Bewegungsapparates die häufigste arbeitsbedingte Krankheit sind und angesichts der Rolle psychosozialer Umstände als bestimmende
Faktoren dafür, ob Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz beibehalten oder so früh wie möglich zur
Arbeit zurückkehren, müssen Führungskräfte in der Lage sein, mit betroffenen Mitarbeitern
umzugehen; anderenfalls können die Kosten für die Organisation beträchtlich sein, besonders bei
kleinen und mittelgroßen Firmen.26 Führungskräfte kleinerer Firmen sind auch von Arbeitnehmern
mit Erkrankungen des Bewegungsapparates insofern stärker betroffen, als dass ihre Abwesenheit
vom Arbeitsplatz einen potentiell größeren Einfluss auf die Kundenbetreuung, Produktivität und
den Geschäftserfolg haben kann. Lang (2006) empfiehlt einen Plan für die Rückkehr zur Arbeit,
der Linienvorgesetzte miteinschließt und sie anregt, mit abwesenden Arbeitnehmern früh Kontakt
aufzunehmen.
4.5.4 Verbesserter Dialog zwischen Arbeitgeber und Mediziner
Auf den ersten Blick können viele der Herausforderungen, die Arbeitnehmer mit Erkrankungen
des Bewegungsapparates im Zusammenhang mit der Rückkehr zur Arbeit erleben, besser bewältigt werden, wenn es mehr gegenseitiges Verständnis zwischen Arbeitgebern und Medizinern gäbe.
Wie oben erläutert, kann das klinische Verständnis der Arbeitgeber über die meisten Erkrankungen des Bewegungsapparates oberflächlich sein, um es milde auszudrücken. Es wird oft
darauf hingewiesen, dass die meisten Hausärzte wenig oder kein Verständnis für die berufliche
Facette vieler Erkrankungen des Bewegungsapparates haben. Medizinstudenten in ganz Europa
verbringen einen sehr kleinen Teil ihrer Studienzeit mit der Arbeitsmedizin, während Hausärzte
auf dem Gebiet des Bewegungsapparates nur dürftig ausgebildet sind (Akesson, Dreinhofer, und
Woolf, 2003). 2003 wurden die Lehrpläne an den österreichischen Hochschulen für die Medizin
revidiert; dabei erhielten Erkrankungen des Bewegungsapparates etwas mehr Beachtung. Bis
dahin enthielt die medizinische Ausbildung zu wenig Information über Erkrankungen des Bewegungsapparates.27 Viele Hausärzte treffen ihre Entscheidungen über die Rückkehr zur Arbeit
26 Experten-I)nterview.
27 Experten-Interview.
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
65
Interventionen
ohne einschlägiges Wissen über die Anforderungen des Arbeitsplatzes, das Ausmaß, in dem
Anpassungen am Arbeitsplatz möglich sind und auch ob eine rasche und sachgerechte Rückkehr
zur Arbeit positive psychische (und wirtschaftliche) Vorteile hätte. Ohne dieses Verständnis über
die einschlägigen Aufgaben eines Arbeitgebers und die Möglichkeit, diese Aufgaben anzupassen,
wären Hausärzte vielleicht der Ansicht, dass die Rückkehr zur Arbeit die Krankheit verschlechtern
könnte, wenn der Betroffene nicht hundertprozentig gesund ist. Die aus integrierten Behandlungsmodellen gewonnenen Erkenntisse in Bezug auf Diabetes und andere Erkrankungen für die Koordination medizinischer und anderer Betreuer können auch auf Erkrankungen des Bewegungsapparates angewendet werden. Gleiches gilt für Erkenntnisse in Bezug auf die Verbesserung der
Kommunikationswege zwischen Arbeitgebern und Klinikern.
Arbeitgeber selbst werden nur selten eine zweite Meinung über die Möglichkeiten der Vorteile
einer raschen Rückkehr zur Arbeit in Bezug auf einzelne Patienten einholen. Dieser gegenseitige
Mangel an Verständnis und der daraus resultierende fehlende Dialog kann oft dazu führen, dass
der Patient mit Erkrankungen des Bewegungsapparates in der Mitte gestrandet bleibt - ohne
klaren Weg zurück in die Arbeit und, was noch wichtiger ist, ohne Mitsprachemöglichkeit. Ein
aktiver, umfassender, interdisziplinärer, auf Fähigkeiten fokussierter Ansatz zur beruflichen
Rehabilitation, begleitet durch das biopsychosoziale Modell und implementiert mittels sorgfältiger Fallüberwachung, wird als fortschrittlichster und wirksamster Ansatz bei den meisten Fällen
von berufsbedingten Erkrankungen des Bewegungsapparates anerkannt. Häufig richten sowohl
Arbeitgeber als auch Hausärzte ihr Augenmerk auf jene Aspekte der Arbeit, die der Patient mit
Erkrankungen des Bewegungsapparates gegenwärtig nicht ausführen kann, anstatt ihr Augenmerk auf jene Aspekte zu richten, die der Betroffene bewältigen kann. Lang (2006) regt den
Austausch zwischen Vertretern des Arbeitsplatzes und medizinischen Fachleuten zu gesundheitsund arbeitsbezogenen Themen an. Mit verstärkter Kommunikation können Arbeitgeber, Fachleute
in den Heilberufen, und Arbeitnehmer kreativere und innovativere Lösungen finden.
Dass das biopsychosoziale Modell drei Kernaspekte der Erfahrungen des Menschen mit Erkrankungen des Bewegungsapparates und die Behandlung der Erkrankung verbindet, ist einer seiner
großen Pluspunkte. Es bietet einen umfassenden Rahmen für die Betrachtung der Diagnose und
Behandlung einer Vielzahl von Erkrankungen des Bewegungsapparates, besonders wenn die
Beibehaltung des Arbeitsplatzes oder die schnelle Rückkehr zum Arbeitsplatz ein wichtiges Ziel
für den Betroffenen darstellt.
66
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Interventionen
4.6
Zusammenfassung
In diesem Abschnitt wurden die Vorteile der Frühintervention besprochen, vor allem im Interesse der Gesundheit der Menschen mit Erkrankungen des Bewegungsapparates, aber auch um
sicherzustellen, dass sie als produktive Mitglieder der arbeitenden Bevölkerung erhalten bleiben.
Es wurde auch deutlich gezeigt, dass die Intervention beim Betroffenen mit Schmerzen im Bewegungsapparat idealerweise schon vor dem Aufsuchen des Hausarztes beginnen und mehr umfassen soll, als das Unterschreiben einer Krankheitsbescheinigung. Das biopsychosociale Modell
verdeutlicht die Notwendigkeit eines umfassenderen Verständnisses für die Faktoren, die zur
Entstehung unspezifischer Erkrankungen des Bewegungsapparates beitragen, wobei hier sowohl
individuelle und psychische Faktoren als auch das gesellschaftliche Milieu, in dem die Menschen
ihr Leben verbringen (und zu dem auch seine Arbeit zählt) berücksichtigt werden. Um dieses Ziel
zu erreichen, müssen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Klinker einen wirksameren Dialog miteinander führen. Während dies eine Herausforderung darstellt und zweifelsohne nicht der üblichen
Praxis entspricht, wurden die Kosten, die durch die Vernachlässigung dieses Problems entstehen,
im vorangegangenen Kapitel erläutert.
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
67
5 Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Arbeit ist eindeutig gut für unsere Gesundheit (Coats und Max, 2005; Waddell und Burton, 2006a).
Sie bringt uns Einkommen, generiert Kapital für die Gesellschaft und verleiht unserem Leben
ein Ziel und einen Sinn. Selbst wenn man sich unwohl oder behindert fühlt, ist das Verbleiben
am Arbeitsplatz - auch in begrenztem Ausmaß - oft förderlicher für die Erholung als ausgedehnte
Krankenstände. Wenn wir wollen, dass Österreichs Arbeitskräfte in der Weltwirtschaft produktiv und
konkurrenzfähig bleiben und dass ihr Arbeitsleben verbessert wird, müssen wir sicherstellen, dass
ein möglichst großer Anteil der arbeitenden Bevölkerung so weit wie möglich arbeitsfähig bleibt.
Die in diesem Bericht dargestellten Daten zeigen, dass ein großer Anteil der arbeitenden Bevölkerung in Österreich von Erkrankungen des Bewegungsapparates direkt betroffen ist oder von
diesen betroffen sein wird. Dies kann sehr maßgebliche gesellschaftliche und wirtschaftliche
Folgen für diese Menschen und ihre Familien haben und die Leistungsfähigkeit der gesamten
arbeitenden Bevölkerung sowie Teile der österreichischen Industrie einschränken; es kann auch
die Ressourcen des Gesundheitswesens und der Krankenversicherungsträger schwer belasten.
Wie in vielen anderen Ländern mangelt es an klinischen, epidemiologischen, psychologischen
und wirtschaftlichen Daten über die Eigenschaften, das Ausmaß und die Folgen des Problems
um Erkrankungen des Bewegungsapparates - insbesondere fehlen uns Einzelheiten über spezifische Erkrankungen des Bewegungsapparates in Österreich. Wir wissen jedoch genug, um den
Schluss zu ziehen, dass in den kommenden Jahren Erkrankungen des Bewegungsapparates
einen wachsenden Anteil der arbeitenden Bevölkerung betreffen werden. Es fehlt jedoch an
Kohärenz und „vereintem“ Denken sowie Handeln seitens staatlicher Behörden, Kliniker und
Arbeitgeber, bei dem der Patient mit Erkrankungen des Bewegungsapparates als Arbeitnehmer
betrachtet wird. Während die Zahl der Befürworter des biopsychosozialen Modells bei Erkrankungen des Bewegungsapparates wächst, haben manche, die den größten Einfluss auf die Teilnahme von Arbeitnehmern mit Erkrankungen des Bewegungsapparates am Arbeitsmarkt haben, die
Grundlagen nicht in dem Maße akzeptiert, wie dies der Fall sein sollte.
Die Arbeitsstiftung hat eine Reihe von Empfehlungen für die verschiedenen Interessensgruppen
auf diesem Gebiet zusammengestellt. Wir wollen damit einige der wichtigsten Mitspieler zu der
Erkenntnis bringen, dass mehr getan werden kann, um sicherzustellen, dass die fortgesetzte
aktive Teilnahme am Arbeitsmarkt fast immer die stärkste positive Kraft für Gesundheit, Erfüllung
und Wohlstand ist.
68
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
5.1
•
Die Bewusstseinssteigerung und Ausbildung von Führungskräften muss notwendigerweise die Komponenten der Gesundheit und des Wohlbefindens umfassen. Führungs-
Empfehlungen
für
kräfte werden als erste mit Mitarbeiter-Abwesenheiten konfrontiert und sind bestens dafür
Arbeitgeber
geeignet, die frühen Warnzeichen eines Problems wahrzunehmen bzw. Arbeitnehmer bei
der Rehabilitation nach der Abwesenheit zu unterstützen. Trotz des gegenwärtig starken
Augenmerks auf „Stress“ müssen sich Führungskräfte in österreichischen Betrieben der
Tatsache bewusst werden, dass Erkrankungen des Bewegungsapparates ein noch größeres Problem für ihre Mitarbeiter und die gesamte Organisation sein können. Die Förderung
der Gesundheit und des Bewusstseins über Erkrankungen des Bewegungsapparates am
Arbeitsplatz kann die Entstehung von Problemen vermeiden.
•
Flexible Planung des Arbeitsplatzes wird die Rehabilitation unterstützen. Führungskräfte
können die Arbeitsorganisation verändern (einschließlich einfacher Veränderungen bei der
Arbeitszeitenregelung), um eine Verschlechterung von Erkrankungen des Bewegungsapparates zu verhindern und Menschen mit Erkrankungen des Bewegungsapparates bei ihrer
Rückkehr zur Arbeit zu unterstützen. Dabei müssen sie darauf achten, dass die Jobqualität
erhalten bleibt, übermäßige oder schädigende Einflüsse der Arbeit vermieden werden und
ergonomische Grundlagen berücksichtigt werden. Die flexible Arbeitsplanung wird durch
neueste staatliche Initiativen wie die Änderung der Gesetze in Bezug auf Arbeitszeitenregelung stark gefördert. Bemühen Sie sich, die Bedürfnisse Ihrer Mitarbeiter zu berücksichtigen.
•
Halten Sie Kontakt mit Hausärzten. Geben Krankheitsbescheinigungen von Hausärzten
keinen klaren Hinweis auf die Auswirkungen der Erkrankung des Arbeitnehmers und den
Einfluss der Erkrankung auf seine Leistungsfähigkeit, sollten Arbeitgeber die Hausärzte
über die Gründe für die Bescheinigung befragen - auch wenn es nur dazu dient, dass
der Arbeitgeber versteht, welche Aufgaben der Arbeitnehmer ausführen kann und welche
Unterstützung er nach seiner Rückkehr zur Arbeit benötigen wird.
•
Leiten Sie Maßnahmen früh ein. Arbeitgeber sollten besser früher als später handeln,
denn Vorsicht und Verzögerung können die Sache verschlechtern. Solange Sie mitfühlend
sind und Ihre Entscheidungen auf nachweisbaren Daten und Expertenmeinungen gegründet sind, wird die Frühintervention niemals als Belästigung empfunden und kann oft die Erholung oder Rehabilitation beschleunigen. Entwickeln Sie ein Frühinterventionsprogramm,
das die Arbeitnehmer zur fortgesetzten Erwerbstätigkeit ermutigt; tun Sie dies durch Anpassungen des Arbeitsplatzes oder bieten Sie maßgeschneiderte, in Stufen angeordnete
Pläne für die Rückkehr zur Arbeit und beteiligen Sie den Arbeitnehmer, Fachleute aus den
Heilberufen und die Führung an solchen Plänen.
•
Lassen Sie sich von Arbeitsmedizinern beraten. Eine auf den Betroffenen zugeschnittene,
sorgfältig organisierte berufliche Rehabilitation kann einen großen Unterschied bei der
Rückkehr zur Arbeit, Produktivität, Haltung und Tragfähigkeit der Leistung machen. Lassen Sie so früh wie möglich Arbeitsmediziner am Programm teilnehmen.
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
69
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
•
Über die Erfüllung der Gesetzesvorschriften hinaus. Versuchen Sie, die „RisikoManagement“-Einstellung zu vermeiden, wenn Sie mit einem Mitarbeiter mit einer Erkrankung des Bewegungsapparates zu tun haben; das kann oft zur Verzögerung und Unklarheit führen. In den meisten Fällen ist der Arbeitnehmer besser dran, wenn er arbeiten kann.
0der die arbeitsbezogenen Vorteile der Rehabilitation unterschätzt werden.
•
Richten Sie Ihr Augenmerk auf Fähigkeiten und nicht auf Defizite. Auch Arbeitgeber können eine „Katastrophen“-Haltung annehmen! Die meisten Arbeitnehmer mit Erkrankungen
des Bewegungsapparates können große Beiträge bei der Arbeit leisten, wenn ihnen dies
erlaubt wird. Sie müssen nicht hundertprozentig fit sein, um zur Arbeit zurückzukehren. Mit
ein wenig Phantasie können Sie den Arbeitnehmern sinnvolle Aufgaben erteilen, die sie
bei der Wiedererlangung ihrer vollen Leistungsfähigkeit unterstützen.
5.2
•
Konzentrieren Sie sich auf Fähigkeiten und nicht auf Defizite. Es ist natürlich, dass Sie
sich bei jenen Bereichen Ihrer Arbeit, die Ihnen aufgrund Ihrer Erkrankung des Bewe-
Empfehlungen
gungsapparates schwer fallen, ängstlich oder auch schuldig fühlen. Sie können trotzdem
für
viel beitragen und sollten an Ihre Stärken denken. Ihr Fachwissen und Ihre Erfahrung sind
Arbeitnehmer
keineswegs verschwunden, nur weil Sie Schmerzen, Schwierigkeiten oder Mobilitätsprobleme haben. Sie können trotzdem viel auf unterschiedliche Art und Weise beitragen.
Arbeiten Sie mit Ihren Vorgesetzten und Kollegen zusammen, und finden Sie gemeinsam
heraus, wie Sie ihren Beitrag am Arbeitsplatz innerhalb der Einschränkungen Ihrer Erkrankung optimieren können. Seien Sie offen mit ihnen und sie werden positiver reagieren.
•
Suchen sie den frühzeitigen Dialog. Ihr unmittelbarer Vorgesetzter, unabhängig davon was er/sie
Ihnen sagt, kann keine Gedanken lesen. Wenn Ihre Erkrankung des Bewegungsapparates Ihnen
Schwiergkeiten macht oder Sie eine Zeit vor sich haben, in der Sie Ihre Arbeitszeit anpassen
müssen, sprechen Sie mit Ihrem Vorgesetzten, um diese Zeit gemeinsam planen zu können. Je
früher desto besser. Führungskräfte mögen keine Überraschungen in letzter Sekunde aber sie
können in der Regel zu jedem Problem eine Lösung finden, wenn sie etwas Zeit dazu haben. Es
wäre vielleicht auch nützlich, wenn Sie mit Ihrem Gewerkschaftsvertreter, Ihrem Personalleiter
oder jemandem aus der Arbeitsmedizin sprechen. Verschieben Sie es nicht auf später.
•
Spielen Sie eine aktive Rolle bei der Behandlung Ihrer Erkrankung. Durch Ihre Erkrankung
des Bewegungsapparates werden Sie sich sicher manchmal niedergeschlagen fühlen und Sie
werden das Gefühl haben, als würde die Erkrankung Ihr Leben zu Hause und bei der Arbeit
beherrschen. Sie müssen jedoch kein passives Opfer von Schmerzen oder Immobilität werden. Finden Sie mehr über Ihre Erkrankung heraus, halten Sie Ausschau nach Schmerz- oder
Erschöpfungsmustern und lernen Sie, wie Sie den Einfluss Ihrer Erkrankung auf Ihre Funktionsfähigkeit und Stimmung minimieren können. Dies kann manchmal sehr schwierig sein
aber seien Sie beharrlich: Menschen, die eine aktive Rolle beim Umgang mit Ihrer Erkrankung
spielen, kehren früher zur Arbeit zurück.
70
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
•
Lernen Sie Ihre Rechte kennen. Sowohl als Patient als auch als Arbeitnehmer sollten Sie
wissen, welche Unterstützung und Beratung Ihnen zustehen. Wenn Sie Mitglied einer Gewerkschaft sind, sollte Sie Ihre Gewerkschaft über viele Aspekte dieses Themas beraten können.
•
Einbeziehung der Familie für die Beibehaltung des Arbeitsplatzes und Rehabilitation. Ihre
Familie und Freunde sind wichtige Unterstützungsquellen. Vielleicht ist sich Ihre Familie
dessen nicht bewusst, dass Ihre Rückkehr zur Arbeit sowohl möglich als auch wünschenswert ist. Sie müssen ihnen helfen, Sie zu unterstützen, indem Sie sich in Ihre beruflichen
Wiedereingliederung einbinden. Selbst kleine Anpassungen von Arbeitszeiten oder Fahrtmöglichkeiten zur Arbeit können einen enormen Unterschied machen.
5.3
•
Identifizieren Sie jene Patienten denen die Beibehaltung des Arbeitsplatzes bzw. frühe Rückkehr zum Arbeitsplatz gut tun würde. Es ist leicht, anzunehmen, dass Arbeit als solche für
Empfehlungen
den Patienten schlecht ist, besonders wenn Sie vermuten, dass manche Aspekte der Arbeit
für
die Symptome des Betroffenen verschlechtern. Wägen Sie sorgfältig ab, ob manche An-
Hausärzte
passungen, die Sie empfehlen können; wie etwa beim Arbeitsplatz zu bleiben und leichtere
Aufgaben zu erledigen; oder geänderte Arbeitszeiten eine bessere Option wäre als eine
ausgedehnte Abwesenheit vom Arbeitsplatz.
•
Denken Sie über die körperlichen Symptome hinaus. Setzen Sie Ihr Verständnis des biopsychosozialen Modells und die Limitationen des biomedizinischen Modells bei der Diagnose des Patienten
ein. Noch wichtiger: setzen Sie Ihre Einschätzung über den Stellenwert von Arbeit bei der Aufrechterhaltung eines aktiven Lebens und der Vermeidung von Isolation ein. Als Hausarzt sind Sie an
idealer Stelle, um die Frühzeichen vieler Erkrankungen des Bewegungsapparates rechtzeitig zu
erkennen. Falls notwendig, leiten Sie den Patienten so früh wie möglich an Fachärzte-Teams weiter,
um die Behandlung der beginnenden Erkrankung so früh wie möglich einleiten zu können.
•
Vermeiden Sie eine „Katastrophen“-Haltung. Der Patient könnte einen sehr negativen
Eindruck über den Einfluss und die mögliche Progression seiner Erkrankung bekommen,
wenn sich Kliniker auf Unfähigkeiten konzentrieren und nicht auf Fähigkeiten.
•
Fördern Sie die Eigenverwaltung. Ermutigen Sie den Patienten, Strategien für den Umgang mit manchen Aspekten seiner Erkrankung selbst zu entwickeln, besonders wenn er
erwerbstätig bleiben oder zur Arbeit zurückkehren will. Ein Gefühl der Eigenständigkeitund
Kontrolle wird der Stimmung des Arbeitnehmers gut tun. Stellen Sie sicher, dass der Betroffene wichtige Aspekte seiner Defizite im Griff hat, wenn er bei der Arbeit ist.
•
Frühintervention. Vorhandene Daten weisen darauf hin, dass lange Abwesenheiten von der
Arbeit im Allgemeinen schlecht sind, wenn der Patient an einer Erkrankung des Bewegungsapparates leidet. Je länger der Betroffene sich von der Arbeit fernhält, desto schwieriger wird die
Rückkehr zur Arbeit. Früh eingeleitete Maßnahmen, vorzugsweise in Zusammenarbeit mit dem
Patienten und seinem Arbeitgeber, können die nötige Balance zwischen dem Bedürfnis nach
Ruhe und dem Wunsch nach Arbeit herstellen.
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
71
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
5.4
•
Denken Sie über die körperlichen Symptome hinaus. Noch wichtiger: stellen Sie sicher,
Empfehlungen
dass Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Hausärzte vollständig begreifen, wie diese multifakto-
für
rielle Sicht der Dinge zur konstruktiven, aktiven, teilnehmenden und tragfähigen Rehabilita-
Arbeits­
tion beitragen kann. Planen Sie Ihre Interventionen und Beratungen um die drei Domänen
mediziner
des biopsychosozialen Modells und helfen Sie Arbeitgebern, zu der Einsicht zu gelangen,
dass kleine Anpassungen am Arbeitsplatz mehr Vorteile bringen können als nur die Einhaltung des Gesetzes über die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung.
•
Frühintervention. Besser als alle anderen haben Arbeitsmediziner Verständnis für die Vorteile der Frühintervention bei Erkrankungen des Bewegungsapparates. Arbeitsmediziner
werden aufgefordert, zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder zwischen Arbeitgeber
und Hausarzt aktiv zu vermitteln und sicherzustellen, dass der Patient die Rückkehr zur
Arbeit als positiver Aspekt seines Lernprozesses für den Umgang mit der Erkrankung
einsetzen kann und sein Selbstwertgefühl und seine Selbstachtung aufrechterhält.
•
Unterstützen Sie die Selbstverwaltung des Patienten. Arbeiten Sie mit dem Arbeitnehmer,
seinen Kollegen und seinem Vorgesetzten zusammen und helfen Sie dem Betroffenen,
Strategien für den Umgang mit seiner eigenen Erkrankung zu finden; er wird dadurch seine eigenen Entscheidungen über die Einrichtungen am Arbeitsplatz treffen können.
•
Unterstützen Sie Führungskräfte bei der Neugestaltung des Arbeitsplatzes. Führungskräfte
sehen Anpassungen am Arbeitsplatz oft nur als Erfüllung des Gesetzes über die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung. Wenn Sie Führungskräften helfen, die Neugestaltung des Arbeitsplatzes als konstruktive Maßnahme zur Erfüllung der Bedürfnisse des
Patienten/Arbeitnehmers mit einer Erkrankung des Bewegungsapparates und als Strategie
für den Umgang mit wechselnden Kundenanforderungen zu sehen, wird die Führungskraft
die geschäftlichen Vorteile von flexiblen Arbeitsplatzeinrichtungen begreifen können.
5.5
•
Nehmen Sie den gegenwärtig prognostizierten Zuwachs von Erkrankungen des Bewegungsapparates bei der arbeitenden Bevölkerung in Österreich in den nächsten Jahrzehn-
Empfehlungen
ten ernst. Im Vergleich zu anderen EU-Staaten ist die Prävalenz dieser Erkrankungen in
an den Staat
Österreich relativ hoch. Die Erkrankungen verlangen nach frühen Vorbeugungsmaßnahmen, Früherkennung und Frühintervention. Zu dieser Strategie gehört auch ein verstärktes
öffentliches Bewusstsein über Erkrankungen des Bewegungsapparates, die damit einhergehenden Symptome und den positiven Einfluss von Arbeit auf das Behandlungsergebnis
bei Menschen mit Erkrankungen des Bewegungsapparates, wenn diese ordnungsgemäß
behandelt werden.
•
Der Zugang zur klinischen Expertise bedarf einer Verbesserung. Für Menschen im erwerbsfähigen Alter stellt der Mangel an niedergelassenen Rheumatologen, besonders in
ländlichen Gebieten und auch innerhalb der Pflichtversicherung ein Hindernis dar; Dieser
Mangel behindert vor allem den Zugang zur Frühbehandlung, der Arbeitsplätze retten
72
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
könnte. Parallel zur alternden Bevölkerung und alternden erwerbstätigen Bevölkerung
muss der Staat die Personalbesetzung der Ärzteschaft prüfen und planen; ausreichendes
klinisches Betreuungspersonal (z.B. Physiotherapeuten) muss sichergestellt werden, um
dem prognostizierten Zuwachs an Erkrankungen des Bewegungsapparates in der allgemeinen Bevölkerung Rechnung zu tragen.
•
Achten Sie auf die kürzlich ausgesprochene Empfehlung der AK: steigern Sie die Anzahl
der Präventivkräfte, die als beratende Stellen für die Vorbeugung von Krankheiten, die
durch Arbeitsbedingungen hervorgerufen werden, dienen können. Erweitern Sie die
Verfügbarkeit und den Zugang zu Rehabilitationsdiensten, Zurück-zur-Arbeit-Programmen
und sonstigen Interventionen im Interesse der Gesundheit. Frühinterventionen und die
Früheinleitung von Zurück-zur-Arbeit-Programmen können für die Erholung förderlich sein.
Analysieren Sie laufende Programme und verbreiten Sie wirksame Interventionen.
•
Unterstützen Sie Hausärzte beim effektiveren Umgang mit arbeitsmedizinischen Angelegenheiten. Dazu bedarf die Ausbildung des Hausarztes mehr Aufmerksamkeit - durch
postgraduelle Information und Weiterbildung. Eigentlich sind wir der Meinung, dass das
Vermitteln von Wissen über den Zusammenhang zwischen Gesundheit und Beruf für
alle Ebenen der medizinischen Ausbildung - vom Medizinstudium bis zur postgraduellen
Fortbildung - wertvoll wäre, besonders wenn die Gesundheit der arbeitenden Bevölkerung
von Verschlechterung bedroht ist. Integrierte Versorgungsmodelle, bei denen der Beitrag
verschiedener Fachleute koordiniert wird, haben das Potential, das Behandlungsergebnis
bei Menschen mit Erkrankungen des Bewegungsapparates zu verbessern, besonders
wenn diese früh eingeleitet werden.
•
Ein Phänomen zu behandeln, das nicht gemessen wird, ist sehr schwierig und kann zur
Fehlleitung von Aufwand und Ressourcen führen. Die Qualität der Daten in Österreich
über die Gesundheit seiner erwerbstätigen Bevölkerung ist durchwegs schwach. Es ist
fast unmöglich, ein genaues oder umfassendes Bild über Abwesenheiten vom Arbeitsplatz,
berufsbedingte Arbeitsunfähigkeit und seine Ursachen sowie die Prävalenz von psychischen Erkrankungen in der arbeitenden Bevölkerung zu gewinnen. Dies stellt ein schwerwiegendes Hindernis für evidenzbasierte Strategieplanung bzw. für die pragmatische und
zielgerechte Einteilung von Kompetenz und Ressourcen dar.
Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
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Fit for Work? Muskuloskeletalerkrankungen und der österreichische Arbeitsmarkt
Anhang 1 – Interviews und Gespräche mit Experten
Im Rahmen unserer Forschung haben wir Interviews mit folgenden Personen durchgeführt bzw.
sie zu ihrer Meinung befragt. Wir sind sehr dankbar für die Zeit, die jede der genannten Personen
für uns aufgewendet hat. Wir haben ihre Ansichten bei der Erstellung dieses Berichtes berücksichtigt; ihre Teilnahme an der Studie ist jedoch keineswegs als Befürwortung der Schlussfolgerungen dieses Berichtes zu intrepretieren.
Frau Barbara Leitner
WKO (vormals)
Statistik Österreich (gegenwärtig)
Herr Thomas Leoni
Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO)
Frau Julia Nedjelik-Lischka
Bundesarbeiterkammer
(derzeit karenziert)
Frau Daniela Loisl
Präsidentin
Osterreichische Rheumaliga
Herr Gerhard Pospischil
Arbeitsmediziner
Arbeits- und Sozialmedizinisches Zentrum (AMZ)
Prof. Josef S. Smolen
Vorstand
Abteilung für Rheumatologie
Medizinische Universität Wien
Allgemeines Krankenhaus Wien, Klinik für Innere Medizin III,
Klinische Abteilung für Rheumatologie
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Um eine Genehmigung zu erwirken, kontaktieren Sie [email protected].
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Unser Ziel ist es, die Qualität des Arbeitslebens und die Leistungsfähigkeit von Organisationen zu verbessern.
Wir tun dies durch:
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Beratung
Fürsprache
Veranstaltungen
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First published: May 2009
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