Diskrete Stochastische Finanzmathematik

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Prof. Dr. Dietmar Pfeifer
Institut für Mathematik
Diskrete Stochastische Finanzmathematik
Stand: 7. August 2014
Inhalt
1. Vorbemerkung ......................................................................................................................
3
2. Optionen und Arbitrage ........................................................................................................
4
3. Hedging ................................................................................................................................
10
4. Die Hebelwirkung von Optionen ..........................................................................................
12
5. Kombinationen von Optionsgeschäften ................................................................................
16
6. Ein allgemeines Derivate-Modell .........................................................................................
19
7. Das Cox-Ross-Rubinstein-Modell ........................................................................................
22
8. Die Formel von Black und Scholes ......................................................................................
28
9. Stochastische Marktmodelle .................................................................................................
36
10. Selbstfinanzierende Handelsstrategien ...............................................................................
42
11. Martingale und Arbitrage .....................................................................................................
45
12. Markt-Vollständigkeit ..........................................................................................................
62
13. Unvollständige Märkte .........................................................................................................
68
14. Das Black-Scholes-Modell ..................................................................................................
80
Literatur ......................................................................................................................................
88
Danksagung ................................................................................................................................
91
2
1. Vorbemerkung
Spätestens seit der Verleihung des Nobelpreises für Ökonomie im Jahr 1997 an Myron Scholes und
Robert Merton ist die zusammen mit Fischer Black† seit dem Anfang der 70er Jahre entwickelte
Theorie der mathematischen Bewertung von Finanzderivaten in aller Munde; hiervon zeugen auch
die mehr als drei Dutzend allein seit 1996 erschienenen Monographien und Handbücher zu diesem
Thema (für eine Auswahl vgl. [4], [6] bis [9], [11], [16] bis [19], [22], [25], [26]; s.a. [31], [36],
[39] bis [47], [49] bis [53], [55] bis [59], [65] bis [72], [74], [75]; vor 1996 vgl. [10] und [36] bis
[38]). Allein im Jahr 2002 erschienen davon über ein Dutzend neu! Die Bedeutung von derivativen
Finanzinstrumenten beschränkt sich dabei inzwischen nicht nur auf den Finanzmarkt, sondern erlangt vermehrt auch Bedeutung auf dem Versicherungs- (vgl. [24]), speziell dem Rückversicherungsmarkt (Stichwort: Alternativer Risiko-Transfer, ART; vgl. [6], [54]), dem Zinsmarkt (vgl.
[27], [28], [32], [33], [37], [38], [41], [60], [62], [64], [65], [76]) und dem Wetter- und Energiemarkt (vgl. [5], [13], [15], [21]).
Der börsenmäßige Handel mit Derivativen lässt sich historisch bis ins frühe 17. Jahrhundert zurückverfolgen (Warenterminkontrakte beim Tulpenhandel in Holland, Reishandel in Japan); Finanzderivative (Aktienoptionen) wurden bereits Anfang des 19. Jahrhunderts an der London Stock
Exchange gehandelt. Der Beginn des modernen Handels mit Derivativen geht einher mit der Gründung des Chicago Board of Trade (CBOT) im Jahr 1848, zunächst hauptsächlich für diverse Warentermingeschäfte, später auch für Aktienoptionen. Börsen für den reinen Finanzderivative-Handel
– speziell Währungsgeschäfte – existieren allerdings erst seit 1972 [Gründung des International
Money Market (IMM) als Unterabteilung des seit 1919 existierenden Chicago Mercantile Exchange (CME), Chicago Board Options Exchange (CBOE) seit 1973]. Zeitgleich erschien die erste
bahnbrechende Arbeit von Fischer Black und Myron Scholes mit dem Titel The pricing of options
and corporate liabilities in dem damals relativ unbedeutenden Journal of Political Economy, nachdem mehrere der führenden Fachzeitschriften im Bereich der Ökonomie die Publikation abgelehnt
hatten, was möglicherweise dem mathematisch anspruchsvollen, aber ökonomisch schwer direkt
zugänglichen Inhalt zuzuschreiben war. Erst im Jahr 1979 wurde von J.C. Cox, A. Ross und M.
Rubinstein ein alternativer Ansatz publiziert, der auf kombinatorischen Argumenten beruhte und
vor allem sehr gut dazu geeignet war, den ökonomisch einfach zu fassenden Begriff der Arbitragefreiheit eines Marktes in verständlicher Form zu mathematisieren. Der Durchbruch wurde schließlich mit Arbeiten von J.M. Harrison, D.M. Kreps und S.R. Pliska Anfang der 80er Jahre erzielt, in
denen die Martingaltheorie und die Methoden der Stochastischen Analysis zusammen mit Methoden der Funktionalanalysis als fundamentale Bausteine in die Preistheorie von Derivativen eingeführt wurden, die heute als Standard gelten und die Grundlage aller modernen Publikationen zu
diesem Thema bilden.
Dieser Text orientiert sich im Wesentlichen an dem zeitdiskreten Modell von Cox, Ross und Rubinstein, wobei zunächst die Erläuterung der eher ökonomischen Aspekte (Arbitrage, Hebelwirkung, Kombinationen von Optionsgeschäften) im Vordergrund steht. Die Darstellung folgt in Teilen den Monographien von BINGHAM UND KIESEL [8], ETHERIDGE [11], LAMBERTON UND LAPEYRE
[17] und STEINER UND UHLIR [25]; vgl. auch KREMER [17]. Eine elementare Einführung in das Gebiet, insbesondere unter markttechnischen Aspekten, gibt REUTERS [23]; Anregungen speziell für
die Schule findet man in ADELMEYER [1], ADELMEYER UND WARMUTH [2] und PFEIFER [20].
3
2. Optionen und Arbitrage
Unter dem Sammelbegriff Derivativ versteht man einen Finanzkontrakt zwischen einem oder mehreren Beteiligten, der vom zukünftigen Wert eines Wirtschaftsguts abgeleitet ist. Spezielle Derivative sind:



Forwards und Futures
Optionen
Swaps.
Bei einem Forward verpflichtet sich der Verkäufer eines bestimmten Wirtschaftsguts gegenüber
dem Käufer zur Lieferung einer festgelegten Menge zu einem festgelegten Zeitpunkt. Der Verkaufspreis kann dabei im vorhinein oder erst zum Zeitpunkt der Lieferung festgelegt werden. Solche Verträge können unmittelbar zwischen juristischen Personen abgeschlossen werden, sind i.a.
nicht standardisiert und müssen auch nicht notwendig an Börsen gehandelt werden. Im Gegensatz
dazu ist ein Future ein standardisierter, börsenmäßig gehandelter Forward, der durch ein sog. Clearing House als Vermittler zwischen Verkäufer und Käufer abgewickelt wird; Handelskonditionen
(z.B. Preise) werden veröffentlicht.
Unter einer Option versteht man das Recht, eine bestimmte Menge eines bestimmten Wirtschaftsguts zu einem im voraus festgesetzten Preis (engl. Exercise Price) zu kaufen (Call-Option) oder zu
verkaufen (Put-Option). Darf das Recht innerhalb einer bestimmten Frist ausgeübt werden, spricht
man von einer Amerikanischen Option; ist die Ausübung des Rechts auf einen bestimmten Zeitpunkt beschränkt, spricht man von einer Europäischen Option.
Die Ausübung der Option hängt i.a. davon ab, wie sich der Preis des Wirtschaftsguts z.B. an der
Börse entwickelt; im Fall einer Call-Option wird man diese vernünftigerweise etwa nur dann ausüben, wenn der Börsenpreis des Wirtschaftsguts über dem vereinbarten Kaufpreis liegt, so dass
sich durch die entstehende Preisdifferenz ein Vorteil für den Inhaber der Option ergibt. Liegt der
Börsenpreis dagegen unter dem vereinbarten Kaufpreis, wird man die Option sinnvollerweise nicht
ausüben, da man das betreffende Wirtschaftsgut in diesem Fall billiger direkt an der Börse erwerben kann. Daneben gibt es eine Reihe weiterer Options-Typen, die als Exotische Optionen bezeichnet werden, bei denen die Ausübung des Rechts vom Verlauf der Handelspreise abhängt.
Unter einem Swap versteht man einen Vertrag, bei dem der simultane Kauf und Verkauf ähnlicher
Wirtschaftsgüter oder Forderungen von gleichem Finanzvolumen zu einem festgelegten Zeitpunkt
vereinbart wird. Gängige Swaps sind Zins-Swaps, die sich auf zukünftige Zahlungen (z.B. Kreditvergabe / Schuldenaufnahme) zwischen den Beteiligten – i.a. mit unterschiedlichen Zinssätzen –
beziehen; Währungs-Swaps bezeichnen Swaps, bei denen unterschiedliche Währungen zu zukünftigen Zeitpunkten gewechselt werden.
In diesem Text werden wir ausschließlich Optionen vom Europäischen Typ behandeln; in den Beispielen beziehen wir uns dabei meist auf Aktienmärkte. Gebühren oder andere Transaktionskosten
werden hier aus Vereinfachungsgründen nicht betrachtet.
Die folgenden Bezeichnungen sind wesentlich:
T:
X:
St :
i:
Laufzeit; Verfalltag (engl. Time)
Ausübungspreis; Basispreis (engl. eXercise Price)
Preis des Wirtschaftsguts (Kurswert) zur Zeit t Î [0, T ] (engl. Stock Price [bei Aktien])
(risikoloser) Zinssatz (engl. Interest Rate)
4
Wie schon oben erläutert, hängt die sinnvolle Ausübung des mit dem Erwerb der Option verbundenen Rechts zur Zeit T von dem Verhältnis des Kurswerts zur Zeit T zum Ausübungspreis X ab:
Call-Option:
ST > X :
ST £ X :
Option ausüben
Option nicht ausüben
Put-Option:
ST < X :
ST ³ X :
Option ausüben
Option nicht ausüben
Das wesentliche Ziel besteht nun darin, den "richtigen" Preis C0 der Call-Option bzw. P0 der PutOption zur Zeit 0, also zum Zeitpunkt des Erwerbs bzw. Verkaufs des entsprechenden Rechts, zu
bestimmen. Dazu betrachten wir zunächst den Preis (Wert) der Option zum Verfalltag T. Da zu
diesem Zeitpunkt der Kurswert des Wirtschaftsguts bekannt ist und aus dem Erwerb der Option
keine Vorteile zur Zeit T abgeleitet werden sollen, ergibt sich für die entsprechenden Preise (Werte)
CT bzw. PT :
+
CT = max {ST - X ;0} = ( ST - X )
(Positivteil)
+
PT = max { X - ST ;0} = ( X - ST )
Ist beispielsweise im Fall der Call-Option auf eine Aktie ST > X , so kann der Inhaber der Option
vom Stillhalter (d.h. dem Verkäufer der Option) die Lieferung einer Aktie zum Preis X verlangen
und diese zeitgleich an der Börse zum höheren Preis ST > X verkaufen; sein Gewinn beträgt somit
gerade ST - X = CT , also den Wert der Option zur Zeit T.
Aus obigem ergibt sich unmittelbar noch die folgende Beziehung zwischen Call- und Put-Preis:
CT - PT = ST - X (Put - Call - Parity - Relation)
Im folgenden betrachten wir zunächst das sog. Zwei-Stufen-Ein-Perioden-Modell, d.h. wir gehen
davon aus, dass der anfängliche Kurswert S0 der Aktie bis zum Verfalltag T entweder auf den Wert
ST+ > S0 steigt oder auf den Wert ST- < S0 fällt, wobei wir noch ST- < X < ST+ voraussetzen wollen. Die Wahrscheinlichkeit eines Kursanstiegs sei p Î (0,1);
entsprechend ist 1- p die Wahrscheinlichkeit für einen
Kursverfall. Das folgende Beispiel ist dem Artikel von Eberlein [11] entnommen. Hier beträgt der Anfangskurs der Aktie
€ 100, mit Wahrscheinlichkeit 0.4 steigt er auf den Wert
€ 130 bzw. fällt mit Wahrscheinlichkeit 0.6 auf den Wert
€ 80. Der Ausübungspreis betrage € 110, der Zinssatz für die
betrachtete Periode betrage 5%. Welchen Preis C0 sollte der
Käufer einer entsprechenden Call-Option bezahlen?
Betrachten wir zunächst die möglichen Werte CT+ und CT- der Call-Option zum Verfalltag. Diese
können als Werte der Zufallsvariablen CT aufgefaßt werden. Im Beispiel gilt offenbar
CT+ = 130 -110 = 20 und CT- = 0. Wenn man diese Werte auf den Zeitpunkt 0 beziehen möchte,
5
muss man sie allerdings noch diskontieren, d.h. mit dem sog. Diskontfaktor v = 1/(1 + i ) multiplizieren; man erhält also v ⋅ CT+ = 20 /1.05 = 19, 05 (€) und v ⋅ CT- = 0 (€). Man kann nun die obige
Situation als ein Spiel auffassen, in dem der Käufer der Option gegen den "Markt" spielt. Der Optionspreis entspricht dann dem Einsatz für ein "faires" Spiel. Es gibt hier allerdings (mindestens)
zwei Möglichkeiten, "Fairness" zu definieren:
1. Variante eines fairen Spiels: Der Käufer sollte im Durchschnitt weder Gewinn noch Verlust erzielen, wenn er ausschließlich mit Optionen handelt; demnach ist der Erwartungswert
C0 = E (v ⋅ CT ) = p ⋅ v ⋅ CT+ = 0.4´19, 05 = 7, 62
der "richtige" Optionspreis. Die Betonung bei dieser Betrachtungsweise liegt dabei auf dem Wort
ausschließlich; tatsächlich lässt sich nämlich leicht zeigen, dass ein geschickter Käufer, der nicht
nur mit Optionen, sondern auch mit Aktien (und Geld) handelt, mit dem obigen Options-Preis in
jedem Fall einen Gewinn erzielen kann, unabhängig davon, in welche Richtung sich der Aktienkurs
entwickelt! Die folgende Tabelle zeigt, wie dies hier zu bewerkstelligen ist:
t=0
Aktion
t =T
ST+ > X
Kontobewegung
ST- £ X
Leerverkauf 2 Aktien
+200,00
–260,00
–160,00
Kauf 5 Call-Optionen
–38,10
+100,00
0,00
–161,90
+170,00
+170,00
0,00
+10,00
+10,00
Kredit vergeben
Saldo
Erläuterung: Bei einem sog. Leerverkauf zum Zeitpunkt 0 leiht sich der Veräußerer z.B. von einer
Bank Aktien gegen die Hinterlegung einer Sicherheit mit der Vereinbarung, entsprechend viele
Aktien dieses Typs zu dem späteren Zeitpunkt T zurückgeben; der Verkauf erfolgt also zum Zeitpunkt 0, zu dem dann gültigen Preis [hier: € 100]. Unser hypothetischer Options-Käufer erzielt also
zum Zeitpunkt 0 eine Einnahme von € 200 für zwei leerverkaufte Aktien, von denen er erst zum
Zeitpunkt T selbst zwei auf dem Markt erwirbt, um sie dann vereinbarungsgemäß der Bank zurückzugeben. (In der Praxis fallen für solche Leerverkäufe Gebühren an, die wir in unserem Modell
allerdings nicht berücksichtigen wollen.) Je nach Kursentwicklung wird sein Konto also zur Zeit T
mit einem Betrag von € 260 [steigender Kurs] bzw. € 160 [fallender Kurs] belastet. Da die fünf im
Gegenzug erworbenen Call-Optionen aber nur € 38,10 kosten, hat er zur Zeit 0 ein Guthaben von €
161,90, welches er zu einem Zinssatz von 5% ausleiht und zum Zeitpunkt T einschließlich Zinsen
im Gesamtwert von € 170 zurückerhält. Zum Zeitpunkt 0 ist sein Konto also mit Wert 0 ausgeglichen.
Die beiden rechten Spalten der Tabelle zeigen die Kontoentwicklung zum Zeitpunkt T. Im Fall einer Kurssteigerung wird unser Käufer sinngemäß das Kaufrecht aus den fünf erworbenen CallOptionen ausüben; d.h. er erwirbt 5 Aktien zum vereinbarten Ausübungspreis von € 110 und verkauft sie sofort an der Börse zum aktuellen Kurs von € 130, woraus ein Netto-Gewinn von
€ 5´ 20 = 100 resultiert. Im Fall eines sinkenden Kurses sind die Optionen natürlich wertlos.
Offensichtlich kann unser Options-Käufer unabhängig von der tatsächlichen Kursentwicklung also
in jedem Fall einen Netto-Gewinn von € 10 realisieren! Man spricht in einem solchen Fall auch von
einer sog. Arbitrage-Möglichkeit, d.h. der Möglichkeit, ohne eigenen finanziellen Aufwand mit
positiver Wahrscheinlichkeit ein positives Ergebnis zu erzielen.
6
2.Variante eines fairen Spiels: Der Käufer sollte im Durchschnitt weder Gewinn noch Verlust erzielen, wenn er mit Optionen, Aktien und Geld handelt. Dazu betrachten wir zunächst eine Situation
mit einem höheren Optionspreis als dem oben angegebenen, etwa C0 = 12. Die folgende Tabelle
zeigt, dass auch dann eine sichere Arbitrage-Möglichkeit existiert:
_
t=0
Aktion
t =T
ST+ > X
Kontobewegung
Kauf 2 Aktien
–200,00
+260,00
+160,00
+60,00
–100,00
0,00
+140,00
–147,00
–147,00
0,00
+13,00
+13,00
Verkauf 5 Call-Optionen
Kredit aufnehmen
ST- £ X
Saldo
Um solche Arbitrage-Möglichkeiten auszuschließen, wollen wir nun einen allgemeineren Ansatz
betrachten. Aus Gründen, die später deutlicher werden, setzen wir dazu noch voraus, dass
ST+ > r S0 gilt, d.h. es muss theoretisch möglich sein, am Aktienmarkt eine höhere Rendite als auf
dem Geldmarkt – mit dem "risikolosen" Zins i – zu erzielen.
t=0
Aktion
t =T
ST+ > X
Kontobewegung
Leerverkauf n Aktien
+n S 0
Kauf m Call-Optionen
-m C0
Kredit vergeben
ST- £ X
-n ST+
-n ST-
)
0,00
-(n S0 - m C0 )
r (n S0 - m C0 )
r (n S0 - m C0 )
0,00
0,00
0,00
Saldo
(
m ST+ - X
Dabei ist r = 1 + i der Zinsfaktor für die betrachtete Periode T. Aus den beiden rechten Spalten
ergibt sich nun die Gleichung
(
)
-n ST+ + m ST+ - X = -n ST- ,
so dass das Verhältnis h = n / m (sog. Hedge Ratio, vgl. Abschnitt 3) eindeutig bestimmt ist zu
h=
ST+ - X
CT+ - CT=
ST+ - STST+ - ST-
und als Lösung für den Call-Preis zur Zeit 0 folgt
(
)
C0 = h S0 - v ST- .
7
Dasselbe Resultat hätte man – aus Symmetriegründen – übrigens auch erhalten, wenn in der letzten
Tabelle mit Aktienkauf / Optionsverkauf / Kreditaufnahme statt Aktien(leer)verkauf / Optionskauf /
Kreditaufnahme gerechnet worden wäre.
Im obigen Beispiel ergibt sich demnach h = (130 - 110) /(130 - 80) = 20 / 50 = 0.4 und
C0 = 0.4´ (100 - 80 /1.05) = 9, 52. Die Hedge Ratio gibt dabei gerade das "richtige" Verhältnis
von gehandelten Aktien zu Optionen an, hier also ein Verhältnis von 0.4 = 2:5.
Es bleibt noch zu zeigen, dass mit dem so ermittelten Call-Preis auch durch andere Aktien / Optionskombinationen keine Arbitrage erzielt werden kann. Dazu betrachten wir den Fall, dass die beiden Saldi zur Zeit t = T nicht-negativ sind, was zu dem folgenden Ungleichungssystem führt:
(
)
-n ST+ + m ST+ - X + r (n S0 - m C0 ) ³ 0
- n ST- + r (n S0 - m C0 ) ³ 0
(
bzw.
) (
)
(
)
(
) (
m ST+ - X - r C0 ³ n ST+ - r S0
(
)
mr C0 £ n r S0 - ST- = nr S0 - v ST- =
nr C0
.
h
Durch weitere Umformung erhält man:
(
)
)
(
ST+ - X - r C0 = ST+ - X - h r S0 - ST- = h ST+ - ST- - h r S0 - ST- = h ST+ - r S0
)
und damit nach Kürzen die Ungleichungskette mh £ n £ mh, also mh = n und damit das ursprüngliche Gleichungssystem, in dem alle Saldi Null betragen. Man beachte dabei, dass hierfür die obige
Voraussetzung ST+ > r S0 wesentlich ist!
Interessanterweise hängt der Call-Preis C0 nach der letzten Formel gar nicht mehr von der Wahrscheinlichkeit p eines Kursanstiegs ab! Trotzdem kann man diesen Call-Preis immer noch als Erwartungswert interpretieren, wenn man die "richtige" Wahrscheinlichkeit p* für einen Kursanstieg
entsprechend bestimmt, d.h. man betrachtet die Gleichung
(
)
C0 = h S0 - v ST- = p*v CT+
mit
S0 - v ST- r S0 - STp =h
= +
v CT+
ST - ST*
als Lösung. Nach der Voraussetzung ST+ > r S0 ist dabei p* < 1, nach der Voraussetzung ST- < S0
ferner auch p* > 0, d.h. p* ist damit tatsächlich eine Wahrscheinlichkeit. Man beachte, dass für
die letzte Ungleichung auch noch die schwächere Bedingung ST- < r S0 ausgereicht hätte.
(
)
Ist umgekehrt r S0 Ï ST- , ST+ , so bestehen immer „einfache“ Arbitragemöglichkeiten: bei
r S0 £ ST- kaufe man etwa Aktien auf Kredit (dann verliert man zur Zeit T nichts bei fallendem
8
Kurs, realisiert aber bei steigenden Kurs einen positiven Gewinn in Höhe von ST+ - r S0 je Aktie),
bei r S0 ³ ST+ verkaufe man etwa Aktien leer (dann verliert man zur Zeit T nichts bei steigendem
Kurs, realisiert aber bei fallendem Kurs einen positiven Gewinn in Höhe von r S0 - ST- je Aktie).
Die Voraussetzung ST- < r S0 < ST+ ist also nicht nur hinreichend, sondern auch notwendig für die
Existenz eines arbitragefreien Call-Preises in unserem Modell.
Im obigen Beispiel ergibt sich p* = (105 - 80) /(130 - 80) = 25 / 50 = 0.5, d.h. würde die
Wahrscheinlichkeit für einen Kursanstieg gerade 0.5 betragen, wäre C0 nach der obigen allgemeinen Formel genau der Erwartungswert nach "Variante 1".
Diese Betrachtungsweise ist charakteristisch für die gesamte Stochastische Finanzmathematik, d.h.
es kommt bei der Bewertung von Derivativen (Optionen) nicht auf die tatsächlichen Wahrscheinlichkeiten p von Kursveränderungen, sondern allein auf die rechnerisch äquivalenten Wahrscheinlichkeiten p* an, unter denen die Optionspreise nach dem Erwartungswert-Prinzip ArbitrageMöglichkeiten ausschließen.
Entsprechende Überlegungen lassen sich natürlich auch für Put-Optionen anstellen. Die folgende
Tabelle zeigt die analoge Rechnung gleich im allgemeinen Rahmen (wieder unter der Voraussetzung ST- < r S0 < ST+ ):
t=0
Aktion
t =T
ST+ > X
Kontobewegung
ST- £ X
Kauf n Aktien
-n S0
+n ST+
Kauf m Put-Optionen
-m P0
0,00
n S0 + m P0
-r (n S0 + m P0 )
-r (n S0 + m P0 )
0,00
0,00
0,00
Kredit aufnehmen
Saldo
+n ST-
(
m X - ST-
)
mit der modifizierten Hedge Ratio
n
X - STPT+ - PTh = = +
=
= 1- h
m ST - ST- ST+ - ST*
für Put-Optionen und dem Put-Preis
(
)
P0 = h* v ST+ - S0 .
Im obigen Beispiel erhält man also h* = 0.6 und P0 = 0.6´ (130 /1.05 -100) = 14, 29.
Auch hier lässt sich mit einer analogen Rechnung wie oben leicht zeigen, dass für den so ermittelten Put-Preis auch durch andere Kombinationen von Aktien und Optionen keine Arbitragemöglichkeit ergibt.
9
Für die Put-Call-Parity-Relation zur Zeit 0 ergibt sich hieraus nebenbei noch die Beziehung
C0 - P0 = S0 - vX , die zusammen mit der anfänglichen Put-Call-Parity-Relation auch geschrieben
werden kann als
Ct - Pt = St - v1-t / T X , t Î {0, T }.
Diese Formel ist auch in allgemeineren Modellen der Optionspreis-Theorie gültig [d.h. auch für
andere Werte von t im Bereich (0, T ) ]; allerdings können wir den Nachweis dafür an dieser Stelle
nicht führen.
3. Hedging
In der betriebswirtschaftlichen Praxis werden derivative Finanzinstrumente in der Regel weniger zu
spekulativen, sondern häufiger zu werterhaltenden Zwecken eingesetzt. Man spricht dann auch von
einem Hedging des zugrundeliegenden Portfolios (engl. to hedge (against s.th.): (sich gegen etwas)
absichern). Das folgende Beispiel zeigt, wie man einen Bestand von Aktien mit Hilfe von CallOptionen nicht nur gegen Kursschwankungen absichern, sondern zugleich auch den Wert wie bei
Verzinsung mit dem risikolosen Zinssatz i steigern kann. Zugrunde liegt hierbei wieder die Ausgangssituation des Abschnitts 2, insbesondere der arbitragefreie Call-Preis C0 . Es wird dabei angenommen, dass man zur Zeit 0 im Besitz von 40 Aktien zum Kurswert € 100,- je Aktie ist.
t=0
Aktion
Besitz 40 Aktien
t =T
ST+ > X
Konto
ST- £ X
+4000,00
+5200,00
+3200,00
Verkauf 100 Call-Optionen
+952,38
–2000,00
0,00
Kredit vergeben
–952,38
+1000,00
+1000,00
+4000,00
+4200,00
+4200,00
Saldo
Die Anzahl der verkauften Call-Optionen richtet sich dabei wie zuvor nach der Hedge Ratio, hier
also 40:100 = 2:5 = h. Im Unterschied zu früher wird der Anfangssaldo dabei aber nicht zu Null
gemacht, sondern entspricht dem anfänglichen Wert der gehaltenen Aktien. Dies bedeutet, dass
lediglich der durch den Verkauf der Call-Optionen erzielte Gewinn auf dem Kapitalmarkt zum risikolosen Zinssatz i angelegt wird. Das obige Rechenbeispiel zeigt, dass sowohl im Fall des Kursanstiegs als auch in der Situation eines Kursverfalls der resultierende Saldo um 5% über dem Anfangssaldo liegt, der Portfoliowert also insgesamt entsprechend dem risikolosen Zins angestiegen
ist. Die nachfolgende allgemeine Rechnung zeigt, dass dies grundsätzlich so ist, wenn das Verhältnis n : m von gehaltenen Aktien zu verkauften Call-Optionen der Hedge Ratio h entspricht.
Ähnlich wie in Abschnitt 2 läßt sich dabei zeigen, dass dies zugleich die optimale Mischung von
Aktien zu Optionen ist, d.h. durch keine andere Stückzahl-Kombination lässt sich ein gleichmäßig
besserer Saldo – unabhängig von der Kursentwicklung – erzielen.
10
t=0
t =T
Aktion
ST+ > X
Konto
ST- £ X
+n S 0
Besitz n Aktien
(
+n ST+
+n ST-
)
0,00
-m ST+ - X
Verkauf m Call-Optionen
+m C0
Kredit vergeben
-m C0
+rm C0
+rm C0
Saldo
+n S 0
+rn S0
+rn S0
Wir müssen die zum Zeitpunkt t = T angegebenen resultierenden Saldi noch durch Rechnung nachprüfen. Wir benutzen dazu die früher hergeleiteten Formeln
h=
ST+ - X
CT+ - CT=
ST+ - STST+ - ST-
und
(
)
C0 = h S0 - v ST- .
Damit erhalten wir im Falle eines Kursanstiegs
(
)
(
) (
)
= n ST+ - n ( ST+ - ST- ) + n (rS0 - ST- ) = rnS0
n ST+ - m ST+ - X + rmC0 = n ST+ - n ST+ - ST- + mh rS0 - ST-
sowie
(
)
(
)
n ST- + rmC0 = n ST- + mh rS0 - ST- = n ST- + n rS0 - ST- = rnS0
in der Situation eines Kursverfalls, wie behauptet.
Natürlich ist ein Hedging analog auch mit Put-Optionen möglich. Die folgende Tabelle zeigt, wie
in diesem Fall vorzugehen ist:
t=0
Aktion
t =T
ST+ > X
Konto
ST- £ X
Besitz n Aktien
+n S 0
+n ST+
Kauf m Put-Optionen
-m P0
0,00
Kredit aufnehmen
+m P0
-rmP0
-rmP0
Saldo
+n S 0
+rn S0
+rn S0
11
+n ST-
(
m X - ST-
)
Hierbei ist für das Verhältnis n : m natürlich entsprechend die Hedge Ratio h* = 1- h für PutOptionen anzuwenden. Mit den Formeln
h* =
X - STPT+ - PT=
ST+ - ST- ST+ - ST-
und
(
P0 = h* v ST+ - S0
)
erhalten wir für die resultierenden Saldi im Falle eines Kursanstiegs analog
(
)
(
)
n ST+ - rmP0 = n ST+ - mh* ST+ - rS0 = n ST+ - n ST+ - rS0 = rnS0
sowie
(
)
(
) (
)
= n ST- + n ( ST+ - ST- ) - n ( ST+ - rS0 ) = rnS0
n ST- + m X - ST- - rmP0 = n ST- + n ST+ - ST- - mh ST+ - rS0
in der Situation eines Kursverfalls.
Bemerkung: Man kann zeigen, dass die Hedge-Ratio-Formeln h =
bzw. h* =
CT+ - CTfür Call-Optionen
ST+ - ST-
PT+ - PTfür Put-Optionen auch dann richtig bleiben, wenn der Ausübungspreis X
ST+ - ST-
nicht zwischen ST- und ST+ liegt.
4. Die Hebelwirkung von Optionen
In diesem Abschnitt wollen wir – bei gleichem Kapitaleinsatz – die Auswirkungen reiner Optionsgeschäfte gegenüber reinen Aktiengeschäften betrachten. Die Zahlen gehandelter Aktien n und gehandelter Optionen m seien also so gewählt, dass der Kapitalaufwand K = nS0 = mC0 stets
gleich hoch ist. (Die Anzahlen n und m haben hier also eine andere Bedeutung als in den vorangegangenen Abschnitten.)
t=0
Aktion
t =T
ST+ > X
Kontobewegung
ST- £ X
Kauf n Aktien
-n S0
+n ST+
+n ST-
Kredit aufnehmen
+n S 0
-r n S0
-r n S0
Saldo
0,00
reines Aktiengeschäft
12
(
n ST+ - r S0
)
(
-n r S0 - ST-
)
t=0
Aktion
t =T
ST+ > X
Kontobewegung
Kauf m Call-Optionen
-m C0
Kredit aufnehmen
+m C0
Saldo
ST- £ X
(
)
0,00
-r m C0
-r m C0
)
-r m C0
m ST+ - X
(
m ST+ - X - r C0
0,00
reines Optionsgeschäft
(
Setzt man die oben hergeleitete Optionspreis-Formel C0 = h S0 - v ST-
)
in die Ergebnisse der un-
teren Zeile der letzten Tabelle ein, so ergibt sich:
(
)
(
)
(
)
mh
´ n r S0 - STn
mh
´ n ST+ - r S0 ,
m ST+ - X - rC0 = m ST+ - X - h éê r S0 - ST- ùú =
ë
û
n
-rmC0 = -rmh S0 - v ST- = -mh r S0 - ST- = -
(
)
(
)
(
)
d.h. die Saldi aus reinem Aktiengeschäft und reinem Optionsgeschäft unterscheiden sich aufgrund
m S0
der Beziehung nS0 = mC0 , also
=
genau um den Faktor
n C0
STmh
t=
= 1+
> 1.
n
r S0 - ST-
Dies bedeutet:

Bei gleichem Kapitaleinsatz sind Gewinne bzw. Verluste aus einem reinen Optionsgeschäft
gegenüber einem reinen Aktiengeschäft um den Faktor t > 1 größer.

Bei gleichem Kapitaleinsatz werden im Fall positiver Gewinne bei einem reinen Optionsgeschäft mehr Aktien bewegt als bei einem reinen Aktiengeschäft, und zwar genau m / n = t / h
mal so viele.

Die Rendite RO+ aus einem Optionsgeschäft ist im Fall positiver Gewinne entsprechend größer
als die Rendite RA+ bei einem reinen Aktiengeschäft (Hebelwirkung oder Leverage-Effekt). Die
Renditen lassen sich dabei darstellen als:
RO+ :=
ST+ - X - C0 ST+ - X
S + - ST=
-1 = T
-1 (Optionsgeschäft)
C0
C0
S0 - vST-
RA+ :=
ST+ - S0 ST+
=
-1 < RO+
S0
S0
(Aktiengeschäft).
13
Für die Negativ-Renditen im Fall von Verlusten folgt entsprechend:
RO- :=
0 - C0
= -1
C0
RA :=
ST- - S0 ST=
-1 > RO- (Aktiengeschäft).
S0
S0
(Optionsgeschäft; Totalverlust)
Im Anfangsbeispiel gilt etwa
80
80
= 1 + = 4.2
105 - 80
25
t
130 - 80
210
= 4.2´
=
= 10.5
130 -110
20
h
130 -110 -10v 20 -10v 20r -10 11
=
=
= = 110%
RO+ =
10v
10v
10
10
130 -100 30
=
= 30%
RA+ =
100
100
RO- = -1 = -100%
t = 1+
RA =
80 -100
20
== -20%.
100
100
Legt man im Modell wieder die äquivalenten Wahrscheinlichkeiten p* statt p zugrunde, so ergibt
sich außerdem noch für den Gewinn bzw. Verlust G bei Handel mit n Aktien bzw. m CallOptionen:
(
) (
)(
)
(
)
E * (G ) = n êé p* ST+ - r S0 - 1- p* r S0 - ST- ùú = n êé p* ST+ - ST- + ST+ - r S0 úù = 0,
ë
û
ë
û
d.h. unter p* ist der Aktien- bzw. Optionshandel bezüglich des Gewinns im Mittel ausgeglichen,
was noch einmal die Motivation für die Variante 2 des fairen Spiels aus einer anderen Sicht unterstreicht.
Die Hebelwirkung von Optionsgeschäften lässt sich besonders gut veranschaulichen, wenn man
derivative Finanzinstrumente zu Spekulationszwecken einsetzt, d.h. wenn man davon ausgeht, dass
der Aktienkurs zur Zeit T nicht nur den Endstand ST+ oder ST- annehmen, sondern einen beliebigen, nicht-negativen Wert erreichen kann.
Die folgende Graphik zeigt für diesen Fall die Hebelwirkung von Optionsgeschäften für die im
obigen Beispiel genannten Konditionen.
14
Gewinn / Verlust aus Optionen (dicke Linie) und aus Aktien (dünne Linie) als Funktion des
Kurswerts ST ; C0 = 9,52, X = 110, K = 10000, i = 5%; n = 100, m = 1050
Die Gleichungen der beiden Geraden für die Gewinne G A aus Aktien und GO aus Optionen im
Bereich ST ³ X = 110 sind in diesem Modell gegeben durch
G A = n ( ST - r S0 ) = 100 ST -10500
+
GO = m éê( ST - X ) - r C0 ùú = 1050 ( ST -110) -10500 = 1050 ST -126000;
ë
û
die zugehörigen Steigungen betragen also n = 100 [für das Aktiengeschäft] bzw. m = nt / h
= 1050 [für das Optionsgeschäft]. Der Break-Even-Point S B ergibt sich in diesem Modell zu
SB =
mX
tX
=
= 121,58,
m-n t -h
d.h. das Optionsgeschäft "lohnt" sich erst dann, wenn der Aktienkurs zur Zeit T über den Wert
S B = 121,58 steigt. Die Gewinnzone wird dabei beim Aktiengeschäft bereits beim Kurs von
ST = r S0 =105 erreicht, beim Optionsgeschäft dagegen erst beim Kurs von ST = X + r C0 = 120.
Für Kurswerte unter dem Ausübungspreis spricht man auch davon, die Call-Option sei "aus dem
Geld" (engl.: out of the money), für Kurswerte über dem Ausübungspreis nennt man die CallOption "im Geld" (engl.: in the money); sind Kurswert und Ausübungspreis identisch, heißt die
Call-Option "am Geld" (engl.: at the money).
Ein Diagramm der obigen Art, in welchem Gewinne und Verluste eines Porfolios in Abhängigkeit
vom aktuellen Kurs der Aktie dargestellt werden, heißt auch Pay-off-Diagramm.
15
5. Kombinationen von Optionsgeschäften
In diesem Abschnitt wollen wir den "spekulativen" Aspekt von Optionsgeschäften ein wenig weiter
vertiefen, indem wir die Auswirkungen bestimmter Kombinationen, die in der Praxis häufig anzutreffen sind, untersuchen, wie z.B. gleichzeitiger Kauf und Verkauf gewisser Optionen. Ausgangspunkt unserer Rechnungen ist dabei wieder das obige Beispiel von Eberlein, d.h. bei der Berechnung der Optionspreise gehen wir von der Annahme aus, dass die zukünftigen Kurse nur zwei Werte annehmen können; wir untersuchen allerdings die Auswirkungen der getätigten Geschäfte für
eine wesentlich größere Bandbreite möglicher zukünftiger Kurse.
Ein erster wichtiger Typ von Kombinationsgeschäften ist der sog. "Spread"; darunter versteht man
den gleichzeitigen Kauf und Verkauf je einer Option desselben Typs zu unterschiedlichen Ausübungspreisen. Die Auswirkungen dieser Handels-Strategie bestehen im wesentlichen in einer Reduzierung des Verlustrisikos bei gleichem Kapitaleinsatz, allerdings werden die Gewinn-Chancen
damit ebenfalls geringer. Die folgenden beiden Pay-off-Diagramme zeigen die Gewinne bzw. Verluste aus einem sog. Bull-Call-Spread und einem sog. Bear-Call-Spread als Funktion des Kurswerts zur Zeit T; im ersten Fall ist der Ausübungspreis X 1 der gekauften Option niedriger als der
Ausübungspreis X 2 der verkauften Option, im zweiten Fall ist es gerade umgekehrt. Mit C01 und
C02 seien dabei die zugehörigen Call-Preise bezeichnet, die sich aus dem oben hergeleiten Ansatz
[Arbitragefreiheit] ergeben.
X1 = 100 X 2 = 120; C01 = 14, 28 C02 = 4, 76
X1 = 120 X 2 = 100; C01 = 4, 76 C02 = 14, 28
In beiden Fällen betragen die absoluten Kosten C01 - C02 = 9,52, d.h. die hier betrachteten Kombinationsgeschäfte sind genau so teuer wie ein Optionsgeschäft mit nur einer gekauften Call-Option
zum Ausübungspreis von X = 110; allerdings sind Verlust und Gewinn in beiden Fällen begrenzt
durch den Wert 10. Das Risiko bei dieser Art von Optionsgeschäft ist also relativ gering, allerdings
sind hier auch die Gewinnmöglichkeiten entsprechend niedrig. Die Entscheidung für einen Bulloder Bear-Call-Spread hängt dabei entscheidend von der Erwartung an die zukünftige Kursentwicklung ab: geht man eher von steigenden Kursen aus, wird man sich sinnvollerweise für einen
Bull-Call-Spread entscheiden, im umgekehrten Fall für einen Bear-Call-Spread. Ähnliche Darstellungen ergeben sich, wenn man mit Put-Optionen arbeitet.
16
Eine besonders geschickte Kombination von Optionsgeschäften besteht in dem Butterfly-CallSpread, bei dem zwei Call-Optionen zu unterschiedlichen Ausübungspreisen X1 < X 2 gekauft und
zwei weitere Call-Optionen zu einem dazwischenliegenden Ausübungspreis X 3 mit X1 < X 3 < X 2
verkauft werden. Theoretisch ist es damit möglich, einen sicheren [nicht-negativen] Gewinn zu
erzielen! Das folgende Pay-off-Diagramm zeigt wieder den Verlauf des Gewinns in Abhängigkeit
vom Kurswert.
X1 = 100 X 2 = 120 X 3 = 110; C01 = 14, 28 C02 = 4, 76 C03 = 9,52
Wie man sieht, erzielt der Butterfly-Call-Spread einen sicheren positiven Gewinn für Kurse im Bereich von X1 = 100 bis X 2 = 120, ohne einen Verlust für alle übrigen Kurswerte zu realisieren!
Die ist übrigens kein Widerspruch zur oben geforderten Arbitragefreiheit, weil sich diese nur auf
die möglichen zukünftigen Kurse von 80 bzw. 130 bezieht, und man aus der Graphik bzw. der zugehörigen Rechnung deutlich erkennt, dass für diese Kurse tatsächlich auch kein Gewinn realisierbar ist. [In der "wirklichen" Praxis scheitert dieses verlockende Geschäft allerdings an der Tatsache,
dass erstens i.a. Optionspreise nicht exakt nach unserer Theorie berechnet werden, und zweitens für
solche Geschäfte üblicherweise Transaktionskosten in Form von Gebühren oder Provisionen anfallen.]
Ein ähnlicher Effekt lässt sich durch den gleichzeitigen Kauf bzw. Verkauf einer Call- und einer
Put-Option zum selben Ausübungspreis X erzielen (sog. Straddle). Im ersten Fall (Long Straddle)
erzielt man einen positiven Gewinn, wenn der Kurswert zur Zeit T stärker vom Ausübungspreis
abweicht, im anderen Fall (Short Straddle), wenn der Kurswert nahe beim Ausübungspreis liegt.
Auch hier bestimmt also die Erwartung an die zukünftigen Kursschwankungen das Anlegerverhalten.
17
X1 = 110; C0 = 9,52 P0 = 14, 28
Im betrachteten Beispiel liegt die Verlust- bzw. Gewinnzone im Bereich [85,135], mit maximalem
Verlust / Gewinn von C0 + P0 = 23,80 für einen Kurs von ST = X = 110.
Eine "Verflachung" der Spitzen erreicht man zusätzlich noch dadurch, dass die Call- und PutOption zu unterschiedlichen Ausübungspreisen ge- bzw. verkauft werden (sog. Strangle). Im folgenden Beispiel beträgt der Ausübungspreis für die Call-Option X1 = 100 und für die Put-Option
X 2 = 120. Man beachte, dass die Verlust- / Gewinnzone hier unverändert ist, wogegen der maximale Verlust / Gewinn nur noch 15,00 beträgt, allerdings mit höheren absoluten Preisen von
C01 + P02 = 33,33.
X1 = 100 X 2 = 120; C01 = 14, 28 P02 = 19, 04
Gelegentlich sind auch unsymmetrische Auszahlungen von Interesse. Dies kann man durch unterschiedliche Anzahlen ge- bzw. verkaufter Optionen realisieren (sog. Strip bzw. Strap). Die folgenden Diagramme zeigen den Gewinnverlauf für die Long-Position im Fall von einer Call- und zwei
Put-Optionen (Strip) bzw. einer Put- und zwei Call-Optionen (Strap).
18
X1 = 110; C0 = 9,52 P0 = 14, 28
6. Ein allgemeines Derivate-Modell
Die Ausführungen in den vorangehenden Abschnitten lassen sich wesentlich in einem einzigen
Ansatz mit "abstrakten" Derivaten vereinheitlichen. Darunter wollen wir hier eine (zunächst beliebige) Funktion D des Aktienkurses (zur Zeit T) verstehen, mit den Bezeichnungen
DT+ = D ( ST+ ) und DT- = D ( ST- ).
Mit D0 sei entsprechend der (Abitrage-freie) Preis zur Zeit 0 bezeichnet. Insbesondere Kombinationen von Optionen wie Futures, Spreads, Straddles usw. können mit diesem Ansatz als ein einheitliches Derivat behandelt werden.
Die entsprechenden Überlegungen zur Arbitrage-freien Preisfindung können wir wieder im gewohnten Rahmen mit einer Tabelle durchführen. Der Einfachheit halber formulieren wir das Aktiengeschäft dabei formal als Kaufgeschäft, wobei sowohl n als auch m beliebig (also positiv wie
negativ) gewählt werden können; (Leer-)Verkäufe sind also in diesem Ansatz mit enthalten.
Wir stellen zunächst die Gleichungen für die Null-Saldi auf.
t=0
Aktion
Kauf n Aktien
Verkauf m Derivate
Kredit vergeben
Saldo
t =T
Kontobewegung
Kursanstieg
Kursabfall
-n S0
n ST+
n ST-
+m D0
-m DT+
-m DT-
(n S0 - m D0 )
-r (n S0 - m D0 )
-r (n S0 - m D0 )
0,00
0,00
0,00
Wir erhalten also
19
n ST+ - m DT+ = n ST- - m DT- und damit n ( ST+ - ST- ) = m ( DT+ - DT- ) ,
woraus sich wie früher die (Derivat-spezifische) Hedge Ratio
hD :=
n DT+ - DT= +
m
ST - ST-
ergibt. Aus der mittleren bzw, rechten Spalte erhalten wir nach Einsetzen weiter
n ST - m DT = r (n S0 - m D0 ) bzw. vhD ST - vDT = hD S0 - D0 ,
also
(
)
(
)
D0 = hD S0 - vhD ST - vDT = vDT + hD S0 - vST .
Zum Nachweis, ob bzw. dass hierdurch ein Arbitrage-freier Preis D0 für das Derivat gegeben ist,
ersetzen wir in der Tabelle die Anzahl n der Aktien durch die Anzahl n  d mit d > 0 unter Beiben
haltung der Menge m = . (Eine andere Mengenaufteilung kann wegen des Null-Saldos in der
hD
ersten Spalte immer durch Kürzen bzw. Erweitern der Zahlen in dieser Spalte auf diesen Ansatz
reduziert werden.)
Wir erhalten damit folgende neue Tabelle:
t=0
Aktion
Kauf n  d Aktien
Verkauf m Derivate
Kredit vergeben
t =T
Kontobewegung
Kursanstieg
Kursabfall
-( n  d ) S 0
(n  d ) ST+
(n  d ) ST-
+m D0
-m DT+
-m DT-
((n  d ) S0 - m D0 )
-r ((n  d ) S0 - m D0 )
-r ((n  d ) S0 - m D0 )
Saldo
(
d ST+ - rS0
0,00
)
(
d ST- - rS0
)
Eine Arbitrage-Möglichkeit ist hier genau dann ausgeschlossen, wenn die Differenzen ST+ - rS0
und ST- - rS0 unterschiedliches Vorzeichen besitzen, also wegen der nach Konvention sinnvollen
Annahme ST- < ST+ genau dann, wenn
ST- < rS0 < ST+
20
gilt, eine Bedingung, die uns auch schon früher begegnet ist. Für die äquivalente Wahrscheinlichkeit p * , mit der der Arbitrage-freie Derivate-Preis D0 alternativ als ErwartungswertPreis ausgedrückt werden kann, also als
D0 = v éê p * DT+ + (1- p* ) DT- ùú = vDT- + p *v ( DT+ - DT- ) ,
ë
û
erhält man entsprechend durch Vergleich mit dem obigen Ausdruck
p* = rhD
S0 - vST- rS0 - ST=
,
DT+ - DT- ST+ - ST-
also denselben, nur von der Aktienkursentwicklung abhängigen Ausdruck wie früher, gänzlich unabhängig vom Typ des Derivats! (Wegen der obigen Bedingung ST- < rS0 < ST+ gilt hier natürlich
stets p * Î (0,1) , d.h. der Erwartungswert-Preis existiert unter dieser Bedingung immer.)
Durch Spezialisierung erhält man aus dem obigen Ansatz natürlich sofort die bekannten Bewertungsformeln u.a. für Call, Put und Future zurück (mit einem geeigneten Ausübungspreis X zwischen ST- und ST+ ):
Derivat D
Call-Option
Put-Option
Future
DT+
DT-
+
T
S -X
hD =
0
DT+ - DTST+ - ST-
ST+ - X
ST+ - ST-
hCall ( S0 - vST- )
hPut ( S0 - vST+ )
S0 - vX
0
X -S
X - ST- +
ST - ST-
ST+ - X
ST- - X
1
T
D0 = vDT + hD ( S0 - vST )
Man beachte, dass im Gegensatz zur früheren Notation die Hedge Ratio hPut für die Put-Option
hier negativ ist, was die unterschiedlichen Kauf-/Verkaufstrategien für Call- und Put-Optionen berücksichtigt.
Kombinationen von Derivaten D[i ], i = 1, , m mit Gewichten a[i ], i = 1, , m lassen sich jetzt
in natürlicher Weise als ein einziges Derivat vermöge
m
D = å a[i ] D[i ]
i =1
auffassen, mit den entsprechenden Größen
21
m
m
i =1
i =1
DT+ = å a[i ] DT+ [i ], DT- = å a[i ] DT-[i ].
Da die Arbitrage-freien Preise durch die vom Derivate-Typ unabhängigen äquivalenten WahrrS - STausgedrückt werden können, folgt hieraus, dass der Arbitrage-freie
scheinlichkeiten p* = +0
ST - STPreis des neuen "abstrakten" Derivats D dargestellt werden kann als
m
m
æ m
ö
D0 = vDT- + p *v ( DT+ - DT- ) = v å a[i ] DT-[i] + p *v ççå a[i] DT+ [i ] -å a[i] DT-[i ]÷÷÷
çè i=1
ø
i =1
i =1
m
m
= å a[i ] éê vD[i ]T- + p*v ( D[i ]T+ - D[i ]T- )ùú = å a[i ]D0 [i ],
ë
û i=1
i =1
d.h. als entsprechend gewichtete Summe der einzelnen Arbitrage-freien Preise! Dies zeigt, dass
Arbitrage-Situationen auch nicht durch geschicktes Kombinieren von Optionen erreicht werden
können, wenn jede einzelne Option mit dem "richtigen", d.h. Arbitrage-freien Preis bewertet wird.
Dies gilt übrigens auch für Kombinationen mit Aktien, da in unserem allgemeineren Ansatz die
Aktien selbst auch "Derivate" darstellen, nämlich mit der Funktion D ( ST ) = ST und den "Arbitrage-freien" Preisen
vSt- + p *v ( ST+ - ST- ) = vSt- +
rS0 - STv ( ST+ - ST- ) = S0 ,
ST+ - ST-
wie erwartet. Die (Arbitrage-freien) Preise für Spreads, Straddles usw. ergeben sich entsprechend
einfach durch gewichtete Summation der (Arbitrage-freien) Preise der einzelnen Bestandteile. Für
den obigen Butterfly-Call-Spread D mit den Konditionen
X1 = 100 X 2 = 120 X 3 = 110; C01 = 14, 28 C02 = 4, 76 C03 = 9,52
ergibt sich deshalb auch der (Arbitrage-freie) Preis D0 = C01 + C02 - 2 C03 = 0, weil hier nach Konstruktion DT+ = DT- = 0 ist.
Ähnliche Überlegungen lassen sich natürlich auch für den Bereich des Hedgens von Portfolios mit
"abstrakten" Derivaten anstellen.
7. Das Cox-Ross-Rubinstein-Modell
In diesem Abschnitt wollen wir eine einfache Verallgemeinerung des obigen Modells auf mehrere
Handelsperioden betrachten. Dazu nehmen wir an, dass sich die Kurse S0 , ST , S2T , SnT über n
Perioden stets nur prozentual verändern, d.h. wir betrachten konstante Kursänderungsraten
k + :=
ST+
S-1 > 0, k - := T -1 < 0,
S0
S0
22
wobei wieder Aufwärtsbewegungen des Kurses durch "+" (mit Wahrscheinlichkeit p) und Abwärtsbewegungen durch "–" (mit Wahrscheinlichkeit 1- p ) gekennzeichnet seien. Beispielsweise
-+
entsteht der Kurswert S2+T = S 2T durch eine Aufwärts- und eine Abwärtsbewegung des Kurses,
-++
der Kurswert S3++durch zwei Aufwärts- und eine Abwärtsbewegung usw. Eine
= S3+-+
= S3T
T
T
Aufwärtsbewegung entspricht dabei der Multiplikation des aktuellen Kurswertes mit dem Faktor
1 + k + > 1, eine Abwärtsbewegung einer Multiplikation mit dem Faktor 1 + k - <1. Die fol-
(
)
(
)
gende Graphik verdeutlicht das Modell für den Fall n = 3.
Nimmt man an, dass die Auf- und Abwärtsbewegungen der Kurse stochastisch unabhängig voneinander sind und bezeichnet N die Anzahl aller Aufwärtsbewegungen innerhalb der n Perioden (d.h.
n - N ist die Anzahl aller Abwärtsbewegungen), so ist N binomialverteilt, und es ergibt sich sofort
S nT = (1 + k + ) N (1 + k - ) n-N S0
mit
æ nö
P ( N = k ) = çç ÷÷÷ p k (1- p ) n-k , k = 0,..., n.
çèk ÷ø
Die äquivalente Wahrscheinlichkeit p* , unter der das (stufenweise) Erwartungswertprinzip Arbitrage-Möglichkeiten ausschließt, nimmt hier folgende einfache Form an:
23
*
p =
(
)
rT S0 - 1 + k - S0
(1+ k + ) S0 -(1 + k - )
iT - k .
= +
S0 k - k
Dabei sei von nun an vereinbart, dass sich der Zins i [und damit auch der Diskontfaktor v] stets auf
eine Periode der Länge 1 bezieht; mit
iT := (1 + i )T -1, vT :=
æ 1 ö÷T
1
T
= çç
÷÷ = v
ç
è
ø
1 + iT
1+ i
erhält man dann den Zins bzw. Diskontfaktor für eine Periode der Länge T. Einzige Nebenbedingung ist dabei sinngemäß, dass iT < k + gilt, d.h. es ist wieder theoretisch möglich, innerhalb einer
Periode am Aktienmarkt eine höhere Rendite als am Geldmarkt – mit dem risikolosen Zins iT – zu
erzielen [man beachte, dass definitionsgemäß k - < 0 gilt].
Wie im Fall des Ein-Perioden-Modells sind hier die möglichen Werte einer Call-Option zur Zeit nT
bekannt; es gilt analog
+
CnT = ( S nT - X ) .
Es liegt nahe (und das kann auch theoretisch bewiesen werden), dass der "richtige" – d.h. Arbitragemöglichkeiten ausschließende – Optionspreis zur Zeit 0 wieder nach Diskontierung durch das
Erwartungswertprinzip mit der äquivalenten Wahrscheinlichkeit p* gegeben ist:
(
)
C0 = E * v nT CnT = v nT E * éê ( SnT - X )+ ùú
ë
û
n æ nö
+
j
= v nT å çç ÷÷÷ p* (1- p* )n- j éê S0 (1 + k + ) j (1 + k - ) n- j - X ùú .
ë
û
çè j ÷ø
j =0
Eine rechentechnische Vereinfachung dieses Ausdrucks erhält man aufgrund der Tatsache, dass
hier nicht alle Summanden positiv sind; es brauchen lediglich diejenigen Summanden berücksichtigt zu werden, für die der eckige Klammerausdruck nicht verschwindet. Damit ergibt sich ab.
schließend:
n æ nö
n æ nö
j
j
C0 = S0 å çç ÷÷÷ q* (1- q* ) n- j - v nT X å çç ÷÷÷ p* (1- p* ) n- j
ç ÷
ç ÷
j =a è j ø
j =a è j ø
mit
é æ
ù
X
÷ö÷ ú
ê ln çç
ê çç S (1 + k - )n ÷÷ ú
iT - k è 0
øú *
+ T *
*
ê
,
a=ê
, q = 1+ k v p , p = +
æ1 + k + ö÷ úú
k - kê
ç
÷ ú
ê ln çç
çè1 + k - ÷÷ø ú
êê
ú
(
24
)
wobei éê xùú := min {n Î  | n ³ x} die Aufrundung der reellen Zahl x auf die ganze Zahl éê x ùú bedeutet.
Man beachte dabei, dass q* aufgrund unserer Annahmen ebenfalls eine "Wahrscheinlichkeit" ist
wegen
i - ki +1
p* = T+
£ T+
£ 1;
k -k
k +1
die Abbildung x 
a+x
ist nämlich in x monoton wachsend für 0 £ a £ b mit Grenzwert 1 für
b+ x
x  ¥.
Der oben angegebene Ausdruck ist die von Cox, Ross und Rubinstein angegebene Optionspreisformel für das diskrete Mehrperioden-Modell. In Anlehnung an den Sprachgebrauch im stetigen
Fall wollen wir dabei die Größen k  als diskrete (Aufwärts- / Abwärts -)Volatilitäten bezeichnen.
Die folgenden Graphiken zeigen für das Anfangsbeispiel von Eberlein die Abhängigkeit des CallOptionspreises C0 von den Parametern Zins, Volatilität, Ausübungspreis und Anfangskurs für
n = 1 bzw. n = 4.
n =1
n=4
n =1
n=4
25
n =1
n=4
n =1
n=4
Die folgende Tabelle zeigt die Abhängigkeit des Call-Preises für das anfängliche Beispiel von der
Anzahl n der Perioden, für T = 1:
n
C0
1
9,52
2
13,37
3
20,00
4
22,55
5
28,39
10
44,30
20
66,23
100
99,27
Der Anstieg des Call-Preises C0 mit wachsendem n erklärt sich hier aus den hohen GewinnMöglichkeiten bei ständig steigenden Kursen; der maximale Kurswert beträgt in diesem Fall
n+
S nT
= 100´1.3n = 1378,58 für z.B. n = 10.
Ein etwas anderes Bild ergibt sich dagegen, wenn man die gesamte Periodenlänge nT = 1 konstant
hält, d.h. kürzere Subperioden der Länge Tn = T / n betrachtet; allerdings muss man dann die Vola-
26
tilitäten k  entsprechend anpassen, um eine vergleichbare Volatilität – bezogen auf eine Zeitspank
, so erhält man (für Tn = 1/ n ) folgende Tabelle:
ne von 1 – zu erhalten. Wählt man z.B. kn =
n
n
C0n
1
9,52
2
7,76
3
8,47
4
7,62
5
8,27
10
7,88
20
7,79
100
7,82
1000
7,78
Die Call-Preise scheinen hier um einen festen Wert herum zu schwanken. Die folgende Graphik
zeigt dies deutlicher:
Im folgenden Abschnitt wollen wir abschließend noch zeigen, dass unter den obigen Bedingungen
tatsächlich ein Grenzwert von C0n für n  ¥ existiert, der als asymptotischer Call-Preis in einem
geeigneten zeitstetigen Modell angesehen werden kann.
27
8. Die Formel von Black und Scholes
Für große Werte von n wird die obige Bewertungsformel von Cox, Ross und Rubinstein schnell
unübersichtlich. Es liegt daher nahe, in diesem Fall die bekannte Normal-Approximation für die
Binomialverteilung zu verwenden (siehe z.B. GÄNSSLER UND STUTE [14]). Zu diesem Zweck und
zur klareren Darstellung des Grenzübergangs wollen wir in diesem Abschnitt alle relevanten Größen mit dem Index n versehen. Die folgende Tabelle gibt zusammenfassend noch einmal eine entsprechende Übersicht.
Größe
Bedeutung
Tn
T
n
kn
k
n
an
é æ
ö÷ ù
X
ê ln çç
÷ú
ê çç S (1 + k - ) n ÷÷ ú
øú
n
ê è 0
ê
ú
+ö
æ
1 + kn ÷ ú
ê
ç
÷ ú
ê ln çç
çè1 + kn- ø÷÷ ú
êê
ú
pn*
iTn - knkn+ - kn-
qn*
(1+ kn+ ) vT pn*
C0n
n æ nö
S0 å çç ÷÷÷ qn* j (1- qn* ) n- j - v nTn X
ç ÷
j =an è j ø
n
n
æ nö
å çççè j÷÷÷÷ø pn* j (1- pn* )n- j
j =an
Die Bewertungsformel von Cox, Ross und Rubinstein lässt sich dann vereinfacht wie folgt angeben:
C0n = S0 P (U n ³ an ) - v nTn X P (Vn ³ an ) ,
wobei Un und Vn binomialverteilte Zufallsvariablen sind mit
PU n = B (n, qn* ) und PVn = B (n, pn* ).
Sei nun wie üblich
x
F( x ) =
2
1
e- z / 2 dz , x Î 
ò
2p -¥
28
die Verteilungsfunktion der Standard-Normalverteilung  (0,1). Wir benutzen nun die bekannte
Ungleichung von Berry-Esséen bzw. ihre auf van Beek zurückgehende Verschärfung (vgl. GÄNSSLER UND STUTE [14], Satz 4.2.10 und Korollar 4.2.15) für den Spezialfall von Binomialverteilungen:
Sind W1 ,,Wn stochastisch unabhängige, jeweils wie W B(1, p) - verteilte Zufallsvariablen mit
n
0 < p < 1 und ist Z = å Wi , so gilt
i =1
æ
ö
ç x - np ÷÷
1
P ( Z £ x ) - F çç
gleichmäßig für alle x Î ,
÷÷ £
çç np (1- p ) ÷÷
1
np
p
(
)
è
ø
was u.a. aus der für B (1, p ) - verteilten Zufallsvariablen W (mit 0 < p < 1 ) gültigen Beziehung
E W - p = p 3 (1- p ) + (1- p )3 p = p (1- p ) ( p 2 + (1- p ) 2 ) £ p (1- p )
3
folgt. Damit lässt sich der Call-Preis C0n wie folgt abschätzen:
æ
ö
æ
ö
çç
çç
an - nqn* ÷÷÷ nTn
an - npn* ÷÷÷
S0
v nTn X
ç
ç
,
C - S0F ç+
÷ + v X F ç÷£
*
* ÷
*
* ÷
*
*
*
*
çç
çç
÷
÷
1
1
1
1nq
q
np
p
nq
q
np
p
(
)
(
)
(
)
(
)
÷
÷
n
n ø
n
n ø
n
n
n
n
è
è
n
0
Eine sinnvolle Approximation ist also möglich, wenn die Ausdrücke pn* und qn* für n  ¥ gegen
Grenzwerte pas* bzw. qas* Î (0,1) streben. Für die nachfolgenden Überlegungen wollen wir deshalb
die Volatilitäten kn in folgender Form darstellen:
kn+ = s + Tn , kn- = -s - Tn mit Tn =
d.h. es ist s + =
T
,
n
k+
k> 0, s - = > 0, für die entsprechend obigen Voraussetzungen gelte
T
T
iT = (1 + i )T -1 £ k1+ = s + T , s - <
n
,
T
damit die Bedingungen pn* £ 1 und 1 + kn- > 0 erhalten bleiben; die Abbildung t  éêë (1 + i )t -1ùúû / t
ist für alle i > 0 im Bereich t > 0 nämlich streng monoton wachsend, und es gilt
(
)
n
n
(1 + i )T / n -1) = lim e[ln(1+i )]T / n -1 = ln(1 + i ) =: i * .
(
n¥ T
n¥ T
lim
29
Es folgt dann:
né
(1 + i )T / n -1ùúû + s ê
ë
si* T / n + si* r T / n T / n + sT
*
£
£
=
£
p
n
s + + ss + + ss + + ss + + sund
é
T ùú *
vT / n T êês + - i * r T
pn £ n (qn* - pn* ) £ s + T pn* .
ú
n úû
ëê
Dabei haben wir wesentlich von der bekannten Ungleichung
1£
e x -1
£ ex , x > 0
x
Gebrauch gemacht. Mit den obigen Beziehungen folgt nun bereits
s=: pas* =: qas*
+
n¥
n¥
s +s
s +s lim n (qn* - pn* ) = +
T
n¥
s + slim pn* = lim qn* =
i* T
n¥
s + + si * + s +s lim n (qn* - qas* ) = +
T.
n¥
s + slim n ( pn* - pas* ) =
Für das weitere Vorgehen benötigen wir noch folgende Beziehungen:
an
slim = +
= pas*
n¥ n
s +s
æ X ö÷ s +s -T
ln
çç ÷+
*
çè S0 ø÷÷
2
an - npas
=
lim
.
+
n¥
n
(s + s ) T
Dies kann man wie folgt zeigen: Es sei
- ln (1- s - x )
x
1
1
f ( x) :=
, g ( x) :=
=
, 0< x< - .
+
+
+
æ1 + s x ÷ö
æ1 + s x ÷ö
s
ln (1 + s x )
÷
÷÷ 1ln çç
ln çç
- ÷
çè 1- s x ÷ø
çè 1- s x ÷ø
ln (1- s - x )
30
Eine Taylor-Entwicklung der Funktionen f und g um den Nullpunkt (nach stetiger Ergänzung) ergibt
1
1 s + - s+
f ( x) = +
x + O ( x2 )
+
2 s +s
s +s
1 s +s s
+
g ( x) = +
x + O ( x 2 ).
+
2 s +s
s +s
Ersetzen wir hier jeweils x durch
T / n , so folgt
æ T ÷ö
an
s÷÷ = +
= lim g ççç
= pas*
n¥ n
n¥ ç n ÷
s
s
+
è
ø
é æXö
ù
æ ÷ö s +s -T
ê ln çç ÷÷
ú ln çç X ÷+
÷
ì
üú
ê çè S ÷ø÷ æ T ö
2
a - npas*
÷÷ + n ïï g çæ T ÷ö÷ - p * ï
0
ïú = çè S0 ÷ø
lim n
f ççç
= lim êê
ç
í
ý
÷
÷
as
ú
n¥
n¥
ïï ççè n ÷ø
ï
n
èç n ÷ø
(s + + s- ) T
ïú
ê T
î
þ
ê
ú
ëê
ûú
æXö
ln çç ÷÷÷
çè S0 ÷ø
1 s +s +
T,
= +
(s + s - ) T 2 s + + s -
lim
wie behauptet.
Hiermit lassen sich jetzt folgende asymptotische Aussagen treffen:
æ S0 ö÷ æç * s +s - ÷ö
÷T
ln çç ÷÷ + çi çè X ø èç
2 ø÷÷
ïìï
ïü
an - npn* ïï
ï
=: d 2
lim íý=
n¥ ï
s +s - T
npn* (1- pn* ) ïï
ïï
î
þï
ïìï
ïü
an - nqn* ïï
s + + s- *
ï
= d 2 + lim n
lim í(qn - pn* )
ý
+ n¥ ï
n¥
*
* ï
s s
nqn (1- qn ) ï
ïï
î
þï
æS ö æ
s +s - ÷ö
ln çç 0 ÷÷÷ + ççi * +
÷T
çè X ø çè
2 ÷÷ø
+ = d2 + s s T =
=: d1 ,
s +s - T
woraus schließlich die Formel von Black und Scholes folgt:
31
C0as = S0F (d1 ) - vT X F (d 2 )
æ æ S ö æ * s +s - ö ö÷
æ æ S ö æ * s +s - ö ö÷
çç ln ç 0 ÷÷ + ççi +
÷÷T ÷
çç ln ç 0 ÷÷ + ççi ÷÷T ÷
çç çèç X ø÷ çè
çç èçç X ÷ø çè
2 ø÷÷ ÷÷÷ T
2 ø÷÷ ÷÷÷
= S0F çç
÷÷÷ - v X F ççç
÷÷÷
+ + çç
s
s
s
s
T
T
÷÷
÷÷
çç
çç
÷÷
÷÷
ç
çè
ç
è
÷ø
÷ø
æ æ r T S ö s 2 ö÷
æ æ r T S ö s 2 ö÷
çç ln çç
çç ln çç
0÷
0÷
÷
÷+
T
÷ø 2 T ÷÷÷
çç çè X ÷÷ø 2 ÷÷
çç çè X ÷÷÷
÷÷
T
÷÷ - v X F çç
= S0F çç
÷÷
çç
ç
÷
s T
s T
÷
÷÷
ç
÷
çç
çç
÷÷
÷
èç
ø÷
èç
ø÷÷
mit s = s +s - (Volatilität). Für eine Abschätzung der Konvergenzgeschwindigkeit in diesem
Ausdruck benötigt man noch folgende, aus dem Mittelwertsatz der Analysis resultierende Ungleichung:
F( x ) -F( y ) £ x - y sup F '( z ) =
zÎ
x- y
2p
£ 0.4 x - y , x, y Î .
Damit erhält man insgesamt
æ
÷÷ö
an - nqn*
1
1
ççç
C - C £ S0 ⋅ ç
+
+ d1 ÷÷÷
*
*
çç nq* (1- q * )
2p nqn (1- qn )
÷÷ø
çè
n
n
æ
ö÷
çç
÷
an - npn*
1
1
T
+ v X ⋅ çç
+
+ d 2 ÷÷÷
*
*
*
*
çç np (1- p )
÷÷
2p npn (1- pn )
n
n
èç
ø
n
0
as
0
æ 1 ö
für alle n Î , mit einer Konvergenzordnung von O çç ÷÷÷. Für das anfängliche Beispiel erhält man
çè n ø
sogar noch etwas genauer
C0as = 7, 77 mit C0n - C0as £
2
, n Î .
n
Interessanterweise hängt der asymptotische Call-Preis C0as nur über die Volatilität s = s +s - ,
also dem geometrischen Mittel der Auf- und Abwärtsvolatilitäten, ab. Im Anfangsbeispiel ergibt
sich somit derselbe asymptotische Call-Preis z.B. auch für die Volatilitäten s + = 0.6, s - = 0.1.
32
Für die nachfolgenden Überlegungen wollen wir nun eine geeignete Zeitachsentransformation betrachten, indem wir im Modell von Cox, Ross und Rubinstein für T = 1 mit den angepassten Subperioden der Länge 1/ n und den Volatilitäten kn = k  / n den Zeitpunkten k / n für k Î  den
(zufälligen) Kurswert S k , der sich unter Verwendung der äquivalenten Wahrscheinlichkeiten pn*
{
}
ergibt, zuordnen. Wir betrachten also etwa den stochastischen Prozess S éênt ùú | t ³ 0 , der mit dem
hier betrachteten Grenzübergang in einen zeitstetigen stochastischen Prozess übergeht, die sogenannte geometrische Brown’sche Bewegung {St | t ³ 0} , die dargestellt werden kann vermöge
æ
æ
æ
s2 ö ö
s2 ö
St = S0 exp çççsWt + ççln(1 + i ) - ÷÷÷ t ÷÷÷ = r t S0 exp ççsWt - t ÷÷÷ , t ³ 0,
çè
çè
çè
2 ÷ø ÷ø
2 ÷ø
wobei {Wt | t ³ 0} einen Standard-Wiener-Prozess bezeichne (siehe z.B. ETHERIDGE [11] oder
LAMBERTON UND LAPEYRE [18]); hierauf kommen wir noch einmal in Abschnitt 14 zurück. Insbesondere sind also die endlich-dimensionalen Randverteilungen des Prozesses {Wt | t ³ 0} normal,
und es gilt
E (Wt ) = 0, Var (Wt ) = t , Kov (Ws , Wt )= s  t = min( s, t ), s, t > 0.
Anders ausgedrückt, ist der logarithmierte (relative) Kursprozess
{ln (S / S ) | t ³ 0}
t
0
selbst ein
Wiener-Prozess:
æ
æ
s2 ö
s2 ö
ln ( St / S0 ) = sWt + ççln(1 + i ) - ÷÷÷ t = sWt + ççi * - ÷÷÷ t , t ³ 0,
çè
2 ÷ø
2 ø÷
èç
d.h.: die Zufallsvariablen St / S0 bzw. St sind sämtlich log-normalverteilt. Hierbei ist natürlich
S = S . Aufgrund der statistischen Eigenschaften der log-Normalverteilung ergibt sich noch:
0
0
ææ
s2 ö s2 ö
E ( St ) = S0 exp çççççln(1 + i ) - ÷÷÷ t + t ÷÷÷ = (1 + i )t S0 = r t S0 , t ³ 0.
çèçè
2 ÷ø
2 ÷ø
„Im Mittel“ verhält sich also der Aktienkurs – in dem hier betrachteten Modell mit den äquivalenten Wahrscheinlichkeiten – wie ein risikoloses Wertpapier mit dem Zins i.
Die Normalität der Randverteilungen des logarithmierten Kursprozesses lässt sich wieder im Rahmen des Zentralen Grenzwertsatzes leicht zeigen: es gilt nach obigem
æ
ç1 + s +
ç
æ S ént ù ÷ö
ç
ç
ln çç ê ú ÷÷ = ln ççç
çç
èç S0 ÷ø
ççè 1- s
1 ÷ö
÷÷
n ÷÷ N + é nt ù ln ççæ1- s - 1 ö÷÷.
÷ ént ù ê ú ç
÷
çè
n ø÷
1 ÷÷÷ ê ú
÷
n ÷ø
33
Setzen wir im Modell von Cox, Ross und Rubinstein noch
N k* =
N k - kpk*
kp (1- p
*
k
*
k
)
, k Î ,
so folgt ähnlich wie oben
(
)
lim P N é*nt ù £ x = F( x), x Î , t ³ 0,
n¥
ê ú
d.h. die Verteilung von N é*nt ù ist schwach konvergent gegen die Standard-Normalverteilung. Nach
ê ú
leichter Umformung erhält man für t ³ 0 noch
æ
çç1 + s +
æ S ént ù ÷ö
ç
ln ççç ê ú ÷÷ = ln ççç
èç S0 ø÷
ççç 1- s çè
1 ÷ö
÷÷
n ÷÷
÷
1 ÷÷÷
÷
n ÷ø
(
æ
1 ÷ö
÷÷
éê nt ùú pé*nt ù (1- pé*nt ù ) N é*nt ù + éê nt ùú pé*nt ù + éê nt ùú ln çç1- s ç
ê ú
ê ú
ê ú
ê ú
n ø÷
èç
)
mit den ähnlich wie oben abzuleitenden asymptotischen Entwicklungen
æ
ççç1 + s +
ln çç
çç
çç 1- s è
1 ÷ö
÷
+ 2
- 2
+
n ÷÷÷ = s + s - {s } - {s } + O æç 1 ö÷
÷
÷
çç
è n n ÷ø
2n
n
1 ÷÷÷
÷
n ÷ø
2ü
ì
ï
æ
ö
s - } ïï
æ ö
{
ï
ï
- 1÷
ç
ï
çç 1 ÷÷
÷÷ = -t í ns +
éê nt ùú ln ç1- s
O
+
ý
ï
èç n ø÷
n ø÷
2 ïï
èçç
ï
ï
ï
î
þ
æ 1 ö÷
ln(1 + i )
ç
éê nt ùú pé*nt ù = n t pas* + +
nt
O
+
ê ú
çèç n ø÷÷
s +s
(
)
éê nt ùú pé*nt ù 1- pé*nt ù = n t pas* (1 - pas* ) + O (1).
ê ú
ê ú
Nach Ausmultiplizieren aller Faktoren und geeignetem Zusammenfassen sieht man, dass die Folæ S ént ù ö÷
æ
s 2 ö÷
*
ç
ê ú÷
ç
ç
gen der Verteilungen von ln ç
÷ und s t N éênt ùú + ççln(1 + i ) - ÷÷÷ t bezüglich der schwachen Kon2ø
è
èç S0 ø÷
vergenz äquivalent sind, d.h. denselben (schwachen) Grenzwert besitzen.
t N é*nt ù ist aber nach obiê ú
gem asymptotisch normalverteilt, mit Erwartungswert 0 und Varianz t, woraus sich nun die obigen
Aussagen ergeben.
34
Die folgenden beiden Graphiken zeigen zwei Simulationen des Grenzprozesses {St | 0 £ t £ 1} für
das anfängliche diskrete Beispiel mit S0 = 100, X = 110, i = 0.05, s + = 0.3, s - = 0.2. Hier gilt
s2
1
= = 0.4, s = s +s - =
6 = 0.2449 .
dann also p = +
s +s
5
10
*
as
Bemerkung: Eine weitere asymptotische Bewertungsformel für Optionen erhält man, wenn man
im Cox-Ross-Rubinstein-Modell mit n Perioden der Länge Tn = T / n annimmt, dass für die Volatilitäten folgendes asymptotische Verhalten vorliegt:
kn+ º s + , kn- = -
sfür geeignete Zahlen s  > 0.
n
Dies bedeutet anschaulich, dass im Wesentlichen nur sprunghafte Kursänderungen nach oben vorkommen. Die äquivalenten Wahrscheinlichkeiten pn* besitzen hier das asymptotische Verhalten
1 i *T + s i*T + s *
l
pn* » ⋅
mit
:
=
lim
n
⋅
p
=
, wobei wieder i * = ln(1 + i ) bezeichne, sowie
n
+
+
¥
n
s
s
n
*
*
+
*
*
+ i T +s
.
qn » (1 + s ) pn mit m := lim n ⋅ qn = (1 + s )
n¥
s+
Für den unteren Summationsindex an in der Preisformel für europäische Call-Optionen mit Ausübungspreis X gilt dann asymptotisch
é æXö
æ s - ö÷ ù éê æç X ⋅ es ÷ö ùú
÷÷
÷
ç
ç
ê ln ç ÷- n ln ç1- ÷ ú ê ln çç
ú
÷÷ ú
ê çè S ø÷÷
çèç
ç
S
n ø ú ê è 0 ÷ø÷ ú
0
ê
ú =: a,
Ȑ
an = ê
æ s - ÷ö úú ê ln 1 + s + ú
ê
+
ç
ú
ê ln 1 + s - ln çç1- ÷÷÷ ú êê
ú
n ø úú ê
êê
èç
úú
ê
(
(
)
35
)
sofern
æ X ⋅ es- ö÷
ç
÷÷
ln çç
çè S0 ø÷÷
(
ln 1 + s
+
)
Ï . Der asymptotische Call-Preis C0as ist in diesem Modell gegeben durch
¥
C0as = S0 e-m å
k =a
a-1
a-1
¥
æ
æ
mk
lk
mk ö
lk ö
- vT Xe-l å = S0 çç1- e-m å ÷÷÷ - vT X çç1- e-l å ÷÷÷.
÷
÷
çè
k!
èç
k =a k !
k =0 k ! ø
k =0 k ! ø
Diesem Modell liegt die Poisson-Approximation der Binomial-Verteilung zu Grunde; der resultierende logarithmierte Grenzprozess für die Aktienkurse ist entsprechend ein so genannter PoissonProzess.
9. Stochastische Marktmodelle
In diesem Kapitel wollen wir die vorher anhand einer ganz bestimmten Situation entwickelten Ergebnisse – nämlich für den Handel mit Aktien und Optionen – erheblich erweitern. Insbesondere
wird hier in einem wesentlich allgemeineren Rahmen der Beweis geführt werden, dass für die arbitragefreie Bewertung von Call-Optionen im Cox-Ross-Rubinstein-Modell die äquivalente Wahrscheinlichkeit p * aus dem Einperioden-Modell zu verwenden ist.
Wir legen für den Rest unserer Überlegungen folgendes stochastische Modell zugrunde:
Gegeben sind neben dem risikolosen Zins i mit Diskontfaktor v =

1
1
= :
1+ i r
ein diskretes Wahrscheinlichkeitsmodell (W, P) mit Filtration
{Æ, W} =: 0 Í 1 Í  Í T Í P (W)
(aufsteigende Folge von s -Algebren) mit
P ( A) > 0 für alle A Î T , A ¹ Æ

eine Familie S = ( S0 , S1 ,, ST ) von d + 1 -dimensionalen Zufallsvariablen über W (Preisvektoren) mit
S n = ( S n [0], S n [1],, S n [d ]) , n = 0, , T
und S n [0] := r n , so dass S n [k ] n -messbar ist für k = 0, , d

eine Handelsstrategie f = (f0 , , fT ) mit
fn = (fn [0], fn [1],, fn [d ]) , n = 0, , T
so dass
36
f0 [k ] 0 -messbar und
für n = 1,, T und k = 0,, d
fn [k ] n-1 -messbar
(Vorhersagbarkeit).
Der Wert des Portfolios zur Zeit n ist dann gegeben durch das Skalarprodukt
d
Vn (f) =< fn , Sn >=
: å fn [k ]Sn [k ],
k =0
der diskontierte Wert durch
Vn (f) = v nVn (f) =< fn , Sn >
mit Sn = (1, v n S n [1], , v n Sn [d ]).
Interpretation: Die Grundmenge W fasst alle Zustände zusammen, die das – diskrete – Marktgeschehen prinzipiell beeinflussen können; die s-Algebren n beschreiben die zur Zeit n Î {1, , T }
verfügbare "Information". Zur Zeit 0 liegt keine Information vor; daher ist hier 0 die triviale sAlgebra {Æ, W}. Zum Zeitpunkt T liegt die größtmögliche Information vor; daher ist hier T die
maximale s-Algebra. Die zu dazwischenliegenden Zeitpunkten n vorhandene Information hängt
mit dem Kauf- und Verkaufverhalten sowie von der Preisentwicklung bis zu diesem Zeitpunkt zusammen; daher ist die Information monoton in n. Gehandelt werden zu jedem Zeitpunkt n insgesamt maximal d Î  Finanzgüter, wobei vereinbarungsgemäß die Komponente [0] dem rein monetären Teil (Kredit, "risikolose" Geldanlage) entspreche. Das Finanzgut k wird zum Zeitpunkt n
mit dem Preis Sn [k ] gehandelt bzw. bewertet (z.B. Kurs einer Aktie zur Zeit n). Die Bedingungen
S0 [0] = 1 und S n [0] = r n besagen hier nur, dass "1" die monetäre Einheit ist, die zur Zeit n durch
Zinseszinsen auf den Wert r n anwächst.
Als Konvention sei dabei vereinbart, dass der Vektor fn für n ³ 0 die Menge der zur Zeit n gehaltenen Finanzgüter bezeichne; d.h. Umschichtungen im Portfolio, die zum Zeitpunkt n > 0 zum
Bestand fn führen, geschehen grundsätzlich zum Zeitpunkt n -1 . f0 gibt dabei den Anfangsbestand im Portfolio an. Für spekulative Zwecke wird in der Regel f0 = 0 sein (vgl. S. 6), beim Hedging eines Portfolios enthält f0 die entsprechenden anfänglichen Bestände der vorhandenen Finanzgüter (z.B. Aktien; vgl. S. 10). Die vorausgesetzte Vorhersagbarkeit der Handelstrategien bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Kauf- und Verkaufentscheidungen zur Zeit n -1 (die ja
dann zum Bestand fn führen) nur von der bisher verfügbaren Information bis einschließlich n -1
abhängen dürfen (und nicht etwa bis zur Zeit n, da dies ggf. die Kenntnis zukünftiger Preise implizieren würde). Aus maßtheoretischer Sicht bedeutet diese Bedingung im wesentlichen, dass die
Handelsstrategie eine Funktion der bis zur Zeit n -1 beobachteten Preise und Kauf- und Verkaufsaktionen ist; insofern ist die Handelsstrategie also "vorhersagbar". Die Strategien f0 und f1 sind
dabei voraussetzungsgemäß konstant (als 0 -messbare Abbildungen).
37
Eine genauere Beschreibung der Struktur endlich-diskreter Wahrscheinlichkeitsräume wird im folgenden vorgenommen.
Definition 1: Es sei W eine endliche, nicht-leere Menge und  eine s-Algebra über W. Dann heißt
das für jedes w Î W eindeutig bestimmte Ereignis
Aw :=  { F w Î F Î  }
das durch w induzierte Atom der s-Algebra .
Man beachte hierbei, dass bei der Durchschnittsbildung nur endlich viele Ereignisse aus  zur Anwendung kommen, der Durchschnitt also wieder ein Ereignis ist. Atome sind also bezüglich Inklusion gerade die nicht-trivialen (d.h. von Æ verschiedenen) minimalen Elemente der s-Algebra;
insbesondere gilt:
Ah = Aw für alle h Î Aw , w Î W.
Es ist nämlich h Î Ah Ç Aw für alle h Î Aw , woraus wegen der Minimalität der Atome die Behauptung folgt. Die folgende Eigenschaft ist eine unmittelbare Konsequenz hieraus:
w , h Î W, h ¹ w  Ah = Aw oder Ah Ç Aw = Æ.
Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass paarweise voneinander verschiedene Atome auch paarweise
disjunkt sind.
Satz 1: Es sei W eine endliche, nicht-leere Menge und  eine s-Algebra über W.  := { A1 , , Am }
sei die Menge der paarweise verschiedenen (und damit disjunkten) induzierten Atome von , mit
m Î . Dann gilt:
ïì
ïü
 =ï
í Ai I Í {1,, m}ïý ,
ïîï iÎI
ïþï
d.h. eine Menge F Í W ist genau dann Element von , wenn sie als (disjunkte) Vereinigung von
Atomen darstellbar ist, wobei
# ( ) = 2m
gilt, d.h. die Mächtigkeit einer endlichen s-Algebra ist stets eine Zweierpotenz.
Ist ferner Z : W   eine Abbildung, so gilt:
m
Z ist  -messbar  $ a1 ,, am Î  mit Z = å ai 1 Ai ,
i =1
38
d.h. Z ist -messbar genau dann, wenn Z auf den Atomen der s-Algebra konstant (und damit eine
Elementarfunktion) ist. Dabei bezeichne 1A wie üblich die Indikatorfunktion der Menge A.
Ist ferner Q eine beliebige Wahrscheinlichkeitsverteilung auf , so lässt sich Q zu einer Wahrscheinlichkeitsverteilung Q Å auf P (W) fortsetzen vermöge
Q Å ({w }) :=
Q ( Aw )
# ( Aw )
für w Î W.
Beweis: Es ist für F Î 
F=
 {w} Í  A
w
wÎF
ÍF
wÎF
aufgrund der Inklusions-Minimalität von Atomen, also ist F Vereinigung o.B.d.A. paarweise verschiedener und damit disjunkter Atome. Umgekehrt liegen alle Atome in , so auch ihre endlichen
Vereinigungen. Sei nun Z -messbar. Da W endlich ist, kann Z ebenfalls höchstens endlich viele
verschiedene Werte W = {Z (w ) w Î W} annehmen. Die in  liegenden Urbilder Z -1 ({w}) lassen
sich für jedes w Î W nach dem oben gesagten als disjunkte Vereinigung von Atomen darstellen,
wobei noch Z -1 (W ) = W gilt. Daraus resultiert die angegebene Darstellbarkeit von Z als Elementarfunktion. Umgekehrt ist jede Elementarfunktion Z aus -Mengen trivialerweise -messbar.
Man beachte schließlich, dass der für Q Å angegebene Ausdruck wegen w Î Aw , also # ( Aw ) ³ 1
wohldefiniert ist mit
Q Å ({w }) ³ 0 und Q Å ( Aw ) = å Q Å ({h }) =
h Î Aw
Q ( Aw )
⋅ # ( Aw ) = Q ( Aw ) für alle w Î W,
# ( Aw )
d.h. Q und Q Å stimmen auf  überein.
Die in unserem Grundmodell getroffenen Voraussetzungen besagen also, dass sich die induzierten
Atome beim Übergang von n auf n+1 bezüglich Inklusion "verkleinern" und damit die zugehörigen s-Algebren entsprechend "verfeinern". Dabei kann nach dem letzten Teil von Satz 1 sogar
o.B.d.A. angenommen werden, dass für die finale s-Algebra gilt: T = P (W) , mit einer Fortsetzung P Å von P auf P (W) mit
P Å ({w }) > 0 für alle w Î W.
Diese Annahme werden wir später aus technischen Gründen treffen. Die ursprüngliche Forderung
P ( A) > 0 für alle A Î T , A ¹ Æ bedeutet dabei keine wesentliche Einschränkung an das Modell.
Dazu betrachten wir im allgemeinen Fall (d.h. ohne diese Forderung) die "größte" Nullmenge
N :=  { A P ( A) = 0}, die wegen # (T ) < ¥ selbst in T liegt mit P ( N ) = 0. Insbesondere ist
AÎT
39
N (disjunkte) Vereinigung von Atomen Ai . Bezeichnen wir mit I N := {i Î {1,, m} Ai Í N } , so
gilt N =
 A,
i
d.h. I N ist die Menge der Indices derjenigen Atome, aus denen N zusammenge-
iÎ I N
setzt ist. (Im Fall von N = Æ ist trivialerweise auch I N = Æ ). Die kleinere Menge W := W \ N leistet nun das Gewünschte, wobei die auf W eingeschränkte s-Algebra T analog zu oben dargestellt werden kann als
ì
ü
ï
ï
T = ïí Ai I Í {1,, m} \ I N ïý Í T .
ï
ï
ï iÎ I
ï
î
þ
Die Atome der s-Algebra T bestehen also gerade aus den "restlichen" Atomen von T , die nicht
zur Darstellung von N benötigt werden. Für die Einschränkung P  von P auf T , die definiert ist
durch
P  ( A) := P ( A Ç W ) für alle A Î T ,
gilt entsprechend
P  ( A) = P ( A Ç W ) = P ( A) für alle A Î T .
Alle "wesentlichen" Ereignisse und Wahrscheinlichkeiten bleiben also in dem reduzierten Modell
erhalten; es werden lediglich nicht-leere Ereignisse mit Wahrscheinlichkeit Null entfernt.
Im Anfangsbeispiel gilt nun etwa T = 1, f = (f0 , f1 ) , S = ( S0 , S1 ) mit:
f0 [0] = 0 f1[0] = 161,90
S0 [0] = 1
f0 [1] = 0 f1[1] = -2
und S0 [1] = 100
f0 [2] = 0
f1[2] = 5
S1[0] = 1, 05
S1[1] = 80 + 50 I1
+
S0 [2] = 7, 62 S1[2] = ( S1[1] -110) = 20 I1 ,
wobei I1 eine B (1, p ) -binomialverteilte Zufallsgröße mit p=0.4 bezeichne. Dabei bezieht sich die
Komponente [1] auf den Aktien-, die Komponente [2] auf den Derivate-Markt.
Für die s-Algebra 1 bedeutet die Messbarkeit von I1 dabei, dass die Beziehung
1 Ê {Æ, A, Ac , W} mit A = I1-1 ({1})
gelten muss.
Für die Werte V0 (f ) und V1 (f ) ergibt sich entsprechend:
V0 (f ) =< f0 , S0 >= 0 =< f1 , S0 >= 161, 90 ⋅1- 2 ⋅100 + 5 ⋅ 7, 62
V1 (f ) =< f1 , S1 >= 161,90 ⋅1, 05 - 2 ⋅ (80 + 50 I1 ) + 5 ⋅ 20 I1 = 170 -160 = 10,
40
in Übereinstimmung mit der Tabelle auf S. 6. Hierbei ist zu beachten, dass die linke Spalte „Kontobewegung“ gerade die entgegengesetzten Vorzeichen enthält, wenn man die Bewertung des Portfolios nach obigem Muster vornimmt:
t=0
Aktion
t =T
ST+ > X
Bewertung
ST- £ X
Leerverkauf 2 Aktien
–200,00
–260,00
–160,00
Kauf 5 Call-Optionen
+38,10
+100,00
0,00
+161,90
+170,00
+170,00
0,00
+10,00
+10,00
Geld
Saldo
Das nachfolgende Rechenbeispiel zur Arbitragefreiheit zeigt den Vorteil des hier gewählten Modellierungsansatzes. Dazu kürzen wir in der obigen Notation wie folgt ab:
f1[0] =: x, f1[1] =: y, f1[2] =: z ,
d.h. x repräsentiert die eingesetzte Geldmenge, y die Anzahl der gehandelten Aktien und z die Anzahl der gehandelten Optionen. Wählen wir die Zahlen des ursprünglichen Beispiels von Eberlein
mit dem arbitragefreien Optionspreis C0 = 9,52 = 10v und überlegen uns eine "optimale" Kombination der genannten Finanzgüter, so ergeben sich folgende (Un-)Gleichungen:
x+
100 y + 10vz = 0
1, 05 x + (80 + 50 I1 ) y + 20 I1 z ³ 0
(Anfangswert Null)
(Endwert nicht-negativ).
Löst man die erste Gleichung nach x auf und setzt das Ergebnis in die zweite Ungleichung ein, so
erhält man nach Ausklammern:
25(2 I1 -1) y +10(2 I1 -1) z ³ 0.
Setzt man abwechselnd für I1 die möglichen Werte 0 und 1 ein, so ergeben sich für 2I1 -1 entsprechend die Werte -1 und 1, d.h. die letzte Ungleichung geht nach weiterem Kürzen über in die
Gleichung
5 y + 2 z = 0,
was bedeutet, dass die ursprüngliche zweite Ungleichung (Endwert nicht-negativ) faktisch eine
Gleichung ist (Endwert Null), und damit gerade die Arbitragefreiheit widerspiegelt. Zugleich erhält
5
man hier die zur Hedge Ratio analoge Beziehung z = - y, d.h. die Anzahl ge-/verkaufter Optio2
nen und ver-/gekaufter Aktien muss wie bekannt im Verhältnis 2:5 stehen.
41
10. Selbstfinanzierende Handelsstrategien
In diesem Abschnitt wollen wir einen für die gesamte Theorie derivativer Finanzinstrumente fundamentalen Finanzierbarkeitsbegriff ausführlicher diskutieren.
Definition 2: Eine Handelsstrategie f heißt selbstfinanzierend, wenn gilt:
< fn , Sn >=< fn+1 , S n > für n = 0, , T -1.
Anschaulich bedeutet dies, dass zum Zeitpunkt n -1 Umschichtungen des Portfolios nur so erfolgen dürfen, dass sich sein aktueller Wert nicht verändert; insbesondere sind externe Zuführung
oder Abführung von Finanzgütern (z.B. Schenkungen oder Spenden) nicht erlaubt.
Die obige Strategie aus dem Anfangsbeispiel ist beispielsweise selbstfinanzierend, da hier wegen
f0 = 0 beabsichtigterweise 0 =< f0 , S0 >=< f1 , S0 > gilt.
Das folgende Resultat gibt verschiedene Charakterisierungen von Selbstfinanzierbarkeit.
Satz 2: Äquivalent sind:
1. f ist selbstfinanzierend
2. Vn+1 (f ) -Vn (f ) =< fn+1 , S n+1 - S n >, n = 0, , T -1
3. Vn+1 (f ) -Vn (f ) =< fn+1 , Sn+1 - Sn >, n = 0, , T -1
n
4. Vn (f ) = V0 (f ) + å < f j , DS j >, n = 0,, T mit DS j = S j - S j-1 , j = 1,, T
j =1
n
5. Vn (f ) = V0 (f ) + å < f j , DSj >, n = 0, , T mit DSj = Sj - Sj-1
j =1
= v j S j - v j-1S j-1 , j = 1, , T .
Beweis: Wir führen einige Ringschlüsse:
1  2 : Für selbstfinanzierendes f gilt:
Vn+1 (f ) -Vn (f ) =< fn+1 , Sn+1 > - < fn , S n >
=< fn+1 , Sn+1 - Sn > + < fn+1 , Sn > - < fn , Sn >
=< fn+1 , Sn+1 - Sn >, n = 0,, T -1,
wie behauptet.
2  4 : Es gilt
42
n
Vn (f ) -V0 (f ) = å éêëV j (f ) -V j-1 (f )ùúû
j =1
n
n
j =1
j =1
= å < f j , S j - S j-1 >=å < f j , DS j >, n = 0, , T ,
woraus die Behauptung folgt.
4  1 : Es folgt durch Summation
Vn+1 (f ) -Vn (f ) =< fn+1 , S n+1 - S n >, n = 0, , T -1,
also
< fn+1 , S n >=< fn+1 , S n+1 > -Vn+1 (f ) + Vn (f ) =< fn , S n >
für n = 0, , T -1, d.h. f ist selbstfinanzierend.
Analog lässt sich 1  3  5  1 zeigen, wenn überall Vn (f ) und Sn durch Vn (f ) und Sn ersetzt werden.
Das folgende Ergebnis zeigt, dass die Annahme der Selbstfinanzierbarkeit keine wesentliche Einschränkung für Handelsstrategien bedeutet.
Satz 3: Es sei V0 eine 0 -messbare (d.h. hier: konstante) Zufallsvariable. Dann kann in jeder Han-
delsstrategie f die Teilstrategie f[0] = (f0 [0], , fT [0]) in eindeutiger Weise so gewählt werden,
dass f selbstfinanzierend ist mit V0 (f ) = V0 .
Beweis: Wegen DS j [0] = 0 ist
d
d j :=< f j , DSj >= å f j [k ] DSj [k ]
k =1
unabhängig von f0 [0] für alle j = 1, , T . Mit
d
rn := å fn [k ] Sn [k ], n = 0,, T
k =1
folgt:
n
fn* [0] := V0 + å d j - rn , n = 0,, T
j =1
definiert über f* = (f0* ,, fT* ) mit fn* = (fn* [0], fn [1], , fn [d ]) , n = 0, , T die gewünschte
Lösung:
43
f* ist selbstfinanzierend: für n = 0, , T gilt:
n
n
j =1
j =1
Vn (f* ) =< fn* , Sn >= fn* [0] + rn = V0 + å d j = V0 + å < f j , DSj >
n
n
j =1
j =1
= V0 + å < f*j , DSj > = V0 (f* ) + å < f*j , DSj >,
wobei die Gleichung V0 = V0 (f* ) aus dem Fall n = 0 (wegen V0 (f* ) = V0 (f* ) ) resultiert. (Man
beachte, dass < f , DS >=< f* , DS > gilt wegen DS [0] = 0. ) Nach Satz 2, Teil 5 ist also f*
j
j
j
j
j
selbstfinanzierend.
f* [0] ist vorhersagbar: für n = 1,, T gilt:
n
n-1
fn* [0] = V0 + å d j - rn = V0 + å d j + dn - rn
j =1
j =1
n-1
d
j =1
k =1
= V0 + å < f j , DSj > - å fn [k ] Sn-1[k ],
und dies ist nach Voraussetzung n-1 -messbar.
f0* [0] ist eindeutig: jede selbstfinanzierende Handelsstrategie f mit V0 = V0 (f ) impliziert (nach
Satz 2, Teil 5):
d
Vn (f ) =< fn , Sn >= fn [0] + å fn [k ] Sn [k ]
k =1
n
n
d
= V0 (f ) + å < f j , DSj > = V0 + åå f j [k ] DSj [k ],
j =1
j =1 k =1
also
n
fn [0] = V0 + å d j - rn .
j =1
Der Satz ist damit vollständig bewiesen.
44
11. Martingale und Arbitrage
In diesem Abschnitt wollen wir den für die Optionsbewertung zentralen Begriff des Martingals
näher untersuchen, der auch generell in der Stochastik eine bedeutende Rolle spielt. Es wird sich
später zeigen, dass die Arbitragefreiheit des Marktes mit diesem Begriff eng gekoppelt ist. Dabei
werden wir vorübergehend die betrachteten Filtrationen etwas allgemeiner fassen, d.h. die Randbedingungen 0 = {Æ, W} und T = P (W) werden hier fallengelassen.
Eine wesentliche Begriffsbildung ist hier die des (bedingten) Erwartungswerts einer reellen Zufallsvariablen Z auf (W,  ) mit einer gegebenen s-Algebra  über W. Z ist also insbesondere eine
-messbare Abbildung auf W. Nach den Ausführungen in Abschnitt 8 können wir o.B.d.A. die ursprüngliche Wahrscheinlichkeitsverteilung P als auf ganz P (W) definiert ansehen; ggf. ist P auf
P (W) geeignet fortzusetzen. Es gilt dann in jedem Falle
E ( Z ) = ò Z dP =å Z (w ) P ({w }) = å z P ( Z = z ),
w ÎW
z Î
wobei  = {Z (w ) w Î W} die Wertemenge der Zufallsvariablen Z bezeichne; der obige Ausdruck
ist dabei invariant gegenüber der ggf. gewählten Fortsetzung von P auf P (W).
Sei nun  Í  eine Teil-s-Algebra von  über W. Unter dem bedingten Erwartungswert E ( Z  )
versteht man dann die folgende, -messbare Zufallsvariable:
s
E ( Z  ) := å
(
E Z ⋅ 1B j
j =1
P(Bj )
)1
Bj
,
wobei {B1 , , Bs } die Menge der (paarweise disjunkten) Atome von  bezeichne. E ( Z  ) ist also
konstant auf den Atomen von  mit den Werten
(
E Z ⋅ 1B j
P (B j )
),
j = 1, , s. Nach unserer generellen
Voraussetzung ist dabei P ( B j ) > 0 für j = 1,, s, d.h. E ( Z  ) ist wohldefiniert. Die angenom-
menen Werte von E ( Z  ) können noch wie folgt interpretiert werden: für B Î  mit P ( B ) > 0 ist
Z (w )⋅ P ({w } Ç B)
E ( Z ⋅ 1B )
Z ( w )⋅ 1 B ( w )
Z (w )
=å
= ò Z dP (  B)
P ({w }) = å
P ({w }) = å
P ( B)
P ( B)
P ( B)
wÎW
wÎB P ( B )
w ÎW
mit der elementaren bedingten Wahrscheinlichkeit P ( A B ) =
E ( Z ⋅1B )
P ( B)
P ( A Ç B)
für A Î . Der Ausdruck
P ( B)
entspricht also gerade dem Erwartungswert von Z bezüglich der elementaren bedingten
Verteilung P (  B ).
45
Die folgenden Eigenschaften des bedingten Erwartungswerts können unmittelbar aus der obigen
Definition abgeleitet werden:
E ( Z {Æ, W}) = E ( Z ) bzw. allgemeiner:
E ( Z  ) = E ( Z ) falls Z und  stochastisch unabhängig
(d.h. Z und 1B stochastisch unabhängig für alle B Î  )
E ( Z P (W)) = Z
E ( E ( Z  )) = E ( Z )
E ( Z  ) = Z falls Z  - messbar
E ( E ( Z  )  ) = E ( Z  ) falls  Ê 
E (YZ  ) = Y E ( Z  ) für alle  - messbaren Zufallsvariablen Y bzw. allgemeiner
E ( f (Y , Z )  ) = E ( f ( y, Z )  )
für alle  - messbaren Zufallsvariablen Y
y =Y
mit (Borel-)messbarem f.
Definition 3: Es sei {Æ, W} Í 0 Í 1 Í  Í T Í P (W) eine Filtration. Eine (endliche) Familie
{ X n }n=0,,T von Zufallsvariablen auf (W, P ) heißt

der Filtration {n }n=0,,T adaptiert, wenn X n n -messbar ist für n = 0, , T ;

vorhersagbar, wenn sie der Filtration {n }n=0,,T adaptiert und X n n-1 -messbar ist für

n = 1, , T ;
ein Martingal, wenn sie der Filtration {n }n=0,,T adaptiert ist mit
E ( X n+1 n ) = X n für n = 0,, T -1;

ein Vektor-Martingal, wenn X n = ( X n [0], , X n [d ]) Î  d +1 für n = 0, , T und { X n [i ]}n=0,,T
für jedes i = 0, , d ein Martingal ist.
Ist beispielsweise {Yn }n=0,,T eine der Filtration {n }n=0,,T adaptierte Familie von Zufallsvariablen
auf (W, P ) mit E (Yn+1 n ) = 0 für n = 0, , T -1 und definiert man
n
X n := å Yi , n = 0, , T ,
i=0
so ist { X n }n=0,,T ein Martingal wegen
E ( X n+1 n ) = E ( X n + Yn+1 n ) = E ( X n n ) + E (Yn+1 n ) = X n für n = 0, , T -1.
46
Dieser Fall liegt z.B. vor für eine unabhängige Familie {Yn }n=0,,T mit E (Yn ) = 0 und
n = s (Y0 , , Yn ) ( = die von {Yi }i=0,,n erzeugte s-Algebra) für alle n.
Unter einem Martingal wird in der Reiterei ein Teil
des Zaumzeugs des Pferdes (engl.: harness) verstanden. Es handelt sich dabei um den Hilfszügel (P), der
das unkontrollierte Hochwerfen des Kopfes verhindern
soll.
Der Begriff wurde früher zur Bezeichnung eines Spielsystems verwendet, bei dem der Einsatz nach einem
Verlust jeweils verdoppelt wird (z.B. beim Roulette).
In der modernen Stochastik beschreibt ein Martingal
ein Modell eines fairen Spiels. Der Begriff wurde 1939
von J. Ville eingeführt. In dem Text Étude Critique de
la Notion de Collectif diskutiert er von Mises's These,
dass ein erfolgreiches Spielsystem bei Zufallsfolgen
unmöglich sei; so nennt er ein Martingal "un jeu
équitable."
Die Graphik links stammt aus dem American College
Dictionary, Random House, N.Y. 1969.
Satz 4: {M n }n=0,,T sei ein Martingal und {H n }n=0,,T eine bezüglich der Filtration {n }n=0,,T
vorhersagbare Familie. Ferner sei DM n := M n - M n-1 , n = 1, , T . Dann ist auch die durch
ìH 0 M 0 ,
n=0
ï
ï
ï
n
X n := í
ï
X 0 + å H i DM i , n = 1, , T
ï
ï
i =1
ï
î
definierte Familie ein Martingal bezüglich der Filtration {n }n=0,,T (die sog. durch {H n }n=0,,T
induzierte Martingal-Transformation von {M n }n=0,,T ).
Beweis:

{ X n }n=0,,T ist adaptiert

Es gilt für n = 0,, T -1:
E ( X n+1 - X n n ) = E ( H n+1 ⋅ ( M n+1 - M n ) n )
= H n+1 E ( M n+1 - M n n ) = H n+1 ⋅ ( M n - M n ) = 0,
also
E ( X n+1 n ) = E ( X n n ) = X n , n = 0,, T -1.
47
Satz 5: Eine der Filtration {n }n=0,,T adaptierte Familie {M n }n=0,,T ist genau dann ein Martingal,
wenn für jede vorhersagbare Familie {H n }n=0,,T gilt:
æ T
ö
E ççå H n DM n ÷÷ = 0.
çè n=1
ø÷
Beweis:
: Wähle für { X n }n=0,,T die durch {H n }n=0,,T induzierte Martingal-Transformation. Dann ist
æ T
ö
E ççå H n DM n ÷÷ = E ( X T - X 0 ) = E ( E ( X T - X 0 T -1 )) = E ( X T -1 - X 0 ) = E ( X 0 - X 0 ) = 0.
çè n=1
ø÷
ïì0, n ¹ m + 1
mit einer beliebigen, aber festen m : Für m = 0,, T -1 wähle H n := ïí
ïïî1A , n = m + 1
messbaren Menge A. Dann ist {H n }n=0,,T vorhersagbar mit
æ T
ö
E (1 A ⋅ ( M m+1 - M m )) = E ççå H n DM n ÷÷÷ = 0,
çè n=1
ø
also
ò E (M
A
m+1
m ) dP = ò 1 A E ( M m+1 m ) dP = ò E ( M m+11A m ) dP
= E ( E ( M m+11 A m )) = E ( M m+11 A ) = ò M m dP
A
nach Voraussetzung, d.h. wegen der Beliebigkeit von A:
E ( M m+1 m ) = M m ,
was gerade der Martingaleigenschaft entspricht.
Die Sätze 4 und 5 lassen sich sofort auch auf Vektor-Martingale übertragen. Dazu wird das reelle
Produkt (zweier Zahlen) durch das Skalarprodukt (zweier Vektoren) ersetzt. Der D-Operator ist
entsprechend komponentenweise anzuwenden, gleiches gilt für den Begriff der Adaptiertheit und
Vorhersagbarkeit.
48
Satz 6: {M n }n=0,,T sei ein Vektor-Martingal und {H n }n=0,,T eine bezüglich der Filtration
{n }n=0,,T vorhersagbare Familie von Zufallsvektoren. Dann ist auch die durch
ìï< H 0 , M 0 >,
n=0
ïï
n
X n := í
ïï X 0 + å < H i , DM i >, n = 1,, T
ïïî
i =1
definierte Familie ein Martingal bezüglich der Filtration {n }n=0,,T .
Beweis:

{ X n }n=0,,T ist adaptiert

Es gilt für n = 0,, T -1:
æ d
ö
E ( X n+1 - X n n ) = E (< H n+1 , M n+1 - M n > n ) = E ççå H n+1[i ]( M n+1[i ] - M n [i ]) n ÷÷÷
çè i=0
ø
d
d
i =0
i =0
= å H n+1[i ]E ( M n+1[i ] - M n [i ] n ) = å H n+1[i ]⋅ ( M n [i ] - M n [i ]) = 0,
also
E ( X n+1 n ) = E ( X n n ) = X n , n = 0,, T -1.
Satz 7: Eine der Filtration {n }n=0,,T adaptierte Familie von Zufallsvektoren {M n }n=0,,T ist ge-
nau dann ein Vektor-Martingal, wenn für jede vorhersagbare Familie von Zufallsvektoren
{H n }n=0,,T gilt:
æ T
ö
E ççå < H n , DM n >÷÷÷ = 0.
çè n=1
ø
Beweis:
: Es ist
T
d
d
æ T
ö
æ T
ö
÷
ç
ç
E çå < H n , DM n >÷ = åå E ( H n [i ] DM n [i ]) = å E çå H n [i ] DM n [i ]÷÷ = 0
÷ø n=1 i=0
÷ø
çè n=1
çè n=0
i =0
nach Satz 5 bei komponentenweiser Anwendung.
: Für festes j Î {0, , d } wähle {H n [ j ]}n=0,,T als beliebige vorhersagbare Familie; setze weiter
H n [i ] := 0 für i Î {0, , d } , i ¹ j. Dann ist {H n }n=0,,T eine vorhersagbare Familie von Zufalls-
vektoren. Aus
49
æ T
ö
æ T
ö
E ççå < H n , DM n >÷÷ = E ççå H n [ j ] DM n [ j ]÷÷ = 0
÷ø
÷ø
çè n=1
çè n=1
folgt nach Satz 5, dass die Familie {M n [ j ]} j=0,,T ein Martingal ist; da j beliebig war, ist also
{M n }n=0,,T ein Vektor-Martingal.
Für das folgende seien nun wieder die Voraussetzungen vom Anfang dieses Kapitels gültig.
Definition 4: Eine Handelsstrategie f heißt zulässig, wenn sie selbstfinanzierend ist und
Vn (f ) ³ 0 gilt für n = 0,, T . Eine Handelsstrategie f heißt Arbitrage-Strategie, wenn sie zulässig
ist mit V0 (f ) = 0 und P (VT (f ) > 0) > 0. Ein Markt heißt arbitragefrei, wenn es keine Handelsstrategie f gibt, die Arbitrage-Strategie ist.
Man beachte, dass nach den getroffenen Annahmen, insbesondere der Zulässigkeit und der Bedingung P ( A) > 0 für alle A Î T , die Arbitrage-Bedingung P (VT (f ) > 0) > 0 äquivalent ist zu
VT (f ) ¹ 0.
In unserem Anfangsbeispiel ist die Strategie f erwartungsgemäß eine Arbitrage-Strategie, da sie
offensichtlich zulässig ist mit V1 (f ) = 10 > 0.
Im weiteren benötigen wir noch folgende Bezeichnungen:

Der konvexe Kegel der schwach positiven Zufallsvariablen Z auf (W, P ) werde mit G bezeichnet (d.h. es gelte Z (w ) ³ 0 für alle w Î W und Z (h ) > 0 für mindestens ein h Î W, d.h. Z ist

nicht-negativ, aber nicht konstant Null).
Für n = 0, , T seien die kumulativen Gewinne mit Gn (f ) , die diskontierten kumulativen
 (f ) bezeichnet:
Gewinne mit G
n
n
Gn (f ) = Vn (f ) -V0 (f ) = å < f j , DS j >,
j =1
n
 (f ) = V (f ) -V (f ) =
G
å < f j , DSj > für n = 0,, T .
n
n
0
j =1
Man beachte, dass beide Ausdrücke unabhängig von f0 sind. Ferner werde mit  die Menge
der Handelsstrategien f bezeichnet.
Für die nachfolgenden Überlegungen ist es sinnvoll, Zufallsvariablen X auf (W, P) wegen der Endlichkeit von W  etwa W = {w1 , , wa } mit # (W) = a Î   als Elemente des Funktionenraumes
W bzw. hierzu isomorph des euklidischen Raumes  a aufzufassen, indem wir die Abbildung X
mit dem Vektor ( X (w1 ) ,, X (wa )) identifizieren. Wir können dann leicht von dem folgenden, in
der konvexen Analysis und linearen Optimierung bekannten Satz Gebrauch machen:
50
Satz 8: Es sei K eine nicht-leere, kompakte, konvexe Teilmenge des  a und  Í  a ein linearer
Teilraum mit K Ç  = Æ. Dann existiert ein z Î  a mit
z = inf { x - y
x Î K , y Î  } =: d ( K ,  ) > 0
< z , y > = 0 für alle y Î 
< z, x > ³ z
Dabei bezeichne wie üblich x =
2
> 0 für alle x Î K .
a
åx
2
i
die euklidische Norm des Vektors x Î a .
i =1
Beweis: Sei zunächst  = {0} , wobei 0 den Nullvektor bezeichne, und F eine beliebige, nicht-
leere, abgeschlossene Teilmenge des  a mit F Ç  = Æ, d.h. 0 Ï F . Dann existiert ein f Î F mit
f = d ( F ,  ) = inf { x - y
x Î F , y Î  } = inf { x
x Î F } > 0.
Ist nämlich g Î F beliebig, aber fest gewählt und e := g > 0 (wegen 0 Ï F ), so gilt offenbar
auch
d ( F ,  ) = inf { x
wobei K e (0) := { x Î  a
x Î F } = inf { x
x Î F Ç K e (0)} ,
x £ e} die abgeschlossene Kugel um den Nullpunkt mit Radius e > 0
bezeichne. Auf der nunmehr kompakten, nicht-leeren Menge F Ç K e (0) ' g besitzt die stetige Abbildung x  x aber ein Minimum, das etwa in f Î F Ç K e (0) Í F angenommen wird. Wegen
f ¹ 0 nach Voraussetzung ist dann
f = d ( F ,  ) = inf { x
x Î F } > 0,
wie behauptet.
Sei nun zusätzlich F konvex. Für 0 < t £ 1 gehören dann mit f auch alle Punkte f + t (u - f ) mit
u Î F ebenfalls zu F, mit
f
2
+t2 u - f
 t u- f
2
2
+ 2t < f , u - f > = f + t (u - f ) ³ f
2
+ 2 < f , u - f > ³ 0 "t Î (0,1]
 < f ,u > ³ < f , f > = f
2
> 0;
nach Voraussetzung folgt also
< f ,u > ³ f
2
> 0 für alle u Î F .
51
2
"t Î (0,1]
Damit ist der Satz in der speziellen Situation  =  = {0} und K = F (für sogar nur abgeschlossene) konvexe Mengen F mit z = f bewiesen, da hier trivialerweise
< z , y > = 0 für alle y Î 
gilt.
Sei nun  ein beliebiger, von {0} verschiedener Teilraum und K konvex und kompakt, mit
K Ç  = Æ. Wir betrachten dann die Menge L := K -  = { x - y x Î K , y Î  } . Diese ist abge-
schlossen und konvex, mit
d ( L, {0}) = d ( K ,  ) > 0,
also insbesondere L Ç {0} = Æ. Ersetzt man nun in der obigen Argumentation F durch L, so folgt
die Existenz eines Vektors z  L mit
2
< z , x - b y > = < z , x > -b < z , y > ³ z > 0
wegen x - b y Î L für alle x Î K , y Î  , b Î . Da b beliebig groß gewählt werden kann, folgt
nun direkt < z, y > = 0 für alle y Î  sowie < z , x > ³ z
2
> 0 für alle x Î K , wie behaup-
tet. Der Satz ist damit vollständig bewiesen.
Satz 8 ist in der Literatur auch als eine Version des Satzes von der trennenden Hyperebene bekannnt:
Der Vektor z ist nämlich orthogonal zu  (wegen < z , y > = 0 für alle y Î  ), wobei z
den Abstand von K zur Hyperebene (dem Teilraum)  angibt; verschiebt man nun die Hyperebene  parallel in Richtung z, d.h. betrachtet
man die affine Hyperebene H = h z +  mit
0 < h < 1, so "trennt" diese gerade die Menge K
und den Teilraum .
Die andere Bedingung < z , x > > 0 besagt hier anschaulich, dass die Winkel zwischen z und den
p
vom Fußpunkt des Vektors z in die Menge K führenden Vektoren x stets strikt zwischen - und
2
p
liegen.
2
Die Bedeutung des Satzes 8 zeigt sich nun bei der Charakterisierung der Arbitragefreiheit eines
Marktes.
52
Satz 9: Notwendig für die Arbitragefreiheit eines Marktes ist folgende Bedingung:
 (f ) Ï G für jedes f Î .
G
T
 (f ) Î G für f Î . Da G
 (f ) unBeweis durch Widerspruch: Der Markt sei arbitragefrei mit G
T
T
abhängig von f0 ist, kann nach Satz 3 f als selbstfinanzierend angenommen werden mit
 (f ) = V (f ) -V (f ) = V (f ) kann nicht G
 (f ) ³ 0 gelten für alle
V0 (f ) = 0. Wegen G
n
n
0
n
n
T
 (f ) Î G, also
n = 0, , T (sonst Widerspruch zur Arbitragefreiheit wegen v V (f) = V (f) = G
T
T
T
P (VT (f) > 0) > 0). Wähle
{
}
 (f ) < 0) > 0 .
m := max k Î {0,, T -1} P (G
k
Definiere die Handelsstrategie y durch
ì
ï1 Am ⋅ fn , n > m
 (f ) < 0}.
yn := ï
mit Am := {G
í
m
ï
n£m
ï
î0,
Dann ist Am m -messbar und y vorhersagbar (da f vorhersagbar). Damit folgt für n = 0,, T :
n
 (y ) =
G
å < y j , DSj > =
n
j =1
n
å
j = m+1
< 1 Am f j , DSj > = 1 Am
n
å < f , DS
j
j
>,
j = m+1
also
ìï1 ⋅ (G
 (f ) - G
 (f )) , n > müï
Am
n
m
ï
ï ³ 0,

Gn (y ) = í
ý
ïï0,
ïï
n
m
£
ïþ
îï
da auf Am Gm (f ) negativ ist und für n > m gilt: Gn (f ) ³ 0. Insbesondere ist damit auch
 (y ) > 0 auf A : Widerspruch zur Arbitragefreiheit! Die Annahme von G
 (f ) Î G ist also
G
T
T
m
falsch, der Satz damit bewiesen.
Wir wollen uns im folgenden überlegen, was die Aussage des Satzes 9 für unser anfängliches Beispiel von Eberlein konkret bedeutet. Wir legen dazu wieder die Notation von S. 41 zugrunde, d.h.
f1[0] =: x, f1[1] =: y, f1[2] =: z ,
mit reellen Zahlen x, y, z. Wie erhalten dann mit zunächst nicht spezifiziertem Optionspreis C0
 (f ) =< f , DS >= y (80v -100 + 50vI ) + z (20vI - C ).
G
1
1
1
1
1
0
Das (stochastische) Modell beinhaltet lediglich eine einzelne binomialverteilte Zufallsvariable I1 ;
es genügt daher, für W eine zweielementige Menge anzusetzen: W = {w1 , w2 } mit
53
I1 (w1 ) = 0
I1 (w2 ) = 1.
Für diesen Fall können wir also a = 2 wählen; in vektorieller Schreibweise können wir demnach
die Größe G1 (f ) identifizieren mit
é
ù
é
ù
 (f )  y ê 80v -100 ú + z ê -C0 ú , y, z Î .
G
1
ê
ú
êë130v -100úû
ë 20v - C0 û
Der lineare (Teil-)Raum, in dem die "Vektoren" G1 (f ) liegen, wird also aufgespannt durch die
é -C0 ù
é 80v -100 ù
 (f ) Ï G lässt sich also dann und nur
ú . Die Bedingung G
ú und ê
Vektoren ê
T
ê 20v - C0 ú
êë130v -100úû
ë
û
dann realisieren, wenn diese beiden Vektoren linear abhängig sind (anderenfalls spannen sie ganz
 2 auf), d.h. wenn gilt
é(80v -100) -C0
ù
ú = 0, also C0 = 40 - 32v = 10v = 9,52...
50v (32v - 40 + C0 ) = det êê
(ë 130v -100) (20v - C0 )úû
in Übereinstimmung mit unserer früheren Berechnung des (eindeutig bestimmten) arbitragefreien
Call-Preises C0 .
Wir kommen jetzt zum sogenannten Fundamentalsatz der Optionspreis-Theorie:
Satz 10: Ein Markt ist arbitragefrei genau dann, wenn es ein zu P äquivalentes Maß P* gibt (d.h.
mit denselben Nullmengen wie P), unter dem die diskontierten Preise ( S0 ,, ST ) ein VektorMartingal bilden. P* heißt dann ein zu P äquivalentes Martingalmaß.
Beweis:
: Für eine selbstfinanzierende Handelsstrategie f gilt nach Satz 2, Teil 5:
n
Vn (f ) = V0 (f ) + å < fi , DSi >
i =1
[mit V0 (f ) = V0 (f ) ], d.h. (V0 (f ) , ,VT (f )) ist als Martingal-Transformation der Preise ebenfalls
ein Martingal unter P* nach Satz 6; also gilt
E * (VT (f )) = E * (V0 (f )).
Dabei bezeichne E * den Erwartungswert bezüglich P* . Für f zulässig mit V0 (f ) = 0 folgt somit
E * (VT (f )) = 0 mit VT (f ) ³ 0,
54
also VT (f ) = 0 (einzige Nullmenge unter P und P* ist Æ ). Damit ist der Markt aber arbitragefrei.
ïì
ïü
: K := ïíZ Î G å Z (w ) = 1ïý ist eine kompakte, konvexe Teilmenge von G mit K Ç = Æ nach
ïîï
ïþï
w ÎW
 (f ) f Î } sei; dies ist ein linearer Teilraum von W bzw.  a im Sinne
Satz 9, wobei  := {G
T
der oben angesprochenen Identifikation. Nach sinngemäßer Anwendung von Satz 8 existiert dann
ein l Î W mit den Eigenschaften
å l (w ) Z ( w ) ³ å l
wÎW
å l (w )G
T
(w ) > 0 für alle Z Î K
2
wÎW
(f; w ) = 0
für alle f Î .
wÎW
Wählen wir in der oberen Ungleichung für beliebiges, aber festes
ìï1, h = w
Z w (h ) = ïí
für h Î W, so ist offenbar Z w Î K mit
ïïî0, h ¹ w
w ÎW
speziell
l (w ) = å l (h ) Z w (h ) > 0.
h ÎW
Mit dem Ansatz
P* ({w }) :=
l (w )
å l (h )
> 0, w Î W
h ÎW
ist ferner ein zu P äquivalentes Mass P* gefunden mit
 (f; w )
l (w ) G
å
T
T
æ
ö
 (f )) = wÎW
E * çççå < f j , DSj >÷÷÷ = E * (G
=0
T
÷ø
çè
l (w )
å
j =1
wÎW
für alle f Î . Nach Satz 7 ist also ( S0 , , ST ) ein Vektor-Martingal.
Damit ist der Satz vollständig bewiesen.
Das im Anschluss an Satz 9 behandelte konkrete Beispiel lässt sich nunmehr wie folgt ergänzen:
 (f ) erzeugt wird, wenn der
Der eindimensionale lineare Teilraum , der von den "Vektoren" G
1
é 80v -100 ù
ú bzw.
arbitragefreie Call-Preis C0 = 10v zugrundegelegt wird, besitzt den Basisvektor ê
êë130v -100úû
nach Multiplikation mit
r
1 é 80 -105 ù é-1ù
ê
ú = ê ú =: b. Da der zur Bestimals skalarem Faktor:
25
25 ëê130 -105ûú ëê 1ûú
55
mung des äquivalenten Martingalmaßes P* benötigte "Vektor" l nach Satz 8 bzw. 10 orthogonal
zu  und damit zu b ist, also
< l, b >= l (w1 ) b1 + l (w2 ) b2 = -l (w1 ) + l (w2 ) = 0
1
gilt, folgt l (w1 ) = l (w2 ) und somit P* ({w1 }) = P* ({w2 }) = , was sich inhaltlich mit der schon
2
1
früher gefundenen äquivalenten Wahrscheinlichkeit p* = P* ({w1 }) = 1- p* = 1- P* ({w2 }) =
2
deckt.
Es bietet sich nunmehr an, die Bedeutung von Satz 10 für das allgemeinere Modell von Cox, Ross
und Rubinstein genauer zu studieren. Dazu betrachten wir zunächst das Zwei-Stufen-Ein-PeriodenModell vom Anfang, das sich mit der früheren Notation und den Annahmen auf S. 5 (vgl. auch S.
38) folgendermaßen darstellen lässt:
S0 [0] = 1
S1[0] = r
S0 [1] = S0
S1[1] = ST- + ( ST+ - ST- ) I1
S0 [2] = C0
S1[2] = ( S1[1] - X ) = ( ST+ - X ) I1 ,
+
wobei I1 wieder eine B (1, p ) -binomialverteilte Zufallsgröße bezeichnet. Wollen wir nun Arbitragefreiheit nach Satz 10 erreichen, müssen wir eine Wahrscheinlichkeitsverteilung P* so finden,
dass die diskontierten Preise ein Vektor-Martingal unter P* bilden. Für das obige einfache Modell
ist diese Bedingung offensichtlich wegen 0 = {Æ, W} äquivalent zu
vE * ( S1[k ]) = S0 [k ] bzw. E * ( S1[ k ]) = rS0 [ k ], k = 0,1, 2,
wobei die Bedingung für k = 0 (auch voraussetzungsgemäß) stets erfüllt ist. Wählen wir analog zu
oben wieder die Bezeichnung p * = P* ( I1 = 1) , so liefern die beiden unteren Gleichungen jetzt
ST- + p* ( ST+ - ST- ) = E * ( S1[1]) = rS0 [1] = rS0
p* ( ST+ - X ) = E * ( S1[2]) = rS0 [2] = rC0 ,
woraus sich sofort die beiden (bekannten) Lösungen
rS0 - STST+ - X
p = +
und C0 = +
S - vST- )
-( 0
ST - ST
ST - ST
*
ergeben.
Wir betrachten nun die entsprechende Zwei-Perioden-Erweiterung des Anfangsbeispiels von Eberlein im Sinne von Cox, Ross und Rubinstein, die formal wie folgt beschrieben werden kann (mit
r = 1 + i = 1, 05 ):
56
S0 [0] = 1
S1[0] = r
S0 [1] = 100 S1[1] = 80 + 50 I1
S0 [2] = C0 S1[2] = C1 ( I1 )
S2 [0] = r 2
S2 [1] = 64 + 40 I1 + 40 I 2 + 25 I1 I 2
S2 [2] = 59 I1 I 2 ,
wobei I1 und I 2 zwei stochastisch unabhängige, je wieder B (1, p ) -binomialverteilte Zufallsgrößen
bezeichnen. Als s-Algebra 1 wählen wir dabei zweckmäßigerweise die von I1 erzeugte sAlgebra, also
1 = s ( I1 ) = {Æ, A, Ac , W} mit A = I1-1 ({1}).
Die Schlusskurse S 2 [1] zur Zeit 2T sind also gegeben durch die Werte {64,104,169}, die für die
Fälle I1 = I 2 = 0, I1 = (1- I 2 ) = 0 bzw. I 2 = (1- I1 ) = 0, und I1 = I 2 = 1 realisiert werden; entsprechend für die Optionswerte S 2 [2]. Man beachte dabei, dass im Gegensatz zum Ein-PeriodenFall der Preis C1 ( I1 ) der Option zur Zeit T hier nicht durch 20I1 gegeben ist, da der Ausübungszeitpunkt der Option der spätere Zeitpunkt 2T ist. Für eine Anwendung von Satz 10 benötigen wir
noch folgende Ausdrücke:
E ( S1[1] 0 ) = E ( S1[1]) = 80 + 50 p
E ( S1[2] 0 ) = E ( S1[2]) = E éëC1 ( I1 )ùû
E ( S2 [1] 1 ) = 64 + 40 p + (40 + 25 p ) I1
E ( S2 [2] 1 ) = 59 pI1.
Die diskontierten Preise bilden also genau dann ein Vektor-Martingal, wenn
100r = rS0 [1] = E ( S1[1] 0 ) = E ( S1[1]) = 80 + 50 p
r (80 + 50 I1 ) = rS1[1] = E ( S 2 [1] 1 ) = 64 + 40 p + (40 + 25 p ) I1
rC0 = rS0 [2] = E ( S1[2] 0 ) = E éëC1 ( I1 )ùû
rC1 ( I1 ) = rS1[2] = E ( S 2 [2] 1 ) = 59 pI1
gilt; dies ist genau dann der Fall, wenn
p = p* =
1
(Zeile 1), C1 ( I1 )= 59vpI1 (Zeile 4) und C0 = vE éëC1 ( I1 )ùû = 59v 2 p 2 = 13,37 (Zeile 3)
2
ist. (Man beachte, dass Zeile 2 mit diesen Lösungen konsistent ist.) Nach Satz 10 ist der Markt also
unter demselben p* wie im Ein-Perioden-Modell arbitragefrei, mit einem zugehörigen Optionspreis von C0 = 13,37. Im Gegensatz zum Ein-Perioden-Modell ist aber der Optionspreis zur Zeit 1
abhängig von der vorherigen Kursentwicklung, d.h. es ist C1 = 0, wenn der Kurs fällt, und
C1 = 59vp = 28, 09, wenn der Kurs steigt.
57
Wir wollen nun einige (zulässige) Handelsstrategien f genauer untersuchen. Betrachten wir dazu
zunächst die einfache Strategie, bei Leerverkauf von n Aktien m Call-Optionen zum Preis von
C0 = 13,37 zum Zeitpunkt 0 zu erwerben und diese Positionen bis zum Zeitpunkt 2T zu halten,
also zum Zeitpunkt T keine Umschichtungen im Portfolio vorzunehmen (sog. „Buy-and-Hold“Strategie). Wir erhalten dann folgende Tabelle, bei der es in der Rechnung wieder nur auf das Verhältnis von n zu m ankommt:
t=0
t = 2T
Aktion
S 2T = 169
Bewertung
S 2T = 104
S 2T = 64
Leerverkauf n Aktien
-100n
-169n
-104n
-64n
Kauf m Call-Optionen
+m C0
+59m
0
0
100n - m C0
Geld
+r 2 (100n - m C0 ) +r 2 (100n - m C0 ) +r 2 (100n - m C0 )
0,00 -58, 75n + 44, 25m
Saldo
6, 25n -14,75m
46, 25n -14,75m
Die für das Vorliegen einer Arbitrage-Möglichkeit notwendigen Bedingungen
-58, 75n + 44, 25m ³ 0
6, 25n - 14,75m ³ 0
46, 25n - 14,75m ³ 0
ì 59
ü
177
59 ï
ï
m ³ n ³ max í m,
mý , die jedoch nur für
ï
235
ï 25 185 ï
ï
î
þ
m = n = 0 erfüllt ist und somit in allen drei Kurssituationen zu einem Saldo von Null führt. Damit
ist eine Arbitrage-Möglichkeit zwar ausgeschlossen, jedes nicht-triviale Portfolio (d.h. mit von Null
verschiedenen Kontobewegungen) führt aber in wenigstens einer der drei Situationen zu einem
echten Verlust. Insbesondere bedeutet dies auch, dass ein Hedging mit der obigen Strategie nicht
mehr möglich ist, wie die folgende Tabelle, die sich direkt aus der obigen ergibt, zeigt:
sind aber äquivalent zu der Bedingung
t=0
Aktion
t = 2T
Bewertung
S 2T = 169
S 2T = 104
S 2T = 64
Besitz n Aktien
+100n
+169n
+104n
+64n
Verkauf m Call-Optionen
-m C0
-59m
0
0
Geld
+m C0
+r 2 m C0
+r 2 m C0
+r 2 m C0
Saldo
+100n
169n - 44, 25m
104n +14,75m
64n + 14,75m
58
mit den für ein Hedging analogen Bedingungen
169n - 44, 25m ³ 110, 25n
104n + 14,75m ³ 110, 25n
46, 25n + 14,75m ³ 110, 25n,
177
59
m ³ n ³ m und damit bei n > 0 zu einer nicht erfüllbaren Bedingung an m
235
25
führen. Aufgrund der Tatsache, dass der Optionspreis C1 ( I1 ) für I1 = 0 (anfängliche Kursabwärtsdie wieder auf
bewegung) zur Zeit T den Wert Null annimmt, ist ein Hedging sogar für keine (zulässige) Handelsstrategie f möglich, jedenfalls nicht für Call-Optionen mit einem Ausübungspreis oberhalb von
1
104. Bei einem beispielhaften Ausübungspreis von X = 100 – der mit p = p* = analog zu obi2
æ
69 ö
77
ger Rechnung zu C1 ( I1 )= v çç2 + I1 ÷÷÷ und C0 = vE éëC1 ( I1 )ùû = v 2 = 17, 46 führt – lässt sich aber
çè
4
2 ø
eine geeignete Hedging-Strategie f finden, nämlich die folgende:
f0 [0] = 0
f0 [1] = n
f0 [2] = 0
1925
vn
69
n
f1[1] =
100rn
f1[2] = 69
f1[0] =
æ185
ö
f2 [0] = çç
- 36 I1 ÷÷÷ v 2 n
çè 4
ø
n
f2 [1] =
f2 [2] =
(-10 + 9 I1 ) n
mit den Eigenschaften:
1925
100rn 77 2
vn ⋅1 + n ⋅100 ⋅ v = 100n
69
69
4
æ
1925
100rn ç
69 ö
vn ⋅ r + n ⋅ (80 + 50 I1 ) v ç2 + I1 ÷÷÷
V1 (f ) =< f1 , S1 >=
69
69 çè
2 ø
V0 (f ) =< f0 , S0 >=< f1 , S0 >=
1925
200
n + 80n n + 50nI1 - 50nI1 = 105n = r ⋅ 100n
69
69
æ
æ185
ö
69 ö
=< f2 , S1 >= çç
- 36 I1 ÷÷÷ v 2 nr + (80 + 50 I1 ) n + (-10 + 9 I1 ) nv çç2 + I1 ÷÷÷
çè
çè 4
ø
2 ø
ì
éæ
ù ü
ö
ïæ185
ï
621ö÷
ú I1 ï
= nï
- 20÷÷÷ v + 80 + êçç-36 + 18 - 345 +
+
v
50
÷
íççç
÷
ç
êëè
úû ý
ï
ï
ø
2 ø
ïè 4
ï
î
þ
æ185
ö
- 36 I1 ÷÷÷ v 2 nr 2 + (64 + 40 I1 + 40 I 2 + 25 I1 I 2 ) n + 
V2 (f ) =< f2 , S 2 >= çç
çè 4
ø
=
+ (4 I1 + 4 I 2 + 61I1 I 2 )(-10 + 9 I1 ) n
æ185
ö
= çç
+ 64÷÷÷ n + éë(-36 + 40 - 40 + 36) I1 + (40 - 40) I 2 + (25 - 610 + 36 + 549) I1 I 2 ùû n
çè 4
ø
441
=
n = r 2 ⋅ 100n.
4
59
Man beachte, dass die Komponenten f2 [ k ] explizit nur von I1 und nicht von I 2 abhängen, also in
der Tat 1 - messbar sind. Insbesondere ist f zulässig und selbstfinanzierend.
Diese Handelsstrategie f kann konkret wie folgt realisiert werden:
t = 0 : Verkauf von
35
77 2
n = 1,5217 n Call-Optionen zum Preis von je
v = 17, 4603 €.
23
4
Guthaben (Geld):
1925
vn = 26,5700 n €.
69
Bewertungs-Saldo: 100 n €.
t = T : I1 = 1 (Kursaufwärtsbewegung) :
(Rück-)Kauf von
12
73
n = 0,5217 n Call-Optionen zum Preis von je
v = 34, 7619 €.
23
2
Neuer Bestand: - n Call-Optionen.
æ1925 438 ö÷
v÷ n = 9, 7619 n €.
Neues Guthaben (Geld): çç
çè 69
23 ø÷
Neuer Bewertungs-Saldo: 105 n €.
I1 = 0 (Kursabwärtsbewegung) :
Verkauf von
195
n = 8, 4783 n Call-Optionen zum Preis von je 2v = 1,9048 €.
23
Neuer Bestand: -10 n Call-Optionen.
æ1925 390 ö÷
v÷ n = 44, 0476 n €.
+
Neues Guthaben (Geld): çç
çè 69
23 ø÷
Neuer Bewertungs-Saldo: 105 n €.
Für Optionen mit anfänglichen Ausübungspreisen X oberhalb von 104 läßt sich noch eine ähnliche
Hedging-Strategie konstruieren, wenn man zur Zeit t = T sämtliche Call-Optionen zum aktuellen
Preis zurückkauft (dies nennt man „Glattstellen“ der Optionsposition) und stattdessen Optionen mit
einem geeigneten, niedrigeren Ausübungspreis neu verkauft. Formal enthält das Portfolio dann aber
vier Bestandteile: Aktien, zwei unterschiedliche Optionstypen sowie die Geldposition.
Eine erhebliche technische Vereinfachung ergibt sich, wenn man in dem Binomialbaum des CoxRoss-Rubinstein-Modells rekursiv von „hinten“ nach „vorne“ rechnet. Dazu mittelt man jeweils in
60
jedem „Knoten“ die diskontierten Optionswerte aus den beiden rechts benachbarten Verzweigungen mit der äquivalenten Wahrscheinlichkeit p* und berechnet aus diesen Angaben die jeweilige
Hedge Ratio. Dieses Verfahren ist rechnerisch gleichwertig zu der oben hergeleiteten Verfahrensweise; hierauf kommen wir später noch einmal im Detail zurück. Für das obige Beispiel ergibt sich
1
mit p* = (oberer Wert: Aktienkurs, unterer Wert: Optionspreis):
2
(69 + 4)v/2 = 73v/2
(73v/2 + 2v) v/2 = 77v2/4
Hedge Ratio h = (69 – 4)/(169 – 104) = 1
Hedge Ratio h = (4 – 0)/(104 – 64) = 1/10
(4 + 0)v/2 = 2v
Hedge Ratio h = (73 – 4)v/2/(130 – 80) = 69v/100 = 69/105 = 23/35
Die obigen Rechnungen haben gezeigt, dass für das ursprüngliche Options-Bewertungsproblem
offensichtlich nur die Martingal-Eigenschaft der diskontierten Aktienkurse eine zentrale Rolle
spielt, welche im wesentlichen durch die Eigenschaft p = p* charakterisiert ist. Dass dies allgemeiner im Cox-Ross-Rubinstein-Modell immer der Fall ist, zeigt der folgende
Satz 11: Betrachtet werde das n-Perioden-Cox-Ross-Rubinstein-Modell aus Kapitel 6, d.h. gegeben
n
sind der Grundraum W = {0,1} mit dem Produktmaß Ä B (1, p ) und Abbildungen I1 ,, I n auf W
n
i =1
mit I k : (w1 , , wn )  wk , k = 1, , n. Dann sind I1 ,, I n unabhängige, je B (1, p ) - verteilte Zufallsvariablen, und die Aktienkurse lassen sich darstellen vermöge
S kT = (1 + k + )
Nk
k -Nk
(1 + k - )
S0 , k = 1,, n,
k
wobei N k := å I i für k = 1,, n bezeichne. Ferner sei k = s ( I1 , , I k ) für k = 1, , n. Die disi =1
kontierten Aktienkurse seien mit
Z k := v kT SkT , k = 0,, n
bezeichnet. Dann gilt: Die Folge {Z k }k =0,,n ist genau dann ein Martingal bezüglich der Filtration
{k }k =0,,n , wenn p  p ist, mit
61

p 
rS0  1  k   S0
1  k  rS  1  k  S



0
0
iT  k 
.
k  k
Beweis: Zunächst ist k = s ( I1 , , I k ) = s ( Z 0 , , Z k ) für k = 1,, n -1. Für diese k gilt dann:
E ( Z k +1 k ) = E ( Z k +1 Z 0 , , Z k )
I k +1
1-I k +1
é
ù
= vT E ê v kT SkT (1 + k + ) (1 + k - )
S0 , , v kT S kT ú
ë
û
I
I
1
k +1
k +1 ù
= vT v kT S kT E éê(1 + k + ) (1 + k - )
ú
ë
û
+
T kT
é
= v v S kT ê p (1 + k ) + (1- p )(1 + k - )ùú = v kT SkT = Z k
ë
û
genau dann, wenn
vT éê p (1 + k + ) + (1- p )(1 + k - )ùú = 1
ë
û
bzw.
p
rT 1  k 
 p


k k
ist.
Der auf S. 24 diskutierte Ansatz zur Bewertung von Optionen stellt sich also im nachhinein als
richtig heraus; vgl. hierzu auch den späteren Satz 14.
12. Markt-Vollständigkeit
Im letzten Abschnitt stellte sich die (nicht-triviale) Frage nach der Bewertung von Optionen zu
Zwischenzeitpunkten, wenn ein Mehr-Perioden-Modell für die Betrachtung zugrunde gelegt wird.
Für das Cox-Ross-Rubinstein-Modell konnte diese Frage über die Martingal-Eigenschaft der diskontierten Aktienpreise gelöst werden. Wie man im allgemeinen Fall vorgehen kann, soll in diesem
Abschnitt ausführlicher diskutiert werden. Dabei wollen wir – vor allem im Hinblick auf den nachfolgenden Satz 13 – ab jetzt voraussetzen, dass für die finale s - Algebra T = P (W) gilt, was wir
nach Satz 1 ohne weiteres annehmen können, da das Wahrscheinlichkeitsmaß P gegebenenfalls auf
ganz P (W) fortsetzbar ist.
Definition 5: Unter einem Claim [zum Zeitpunkt T] versteht man eine ( T - messbare) Abbildung
H ³ 0 [z.B. den Wert einer Option am Verfalltag T]. Ein Claim heißt absicherbar, wenn es eine
zulässige Handelsstrategie f gibt mit VT (f ) = H . Ein Markt heißt vollständig, wenn jeder Claim
absicherbar ist.
Beispielsweise ist H = r TV0 ein Claim, wenn das Anfangsportfolio V0 nicht-negativ ist. Absicherbarkeit dieses Claims bedeutet also gerade, dass es für das Portfolio ein perfektes Hedging gibt, d.h.
62
die Wertentwicklung des Portfolios zum Ende der Laufzeit T der risikolosen Verzinsung des Anfangswertes des Portfolios entspricht.
Satz 12: In einem arbitragefreien Markt ist ein Claim H bereits dann absicherbar, wenn es eine
selbstfinanzierende Handelsstrategie f gibt mit VT (f ) = H .
Beweis: Sei f selbstfinanzierend mit VT (f ) = H . Unter dem nach Satz 10 existierenden, zu P
äquivalenten Martingalmaß P* ist dann nach Satz 6 (V (f ) ,, V (f )) als Martingal0
T
*
Transformation ebenfalls P -Martingal, so dass
Vn (f ) = E * (VT (f ) n ) , n = 0,, T
gilt. Wegen VT (f ) = vT H ³ 0 ist also auch
Vn (f ) = r nVn (f ) = vT -n E * ( H n ) ³ 0, n = 0, , T ,
also f zulässig.
Satz 13: Ein arbitragefreier Markt ist vollständig genau dann, wenn es ein zu P äquivalentes, eindeutig bestimmtes Martingalmaß P* gibt, unter dem ( S0 ,, ST ) ein Vektor-Martingal ist.
Beweis:
: Sei H ein absicherbarer Claim. Dann gibt es eine selbstfinanzierende Strategie f mit
H = VT (f ). Es folgt
T
vT H = VT (f ) = V0 (f ) + å < f j , DSj >.
j =1
Sind P1 und P2 zu P äquivalente Martingalmaße mit der geforderten Eigenschaft, gilt nach Satz 6
und der Erwartungswertkonstanz von Martingalen
Ei (VT (f )) = Ei (V0 (f )) = V0 (f ) , i = 1, 2
[wegen 0 = {Æ, W} ], also
E1 (vT H ) = E2 (vT H ).
Da H beliebig war und voraussetzungsgemäß T = P (W) gilt, folgt P1 = P2 .
: Annahme: der Markt sei arbitragefrei [mit: P* zu P äquivalentes Martingalmaß] und unvollständig; H ³ 0 sei ein nicht absicherbarer Claim. Ferner sei ähnlich wie in Satz 10
63
T
ì
ü
ï
W
ï
 (f ) f Î , V Î } = ï
 := {VT (f ) f Î } = {V0 + G
íV0 + å < fn , DSn > f Î , V0 Î ï
ýÍ 
0
T
ï
ï
n=1
ï
ï
î
þ
mit Konstanten V0 Î  aufgrund der 0 - Messbarkeit von f0 . Für Zufallsvariablen X,Y auf (W, P)
betrachteten wir jetzt das (gewichtete) Skalarprodukt
 X , Y := E * ( X ⋅ Y ) = å X (w )Y (w ) P* ({w }) , X , Y Î W .
w ÎW
Da H voraussetzungsgemäß nicht absicherbar ist, d.h. vT H Ï  gilt, folgt die Existenz eines
X ^ ¹ 0, X ^ Î  ^ (bezgl. des Skalarprodukts  ⋅ , ⋅  ). Definiere P** auf T = P (W) durch
æ
ö
çç
X ^ (w ) ÷÷ *
÷
P ({w }) := çç1 +
÷⋅ P ({w }) , w Î W.
çç 2 max X ^ (h ) ÷÷÷
è
ø
h ÎW
**
1
Dann ist P** ({w }) ³ P* ({w }) > 0 für alle w Î W und
2
å P** ({w}) = å P* ({w}) +
wÎW
wÎW
 X ^ ,1 
= å P* ({w }) = 1
^
2 max X (h ) wÎW
h ÎW
wegen 1 Î  , also  X ^ ,1 = E * ( X ^ ) = 0, d.h. P** ist ein zu P* äquivalentes WahrscheinlichT
 (f) =
keitsmaß auf T = P (W) mit P ¹ P . Mit G
å < fn , DSn > Î  folgt nun
T
**
*
n=1
^ 
æ T
ö
 (f)) = E * (G
 (f)) +  X , GT (f)  = E * (G
 (f)) = 0
E ** ççå < fn , DSn >÷÷÷ = E ** (G
T
T
T
^
çè n=1
ø
2 max X (h )
h ÎW
nach Satz 7. Also ist ( S0 ,, ST ) Vektor-Martingal auch unter P** nach Satz 7. Damit existieren
also mindestens zwei verschiedene zu P äquivalente Martingalmaße, womit der Satz bewiesen ist.
Der Beweis des Satzes 13 zeigt also insbesondere, dass im Falle der Unvollständigkeit auch alle
Wahrscheinlichkeitsverteilungen
æ
X ^ (w )÷ö *
ç
P = çç1 +
{ X ^ (w ) }
÷÷ P ({w }) , w Î W mit c > max
wÎW
çè
c ÷ø
**
zu P* äquivalent sind mit der Eigenschaft, dass ( S0 ,, ST ) Vektor-Martingal auch unter P** ist.
64
In einem arbitragefreien und vollständigen Markt kann also jeder Claim H zum Zeitpunkt 0 eindeutig bewertet werden durch
V0 (f ) = E * (VT (f )) = E * (vT H ) ,
wobei P* das zu P äquivalente, eindeutig bestimmte Martingalmaß und f eine geeignete selbstfinanzierende Handelsstrategie ist. Allgemeiner kann der Wert des Claims zu jedem Zeitpunkt n eindeutig bewertet werden durch
Vn (f ) = vT -n E * ( H n ) ³ 0, n = 0,, T .
Hieraus folgt auch unmittelbar die bereits früher vorgestellte, allgemeine Put-Call-Parity-Relation,
denn für den Call-Preis zur Zeit n erhalten wir unter der Annahme, dass eine einzelne Handelsperiode die Länge 1 besitzt und T ganzzahlig ist, aus der letzten Beziehung sofort
+
Cn = vT -n E * éëCT n ùû = vT -n E * éê( ST - X ) n ùú , n = 0,, T
ë
û
und daraus wegen PT = CT - ST + X :
Pn = vT -n E * éë PT n ùû = Cn - r n E * éêë vT ST n ùúû + vT -n X = Cn - Sn + vT -n X ,
also
Ct - Pt = St - vT -t X , t = 0, , T ,
da ja die diskontierten Aktienpreise unter P* ein Martingal bilden, also insbesondere
E * éêë vT ST n ùúû = v n Sn , n = 0,, T ist. Die Formel am Ende von Kapitel 2 ergibt sich, wenn man die
ì T 2T
(n -1)T ü
, ,
,T ï
Handelsperiode T in n Subperioden der Länge T / n unterteilt und t Î ïí0, ,
ý
ïîï n n
ï
n
ï
þ
wählt.
Wir wollen die letzten Ergebnisse noch einmal an der allgemeinen Situation des anfänglich betrachteten Zwei-Stufen-Ein-Perioden-Modells veranschaulichen (zur Vermeidung von Verwechslungen werde hier der Anfangskurs der Aktie mit S0 A bezeichnet):
Bezeichnet wieder wie oben
é-hvST- ù
ú:
f1 = ê
ê h ú
ë
û
é h ( S - vS - )ù
ST+ - X
0A
T ú
h= +
die Hedge Ratio, so folgt mit f0 = êê
ú,
ST - ST
0
êë
úû
65
V0 (f) =< f0 , S0 >=< f1 , S0 >= h ( S0 A - vST- ) > 0
V1 (f) =< f1 , S1 >= -rhvST- + h éê ST- + ( ST+ - ST- ) I1 ùú
ë
û
= h ( ST+ - ST- ) I1 = ( ST+ - X ) I1 = ( S1 [1]- X ) = H ,
+
d.h. der Call ist als Claim absicherbar durch einen anfänglichen Geldbestand von
C0 = h ( S0 A - vST- ) sowie Verkauf von gerade h Aktienanteilen, was die Bedeutung des anfänglichen Call-Preises C0 noch einmal aus anderer Sicht erklärt. Für das konkrete Anfangsbeispiel von
Eberlein ergibt sich in Übereinstimmung mit den Ausführungen in Kapitel 2 noch
é9,52ù
é-30, 48ù
ú , f1 = ê
ú,
f0 = ê
êë 0 úû
êë 0, 40 úû
V0 (f ) =< f0 , S0 >=< f1 , S0 >= -30, 48 + 40 = 9,52
V1 (f ) =< f1 , S1 >= -32 + 0, 4 ⋅ (80 + 50 I1 ) = 20 I1 = H .
Der allgemeine Fall eines Claims H mit den Werten H T+ und H T- im Fall eines steigenden bzw.
fallenden Aktienkurses in der Situation des obigen Beispiels lässt sich genau so behandeln: die
Martingal-Eigenschaft der diskontierten Aktien-Kurse führt zu dem Gleichungssystem
f1[0]r + f1[1]ST+ = H +
f1[0]r + f1[1]ST- = H -
mit der Lösung
f1[1]( ST+ - ST- ) = H + - H - bzw. f1[1] =
H - ST+ - H + STH+ -Hund
=
v
f
[0]
,
1
ST+ - STST+ - ST-
was die vorige Lösung als Spezialfall H + = CT+ = ST+ - X , H - = 0 enthält.
Zum Schluss dieses Abschnitts wollen wir noch die Vollständigkeit des Cox-Ross-RubinsteinModells zeigen.
Satz 14: Unter den Voraussetzungen von Satz 11 gilt: das Cox-Ross-Rubinstein-Modell ist marktvollständig.
Beweis: Wir können aufgrund der speziellen Gestalt des in Satz 11 spezifizierten Wahrscheinlichkeitsraumes wieder von der dortigen Darstellung für den Aktienkurs-Verlauf ausgehen, wobei jetzt
allerdings die Unabhängigkeit und identische Verteilung der Zufallsvariablen I1 ,, I n (zunächst)
fallengelassen werden muss. Die Martingal-Eigenschaft impliziert nun analog zum Beweis von
Satz 11 für k = 0,, n -1
(
E ( Z k +1 k ) = Z k  E (1 + k + )
I k +1
1-I k +1
(1 + k - )
k
)
= E ((1 + I k +1k + )(1 + (1- I k +1 ) k - ) k ) = r T
 E (1 + k - + (k + - k - ) I k +1 k ) = r T
 P ( I k +1 = 1 k ) = E ( I k +1
66
r T -1 - k = p* .
k ) = +
k -k
Dabei haben wir wegen der {0,1} - Wertigkeit von I k +1 von den Gleichungen
(1 + k + )
I k +1
1- I k +1
(1 + k - )
= 1 + I k +1k + und
= 1 + (1- I k +1 ) k -
Gebrauch gemacht.
Wir wollen jetzt zeigen, dass die Bedingung
P ( I k +1 = 1 k ) = E ( I k +1
r T -1 - k k ) = +
= p* für k = 0,, n -1
k -k
äquivalent ist zur Unabhängigkeit der Zufallsvariablen I1 , , I n , mit P ( I k +1 = 1) = p * für
k = 0, , n -1.
: Da die s - Algebra k auch von den Zufallsvariablen I1 ,, I k erzeugt wird, reicht es, die (eP ( I k +1 = 1 I1 = i1 ,, I k = ik )
lementaren) bedingten Wahrscheinlichkeiten
für alle Werte
i1 ,, ik Î {0,1} zu betrachten. Es ergibt sich für diese Werte:
P ( I k +1 = 1 I1 = i1 ,, I k = ik ) =
P ( I k +1 = 1, I1 = i1 ,, I k = ik )
P ( I1 = i1 , , I k = ik )
= p*
 P ( I k +1 = 1, I1 = i1 , , I k = ik ) = p * ⋅ P ( I1 = i1 , , I k = ik )
sowie
P ( I k +1 = 0 I1 = i1 ,, I k = ik ) =
P ( I k +1 = 0, I1 = i1 ,, I k = ik )
P ( I1 = i1 , , I k = ik )
= 1- p *
 P ( I k +1 = 0, I1 = i1 , , I k = ik ) = (1- p * )⋅ P ( I1 = i1 ,, I k = ik ) ,
also die stochastische Unabhängigkeit von I k +1 und I1 ,, I k bzw.
P( 1
I ,, I k +1 )
= P( 1
I ,, I k )
Ä B (1, p * ).
Induktiv erhält man hieraus
P( 1
I ,, I n )
= P( 1
I ,, I n-1 )
Ä B (1, p* ) = P( 1
I ,, I n-2 )
n
Ä B (1, p * ) Ä B (1, p * ) =  = Ä B (1, p * ) ,
k =1
also die (vollständige) stochastische Unabhängigkeit von I1 , , I n , mit P ( I k +1 = 1) = p* für
k = 0, , n -1.
: Aus der Unabhängigkeit von I1 ,, I n folgt sofort
67
P ( I k +1 = 1 I1 = i1 ,, I k = ik ) =
=
P ( I k +1 = 1, I1 = i1 ,, I k = ik )
P ( I1 = i1 , , I k = ik )
P ( I k +1 = 1) P ( I1 = i1 ) P ( I k = ik )
P ( I1 = i1 ) P ( I k = ik )
= P ( I k +1 = 1) = p* ,
unabhängig von der Wahl der i1 , , ik Î {0,1} , also auch
P ( I k +1 = 1 k ) = p* für k = 0, , n -1.
Insgesamt ergibt sich, dass das äquivalente Martingalmaß eindeutig bestimmt und im Rahmen des
vorgegebenen Modells gegeben ist durch
n
P* = Ä B (1, p* ).
k =1
Das anfangs vorgeschlagene Vorgehen zur Bewertung von Call-Optionen im Cox-Ross-RubinsteinModell ist damit also im nachhinein endgültig abgesichert. Insbesondere erklärt sich jetzt auch das
bereits früher angesprochene rekursive Verfahren von Optionspreisen im Cox-Ross-RubinsteinModell, da z.B. für die Call-Optionsbewertung nach obigem gilt:
+
+
Cn = vT -n E * ëéCT n ûù = vT -n E * êé( ST - X ) n úù = vT -n E * éê( Sn ⋅ Yn ,T - X ) n ùú
ë
û
ë
û
+
= vT -n E * éê( s ⋅ Yn ,T - X ) n ùú
ë
û
mit Yn ,T =
T
- 1-I i
 (1 + k ) (1 + k )
+ Ii
, n = 0, , T
s = Sn
, was stochastisch unabhängig von Sn ist. Dies ist formal der-
i =n +1
selbe Ausdruck wie für ein T - n - Perioden-Modell mit dem Anfangskurs Sn statt S0 , d.h. die
Entwicklung der Bewertungen von Derivaten "rechts" von einem Knoten des Baums zu einem beliebigen positiven Zeitpunkt erfolgt prinzipiell genau so wie zum Zeitpunkt Null. Insbesondere
folgt hieraus, dass wie im Ein-Perioden-Modell die Optionspreise an den jeweiligen Knoten aus
dem sich "rechts" anschließenden Ein-Perioden-Teilbaum berechnet werden können, was somit
auch das rekursive Verfahren nachträglich vollständig rechtfertigt.
13. Unvollständige Märkte
In diesem Abschnitt wollen wir eine geringfügige Modifikation des Cox-Ross-Rubinstein-Modells
vorstellen, die unvollständig ist und damit die Problematik der Preisfindung von Optionen noch
einmal aus anderer Sicht beleuchtet. In der Notation folgen wir dabei im wesentlichen Kapitel 6.
Das klassische Cox-Ross-Rubinstein-Modell ist gekennzeichnet durch die Tatsache, dass entweder
genau eine Aufwärts- oder genau eine Abwärtsbewegung des Aktienkurses zu jedem Handelszeitpunkt mit festen relativen Änderungsraten möglich ist. Durch die hieraus resultierende multiplikative Struktur des Modells konnte relativ einfach die Martingal-Eigenschaft des diskontierten Preis68
prozesses sowie die Eindeutigkeit des äquivalenten Martingalmaßes hergeleitet werden; vgl. Satz
11. In unserem modifizierten Modell wollen wir nun die multiplikative Struktur beibehalten; allerdings erlauben wir mehr Möglichkeiten für die Kursbewegung zu jedem Handelszeitpunkt, wodurch zwar die Martingal-Eigenschaft des diskontierten Preisprozesses erhalten bleibt, nicht jedoch
die Eindeutigkeit des äquivalenten Martingalmaßes.
Dazu betrachten wir stochastisch unabhängige, je B (1, pI ) bzw. B (1, pJ ) - verteilte Zufallsvariak
k
i =1
i =1
blen I1 ,, I n und J1 , , J n mit 0 < pI , pJ < 1 und N k := å I i , M k := å J i . Für die Grundmenge
wählen wir dabei analog zu Satz 11 W = {{0,1}´{0,1}} und als I k bzw. J k wieder die entspren
chenden Projektionen. Der Aktienkursverlauf sei in Analogie modelliert durch
S kT = S0 (1 + k + )
Nk
(1 + k - )
Mk
, k = 0, , n.
Der Unterschied zum klassischen Modell besteht also darin, dass dort die mit der Anzahl N k der
Aufwärtsbewegungen bis zur Zeit k korrelierte Größe k - N k der Abwärtsbewegungen durch die
von N k unabhängige Größe M k ersetzt wird.
Bezeichnen wir wieder wie in Satz 11 mit Z k := v kT SkT , k = 0,, n die diskontierten Aktienkurse
und mit k := ( I1 , , I k , J1 ,, J k ) , k = 0,, n in Analogie die (natürliche) Filtration, so erhalten
wir folgendes Resultat:
Satz 15: In dem modifizierten Cox-Ross-Rubinstein-Modell ist die Folge {Z k }k =0,,n der diskontierten Aktienkurse genau dann ein Martingal bezüglich der Filtration {k }k =0,,n , wenn gilt
(1 + k + pI )(1 + k - pJ ) = r T .
Beweis: Wie im Beweis zu Satz 14 ergibt sich für k = 0,, n -1:
E ( Z k +1 k ) = E ( Z k +1 I1 ,, I k , J 1 ,, J k )
I k +1
J k +1
é
ù
I1 , , I k , J 1 , , J k ú
= v T E ê v kT SkT (1 + k + ) (1 + k - )
ë
û
é
T kT
+ I k +1
- J k +1 ù
= v v SkT E ê(1 + k ) (1 + k ) ú
ë
û
T kT
+
= v v SkT éê(1 + k pI )(1 + k pJ )ùú = v kT SkT = Z k
ë
û
genau dann, wenn
(1 + k + pI )(1 + k - pJ ) = r T
69
gilt. Man beachte dabei, dass hier wegen der {0,1} - Wertigkeit und der Unabhängigkeit der I k
und J k wieder die Vereinfachung
E éê(1 + k + )
ë
I k +1
(1 + k - )
J k +1
ù = E é 1+ k + I
+
ù
(
ú
k +1 )(1 + k J k +1 )ûú = (1 + k pI )(1 + k p J )
ê
ë
û
möglich ist.
Offensichtlich ist das modifizierte Cox-Ross-Rubinstein-Modell damit nicht vollständig, da die
Lösungen pI* und pJ* der Gleichung (1 + k + pI )(1 + k - pJ ) = r T verschiedene äquivalente Martingalmaße P* zulassen, wobei beispielsweise noch die Darstellung
iT - k + pI*
p = mit
k (1 + k + pI* )
*
J
ì
ü
ï
iT
iT - k - ï
*
ï
ï
< pI < min í1, +
ý
+
ï
k
k (1 + k )ï
ï
ï
ï
ï
î
þ
gilt. Als einzige Einschränkung ergibt sich hier wieder wie zuvor die Bedingung iT < k + , d.h. am
Aktienmarkt kann je nach Kursverlauf eine höhere Rendite erzielt werden als bei der risikolosen
Geldanlage.
Wir wollen dieses Ergebnis jetzt auf das Anfangsbeispiel von Eberlein anwenden, wobei wir die
frühere Notation zugrundelegen. Es ist dann
S0 [0] = 1
S1[0] = r
S0 [1] = 100
S1[1] = 100 + 30 I1 - 20 J1 - 6 I1 J1
S0 [2] = C0
S1[2] = ( S1[1] -110) = 20 I1 (1- J1 ).
+
Mit
pJ* =
30 pI* - 5 1
, < pI* < 1
*
6 pI + 20 6
erhält man hier die äquivalenten Wahrscheinlichkeiten, unter denen die diskontierten Aktienkurse
( S0 [1], vS1[1]) ein Martingal bilden. Der gesamte Preisprozess ( S0 , vS1 ) bildet somit ein VektorMartingal, wenn
C0 = C0 ( pI* ) = vE * ( S1[1] -110) = vE * (20 I1 (1- J1 ))
+
+
1
*
*
< pI* < 1
mit
250
240
p
5000
4800
p
*
*
*
*
I
I
6
= 20vpI (1- pJ ) =
pI v =
pI
10 + 3 pI*
210 + 63 pI*
ist. Die folgende Graphik zeigt den Verlauf von C0 ( pI* ) im angegebenen Definitionsbereich:
70
10 5
21 = 0.4854 erreicht (mit Wert
+
3 6
37000 8000
10
200
21 = 5.3872 ), das Infimum für pI*  1 (mit Grenzwert
v=
= 0.7326 ).
63
63
13
273
Das Maximum von C0 ( pI* ) wird dabei für pI* = -
Allerdings erhält man auf diese Weise nicht alle äquivalenten Martingalmaße, da man hierfür analog zum Beweis von Satz 14 wieder sämtliche (zulässigen) gemeinsamen Verteilungen von
( I1 ,, I n , J1 ,, J n ) betrachten müsste. Beispielsweise ergibt sich hier asymptotisch das "klassische" Cox-Ross-Rubinstein-Modell für die korrelierten Zufallsvariablen J k = 1- I k , k = 1, , n.
Man kann aber z.B. die Menge der äquivalenten Martingalmaße im Ein-Perioden-Modell direkt aus
dem (Un-)Gleichungssystem
130 p1* + 104 p2* + 100 p3* + 80 p4* = E * ( ST ) = rS0 = 105
p1* + p2* + p3* + p4* = 1
p1* , p2* , p3* , p4* > 0
berechnen und mit der so gefundenen Lösung dann den Call-Preis über die Beziehung
C0 = 20 p1*v
festsetzen. Wählt man hier etwa p1* und p2* als freie Parameter, so erhält man aus dem obigen System das (Un-)gleichungssystem
5 5 * 6 *
- p1 - p2
4 2
5
1 3
1
p4* = - + p1* + p2*
4 2
5
p3* =
mit den beiden Nebenbedingungen
71
25
(I )
2
und
5
*
*
15 p1 + 2 p2 >
( II )
2
25 p1* + 12 p2* <
p1* , p2* > 0.
In der nachfolgenden Grafik entspricht dies dem grau markierten offenen Dreieck oberhalb der
durch (II) und unterhalb der durch (I) beschriebenen Halbräume im ersten Quadranten. Zusätzlich
eingezeichnet ist hier als Stück eines Hyperbelbogens die Menge der Paare ( p1* , p2* ) , die dem äquivalenten Martingalmaß des Modells aus Satz 15 entsprechen. Die zugehörige Gleichung lautet
30 p1* 2 + 54 p1* p2* + 24 p2* 2 - 5 p1* - 25 p2* = 0.
Man erhält sie aus dem parametrischen Ansatz
p1* = t
25 - 24t
6t + 20
für
p2* = t
30t - 5
6t + 20
wenn man auf der vorigen Seite pI* = t und pJ* =
1
< t < 1,
6
30t - 5
substituiert und p1* = pI* (1- pJ* ) und
6t + 20
p2* = pI* pJ* beachtet.
Die Menge der Arbitrage-freien Call-Preise ist damit in dem allgemeineren Modell gegeben durch
0, 7326 =
10
v < C0 < 10v = 9,5238.
13
72
Die untere Preisgrenze ist also identisch mit derjenigen aus dem vorher betrachteten, restrikitveren
modifizierten Cox-Ross-Rubinstein-Modell, die obere mit derjenigen aus dem Anfangsbeispiel
(einfaches Cox-Ross-Rubinstein-Modell).
Allerdings gibt es in einem Markt, der lediglich aus Aktien (mit einer Kursentwicklung mit einperiodischer Vierfachverzweigung wie im obigen allgemeinen Modell) und Call-Optionen zum Ausübungspreis X = 110 besteht, außer der trivialen Handelsstrategie f = 0 keine weitere Arbitragefreie Handelsstrategie. Dies kann man wie folgt sehen: bezeichnen wir wieder wie früher
f1[0] =: x, f1[1] =: y, f1[2] =: z ,
so ergibt sich aus dem Ansatz
< f1 , S0 >= x +100 y + C0 z = 0 =< f0 , S0 >
(Anfangswert Null)
< f1 , S1 >= rx + ST y + CT z ³ 0
(Endwert nicht-negativ)
durch Subtraktion des r–fachen der ersten von der zweiten Zeile sowie Einsetzten der vier mögli+
chen Werte {80,100,104,130} für ST und der zugehörigen Werte CT = ( ST -110) das Ungleichungssystem
-25 y
- rC0 z ³ 0
(I )
-5y
- rC0 z ³ 0
( II )
-y
- rC0 z ³ 0
( III )
25 y + (20 - rC0 ) z ³ 0
( IV )
und daraus durch weitere Umformungen (Addition von (I) und (IV), Addition des 25–fachen von
(III) zu (IV) )
(20 - 2rC0 ) z ³ 0
(20 - 26rC0 ) z ³ 0.
10
v < C0 < 10v ergibt sich nun die eindeutige Lösung z = 0, also auch y = x = 0, was zu
13
zeigen war.
Wegen
Entsprechend lässt sich z.B. eine Call-Option mit Ausübungspreis X = 90 in diesem Markt nicht
absichern. Eine Lösung der zugehörigen Gleichung
V1 (f) =< f1 , S1 >= rx + ST y + CT (110) z = H = CT (90)
bzw. nach Einsetzen der vier verschiedenen Werte für ST eine Lösung der Gleichungen
rx + 80 y
rx + 100 y
rx + 104 y
=0
= 10
= 14
rx + 130 y + 20 z = 40
73
existiert nicht. Hierbei bezeichne CT ( X ) den Wert einer Call-Option am Verfalltag zum Ausübungspreis X. Allerdings lässt sich der Markt durch Hinzunahme von bereits einer weiteren CallOption mit einem geeigneten anderen Ausübungspreis vervollständigen, etwa mit X = 100. Bei
"richtiger" Wahl der Preise C01 = av ³ 0 und C02 = bv ³ 0 existiert nämlich ein eindeutig bestimmtes Martingalmaß P* im Sinne von Satz 10. Zur Abkürzung nummerieren wir die Elemente
der Produktmenge W = {0,1}´{0,1} auf die folgende Art und Weise:
w1 := (1, 0)
ST (w1 ) = 130
w2 := (1,1)
ST (w2 ) = 104
w3 := (0, 0)
ST (w3 ) = 100
w4 := (0,1) so daß
ST (w4 ) = 80.
Ferner setzen wir
pi* := P* ({wi }) , i = 1,, 4.
Das Gleichungssystem zur Bestimmung von P* lautet nun:
p1*
+ p2*
+ p3* +
p4* = 1
80 p1* + 100 p2* + 104 p3* + 130 p4* = 105
20 p1*
*
1
30 p
=a
*
2
+4p
=b
mit der eindeutigen "Lösung"
a
20
3a b
p2* = - +
8 4
13a 3b 5
p3* =
- +
40 10 4
b 1
p4* =
- .
20 4
p1* =
Hier ist nur noch sicherzustellen, dass alle "Lösungswerte" für die pi* im Intervall (0,1) liegen.
Dies führt auf die folgenden Ungleichungen:
3a
3a
13
5
13
25
< b < + 4,
a + < b < a + , 0 < a < 20, 5 < b < 25.
2
2
12
6
12
6
In der folgenden Grafik ist der entsprechende Bereich als graues Dreieck (ohne Rand) dargestellt:
74
Offensichtlich liegt das Paar (a, b) = (5,8) in dieser Lösungsmenge. Für die Call-Preise
C0 (110) = 5v = 4, 7619 und C0 (100) = 8v = 7, 6190 erhält man damit als "das" äquvalente Martingalmaß
p1* =
10
5
19
6
, p2* = , p3* =
, p4* = .
40
40
40
40
Dieser Markt ist also vollständig. Die fragliche Call-Option mit Ausübungspreis X = 90 lässt sich
hier mit der folgenden Handelsstrategie f absichern (Komponenten: [0] = Geld, [1] = Aktie, [2] =
Call-Option zum Ausübungspreis 110, [3] = Call-Option zum Ausübungspreis 100):
f0 [0] = 50 - 36v
f0 [1] = 0
f0 [2] = 0
f0 [3] = 0
f1[0] = -40v
f1[1] = 1/ 2
f1[2] = 0
f1[3] = 1/ 2
mit
V0 =< f0 , S0 >= 50 - 36v = -40v + 100 / 2 + 8v / 2 =< f1 , S0 >
V1 =< f1 , S1 >= -40 + ST / 2 + CT (100) / 2 = CT (90)
wegen
-40 + ST (w1 ) / 2 + CT (100; w1 ) / 2 = -40 + 65 + 15 = 40 = CT (90; w1 )
-40 + ST (w2 ) / 2 + CT (100; w2 ) / 2 = -40 + 52 + 2 = 14 = CT (90; w2 )
-40 + ST (w3 ) / 2 + CT (100; w3 ) / 2 = -40 + 50 + 0 = 10 = CT (90; w3 )
-40 + ST (w4 ) / 2 + CT (100; w4 ) / 2 = -40 + 40 + 0 = 0 = CT (90; w4 ).
75
Der Wert der fraglichen Call-Option zur Zeit Null beträgt also nach dieser Rechnung
33
C0 (90) = 50 - 36v = v = 15, 7142. Dasselbe Ergebnis erhält man auch direkt über das äqui2
valente Martingalmaß vermöge
C0 (90) = vE * (CT (90)) = vE * éê( ST - 90)
ë
+
ù = v æç 10 ⋅ 40 + 5 ⋅14 + 19 ⋅10ö÷÷ = 33 v.
çèç
úû
40
40
40 ÷ø 2
Das Problem der Eindeutigkeit von Optionspreisen ist damit aber selbst in vollständigen Märkten
nicht abschließend gelöst. Das letzte Beispiel zeigt, dass das äquivalente Martingalmaß zwar eindeutig bestimmt ist, wenn die Call-Preise C0 (110) = av und C0 (100) = bv festliegen; jedoch lassen
sich in der Regel verschiedene solcher Paare (a, b) angeben. Jedes zulässige Paar (a, b) führt dabei
im Allgemeinen zu einem anderen – dann allerdings eindeutig bestimmten – äquivalenten Martingalmaß. Beispielsweise erhält man für die ebenfalls mögliche Wahl (a, b) = (6,10) das äquivalente
Martingalmaß
p1* =
6
5
4
5
, p2* = , p3* =
, p4* =
20
20
20
20
mit den zugehörigen Optionspreisen
C0 (110) = 6v, C0 (100) = 10v, C0 (90) =
35
v,
2
die von den ersteren offenkundig verschieden sind.
Wir wollen uns abschließend noch mit einer anderen Erweiterung des Cox-Ross-RubinsteinModells beschäftigen, die mit dem obigen Modellierungsansatz verwandt ist, und zwar der (unabhängigen) Kopplung von solchen Modellen. Dazu betrachten wir wieder wie oben stochastisch unabhängige, je B (1, pI ) bzw. B (1, pJ ) - verteilte Zufallsvariablen I1 ,, I n und J1 , , J n mit
k
k
i =1
i=1
0 < pI , pJ < 1 und N k := å I i , M k := å J i . Für die Grundmenge wählen wir wie zuvor
W = {{0,1}´{0,1}} und als I k bzw. J k die entsprechenden Projektionen. Im Unterschied zu vorn
her modellieren wir jetzt aber zwei Aktienkursverläufe durch
S kT [1] = (1 + k[1]+ )
Nk
k -Nk
(1 + k[1]- )
S0 [1], S kT [2] = (1 + k[2]+ )
Mk
k -M k
(1 + k[2]- )
S0 [2], k = 0, , n,
wobei die Indizes [i ] für i = 1, 2 das entsprechende CRR-Teilmodell bezeichnen und S0 [i ] die Anfangskurse, k[i ] die entsprechenden (ggf. unterschiedlichen) Auf-/Abwärtsvolatilitäten bezeichnen. Für beide Teilmodelle seien die Bedingungen iT < k[i ]+ erfüllt.
76
Bezeichnen wir wieder wie in Satz 11 mit Z k := v kT SkT , k = 0,, n die diskontierten Aktienkurse
(Vektoren!) und mit k := ( I1 , , I k , J1 , , J k ) , k = 0, , n in Analogie die (natürliche) Filtration,
so erhalten wir folgendes Resultat:
Satz 16: In dem unabhängig gekoppelten Cox-Ross-Rubinstein-Modell ist die Folge {Z k }k =0,,n
der diskontierten Aktienkurse genau dann ein Vektor-Martingal bezüglich der Filtration
{k }k =0,,n , wenn gilt
pI =
iT - k[1]iT - k[2]*
=
:
=
=: pJ* .
p
und
p
I
J
+
+
k[1] - k[1]
k[2] - k[2]
Beweis: Wie im Beweis zu Satz 11 ergibt sich für k = 0,, n -1:
E ( Z k +1[1] k ) = E ( Z k +1[1] Z 0 ,, Z k ) = E ( Z k +1[1] I1 ,, I k , J 1 ,, J k )
I k +1
1-I k +1
é
ù
I 1 ,  , I k , J 1 , , J k ú
= v T E ê v kT SkT [1](1 + k [1]+ ) (1 + k [1]- )
ë
û
1
I
I
k
+
1
k
+
1
é
ù
= v T v kT SkT [1] E ê(1 + k [1]+ ) (1 + k [1]- )
ú
ë
û
= v T v kT SkT [1] éê p (1 + k [1]+ ) + (1 - p )(1 + k [1]- )ùú = v kT SkT [1] = Z k [1]
ë
û
genau dann, wenn
p (1 + k[1]+ ) + (1- p )(1 + k[1]- ) = r T bzw. pI =
iT - k[1]= pI*
+
k[1] - k[1]
gilt. Für E ( Z k +1[2] k ) rechnet man völlig analog.
Auch das gekoppelte Cox-Ross-Rubinstein-Modell ist nicht vollständig, da die obigen Lösungen
pI* und pJ* zwar eindeutig sind und damit im Fall der vollständigen Unabhängigkeit für den Vektor-Prozess der Aktienkurse stets das äqivalente Martingalmaß P* = PI* Ä PJ* ermöglichen, wobei
PI* und PJ* die jeweiligen äquivalenten Martingalmaße der einzelnen CRR-Modelle sind, aber i.
Allg. trotzdem verschiedene äquivalente Martingalmaße P* zulassen. Dies sieht man schon im
Einperioden-Fall, wenn man setzt
pij := P( I1 = i, J1 = j ) mit i, j Î {0,1}.
Die zentrale Bedingung in Satz 16 bleibt nämlich gültig, solange
pI* = p10 + p11
pJ* = p01 + p11
77
(*)
gilt. Wählen wir der Einfachheit halber etwa zwei gleichartige CRR-Modelle wie im Anfangsbei1
spiel, so ist pI* = pJ* = , und wir können a = p00 als freien Parameter wählen, so dass
2
1
1
p00 = p11 = a, p01 = p10 = - a mit 0 < a <
2
2
(**)
1
ist. Damit bleibt
2
( Z 0 , Z1 ) ein Vektor-Martingal auch unter diesen Verteilungen, wie man dem Beweis von Satz 16
sofort entnehmen kann. Allerdings sind die Aktienkursentwicklungen hier i. Allg. voneinander abhängig; so gilt in dem hier betrachteten Beispiel etwa
alle gemeinsamen Verteilungen von I1 und J1 beschreibt, für die pI* = pJ* =
Cov ( ST [1], ST [2]) = E ( ST [1]⋅ ST [2]) - E ( ST [1]) E ( ST [2]) = 2500 a - 625 bzw.
r ( ST [1], ST [2]) =
Cov ( ST [1], ST [2])
Var ( ST [1])Var ( ST [2])
=
2500 a - 625
= 4 a -1
625
für die Korrelation r ( ST [1], ST [2]) , die offenbar alle Werte im offenen Intervall (-1,1) annehmen
kann.
Satz 16 bleibt damit – wie der obige Beweis zeigt – offensichtlich auch in dem allgemeineren Fall
gültig, wo zwar die Paare ( I k , J k ) für k = 1, , n stochastisch unabhängig sind, aber die Zufallsvariablen I k und J k untereinander abhängig sein können, jedenfalls solange die obige Bedingung
(*) erfüllt bleibt. Dies führt allerdings zu keinerlei Komplikationen, solange in dem gekoppelten
Markt nur Derivate betrachtet werden, die sich auf genau einen Aktientyp beziehen. Sowohl deren
Preisfindung als auch ihre positiven Eigenschaften in Bezug auf Hedging bleiben vollständig und
unverändert erhalten. Probleme ergeben sich nur dann, wenn Kombi-Optionen betrachtet werden,
die sich auf mehrere Aktien beziehen. So könnte man etwa in dem zuletzt betrachteten Beispiel
eine Call-Option C  betrachten, die nur dann zur Ausübung gelangt, wenn beide Aktienkurse den
Ausübungspreis X überschreiten, verbunden mit dem Recht, in diesem Fall auch jeweils eine von
beiden Aktientypen günstiger erwerben zu können. Der Wert dieser Option zum Verfalltag beträgt
hier bei X = 110 gerade CT = 40 I1 J1 , und der Arbitrage-freie Preis ergäbe sich mit jedem der
durch (**) beschriebenen äquivalenten Martingalmaße zu
C0 = vT E * (CT ) = 40vT E * ( I1 J1 ) = 40vT p11 = 40vT a
mit einem Preisintervall von (0, 20vT ) = (0, 19.05). Betrachtet man dagegen die Kombi-Option
C Å , die zur Ausübung kommt, wenn mindestens einer der Aktienkurse den Ausübungspreis X
überschreitet, mit dem Recht, von jedem X überschreitenden Aktientyp eine Aktie erwerben zu
können, so ergibt sich hier CTÅ = 20 I1 (1- J1 ) + 20 J1 (1- I1 ) + 40 I1 J1 = 20 I1 + 20 J1 , also die gewöhnliche Kombination zweier gewöhnlicher Call-Optionen (jede einzelne bezogen auf "ihren"
Aktientyp) , mit einem eindeutigen Arbitrage-freien Preis von
C0Å = vT E * (CTÅ ) = 20vT E * ( I1 + J1 ) = 20vT = 19.05.
78
Die folgende Rechnung zeigt, dass mit dem ersten Optionstyp in der Regel kein Hedging möglich
ist, wohl aber mit dem zweiten. Dazu nehmen wir an, dass ein Anfangsbestand von je n Aktien beiden Typs vorhanden ist, mit n > 0 :
t=0
t =T
Aktion
ST = (80,80) ST = (80,130) ST = (130,80)
Wert
ST = (130,130)
n Aktien Typ [1]
+100n
+80n
+80n
+130n
+130n
n Aktien Typ [2]
+100n
+80n
+130n
+80n
+130n

Verkauf m mal C  -m C0
0
0
0
-40m
Geld
+m C0
+40am
+40am
+40am
+40am
Saldo
+200n 160n + 40am
210n + 40am 210n + 40am 260n - 40(1- a )m
Für ein perfektes Hedging müssten hier die folgenden Ungleichungen gelten:
160n
210n
+ 40am ³ 210n
+ 40am ³ 210n
bzw.
260n - 40(1- a )m ³ 210n
was nur im – nicht zugelassenen – Fall a =
5
5
n£m£
n,
4a
4(1- a)
1
eine Lösung ergäbe. Für den anderen Optionstyp
2
ergibt sich dagegen:
t=0
Aktion
t =T
Wert
ST = (80,80) ST = (80,130) ST = (130,80) ST = (130,130)
n Aktien Typ [1]
+100n
+80n
+80n
+130n
+130n
n Aktien Typ [2]
+100n
+80n
+130n
+80n
+130n
Å
Verkauf m mal C Å -m C0
0
-20m
-20m
-40m
Geld
+m C0Å
+20m
+20m
+20m
+20m
Saldo
+200n
160n + 20m
210n
210n
260n - 20m
5
mit einem konstanten Saldo von 210n für t = T bei der Wahl m = n.
2
79
14. Das Black-Scholes-Modell
In diesem Teil vertiefen wir der Vollständigkeit halber kurz den schon in Abschnitt 8 betrachteten
Grenzfall des Cox-Ross-Rubinstein-Modells, das so genannte Black-Scholes-Modell für Aktienkurse, d.h. den Stochastischen Prozess
St = S0 exp (mt + sWt ) , t ³ 0
mit Drift m Î  , Volatilität s > 0 und Anfangskurs S0 > 0 , wobei {Wt }t³0 einen StandardWiener-Prozess bezeichne (für die stochastischen Grundlagen vgl. das Skript zur STOCHASTIK, Kapitel IV). Ferner bezeichne r > 0 die risikolose Zinsrate, d.h. es gelte
Bt = e rt B0 , t ³ 0
für die zeitliche Entwicklung eines Bankkontos mit Anfangsbestand B0 > 0. (In der früheren Terminologie bedeutet das: r = ln r.) Wir klären zunächst die Frage, wann der entsprechend diskontierte Aktienkursprozess
St = e-rt St , t ³ 0
ein Martingal bildet. Hierbei legen wir die natürliche Filtration {t | t ³ 0} zu Grunde, die durch
t := s (Ws |0 £ s £ t )
gegeben ist.
Satz 17. Im Black-Scholes-Modell bildet der diskontierte Aktienkursprozess genau dann ein Martingal bezüglich der natürlichen Filtration, wenn
m = r -
s2
2
gilt.
Beweis: Da der Prozess {St }t ³0 und damit auch {St } ein Markov-Prozess ist, genügt es, die zur
³0
t
Martingal-Bedingung äquivalente Bedingung
E ( St | s ) = E ( St | Ss ) = Ss fast sicher für alle 0 < s < t
zu überprüfen bzw. äquivalent dazu
80
E éëexp ((m - r )t + sWt )| exp ((m - r ) s + sWs )ùû
= E éêexp ((m - r ) ( s + (t - s )) + s (Ws + (Wt -Ws )))| exp ((m - r ) s + sWs )ùú
ë
û
é
ù
ê
ú
= exp ((m - r )(t - s )) E êexp ((m - r ) s + sWs ) exp (s (Wt - Ws ))| exp ((m - r ) s + sWs )ú
ê
 ú
ê
ú
=Ss
ë
û
2
æ s (t - s ) ÷ö
÷
= exp ((m - r )(t - s )) Ss E éëexp (s (Wt - Ws )) ùû = exp ((m - r )(t - s )) Ss exp çç
çè
2
ø÷÷
= S fast sicher,
s
was genau dann gilt, wenn für alle 0 < s < t
æ s 2 (t - s ) ÷ö
s2
÷÷ = 1, also m - r +
= 0 ist,
exp ((m - r )(t - s )) exp çç
çè
÷ø
2
2
was gerade der Aussage des Satzes entspricht. Dabei wurde benutzt, dass der Zuwachs Wt -Ws von
Ws und damit auch von Ss = exp ((m - r ) s + sWs ) unabhängig und normalverteilt ist mit Erwartungswert Null und Varianz t - s.
Die nachfolgenden Überlegungen stellen sicher, dass ein beliebiges Black-Scholes-Modell (also
mit beliebiger Drift m Î  und Volatilität s > 0 ) allein durch einen Maßwechsel auf dem zu
Grunde liegenden Wahrscheinlichkeitsraum stets in ein Black-Scholes-Modell transferiert werden
kann, für das der diskontierte Aktienkursprozess ein Martingal ist.
Satz 18. Es sei (W,  , P ) ein Wahrscheinlichkeitsraum und X eine auf W definierte reellwertige
Zufallsvariable. Ferner sei Q ein Wahrscheinlichkeitsmaß auf der Borel’schen s-Algebra , wel-
ches dieselben Nullmengen wie die Verteilung von X, P X , besitze (und damit zu P X äquivalent
ist). Dann gibt es ein Wahrscheinlichkeitsmaß Q auf , so dass X unter Q die Verteilung Q X = Q
besitzt.
Beweis: Nach dem Satz von Radon-Nikodym (vgl. das Skript zur STOCHASTIK, Satz 21) existiert
eine Dichte h > 0 von Q bezüglich P X , d.h. es gilt
Q ( B) = ò h dP X =
B
ò
X
-1
h  X dP für jede Borel-Menge B Î  ,
(B)
wobei die zweite Gleichung aus dem Transformationssatz für Maße (vgl. das Skript zur STOCHASTIK, Satz 22) folgt. Definiert man nun das Maß Q vermöge
81
Q( A) := ò h  X dP für alle A Î  ,
A
so ist die gewünschte Wahrscheinlichkeitsverteilung gefunden: es folgt nämlich nach obigem gerade
Q X ( B) = Q ( X -1 ( B)) =
ò
X -1 ( B )
h  X dP = ò h dP X = Q ( B) für alle B Î  .
B
Damit ist der Satz bewiesen.
Folgerung 1: Ist unter den Voraussetzungen von Satz 18 die Zufallsvariable Y := aX + b gegeben
mit a > 0, b Î , und besitzt X eine auf  positive Dichte, so existiert eine Wahrscheinlichkeits-
verteilung Q auf , unter der X verteilt ist wie Y.
Beweis: Die Verteilungsfunktion von Y ist gegeben durch
æ
æ z - b ö÷
z - b ö÷
ç
FY ( z ) = P(Y £ z ) = P (aX + b £ z ) = P çç X £
=
F
÷
÷ für alle z Î ,
X
çè
èçç a ø÷
a ø÷
also besitzt Y die auf  ebenfalls positive Dichte
fY ( z ) =
1 æç z - b ö÷
fX ç
÷ für alle z Î ,
a çè a ø÷
d.h. P X und PY besitzen dieselben Nullmengen, die identisch sind mit den Nullmengen des Lebesgue-Maßes.
Die obige Folgerung 1 kann insbesondere auf normalverteilte Zufallsvariablen angewendet werden
und lautet dann spezieller:
Folgerung 2: Ist (W,  , P ) ein Wahrscheinlichkeitsraum und X eine auf W definierte reellwertige
normalverteilte Zufallsvariable mit Erwartungswert m Î  und Varianz s 2 > 0, so existiert eine
Wahrscheinlichkeitsverteilung Q auf , unter der X normalverteilt ist mit Erwartungswert n Î 
und Varianz t 2 > 0 für jedes solche vorgegebene Paar (n , t 2 ) Î  ´  + .
Beweis: Wenn wir die Zufallsvariable Y :=
t
( X - m) + n definieren, so ist Y normalverteilt mit
s
Erwartungswert
æt
ö t
E (Y ) = E çç ( X - m) + n ÷÷÷ = E ( X - m) + n = n
çè s
ø s
82
und Varianz
æt
ö÷ t 2
t2 2
ç
Var (Y ) = Var ç ( X - m) + n ÷÷ = 2 Var ( X ) = 2 s = t 2 .
çè s
ø s
s
Die Aussage folgt nun aus Folgerung 1.
Wir wollen jetzt den angekündigten Sachverhalt, dass ein beliebiges Black-Scholes-Modell allein
durch einen Maßwechsel auf dem zu Grunde liegenden Wahrscheinlichkeitsraum in ein BlackScholes-Modell transferiert werden kann, für das der diskontierte Aktienkursprozess ein Martingal
ist, beweisen. Dazu gehen wir von der klassischen Paley-Wiener-Konstruktion des WienerProzeses {Wt }0£t£T auf einem Zeitintervall [0,T ] aus, die lediglich eine unabhängige Folge standard-normalverteilter Zufallsvariablen {Yn }nÎ+ benutzt (modifiziert nach BREIMAN [77], Proposition 12.24 oder ITÔ UND MCKEAN [78], S. 21, Problem 3):
æ npt ö÷
sin çç
çè T ø÷÷
Y0
2T
Wt =
t+
å n Yn ,
p n=1
T
¥
0 £ t £T .
¥
¥
æ¥
ö
Als Ausgangsraum können wir dabei einen Produktraum ççç´ Wn , Ä n , Ä Pn ÷÷÷ zu Grunde legen, bei
ø
n= 0
n= 0
è n= 0
dem jede Zufallsvariable Yn auf (Wn , n , Pn ) definiert ist und PnYn =  (0,1) für alle n Î + gilt.
Wir wenden jetzt Folgerung 2 auf die Zufallsvariable Y0 an: Demnach existiert ein Wahrscheinlichkeitskeitsmaß Q0 auf 0 , unter dem die Zufallsvariable Y0 normalverteilt ist mit Erwartungs¥
T æç
s 2 ö÷

÷÷ und Varianz 1. Unter dem Maß Q := Q0 ´Ä Pn ist dann der originäre diskonwert
r
m
çç
n=1
s è
2 ø÷
tierte Aktienkursprozess {St }
0£t £T
riable Y0 +
T
s
ein Martingal, denn unter Q0 ist Y0 verteilt wie die Zufallsva-
2ö
¥
æ
çç r - m - s ÷÷ unter P , womit unter P := P ´Ä P der Prozess {S }
mit
0
n
t
0
çè
n=1
2 ø÷÷
 0£t£T
2
æ
æ
çç
çç Y + T æç r - m - s ö÷÷
ç
0
2 ø÷÷
s èç
2T
çç
çç
St := S0 exp çç(m - r )t + s çç
t+
ç
ç

p
T
ççç
çç
èç
èç
æ
æ
çç
çç
2
æ
çç
çY
2T
s ÷ö
ç
= S0 exp çç(m - r )t + ç r - m - ÷÷ t + s çç 0 t +
çè
çç T
2 ÷ø
p
çç
çç
ççè
è
æ s2
ö
= S0 exp çç- t + sWt ÷÷÷, 0 £ t £ T
çè 2
ø÷
83
æ npt ö÷ ö÷÷ö÷÷
ç
sin
¥
çèç T ø÷÷ ÷÷÷÷÷÷
Yn ÷÷÷÷
å
n
n=1
÷÷÷÷
÷÷÷÷÷÷
øø÷
æ npt ö÷ ö÷ö÷
sin ççç
÷ ÷÷
è T ø÷ ÷÷÷÷÷÷
Yn ÷÷÷
å
÷÷÷
n
n=1
÷÷÷÷
÷÷
øø
¥
ein Martingal ist nach Satz 17 und dabei dieselbe Verteilungsstruktur besitzt wie der originäre diskontierte Aktienkursprozess {St }
0£t £T
¥
unter Q = Q0 ´Ä Pn . Damit ist Q das (sogar eindeutig be-
stimmte) äquivalente Martingalmaß für
n=1
{S }
t
0£t £T
, und wie im diskreten Fall des Cox-Ross-
Rubinstein-Modells lassen sich die arbitragefreien Preise eines Derivats, das zum Fälligkeitszeitpunkt T die Auszahlung DT ( s ) = D ( s ) bei gegebenem Aktienkurs ST = s realisiert, zu jedem
Zeitpunkt t Î [0, T ] darstellen als
æ æ
ìïæ
üï
s2 ö
ç
Dt ( s ) = e-r (T -t ) E * ( D ( ST )| St = s ) = e-r ( T -t ) E çç D ççç s ⋅ exp íïçç r - ÷÷÷ (T - t )ýï exp s T - t Z
ç
2 ø÷
èç èç
ï
ïþï
îïè
{
ö÷ö÷
÷÷÷÷
÷ø÷ø÷÷
}
(vgl. ETHERIDGE [11], Proposition 5.2.1), wobei Z eine standard-normalverteilte Zufallsvariable
bezeichnet und E * wieder den Erwartungswert bezüglich des äquivalenten Martingalmaßes Q bezeichnet. Die zweite Gleichung ergibt sich dabei so: bezeichnet {St* }0£t£T den undiskontierten modifizierten Prozess, gegeben durch
St* := e rt St , 0 £ t £ T ,

so ist nach obigem, ähnlich wie im Beweis zu Satz 1,
E * ( D ( ST )| St = s ) = E ( D ( ST* )| St* = s)
æ æ
ö÷
ææ
öö÷
æ s2
ö
s2 ö
ç
= E çç D ççç S0 exp ççççç r - ÷÷÷T + sWT ÷÷÷÷÷ S0 exp çç- t + sWt ÷÷÷ = s ÷÷÷
÷ø
÷øø÷÷
ççè çè
çèçè
2 ÷ø
èç 2
ø÷
æ æ
ö÷
ææ
ö÷ö
æ s2
ö
s 2 ö÷
çç ç
÷
ç
÷
ç
ç
÷
÷

= E ç D çç S0 exp ççç r - ÷÷(t + (T - t )) + s (Wt + (WT - Wt ))÷÷ S0 exp ç- t + sWt ÷÷ = s ÷÷÷
çè 2
÷ø
÷ø÷÷ø
2 ÷ø
èççè
÷ø
ççè çè
æ æ
ææ
öö÷ö÷
s2 ö
ç
= E çç D ççç s ⋅ exp ççççç r - ÷÷÷((T - t )) + s ((WT - Wt ))÷÷÷÷÷÷÷÷
2 ø÷
çè èç
èçèç
ø÷ø÷÷ø÷
æ æ
ö÷ö÷
ìïæ
üï
s2 ö
ç
= E çç D ççç s ⋅ exp ïíçç r - ÷÷÷ (T - t )ýï exp s T - t Z ÷÷÷÷÷, 0 £ t £ T ,
ç
2 ø÷
çè èç
ø÷÷ø÷
îïïè
þïï
{
}
denn WT -Wt ist normalverteilt mit Erwartungswert Null und Varianz T - t . Die Abbildung
Dt ( s ) ist zugleich Lösung der folgenden partiellen Differenzialgleichung (so genannte BlackScholes-Gleichung):
¶
¶
¶2
1

 t (s) = 0
Dt ( s ) + rs
Dt ( s ) + s 2 s 2 2 Dt ( s ) - rD
¶t
¶s
¶s
2
84
mit der Endbedingung DT ( s ) = D( s ), der Auszahlung (dem Wert) des Derivats zum Fälligkeitszeitpunkt für gegebenen Aktienkurs ST = s (vgl. ETHERIDGE [11], Proposition 5.2.3). Dies sieht
man etwa so: das ursprüngliche allgemeine Black-Scholes-Modell erfüllt die stochastische Differenzialgleichung
æ
s2 ö
dSt = ççm + ÷÷÷ St dt + s St dWt ,
çè
2 ø÷
also das P * -Martingal-modifzierte Modell die Gleichung
 t* dt + s St* dWt ,
dSt* = rS
so dass die Abbildung F (t , s ) := E ( D( ST* )| St* = s) nach der Feynman-Kac-Darstellung (vgl. ETHERIDGE [11], KAPITEL 4.8) die
Gleichung
¶
¶
1
¶2

F (t , s ) + rs
F (t , s ) + s 2 s 2 2 F (t , s ) = 0
¶t
¶s
2
¶s
(*)
mit der Endbedingung F (T , s ) = E ( D( ST* )| ST* = s) = D( s ) erfüllt. Wegen Dt ( s ) = e-r ( T -t ) F (t , s )
bzw. F (t , s ) = e r ( T -t ) Dt ( s ) ergibt sich also mit
¶
¶
¶
 r ( T -t ) Dt ( s ) + e r (T -t ) Dt ( s )
F (t , s ) = e r ( T -t ) Dt ( s ) = -rte
¶t
¶t
¶t
und
2
¶
¶2
r ( T -t ) ¶
r ( T -t ) ¶
F (t , s ) = e
Dt ( s ),
F (t , s ) = e
Dt ( s )
¶s
¶s
¶s 2
¶s 2
aus (*) die Gleichung
 r ( T -t ) Dt ( s ) + e r ( T -t )
-rte
¶
¶
1
¶2
 r ( T -t )
Dt ( s ) + rse
Dt ( s ) + s 2 s 2e r ( T -t ) 2 Dt ( s ) = 0,
¶t
¶s
2
¶s
woraus durch Ausklammern des Terms e r (T -t ) die Black-Scholes-Gleichung folgt. Bemerkenswert
hieran ist also, dass jeder arbitragefreie Derivate-Preis Lösung ein und derselben partielle Differenzialgleichung ist, die Lösungen sich dabei nur nach der jeweiligen Endbedingung DT ( s ) = D ( s )
unterscheiden!
Eine anschauliche heuristische Erklärung für (*) ergibt wie folgt: Sei
 + sWt ))) für s, t ³ 0 und „geeignete“ reelle Funktionen f.
V (t ) f ( s ) := E ( f ( s ⋅ exp ( rt
85
Dann bildet die Familie {V (t )| t ³ 0} eine Halbgruppe von Operatoren mit dem infinitsimalen Erzeuger
1
s 2s2
 ⋅ f '( s ) +
Af ( s ) = lim [V (t ) f - f ]( s ) = rs
f ''( s )
t 0 t
2
(vergl. das Skript ANALYTISCHE PRINZIPIEN DER STOCHASTIK, Kapitel II.3). Setzt man nun
G (t , s ) := V (t ) f ( s ), so erhält man die Gleichung
¶
d
¶
s 2s2 ¶2

G (t , s ) = V (t ) f ( s ) = AV (t ) f ( s ) = rs
G (t , s ) +
G (t , s ).
dt
2 ¶s 2
¶t
¶s
Die Modifikation F (t , s ) := V (T - t ) f ( s ) führt entsprechend zu
¶
d
¶
1
¶2

F (t , s ) = V (T - t ) f ( s ) = - AV (T - t ) f ( s ) = -rs
F (t , s ) - s 2 s 2 2 F (t , s )
dt
¶t
¶s
2
¶s
bzw.
¶
¶
1
¶2

F (t , s ) + rs
F (t , s ) + s 2 s 2 2 F (t , s ) = 0,
¶t
¶s
2
¶s
was (*) entspricht. Man beachte, dass im obigen speziellen Fall wegen der Homogenität des Markov-Prozesses
F (t , s ) := E ( D ( ST* )| St* = s ) = E ( D ( ST*-t )| S0* = s ) = V (T - t ) D ( s )
gilt.
Zum Abschluß leiten wir mit dem obigen Kalkül noch einmal die Preisformel für eine europäische
Call-Option Ct ( s ) her (vgl. Abschnitt 8 und ETHERIDGE [11], Example 5.2.2)). Hier ist speziell
D ( s ) = ( s - X )+ , wobei wir mit X wieder den Ausübungspreis bezeichnen. Mit
A :=
æX ö æ
s2 ö
ln ççç ÷÷÷ - çç r - ÷÷÷ (T - t )
è s ø çè
2 ÷ø
s T -t
gilt dann
86
- r ( T -t )
Ct ( s ) = e
E ( ( ST - X ) | S t = s ) = e
*
+
- r ( T -t )
æ éæ
ìïæ
üï
ç
1 ö
E çç êêçç s ⋅ exp ïíçç r - s 2 ÷÷÷ (T - t )ïý exp s T - t Z
çç
ïîïçè
ï
2 ø
þï
èç ëêè
{
ù
ö÷
÷÷ - X ú
ú
ø÷
ûú
}
+
éæ
ù
ö
ì
ü
æ
ö
ï
êçç s ⋅ exp ï
çç r - 1 s 2 ÷÷ (T - t )ïïý exp s T - t z ÷÷÷ - X ú j( z ) dz
í
ò êêçè
ú
ç
ï
ïþï
2 ÷ø
ø÷
ïè
î
A ë
ûú
¥
æ
ïï 1 2
s
z 2 üïïö÷
-r ( T -t )
çexp ì
=
+
s
(
T
t
)
s
T
t
z
X (1 -F( A))
ç
í
ý÷÷ dz - e
÷
ï
ï
2
2
2p òA ççè
ï
î
þïø
¥
{
- r ( T -t )
=e
¥
2ï
üö
T - t ý÷÷÷ dz - e-r ( T -t ) X ⋅F(- A)
ï
ïø
þ
A
2
æ æsö æ
ö
çç ln ç ÷÷ + ç r - s ÷ö÷ (T - t ) ÷÷
ç
¥
÷÷
ç çç ÷
æ
2 ø÷÷
s
÷÷
ïí- 1 z 2 ü
ïý÷ö÷ dz - e-r ( T -t ) X F çç è X ø èç
ççexp ì
=
÷
ç
ò
÷
ç
ï
ï
ç
s T -t
2p A-s T -t è
ï 2 þ
ïø
î
÷÷÷
çç
÷
çè
ø÷
s
=
2p
æ
}
ì 1
ï
ò çèççexp íïîïï- 2 ( z - s
)
2
æ
ö
çç ln çæ s ÷÷ö + ççæ r - s ÷÷ö (T - t ) ÷÷
ç
÷
çç çè X ÷ø çè
÷÷
2 ÷÷ø
÷÷
= s 1 -F A - s T - t - e-r ( T -t ) X F çç
s T -t
÷÷÷
ççç
÷
çè
ø÷
(
))
(
2
æ
ö
çç ln çæ s ÷÷ö + ççæ r - s ÷÷ö (T - t ) ÷÷
÷÷
çç ççè X ÷ø èç
2 ÷÷ø
÷÷
= s ⋅F - A + s T - t - e-r ( T -t ) X F çç
÷
çç
s T -t
÷÷÷
çç
÷
è
ø÷
(
)
T -t
T -t
2
2
æ
ö
æ
ö
çç ln çæ r s ÷÷ö + s (T - t ) ÷÷
çç ln çæ r s ÷÷ö - s (T - t ) ÷÷
ç
ç
÷
÷
çç çè X ÷÷ø 2
ç çè X ÷÷ø 2
÷÷ T -t
÷÷
÷÷ - v X F ççç
÷÷, 0 £ t £ T ,
= s ⋅F çç
s T -t
s T -t
÷÷÷
÷÷÷
ççç
ççç
÷
÷÷
çè
çè
ø÷
ø
wobei j die Dichte der Standard-Normalverteilung und F die entsprechende Verteilungsfunktion
bezeichnet.
Für t = 0 ist dies identisch mit der Formel auf S. 32, die durch den Grenzübergang aus dem CoxRoss-Rubinstein-Modell gewonnen wurde. Man beachte, dass in diesem Fall s = S0 zu setzen ist.
Für vertiefende, weitergehende Ausführungen sei auf die Monographie von APPLEBAUM [3] verwiesen.
87
÷÷ö
÷÷
÷÷
ø
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Danksagung
Herr M.Sc. Hervé Awoumlac Tsatedem hat den Text sorgfältig geprüft und zahlreiche Verbesserungsvorschläge gemacht, wofür ich ihm hiermit herzlich danke.
91
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