Seminar Differentialgleichungen Die stochastische Herleitung der

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Seminar Differentialgleichungen
Die stochastische Herleitung der
Black-Scholes-Gleichung
Christopher Boortz
Sommersemester 2005
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
3
2 Stochastische Grundbegriffe
1
Stochastische Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
Die Quadratische Variation . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
4
7
3 Das
1
2
3
Ito-Kalkül
10
Das eindimensionale Ito-Integral . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Die quadratische Kovariation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Das d-dimensionale Ito-Integral . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
4 Das Black-Scholes-Modell
19
1
Allgemeines zu Marktmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
2
Herleitung der Black-Scholes-PDE . . . . . . . . . . . . . . . 20
2
Kapitel 1
Einleitung
Thema der vorliegenden Seminararbeit ist es, die partielle Black-ScholesDifferentialgleichung (BS-PDE) stochastisch herzuleiten. Dazu werden zunächst
einige Grundbegriffe der Stochastik geklärt. Im Anschluss daran werden das
Ito-Integral als Werkzeug zur Lösung stochastischer Differentialgleichungen eingeführt und einige Beispiele berechnet. Im letzten Abschnitt wird
zunächst ein wenig auf Marktmodelle und Markttheorie im allgemeinen und
schließlich auf das Black-Scholes-Modell im besonderen eingegangen. Am
Ende der Arbeit steht dann die Herleitung der BS-PDE.
3
Kapitel 2
Stochastische Grundbegriffe
1
Stochastische Prozesse
Für die Herleitung der BS-PDE muss der Begriff der Brownschen Bewegung
als spezieller stochastischer Prozess geklärt werden. desweiteren wird für
das Ito-Kalkül im nächsten Kapitel das Konzept der quadratischen Variation benötigt.
Betrachten wir zunächst den Stochastischen Prozess und die Brownsche Bewegung.
Definition: Stochastischer Prozess
Sei (Ω, F, P ) ein Wahrscheinlichkeitsraum, Xt mit t ∈ Z (Z ist eine
Menge von Zeitpunkten) seien Zufallsvariablen auf (Ω, F, P ). Dann heißt:
• X = (Xt ) diskreter stochastischer Prozess, wenn Z diskret
• X = (Xt ) stetiger stochastischer Prozess, wenn Z stetig
Bemerkung:
• Ein Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, F, P ) ist nichts weiter als ein
messbarer Raum (Ω, F) mit einem Wahrscheinlichkeitsmaß P .
Letzteres ist wiederum ein Maß mit besonderen Eigenschaften.
• Eine Zufallsvariable auf (Ω, F, P ) ist eine messbare Abbildung von Ω
nach R.
4
Abbildung 2.1: zwei Random-Walk-Pfade für festes ω1 , ω2 ∈ Ω
Beispiel: Random-Walk
Der Random-Walk bis zu einem festen Zeitpunkt T ∈ N ist ein Beispiel für
einen diskreten stochastischen Prozess. Das klassische Random-WalkModell sieht wie folgt aus:
Die Menge der Zeitpunkte ist Z = {1; 2; . . . ; T }, die Menge Ω = {−1; 1}T ,
die σ-Algebra F ist bei diskretem Ω immer die Potenzmenge, also F = 2Ω
und schließlich ist das Wahrscheinlichkeitsmaß P die diskrete
Gleichverteilung in jedem Schritt, also P [Xt (ω) = −1] = 21 und
P [Xt (ω) = 1] = 12 . Dabei ist Xt (ω) die t-te Komponente der Realisation
X (ω) = (x1 , ..., xT ).
Summiert man nun diese einzelnen Komponenten auf, so erhält man ein
Pfad, der zu jedem Zeitpunkt t ∈ Z entweder um
P eins nach oben oder um
eins nach unten geht. Definiert man St (ω) := tk=0 Xk (ω), t ∈ Z, so ist
St (ω) ein Random-Walk-Pfad bis zum Zeitpunkt t. Insbesondere ist S eine
Abbildung aus Z × Ω nach S (ω) ∈ Z.
Jedem ω ∈ Ω wird ein Pfad S zugeordnet. Dieser Pfad S kann zu jedem
beliebigen Zeitpunkt t ∈ Z ausgewertet werden.
Beispiel: Brownsche Bewegung
Ein Beispiel für einen stetigen stochastischen Prozess ist die Brownsche
Bewegung (in Zukunft: BB). Die BB ist auch eine der Grundlagen des
Black-Scholes-Modells.
Definition: Brownsche Bewegung
5
Abbildung 2.2: Brownscher Pfad für ein festes ω ∈ Ω, nach rechts sind die
Zeit t nach oben die Werte Xt abgetragen
Seien (Xt ), t ∈ [0; 1], Zufallsvariablen auf einem Wahrscheinlichkeitsraum
(Ω, F, P ). Dann heißt X = (Xt ) stetige BB, falls:
• X0 = 0 P - fast sicher.
• Für 0 ≤ t0 < t1 < . . . < tn ≤ 1 sind die Inkremente
Xt1 − Xt0 , . . . , Xtn − Xtn−1 unabhängig und
Xti − Xti−1 ∼ N (0, ti − ti−1 ), d.h. die Inkremente sind normalverteilt
mit einem Erwartungswert von null und einer Varianz ti − ti−1 .
• Die Trajektorie t 7→ Xt (ω) ist stetig für alle ω ∈ Ω.
Bemerkung:
• X0 = 0 P -fast sicher (P -f.s.) bedeutet: Sei N die Vereinigung aller
P -Nullmengen auf Ω, dann ist X0 = 0 für alle ω ∈ Ω \ N bzw.
P [X0 (ω) = 0] = 1.
• Für ein ω ∈ Ω erhalten wir einen Pfad Xt (ω), der, wenn man ihn
entlang der Zeitachse aufträgt der für die Brownsche Bewegung
typischen Zitterbewegung folgt und in der Zeitkomponente t stetig
ist. Diese Zitterbewegung symbolisiert die Eigenschaft der
Selbstähnlichkeit eines Brownschen Pfades, d.h. egal wie klein das
betrachtete Zeitintervall ist, der Verlauf der BB sieht immer wieder
gleich aus. Diese Eigenschaft kommt durch die im Punkt zwei
aufgeführte Normalverteilungseigenschaft der Inkremente zu Stande.
6
• Des weiteren gilt wieder ähnlich wie im diskreten Fall, dass die
Pfadvariable X eine Abbildung aus [0; 1] × Ω nach R ist.
• Eine Erweiterung der Definition auf t ∈ R ist unproblematisch und
daher wird im Folgenden davon ausgegangen, dass die Brownschen
Pfade auf ganz R definiert sind.
Nachdem die notwendigen stochastischen Grundbegriffe erläutert sind, wird
nun das Konzept der quadratischen Variation als ein wichtiges Werkzeug bei
der Herleitung des Ito-Kalküls betrachtet.
2
Die Quadratische Variation
Wir betrachten eine Zerlegung ζ des Intervalls [a; b], d.h. ζ = {t0 , . . . , tn }
mit a = t0 < t1 < . . . < tn = b.
Wir definieren |ζ| := maxi |ti − ii−1 | als die Feinheit von ζ.
Weiter bezeichnet s0 den Nachfolger von s in ζ, d.h. s0 = t(k+1)∧n für s = tk .
Definition: Vollständige Variation
Sei ζ1 ⊂ ζ2 ⊂ . . . eine aufsteigende Folge von Zerlegungen auf [a; b] mit
n→∞
|ζ| → 0. Für eine Funktion f ∈ C ([a; b]) heißt
X
V[a;b] (f ) := lim
|f (s0 ) − f (s)|
n→∞
s∈ζn a≤s<b
vollständige Variation von f bzgl. [a; b].
Bemerkung:
n→∞
• Beispiel für eine Zerlegungsfolge (ζn ) mit |ζ| → 0 ist die dyadische
Zerlegung Dn := {a + (b − a) k2−n |k = 0, . . . , n}.
• Die vollständige Variation ist unabhängig von der gewählten
Zerlegungsfolge (ζn )
• f ist von lokal endlicher (beschränkter) Variation auf A ⊂ R, falls
V[a;b] (f ) < ∞ (es existiert ein c ∈ R, so dass V[a;b] (f ) < c) für alle
a < b mit [a; b] ⊂ A und a, b ∈ R.
Beispiel:
7
(a) Monotone stetige Funktionen sind von lokal beschränkter Variation,
denn:
Sei f o.B.d.A. monoton wachsend, dann gilt:
X
lim
|f (s0 ) − f (s)| = lim (|f (t1 ) − f (t0 )| + . . . + |f (tn ) − f (tn−1 )|)
n→∞
n→∞
s∈ζn a≤s<b
=
lim |f (t1 ) − f (t0 ) + f (t2 ) − f (t1 ) + . . .
n→∞
+ f (tn ) − f (tn−1 )|
=
lim |f (tn ) − f (t0 )| = |f (b) − f (a)| = c < ∞
n→∞
(b) Stetig differenzierbare Funktionen sind von lokal beschränkter
Variation, denn wenn f stetig differenzierbar ist auf [a; b], dann kann
man [a; b] so in endlich viele Teilintervall einteilen, dass f auf allen
diesen Teilintervallen monoton ist. Mit dem in (a) Gezeigten folgt
dann die Behauptung.
Definition: (Endliche) Quadratische Variation
Sei die Zerlegungsfolg ζ wie oben definiert, dann heißt die Funktion
f 7→ hf it mit
X
(f (s0 ) − f (s))2
hf it := lim
n→∞
s∈ζn a≤s<b
quadratische Variation von f.
f ist von endlicher quadratischer Variation entlang (ζn ), falls der obige
Grenzwert für alle t ∈ [a; b] existiert.
Bemerkung:
Ist f von lokal beschränkter Variation, dann ist hf it = 0, denn es gilt:
X
X
(f (s0 ) − f (s))2 ≤ max |f (s0 ) − f (s)|
|f (s0 ) − f (s)|
s∈ζn s<t
s∈ζn
s∈ζn s<t
Beim Übergang zum Grenzwert geht der erste Faktor auf der rechten Seite
der Ungleichung gegen null, da |ζ| → 0 nach Voraussetzung an die
Zerlegungsfolge ζ und der zweite Faktor ist kleiner ∞, da f von lokal
beschränkter Variation nach Voraussetzung. Damit:
X
0 ≤ hf i = lim
(f (s0 ) − f (s))2 ≤ 0
n→∞
s∈ζn s<t
und folglich hf it = 0.
8
Damit haben insbesondere stetig monotone sowie stetig diffbare Funktionen
eine quadratische Variation von null. Für die BB gilt hingegen:
n→∞
Sei X BB mit Zerlegungsfolge (ζn ) mit |ζ| → 0, dann ist hXit = t. Ein
typischer Brownscher Pfad ist dann auch von lokal unendlicher Variation.
Um dies zu beweisen, müsste ein tiefes Fundament an Kenntnissen über
die Martingaltheorie vorausgestzt werden, welches zu schaffen den Rahmen
dieser Arbeit sprengen und sicher auch ein wenig am Thema vorbei gehen
würde. Daher wird hXit = t ohne Beweis angenommen.
9
Kapitel 3
Das Ito-Kalkül
1
Das eindimensionale Ito-Integral
Mit dem Konzept der quadratischen Variation kann ein neues Integral definiert werden - das Ito-Integral. Dazu sei X = (Xt ) ein stochastischer Prozess,
wobei t 7→ Xt eine stetige Funktion auf [0; ∞[ ohne Stochastik sein soll. Weiter soll diese Funktion eine stetige also insbesondere auf [0; t], t ∈ R beliebig,
endliche quadratische Variation besitzen, d.h.:
X
lim
(Xti+1 ) − Xti )2 = hXit < ∞
n→∞
ti ∈ζn ,ti ≤t
und t 7→ hXit ist stetig mit hXi0 = 0. Die Zerlegungsfolge ζ habe auch
wieder die gleichen Eigenschaften im vorherigen Kapitel.
Beispiel: Ein fester typischer Brownscher Pfad erfüllt diese Bedingungen,
denn die Stochastik steckt hier in der Auswahl des Pfades. Entlang der
Zeitachse ist der Verlauf eines Brownschen Pfades deterministisch. Weiter
gilt, dass hXit = t, womit die Forderungen an die quadratische Variation
ebenfalls erfüllt sind.
Nun ist t 7→ Xt stetig und monoton wachsend in t und kann somit mit der
Verteilungsfunktion eines stetigen Maßes µ identifiziert werden:
µ([0; t]) = hXit
Die oben beschriebene Summenkonvergenz kann dann auch als schwache
Konvergenz von Verteilungen aufgefasst werden, d.h.:
X
n→∞
µn =
(Xti+1 − Xti )2 δti → µ(schwach)
ti ∈ζn
Dabei entspricht δti dem Dirac-Maß, also δti (s) = 1, falls s ∈ {ti |ti ∈ ζn }
und null sonst.
10
Mit dem Portmonteau-Theorem gilt für Funktionen f ∈ C0 ([0; ∞]), also
für stetige (Stetigkeit fast überall reicht auch) Funktionen mit kompaktem
Träger, dass
Z
Z
f dµn →
f dµ
Mit diesen Vorüberlegungen können wir ein Integral bezüglich der quadratischen Variation eines stochstischen Prozesses herleiten.
Lemma 3.1. Sei g : [0; ∞] → R stetig und X stochastischer Prozess wie
oben, dann gilt:
Z t
X
n→∞
g(ti )(Xti+1 − Xti )2 →
g(s) d hXis ,
0
ti ∈ζn ,ti ≤t
wobei
Z
0
t
Z
g(s) d hXis :=
I[0;t] g dµ
R
Beweis: Zunächst wird gezeigt, dass die Summe mit I[0;t] g dµn
identifiziert werdenP
kann.
Betrachte:µn (s) = ti ∈ζn (Xti+1 − Xti )2 δti (s), dann ist
2
µn (s) = Xti+1 − Xti für s ∈ {ti |ti ∈ ζn } und null sonst.
Damit ist µn insbesondere ein diskretes Maß und es gilt:
Z
Z t
X
I[0;t] g dµn =
g dµn =
g(ti )µn (ti )
0
=
X
ti ∈ζn
g(ti )
ti ∈ζn
=
X
X
(Xtj+1 − Xtj )2 δtj (ti )
tj ∈ζn
g(ti )(Xti+1 − Xti )2
ti ∈ζn
Das Integral vereinfacht sich zur Summe, da µn diskret ist. Im letzten
Schritt geht ein, dass δtj (ti ) = 0 für alle i 6= j.
Da gI[0; t] kompakten Träger besitzt und fast überall stetig ist, gilt nach
dem Portmonteau-Theorem (vgl. Vorüberlegungen):
Z
Z
n→∞
I[0;t] g dµn →
I[0;t] g dµ
Dies entspricht aber gerade unserer Definition für das Integral bzgl. der
quadratischen Variation des stochstischen Prozesse X und damit folgt die
Behauptung.
2
Mit diesem Lemma kann nun die eindimensionale Ito-Formel bewiesen werden.
11
Satz 3.2. Ito-Formel
Für f ∈ C 2 (R) und X stochastischer Prozess wie oben gilt:
t
Z
f (Xt ) − f (X0 ) =
f 0 (Xs ) dXs +
0
1
2
Z
0
t
f 00 (Xs ) d hXis
mit dem Ito-Integral:
t
Z
X
f 0 (Xs ) dXs := lim
n→∞
0
f 0 (Xti )(Xti+1 − Xti )
ti ∈ζn ,ti ≤t
Beweis:
Mit der Taylor-Formel gilt:
1
f (Xti+1 )−f (Xti ) = f 0 (Xti )(Xti+1 −Xti )+ f 00 (Xti )(Xti+1 −Xti )2 +εi (Xti+1 −Xti )2
2
P
Summation der Gleichung mit ti ∈ζn ,ti ≤t ergibt:
X
f (Xti+1 )−f (Xti ) =
X
f 0 (Xti )(Xti+1 −Xti )+
X
1 X 00
f (Xti )(Xti+1 −Xti )2 +
εi (Xti+1 −Xti )2
2
Grenzwertübergang n → ∞ liefert:
(a) linke Seite:
X
lim
n→∞
f (Xti+1 )−f (Xti ) = lim f (Xt )−f (X0 ) = f (Xt )−f (X0 ),
n→∞
ti ∈ζn ,ti ≤t
da die Summe eine Teleskopsumme ist.
(b) Der erste Summand der rechten Seite wird beim Grenzwertübergang
per Definition zum Ito-Integral.
(c) zweiter Summand rechte Seite:
1
lim
n→∞ 2
X
ti ∈ζn ,ti ≤t
1
f (Xti )(Xti+1 ) − Xti ) =
2
00
2
Z
0
t
f 00 (Xs ) d hXis
mit dem zuvor bewiesenen Lemma über das Integral bzgl. der
quadratischen Variation.
(d) Bleibt zu zeigen, dass der dritte Summand der rechten Seite gegen
null geht:
X
X
lim |
εi (Xti+1 ) − Xti )2 | ≤ lim (|δn |
(Xti+1 ) − Xti )2 ) = 0,
n→∞
n→∞
ti ∈ζn ,ti ≤t
12
denn:
|εi | ≤ c
|f 00 (Xα ) − f 00 (Xβ )|
sup
α,β∈[ti ;ti+1 ]
00
≤ c sup |f (Xα ) − f 00 (Xβ )| =: δn
α,β≤t
Weiter gilt, dass |α − β| ≤ maxtk ∈ζn |tk+1 − tk , d.h. für n → ∞ folgt
α → β. Da f 00 gleichmäßig stetig ist auf [0; t], folgt weiter
f 00 (Xα ) → f 00 (Xβ ) und somit δn → 0.
Die Summe konvergiert nach Voraussetzung an X und nach der
Definition der quadratischen Variation gegen hXit , die wiederum
endlich ist nach Voraussetzung an X.
Damit geht der dritte Summand tatsächlich gegen null und die
Ito-Formel folgt wie behauptet.
2
Für die Ito-Formel kann die alternative Notation
1
df (Xt ) = f 0 (Xt )dXt + f 00 (Xt )d hXit
2
verwendet werden. Mit dieser Notation ergibt sich weiter (ohne Beweis)
folgender Zusammenhang:
d hXit = dXt dXt
Bemerkung:
Rt
Aus der Ito-Formel folgt unmittelbar, dass das Ito-Integral 0 g (Xs ) dXs
für Funktionen g ∈ C 1 wohldefiniert ist.
Nachdem die Ito-Formel für den eindimensionalen Fall hergeleitet ist, wollen
wir uns nun der mehrdimensionalen Ito-Formel nähern. Um dies tun zu
können, muss zunächst das Konzept der quadratischen Kovariation zweier
stetiger stochastischer Prozesse eingeführt werden.
2
Die quadratische Kovariation
Vorüberlegungen:
Seien X, Y stetige stoch. Prozesse mit stetigen quadratischen Variationen
hXit , hY it dann gilt:
X
hX + Y it = lim
(Xti+1 ) − Xti + Yti+1 ) − Yti )2
n→∞
ti ∈ζn ,ti ≤t
X
(∆i X)2 + (∆i Y )2 + 2∆i X∆i Y
X
= hXit + hY it + 2 lim
∆i X∆i Y
=
lim
n→∞
n→∞
13
Dabei ist ∆i X := Xti+1 − Xti und ∆i Y := Yti+1 − Yti .
Definition: Quadratische Kovariation
Mit der Notation aus der Vorüberlegung heißt
X
hX, Y it := lim
∆i X∆i Y
n→∞
ti ∈ζn ,ti ≤t
quadratische Kovariation von X und Y .
Bemerkung:
• hX + Y it existiert gdw. hX, Y it existiert.
• Mit den Vorüberlegungen gilt die sog. Polarisierungsidentität:
1
hX, Y it = (hX + Y it − hXit − hY it )
2
Nun einige Sätze und Beispiele zur quadratischen Kovariation.
Satz 3.3. Sei A ein stetiger Prozess mit hAit ≡ 0 und X ein stetiger stoch.
Prozess wie üblich. Dann gilt:
hX + Ait ≡ hXit
Beweis: Sei ∆i X := Xti+1 − Xti und ∆i A := Ati+1 − Ati , dann gilt:
X
X
X
X
(∆i X+∆i A)2 =
(∆i X)2 +
(∆i A)2 +2
∆i X∆i A
ti ∈ζn ,ti ≤t
ti ∈ζn ,ti ≤t
ti ∈ζn ,ti ≤t
ti ∈ζn ,ti ≤t
(a) Grenzwertübergang liefert auf der linken Seite per Definition
hX + Ait .
(b) Die ersten beiden Summanden der rechten Seite gehen gegen hXit
bzw. hAit ≡ 0 nach Voraussetzung an A.
P
(c) Bleibt zu zeigen, dass 2 ti ∈ζn ,ti ≤t ∆i X∆i A gegen null geht für
n → ∞. Mit Cauchy-Schwarz gilt:
qX
qX
X
(∆i X)2
(∆i A)2 )
lim |
∆i X∆i A| ≤ lim (
n→∞
n→∞
ti ∈ζn ,ti ≤t
Nach Voraussetzung gilt
lim
qX
n→∞
und
lim
(∆i X)2 < ∞
qX
n→∞
(∆i A)2 = 0.
Damit geht der dritte Summand gegen null und es folgt die
Behauptung.
14
2
Bemerkung: Unmittelbare Konsequenz dieses Satzes ist nach Definition
der quadratischen Kovarianz, dass hX, Ait = 0, falls A so ist, wie im Satz
gefordert.
Der folgende Satz liefert eine Aussage über die Kovariation zweier unabhängiger Brownscher Bewegungen.
Satz 3.4. Seien B und W unabhängige BBen auf dem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, F, P ). Dann gilt für P fast alle ω ∈ Ω:
hB(ω), W (ω)it ≡ 0
Beweis:
1
Zt := √ (Bt + Wt )
2
ist wieder eine Brownsche Bewegung (das Nachprüfen der drei
Eigenschaften aus der Definition ist eine rein technische Angelegenheit,
weswegen hier darauf verzichtet wird). D.h. für P fast alle ω:
t = hZit =
1
hB(ω), W (ω)it
2
Damit folgt mit der Polarisierungsidentität:
hB(ω), W (ω)it =
=
=
1
(hB(ω) + W (ω)it − hB(ω)it − hW (ω)it )
2
1
(2 hZ(ω)it − hB(ω)it − hW (ω)it )
2
1
(2t − t − t) = 0
2
Dies entspricht gerade der Behauptung.
2
Bemerkung: Die Unabhängigkeitsforderung der beiden BBen wird beim
Nachweis benötigt, dass Z, wie im Beweis definiert, ebenfalls BB ist.
Schließlich folgt noch unmittelbar aus der Definition der quadratischen Kovarianz, dass
hX, Xit = hXit
15
3
Das d-dimensionale Ito-Integral
Jetzt kann die mehrdimensionale Ito-Formel sinnvoll hergeleitet werden.
Satz 3.5. d-dimensionale
Ito-Formel
1
d
Sei Xt = Xt , . . . , Xt ein
d-dimesionaler
stetiger stochastischer Prozess
mit stetigen Kovariationen X k , X l t für k, l ∈ {1; . . . ; d} beliebig, und sei
f ∈ C 2 Rd , dann gilt:
Z
f (Xt ) − f (X0 ) =
t
∇f (Xs ) dXs +
0
d Z
D
E
1 X t
fxk xl (Xs ) d X k , X l
2
s
0
k,l=1
mit dem d-dimensionalen Ito-Integral:
Z t
X
∇f (Xs ) dXs := lim
0
n→∞
∇f (Xti )(Xti+1 − Xti )
ti ∈ζn ,ti ≤t
Beweis: Der Beweis erfolgt analog zum eindimesionalen Fall mit der
d-dimensionalen Taylorformel.
2
Beispiel:: Typischer d-dimensionaler Brownscher
Pfad
Sei X eine d-dimesionale BB, ,also X = X 1 , . . . , X d ein d-Tupel von
unabhängigen Brownschen Bewegungen, dann gilt zunächst für die
Kovariationen:
E
D
X k , X l = tδkl
t
Die d-dimesionale Ito-Formel vereinfacht sich also in diesem Fall zu:
Z t
Z
1 t
f (Xt ) − f (X0 ) =
∇f (Xs ) dXs +
∆f (Xs ) d hXis
2 0
0
Dabei ist ∆f (x) := fxk xl (x).
Zu beachten ist, dass, da X BB, gilt:d hXis = ds. Das zweite Integral ist
also ein ganz gewöhnliches mehrdimensionales Lebesgue- oder
Riemannintegral.
Ein wichtiges Korollar zur d-dimensionalen Ito-Formel ist die zeitabhängige
Ito-Formel für BBen. Mit ihr wird es uns möglich sein, Wertpapiere auf
einem Aktienmarkt im Black-Scholes-Modell zu bewerten.
Korollar 3.6.
Sei X eine d-dimensionale BB wie oben, f ∈ C 2 [0; ∞[ × Rd . Dann gilt:
Z t
Z t
1
f (t, Xt ) − f (0, X0 ) =
∇Xs f (s, Xs ) dXs +
∂s (f (Xs )) + ∆f (s, Xs ), ds
2
0
0
16
Beweis: Mit der Ito-Formel gilt:
Z t
Z
∂
1 t
linkeSeite =
( f (s, Xs ), ∇Xs f (s, Xs )) d(s, Xs ) +
∆f (s, Xs ) ds
2 0
0 ∂s
Z t 2
∂
1
f (s, Xs ) d hsi
+
2 0 ∂s2
Z t
Z t
Z
∂
1 t
=
∇Xs f (s, Xs ) dXs +
∆f (s, Xs ) ds
f (s, Xs ) ds +
2 0
0 ∂s
0
Das letzte Integral wird null, da f (s) = s monoton ist und somit gilt, dass
hsi ≡ 0.
Weiter kann
∂
( f (s, Xs ), ∇Xs f (s, Xs ) d(s, Xs )
∂s
als ein Skalarprodukt zweier Vektoren aufgefasst und ganz normal
ausmultipliziert und dann auseinandergezogen werden.
2
Mit der Ito-Formel ist es nun möglich, stochastische Differentialgleichungen
zu lösen bzw. Diferentiale von stochastischen Prozessen zu berechnen, was
für dei Herleitung der Black-Scholes-Formel unabdingbar ist.
Stochastische DGLen unterscheiden sich dabei von deterministischen DGLen
nur insofern, als dass die Integrale, die hinter den Differentialen stecken,
Ito- bzw. stochastische Integrale und keine Riemann- oder Lebesgueintegrale mehr sind. Die Verallgemeinerung auf stochastische Integrale ist mit
der Stochastik, die hier betrachtet wurde absolut nicht möglich und somit
nicht Bestandteil dieser Arbeit. Stochastische Integrale werden im BlackScholes-Modell zur Bewertung europäischer Anlagen im allgemeinen auch
nicht benötigt.
Im folgenden nun ein Beipiel zur Lösung einer stochastischen DGL (in Zukunft:SDE).
Beispiel: Betrachten wir zunächst y 0 = y bzw. dy = ydx im
deterministischen Fall. Diese DGL wird durch die exp-Funktion gelöst.Wie
sieht es aber nun für die entsprechende SDE aus?
Sei X also ein stetiger stochastischer Prozess mit stetiger und monotoner
quadratischen Variation hXit . Gesucht ist die Lösung von:
Yt = Yt dXt
Ein naiver Ansatz könnte es sein die stochastische Exponentialfunktion als
Lösung anzunehmen, also Yt (Xt ) = exp (Xt ). Wir berechnen dYt über die
Ito-Formel:
1
dYt = Yt0 dXt + Yt00 d hXit
2
17
Da Yt = exp, gilt:
Yt = Yt0 = Yt00 = exp
Also erhalten wir:
1
dYt = Yt dXt + Yt d hXit
2
Der gegenüber der geforderten Lösung zusätzliche zweite Summand auf der
rechten Seite stört. Bei der Wahl von Yt sollte noch ein ausgleichender
Term verwendet werden, der via Ito für dYt etwas in der Art − 21 Yt d hXit
generiert.
Setzen wir folgende Lösung an: Yt (Xt , hXit ) = exp Xt − 21 hXit .
Dies ist insofern sinnvoll, da in erster Ableitung nach hXit genau jener
Ausgleichsterm entsteht, der gesucht ist. Problematisch können allenfalls
noch die Terme der 2. Ableitung sein. Hier gilt aber, da hXit stetig
monoton nach Voraussetzung und somit von beschränkter Variation ist,
dass:
• hhXiit ≡ 0 und somit weiter
• hX, hXiit = 0
Mit d-dimensionalem Ito, gilt nun:
1
dYt = Yt dXt − Yt d hXit +
2
1
= Yt dXt − Yt d hXit +
2
1
1
1
Yt d hXit − 2 Yt d hX, hXiit + Yt d hhXiit
2
2
4
1
Yt d hXit = Yt dXt
2
Im ersten Schritt wird Punkt für Punkt die Ito-Formel angewendet. Die
beiden ersten Terme sind Terme erster Ableitung, die übrigen drei Terme
sind die Terme zweiter Ableitung. Die beiden letzten Summanden werden
gemäß den Vorüberlegungen zu null.
Die technischen und stochastischen Grundlagen für die Herleitung der BSPDE sind gelegt. Kommen wir nun also zum Black-Scholes-Modell.
18
Kapitel 4
Das Black-Scholes-Modell
1
Allgemeines zu Marktmodellen
In der Volkswirtschafts- und Betriebswirtschaftslehre werden viele unterschiedliche Märkte auf ihre Eigenheiten und Funktionsweisen untersucht,
zum Beispiel Gütermärkte, Arbeitsmärkte oder Finanzmärkte. Betrachtungsgegenstand der Finanzmathematik sind vor allem die Finanzmärkte, auf
denen im Grunde ausschließlich sogenannte Anlagen gehandelt werden. Anlagen sind bspw. Aktien, Wertpapiere oder Rechte wie z.B. Optionen.
Im Folgenden wird es darum gehen Notationen einzuführen, mit denen
Zustände auf einem Finaz- oder Kapitalmarkt modeliert werden können.
• Es werden i.a. d + 1 Anlagen betrachtet, wobei d ≥ 1.
• Es wird unterstellt, dass auf dem Markt die sogenannte Nullanlage
gibt, ein festverzinsliches Wertpapier mit deterministischem Zinssatz
r (z.B. Bundesschatzbriefe). Dieses Wertpapier wird als Bond B bezeichnet.
• Wir unterstellen, dass die Preise aller Anlagen am Markt zum Ausgangszeitpunkt null deterministisch sind. Wir schreiben als determinisitischen Preisvektor zu Zeitpunkt null S̄0 = B0 , S01 , . . . , S0d .Zu jedem
Zeitpunkt t > 0, t ∈ R kommt der Zufall ins Spiel. Die Preise der Anla- gen am Markt ist dann definiert durch S̄t (ω) = ert B0 , St1 (ω) , . . . , Std (ω) ,
wobei die Komponenten Sti (ω) , i = 1, . . . , d aufzufassen sind als stetige
stochastische Prozesse auf einem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, F, P )
und der positiven Halbachse als Menge von Zeipunkten, d.h. Sti (ω) :
rt
R+
0 × Ω → R, und e B0 beschreibt die deterministische Wertentwicklung der festverzinslichen Nullanlage.
• Der Anleger oder Akteur am Markt hat die Möglichkeit zu handeln,
i.e. zu jedem Zeitpunkt t ∈ R+
sein Portfolio
0 besitzt er die Möglichkeit
0
1
d
¯
aus Anlagen ξt (ω) = ξt (ω) , ξt (ω) , . . . , ξt (ω) , wobei ξti der Anzahl
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der zum Zeitpunkt t sich im Besitz des Anlegers befindlichen Anlagen
i entspricht, zu ändern bzw. anzupassen
• Der Wert des Protfolios zum Zeitpunkt t wird beschrieben mit Πt =
ξ¯t (ω) S̄t (ω) (Skalarmultiplikation zweier Vektoren aus dem Rd+1 )
Nach diesen allgemeinen Überlegungen zu Marktmodellen wenden wir uns
nun den Annahmen im Black-Scholes-Modell zu.
2
Herleitung der Black-Scholes-PDE
Zunächst seien einige vereinfachende Annahmen im Modell erwähnt.
• Es gibt keine Transaktionkosten, d.h. für den Kauf und Verkauf von
Anlagen am Markt fallen keine weiteren Kosten oder Gebühren an.
• Der Zinsatz r ist gleich, egal, ob ein Kredit aufgenommen oder das
eigene Geld angelegt wird
• keine Steuern, keine Dividenden
Diese vereinfachenden Annahmen können natürlich weggelassen werden, was
die Rechnungen im Modell aber zum Teil erheblich verkompliziert und weswegen wir sie vorerst als gültig erachten. Eine erste Annahme, die auf empirischen Fakten beruht, und somit nicht weggelassen werden darf, ist folgende:
Am Markt darf keine Arbitrage existieren, d.h. es darf am Markt nicht die
Möglichkeit geben, risikofrei Gewinn zu machen. Auf eine Formalisierung
wird hier verzichtet, da dazu zuvor das Konzept des filtrierten Wahrscheinlichkeitsraumes erläutert werden müsste.
Beispiel:Arbitragemöglichkeit
Wir betrachten eine Aktie, die sowohl in London als auch in Frankfurt
gehandelt wird. Wir nehmen an die Aktie kostet in Frankfurt 140euro und
in London 100 Pfund. Weiter wird ein Umtauschkurs von 1 Pfund zu
1,60euro angenommen.
Kauft man nun 100 Aktien in Frankfurt und verkauft sie sofort wieder in
London, dann ergibt sich folgendes Bild:
• Ausgaben in Höhe von 100 · 140euro = 14.000euro
• Einahmen in Höhe von 100 · 100P = 100 · (100 · 1, 6)euro = 16.000euro
• Und somit ein Saldo in Höhe von +2000euro, der ohne Risiko
erwirtschaftet werden konnte.
Solche Situationen soll es per Annahme im Black-Scholes-Modell nicht
geben.
20
Zu bemerken ist, dass insbesondere für Großanleger, die einen sehr hohen
Informationsstand über die Kapitalmärkte auf der Welt besitzen, ganz kleine Zeitfenster existieren, in denen sie Arbitragegewinne abschöpfen können.
Für den Durchschnittsanleger ist dies allerdings niemals möglich, weswegen
das Phänomen der Arbitrage als nicht existent angenommen wird.
Der Kern des BS-Modells und der Schlüssel zur BS-PDE ist allerdings die
Annahme, die im folgenden hergeleitet wird.
Die bekanntesten Anlagen an Finanzmärkten sind Aktien. Fast alle Anlagen
(mehr als 95%) der auf Kapitalmärkten gehandelten Anlagen sind entweder
Aktien selber oder Anlagen, deren Wert unmittelbar von einem zu Grunde
liegenden Aktienkurs abgeleitet wird, sog. Derivate. Der einem Derivat zu
Grunde liegende Aktienkurs wird auch Underlying genannt. Daher ist eine
zentrale Annahme in jedem Finanzmarktmodell jene über das Verhalten von
Aktienkursen. Formalisieren wir zunächst den Aktien- bzw. Derivatsbegriff.
Definition: Claim, Derivat
(a) Ein Claim Ct ist ein stetiger stochastischer Prozess auf dem
Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, F, P ) und der Zeipunktmenge Z = R+
0
mit 0 ≤ Ct < ∞ P -f.s. und für alle t ∈ Z.
(b) Ein Claim Ct heißt Derivat der Anlagen S 0 , . . . , S d gdw. ein f : Rd+1
→ R existiert, dass messbar ist mit Ct = f St0 , . . . , Std
+
Beispiel:
• Mit den zusätzlichen Annahmen des BS-Modells (s.u.) sind Aktien
Claims im Sinne der Definition. Sie sind dann als Identitätsderivate
von sich selbst formal natürlich auch Derivate.
• Beispiele für Derivate sind bspw. die europäische Call- und Putopion.
Beim europäischen Put erwirbt man vom Verkäufer des Puts das
Recht, ihm eine Aktie zu einem bestimmten Zeitpunkt T zu einem
festen Ausübungspreis K zu verkaufen. Dies wird beschrieben durch
die Auszahlungsfunktion(K − ST )+ . Beim europäischen Call erwirbt
man vom Verkäufer des Calls das Recht, bei ihm eine Aktie zu einem
bestimmten Zeitpunkt T und festen Preis K zu kaufen. Dies wird
beschrieben durch die Auszahlungsfunktion(ST − K)+ Der Wert
solcher Optionen wird natürlich vom aktuellen Aktienkurs abgeleitet.
21
Abbildung 4.1: Auszahlungsfunktion eines europäischen Puts
Abbildung 4.2: Auszahlungsfunktion eines europäischen Calls
22
Bemerkung: Bei BS-PDE geht es insbesondere darum, die Werte solcher
Derivate, wie oben vorgestellt im Zeitablauf risikofrei zu bewerten.
Nun aber wie oben bereits angekündigt zu den Annahmen über Aktienkursentwicklungen. Dazu werden zunächst einige empirische Fakten betrachtet,
die sich in den Annahmen widerspiegeln sollen. Sei also S der Wert einer
beliebigen Aktie am Kapitalmarkt, dann:
• St ≥ 0, denn es liegt ja gerade in der Natur von Aktien, dass der Anteilseigner nur mit dem von ihm eingesetzten Kapital haftet. Geht die
entsprechende Aktiengesellschaft bankrott, so kann der Kurs der Aktie
schlimmsten Falls auf null sinken. Der Anteilseigner haftet nicht mit
seinem Privatvermögen oder ähnlichem. Mit dieser Forderung entsprechen Aktien genau der Definition eines Claims: St (ω) : Rt0 × Ω → R+
0
• Die mittlere Rendite α von Aktien ist langfristig konstant und liegt
3 bis 8 % per anno über dem Zins für den Bond (Marktpreis des
Risikos). Wenn eine infetisimal kleine Veränderung des Aktienkurses
beschrieben durch dSt betrachtet wird, so kann der genannte Fakt
modelliert werden durch eine konstante Verzinsung von St mit der
Rate α:
dSt = αSt dt
Hier ist noch keine Stochastik enthalten. Obige Gleichung würde lediglich ein exponentielles Wachstum des Aktienwertes liefern. Wie modelliert man nun aber die Kursschwankungen?
• Kursschwankungen können kurz- und mittelfristig, trotz langfristig im
Mittel konstanter Rendite, zu sehr starken Ausschlägen des Aktienkurses nach oben und nach unten führen. Die Rate der Ausschläge liegt
empirisch bei 10 bis 40 % und wird als Volatilität des Aktienkurses σ
bezeichnet. Im BS-Modell wird nun angenommen, dass die Ausschläge
nach oben und nach unten dem Schema einer Brownschen Bewegung
folgen. Die obige Gleichung wird ergänzt zu:
dSt = αSt dt + σSt dXt
Dabei ist X Brownsche Bewegung. Eine unmittelbare Folge dieser Modellkonstruktion ist es, dass die Ausschläge umso größer werden, je
höher der Aktienkurs liegt.
Es gilt nun also die im BS-Modell angenommen SDE
dSt = αSt dt + σSt dXt
für Entwicklung von Aktienkursen im Zeitablauf zu lösen. Da die Aktienkursentwicklung bestimmt wird druch den Zeitablauf einerseits und die BB
23
X andererseits, wird S von der Form S (t, Xt ) sein. Da weiter St in der
SDE, auftaucht ist davon auszugehen, dass wie Beispiel des letzten Kapietels gilt:S (t, Xt ) = exp (t, Xt ). Um die beiden Summanden aus obiger SDE
zu erhalten, könnte man zunächst ansetzen:
St = e(σXt +αt)
Mit der zeithabhängigen Ito-Formel erhält man:
Z t
Z t
1
αt + σ 2 S(t, Xt )d hXit
St (, t, Xt ) dXt +
S(t, Xt ) − S(0, X0 ) =
2
0
0
Bzw. in DE-Schreibweise mit der Tatsache, dass hXit = t, da X BB:
1
dSt = σSt dXt + αtdt + σ 2 St dt
2
Wieder ist durch die zweite Ableitung nach der BB X ein störender deterministischer Term entstanden. Er wird hier ausgeglichen, indem man den
entsprechenden Ausgleichsfaktor vor dem t einfügt. Ein solcher Ausgleichsterm tritt, wie inzwischen bekannt, in zweiter Ableitung nicht auf. Die
gewünschte Lösung ist also:
1
St = e(σXt +(α− 2 σ
2 )t)
Da der Aktienkurs zum Zeitpunkt null i.a. nicht eins ist wird der entsprechende Wert S0 als deterministische Konstante in die Lösung eingefügt. Wir
erhalten:
Definition: Der Prozess S mit:
1
St = S0 e(σXt +(α− 2 σ
2 )t)
heißt geometrische Brownsche Bewegung Startwert S0 , Trend α und
Volatilität σ.
Bemerkung: Für die quadratische Variation der geometrischen BB:
d hSit = dSt dSt = σ 2 St2 dt
Die BS-PDE ist wie bereits erwähnt ein Werkzeug zur Bewertung von Derivaten von Aktien im Zeitablauf. Sei V der Werteprozess eines Derivats
mit Underlying S, als von der Form V (t, St ). Für europäische Optionen
haben solche Werteprozesse hinreichende Glattheitseigenschaften, so dass
die Ito-Formel anwendbar ist. Zur Bewertung exotischer Optionen wäre hier
24
die Verallgemeinerung auf das stochastische Integral notwendig. Da aber
im Folgenden die BS-PDE insbesondere für europäische Derivate hergeleitet werden soll, kann das Ito-Kalkül des Werteprozesses V ohne weiteres
berechnet werden:
dV (t, St ) =
+
=
=
=
∂V
∂V
∂2V
1 ∂2V
(t, St )dSt +
(t, St )d hSt , ti
(t, St )dt + ( 2 (t, St )d hti + 2
∂St
∂t
2 ∂t
∂t∂St
∂2V
(t, St )d hSit )
∂St2
∂V
1 ∂2V
∂V
dSt +
dt +
d hSit
∂St
∂t
2 ∂St2
∂V
∂V
1 ∂2V 2 2
St (σdXt + αdt) +
σ St dt
dt +
∂St
∂t
2 ∂St2
∂V
1
∂2V
∂V
∂V
σSt dXt + ( σ 2 St2 2 + αSt
+
)dt
∂St
2
∂St
∂t
∂St
Zunächst wurde die zeitabhängige Itoformel verwendet. Im zweiten Schritt
geht die Tatsache ein , dass t von lokal beschränkter Variation und somit
d hti = hSt , ti = 0 ist. Im dritten Schritt gehen die Black-Scholes-Annahmen
über Aktienkurse ein, nämlich:
dSt = σSt dXt + αSt dt
und
d hSit = σ 2 St dt
Im vierten Schritt schließlich werden die Terme so sortiert, dass die gesamte
Stochastik im ersten Summanden der rechten enthalten ist. Die restlichen
Terme sind deterministisch.
Bemerkung: Die Erweiterung auf mehrdimensionale Derivate ist absolut
unproblemtisch und ebenfalls durch die zeitabhängige Ito-Formel gedeckt.
Ziel der Finanzmathematik ist es nun, die Stochastik aus der vorliegenden Gleichung zu eliminieren. Dies geschieht durch sogenanntes dynamisches
Handeln oder hedgen. Das bedeutet, dass man als Anleger am Kapitalmarkt
sein Portfolio ξ¯t zu jedem Zeitpunkt t so anpasst, dass die Werteveränderung
des Aktienkurses durch das Derivat abgesichert wird oder umgekehrt. Dies
geschieht folgendermaßen:
Angenommen wir befinden uns auf einem Kapitalmarkt mit dem zum Zinssatz r festverzinslichen Bond B, einer Aktie S und einem Derivat der Aktie
f ≤ f (S). Der Werteprozess des Derivats sei wie oben durch V bezeichnet.
Der Wertevektor der Anlagen sieht dann so aus:
S̄t (ω) = (ert B0 , St (ω), V (t, St ))
25
Wir handeln dynamisch, um relativ unterschiedliche Werteänderungen von
Derivat und Underlying auszugleichen. Unser Portfolio wird in jedem Zeitpunkt t wie folgt angepasst:
∂V
ξ¯t (ω) = (0; −
(t, St (ω)); 1)
∂St
∂V
Aktien short, d.h.
D.h. wir halten ein Derivat in unserem Besitz und ∂S
t
wir schulden dem Markt eben genau diese Anzahl der Aktien. Die Dynamik
unseres Handelns ist auch genau hier beschrieben.
Der Wert unseres Portfolios zum Zeitpunkt t sieht dann so aus:
∂V
Πt = S̄t ξ¯t = Vt −
St
∂St
Die Veränderung des Portfoliowerts ist somit:
dΠt = dVt −
∂V
dSt
∂St
Mit dem oben hergeleiteten Ito-Kalkül für Werteprozesse von Derivaten und
dem bereits bekannten Ito-Kalkül für die geometrische Brownsche Bewegung
S erhält man:
∂V
∂2V
∂V
∂V
1
)dt
σSt dXt + ( σ 2 St2 2 + αSt
+
∂St
2
∂St
∂t
∂St
∂V
∂V
σSt dXt −
αSt dt
−
∂St
∂St
1
∂2V
∂V
= ( σ 2 St2 2 +
)dt
2
∂t
∂St
dΠt =
Es kann festgestellt werden, dass die obige Hedging-Strategie das Risiko eliminiert hat. D.h. unser Portfolio entwickelt sich mit einer deterministischen
Rendite. Da aber im BS-Modell Arbitragefreiheit angenommen wird, muss
sich das Hedging-Portfolio genauso entwickeln wie der festverzinsliche Bond,
da sonst durch den Verkauf des einen und den Kauf des anderen Arbitragegewinne ermöglicht würden. Das heißt dann aber, dass gilt:
dΠt = rΠdt
Also erhalten wir mit obigem Resultat für dΠt :
1
∂2V
∂V
∂V
( σ 2 St2 2 +
)dt = r(V −
St )dt
2
∂t
∂St
∂St
Und somit schließlich die partielle Black-Scholes-Differentialgleichung:
∂V
1
∂2V
+ σ 2 St2 2 + rSt ∂V ∂St − rV = 0
∂t
2
∂St
26
Literaturhinweise
• The Mathematics of Financial Derivatives von P. Wilmott ed al.
• Mitschriften und Skripte der Vorlesungen Wahrscheinlichkeitstheorie
I und II gehalten Prof. Dr. Alexander Schied (TU-Berlin)
• Mitschrift der Vorlesung Finanzmathematik I gehalten von Prof.Dr.
Michael Scheutzow (TU-Berlin)
• Mitschrift zur Vorlesung Finanzmathematik II gehalten Prof. Dr. Alexander Schied (TU-Berlin)
• Internet
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