Armut und Scheidung: Warum in der Schweiz viele

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Armut und Scheidung: Warum in der Schweiz
viele Frauen nach einer Scheidung in Armut leben.
Simon Vögeli
In der Schweiz wird fast jede zweite Ehe geschieden. Für die Betroffenen
stellt eine Scheidung häufig ein emotional belastendes, schwieriges Ereignis
dar, welches eine Neuorientierung im eigenen Leben erfordert. Nebst viel­
fältigen persönlichen und sozialen Auswirkungen hat eine Scheidung auch
finanziell nachhaltige Folgen. Die Entstehung eines zweiten Haushaltes führt
in der Regel zu einem finanziellen Mehrbedarf, welcher nicht immer durch
das vorhandene Familieneinkommen gedeckt werden kann. Es erstaunt
deshalb nicht, dass Scheidungen ein grosses Armutsrisiko darstellen.
In der Schweiz sind Männer und Frauen gemäss Art. 8 Abs. 3 der Bundes­
verfassung gleichgestellt und der Gesetzgeber hat die Verpflichtung, für die
rechtliche und tatsächliche Gleichstellung von Männern und Frauen besorgt
zu sein. Trotzdem zeigt eine nationale Armutsstudie auf, dass geschiedene
Frauen fast doppelt so häufig von Armut betroffen sind wie geschiedene
Männer, während die Armutsquoten von Frauen und Männern in der Gesamt­
bevölkerung dieser Studie zufolge etwa gleich hoch sind.
Die Bachelorarbeit will die Frage beantworten, weshalb geschiedene Frauen
deutlich stärker von Armut betroffen sind als geschiedene Männer. In einem
ersten Teil wird nach rechtlichen Gründen für die divergierenden Armuts­
quoten gesucht. Dabei wird das Hauptaugenmerk auf die Scheidungen
gelegt, bei welchen das Familieneinkommen nicht ausreicht, um nach einer
Scheidung zwei Haushalte zu finanzieren. Diese Fälle werden als Manko­
scheidungen bezeichnet und weisen ein besonders hohes Armutsrisiko auf.
In der Schweiz wird bei der Berechnung von Unterhaltsbeiträgen das
­Existenzminimum des Pflichtigen geschützt. Das bedeutet, dass das Manko
einseitig der unterhaltsberechtigten Person zugeteilt wird. Diese Person
ist in der grossen Mehrzahl der Scheidungen die Frau. Die Arbeit zeigt auf,
inwiefern diese Rechtsprechung die Armutsquoten geschiedener Frauen
und Männer beeinflusst.
In einem zweiten Teil wird nach Erklärungen gesucht, welche ausserhalb
der Rechtsordnung liegen. Es wird aufgezeigt, dass die nach wie vor weit
verbreitete klassische Rollenverteilung zwischen den Ehegatten dazu
führt, dass zum Zeitpunkt der Scheidung die Frauen deutlich schlechter
in den Arbeitsmarkt integriert sind als die Männer. Zusätzlich übernehmen
sie aufgrund der während der Ehe gelebten Rollenverteilung nach einer
Scheidung häufig den Hauptanteil der Kinderbetreuung, was ihnen eine
Vollzeitanstellung in der Regel verunmöglicht. Da die daraus resultierenden
Einkommenseinbussen durch das Unterhaltsrecht nur teilweise ausge­
glichen werden, führt letztlich auch die Rollenteilung während der Ehe zu
unterschiedlichen Armutsquoten geschiedener Frauen und Männer.
Im letzten Teil der Arbeit werden aus den gewonnenen Erkenntnissen Rück­
schlüsse für die Soziale Arbeit gezogen.
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