Quercus virgiliana 16.03.2006 9:55 Uhr Seite 1 Quercus virgiliana III-2 Quercus virgiliana (TEN.) TEN., 1836 syn.: Quercus apennina auct. Italienische Eiche Familie: Subgenus: Fagaceae Lepidobalanus engl.: Vergilius’ oak franz.: Chêne des Apennins ital.: Reverella virgiliana Abb. 1: Quercus virgiliana. Solitär im natürlichen Areal (Ungarn) Enzyklopädie der Holzgewächse – 25. Erg.Lfg. 9/01 1 Quercus virgiliana 16.03.2006 9:55 Uhr Seite 2 Quercus virgiliana III-2 10˚ 0˚ 10˚ 20˚ 30˚ 40˚ 50˚ 40˚ 40˚ 0 250 500 750 1000 km 0˚ 10˚ 20˚ 30˚ Abb. 2: Natürliches Verbreitungsgebiet Quercus virgiliana, eine bis 20 m hohe Baumart Südosteuropas, unterscheidet sich von der nahe verwandten Flaumeiche (Q. pubescens) u. a. durch größere Blätter und größere Früchte. Außerdem wächst sie schneller und stellt andere Standortsansprüche. Forstwirtschaft und Botanik nahmen seit der an Bäumen nahe Neapel vorgenommenen Beschreibung durch TENORE (1836) lange Zeit keine Notiz von der Existenz dieser Art. Deshalb sind auch die Informationen recht lückenhaft und noch heute wird die Italienische Eiche häufig mit Q. pubescens zusammengefasst. Mit dem Epitheton „virgiliana“ ehrt TENORE den römischen Dichter Virgil. Verbreitung Q. virgiliana ist eine charakteristische Baumart der submediterranen Regionen Südosteuropas. Ihr Areal umfasst außer den Inseln Korsika, Sardinien und Sizilien die gesamte Apennin-Halbinsel. Die Nordgrenze verläuft von Kroatien über den Südosten und Süden Österreichs bis in die Slowakei. 2 Enzyklopädie der Holzgewächse – 25. Erg.Lfg. 9/01 Eingeschlossen ist der Süden Transsylvaniens, die gesamte Balkanhalbinsel sowie ein Teil der nordwestlichen Türkei. Im Karpatenbecken wächst die Art in Höhenlagen zwischen 150 und 600 m ü. NN, auf der Balkanhalbinsel von 250 bis 800 m ü. NN. Die genauen Arealgrenzen liegen noch nicht fest, weil Q. virgiliana oft mit Q. pubescens verwechselt wurde [3, 8, 10, 13]. Beschreibung Q. virgiliana wird zu einem monocormen, ungefähr 20 m hohen Baum und bleibt nur ausnahmsweise strauchförmig. Der relativ gerade Stamm (BHD 30 bis 35 cm, max. 70 cm) trägt eine elliptische, in geschlossenen Beständen eine schlanke, zylindrische Krone. Die der Flaumeiche ähnliche Stammborke reißt in rechteckige, hervorstehende Teile auf, die sich leicht ablösen und zerreiben lassen. Bei jungen Stämmen erhält die dunkelgraue, relativ weiche Rinde schon früh Längs- und Querrisse. Italienische Eichen haben eine Pfahlwurzel, entwickeln aber bereits in jungem Alter ein sehr intensives, dendroid verzweigtes Seitenwurzelsystem. Quercus virgiliana 16.03.2006 9:55 Uhr Seite 3 Quercus virgiliana III-2 Knospen, Blätter, junge Triebe Die ovalen, relativ großen Winterknospen sind schwach vierkantig, graufilzig behaart und messen in der Länge 5 bis 8 mm. Zwischen Terminal- und Lateralknospen bestehen keine wesentlichen Größen- und Formunterschiede. Auch die gehäuft an den Triebenden stehenden Laubblätter sind mit 8 bis 16 cm Länge und 6 bis 13 cm Breite verhältnismäßig groß. Die tief gelappte, breit elliptische oder verkehrt eiförmige Spreite läuft am Grunde breit keilförmig, manchmal auch schwach herzförmig aus; der Apex ist abgerundet. Beiderseits 5 bis 7 zur Spitze hin breiter werdende Lappen werden durch tiefe, schmale Buchten voneinander getrennt, sind unregelmäßig gezähnt oder weisen Nebenlappen auf. Oberseits haben die Blätter eine glänzend dunkelgrüne Farbe und verkahlen frühzeitig; unterseits sind sie durch Haarbüschel und relativ lange Einzelhaare zunächst graufilzig, werden aber später ebenfalls kahl und nehmen eine bläulich eisgraue Farbe an. Sowohl die 6 bis 8 Seitennerven-Paare, wie auch die Tertiär-Nervatur treten deutlich hervor. Erstere zweigen nur in den unteren Lappen senkrecht, im oberen Teil des Blattes hingegen unregelmäßig von der Mittelrippe ab. Virgiliana-Blätter haben einen 15 bis 30 mm langen, stielrunden, anfangs filzig behaarten, später verkahlenden Blattstiel. An Johannistrieben sind die Blätter fast sitzend. Abb. 3: Terminal- und Lateralknospen (unten, Foto: Ulla M. Lang, mm-Skala) Blüten und Früchte Die monoezisch verteilten Blüten stehen teils an kätzchenartigen (웧), teils an aufrechten (웨) Infloreszenzen. Männliche Blütenstände sind schlank, bis 8 cm lang, haben eine filzige Achse und tragen Einzelblüten mit einer 6- bis 8teiligen, schmutziggelben Blütenhülle, deren Perigonzipfel von stumpf lanzettlicher Form sind. Die Antheren erreichen fast die Länge der Staubblätter und der Perigonzipfel. Weibliche Infloreszenzen (Ähren) stehen aufrecht, haben feste Achsen und tragen 3 bis 5 Blüten, deren Griffel zur Spitze hin breiter werden. Die Früchte stehen zu zweit, dritt oder viert an 3 bis 8 cm langen, relativ dicken und filzigen Stielen. Terminale Früchte werden mitunter abgestoßen, sodass auch Fruchtstände mit nur einer Eichel vorkommen. Virgiliana-Eicheln sind groß (20 bis 40 mm lang, 12 bis 22 mm breit), oval und zugespitzt. Sie werden von einer dickwandigen, außen grauweiß filzigen Cupula umgeben. Deren Länge beträgt 12 bis 30 mm, ihr Durchmesser 10 bis 18 mm. Die locker anliegenden Schuppen sind oval bis lanzettlich und haben eine abgerundete Spitze, am basalen Teil sind sie leicht gewölbt [1, 4, 5, 9, 11]. Abb. 4: Stammborke Enzyklopädie der Holzgewächse – 25. Erg.Lfg. 9/01 3 Quercus virgiliana 16.03.2006 9:55 Uhr Seite 4 Quercus virgiliana III-2 Abb. 5: Beblätterter Zweig mit männlichen Blütenständen (links), Unterschiede in der Blattform (Mitte) und lang gestielte, reife Eicheln und Fruchtbecher, mm-Skala (Foto: Ulla M. Lang) Ökologie Q. virgiliana kommt als eher xero-mesophile Art nicht auf reinen Trockenstandorten (Buschwälder) vor, sondern sie wächst – im Gegensatz zu Q. pubescens – in geschlossenen Beständen. Auf der Balkan-Halbinsel sind diesen Beständen hauptsächlich folgende Baumarten beigemischt: Quercus frainetto, Q. cerris, Castanea sativa, Fraxinus ornus, Acer monspessulanum. In den nördlichen Teilen des Areals ist sie mit Quercus dalechampii, Q. cerris, Q. robur, Fraxinus ornus, Acer campestre und Sorbus torminalis vergesellschaftet. Die weitgehend frostharte Halbschatten-Art gedeiht auf kalkreichen wie (besonders im Süden) auf kalkarmen und sauren Böden. Im Bergland findet man sie vornehmlich an südexponierten Hängen, im Flachland ist sie seltener – kommt aber in der Sandsteppe von Deliblat (nordöstl. von Belgrad) vor, wo sie sogar auf der Nordseite der Hügel wächst [2, 12]. Die Italienische Eiche wird kaum forstlich bewirtschaftet. Sie kommt oft in Schutzwäldern vor. Taxonomie Trotz der großen intraspezifischen morphologischen Variation wurden für Q. virgiliana bisher keine Unterarten ausgeschieden. Auch die Grenzen zwischen den im folgenden beschriebenen drei Varietäten sind nicht immer eindeutig nachzuvollziehen: – var. tenorei (DC.) SCHWZ.: Blätter 10 bis 16 cm lang, 9 bis 13 cm breit, tief und schmal fiederlappig mit regelmäßigen, ebenfalls gelappten Abschnitten. Oberseits 4 Enzyklopädie der Holzgewächse – 25. Erg.Lfg. 9/01 frühzeitig ganz kahl, unterseits zuletzt dünnfilzig, grün. Blätter weich, mit runden oder spitzlichen Zipfeln. Der mesophile Typus. – var. ambigua (DC.) SCHWZ.: Blätter mittelgroß, selten groß (8 bis 12 cm lang, 7 bis 10 cm breit), oberseits bleibend spärlich behaart, Unterseite behaart oder verkahlend und dann graublau bereift. Ziemlich derb, mit schmaleren, durch Buchten getrennten, spitzen, etwas stechenden Abschnitten oder nur spitzlappig ausgeschweift. Der xerophile Typus, vorwiegend im Süden und Südosten des Areals. – var. saxicola (VUK.) SCHWZ.: Blätter klein (6 bis 9 cm lang, 5 bis 8 cm breit), geschweift, stumpflappig, wenigstens unterseits bleibend filzig behaart. Früchte des selben Baumes gestielt oder sitzend. Strauch oder krummschaftiger, kleiner Baum, häufig im NW-Balkan bis Kroatien und im Apennin. Da im natürlichen Verbreitungsgebiet von Q. virgiliana noch weitere Eichenarten beheimatet sind, kommen natürliche Artbastarde keineswegs selten vor. Deren zweifelsfreie Diagnose ist jedoch schwierig, denn die Elternarten sind i. d. R. recht polymorph und von Fall zu Fall bleibt zu prüfen, ob abweichende Formen auf Bastardierung beruhen oder im Rahmen der innerartlichen Variation liegen. Folgende Artbastarde wurden bislang beschrieben [8]: – Q. virgiliana x Q. robur (= Q. x pendulina (KIT.) em. MATY.) – Q. virgiliana x Q. petraea (= Q. x diversifrons BORB.) – Q. virgiliana x Q. polycarpa (= Q. x illesiana MATY.) – Q. virgiliana x Q. dalechampii (= Q. x cazanensis PASC.) – Q. virgiliana x. Q. pubescens (= Q. x budensis BORB.) – Q. virgiliana x Q. frainetto (= Q. x borosii MATY.) Quercus virgiliana 16.03.2006 9:55 Uhr Seite 5 Quercus virgiliana III-2 Bedeutsamere morphologische Unterschiede zwischen der Flaumeiche (Quercus pubescens) und der Italienischen Eiche (Quercus virgiliana) enthält die abschließende Tabelle. Q. pubescens Q. virgiliana Trieb dicht filzig schwach filzig Seitenknospe Länge 3 – 5 mm, gedrungen oval, filzig Länge 5 – 8 mm, oval, filzig Blatt Länge 4,5 – 12 cm, schmaler Länge 8 – 16 cm, breiter, mit gerundeter Spitze Blattgrund keilförmig oder schwach herzförmig breit keilförmig, selten schwach herzförmig Blattstiel 6 – 20 mm 15 – 30 mm Blattunterseite filzig, später mit Ausnahme der Nerven kahl werdend filzig, früher verkahlend, bläulich-eisgrau verfärbt Achse des Fruchtstandes Länge: max. 8 mm Länge: 30 – 80 mm Schuppen der Cupula klein, flach, grau filzig am unteren Teil des Fruchtbechers gewölbt, die oberen ein wenig abstehend, mit samthaariger Spitze Eichel Länge: 8 – 25 mm Länge: 20 – 40 mm Literatur [1 ] BELDIE, A., 1952: Genus Quercus. In: NYÀRÀDY, E. (ed.): Flora Rep. Pop. Rom. Tom. I., Bucuresti, 224-261. [2 ] BORHIDI, A., 1969: Adatok a kocsànytalan tölgy (Quercus petraea fajcsoport) ès a molyhos tölgy (Qu. pubescens fajcsoport) kisfajainak ökològiai, cönològiai magatartàsàròl. [Angaben über die ökologisch-zönologischen Verhältnisse der Kleinarten der Traubeneiche (Q. p. agg.) und der Flaumeiche (Q. p. agg.)]. Botanikai Közlemènyek 56, 155158. [3 ] GAJIČ, M.; POLATSCHEK, A., 1981: Contribution to the systematic of Quercus virgiliana (TEN.) Ten. Šumarstvo 34 (5 - 6), 3-14. [4 ] GANČEV, I.; BONDEV, I., 1966: Quercus. In: Jordanov, P. (red.): Flora reipublicae popularis bulgaricae III., BAN, Sofia, 106-145. [5 ] GEORGESCU, C. C.; MORARIU, J., 1948: Monografia Stejarilor din Romania. (Quercus Romaniae). Bucuresti. [6 ] MÀTYÀS, V., 1970: Taxa nova Quercuum Hungariae. Acta Botanica Acad. Sci. Hung. 16, 329-361. [7 ] MÀTYÀS, V., 1971: Short taxonomic review of the oaks of Hungary. Erdèszeti Kutatàsok 67, 55-68. [8 ] MÀTYÀS, V., 1973: The Italian pubescent oak (Quercus virgiliana TEN. 1836) in the Carpathian Basin and its outer fringes. Erdèszeti Kutatàsok 69, 47-91. [9 ] MÀTYÀS, V., 1975: Magyarorszàg molyhos tölgyei. [Die Flaumeichen Ungarns]. Erdèszeti Kutatàsok 71, 125-147. [10 ] POŽGAJ, J., 1984: Quercus virgiliana Ten. (Adriatische Eiche) in der Slowakei. Folia dendrologica 11, 347-365. [11 ] POŽGAJ, J., 1986: Blätterveränderlichkeit des Eichenindividuums in der Sektion Dascia KY. in der Slowakei. Folia dendrologica 13, 85-108. [12 ] POŽGAJ, J.; HORVÀTHOVÀ, J., 1986: Variabilita a ekològia druhov rodu Quercus L. na Slovensku. [Beitrag zur Kenntnis der Variabilität und Ökologie von ausgewählten Arten der Gattung Quercus L. in der Slowakei.]. Acta Dendrobiologica, Bratislava, pp. 152. [13 ] SCHWARZ, O., 1936-39: Monographie der Eichen Europas und des Mittelmeergebietes. Feddes Rep. Spec. Nov. Regni veg. Sonderbeiheft D. Der Autor: Prof. Dr. DÉNES BARTHA Universität Sopron Fakultät für Forstwirtschaft Lehrstuhl für Forstpflanzenkunde Bajcsy-Zs. U. 4. H-9400 Sopron, Ungarn Enzyklopädie der Holzgewächse – 25. Erg.Lfg. 9/01 5 Quercus virgiliana 6 16.03.2006 9:55 Uhr Seite 6 Enzyklopädie der Holzgewächse – 25. Erg.Lfg. 9/01