KVT bei sozialer Phobie: Vorgehen, Varianten und Wirksamkeit Katharina Blanck, Daniel Brunsch, Uta Czech, Manuela Kraus, Sebastian Wagner Überblick I) Kognitive Verhaltenstherapie bei sozialer Phobie: a) Kognitives Therapieprogramm nach Stangier (2003) b) Effektivität II) Einzel- vs. Gruppentherapie III) Kognitiv-verhaltenstherapeutisch/ressourcenorientiert IV) Andere Therapieformen V) Literatur 14.02.2017 SE Soziale Phobie 2 Prüfungsfragen 1) „Beschreibe die Behandlungselemente der ´Kognitiven Vorbereitung´ auf die Exposition! Nenne zwei Ziele der Phase 2!“ 2) 3) „Welcher Haupteffekt ergab sich durchschnittlich nach der Studie von Acaturk bezüglich der KVT?“ 4) „Aus welchen Gründen ist Einzel- oder Gruppentherapie bei sozialer Phobie wirksamer?“ 5) „ 6) „Nenne zwei mögliche Erklärungen, warum nach der psychodynamischen Objektbeziehungstheorie soziale Situationen vermieden werden!“ 14.02.2017 SE Soziale Phobie 3 Überblick I) Kognitive Verhaltenstherapie bei sozialer Phobie: a) Kognitives Therapieprogramm nach Stangier (2003) b) Effektivität II) Einzel- vs. Gruppentherapie III) Kognitiv-verhaltenstherapeutisch/ressourcenorientiert IV) Andere Therapieformen V) Literatur 14.02.2017 SE Soziale Phobie 4 Ia) Kognitives Therapieprogramm (Stangier et al., 2003) – Komponenten und Ziele der Therapie 1. Ableitung eines individuellen Modells 2. Abbau von Sicherheitsverhalten (SV) 3. Umlenkung der Aufmerksamkeit auf die externe Situation 4. Videofeedback 5. Verhaltensexperimente (Exposition) – Abbau von Vermeidung 6. Kognitive Umstrukturierung 14.02.2017 SE Soziale Phobie 5 Fünf Phasen der Therapie Phase 1: Ableitung eines individuellen Modells Phase 2: Kognitive Vorbereitung Phase 3: Verhaltensexperimente (Exposition in vivo) Phase 4: Kognitive Umstrukturierung Phase 5: Therapieabschluss und Rückfallprophylaxe 14.02.2017 SE Soziale Phobie 6 Besonderheiten in der therapeutischen Beziehung Schwierigkeiten: • Angst vor negativer Bewertung • Scham- und Unterlegenheitsgefühle, Verunsicherung • SV und Vermeidung im Kontakt zum Therapeuten • Überforderung durch direkte Verbalisierung und Bearbeitung von Schamgefühlen in der Anfangsphase Therapeutischer Stil: • geleitetes Entdecken ist sehr wichtig! 14.02.2017 SE Soziale Phobie 7 Fünf Phasen der Therapie Phase 1: Ableitung eines individuellen Modells Phase 2: Kognitive Vorbereitung Phase 3: Verhaltensexperimente (Exposition in vivo) Phase 4: Kognitive Umstrukturierung Phase 5: Therapieabschluss und Rückfallprophylaxe 14.02.2017 SE Soziale Phobie 8 Phase 1: Ableitung eines individuellen Modells Grundlage: • Kognitives Modell von Clark und Wells (1995) Ziel: • Vermittlung eines Erklärungsmodells und Therapierationales Behandlungselemente: • Exploration • Herausarbeitung des Modells anhand einer oder mehrerer konkreter Angstsituationen (geleitetes Entdecken) 14.02.2017 SE Soziale Phobie 9 Kognitives Modell (nach Clark & Wells, 1995) Soziale Situation Dysfunktionale Annahmen • Fokus auf Aufrechterhaltung der Angst wahrgenommene, soziale Gefahr Verarbeitung des Selbst als soziales Objekt Behaviorale Symptome 14.02.2017 SE Soziale Phobie Somatische & kognitive Symptome 10 Phase 1: Ableitung eines individuellen Modells (Bsp.) 14.02.2017 SE Soziale Phobie 11 Fünf Phasen der Therapie Phase 1: Ableitung eines individuellen Modells Phase 2: Kognitive Vorbereitung Phase 3: Verhaltensexperimente (Exposition in vivo) Phase 4: Kognitive Umstrukturierung Phase 5: Therapieabschluss und Rückfallprophylaxe 14.02.2017 SE Soziale Phobie 12 Phase 2: Kognitive Vorbereitung Ziele: • Modifikation fehlerhafter Informationsverarbeitungsprozesse • Zusammenhang von Selbstaufmerksamkeit, SV und Angst • Unterlassen des Sicherheitsverhaltens • eine realistische Vorstellung des Erscheinungsbildes Behandlungselemente: • Verhaltensexperimente im Rollenspiel • Videofeedback 14.02.2017 SE Soziale Phobie 13 Phase 2: Rollenspiele und Videofeedback 1. Vorbereitung Operationalisierung der Modellkomponenten und Instruktionen 2. Exposition Aktivierung der Angstreaktion im Rollenspiel 3. Test Erfassung der Modellkomponenten 4. Schlussfolgerung Auswertung und Bewertung der Ergebnisse 14.02.2017 SE Soziale Phobie 14 Phase 2: Rollenspiele und Videofeedback • • Auswahl einer kritischen Situation (Angst mittlerer Intensität) z.B. Unterhaltungen, kurze Vorträge Drei Rollenspieldurchgänge: 1. 2. 3. Sicherheitsverhalten einsetzen (SV+) Sicherheitsverhalten unterlassen (SV-) Sicherheitsverhalten einsetzen (SV+) Videofeedback-Sitzung nach den Rollenspielen: • Instruktion: sich wie eine fremde Person betrachten 14.02.2017 SE Soziale Phobie 15 Phase 2: Rollenspiele und Videofeedback 14.02.2017 SE Soziale Phobie 16 Prüfungsfragen 1) „Beschreibe die Behandlungselemente der ´Kognitiven Vorbereitung´ auf die Exposition! Nenne zwei Ziele der Phase 2!“ Antwort: • Verhaltensexperimente im Rollenspiel (3 Durchgänge) • Videofeedback der Rollenspiele mit/ohne Sicherheitsverhalten • Ziele: Modifikation fehlerhafter Informationsverarbeitungsprozesse, Überprüfung des Zusammenhangs von Selbstaufmerksamkeit/SV/Angst, Unterlassen des SV, realistische Vorstellung des sozialen Erscheinungsbildes (Externalisierung der Aufmerksamkeit) 14.02.2017 SE Soziale Phobie 17 Fünf Phasen der Therapie Phase 1: Ableitung eines individuellen Modells Phase 2: Kognitive Vorbereitung Phase 3: Verhaltensexperimente (Exposition in vivo) Phase 4: Kognitive Umstrukturierung Phase 5: Therapieabschluss und Rückfallprophylaxe 14.02.2017 SE Soziale Phobie 18 Phase 3: Verhaltensexperimente (Exposition) Ziele: • behaviorale Überprüfung von negativen Überzeugungen (wichtiger als Habituation und Angstabfall) Behandlungselemente: • therapeutengeleitet und selbst geleitet • Operationalisierung von Erwartungen • Abbau von Sicherheitsverhalten • genaues außengerichtetes Beobachten der Umgebung 14.02.2017 SE Soziale Phobie 19 Phase 3: Verhaltensexperimente (Exposition) Durchführung: • Aufsuchen der gefürchteten Situation nach gründlicher Vorbereitung und Protokollierung (vorher/nachher) Beispiele: • Ansprechen fremder Personen (im Café, auf der Straße nach dem Weg/Uhrzeit fragen) • einen Vortrag halten • in einem vollen Café essen und trinken • gezielte Ungeschicklichkeit 14.02.2017 SE Soziale Phobie 20 Phase 3: Verhaltensexperimente (Exposition) 14.02.2017 SE Soziale Phobie 21 Fünf Phasen der Therapie Phase 1: Ableitung eines individuellen Modells Phase 2: Kognitive Vorbereitung Phase 3: Verhaltensexperimente (Exposition in vivo) Phase 4: Kognitive Umstrukturierung Phase 5: Therapieabschluss und Rückfallprophylaxe 14.02.2017 SE Soziale Phobie 22 Phase 4: Kognitive Umstrukturierung Ziele: • (verbale) Überprüfung von negativen Überzeugungen Behandlungselemente: • Identifikation und Überprüfung automatischer Gedanken, antizipatorischer und nachträglicher Verarbeitung und Grundüberzeugungen • Gedankentagebuch, Sokratischer Dialog, Verhaltensexperimente, Pfeilabwärtstechnik, Bildung von Kontinua, „Historische“ Überprüfung, Positiv-Tagebücher 14.02.2017 SE Soziale Phobie 23 Phase 4: Kognitive Umstrukturierung Typische Grundüberzeugungen bei Sozialer Phobie: 1. Negatives Selbstbild (z.B. „Ich bin ein Versager.“) 2. Perfektionismus: „Ich muss immer intelligent und witzig sein.“ 3. Sichtweise von anderen Menschen als übermäßig kritisch: „Jedes Zeichen von Schwäche wird bestraft.“ 14.02.2017 SE Soziale Phobie 24 Fünf Phasen der Therapie Phase 1: Ableitung eines individuellen Modells Phase 2: Kognitive Vorbereitung Phase 3: Verhaltensexperimente (Exposition in vivo) Phase 4: Kognitive Umstrukturierung Phase 5: Therapieabschluss und Rückfallprophylaxe 14.02.2017 SE Soziale Phobie 25 Phase 5: Rückfallprophylaxe und Erhaltungstherapie Ziele: • Aufrechterhaltung der kognitiven Veränderungen und Selbstexposition Behandlungselemente: • Therapieevaluation und Abschlussbilanz • Erstellen eines „Rückfallplans“ • Einüben der erworbenen Fähigkeiten bei Rückfällen • Booster-Sitzungen 14.02.2017 SE Soziale Phobie 26 Prüfungsfragen 2) „ Antwort: 14.02.2017 SE Soziale Phobie 27 Überblick I) Kognitive Verhaltenstherapie bei sozialer Phobie: a) Kognitives Therapieprogramm nach Stangier (2003) b) Effektivität II) Einzel- vs. Gruppentherapie III) Kognitiv-verhaltenstherapeutisch/ressourcenorientiert IV) Andere Therapieformen V) Literatur 14.02.2017 SE Soziale Phobie 28 Ib) KVT bei sozialer Phobie – Effektivität 14.02.2017 SE Soziale Phobie 29 KVT bei sozialer Phobie – Effektivität • Empirisch am besten abgesicherter Therapieansatz • Aber begrenzte Wirksamkeit: – Effekte sind nur moderat (Vergleich Pharmakotherapie) – Nur 40-60% der Patienten profitieren von KVT – Überlegenheit der pharmakologischen Akutbehandlung – Kombination von Exposition und kognitive Umstrukturierung ist nicht effektiver als Exposition allein 14.02.2017 SE Soziale Phobie 30 Psychological treatment of social anxiety disorder: a meta analysis C. Acaturk, P.Cuijpers, A. van Straten and R. de Graaf • bisher weitgehend inkosistente Befunde durch 4 große Metaanalysen hindurch – In Metaanalysen gute Ergebnisse der Expositionstherapie, doch wie ist der Beitrag der kognitiven Therapie? – Wie hoch ist der Anteil der Pharmakotherapie? – Wie gut sind beide bisher verglichen worden? • Einschränkungen – Studien bisher weder randomisiert noch kontrolliert Überbewertung der Effekte? • Voraussetzungen für Aufnahme in Metaanalyse – Patienten älter 18 Jahre – mit sozialer Phobie – Vergleich mit Kontrollgruppe – in randomisiertem, kontrolliertem Versuch • Literaturrecherche ergab 30 randomisierte Studien mit n=1628 Probanden – 979 treatment condition – 649 control condition • Wartekontrollgruppe • Placebo-Kontrollgruppe • Treatment-as-usual-Kontrollgruppe • Ergebnisse – konsistent dahingehend, daß psychologische Behandlung mit KVT bei Erwachsenen effektiv • Haupteffekte nach Ausschluß eines outliers bei 0.77 • Kritik – keine Unterscheidungen im Schweregrad der sozialen Phobie – sehr verschiedene KG Effektivität psychologischer Therapien von generalisierter Angststörung und sozialer Phobie: Meta-analyse auf Störungsebene M. Ruhmland; J. Margraf • höchste Effekte für Konfrontationstherapie (ES=1,76) statistisch liegen beide gleich auf • mittlerer Effekt für kognitiv-behaviorale Therapie (ES=1,07) – Ergebnisse bis 18 Monate nach Therapieende stabil • schlechteste Effekte für bloße Informationsvermittlung Prüfungsfragen 3) Welcher Haupteffekt ergab sich durchschnittlich nach der Studie von Acaturk bezüglich der KVT? Antwort: Die Studie zeigte einen sehr großen Einfluß der KVT auf die Symptomatik der sozialen Phobie mit einem durchschnittlichen Wert von 0.7. 14.02.2017 SE Soziale Phobie 40 Überblick I) Kognitive Verhaltenstherapie bei sozialer Phobie: a) Kognitives Therapieprogramm nach Stangier (2003) b) Effektivität II) Einzel- vs. Gruppentherapie III) Kognitiv-verhaltenstherapeutisch/ressourcenorientiert IV) Andere Therapieformen V) Literatur 14.02.2017 SE Soziale Phobie 41 II) Einzel- vs. Gruppentherapie • Gruppentherapie häufigste Variante • Gruppentherapie auch beste / effektivste Form? + Einfacher zu simulierende, soziale Situationen (Rollenspiel) + Exposition da Mitglied in Gruppe + Gegenseitige Unterstützung der Mitglieder + Hilfreiche, soziale Vergleiche + Stellvertretendes Lernen - Geringere Aufmerksamkeit für eigene Probleme - Intensivierung von Vermeidungsverhalten 14.02.2017 SE Soziale Phobie 42 Einzel- vs. Gruppentherapie – Modell nach Clark & Wells (1995) • 4 Aufrechterhaltungsprozesse: a) Anstieg selbst-fokussierter Aufmerksamkeit und Überwachung verbunden mit Reduktion in der Beobachtung anderer Personen Gebrauch von irreführender internaler Information, um negative Schlussfolgerungen über sich selbst zu ziehen Intensiver Gebrauch von Sicherheitsverhalten Negative antizipatorische und nachträgliche Verarbeitung b) c) d) 14.02.2017 SE Soziale Phobie 43 Einzel- vs. Gruppentherapie – Therapie nach Clark & Wells (1995) • Mit Patienten eigene, individuelle Version des Modells erstellen • Systematisch selbst-fokussierte Aufmerksamkeit und Sicherheitsverhaltensweisen manipulieren (Rollenspiele) • Aufmerksamkeit umstrukturieren • Verdrehtes Bild des Patienten aus der Beobachterperspektive korrigieren (Video- und Audio-Feedback) • Verhaltensexperimente (Exposition, Konfrontation) 14.02.2017 SE Soziale Phobie 44 Einzel- vs. Gruppentherapie • Studie von Stangier et al. (2003): „Cognitive therapy for social phobia: individual versus group treatment“ Evaluation des kognitiven GruppentherapieProgramms von Clark & Wells (1995): Warum profitieren Sozialphobiker nicht von natürlicher Exposition? Vergleich der Effektivität dieses Programms mit Anwendung in Einzeltherapieform 14.02.2017 SE Soziale Phobie 45 Stangier et al. (2003) „Cognitive therapy for social phobia: individual versus group treatment“ • Methodik: - 95 Patienten (35 Frauen) (Ø Alter 39 J.) mit Sozialer Phobie: a) Diagnose mit SKID b) Einschluss: DSM-IV-Kriterien, Soziale Phobie am Stärksten falls komorbide Störungen, Alter 18-65, keine Psychose oder Substanzmissbrauch, keine Persönlichkeitsstörung (außer vermeidend, zwanghaft, abhängig), keine weitere psychologische Behandlung während Studie c) 75% mit komorbider Störung, 56% seit mehr als 15 J. mit Sozialer Phobie 14.02.2017 SE Soziale Phobie 46 Stangier et al. (2003) „Cognitive therapy for social phobia: individual versus group treatment“ • Methodik: - Zufällig aufgeteilt in: a) Individuelle KVT (15 wöchentliche Sitzungen, je 1 Std, 6-Monats-Follow-up) b) Gruppen KVT (15 wöchentliche Sitzungen, je 2 Std., 6-Monats-Follow-up) c) Wartelisten-Kontrollgruppe (keine Behandlung für 10 Monate - 2 Therapeuten und 4-7 Patienten pro Gruppe 14.02.2017 SE Soziale Phobie 47 Stangier et al. (2003) „Cognitive therapy for social phobia: individual versus group treatment“ • Methodik: - 3 Beurteilungszeitpunkte: Vor / Warteliste, 4 Monate nach und 10 Monate nach Behandlungsbeginn - 71 Teilnehmer nach Drop-outs: 2x Individuell KVT, 26x Gruppen KVT, 21x Warteliste - Keinerlei Medikamentation 14.02.2017 SE Soziale Phobie 48 Stangier et al. (2003) „Cognitive therapy for social phobia: individual versus group treatment“ • Methodik: - Umkehrung der Aufrechterhaltungsprozesse und Bestandteile des Therapieprogramms nach Clark & Wells (1995) in beiden Therapieformen angewendet - Gruppen KVT zusätzlich Rollenspiele, Feedback der Teilnehmer, mehr Verhaltensexperimente, mehr Zeit mit Reden vor Gruppe und im Fokus der Aufmerksamkeit verbracht - Rückgang um mind. 2 SD als klinisch signifikant festgelegt 14.02.2017 SE Soziale Phobie 49 Stangier et al. (2003) „Cognitive therapy for social phobia: individual versus group treatment“ • Methodik – Maße: - Social Phobia and Anxiety Inventory (SPAI; Turner et al., 1989) - Social Phobia Scale (SPS; Mattick & Clarke, 1998) - Social Interaction Anxiety Scale (SIAS; Mattick & Clarke, 1998) - Beck Depression Inventory (BDI; Beck et al., 1979) - Beck Anxiety Inventory (BAI; Beck et al., 1988) - Global Symptom Index aus Hopkins Symptom-Checklist90-Revised (SCL-GSI; Derogatis, 1977) 14.02.2017 SE Soziale Phobie 50 Stangier et al. (2003) „Cognitive therapy for social phobia: individual versus group treatment“ • Ergebnisse nach 4 Monaten: - IKVT der GKVT überlegen bei SPAI (50% vs. 13,6% ohne Soziale Phobie) - IKVT und GKVT mit Verbesserung bei SPAI, SIAS, SPS - GKVT bei BDI, BAF, SCL-GSI überlegen - IKVT und GKVT überlegen gegenüber Warteliste bei SPAI, SPS, SIAS bzw. SPAI - Keine Unterschiede bzgl. BDI, BAF, SCL-GSI 14.02.2017 SE Soziale Phobie 51 Stangier et al. (2003) „Cognitive therapy for social phobia: individual versus group treatment“ • Ergebnisse nach 10 Monaten: - IKVT der GKVT überlegen bei SPAI und SPS (84% vs. 44% ohne Soziale Phobie) - IKVT überlegen gegenüber Warteliste bei allen Maßen - GKVT überlegen gegenüber Warteliste nicht bei SPAI, SPS, SIAS 14.02.2017 SE Soziale Phobie 52 Stangier et al. (2003) „Cognitive therapy for social phobia: individual versus group treatment“ 14.02.2017 SE Soziale Phobie 53 Stangier et al. (2003) „Cognitive therapy for social phobia: individual versus group treatment“ • Ergebnisse Effektgrößen: - SPAI mit größter Effektstärke - IKVT mit größten Effektstärken bei SPAI, SPS, SIAS - Unterschiede in Effektstärken zwischen IKVT und GKVT von 4Monats- zu 10-Monatsmessung angestiegen - Analog für die anderen, nicht Soziale Phobie Maße 14.02.2017 SE Soziale Phobie 54 Stangier et al. (2003) „Cognitive therapy for social phobia: individual versus group treatment“ • Diskussion: - Größere Effektivität für IKVT: Vorsichtige Einschätzung und effiziente Modifikation des Sicherheitsverhaltens, der Aufmerksamkeitsstrategien und der dysfunktionalen Annahmen → spezifischere Herangehensweise Unkontrollierte Exposition in Gruppe als zu bedrohlich erlebt Problematische Wirkung von sozialen Vergleichen zw. Gruppenmitgliedern auf dysfunktionale Einstellungen - Ausreichend Therapeuten-Training? / Selbstbeurteilungsskalen / Dauer der Warteliste 14.02.2017 SE Soziale Phobie 55 Prüfungsfragen 4) „Aus welchen Gründen ist Einzel- oder Gruppentherapie bei sozialer Phobie wirksamer?“ Antwort: • Einzeltherapie scheint effektiver als Gruppentherapie zu sein, da hier eine spezifischere, auf den einzelnen Patienten angelegte Herangehensweise möglich ist und somit eine effiziente Einschätzung und Modifikation des Sicherheitsverhaltens, der Aufmerksamkeitsstrategien und der dysfunktionalen Annahmen stattfinden kann. • Außerdem wird die unkontrollierte Exposition in Gruppe womöglich als zu bedrohlich erlebt. • Soziale Vergleiche zwischen Gruppenmitgliedern könnten einen problematischen Einfluss auf die dysfunktionalen Einstellungen haben 14.02.2017 SE Soziale Phobie 56 Überblick I) Kognitive Verhaltenstherapie bei sozialer Phobie: a) Kognitives Therapieprogramm nach Stangier (2003) b) Effektivität II) Einzel- vs. Gruppentherapie III) Kognitiv-verhaltenstherapeutisch/ressourcenorientiert IV) Andere Therapieformen V) Literatur 14.02.2017 SE Soziale Phobie 57 III) Ressourcenorientiertes Vorgehen Kognitive Verhaltenstherapie vs. kombiniert ressourcenorientierter Ansatz Generelle Forderung: Ressourcen als zentrales Wirkprinzip in Therapie Kein neues Konzept KVT ergänzt um externe, interpersonale & intrapersonale Ressourcen Umsetzung durch Intervention in der Handlungsregulation (motivational/ volitional) 14.02.2017 SE Soziale Phobie 58 Methode • Stichprobe: - nur Patienten mit primär sozial phobischer Symptomatik - ungleiche Gruppen (37 KVT/ 47 KROT) • Therapeuten: - therapieerfahren - durch Workshops manualorientierte Therapie vertieft • Prä- Postmessung der Symptomatik und psychischen Belastung durch 9 versch. Tests 14.02.2017 SE Soziale Phobie 59 Interventionen KVT • 30 Sitzungen (1) Störungsmodell (2) Problematisierung: - Selbstaufmerksamkeit - Sicherheitsverhalten - Emotionaler Argumentation (3) Konfrontation/ VExp (4) Kognitive Umstrukturierung (5) Rückfallprophylaxe 14.02.2017 KROT • 30 Sitzungen (1) Ressourcendiagnostik (2) Basisinterventionen (3) KVTInterventionsbausteine SE Soziale Phobie 60 Ergebnisse KVT Therapieabbruch: Reduktion: - sozial-phobische Symptomatik - Psychische Belastung 14.02.2017 Normale Abbrecherquote (19%) KROT Niedrige Abbrecherquote (4%) In angstauslösenden Situationen Sicherheitsverhaltensweisen Vermeidungsverhalten Sozialphobische Kognitionen Soziale Unsicherheit Neigung zur Depressivität SE Soziale Phobie 61 Ergebnisse • Effektsärken über alle 9 Tests: Symptomatik – KVT: .86 – KORT: 1.39 Psychische Belastung - KVT: . 84 - KORT: .1.18 Am deutlichsten: Angst vor negativer Bewertung Vor allem soziale Unsicherheit Sicherheitsverhaltenswei sen Stärke sozialphobischer Gedanken 14.02.2017 SE Soziale Phobie 62 Diskussion Positiv Negativ • KROT ergänzt KVT in Effektivität • Hat breiteres Wirkungsspektrum • Dadurch auch Implikationen in anderen Störungsbereichen möglich • Keine AlphafehlerAdjustierung für Instrumente • Allegiance-Effekte wahrscheinlich • Effektstärken gut, aber andere Behandlungskonzepte teils noch besser 14.02.2017 SE Soziale Phobie 63 Prüfungsfragen 5) „ Antwort: 14.02.2017 SE Soziale Phobie 64 Überblick I) Kognitive Verhaltenstherapie bei sozialer Phobie: a) Kognitives Therapieprogramm nach Stangier (2003) b) Effektivität II) Einzel- vs. Gruppentherapie III) Kognitiv-verhaltenstherapeutisch/ressourcenorientiert IV) Andere Therapieformen V) Literatur 14.02.2017 SE Soziale Phobie 65 IV) Andere Therapieformen • Medikamentöse Behandlung am Beispiel Clonazepam (Gruppe der Benzodiazepine) • Wirkung: allgemein dämpfend, z.B. krampflösend, schlaffördernd, angstlösend Wirkung auch bei Sozialer Phobie nachgewiesen (z.B. Otto et al., 2000) • Problem: Gefahr der körperlichen und psychischen Abhängigkeit Dauermedikamentation als Interventionsform fraglich! 14.02.2017 SE Soziale Phobie 66 Andere Therapieformen • Psychodynamische Gruppentherapie (PGT) • Pilotstudie zum Wirksamkeitsnachweis: „PGT + Clonazepam“ vs. „Clonazepam“ 14.02.2017 SE Soziale Phobie 67 Psychodynamische Gruppentherapie (PGT) • Kurztherapie (≠ Kurzzeittherapie): – Psychodynamisch begründet – Fokus: gegenwärtige Probleme & aktuelles Erleben Nur bei direktem / sinnvollem Bezug werden Zusammenhänge zur Lebensgeschichte hergestellt! • Theoretische Basis: – Konflikttheorie – Objektbeziehungstheorie 14.02.2017 SE Soziale Phobie 68 Konflikttheorie der Sozialen Phobie Wunsch Konflikt sexuelle und aggressive Triebe zu zeigen Verbote / Normen Symptombildung Vermeidung sozialer Situationen Vermeidung der bewussten Erfahrung der Wünsche 14.02.2017 Bestrafung für Wünsche SE Soziale Phobie 69 Objektbeziehungstheorie Kindheit Eltern, Geschwister etc. kritisieren verspotten lassen im Stich später demütigen Angst vor Kritik & Vermeidung 14.02.2017 Repräsentationen stellen bloß Zurückweisung sozialer Situationen Etablierung internaler Selbstbestrafung für Phantasien und Ärgergefühle SE Soziale Eltern Phobie etc. gegenüber Projektion auf andere Personen in der Umwelt 70 Prüfungsfragen 6) „Nach der psychodynamischen Objektbeziehungstheorie werden bei Sozialphobikern in der Kindheit internale Repräsentationen von kritisierenden, demütigenden Eltern etabliert, die dann später auf die Umwelt projiziert werden. Nenne zwei mögliche Erklärungen, warum nach dieser Theorie soziale Situationen vermieden werden!“ Antwort: • Angst vor Kritik und Zurückweisung • Selbstbestrafung für Phantasien und Ärgergefühle gegenüber Eltern etc. 14.02.2017 SE Soziale Phobie 71 Psychodynamische Gruppentherapie (PGT) Ablauf: • vorab: Einzelsitzungen – – • Anamnese Konzeptualisierung des individuellen Fokus Gruppensitzungen 3 Phasen 1. Gruppenbildung, Motivationsaufbau 2. Vermittlung der psychodynamischen Theorien und Überprüfung bei jedem Patienten 3. Therapieabschluss 14.02.2017 SE Soziale Phobie 72 Knijnik et al. (2008) „A pilot study of clonazepam vs psychodynamic group therapy plus clonazepam in the treatment of generalized social anxiety disorder“ • Vergleich der Wirksamkeit von: „PGT + Clonazepam“ (Kombitherapie) vs. „Clonazepam“ (Monotherapie) • Bei Patienten mit generalisierter sozialer Phobie (GSP) • Über 12 Wochen hinweg 14.02.2017 SE Soziale Phobie 73 Pilotstudie von Knijnik et al. (2008) Versuchspersonen: • 58 erwachsene, ambulant behandelte Patienten mit GSP nach DSM-IV • Ausschlusskriterien u.a.: – Depressive Episode, Bipolare Störung oder Substanzabhängigkeit – Kein Ansprechen auf Benzodiazepine bzw. Hypersensitivität – Einnahme psychotroper Substanzen in den letzten 4 Wochen vor Behandlungsbeginn • Randomisierte Zuteilung zu den 2 Gruppen „PGT + Clonazepam“ vs „Clonazepam“ (u.a. nach Symptomschwere parallelisiert) 14.02.2017 SE Soziale Phobie 74 Pilotstudie von Knijnik et al. (2008) Clonazepam • • PGT Dosierung: • – Woche 1: täglich mind. 0,5 mg, max. 1 mg • – Woche 2 – 12: täglich mind. 1 mg, max. 2 mg – danach: sukzessive Dosisabsenkung (0,25 mg pro Woche) 20-minütige Kontrollbesuche bei einem Arzt in Woche 1, 2, 4, 6, 8 & 10 14.02.2017 12 wöchentliche Sitzungen à 90 Min im Gruppensetting 3 Phasen: – Woche 1 – 3: Gruppenbildung, Motivationsaufbau (Phase 1) – Woche 4 – 10: Vermittlung der psychodynamischen Theorien und Überprüfung bei jedem Patienten (Phase 2) – Woche 11 – 12: Therapieabschluss (Phase 3) SE Soziale Phobie 75 Pilotstudie von Knijnik et al. (2008) Die wichtigsten Hypothesen und 1. Verbesserung im Messinstrumente bei Kombitherapie > Monotherapie Clinical Global ImpressionImprovement (CGI-I) Scale Hauptmaß 2. Reduktion der SP-Symptome (Angstschwere, Vermeidung) Liebowoitz Social Anxiety Scale (LSAS) globalen Funktionsniveau bei Kombitherapie > Monotherapie 14.02.2017 SE Soziale Phobie 76 Pilotstudie von Knijnik et al. (2008) Ergebnisse 4 Globales Funktionsniveau (CGI-I) 3 • HE „Zeit“ – Globales Funktionsniveau verbessert sich (p < 0,001) 3.6 3.2 2.5 2 1.9 Woche 2 Woche 12 1 0 • WW „Zeit x Behandlung“ PGT + Clonazepam – Verbesserung bei Kombitherapie > Clonazepam Monotherapie (p = 0,033) Hypothese 1 14.02.2017 SE Soziale Phobie 77 Pilotstudie von Knijnik et al. (2008) Ergebnisse SP-Symptome (Angstschwere, Vermeidung) (LSAS) • HE „Zeit“ – Angstschwere und Vermeidungsverhalten nehmen ab (p < 0,001) 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 92 91.1 71.4 Woche 2 Woche 12 PGT + Clonazepam • WW „Zeit x Behandlung“ 74.3 Clonazepam – nicht signifikant (p = 0,657) Hypothese 2 14.02.2017 SE Soziale Phobie 78 Pilotstudie von Knijnik et al. (2008) Diskussion: • Autoren sprechen von einer „Überlegenheit der PGT“ gegenüber Clonazepam Ist dieser Schluss zulässig? – Nein! – EG mit Monotherapie „PGT“ fehlt – so nur nachgewiesen, dass Effekt Kombi > Clonazepam • Weitere Ideen für Folgestudien? – Studie über längeren Zeitraum zum Nachweis der Stabilität des Effekts – Vergleich PGT – KVT 14.02.2017 SE Soziale Phobie 79 Fazit / Zusammenfassung • Die Kognitive Verhaltenstherapie nach Stangier et al. (2003) basiert auf dem kognitiven Modell von Clark & Wells (1995) und beinhaltet die 5 Phasen der Ableitung eines Störungsbildes, kognitive Vorbereitung, Exposition, kognitive Umstrukturierung und Evaluation plus Rückfallprophylaxe mit dem Ziel, die Aufrechterhaltung der sozialen Phobie zu durchbrechen. • B 14.02.2017 SE Soziale Phobie 80 Fazit / Zusammenfassung • Größere Effektivität für individuelle gegenüber Gruppentherapie, da Sicherheitsverhalten, Aufmerksamkeit und dysfunktionale Annahmen spezifischer und effizienter angegangen werden können und keine unkontrollierte Exposition stattfindet, die evtl. als zu bedrohlich erlebt wird. • D • Eine weitere Behandlungsform stellt die psychodynamische Gruppentherapie dar, die sich in Kombination mit medikamentöser Behandlung mit Clonazepam als wirksam erwiesen hat. 14.02.2017 SE Soziale Phobie 81 V) Literatur • American Psychiatric Association (APA) (2000). Diagnostic and statistical manual of mental disorders (DSM-IV-TR). American Psychiatric Association, Washington, DC. • Clark, D.M., & Wells, A. (1995). A cognitive model of social phobia. In R. G. Heimberg, M. Liebowitz, D. Hope, & F. Schneier (Eds.), Social phobia: Diagnosis, assessment, and treatment (pp. 69–93). New York: Guilford Press. • Mattick, R. P., & Clarke, J. C. (1998). Development and validation of measures of social phobia scrutiny fear and social interaction anxiety. Behaviour Research and Therapy, 36, 455-470. • Turner, S. M., Beidel, D. C., & Dancu, C. V. (1996). Social phobia and anxiety inventory: manual. Toronto, Ont: Multi-Health Systems Inc. • Turner, S. M., Beidel, D. C., Dancu, C. V., & Stanley, M. A. (1989). An empirically derived inventory to measure social fears and anxiety: the social phobia and anxiety inventory (SPAI). Psychological Assessment, 1, 35-40. 14.02.2017 SE Soziale Phobie 82