Klimaschutz und Energieversorgung in Deutschland 1990-2020 Studie der Deutschen Physikalischen Gesellschaft vorgestellt von Walter Blum (Koordinator) Max-Planck-Institut für Physik, München, und CERN, Genf (Physikertagung München, März 2006) Eine Studie der Deutschen Physikalischen Gesellschaft Autoren (ehrenamtliche Mitglieder des Arbeitskreises Energie): Blum (Koord.) Breyer Gelfort Harmsen Keilhacker G. Luther Otto Plass Rebhan Exemplare am Ausgang und unter http://www.dpg-physik.de B Der menschenverursachte Klimawandel ist eine Tatsache und nicht mehr nur eine wissenschaftliche Hypothese • • • • • Klimawandel ist öffentliches Thema seit den 1980-er Jahren Ursache ist die wachsende Konz. der Treibhausgase CO2, CH4, N2O u.a. in der Atmosphäre Folge ist eine langsame Erwärmung der bodennahen Lufttemperatur (Mittelwert weltweit) Die Theorie kann die Messwerte inzwischen gut erklären IPCC arbeitet im wesentlichen korrekt und verdient Vertrauen Theorie kann Messwerte gut erklären: Quelle IPCC Voraussagen des IPCC, notwendige Schlussfolgerungen • • • Eine Verdoppelung der CO2Konz. bis 2100 scheint unvermeidlich, eine Verdreifachung möglich bei ungünst. Entw.. Eine Temp.-Erhöhung um mind. 1.5 0C, bis 4.5 0C (nicht unwahrscheinl.) bis 2100. Danach auf jeden Fall weiter ansteigend. (Bis jetzt schon 0.6 0C) Anthropogene Klima-Änderung wirkt sehr lange weiter: Lebensdauer von CO2: 1/4 verbleibt mehrere Jahrhunderte in der Atmosphäre • • • Die Biologen sagen: Die Pflanzenund die Tierwelt können sich gerade noch anpassen, wenn die Temperaturänderung 2 0C pro Jh. nicht übersteigt. Deshalb Ziel der internationalen Klimapolitik, Emission von Treibhausgasen so zu beschränken, dass 2 0C/Jh. nicht überschritten. Dazu müssen die globalen Emissionen bei 50% ihres heutigen Wertes stabilisiert werden bis zur Mitte des Jh.. Das Klimaproblem ist seriös und wird die Menschheit in zunehmendem Maße bedrängen Sinn und Zweck einer deutschen Klimapolitik • • • • • Deutschland und Europa haben ihren Beitrag zu diesem Weltproblem zu leisten. Der deutsche Beitrag zu den globalen Treibhausgas-Emissionen ist nur 3-4% Dtl. kann mit physikalischen Mitteln (durch bloße Reduktion seiner Emissionen) das Weltklima nicht verändern. Lösungen aufzeigen, die anderen Staaten überzeugen, gemeinsam handeln. Bundesregierung möchte gerne "Vorreiterrolle" Deutschlands. • • • Ziel einer dt. Klimapolitik ist daher eigentlich diplomatisch und handelspolitisch. Deutsche Maßnahmen in der Klimapolitik sind nur in dem Maße zielführend, als sie von anderen Staaten als nachahmenswert empfunden werden. (Ein deutscher Sonderweg wäre sinnlos.) Allerdings ist Klimapolitik auch Innenpolitik und Wirtschaftspolitik und kann noch zu ganz anderen politischen Zielen gebraucht werden. Deutsches Klimaschutz-Ziel: minus 25% von 1990 bis 2005 • • • • • • • Kabinettsbeschluss 1995 Koalitionsvertrag 1998 Nat. Klimaschutzprogr. v. 18.10.2000 Vereinbarg. m.d. dt. Wirtschaft vom 9.11.2000, 14.5.2001 Grandios verfehlt um 100 Mt CO2 jährlich Auch verfehlt: B.-reg. im eig. Geschäftsbereich (Grdstücke, Fahrzeuge) "-25% bis 2005" waren versprochen. 15 Jahre zu langsam Jährliche CO2-Emissionen in Mt (Deutschland), die Werte von 1992 bis 2004 extrapoliert nach 2020 Bis 1992 vereinigungsbedingt 1000 900 786 Mt p.a. 800 Ziel 2005 -25% bzgl. 1990 700 1990 1995 2000 2005 Jahr 2010 2015 2020 CO2-Reduktionen um 15 Jahre zu langsam: Weiterer Fortgang des Vortrags • • • • • • • • Einbeziehung der anderen Treibhausgase Methan (CH4) und Lachgas (N2O) Die Kyoto-Verpflichtung für Deutschland bis 2008/2012 Ziele für die Zeit danach Welche Emissions-Reduktionen können geschafft werden? Verbrauchs-Einsparungen Rolle der erneuerbaren Energiequellen in der Stromwirtschaft (Wind, Photovoltaik, Biostoffe) und im Verkehr (alternative Treibstoffe) Modernisierung der Kraftwerke Gesamtbilanz aller Möglichkeiten der Reduktion in der Energiewirtschaft bis 2020 • Gesamtergebnis wird sein: Auch mit Einbeziehung der anderen Treibhausgase und mit forciertem Ausbau der E.E. geht der Klimaschutz viel langsamer als vorhergesehen und als objektiv erforderlich. • Schlussfolgerung: Die Optionen der deutschen Energiepolitik sollten verbreitert werden. • Plädoyer für die Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke • Plädoyer für die Errichtung solarthermischer Kraftwerke im Sonnengürtel der Erde Einsparpotentiale • • Grundsätzlich vorhandene Einsparpotentiale sind beträchtlich Tatsächlich erzielte Einsparungen sind dagegen spärlich: Jährliche CO2-Emissionen der Haushalte in Millionen Tonnen Beispiele: • Standby-Verluste in Haushalten, Handel, Gewerbe: 25-30 TWh p.a. (5% d. Stromverbr.) • Raumwärme: Wärmedämmg., neue Heizgsanlagen: 55-70 Mt CO2 p.a. (6-8% d. CO2Emissionen) • PkW: Flottenverbr. 8 l/100 km, aber das 3-Liter-Auto existiert. 190 180 170 160 150 140 Abnahme ca. - 0,5% p.a. 130 120 110 100 1988 1992 1996 Jahr 2000 2004 Jahresverbräuche im Gebäudebestand Häufigkeitsverteilung der Jah resverbräuche (RW+WW) im Bestand • 0,15 EnEV Durchschnitt 225 5% Percentil 0,1 • 75 95% Percentil 475 • • 0,05 • 0 0 100 200 300 400 500 600 Flächenspezifischer Jahresverbrauch (kWh/m2) 700 Staat wirkt durch Ordnungsrecht und durch finanzielle Anreize Beides bisher nicht besonders erfolgreich Gegenläufig: Neubauten (ca. 1% des Bestandes p.a.), wenig Abriss Experten schätzen Investitionskosten i.H.v. 13 k€/Jahrestonne CO2-Ersparnis, andere Experten 5 k€ Vgl. Passivhaus (Feist): 16 kWh pro m2 Erneuerbare Energien für die Stromerzeugung: Wind • Schnelles Wachstum – WKA's an Land (vgl. Bruttostromverbrauch in Dtl.: 600 TWh p.a.) • • Windeinspeisung (T Wh/a) Zukünftiges Wachstum – WKA's hauptsächlich auf See DENA-Prognose: bereitstehende Spitzenleistung (GW): 25 Jahr 16,6 GW installiert 20 Land Neue Ausrü See stung Sum 15 2007 21,2 0,5 0,7 22,4 10 2010 23,2 1,1 6,4 29,8 5 2015 24,4 1,8 9,8 36,0 0 1990 2020 24,4 3,5 20,4 48,2 1995 2000 Jahr 2005 unrealistisch Die erneuerbaren Energien für die Stromerzeugung • Stromerzeugung aus allen erneuerbaren Quellen (TWh/Jahr) 120 120 Ziel der B.-Reg. Extrapolation auf der Basis der letzten 9 Jahre 100 • 80 • Extrapolation auf der Basis der letzten15 Jahre 60 40 • 20 • 0 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Anstieg von 18 TWh (Wasser) i.J. 1990 auf 55 TWh (meist Wind, z.T. Biomasse) i.J. 2004. Weiterer Ausbau wird von Wind auf See erwartet. Bisheriger Trend enthält Zubau von 2,3 bis 4 TWh p.a. pro Jahr (je nach der Schätzmethode) Bei gleicher Zubaurate sind 100 bis 120 TWh p.a. für 2020 abzuschätzen. Wir setzen 120 TWh p.a. ein (Ziel der Bundesregierung). Jahr B Mögliche Faktoren, die den "Trend" verändern Annahmen: • • • • • Veränderung der Verbrauchsgewohnheiten? Geringeres oder verstärktes Tempo des Ausbaus der E.E. in der Stromerzeugung: • Wind • Photovoltaik • Biomasse, Müll, sonstige Fossil befeuerte Kraftwerke: • Modernisierung • Erhöhung des Gasanteils Einführung alternativer Kraftstoffe im Verkehr Abschalten der Kernenergie in der Stromerzeugung und Ersatz durch moderne fossile Kraftw. CO2-Emissionen, Veränderung ggüb Trend: • Keine • 0 • 20% d. Stromprod. • - 14 Mt p.a. • Ausbau auf 36 GW • vernachlässigbar • Ausbau • • Die Hälfte erneuert von 16 auf 32% • • 8% 168 TWh p.a. durch fossile mit 40% Gas ersetzt • - 23 Mt p.a. • - 20 Mt p.a. • +112 Mt p.a. B Einbeziehung der wichtigsten anderen Treibhausgase: Methan (CH4) und Lachgas (N20) • Emissionen von Kyoto-Einzelgasen in Mt CO2-Äquivalenten. T rends 1992-2003 extrapoliert nach 2020 1000 786 - 0,6 % p.a. Kohlendioxid • • 100 - 4,3 % p.a. Methan • - 3,4 % p.a. Lachgas (Summe restliche Kyoto-Gase konstant zwischen 10 und 15 Mt ) 1992 1996 2000 2004 2008 Jahr 2012 2016 36 34 2020 Reduzierung von CH4 und N2O ging 6- bis 7mal so schnell wie die von CO2 (Anteil geht zurück) "Übrige Treibhausgase" konstant 10 bis 15 Mt pa Extrapolation nach 2020: 786 CO2 36 CH4 34 N2O 15 Übrige 871 Mt CO2-Äqu. p.a. Gleichbleibende Minderungserfolge vorausgesetzt Kyoto-Gase: Minderungsziele Jährliche Emission von Kyoto-Gasen, ausgedrückt in CO2-Äquivalenten (Mt), sowie zwei Minderungsziele • • Basis 1990 - 1,2 % pro Jahr • Ziel 2008/12: - 21 % 1000 • - 2,7 % pro Jahr Trend 871 900 • • 800 Ziel 2020: - 40 % 700 1990 1995 2000 2005 Jahr 2010 2015 2020 Kyoto-Ziel 2008/12 ist völkerrechtl. Vertrag Wert von -21% erscheint erreichbar Kyoto-Ziel 2020 ist dt. Verhandlungsziel "falls EU als ganze -30% beschließt" Für 2020 soll danach das Minderungstempo mehr als verdoppelt werden Wert von -40% bis 2020 erscheint völlig illosorisch Administrative gegenüber technischen Reduktionsmöglichkeiten: "Wollen und Können" Abschätzung für 2020 der deutschen Kyoto-Gas Emissionen (Mio t CO2-Äqu.) Ergebnisse der Studie: Jährliche Emission von Kyoto-Gasen, ausgedrückt in CO2-Äquivalenten (Mt), sowie zwei Minderungsziele Basis 1990 - 1,2 % pro Jahr Ausb. wie bisher K-K gestoppt 983 1000 - 2,7 % pro Jahr 900 Ausbau forciert K-K gestoppt 926 871 Trend 800 Ziel 2020: -40 % 1995 2000 2005 Jahr Trend gleichbleibend Trend max. verbessert Kyoto-Ziel 2008/12: - 21 % 700 1990 Kernkraft läuft weiter 2010 2015 2020 814 Ausbau forciert K-K läuft weiter Kernkraft gestoppt 871 983 814 926 Günstigster Fall: ca. 50% CO2-freie Stromproduktion Solarthermisches Parabolrinnen-Kraftwerk ca. 30 MWel Parabolspiegel