V11 Zellsimulationen Nerven-Verbindung (synaptischer Spalt). Nach seiner Auschüttung bindet der Neurotransmitter Acetylcholin (hellblaue Kugeln) an die Acetylcholinrezeptoren (tassenförmige Objekte) und an Acetylcholinesterase. Doppelt besetzte Rezeptoren (gelb) leiten Strom, der eine Kaskade von Vorgängen einleitet, die zur Kontraktion des Muskelstrangs führen. Diese und nächste Stunde werden 3 Simulationspakete behandelt, E-cell, Virtual Cell, Mcell, die 3 verschiedene Paradigmen für Zellsimulationen verkörpern - ODE = gewöhnliche Differentialgleichungen, enthalten ∂/∂t grösseres - PDE = partielle Differentialgleichungen, enthalten ∂/∂t und ∂/∂r Detail - explizite Simulation der Brownschen Bewegungen einzelner Moleküle - Projekte unserer Arbeitsgruppe 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 1 Differentialgleichungen Eine gewöhnliche Differential- bzw. Differenzialgleichung (oft abgekürzt mit ODE für engl. ordinary differential equation) ist eine Differentialgleichung, die nur Ableitungen nach einer reellen Variablen enthält. Ihre Lösung ist somit eine Funktion, die von einer Variablen abhängt. Differentialgleichungen werden oft benötigt, um Vorgänge in der Natur zu beschreiben, bei denen sich Größen in Abhängigkeit von sich selbst verändern. Das Zerfallsgesetz in der Physik etwa besagt, dass die Anzahl dN der pro Zeiteinheit dt zerfallenden Atome einer Menge instabiler Atome proportional zur aktuell vorhandenen Anzahl N an Atomen ist. Durch Berechnen der Funktion N(t) aus dieser Differentialgleichung kann die Anzahl der Atome zu jedem Zeitpunkt bestimmt werden. 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge dN t N t dt dN t dt N t ln N t t c N t e t c N t N 0 e t 2 Partielle Differentialgleichungen Eine Partielle Differentialgleichung (Abkürzung PDE für partial differential equation) ist eine Differentialgleichung, die partielle Ableitungen enthält. Etwas genauer gesagt ist eine PDE eine Gleichung für eine oder mehrere unbekannte Funktionen, die folgende Kriterien erfüllt: - die unbekannte Funktion hängt von mindestens 2 Variablen ab - in der PDE kommen partielle Ableitungen nach mindestens 2 Variablen vor - in der Gleichung kommen nur die Funktion, sowie deren partielle Ableitungen, jeweils am gleichen Punkt ausgewertet vor. Die implizite Form einer partiellen Differentialgleichung für eine Funktion u, die von zwei Variablen x und y abhängt, lautet ux, y ux, y 2ux, y F x, y, ux, y , , , ,... 0 x y xy wobei F eine beliebige Funktion ist. 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 3 Beispiele für partielle Differentialgleichungen Viele physikalische Prozesse hängen sowohl vom Ort als auch von der Zeit ab. Zum Beispiel hängen die Wellen, die durch einen Wassertropfen der auf eine Wasseroberfläche fällt entstehen, sowohl von der Zeitableitung (Geschwindigkeit der Welle) also auch von der Raumableitung (Profil der Welle) ab. Da Ableitungen nach mehreren Variablen auftauchen, ist also eine partielle Differentialgleichung zur Beschreibung des Vorgangs notwendig. Das einfachste mögliche Beispiel einer partiellen Differentialgleichung ist folgendes: Eine Funktion u(x,t) möge von 2 Variablen abhängen (z. B. von Ort x und Zeit t). Die partielle Ableitung analog gibt u x, t gibt an, wie stark sich die Funktion in der Zeit ändert, t u x, t die Änderung der Funktionswerte in der Ortsvariablen an. x Falls diese beiden Änderungen gleich sind, ergibt sich folgende Differentialgleichung u x, t u x, t t x Eine Lösung dieser Gleichung wäre u(x,t) = f(x + t) mit einer beliebigen Funktion f. 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 4 Virtual Cell: Software-Umgebung für computerunterstützte Zellbiologie Prof. Leslie Loew, University of Conneticut Health Center National Resource for Cell Analysis and Modeling Virtual Cell - wurde für die Zellbiologie-Community entwickelt - ermöglicht die Konstruktion räumlicher Modelle - Verbindung zur quantiativen Lichtmikroskopie an lebenden Zellen - Kann man auf der Basis des komplexen räumlichen und zeitlichen Zusammenspiels der Zellkomponenten ein quantitatives Verständnis des gesamten zellulären Verhaltens entwickeln? - Sind die identifizierten Komponenten notwendig und hinreichend? - Wie sensitiv reagiert der Gesamtprozess auf Veränderungen einer Komponente? (Zellen sind „robust“). - Die Simulationen werden über das Internet auf einem 16-Prozessor cluster mit Alpha-Prozessoren durchgeführt. 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 5 Design einer Virtuellen Zelle Die `Physiologie' beinhaltet die topologische Anordnung von Kompartments und Membranen, die mit ihnen assoziierten Moleküle, und die Reaktionen zwischen den Molekülen. Die getrennt definierte `Geometrie‘ ist eine räumliche Beschreibung der Kompartments in 0-3 Dimensionen. Sie kann aus analytischen Ausdrücken bestehen oder aus einem experimentellen Bild abgeleitet werden, das z.B. von einem Mikroskop stammt. 11. Vorlesung WS 2005/06 Das eigentliche Modell besteht aus der Verbindung der Topologie der physiologischen Beschreibung mit einer geeigneten räumlichen Geometrie. Softwarewerkzeuge 6 Virtual cell: graphische Benutzerschnittstelle (GUI) Das GUI von Virtual Cell ist als JAVA applet innerhalb eines Webbrowsers entwickelt. Hier sieht man, wie eine Zelltopologie einer bestimmten experimentellen Geometrie zugeordnet wird. 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 7 Einzelschritte bei Erstellung von BioModellen Structure Mapping – definiert die Beziehung zwischen der Physiologie (zelluläre Strukturen) und der Geometrie des Modells. Bestimme das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen für die Modelle der Kompartments oder für nicht aufgelöste räumliche Strukturen. Bilde die zellulären Strukturen auf geometrische Objekte ab. Wähle zwischen unterschiedlichen Randbedingungen (Wert bzw. Ableitung am Rand = Dirichlet bzw. Neumann) für die Strukturen. Anfangsbedingungen – Konzentrationen und Diffusionsraten können räumlich variable definiert werden. Wähle Anfangsbedingungen für Diffusion ≠ 0. Reaction Mapping – erlaube oder verbiete Reaktionen bzw. Flüsse. Math Viewer – prüfe die mathematische Beschreibung, die vom Programm automatisch für die Abbildung des physiologischen Modells auf ein Kompartment-Modell oder auf ein räumliches Modell erstellt wird. 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 8 Abstraktion experimenteller Geometrien 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 9 Zuordnung von Physiologie und Geometrie 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 10 Definition des Flusses durch Membranen Zwischen verschiedenen Kompartments erzeugt das Programm automatisch Membranen. Flüsse beziehen sich auf eine bestimmte Membran und beschreiben den Fluss eines bestimmten Moleküls durch diese Membran. Das Molekül muss auf beiden Seiten der Membran existieren. Flüsse werden in (mM*mm*s-1) gemessen und sind beliebige Funktionen der Transporter- bzw. Kanalkonzentrationen. 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 11 Definition der mathematischen Formeln 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 12 zeitabhängige Darstellung der Ergebnisse 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 13 räumliche Darstellung der Ergebnisse 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 14 BK-induzierte Calcium-Wellen Fink, Slepchenko, Moraru, Watras, Schaff, Loew Biophysical Journal, 79, 163 (2000) “An Image-Based Model of Calcium Waves in Differentiated Neuroblastoma Cells” Die intrazelluläre Calcium-Dynamik ist ein besonders geeignetes Modellsystem. Es existieren viele experimentelle Techniken um die molekularen Komponenten zu visualisieren, die die Calcium-Ausschüttung bestimmen, und um die CalciumKonzentration selbst mit Fluoreszenz-Farbstoffen zu visualisieren. 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 15 Pathway für die Bradykinin-induzierte Ausschüttung von Calcium in differentiereten Neuroblastoma-Zellen Sobald Bradykinin (BK) an seinen Rezeptor in der BK Plasmamembran bindet (BKR), setzt dies eine G- Protein Kaskade in Gang (gezeigt als αGq, βγ), die Phospholipase C (PLC) aktiviert. PLC hydrolysiert wiederum Glycerinphosphat, das in Phosphatidylinositolbisphosphat (PIP2) gebunden ist. Das Produkt dieser Hydrolyse setzt IP3 von der Membran frei. IP3 kann frei im Zytosol diffundieren, IP3 dabei von Phosphatasen und Kinasen abgebaut werden, oder an seinen Rezeptor IP3R in der ERMembran binden. IP3R ist ein Calcium-Kanal, der sich nach Bindung von IP3 und Ca2+ öffnet. Das so aus dem ER freigesetzte Ca2+ bindet an Ca2+ Buffer (B) im Zytosol. Schliesslich wird Ca2+ durch die SERCA Ca2+Pumpe ins ER zurückgepumpt, bzw. durch andere Calcium-pumpen und –austauscher aus der Zelle hinaus (Caext.). 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 16 Experiment: BK-induzierte Calcium-Welle BK (500 nM) wurde extern zum Medium einer N1E-115 Nb Zelle zugegeben, die mit dem Farbstoff fura-2 gesättigt war. Die Fluoreszenz einer 380-nm Anregung wurde mit einer CCD Kamera gemessen, in die [Ca2+] Konzentration umgewandelt, und in einer Falschfarbendarstellung gezeigt. Relative zeitliche Änderung von [Ca2+] in zwei interessanten Regionen im Zellsoma und in dem Neuron (im obersten Bild durch Rechtecke gezeigt): Welle kommt etwas später im Soma an, besitzt überall gleiche Amplitude. 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 17 Calcium-Welle (exp) QuickTime™ and a YUV420 codec decompressor are needed to see this picture. 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 18 Es gibt mehr ER im soma als in neuronaler Fortsetzung (a) Electronmikroskopische Aufnahme des ERs im Soma und im Neurite von N1E-115 Neuroblastoma-Zellen. (b) Das ER einer lebenden Zelle wird einige Minuten nach Injektion durch einen fluorezenten, lipophilen Farbstoff sichtbar gemacht. 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 19 Verteilung von InsP3R, BKR und SERCA in ER- Membran (a) Visualisierung intrazellulärer Verteilungen mit 3D Immunofluoreszenz. Hier wurde N1E-115 Nb-Zelle fixiert und mit einem Antikörper für SERCA2 markiert. (b) Intrazelluläre Verteilung von BKR und ER/InsP3-R/SERCA2. Die relative Konzentration von BKR in der Plasmamembran (äussere Schicht) wird gemittelt für sechs verschiedene Regionen der Zelle angegeben. Die mittlere Verteilung des ER ist identisch mit der von InsP3R and SERCA und wird innerhalb der Zelle durch Graustufen angegeben (siehe Skala rechts). 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 20 Simulationsdetails instantaner Anstieg nach BK-Reizung InsP3-Produktion InsP3-Diffusion und -Abbau Calcium-Dynamik Kinetik der InsP3-Kanäle Kinetik der SERCA-Pumpe und: Calcium-Speicherung (nicht gezeigt) 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 21 Simulation von BK-induzierter Calcium-Welle In den Spalten von links nach rechts zeigen die pseudokolorierten Bilder die Simulationsergebnisse für [Ca2+]cyt, [InsP3]cyt, und PO (die W’kt dass der IP3-Rezeptor offen ist). Unten sieht man den zeitlichen Verlauf in Soma und Neurite (deren Positionen sind als gelbe und grüne Punkte im Bild links oben gezeigt). Experimentelle Werte 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 22 Calcium wave (simulation) Ca2+ – ist exp. messbar QuickTime™ and a YUV420 codec decompressor are needed to see this picture. Text InsP3 – nicht exp. messbar Simulation in 2D dauert etwa 15 Minuten auf PC. Δt = 0.01 s. 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 23 unterschiedliche Zellgeometrien Experimentelle und simulierte BKinduzierte Calcium-Ausschüttung in N1E-115 Nb Zellen unterschiedlicher Morphologie. (a) Modellierung wie zuvor, aber mit 2 Neuriten anstelle von einem. (b) Es wurden konstante Verteilungen von BKR und ER in der Zelle angenommen. Skalierung (a) 50 µM und (b) 20 µM. 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 24 Virtual cell: Ausblick aktuelle Version: - ermöglicht Simulation von Reaktions-Diffusionsprozessen in beliebigen Geometrien. Anpassung notwendig für Probleme, die Änderungen der Geometrie erfordern (Zellwanderung, Zellteilung). -behandelt nur bestimmte Sorten von stochastischen Prozessen: Brownsche Bewegung, gerichtete Teilchenbewegung entlang von Mikrotubuli, Reaktion einzelner Teilchen mit kontinuierlich verteilten Molekülen. - wenn die Anzahl an wechselwirkenden Molekülen zu klein wird, braucht man statt der stochastischen Beschreibung Reaktionen zwischen diskreten Molekülen. - Behandlung diskreter Zustände ist auch erforderlich zur Modellierung der Ströme von einzelnen Ionenkanälen und deren räumlicher Verteilung. 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 25 Virtual cell: Ausblick II Es wird erforderlich (und möglich) sein, Simulationsmodelle zwischen verschiedenen Softwareplattformen auszutauschen und eventuell gleichzeitig auszuführen. z.B. benutze GEPASI bzw. E-Cell um ein Modell auf der Ebene von ODEs zu optimieren und reduzieren bevor man mit Virtual Cell die räumlichen Verteilungen mittels PDEs simuliert. Zwei Ansätze hierfür: CellML – markup language von Physiome Sciences Inc. & Univ. of Auckland SBML – Caltech & ERATO-Kitano Symbiotic Systems Project 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 26 M-cell: Allgemeine Monte–Carlo Simulation von zellulären Mikrophysiologien Thomas M. Bartol Jr. Joel R. Stiles Computational Neurobiology Laboratory Biomedical Applications (T. Sejnowski), Salk Institute, San Diego Pittsburgh Supercomputing Center Ziel: quantitatives, molekulares Verständnis der Nervenfortleitung, Funktion von Nervengasen, Modulatoren, oder Autoimmunerkrankungen. 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 27 MCell: Idee + Motivation MCell ermöglicht 3-D Monte–Carlo Simulationen für Ligandendiffusion und chemische Signalprozesse. Biologische Strukturen wie Neuronen zeigen auf der subzellulären Ebene eine enorme Komplexität und Diversität. Die inter- und intrazelluläre Kommunikation geschieht mittels verschiedener chemischer Signalpfade. Am Prozess der synaptischen Transmission sind z.B. Neurotransmitter und Neuromodulatoren beteiligt. Ebenfalls beteiligt sind Proteine, die die Auffüllung und Entleerung der synaptischen Vesikel mit Neurotransmitter-Molekülen beeinflussen, Rezeptorproteine, Transportproteine, sowie oxidierende und hydrolytische Enzyme. Mit Mcell kann man alle diese Parameter in beliebig komplexen räumlichen Darstellungen der beteiligten zellulären Strukturen darstellen und variieren. Anfangsbedingung: Eine Monte–Carlo Simulation beginnt damit, dass die Zellumgebung mit einzelnen Liganden und Liganden-bindenden Molekülen angefüllt wird. 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 28 Warum soll man Monte Carlo Algorithmen benutzen? 1. löse PDEs zwischen Voxels Die Diffusion von Ligandenmolekülen in Lösung basiert auf Brownscher Bewegung. Der mittlere Netto-Fluss aus einer Region des Raums in eine andere hängt von der Mobilität der Moleküle und dem räumlichen Konzentrationsunterschied der beiden Regionen ab. Eine Methode, den räumlichen Gradienten zu berechnen, ist, den Raum in kleine, üblicherweise kubische Volumenelemente (Voxels) aufzuteilen, innerhalb derer man gute Mischung annimmt, und dann mittels eindimensionaler partieller Differentialgleichungen den mittleren Fluss durch die Verbindungsfläche zwischen angrenzenden Voxeln zu berechnen. Sofern die Granularität der räumlichen und zeitlichen Unterteilung fein genug ist, wird eine numerische Simulation das korrekte mittlere Verhalten des Systems erzeugen. 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 29 löse PDEs innerhalb von Voxels Man kann weitere PDEs hinzufügen um die mittlere Raten chemischer Raten Reaktionen innerhalb jedes Voxels zu beschreiben. Man erhält damit eine Simulation des räumlichen und zeitlichen Diffusionsverhaltens und der chemischen Reaktionen. Für einfache räumliche Anordnungen kann diese Methode sehr effizient sein. Für komplexe (d.h. realistische) Structuren werden die räumlichen Unterteilungen immer komplexer und eine grosse Anzahl an Voxeln ist erforderlich. Auf jeden Fall liefert die Simulation keine direkten Informationen über die stochastischen Schwankungen, die auf der endlichen Anzahl an beteiligten Molekülen beruhen. Diese sind in biologischen Systemen jedoch oft von grossem Interesse. 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 30 2. völlig andere Methode: Random walk Direkte Beschreibung der Brownschen Bewegung der einzelnen Ligandenmoleküle. Durch Verwendung von Zufallszahlen werden bei jedem Zeitschritt beliebige erlaubte Richtungen und Verschiebungen ausgewählt. Indem die Zeitschritte und Verschiebungen deutlich kleiner als die Teilchengröße gehalten werden, erreicht man eine hohe numerische Genauigkeit. Kollisionen mit beliebigen Oberflächen werden entdeckt und gemäss von Regeln behandelt (Bindung, Transport, Reflexion etc.). Voxel sind unnötig. Gleichsam werden Kollisionen mit möglichen Bindungsstellen entdeckt und behandelt. Für die Ausbildung von Bindungen werden Bindungswahrscheinlichkeiten festgelegt. Die momentane Entscheidung wird durch eine Zufallszahl bestimmt. Alle möglichen Vorgänge werden auf einer Molekül-für-Molekül Basis betrachtet. Dadurch enthält die Simulation realistische stochastische Schwankungen in Abhängigkeit von der räumlichen Verteilung und der Anzahl an Molekülen. 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 31 Rechenaufwand: sehr hoch konkrete Anwendung, Effekt eines Nervengases 15,680 Simulationen für jeden Zustand. Jede Simulation entspricht 40 Millisekunden in Realzeit und dauert je nach Parametern zwischen 10 Sekunden bis zu 6 Stunden, im Mittel etwa 1 Stunde. gesammelte Daten: 60 Gigabyte Die Rechnungen wurden parallel auf bis zu 1,024 Prozessoren von Blue Horizon (SDSC) durchgeführt. 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 32 Typische Vorgänge während einer MCell-Simulation - Freisetzung von Ligandenmolekülen aus einer Struktur (z.B. einem Vesikel) - Erzeugung oder Vernichtung von Ligandenmolekülen (z.B. Synthese, Hydrolyse, oder Redox-Reaktionen) - Diffusion der Liganden innerhalb des Raums zwischen beliebigen Oberflächen (z.B. prä- und postsynaptische Membranen) - chemische Reaktionen von Ligandenmolekülen mit “Effektor”molekülen (z.B. Rezeptoren oder Enzyme) 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 33 MCell: biologische Skala Der Level an Detail von MCell Simulationen liegt zwischen denen von atomistischen Moleküldynamik-Simulationen und der Simulationen gesamter Zellen (Virtual Cell, E-cell). Die Diffusion einzelner Ligandenmoleküle wird als Brownsche Bewegung mit einem Random–Walk– Algorithmus simuliert. Mittlere Ratenkonstanten werden in Monte– Carlo–Wahrscheinlichkeiten für Reaktionen einzelner Moleküle pro Zeitschritt umgeformt. Damit können die Ligandenmoleküle stochastisch reagieren sobald sie an Rezeptoren, Enzyme oder Transporter gebunden sind. 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 34 Tutorial: nichtgebundene Diffusion In diesem einfachen Beispiel werden Liganden an zwei Punkten freigesetzt (rot und blau markiert). Durch die Verwendung unterschiedlicher Diffusionskonstanten wird unterschiedliches Verhalten erzeugt. 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 35 Tutorial: nichtgebundene Diffusion file run_parameters dt = 1.0e-6 /* run_parameters */ /* Simulationszeitschritt*/ iterations = 300 viz_output_file = "viz_data“ /* ligand_parameters */ red_ligand_diffusion_constant = 6.0e-6 blue_ligand_diffusion_constant = red_ligand_diffusion_constant/2.0 number_of_ligand_molecules = 5.0e3 release_site_diameter = 0.03 red_location = [0.0, 0.0, 0.0] blue_location = [-1.0, -1.0, 0.0] 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 36 zeitlicher Verlauf 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 37 Tutorial 2: Sampling der Liganden Hier werden die gleichen Punkte zur Ausschüttung der Liganden verwendet wie zuvor. Zur Analyse werden Reaktionsbehälter definiert um die Ligandenmoleküle zu zählen, die sich in bestimmten Gebieten befinden und diese Information in eine Datei REACTION_DATA_OUTPUT zu schreiben. 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 38 Tutorial 2: Sampling der Liganden 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 39 Tutorial 4: einzelne Bindungsprozesse Hier wird die Simulation von Reaktionszentren wie Effektoren eingeführt. In der Box führen Ligandenmoleküle Brownsche Bewegung aus. Am Boden der Box befindet sich ein Gitter von Effektormolekülen. Die rot markierten Zylinder haben ein Ligandenmolekül gebunden. 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 40 Tutorial 6: Antiporter Hier werden Antiporter-Moleküle in der Membran modelliert, die den gleichzeitigen entgegengesetzen Transport zweier Liganden L und M durch die Membran bewirken. Blaue Antiporter haben keine Bindungsstelle besetzt, rote und grüne Antiporter haben nur einen roten bzw. grünen Liganden gebunden. Gelbe Antiporter sind doppelt besetzt. Nun ist Transport möglich. Iteration 1000 Iteration 5000 •Iteration 0 Iteration 15000 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 41 Tutorial 9: einfache Pore Hier wird die Grösse einer Vesikelpore während der Simulation skaliert. Iteration 0 Iteration 250 Iteration 750 Iteration 1000 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 42 räumliche Rekonstruktion aus exp. Abbildungen einer neuromuskulären Verbindung in Maus–Sternomastoid 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 43 Simulation der in den Spalten erzeugten Ströme Ausschnitt aus Bild auf vorheriger Seite. 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 44 Diffusion von Neurotransmittern in Synapsen Neurotransmitter-Moleküle (Acetylcholin) diffundieren und aktivieren Rezeptoren in den Synapsen zwischen verschiedenen Zellen. Die wie Tassen aussehenden Objekte sind Acetylcholin-Rezeptoren: blaue sind frei; rote haben 1 Ach; grüne haben 2 Ach gebunden, sind jedoch geschlossen; gelbe haben 2 Ach gebunden, sind offen. Die Anzahl an Ionen, die durch die gelben Rezeptoren fliesst, ergibt den elektrischen Strom an der Synapse. 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge Ausschnitt aus Bild auf vorheriger Seite. 45 zeitliche Entwicklung der Rezeptorzustände 22 μs nachdem sich die Pore öffnet 90 μs Stiles et al., 1996, PNAS 93:5747-5752. 160 μs 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 46 Zusammenfassung Zellsimulationen sind im Kommen! Detaillierte, dreidimensionale Modelle sind notwendig, sobald Lokalisation z.B. an Membran stattfindet, und sobald wichtige Moleküle in kleinen Zahlen vorliegen. Schlagwort: Systems Biology. Messung von kinetischen Konstanten im Allgemeinen mühsam. Daher zunächst Konzentration auf Modellsysteme. Molekulare Simulationen können sehr aufwendig sein. Ein Volumen von 100 nm3 enthält ca. 1000 Proteine. 1 μm3 enthält dagegen bereits ca. 106 Proteine. Bei Beschränkung auf Molekül-Konzentrationen kann dagegen fast in real time simuliert werden. 11. Vorlesung WS 2005/06 Softwarewerkzeuge 47