Physik und Chemie der Makromoleküle Elektronische Struktur

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Physik und Chemie der Makromoleküle
Elektronische Struktur organischer Materialien
a) Quantenchemische Beschreibung von Molekülen
Die Bindungsverhältnisse in Molekülen werden schon seit langer Zeit im Rahmen von
Orbitalmodellen beschrieben, wobei sich Bindungen als Kombination von hybridisierten
Atomorbitalen zu Molekülorbitalen beschreiben lassen. Man unterscheidet σ–Bindungen,
die das Kerngerüst bilden, und π–Bindungen, die schwächer gebundene, delokalisierte
Elektronen enthalten. Heute wird die Bindungsvorstellung durch die moderne
Quantenchemie auf eine theoretische Grundlage gestellt, die im folgenden skizziert wird.
Ausgangspunkt ist die Schrödinger-Gleichung mit einem Gesamt-Hamiltonoperator und
einer Gesamtwellenfunktion, die von allen Kernen und allen Elektronen eines Moleküls
abhängt.
r r
r r
r r
r r
H Ψ( R1 , R2 ,..., r1 , r2 ,...) = E Ψ( R1 , R2 ,..., r1 , r2 ,...)
Als erster Schritt kann nun die Elektronenbewegung von der Kernbewegung separiert
werden (Born-Oppenheimer-Näherung). Damit wird die vibronische Kopplung
vernachlässigt, die dafür sorgt, daß elektronische Anregungen an Schwingungen
gekoppelt sind. Diese Kopplung sieht man als Feinstruktur in den Absorptionsspektren.
Für den elektronischen Anteil gilt:
r r
r r
H el ψ ( r1 ,r2 ,...) = Ee lψ ( r1 ,r2 ,...)
Die Wellenfunktionen werden nun als Kombination von Einelektronenwellenfunktion
zusammengesetzt, den sogenannten Orbitalen (Hartree-Fock-Näherung).
r r
r
r
ψ (r1 ,r2 ,...) = f (φ1 (r1 ), φ2 (r2 ),...)
F φi = ε i φi
Bei der Orbitalnäherung werden entscheidende Anteile der Elektron-ElektronWechselwirkungen vernachlässigt. Noch größer werden die Vernachlässigungen, wenn
man jeweils zwei Elektronen das gleiche Orbital zuordnet, aber mit entgegengesetztem
Spin. Streng genommen verschieben sich die Orbitalenergien, wenn man beispielsweise
aus einem Doppelorbital ein Elektron entfernt.
Dennoch läßt sich das Modell weit anwenden. Die elektronische Gesamtenergie ergibt
sich als Summe der einzelnen Orbitalenergien.
Eel = ∑ ε i
i
Wenn man die einzelnen Orbitale eines Moleküls nach steigender Orbitalenergie anordnet
und nacheinander mit 2 Elektronen füllt, erhält man als höchstes besetztes Molekülorbital
das HOMO, als niedrigstes unbesetztes Molekülorbital das LUMO.
Eine elektronische Anregung kann dann als Anheben eines Elektrons aus dem HOMO
ins LUMO aufgefaßt werden, eine Oxidation als das Entfernen eines Elektrons aus dem
Elektronische Struktur organ. Materialien 1
HOMO und eine Reduktion als das Hinzufügen eines Elektrons ins LUMO aufgefaßt
werden.
Nur im Rahmen des Orbitalmodells (mit allen seinen Näherungen) entspricht die
elektronische Anregungsenergie den Energiedifferenzen von LUMO und HOMO
Eexcited − Eground ≈ ε LUMO − ε HOMO ,
die negative Ionisierungsenergie der HOMO-Energie
Ekation − Eneutral ≈ ε HOMO
und die Elektronenaffinität der LUMO-Energie.
Eanion − Eneutral ≈ ε LUMO
Referenz ist dabei immer die Energie eines freien Elektrons (Vakuum-Level).
b) Elektronische Übergänge, Homogene und inhomogene Linienbreite
Die einfachste Betrachtung einer Absorption (oder Emission) geht
Zweiniveaumodell mit einer einzigen Übergangsfrequenz
von
einem
∆E = hω 0 = hν 0
und einer gedämpften Schwingung (Dämpfung γ) als Systemantwort
elektromagnetische Anregung aus.
Die Systemtheorie liefert für den Brechungsindex eine Funktion der Form
nˆ = n − ik = 1 +
≈ 1+
(ω
A (ω 02 − ω 2 )
2
0
−ω
)
2 2
+γ ω
2
2
−i
(ω
auf
eine
Aγω
2
0
− ω 2 ) + γ 2ω 2
2
(ω 0 − ω )
γ
−i
2
2
2
2
2ω 0 (ω 0 − ω ) + (γ / 2 )  4ω 0 (ω 0 − ω ) + (γ / 2 ) 




Der Imaginärteil (die Absorption) wird durch eine Lorentz-Funktion ausgedrückt (LorentzOszillator). Die Linienbreite (FWHM = volle Breite an halbem Maximum) ist γ und wird
bestimmt durch die Lebensdauer der beteiligten Zustände (natürliche Linienbreite). Die
natürliche Linienbreite ist eine homogene Linienbreite, da sie für alle Moleküle eines
Ensembles gleich ist.
Allgemein gilt für die homogene Linienbreite:
1
1
γ =
+
2T1 T2
wobei T1 die Lebensdauer des angeregten Zustandes ist (longitudinale Relaxationszeit)
und T2 die sog. Phasenkohärenzzeit, ein Maß für die dynamische Wechselwirkung mit den
Schwingungen der Umgebung (transversale Relaxationszeit). Bei hohen Temperaturen
überwiegt T2, bei niedrigen T1.
Gründe für eine inhomogene Linienverbreiterung sind:
• der Dopplereffekt bei sich bewegenden Teilchen, da jedes Teilchen relativ zum
elektromagnetischen Feld eine Relativgeschwindigkeit hat. Die Dopplerverbreiterung spielt in amorphen Festkörpern nur eine geringe Rolle.
• der statische Einfluß der lokalen Umgebung. Gerade in amorphen Festkörpern ist
das lokale elektrische Feld um die Moleküle stark unterschiedlich, und damit sind
die Orbitalenergien stark unterschiedlich. Dies sorgt für eine gaußförmige
Verbreiterung der Banden (FWHM ca. 1013 Hz, 10-50 nm).
Elektronische Struktur organ. Materialien 2
Mit einigen experimentellen Methoden kann man die homogenen Linienbreiten in
amorphen Festkörpern messen. Beim spektralen Lochbrennen beispielsweise wird ein
Frequenzbereich mit einem schmalbandigen Laser ausgebleicht. Im Absorptionsspektrum
entsteht eine Lücke mit der homogenen Linienbreite.
Für organische Laser bedeutet eine große Linienbreite einen großen Frequenzbereich, in
dem optische Verstärkung möglich ist. Dies ist nur möglich, weil über verschiedene
Schwingungszustände und die Matrix alle Moleküle miteinander gekoppelt werden
können.
c) Elektronische Struktur konjugierter Polymere
Ein konjugiertes π-System entsteht aus der Kombination von p-Elektronenorbitalen zu
über mehreren Atomen delokalisierten Molekülorbitalen. In Seitenkettenpolymeren können
solche π-Systeme beispielsweise als Seitenketten vorliegen. Aufgrund des relativ geringen
HOMO-LUMO-Abstandes sind solche Polymere oft gefärbt oder haben Absorptionen im
UV-A Bereich. Die Größe des delokalisierten Bereiches ist durch die Struktur fest
vorgegeben.
Im Gegensatz dazu sind in konjugierten Polymeren, bei denen das π-System in der
Hauptkette verankert ist, die Elektronen über einen nicht genau definierbaren Bereich
delokalisiert, im Idealfall über die ganze Kette.
Der Prototyp dieser Verbindungsklasse ist Polyacetylen (Nobelpreis 2000).
Für die Beschreibung gibt es zwei Herangehensweisen:
• Chemisch: Zwei Ethylenmoleküle koppeln miteinander zu Butadien, die jeweiligen
Molekülorbitale spalten sich auf. Koppelt man zwei Butadienmoleküle usw.
miteinander entstehen immer dichter liegende Molekülorbitale, bis sie ein QuasiKontinuum geben (Bänder). Die energetische Aufspaltung zweier miteinander
wechselwirkender Moleküle, die noch keine feste Bindung eingehen, bezeichnet
man übrigens als Davidov-Splitting.
• Halbleiterphysikalisch: Man betrachtet Elektronen in einem periodischen Potential
(unendlich
ausgedehnte,
eindimensionale
Kette).
Die
entsprechende
Elektronische Struktur organ. Materialien 3
Schrödingergleichung muß periodischen Randbedingungen genügen. Die
erhaltenen Wellenfunktionen lassen sich wie in der Beschreibung von
anorganischen Halbleitern als Bänder auffassen. In einem Band ist jede Energie
einem elektronischen Wellenvektor (2 π / λ) zugeordnet. Die entsprechende Dichte
der Wellenvektoren um eine bestimmte Elektronenenergie nennt man
Zustandsdichte.
Aufgrund
der
Translationssymmetrie
muß
man
nur
Wellenvektoren in der 1. Brillouinzone betrachen (0...π / a, a = Gitterkonstante).
Peierls-Verzerrung
Wenn man nach dem Bändermodell die Bänder für eine unendlich ausgedehnte Kette von
Atomen im gleichen Abstand ausrechnet, errechnet man ein Band, das zur Hälfte mit
Elektronen gefüllt ist (Polyacetylen: Jedes C-Atom trägt ein Orbital und ein p-Elektron bei).
Tatsächlich ist jedoch eine Struktur günstiger (energieärmer), bei der jeweils zwei Atome
dichter beieinander sitzen (Peierls-Verzerrung). Das Band teilt sich auf in ein besetztes
Band (Valenzband) und ein unbesetztes Band (Leitungsband), das Material ist
halbleitend. Das gleiche ergibt sich intuitiv aus dem chemischen Modell, wenn bei der
Bildung des Butadiens die mittlere Bindung schwächer ist als die äußeren.
Die Peierls-Verzerrung kann aufgehoben werden, wenn durch Dotierung Elektronen
entfernt oder zugefügt werden (z.B. mit Jod im Falle des Polyacetylens), das Polymer wird
metallisch leitend (s. Kap. Leitfähigkeit organischer Materialien).
Solitonen
Der Grundzustand von Polyacetylen ist entartet, da man die konjugierten
Doppelbindungen in zwei unterschiedlichen Konfigurationen schreiben kann. In einem
solchen Polymer sind radikalische Defekte stabilisiert. Man spricht von (neutralen)
Solitonen. Solitonen sind instabil in Polymeren mit nicht-entartetem Grundzustand (z.B.
Polyphenylen), da die Energie auf einer Seite des Solitons höher ist als auf der anderen.
Elektronische Struktur organ. Materialien 4
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