Präsentation 2. Seminar Römerbrief am 25.09.12 Zur Umwelt des Urchristentums Paulus betritt Ende der 40er Jahre n. Chr. mit hohem Sendungsbewusstsein eben jenen kulturell-religiösen Raum, aus dem er als Diasporajude selbst stammte und der ihn wesentlich geprägt hatte: die hellenistische Umwelt der Urchristentums. Was wissen wir darüber? Tetradrachme – Mit Alexander d. Gr. begann die Zeit des Hellenismus (Durchdringung des Orients durch die griech. Kultur, etwa 336 – 30 v. Chr.) Seleukidisches Großreich 3.-1. Jh. v. Chr., hellenistische Kultur unter den Nachfolgereichen Alexanders d. Gr. (Diadochen) Hellenistische Metropolen entstehen, z.B. das antike Pergamon an der Westküste Kleinasiens Modell des antiken Pergamon – ein neuer Typus hellenistischer Residenzstädte Apollon-Tempel in Didyma, Hauptkultus der Seleukiden Blick auf Antakya, das antike Antiocheia Stadtplan der planmäßig gegründeten antiken Antiocheia Schicksalsgöttin Tyche von Eutychides, Wahrzeichen von Antiocheia am Orontes Alte Römerstraße in Antiochia, zur Verbindung mit Chalkis in Nordsyrien. Antiochia wurde mit der Eroberung des Seleukidenreichs durch Pompejus (64 v. Chr.) eine der führenden Städte neben Karthago, Alexandria und Rom Petrusgrotte, der Überlieferung nach Versammlungsort der ersten Christen in Antiochia um Petrus, Paulus und Barnabas Diasporajudentum im Hellenismus Mit rund 4,5 Millionen Gläubigen war das Judentum in jeder hellenistisch-römischen Metropole präsent und bildete einen Bevölkerungsanteil von etwa 7 Prozent im römischen Reich. Insofern hatte es einen hohen Einfluss und wurde mit weitgehendem Rechtsschutz und Privilegien ausgestattet: Eigenständige religiöse Organisation, Vermögensverwaltung und Gerichtsbarkeit, Freistellung vom Kaiserkult und Militärdienst bis hin zur Inhaberschaft des röm. Bürgerrechts. Die hohen Zahlen lassen vermuten, dass insbesondere das Diasporajudentum selbst bereits eine außerordentlich erfolgreiche Mission betrieb und mit einem starken Selbst- und Sendungsbewusstsein ausgestattet war (Röm 2,17-20; Jes 42,6). Hellenistisches Judentum – jüdische Diasporagemeinden außerhalb Palästinas (Gründe: Exil, Emigration, Niederlassungen; Synagogen als Sammelpunkte). Alexandria als größte jüdische Gemeinde, der Überlieferung nach Ort der Übersetzung der hebräischen Bibel ins Koine-Griechische (Septuaginta) Grab Schammais, im 1. Jh. v. Chr. Begründer der strengen pharisäischen Schule, der auch Paulus angehörte (im Unterschied zur Schule Hillels) Mission der Pharisäer im Gegensatz zur liberalen Praxis der Diasporajuden Im Unterschied zu den liberalen Diasporajuden im hellenistischen Umfeld vertraten die Pharisäer zwar auch eine Mission, bestanden dabei aber auf den strengen Grundsätzen und auf der Beschneidung. Der Konflikt, der später im Urchristentum ausgetragen wird, war also bereits im Judentum selbst vorhanden. Paulus vertrat dabei zunächst die strenge Haltung der pharisäischen Observanz. Das war der Grund, warum er die Christen verfolgte, die sich in der Zuwendung zu ihrer nicht-jüdischen Umwelt von Teilen der Tora verabschiedeten und Christus als neuen Zugang zur Gottesverehrung verkündigten. Das, und nicht schon der Glaube an Jesus als den Messias (messianische Bewegungen innerhalb des Judentums gab es etliche), machte diese Bewegung verdächtig. Dura Europos am Euphrat (Grenze zum Irak), 300 v. Chr. als hellenistische Stadt im Seleukidenreich gegründet, 300 n. Chr. zerfallen, weist sowohl Synagoge als auch christliche Hauskirche auf Rekonstruktion der Synagoge von Dura Europos, neben dem Sakralraum eine weitläufige Gemeinschaftsanlage Fresko in der Synagoge von Dura Europos aus hellen.-röm. Zeit Plan der Hauskirche von Dura Europos, älteste bisher archäologisch nachgewiesene Kirche (232 n. Chr.) Wandmalerei aus dem Baptisterium der Hauskirche von Dura Europos, Motiv: der gute Hirte Alexandria, Hauptstadt des ptolemäischen Reiches, gilt als das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der hellenistischen Welt In Alexandria entstanden neue Synthesen von Judentum, Christentum und antiker Philosophie und Ethik Rekonstruktionsversuch der berühmten Bibliothek von Alexandria, dem Wissenschaftszentrum der Antike (etwa ab 300 v. Chr.) Philo von Alexandrien, etwa 20/10 v. Chr. – 40/50 n. Chr. führender jüdischer Exeget und Philosoph, wendet allegorische Auslegung aus der Homer-Interpretaion auf den Pentateuch an und verteidigt diesen als „höchste Philosophie“, übernimmt philosophische Positionen der Stoa (Weisheit), des Neupythagoraismus (Seelenewanderung) und des Platonismus (Urbild und Abbild) und verbindet diese mit biblischer Exegese. Denker wie er verschaffen dem Judentum hohen Respekt und Anziehungskraft in der Welt der vielen Götter und Kulte. „Wenn du, also, meine Seele, irgendeinen Wunsch hast, Erbe der göttlichen Güter zu werden, so verlasse nicht nur ‚dein Land‘, d.h. den Körper, und ‚deine Verwandtschaft‘, d.h. die Sinnlichkeit, und ‚das Haus deines Vaters‘, d.h. die Sprache (logos), sondern entfliehe auch dir selbst, gehe aus dir heraus in bacchischer Verzückung gleich den Besessenen und den Korybanten und gotterfüllt mit prophetischer Begeisterung. Denn die Seele wird Erbe der göttlichen Güter sein, wenn sie gottbegeistert nicht mehr in sich ist, sondern von himmlischer Liebe getrieben und entflammt, von dem wahrhaft Seienden geführt und zu ihm empor getragen wird, während die Wahrheit ihr voranschreitet und jedes Hindernis hinweg räumt, damit sie auf ebenem Weg wandele“ (Quis rerum divinarum heres sit, 69-70). „Ähnlich (wie den Bau einer Stadt) haben wir uns die Sache auch bei Gott zu denken, dass er also in der Absicht, die ‚Großstadt‘ (d.h. den Kosmos) zu bauen, zuerst im Geist ihre Formen schuf, aus denen er eine gedachte Welt zusammensetzte, und dann unter Benutzung jenes Musterbildes die sinnlich Wahrnehmbare herstellte. Gleichwie nun die in dem Baumeister zuvor entworfene Stadt nicht außerhalb eine Stätte hatte, sondern nur in der Seele des Künstlers eingeprägt war, ebenso hat auch die aus Ideen bestehende Welt keinen anderen Ort als den göttlichen „logon“, der dieses alles geordnet hat.“ (De opificio mundi 19-20). Die Religion der hellenistischen Welt war polytheistisch und synkretistisch. Das Judentum und später das Christentum boten eine monotheistische und ethische Alternative. Mithras-Kult, vermutlich ausgehend von Persien Serapis-Kult in Ägypten (Ptolemäer), Synkretistischer Mysterienkult, stilisiert als Zeus mit Erntekorb (Fruchtbarkeit) Antijüdische Religionspolitik der Römer Im Jahr 6 n. Chr. hob Augustus die Privilegien der Juden auf, gestattete „nationalistischen“ Kreisen Hetze gegen sie und Beraubung ihres Eigentums. Kaiser Tiberius verfügte 19 die Vertreibung der Juden aus Rom und später die Einsetzung des Pontius Pilatus zum Statthalter Judäas. Dieser provozierte die Juden gleich beim Amtsantritt mit Kaiserstandarten im Jerusalemer Tempelbezirk. 38 folgte mit kaiserlicher Duldung ein großes Pogrom an den Juden in Alexandria: Ihre Synagogen wurden zerstört, viele wurden gefoltert und massakriert, der Rest wurde verjagt. Darauf reagierten die Diasporajuden im römischen Reich mit verstärkter Abgrenzung: Sie verweigerten die Tisch-, Ehe- und Kult-Gemeinschaft mit Andersgläubigen vor Ort. Kaiser Claudius, 41 – 54 n. Chr. versucht eine moderate Religionspolitik, die einerseits alte Privilegien um des inneren Friedens willen respektiert und andererseits die Ausbreitung und den Einfluss orientalischer Mysterienreligionen in Rom begrenzt. Das Claudiusedikt zur Ausweisung der Juden Roms, 49 n. Chr., wird von Sueton erwähnt und indirekt in Apg 19 bestätigt. Trennung von Judentum und Christentum Um 50 n. Chr. verschärften sich die Konflikte im wechselseitigen Ablösungsprozess von Christentum und jüdischer Mutterreligion, sei es aus Gründen der Konkurrenz, oder des Blasphemie-Vorwurfs oder des erstarkenden jüdischen Nationalismus. Auch das Claudiusedikt 49 n. Chr. steht vermutlich in diesem Zusammenhang. Das Christentum bildet sich als eine eigenständige Bewegung heraus. Dabei ging die Jerusalemer Urgemeinde und später auch das sich in Palästina nach der Zerstörung Jerusalems (70 n. Chr.) entwickelnde Christentum andere Wege in der Interpretation der Tradition (Tora) als es im Zuge der paulinischen Mission und danach in der Paulusschule geschah, deren Zentrum man in Ephesus vermuten kann. In der synoptischen Tradition, besonders bei Matthäus, kann man das nach 70 n. Chr. beobachten. Spätestens 64 n. Chr. darf man davon ausgehen, dass die christliche Gemeinde sich verselbständigt hatte. Denn die Christenverfolgung unter Nero, der vermutlich auch der auf seinen Prozess wartende Apostel Paulus zum Opfer fiel, wendet sich gegen die Christen im Rom als eine große, wachsende und eigenständige Bewegung – eine Entwicklung, die 40 n. Chr. in Antiochia ihren Anfang nahm.