Für mehr Umweltbewusstsein, für mehr

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Für mehr Umweltbewusstsein, für mehr Lebensqualität in Kiel werben – aber wie?
Überarbeitung des Referats gehalten beim Treffen der Gruppe „Kiel im Wandel – Transition Town“ am 22.6.2010
Vorbemerkung:
Um die Idee von „Kiel im Wandel – Transition Town“ zu verbreiten, muss Überzeugungsarbeit geleistet werden, das heißt, andere müssen für Veränderungen gewonnen werden. Die Veränderungen , um die es der Transition Towns Bewegung geht, liegen auf lokaler, regionaler Ebene, ja sie betreffen sogar internationale Politik und Wirtschaft. Aber auch das Verhalten jeder/jedes Einzelnen wird sich ändern müssen, soll ein Wandel herbeigeführt
werden.
Um letztere geht es im Folgenden; solche Veränderungen betreffen, z. B.

politisches Engagement
+ individuell (Unterschrift leisten auf Listen oder per E-Mail, Protestbriefe schreiben u. ä.)
+ durch Beteiligung an öffentlichen Protesten (wie Demos, Blockaden, Streiks, Aktionen u. ä.)
+ durch Mitarbeit in einer im weitesten Sinn politischen Gruppe
 Konsumverhalten
 den Lebensstil.
Wenn wir andere auf solche Veränderungen ihrer bisherigen Gewohnheiten ansprechen, machen wir nicht immer die erhofften positiven Erfahrungen.
Nicht selten wird uns entgegnet:
 Ich will meinen Lebensstil nicht ändern, will auf nichts verzichten!
 Du verhältst dich auch nicht umweltbewusst, weil du ... machst/nicht machst.
 Die Leute wollen sich ja gar nicht wirklich verändern und mehr desgleichen.
Das ist frustrierend, aber auch verständlich, sind wir alle doch nicht als politisch „Radikale“ auf die Welt gekommen, haben uns z. T. über Jahre verändert und haben es immer noch nötig, uns/unser Verhalten zu ändern. Manche kennen von sich selbst sehr gut, dass es sehr darauf ankommt, wie wir auf
notwendige Veränderungen angesprochen werden. Einmal sind wir genervt, abgetörnt, ein anderes Mal werden wir nachdenklich.
Infolgedessen haben sich Wissenschaftler und Transition Town Praktiker (ich benutze die männliche Form, weil ich bislang nur Autoren kenne, die
sich dazu in Buchform geäußert haben, s. u.) intensiv mit der Frage beschäftigt, welche Barrieren bestehen und mit welchen Methoden diese verringert
werden können.
Dieses Thema behandeln:
 Claus Leggewie und Harald Welzer in ihrem Buch „Das Ende der Welt, wie wir sie kannten“, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2009 (im
Folgenden abgekürzt L&W mit anschließender Seitenzahl) und
 Rob Hopkins in „Energiewende – Das Handbuch Anleitung für zukunftsfähige Lebensweisen“, Zweitausendeins, Frankfurt am Main, 2008 (im
-1-
Folgenden abgekürzt RH mit anschließender Seitenzahl)
Auf ihre Aussagen beziehe ich mich im Folgenden.
Vorab ist es wichtig sich klar zu machen, dass es Gründe für ein Nicht-Handeln gibt, aber auch Möglichkeiten, die Handlungsbereitschaft zu erhöhen.
Es gibt Gründe für ein Nicht-Handeln.
Unser Bewusstsein ist durch die Normalität des jetzigen
Lebensstils geprägt; Änderungen erscheinen als Verzicht
(RH 88f, L&W 89ff, 181f).
Es gibt Möglichkeiten, die Handlungsbereitschaft zu erhöhen.
Es gilt den Verzichtsbegriff zu entideologisieren, indem man:
a) darauf hinweist, worauf wir derzeit gezwungenermaßen verzichten (ein bequemes,
preiswertes, umweltschonendes Verkehrsystem, Vereinbarkeit von Beruf und Familie für
Männer und Frauen, etc.)
b) das hinterfragt, was als erstrebenswerter Luxus gilt (Flugreisen unter heutigen Sicherheitskontrollen, exotische Früchte ohne Geschmack, etc.).
Allgemein lässt sich feststellen:
Menschen tun Dinge, die ihnen schaden, sie verzichten (gezwungenermaßen, aber auch
mehr oder weniger freiwillig) auf Lebensqualität (z. B. Sinnerfüllung in ihrer Erwerbsarbeit, Gesundheit), wobei der „Verzicht auf diesen Verzicht“ das Leben angenehmer machen würde (L&W 178).
Es genügt nicht, einzelne Veränderungen anzustreben, vielmehr ist es wichtig, eine Vorstellung davon zu entwickeln, in was für einer Gesellschaft wir künftig, in 10, 25, 50 Jahren, leben wollen.
Dieser Satz kann nicht dick genug unterstrichen werden, da in Diskussionen häufig Einzelaspekte herausgegriffen werden (s. u. „Tunnelblick“); das kann dann in der Argumentation nicht gut gehen. Stattdessen sollten wir uns daran erinnern, dass der Philosoph
Theodor W. Adorno schrieb: „Es gibt kein richtiges Leben im Falschen.“ Also: Wir können in einem Teilbereich der Gesellschaft nicht widerspruchsfrei leben. Daher ist es für
KritikerInnen immer leicht, uns auf Widersprüche hinzuweisen. Diese Kommunikationsfalle sollte daher tunlichst vermieden werden. Das kann geschehen, indem man/frau aufzeigt, wo gesellschaftliche Rahmenbedingungen in Teilbereiche hinein wirken und so zu
nicht auflösbaren Widersprüchen führen.
1. Idee: AG Visionen und Utopien
-2-
Um nun die Gesamtheit der notwendigen Veränderungen für die Kiel-im-Wandel-Gruppe
nicht aus den Augen zu verlieren. könnte sich eine AG gründen, die Visionen und Utopien sammelt, alles zu einem Ganzen verbindet und kreative Ideen für deren Veröffentlichung entwickelt. (L&W 229f)
Einige Anregungen:
 Schlagzeilen, die du gerne einmal lesen möchtest
 Fremdenführer durch die zukünftige Energiewendestadt Kiel (RH 103)
 imaginäre Zeitung von 2015, 2030, 2050 (RH 106)
 mit Kummerkastenkolumnen
 Kurzgeschichten schreiben
 Visionen zu Teilbereichen entwickeln wie:
+ Ernährung und Landwirtschaft,
+ Gesundheit und Medizin.
+ Bildung und Erziehung
+ Wirtschaft
+ Verkehr
+ Wohnungsbau (RH 106 -111)
Diese Teile gemeinsam zusammenfügen, damit keine internen Widersprüche entstehen.
Wir handeln nach kurzfristigen Überlegungen und Zielen,
denn unser (politisches) Denken und Handeln ist geprägt
durch Tunnelblicke, partikulare Rationalitäten. Wir sind es
weniger gewohnt, langfristige Überlegungen anzustellen.
(Z. B.: Kürzlich wurde berichtet: VW wird 2011 bereits 2
Mio. Autos nach China verkaufen; diese Nachricht wurde
nicht kritisch bewertet; es wurde nicht kommentiert, was
diese Nachfrage für die Umwelt, das Klima, den CO2-Ausstoß bedeutet.
Anderes Beispiel: Fortschrittliche und/oder linke Zeitungen berichten über Umweltprobleme durch Flugfernreisen,
bieten gleichzeitig aber Lesereisen an, um andere Kulturen

eine Open-Space-Veranstaltung zum Träumen organisieren (RH 128)

Um diesem Denken, insbesondere der Kommunikationsfalle „Tunnelblick“ zu begegnen, müssen wir uns auf permanentes Lernen einstellen (L&W 199), uns nicht entmutigen lassen, denn eine Umstellung kann schneller gelingen als heute absehbar (Es ist
nur wenige Jahrzehnte her, da wurde in Uni-Seminaren, bei Konferenz, in Restaurants usw. hemmungslos geraucht; heute, nach kurzer Zeit des Rauchverbots, kann
schon eine Rauchschwade, die uns im Freien unbeabsichtigt in die Nase weht, als unangenehm empfunden werden, vgl. auch L&W 202).

Wir müssen uns auch immer vor Augen halten, dass Menschen sehr wohl ansprechbar sind und nicht denken, die „Masse“ wolle keine Veränderung. Umfragen beweisen das Gegenteil, z. B. zu Kernenergie, Gentechnik, Sparpaket etc. (zu Kernenergiedemos vgl. L&W 212ff).
-3-
und Völker kennenzulernen an Orten, die man nur mit dem
Flugzeug erreichen kann.)

Ein Problem der Kurzfristigkeit im Denken besteht auch darin, dass es zu manchen
Themen nicht ausreichende Überlieferungen über frühere Verhältnisse gibt. (So haben in Kalifornien jüngere Fischer nicht die Probleme gesehen, die ihre älteren Kollegen ansprachen, weil die jüngeren nie erlebt hatten, dass mehr Fische gefangen
wurden und es wesentlich mehr Arten gab. L&W 93)
Bei einem solchen Verhalten spricht man auch von
Diskontierung zukünftiger Gewinne, d. h. man nimmt zur
Erzielung kurzfristiger Gewinne die Schädigung der Ressourcen in Kauf oder macht sich über die Folgen keine Gedanken, sie sind manchmal auch nicht abschätzbar oder gar 2. Idee: zeitlich befristete AG Erinnerung
unbekannt (L&W 80).
Hierzu könnte eine zeitlich befristete AG gegründet werden, die ältere Menschen fragt,
was früher gegessen wurde, aus welchen Materialien Gegenstände früher waren, die heute aus Plastik hergestellt werden etc.
3. Idee: Entgegnungen erarbeiten, sammeln und veröffentlichen
Wir können Standardargumente und kreative, effektive Entgegnungen darauf sammeln
(Bsp. Der Verzicht auf Produkte aus der sog. 3. Welt und auf Reisen dorthin, verschlechtert deren Entwicklungschancen, s. auch L&W 191)
4. Idee: andere Konzepte kennen lernen
Gegen den Tunnelblick müssen wir in anderen Kategorien denken/lernen. Dazu gehört,
dass wir uns mit anderen Konzepten vertraut machen, z. B.:
+ Konversion (damit ist die schrittweise Umwandlung von Unternehmen, genauer deren Produktionen gemeint, die sich nicht mit den Zukunftsperspektiven vertragen wie die
Autoindustrie, die Waffen- und Kriegsindustrie etc., also eine Art Entwicklungsplan für
das Projekt „Schwerter zu Pflugscharen“)
+ nachhaltige, regionale Kreislaufwirtschaft
Dies kann durch Vorträge, Seminare o. ä. angestoßen werden. Interessierte können dann
einzelne Konzepte auf Kieler Verhältnisse herunterbrechen und Handlungsschritte entwickeln, die später in der Gruppe diskutiert und in geeigneter Form in eine politische
Diskussion eingespeist werden können.
Handeln wird dadurch erschwert, dass die Probleme sehr
komplex sind und daraus manchmal Resignation entsteht.
Rob Hopkins schlägt vor, Räume zu schaffen, in denen die Menschen die Möglichkeit
haben, die eigenen Argumente für Veränderungen zu artikulieren. So können sie sich
-4-
Dazu kommt, dass bzgl. vieler Probleme Ursache- und
Wirkungsketten auseinander gerissen sind, daher ist es z.
B. manchen Menschen nicht einsichtig – vor allem nach
dem sehr kalten und langen Winter 2010 – dass wirklich
ein Klimawandel und eine Erderwärmung eintreten werden; Klimawandel ist ein träger Prozess.
selbst motivieren, aktiv zu werden. Nach seiner Erfahrung baut sich so der Wille in den
Menschen auf, die eigenen Ambivalenzen und inneren Widerstände zu überwinden und
die Veränderungen selbst herbei zu führen (RH 88, 90).
5. Idee: Gesprächskreise zu Veränderungen
Solche Gesprächskreise können im Anschluss an Themenabende und inhaltlich mit den
Themen abgestimmt als Kleingruppen durchgeführt werden; es sind aber auch noch
andere Anlässe, andere Rahmenbedingungen dafür denkbar.
Es gibt verschiedene psychologische Abwehrmechanismen Die folgenden Vorschläge lassen sich nicht einzelnen Abwehrmechanismen zuordnen.
und Widerstandsformen gegen Veränderungen, dazu gehören über das bereits genannte z. B.:
 Empowerment (=Selbstermächtigung)
Viele BürgerInnen engagieren sich „subpolitisch“, also unterhalb der Schwelle von Poli Kognitive Dissonanz
tik- und Medienbetrieb, für gesellschaftliche Belange, für die Verbesserung von LebensDarunter versteht die Sozialpsychologie einen unangeneh- bedingungen.
men Gefühlszustand, der dadurch entsteht, dass mehrere
Kognitionen, also Wahrnehmungen, Gedanken, Meinun Resilienz (= Widerständigkeit)
gen, Einstellungen, Wünsche oder Absichten nicht mitein- Genauso wichtig ist es wahrzunehmen, wie Menschen Probleme meistern und Widerstänander vereinbar sind. Folglich werden Strategien entwikde überwinden können (L&W 196f).
kelt (s. u.), um diese Kognitionen miteinander vereinbar zu
machen, z. B. durch Einstellungsänderungen (wikipedia). 6. Idee: Erfolgsgeschichten aufschreiben
Am bekanntesten ist vermutlicht das saure-Trauben-Argu- Zu beidem, Empowerment und Resilienz, können Geschichten und Erfolgsmeldungen
ment des Fuchses, der die reifen Trauben nicht erreichen
gesammelt, aufgeschrieben und veröffentlicht werden, die ermutigend wirken.
konnte und diese zu seinem „Trost“ als sauer bezeichnete.
Der Klimawandel ist z. B. wie oben bereits angesprochen  Aktives Zuhören
ein Thema mit erheblicher kognitiver Dissonanz (L&W
Es ist nicht so einfach, anderen Menschen zuzuhören, ohne einzuhaken, ohne die eigene,
78f).
andere Meinung oder Vorgehensweise dem/der GesprächspartnerIn sofort mitzuteilen.
Daher hat man in GB bei Veranstaltungen Zuhörübungen gemacht, wobei eine Person die
 Dissonanzreduktion
folgenden Sätze vervollständigen musste, während die andere nur aktiv zuhörte.
Dabei geht es darum, eine falsche Handlung mit dem
+ Wenn ich an Peak Oil denke, mache ich mir Sorgen um ...
richtigen Bewusstsein zur Deckung zu bringen. (z. B. Je+ Meine Zukunftsvision für unsere Stadt ist ...
mand macht einen Schnäppchen-Wochenendtrip nach Mai+ dazu kann ich selbst beitragen...(RH 90)
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land und sagt sich: „Ohne mich würde das Flugzeug ja
auch fliegen.“ Oder die Person fühlt sich besser, weil sie
sich sagt, sie habe im Gegensatz zu den meisten anderen
Passagieren immerhin ein schlechtes Gewissen. s. auch
L&W 77)
7. Idee: Aktives Zuhören
Bei einer der nächsten Gruppentreffen kann diese Übung evtl. mit anderen zum Thema
des Abends passenden Sätzen durchgeführt werden.


Attributionsfehler
Es wurde festgestellt, dass wir, wenn wir unser eigenes
Handeln erklären, fast immer auf die Umstände Bezug nehmen (Z. B.: Ich war gezwungen, Frau K. zu entlassen,
konnte nichts anderes tun, hatte keine Alternative).
Wenn dagegen andere Menschen etwas tun, neigen wir dazu, die Motive dafür in der Person zu suchen (Er kriegt das
nicht hin; ihr fehlt Führungsstärke, usw. L&W 75f)
AG Herz und Seele
In GB hat man AGen „Herz und Seele“ gebildet, die sich speziell mit den Stadien der inneren Veränderung, mit Motivation, Widerständen und Ambivalenzen auseinandergesetzt
haben (RH 90).
8. Idee: AG Herz und Seele gründen
Nach britischem Vorbild kann eine AG Herz und Seele gegründet werden. Gleichzeitig
scheint es auch erforderlich, Methoden z. B. der motivierenden Gesprächsführung zu erlernen (s. u.)

shifting baseslines, Umdefinieren von Phänomenen.
Das geschieht z. B. wenn Risiken eine geringere Bedeu Methoden motiverender Gesprächsführung
tung beigemessen wird. (Z. B. bei gentechnisch manipuIn GB wurden Methoden motivierender Gesprächsführung gelernt (RH 89) und Intervenlierten Pflanzen). Auch beim Entstehen von Wertewandel tionen aus der Motivationspsychologie.
ist dieses Verhalten zu beobachten. (So galten in Deutsch- Letztere haben insbesondere die folgenden sechs Bestandteile:
land türkisch-stämmige MigrantInnen bis zum Anwerbe+ Rückmeldung
stopp 1973 als besonders fleißig und waren angesehen.
Eine ehrliche Einschätzung der Situation geben.
Der Anwerbestopp sollte von der Bevölkerung nachvollzoAber Vorsicht: Es muss darauf geachtet werden, dass Ohnmachtsgefühle nicht die
gen und akzeptiert werden; in der Folge änderte sich die
Oberhand über lösungsorientierte Programme erhalten, sondern dass Interesse geEinstellung gegenüber „MuslimInnen“ ; vgl. auch L&W
weckt wird (RH 94)
94f)
+ Eigenverantwortung
Menschen sollen Verantwortung für ihr Handeln übernehmen (RH 94).
+ Selbstwirksamkeit
Dabei geht es um eine positive Einschätzung der eigenen Fähigkeit, ein Ziel zu erreichen (RH 95).
+ Empfehlungen
Auf kommunaler Ebene können z. B. Strategieempfehlungen an die Gemeinde gege-6-
ben werden, Aktionspläne u. ä. (RH 94).
+ Datei verschiedener Alternativen
Den Beteiligten und Verantwortlichen wird Gelegenheit gegeben, Alternativen abzuwägen (RH 94).
+ Anteilnahme
Wenn sehr viele Leute für ein verändertes Bewusstsein gewonnen werden sollen, ist
es wichtig, sich in die Menschen einzufühlen, sie in der Hoffnung zu bestärken, dass
Veränderung möglich ist und nicht ihnen Vorhaltungen wegen ihres umweltschädigenden Verhaltens zu machen.
In Dialogen zwischen einer Person, die Informationen gibt und einer, die sie erhält,
muss vermittelt werden, dass die Person, die die Info bekommt, in die Entscheidungsprozesse einbezogen wird (RH 95).
Die Reihenfolge dieser Bestandteile ist dabei von der Situation abhängig, sie kann also
wechseln. Die Anfangsbuchstaben ergeben RESEDA (engl. FRAMES, RH 91).
Reseda ist eine duftende
Blume, deren
Blütenstand aus vielen
Einzelblüten besteht.
-7-
8. Idee (Fortsetzung):
Diese Methoden zu erlernen gehört unmittelbar zur oben bereits als 8. Idee vorgestellten
AG Herz und Seele.
 Handeln
Das stärkste Motiv für Veränderung der Praxis sei die Praxis selbst, schreiben Leggewie und Welzer, denn die konkrete Erfahrung mache Lust, die Lebenswelt zu verändern. (Bsp. Zunahme von Bioenergiedörfern, Solar- und Energieeinkaufsgenossenschaften, L&W 209f) Veränderte Lebensstile und anderes Konsumverhalten können
zur Grundlage für eine effektive Umweltgesetzgebung und Verwaltung werden, u. a.
weil sie die öffentliche Debatte bestimmen und Unter-nehmer inspirieren können
(L&W 209f). Daher spricht man auch von der normativen Kraft des Faktischen, sie ist
stärker als Aufklärung über negative Auswirkungen (L&W 204).
Nachgedanken:
Die Autoren, auf deren Ausführungen ich mich bezogen habe, erweitern m. E. traditionell (linke) politische Vorstellungen von Veränderung um
folgende Aspekte:

Auch KonsumentInnen können revolutionäre Subjekte sein.
Nachhaltiger Konsum wird von den Vereinten Nationen definiert als „die Nutzung von Gütern und Dienstleistungen, die gleichzeitig Einsatz natürlicher Ressourcen, toxischer Stoffe und Emissionen von Abfall und Schadstoffen über den Lebenszyklus hinweg minimieren, um nicht die Bedürfnisbefriedigung künftiger Generationen zu gefährden.“ (zit. nach L&W 187f).
Ein politischer Konsum hat durchaus Chancen, politische Konsequenzen zu erzeugen. Denkbar ist z. B. Konsum gemäß einem ökologischen und
sozialen (u. a. faire Löhne) Fußabdruck (L&W 188, dort wird auf sog. Kochbewegung à la Jamie Oliver und Sarah Wiener verwiesen).
-8-

In einer anderen Gesellschaft wird es auch psychologisch andere Menschen geben.
Veränderungen im Gesellschaftsgefüge bringen psychisch andere Menschen hervor (L&W 180). Andere psychische Strukturen bereiten Veränderungen in Gesellschaften vor.
Zur Zeit der Industrialisierung mussten die dringend benötigten Arbeitskräfte zunächst mit Gewalt in die Fabriken getrieben werden. Schließlich
begann ein Wandel in der psychischen Struktur der Menschen und sie verinnerlichten die gesellschaftlich wünschenswerten Eigenschaften wie
Pünktlichkeit, Ordentlichkeit u. ä. (diese haben sich z. T. bis heute in den sog. Kopfnoten erhalten) durch (früh-)kindliche Sozialisation.
Als es sich zeigte, dass die Bevölkerung mehrheitlich nicht nur mit ihrer Arbeitskraft gebraucht wurde, sondern auch als KonsumentInnen um
Überproduktionskrisen abzufedern, wandelten sich die Werte, das lustvoll konsumierende Individuum wurde gesellschaftlich notwendig. Teilweise
wurde dieser Sozialcharakter auch als neuer Sozialisationstyp oder narzisstischer Typ bezeichnet. Der Wandel drückt sich auch in Werbe-/politischen und anderen Slogans aus wie: „Schaffe, schaffe Häusle baue, Kinner mache sterbe“, wo wenig Raum für Lust vorgesehen war und arbeiten
und sparen hoch im Kurs standen; dann galt: „Es war schon immer etwas besonderes einen teuren Geschmack zu haben“, womit der Hang zu Luxus und Exklusivität befördert wurde; bis hin zu: „Geiz ist geil“, der Leitspruch aller SchnäppchenjägerInnen, der vor allem den großen Discountern KundInnen verschaffen soll/te.)
Daher gilt es bei „Stadt im Wandel – Transition Towns“ sowohl die innere als auch die äußere Dimension der Veränderung zu berücksichtigen; rationale Aufklärung allein genügt nicht (RH 91).

Wir brauchen auch eine kulturelle Revolution.
Eine nachhaltige Lösung der Probleme, die die unsere Welt hervorgebracht hat, erfordert nichts weniger als eine kulturelle Revolution, schreiben
Leggewie und Welzer (L&W 227). Dabei geht es u. a. um mehr Demokratie, um eine Revolution des Alltags, denn das Private ist politisch (L&W
227). Interessant, dass hier einer der wichtigsten Slogans der Frauenbewegung der 60er und folgender Jahre aufgegriffen wurde, allerdings bedauerlicherweise ohne dies an- und auszusprechen. Gemeint ist, dass Politik bis in den privatesten Bereich hineinwirkt, dort allerdings manchmal nur
schwer erkennbar ist.
Das Handeln von Menschen hängt nicht allein von materiellen und rationalen Erwägungen ab, sondern spielt sich innerhalb eines sozialen und
symbolischen Raums ab, d. i. ein Raum von Werten, Tabus, kulturellen Deutungsmustern etc. Als Beispiele nennen Leggewie und Welzer den
Autofetisch oder wie sie sagen die „Affenliebe zum Auto“, außerdem die Tendenz, den Status eines Menschen an seinem/ihrem Besitz zu messen
(Werbung: Mein Haus, mein Boot, mein Auto etc.) Weiter sprechen sie davon, dass eine Wir-Identität entwickelt werden sollte (statt: Unterm
Strich zähl ich.) und nennen dies einen Fluchtpunkt (L&W 234). Ich spreche gerne von einem Fixpunkt am Horizont, auf den wir uns mit unserer
Bewegung ausrichten sollten, ohne die dorthin zielenden nächsten Schritte aus dem Auge zu verlieren und möglichst, indem wir politische Konzepte kritisieren, die wir als nicht sich auf den Fixpunkt zu bewegend erkennen.
Ursula Müller
-9-
30.6.2010
- 10 -
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