1 Krankenbericht Über einen patienten der Medizinischen und gerichtlichen veterinärklinik I der xxx Angefertigt von: xxx Bei dem zu untersuchenden Patienten handelt es sich um einen Hund. Der Besitzer des Patienten ist Herr xxx. 2 Anamnese Der Hund trug seit dem 19.Dezember 2000 die Rute wie ein Hammelschwanz. Am 31.Dezember 2000 bekam der Hund Fieber, woraufhin der Besitzer ihn beim Haustierarzt vorstellte, der offene Stellen am Schwanz sowie eine nicht mehr durchblutete, zum Teil entzündete Rutenspitze diagnostiziere. Die Rute wurde daraufhin am 05.Januar 2001 kupiert, woraufhin das Fieber 3-4 Tage post operationem abklang. Am 15.Januar 2001 bekam der Hund Husten, woraufhin Benadryl-Hustensaft verabreicht wurde. Als sich der Husten daraufhin nicht besserte, wurden ein Antibiotikum sowie ein Codein-haltiger Hustensaft verabreicht. Die Eingabe des Hustensafts erfolgte durch den Besitzer, der das Medikament mittels einer Tasse dem Hund einflößte. Der Krankheitszustand besserte sich nach dieser Behandlung zunächst, am 20. Januar 2001 zeigte der Hund jedoch eine reduzierte Futteraufnahme, am 21.Januar 2001 erhöhte Temperatur (39,5°C), Vomitus sowie eine rauhe, pumpende Atmung. Bei erneuter Vorstellung des Tieres beim Haustierarzt „hörte sich die Lunge rauh an“. Der Haustierarzt äußerte den Verdacht einer Kehlkopfentzündung und verabreichte 3 Spritzen (unter anderem ein Antibiotikum). Die Vorstellung in der Klinik erfolge am 21.Januar 2001 Der Hund ist regelmäßig geimpft (ohne nähere Angaben zum Typ der Impfung) und entwurmt (letzte Entwurmung vor ca. 6 Monaten). Das Tier wird als Jagdhund genutzt, in Zwingerhaltung gehalten und vorwiegend mit Fertigtrockenfutter gefüttert. Die Futteraufnahme ist aufgehoben (Inappetenz), die Wasseraufnahme ebenso wie der Urinabsatz gesteigert (Polydipsie & Polyurie). Der abgesetzte Kot ist dünnflüssig (Diarrhoe).Der Hund zeigt Erbrechen (Vomitus) sowie einen Leistungsabfall. Es fanden keine Auslandsaufenthalte statt. Anfälle wurden nicht beobachtet. Der Hund hatte in der Vergangenheit sowohl Zecken als auch Flöhe (zu deren Bekämpfung ein Flohhalsband eingesetzt wurde). Das Tier wird mit anderen Hunden gemeinsam gehalten, die jedoch ebenso wie der Besitzer keine Krankheitsanzeichen aufweisen. Signalement 3 Bei dem zur Untersuchung vorgestellten Tier handelt es sich um den 7 Jahre alten, unkastrierten Deutsch-Langhaar-Rüden „xxx“. Er wiegt 29kg. Das Fell ist einheitlich dunkelbraun gefärbt. Klinische Untersuchung Allgemeine klinische Untersuchung Der Hund verhält sich sehr ruhig, nimmt jedoch aufmerksam an der Umgebung teil. Auffällig ist eine sehr straffe Haltung mit gestrecktem Kopf. Der Pflegezustand ist als gut, der Ernährungszustand als mager zu bezeichnen. Die Körperinnentemperatur beträgt 39,5 ° Celsius. Der Puls liegt bei 120 Schlägen pro Minute, die Atmung hat eine Frequenz von 68 Zügen pro Minute. Spezielle klinische Untersuchung Haare, Haut und Unterhaut Das Fell ist glatt und liegt dicht an. Haare lassen sich nicht vermehrt ausziehen. Beim Ziehen einer Hautfalte an der seitlichen Thoraxwand verstreicht diese sofort. Die Körperoberflächentemperatur am Rumpf ist physiologisch und nimmt zu den Akren hin ab. Einzig auffällig ist die teilweise geschorene, auf ca. 20 cm kupierte Rute, die vermehrt warm und an der eine Naht sichtbar ist. Sichtbare Schleimhäute Die Schleimhäute der Mundhöhle und die Konjunktiven sind blaß, feucht, glatt, glänzend und ohne Auflagerungen. Palpierbare Lymphknoten Zu palpieren waren die Lnn. mandibulares, cervicales superficiales und poplitei. Die Größe ist physiologisch. Sie sind verschieblich, nicht vermehrt warm, nicht schmerzhaft und die Oberfläche ist nicht gelappt. Zirkulationsapparat Der Puls hat eine Frequenz von 120 Schlägen pro Minute. Er ist regelmäßig, gleichmäßig, groß und hart. Die Gefäße sind gut gefüllt und stark gespannt. Die kapilläre Rückfüllungszeit bei 1-2 Sekunden. Die Episkleralgefäße sind fein gezeichnet und nicht gestaut. Herzfrequenz und Herztöne sind aufgrund starker Atemgeräusche nicht auskultierbar. Der Herzspitzenstoß ist beiderseits nicht palpierbar. Respirationsapparat 4 Die Atemfrequenz beträgt 68 Züge pro Minute. Der Atemtyp ist invers. Auffällig sind die hochgradig vertiefte Intensität und eine hochgradige exspiratorische Dyspnoe mit „Backenblasen“ bei Aufregung. Der Nasenspiegel ist feucht und zeigt keine Auflagerungen. Seröser Nasenausfluß ist beiderseitig zu beobachten. Es tritt spontaner Husten auf, bei dem schaumiger, rötlich-brauner Auswurf abgegeben wird. Kehlkopf, Luftröhre und Schilddrüse sind palpatorisch unauffällig. Bei Druck auf den Kehlkopf ist bei stärkerem Druck Husten auslösbar. Der Brustkorb ist bilateral symmetrisch. Bei der Auskultation der Lunge ist ein verschärftes bronchovesikuläres Atemgeräusch zu hören. Digestionsapparat Futter- und Wasseraufnahme sowie Kotabsatz werden während der Untersuchung nicht beobachtet. Laut Vorbericht bestanden allerdings Inappetenz und Vomitus. Zahnstein ist nicht feststellbar. Ein leichter Mundgeruch ist wahrnehmbar. Bei der Palpation des Abdomens sind keine Veränderungen feststellbar. Im ereich des Afters sind keine Veränderungen oder Verschmutzungen zu sehen. Urogenitaltrakt Während der Untersuchung findet kein Harnabsatz statt. Die Nieren weisen palpatorisch keine Veränderungen auf. Penis, Präputium und Skrotum zeigen sowohl adspektorisch als auch palpatorisch keine Auffälligkeiten. Bewegungsapparat Alle Gliedmaßen werden in Ruhe und im Gang gleichmäßig belastet. Es ist keine Schmerzhaftigkeit oder Ataxie feststellbar. Nervensystem und Sinnesorgane Das Allgemeinverhalten ist sehr ruhig aber aufmerksam. Oberflächen- und Tiefensensibilität sind unauffällig, die Reflexe physiologisch und die Sensorik nicht eingeschränkt. Weiterführende Untersuchungen Laboruntersuchung Blut Blutbild Erythrozyten Hb Htc Leukozyten Einheit 1012 / l mmol / l l/l 109 / l Ist-Wert 5,78 8,3 ↓ 0,41 37,2 ↑ Normwert 5,5 –8,5 9,3 –11,8 0,4 - 0,55 12 - 16 Differentialblutbild Einheit Ist-Wert Normwert 5 Monozyten Lymphozyten Segmentkernige Undiff. Zellen % % % % 8↑ 6↓ 84 ↑ 1 0-5 13 - 30 55 - 75 Gerinnung Thrombozyten Einheit 109 / l Ist-Wert 526 ↑ Normwert 150 - 500 Leberparameter Ges.-Eiweiß Albumin Globulin Blutzucker Einheit g/l g/l g/l mmol / l Ist-Wert 72,6 26,2 46,4↑ 5,20 Normwert 60 - 80 23 - 32 Nierenparameter Harnstoff Natrium Kalium Calcium Einheit mmol / l mmol / l mmol / l mmol / l Ist-Wert 8,00 140 4,10 1,28 Normwert 3,3 – 8,3 140 - 155 3,5 – 5,1 1,2 – 1,8 3,05 – 6,10 Röntgen Thorax: Die knöchernen Begrenzungen weisen keine Veränderungen auf, ebenso wie die Trachea. Im Oesophagus befindet sich ein Luftdepot. Das Mediastinum, die Gefäße sowie das Herz sind nicht abgrenzbar. Die Lunge ist hochgradig verschattet und weißt multiple Rundschatten auf. Die Bifurkation ist sichtbar. Abdomen: Die knöcherne Begrenzung ist ohne besonderen Befund. Im Magen befindet sich eine dorsal Gasblase Der Darm weißt eine leichte Aufgasung auf. Die Nieren sind darstellbar und weisen keine Veränderungen auf. Die Leber ist nicht abgrenzbar. Die Milz ist nicht darstellbar. EKG Die Herzfrequenz liegt bei 130 Schlägen pro Minute. Das Herz schlägt im Sinusrhytmus und weißt keine Arrhytmien auf. Während der gesamten Aufzeichnungszeit tritt eine Extrasystole auf. Diagnose 6 Bronchopneumonie mit exspiratorischer Dyspnoe Differentialdiagnosen zu Dyspnoe Dyspnoe = „Krankhaft angestrengte, vertiefte und erschwerte Atmung“ Man unterscheidet zwischen inspiratorischer, exspiratorischer und gemischter Dyspnoe: Die inspiratorische Dyspnoe zeichnet sich durch eine verlängerte und vertiefte Inspiration aus. Als Ursachen kommen vor allem krankhafte Prozesse in den oberen Luftwegen wie Entzündungen, Fremdkörper, Halsbandstrangulationen, starke Tosillitiden, Mißbildungen wie z.B. ein zu langes Gaumensegel, Tumore oder Ödeme der oberen Luftwege sowie starke Exsudatansammlungen in der Trachea oder den Bronchien in Frage. Die exspiratorische Dyspnoe ist gekennzeichnet durch eine verlängerte und durch die Bauchmuskulatur unterstützte Exspiration, wobei es zur sog. „Dampfrinnenbildung kommen kann. Ursächlich in Frage kommen alle Behinderungen der normalen Ausatmung wie zum Beispiel akute oder chronische Bronchitiden mit Bronchiektasien oder Lungenemphysemen. Bei der gemischten Dyspnoe sind sowohl die Inspiration als auch die Exspiration verlängert. Die Ursachen in diesem Fall sind mechanische Verlegungen der Luftwege (z.B. durch Stenosen, Tumoren oder Fremdkörper), metabolische Azidosen, HerzKreislauf-Schwächen mit erhöhtem CO2-Gehalt im Blut, Bronchopneumonien oder Lungenödeme. Nase Nicht infektiös: - Tumoren die vor allem in den Nasennebenhöhlen auftreten und meist malignen Charakter aufweisen (in diesem Fall unwahrscheinlich, da in diesem Fall der Verlauf in der Regel langsam wäre. - Fremdkörper (Grashalme, Grannen, Ähren, Holzsplitter oder Metallstücke) die vor allem bei Jagdhunden häufig beobachtet werden können (unwahrscheinlich, da in der Regel nur ein Nasenloch betroffen wäre und mit starkem Niesen, sowie anfangs serösem, später blutig-eitrigem Nasenausfluß einher gehen würde) - Mißbildungen wie Atrophie der Turbinalia (v.a. beim irischem Wolfshund) oder Verengung der Nasenhöhle bei brachicephalen Rassen (unwahrscheinlich, da keine ausdrückliche Rasse-Disposition vorliegt und der Verlauf ebenfalls chronisch wäre) - Physikalische oder chemische Noxen (unwahrscheinlich, da sowohl vorberichtlich als auch adspektorisch keine Hinweise vorliegen) Infektiös (Viren): 7 - Staupe HCC Infektiös (Bakterien): - Streptokokken - Staphylokokken - Pseudomonaden Infektiös (Mykosen): - Hefen - Aspergillen Infektiös (Parasiten): - Linguata serrata - Leishmanien (unwahrscheinlich, da klinisch die Symptomatik des Niesens sowie eines anfangs serösen, später mukopurulenten Nasenausflußes im Vordergrund stehen würde. Des weiteren wäre keine derartig ausgeprägte Dyspnoe sondern eher eine Atmung bei geöffnetem Fang zu beobachten) Larynx Nicht infektiös: - mechanische, thermische oder chemische Noxen - Insektenstiche - Fremdkörper (unwahrscheinlich, da vorberichtlich, adspektorisch und palpatorisch keine Hinweise, z.B. in Form von Schwellungen, vorliegen) Infektiös (Viren): - Tollwut (Aufgrund der vorberichtlich erwähnten Impfung und der fehlenden „Tollwutsymptomatik“, wie z.B. Schluckbeschwerden, Heiserkeit, Hydrophobie und gesteigerten Aggressivität unwahrscheinlich) - Staupe (prinzipiell möglich, jedoch wären noch andere Symptome wie „hard-padSyndrom“, ZNS-Störungen oder Diarrhoen zusätzlich zu erwarten. Auch wären weitere Erkrankungen im Herkunftsbestand zu erwarten, die jedoch nach Aussage des Besitzers nicht vorliegen) Infektiös (Bakterien): - Streptokokken - Staphylokokken (unwahrscheinlich, da zusätzlich zu der bestehenden Symptomatik eine starke Tonsillitis und, bei Druck auf den Kehlkopf, leicht auslösbarer Husten zu erwarten wäre) Infektiös (Mykosen) 8 - Hefen - Aspergillen (unwahrscheinlich, da Pilzinfektionen in diesem Gebiet eher selten auftreten und sich durch weißlich-graue Beläge, die adspektorisch auffallen würden äußern würden) Trachea Nicht infektiös: - Fremdkörper (unwahrscheinlich, da bei Fremdkörpern, die sich in der Trachea verkeilen einerseits eine hochgradige gemischte Dyspnoe und andererseits ein dauernder hochgradiger Hustenreiz auftreten würde. Zusätzlich wäre ein plötzliches, unvermitteltes Auftreten der Symptome zu erwarten.) - Tumoren (unwahrscheinlich, da auch hier eine gemischte Dyspnoe und ein noch schleichenderer Verlauf zu erwarten wäre) - Spasmen (unwahrscheinlich, da auch Spasmen sehr plötzlich auftreten und sich in der Regel nicht über mehrere Tage halten) - Extratracheale Kompressionen (unwahrscheinlich, da diese entweder palpatorisch oder aber röntgenologisch feststellbar sein müßten um die vorliegende hochgradige Dyspnoe zu erklären) - Trachealkollaps (unwahrscheinlich, da es sich hier um eine vererbte Erkrankung mit einer klaren Rasse-Disposition, z.B. bei West-Highland-Terriern, handelt. Zu dem wären derartige Veränderungen röntgenologisch feststellbar.) Infektiös (Viren): - Herpesviren - Parainfluenzaviren - Adenoviren - Myxoviren - (Mykoplasmen) (eher unwahrscheinlich, da Viren alleine in der Regel keine derartig schweren Veränderungen hervorrufen. Die Hauptsymptomatik bei Virusinfektionen in der Trachea entsteht durch Sekundärinfektionen. Auch die Symptomatik würde sich in Form von anfallsweisem, trockenem Husten, schmerzhafter Palpation sowie einer inspiratorischen bis gemischten Dyspnoe von der vorliegenden Symptomatik unterscheiden.) Infektiös (Bakterien): - fakultativ und obligat pathogene Keime, die in der Regel als Sekundärinfektionen auftreten (ebenfalls eher unwahrscheinlich, da auch hier die bei viralen Infektionen vorherrschende Symptomatik vorliegen würde) Infektiös (Parasitär): - Wanderlarven von Toxocara canis, Ancylostoma caninum oder Strongyloides stercoralis - Crenosoma vulpis - Filaroides osleri 9 - Capilaria aerophila Parasiten in den Lungengefäßen, die die allgemeine Resistenz mindern, eine Stauung im kleinen Kreislauf verursachen und mit einer Laryngitis, Tracheitis oder Bronchitis einher gehen können. Zum Beispiel Angiostrongylus vasorum oder Dirofilaria immitis. (möglich, jedoch wäre auch hier eine ähnliche Symptomatik wie bei viralen oder bakteriellen Erkrankungen zu erwarten. Ein Ausschluß dieser Noxen wäre durch eine parasitologische Untersuchung einer Trachealspülprobe und des Kotes möglich.) Bronchien Nicht infektiös: - Allergische Reaktionen auf Medikamente, Pflanzen, Nahrungsmittel, Insektenstiche oder sonstige Allergene. (möglich, jedoch wären bei allergischen Reaktionen keine derartigen röntgenologischen Lungenveränderungen zu erwarten. Die Diagnose einer allergischen Reaktion wäre durch die Verabreichung von Glukocortikoiden möglich, in deren Folge sich die Symptome relativ schnell bessern müßten.) - Fremdkörper, wobei in den Bronchien vor allem Grannen oder Koniferennadeln zu finden sind (möglich, ein Ausschluß einer Fremdkörpererkrankung wäre durch eine Bronchoskopie möglich.) - Tumoren (unwahrscheinlich, da einerseits bei Tumoren eine Rasse-Disposition, vor allem für sibirische Huskys, vorliegt und andererseits Tumoren die derartige Veränderungen hervorrufen röntgenologisch sichtbar wären.) Infektiös (Bakterien): - siehe Trachea Infektiös (Viren): - siehe Trachea Infektiös (Parasiten): - siehe Trachea Lunge Nicht infektiös: - Lungentorsionen nach Traumen (unwahrscheinlich, da einerseits eine RasseDisposition für Afghanen, Collies und Barsoi vorliegt und andererseits Torsionen von Lungenlappen in der Regel durch röntgenologisch dastellbare Zwerchfellsrisse oder Pleuraergüsse verursacht werden) - Fettembolie nach Traumen (unwahrscheinlich, da vorberichtlich kein Trauma stattgefunden hat und bei der Untersuchung ebenfalls keine Veränderungen feststellbar sind, die auf ein solches hindeuten.) 10 - - - - Lungenblutungen aufgrund von Traumen oder Coumarinintoxikationen (die traumatisch bedingte Lungenblutung erscheint aus den gleichen Gründen unwahrscheinlich wie die Fettembolie. Eine Coumarinvergiftung erscheint jedoch gerade hinsichtlich der jagdlichen Nutzung des Hundes durchaus möglich, zumal eine Lungenblutung teilweise das einzige Zeichen einer Intoxikation darstellt. Jedoch sprechen die röntgenologischen Veränderungen auch hier eher gegen eine derartige Intoxikation. Ein definitiver Ausschluß wäre durch die Bestimmung der Gerinnungsparameter im Blut möglich.) Lungenstauungen aufgrund einer Herzinsuffizienz (unwahrscheinlich, da keine röntgenologischen Veränderungen wie im vorliegenden Fall zu erwarten wären und bei der klinischen Untersuchung keine Hinweise vorliegen) Tumoren bzw. Tumormetastasen (möglich aufgrund der Symptomatik und der klinischen Befunde. Jedoch schloß ein hinzugezogener Radiologe –Herr Dr. Tellhelm- eine Tumorerkrankung aufgrund der Röntgenbilder weitgehend aus.) Aspirationspneumonien (relativ wahrscheinlich, da der vorberichtlich eingegebene Hustensaft gerade bei der Eingabe mit der Tasse, die unter Umständen im Schwall erfolgte, relativ leicht ein Teil der Flüssigkeit bei einer der Verabreichungen in die Lunge gelangt sein könnte.) Infektiös (Bakterien): - E-Coli - Streptokokken - Staphylokokken - Mykobacterium tuberculosis, bovis oder avium (relativ wahrscheinlich aufgrund der klinischen Symptomatik und des röntgenologischen Befundes. Eine Sicherung dieser Diagnose sowie eine Differenzierung eventuell vorhandener Keime wäre durch eine Bronchoskopie mit Spülprobe oder aber eine Lavage mit anschließender bakteriologischer Untersuchung möglich.) Infektiös (Viren) - siehe Trachea Infektiös (Mykosen): - Nocardien, vor allem bei Jagdhunden - Streptotrichose - Blastomykose - Kokzidioidomykose - Kryptokokkose - Sekundäre Mykosen wie Candida albicans, Aspergillen, Mucor spp. oder Saprophyten (möglich, da sowohl die klinischen Symptome als auch die Röntgenaufnahmen Ausdruck einer mykotischen Lungenerkrankung sein könnten. Ein Ausschluß von mykotischem Befall der Lunge wäre durch eine mykologische Untersuchung von Bronchialsekreten möglich.) 11 Brusthöhle Nicht infektiös: - Pneumothorax, der sowohl offen durch Verletzungen der Brustwand als auch geschlossen durch Ruptur von Bronchien oder Lungengewebe entstehen kann (unwahrscheinlich, da sich röntgenologisch keine Hinweise ergeben, wie zum Beispiel ein vom Brustbein abgehobenes Herz oder kollabierte Lungenlappen.) - Chylothorax durch Ruptur des ductus thoracicus - Hämothorax aufgrund von Traumen, hämorrhagischer Diatese, Coumarinvergiftung oder Tumoren wie Hämangiotheliomen - Hydrothorax aufgrund von Herzinsuffizienzen, erhöhter Kapillarpermabilität, Blutgefäßstauungen oder Störungen der Blutosmolalität in den Kapillaren (unwahrscheinlich, sich röntgenologisch bei freier Flüssigkeit in der Bauchhöhle eine hochgradige Verschattung im ventralen Thorax mit Verdeckung der Herzsilhouette und eine starke Lungenlappenzeichnung zeigen würde.) - Tumore, vor allem Mesotheliome, Lipome oder Metastasen (unwahrscheinlich, da sich derartige Veränderungen bei Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen diagnostizieren und von Lungentumoren differenzieren lassen) Infektiös (Bakterien): - Streptokokken - Staphylokokken - Proteus - Klebsiellen - Pseudomonas - Mykobakterien - Anaerobier (unwahrscheinlich, da sich röntgenologisch scharf begrenzte Schattenstreifen in den Interlobulärspalten zeigen würden und keine derartig starke Veränderungen in der Lunge selbst zu erwarten wären.) Infektiös (Mykosen): - Nocardien als thorakale Einschmelzungseinbrüche - Aktinomyzeten (unwahrscheinlich, da auch hier röntgenologische Veränderungen wie bei bakteriellen Infektionen zu erwarten wären) Epikrise Unter einer Pneumonie („Lungenentzündung“) versteht man eine Entzündung des Lungengewebes, gekennzeichnet durch eine Gewebeverdichtung, die durch Exsudate und/oder zellige Infiltrate bedingt ist. Im Zuge der Gewebeverdichtung kommt es zu einem verminderten Luftgehalt des Organes, was zu einer Behinderung des Gasaustausches und klinisch zur Symptomatik der Dyspnoe führt. Man unterscheidet, je nachdem ob die entzündlichen Veränderungen hauptsächlich im respiratorischen Gewebe oder im Interstitium ablaufen, zwischen alveolären und interstitiellen 12 Pneumonien. Des weiteren wird zwischen der Bronchopneumonie (lobuläre Pneumonie, Herdpneumonie) und der lobären Pneumonie unterschieden, wobei die Bronchopneumonie sich durch multizentrische Ausbreitung kleiner Verdichtungen von den Bronchien ausgehend auszeichnen, während bei lobären Pneumonien schlagartig ein oder mehrere Lungenlappen komplett erkranken. Im vorliegenden Fall handelt es sich höchstwahrscheinlich um eine interstitielle und alveoläre Bronchopneumonie, für die vor allem die röntgenologisch sichtbaren großflächigen interstitiell-alveolären Verschattungen in Kombination mit der klinischen Symptomatik sprechen. Die hauptsächlichen Schadwirkungen von Bronchopneumonien bestehen in der, je nach Ausprägung des Krankheitszustandes mehr oder weniger starken, Behinderung der physiologischen Lungenfunktion sowie in der hämatogenen oder lymphogenen Ausschwemmung von Erregern in die Peripherie, die relativ oft Herzmuskelschäden zur Folge haben. Da der Besitzer im hier vorliegenden Fall keine weiterführenden Untersuchungen wünscht, ist eine endgültige Diagnose nicht möglich. –Von den differentialdiagnostisch aufgeführten möglichen Ursachen (Fremdkörper in den Bronchien, Tumore in der Lunge, Aspirationspneumonie, bakterielle Pneumonie oder mykotische Pneumonie)erscheint aufgrund des Vorberichts in Kombination mit der klinischen Untersuchung die Aspirationspneumonie als wahrscheinlichster Krankheitsauslöser. Jedoch ist keinesfalls auszuschließen, daß Bakterien oder Pilze die vorgeschädigte Lunge als Sekundärinfektion besiedelt und so die Symptomatik zusätzlich verschlimmert haben. Aspirationspneumonien stellen eine Sonderform der Bronchopneumonien da und treten bei ZNS-Störungen mit Schluckbeschwerden (Traumen, Narkose, Hirnödeme), Erkrankungen mit Schluckbeschwerden/Schlundkopflähmung (Tollwut, Botulismus) oder wie im vorliegenden Fall durch unsachgemäße Eingabe von Medikamenten bzw. bei Zwangsernährung (sog. „Eingußpneumonie“) da. Das aspirierte Fremdmaterial führt durch direkte Reizwirkung und die fermentative Wirkung der eventuell im aspirierten Material enthaltenen Mischflora zu eitrigulzerierenden Bronchitiden mit nachfolgender abszedierender Einschmelzung von Lungengewebe. Sind im aspirierten Material ölige Bestandteile enthalten kommt es zusätzlich zu Granulombildungen. Klinisch dominiert das Symptom der Atemnot. Röntgenologisch sind alle Zeichen einer Bronchopneumonie vorhanden, wobei die hauptsächliche Lokalisation der Veränderungen stark von der Lagerung des Patienten zum Zeitpunkt der Aspiration abhängt. Das aspirierte Fremdmaterial läuft der Schwerkraft folgend in die „nächstgelegenen“ Bronchien und führt in den „angeschlossenen“ Lungenbezirken zu den ausgeprägtesten Veränderungen (so verursachen Aspirationen beim stehenden Hund Veränderungen vor allem im Bereich des Spitzen-, Zwerchfells- und Mittellappens). Für das Vorliegen einer akuten Entzündung mit bakterieller Beteiligung sprechen die starke Erhöhung der Leukozyten mit einem Anstieg des prozentualen Gehaltes an Monozyten und segmentkernigen Granulozyten ebenso wie der Anstieg der Globulin- 13 Fraktion. Zwar erscheint es auch möglich, daß die entzündlichen Veränderungen an der kupierten Rute die Veränderung dieser Parameter verursacht haben könnte, jedoch erscheint dies hinsichtlich der relativ starken Erhöhung der Werte und der nur geringen Veränderung an der Rute eher unwahrscheinlich. Daher ist davon auszugehen, daß die Lunge zusätzlich bakteriell besiedelt ist. Therapie Die primäre Therapie besteht in der Ausschaltung der auslösenden Noxe (der unsachgemäßen oralen Medikamenteneingabe) sowie in der Ruhigstellung des Patienten. Eine Optimierung der Umweltverhältnisse ist ebenfalls unerläßlich. So ist der Patient warm zu halten und optimal zu ernähren um jegliche weitere Belastung des Organismus mit möglicherweise immunsupressiven Folgen zu verhindern. Um Sekundärinfektionen zu verhindern, bzw. eventuell vorhandene zu bekämpfen ist eine Chemotherapie mit Breitbandantibiotika (Oxytetracyclin, Ampicillin, Gentamycin oder Doxycyclin) über mindestens 8 Tage durchzuführen. Idealerweise wäre eine Erregerbestimmung mittels einer per Bronchoskop gewonnenen Spülprobe, mit anschließendem Resistenztest durchzuführen um spezifisch behandeln zu können (dies wird jedoch vom Besitzer nicht gewünscht). Um dem Patienten die Atmung zu erleichtern ist der Einsatz von Glucocorticoiden angezeigt. Bei akuten Atemnotanfällen kann ein Nitroglycerin-Präparat zusätzliche Erleichterung verschaffen. Prognose Generell ist die Prognose bei Pneumonien mit derartig ausgeprägten Veränderungen als vorsichtig bis schlecht zu bezeichnen, da selbst bei Heilung des akuten Zustandes bereits schwer geschädigte Lungenbezirke nicht mehr regenerieren sondern durch Bindegewebe ersetzt werden. Somit ist selbst wenn der akute Zustand überlebt wird mit einer dauerhaften Leistungseinschränkung zu rechnen. Nachtrag Der Patient verstarb 4 Tage nach der Untersuchung, ohne zwischenzeitlich eine Besserung der klinischen Symptomatik gezeigt zu haben. xxx 14