Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Kunstgeschichte Schule des Sehens, Deutsche und französische Malerei von 1780 bis 1880 im Vergleich 1789-1800 Frankreich, Einführung Die Bildkunst in der Revolution Die französische Monarchie fand in der 1789 ausbrechenden Revolution nach über tausendjährigem Bestehen ein Ende, auch wenn ihr im 19. Jahrhundert noch eine Restauration vergönnt war. Die Gründe für den Ausbruch der Revolution liegen in den Entwicklungen unter König Ludwig XVI. (1774-1792). Die Jahre vor 1789 waren weniger durch Stagnation und Beharren auf alten Rechten gekennzeichnet als vielmehr durch die umtriebigen Prozesse einer Gesellschaft, die Neuerungen gegenüber äußerst aufgeschlossen war. Der König versuchte der grassierenden Finanzkrise geradezu durch eine Reformsucht beizukommen, was die sich rasch abwechselnde Folge der Finanzminister belegt. Ludwig XVI. hielt die politischen Entscheidungen jedoch nicht so lange durch, bis sie sich hätten bezahlt machen können. Daher mußten im Mai 1789 die Generalstände nach Versailles einberufen werden, wo die Vertreter des Klerus, des Adels und die des tiers état über Steuererhöhungen verhandeln sollten. In den Beratungen zeichnete sich rasch ein neuartiges politisches Selbstverständnis der Vertreter des Dritten Standes ab. Die Aufklärung hatte Medien und Kriterien bereitgestellt, um das ancien régime zu kritisieren und neue Vorstellungen zu entwickeln. Diese wurden nun genutzt, um als Preis für die finanzielle Rettung des Staates politische Zugeständnisse zu fordern. Am 17. Juni 1789 erklärte sich der Dritte Stand im Bewußtsein, das gesamte Volk zu repräsentieren, zur assemblée nationale. Der König ließ daraufhin den allgemeinen Sitzungssaal für den Dritten Stand sperren, so daß die Abgeordneten ins benachbarte Ballhaus umziehen mußten. Dort leisteten sie am 20. Juni den Schwur, nicht eher auseinanderzugehen, bis Frankreich eine neue Verfassung erhalten habe. Dieser Akt galt in seiner politischen Symbolkraft als das eigentliche Gründungsmanifest des neuen Staates, der aus der Revolution hervorgehen sollte. Der König erklärte schließlich die Vereinigung aller Abgeordneten zur Nationalversammlung. In Paris wurden die Nachrichten aus Versailles mit Spannung aufgenommen. Die Bevölkerung versuchte, den Gerüchten eines bevorstehenden Gewaltstreichs gegen die Nationalversammlung entgegenzuwirken. Sie bewaffnete sich. Die Initialzündung zu einer revolutionären Bewegung war der Sturm auf die Bastille am 14. Juli. Diese war nur ein schwach bewachtes Arsenal, in dem große Waffen- und Schießpulvervorräte vermutet wurden. Obwohl sie keineswegs ein Gefängnis voller Opfer königlicher Willkür war, wurde ihre Erstürmung sofort als Fanal der Revolution gefeiert. Die Nationalversammlung stand fortan unter dem Druck der Pariser Unruhen, die bald auf die Provinzen übergriffen. In den Tagen des Revolutionsausbruchs stand weder des Königtum zur Disposition, noch dachte man daran, die Konflikte außerhalb der Gremien auszutragen. Die Abschaffung der Feudalrechte und die Erklärung der Menschenrechte wurden aus dem Geist der Aufklärung und aus patriotischen Motiven beschlossen. Die Nationalversammlung arbeitete eine neue Verfassung aus, die eine konstitutionelle Monarchie vorsah und am 3. September 1791 in Kraft trat. Doch in der am 1. Oktober eröffneten assemblée nationale législative sprang die Revolution auf die politische Auseinandersetzung über. Die Abgeordneten gehörten verschiedenen politischen Klubs an, die einerseits gemäßigte, andererseits radikale Positionen vertraten. Mit den Sansculotten besaß der radikale Jakobinerklub eine Klientel, die ihre Forderungen mit Gewalt vertraten. Überhaupt war das Klima durch Angst und Gewalt geprägt. Der im Juni 1791 unternommene aber gescheiterte Fluchtversuch des Königs wurde mit konterrevolutionären Umtrieben in Verbindung gebracht, die am 20. April 1792 ausgesprochene Kriegserklärung an Österreich stürzte das Land in ein Wagnis mit 1 Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Kunstgeschichte Schule des Sehens, Deutsche und französische Malerei von 1780 bis 1880 im Vergleich 1789-1800 Frankreich, Einführung ungewissem Ausgang. Am 10. August stürmten die Sansculotten das Tuilerienschloß und nahmen den König gefangen. Am 21. September trat der Nationalkonvent erstmals zusammen. Am Tag darauf wurde die Republik ausgerufen, der Tag Eins des neuen revolutionären Kalenders. Der Konvent klagte Ludwig XVI. wegen Hochverrats an und ließ ihn am 21. Januar 1793 enthaupten. In diesem nun von den Jakobinern beherrschten Parlament trat die Revolution in die Phase gegenseitiger Verdächtigungen und Verfolgung. Im März 1793 wurde das Comité de salut public eingerichtet und damit beauftragt, die für das nationale Wohl im weitesten Sinne notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Der Wohlfahrtsausschuß mit dem Jakobiner Robbespierre als Vorsitzenden wurde zum Instrument des Terrors. Unter der Vorgabe, der revolutionären Tugend mit Gewalt zum Sieg zu verhelfen, wurden die politischen Gegner vernichtet. Mit dem Staatsstreich vom 27. Juli 1794 (9. Thermidor) setzten sich die gemäßigten Kräfte durch, doch bedienten sie sich zunächst der Mittel eines gegenrevolutionären Terrors. Im September 1795 trat die Direktoriumsverfassung in Kraft. Die nun vom Bürgertum getragene Republik baute nach innen und nach außen auf den Bund mit dem Militär. Die Kriege dienten nicht mehr zur Verteidigung der Revolution sondern wandelten sich zu Eroberungskriegen. An die Stelle der republikanischen Idee trat der Gedanke an die Größe der Nation, die der Feldherr Bonaparte und spätere Kaiser Napoleon nach dem Staatsstreich vom 9. November 1799 (18. Brumaire) schließlich wiederherstellte. Die Kunst in der Revolution An der Verbreitung revolutionärer Ideale hatten die Künste einen maßgeblichen Anteil. Wurde das ancien régime durch den gesalbten König repräsentiert, so galt es nun, die in der Revolution für alle citoyens errungene Freiheit als Wesenszug einer neuen Zeit darzustellen. Die Freiheit war eine große Idee und damit Abstraktion. Um sie anschaulich zu machen, mußte sie symbolisiert werden. Die Aktivitäten waren destruktiv und konstruktiv: die Königsgräber in Saint Denis und ganze Kirchen wurden verwüstet bzw. abgerissen. Es entstand die tricolore, die Marseillaise, neue Denkmäler traten an die Stelle der alten. Um die Toten auf den Schlachtfeldern und um die Revolutionäre, die politischen Attentaten zum Opfer fielen, betrieben die politischen Akteure einen Märtyrerkult. Als Grabstätte der Revolutionshelden diente die 1791 zum Panthéon erhobene Kirche Sainte Geneviève. Auf dem Champ de Mars wurden Feierlichkeiten rund um den Altar des Vaterlandes abgehalten, und in der Kathedrale Notre-Dame entfaltete sich in den Zeiten der terreur der bizarre Kult um das Höchste Wesen. Oftmals dienten die künstlerischen Gestaltungen nur ephemeren Zwecken oder gelangten aufgrund der schnellebigen politischen Entwicklung nicht über das Entwurfsstadium hinaus. Wichtigstes Medium der bildlichen Verbreitung von Ereignissen und ihrer Kommentierung durch Karikatur oder allegorischer Überhöhung war die Druckgraphik. Als Flugblatt fand die Graphik schnell und in hohen Auflagen weite Verbreitung. Sie erreichte in ihrer teilweise plakativen Bildsprache alle Teile der Bevölkerung und vermochte es mit einem demokratischen Anspruch, die Bevölkerung zu informieren, aber auch zu lenken. Daneben bestand die Historienmalerei als höchste Gattung unangefochten fort. Auch hier gilt JacquesLouis David als Hauptvertreter. Er hat sein Werk radikal in den Dienst der Revolution gestellt und beriet die Revolutionäre in künstlerischen Fragen. Mit seinem Bild Der Tod des Marat [Bild] schuf er eine der Ikonen der Moderne. 2 Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Kunstgeschichte Schule des Sehens, Deutsche und französische Malerei von 1780 bis 1880 im Vergleich 1789-1800 Frankreich, Einführung Von den Ereignissen der Revolution blieb auch der Salon nicht verschont. Der Akademie wurde 1791 die Kontrolle über den Salon entzogen, so daß erstmals auch Künstler ausstellen konnten, die nicht Mitglieder dieser Institution waren. Am 8. August 1793 wurde die Akademie auf maßgebliches Betreiben Davids aufgelöst, der in ihr einen Hort der Reaktion erblickte. Unter der Herrschaft des Direktoriums wurde die Akademie am 25. Oktober 1795 wieder eingerichtet. Die nachthermidorianische Malerei war durch die leidvolle Reflexion der jüngsten Vergangenheit geprägt, die Bilder thematisierten den Rückzug ins Privatleben. Neben einer Blüte der Genremalerei wurde das Private als Verarbeitung der Revolutionsereignisse in der Form der Historie behandelt. Pierre-Narcisse Guérin (1774-1833) stellte im Salon 1799 das Bild Le retour de Marcus Sextus aus [Bild]. Die Geschichte spielt zu Zeiten der römischen Republik: Als Marcus Sextus endlich aus dem Exil, in welches er durch Sulla geschickt worden war, zurückkehren konnte, war seine Frau gerade am Kummer über seine Abwesenheit gestorben. Guérins Bildthematik entspricht der nach 1794 eingetretenen Aufwertung des Privaten in der Malerei. Im gleichen Jahr, 1799, zeigte David Les Sabines in einer Einzelausstellung. Das Bild war ein Appell der Sabinerinnen an die Männer, die Kämpfe zwischen Parteien, die sich doch brüderlich vertragen sollten, einzustellen. 3