Quellen Franz Revolution 1 - Lise-Meitner

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Französische Revolution I
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T 22 Leben am Hofe - Aus dem Tagebuch des Prinzen Montbarey am Hof Ludwigs XVI.
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Alexandre de Montbarey (1732—1796) war Kriegsminister in den ersten Jahren der
Regierung Ludwigs XVI.
Die Jugend der Königin und ihr Gefallen an Zerstreuung ließen sie die Regeln der Etikette als
lästig und zu peinlich empfinden, und die Höflinge, die sich noch an die Etikette hielten, galten
ihr als lächerliche Wesen, deren man sich möglichst bald entledigen mußte. Diese Herrscherin,
die im übrigen viele seltene Qualitäten besaß und nur die Fehler ihres Alters offenbarte, hörte
nicht auf jene nützliche Überlegung, daß am königlichen Hof die äußere Form wichtiger ist und
mehr Wirkung zeitigt als die Realität, oder sie wollte nicht darauf hören . . .
Die Königin brachte ohne Plan und ohne Überlegung, einfach nur aus Kinderei, die Organisation
des Hofes völlig durcheinander. In den ersten Jahren der Regierung Ludwigs XVI. war sie allein
beherrscht von dem Bedürfnis, sich unterhalten zu lassen, obwohl ihr Ehegemahl sich bei den
Festen nur aus Gefälligkeit zeigte. Diese häufigen Vergnügungen ließen den Wunsch entstehen, zu
ihnen Personen fremden Standes an den Hof einzuladen, Leute, die das Ansehen genossen,
talentiert zu sein. Allmählich wurde die Mischung der Stände am Hof immer beträchtlicher. So
führte diese Desorganisation zu einer Leichtigkeit der sozialen Beziehungen, die bald in
Vertraulichkeit ausartete. Die Annäherung der Stände an den König zerstörte den Respekt und die
Ehrfurcht, jene Gefühle, die Ludwig XIV. noch als notwendig im Umgang der Stände mit seiner
Person betrachtet hatte, weil er den Charakter seines Volkes genau kannte. (Nach Levron 1965, S.
297 ff.)
Marie Antoinette, Tochter der österreichischen Kaiserin Maria Theresia, wurde 1755 gehören
und 1770 mit dem französischen Thronfolger Ludwig XVI. (1754—1793) vermählt. Die Ehe war
vor allem aus politischen Gründen verabredet worden.
T 23 Abbe Sieyes: Was Ist der dritte Stand? -Aus einer Flugschrift
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Der König und seine wechselnden Finanzminister erkannten die drohende Finanznot des
Staates. Aber alle Finanz- und Steuerreformen scheiterten an dem Widerstand des Adels
gegen jede Neuerung. Auch die Parlamente, die mit Adligen besetzten Gerichtshöfe in
Frankreich, bei denen alle Gesetze der absolutistischen Könige registriert werden mußten, leisteten Widerstand gegen alle Steuerpläne und weigerten sich sogar, neue Anleihen zu
registrieren, so daß Ludwig XVI. gegen sie Gewalt einsetzen mußte.
Im Schoß der Parlamente wurde jener Gedanke geboren, den sich Ludwig dann auch zu eigen
machte: Einberufung der Generalstände zur Lösung der Staatskrise, Seit 1614 waren die
Generalstände nicht mehr einberufen worden. Die Generalstände (frz. Etats generaux) waren
eine Versammlung von Vertretern der drei Stände - der Geistlichkeit, des Adels und der
städtischen Körperschaften. Sie hatten das alleinige Recht der Bewilligung allgemeiner Steuern
inne und wurden erstmals 1302 und letztmals 1614 einberufen. Seitdem wurden sie durch das
absolutistische Königtum ausgeschaltet. Sie traten am 5. Mai 1789 in Versailles zusammen.
Vorher erschien eine wahre Flut von Pamphleten und Flugschriften mit Anregungen und
Forderungen an sie.
Emmanuel Joseph Sieyes (1748-1836), der Verfasser der folgenden Schrift, war bischöflicher
Generalvikar und wurde einer der führenden Theoretiker der Revolution.
Der Plan dieser Schrift ist ganz einfach. Wir haben uns drei Fragen vorzulegen.
1. Was ist der dritte Stand? Alles.
2. Was ist er bis jetzt in der staatlichen Ordnung gewesen? Nichts.
3. Was verlangt er? Etwas darin zu werden. Man wird sehen, ob die Antworten richtig
sind. Dann werden wir die Mittel prüfen, die man ausprobiert hat, und diejenigen, die man
anwenden muß, damit der dritte Stand wirklich etwas werde. Wir werden also zeigen:
4. Was zu seinen Gunsten die Minister versucht haben und was die Privilegierten selbst
vorschlagen.
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5. Was man hätte tun sollen.
6. Schließlich, was dem dritten Stand zu tun übrig bleibt, um den Platz einzunehmen, der
ihm gebührt.
ERSTES KAPITEL
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Der dritte Stand ist eine vollständige Nation
Was ist nötig, damit eine Nation bestehen kann und gedeiht? Arbeiten im Privatinteresse und
öffentlichen Dienste. Die dem Privatinteresse dienenden Arbeiten kann man in vier Kategorien
einteilen:
1. Da die Erde und das Wasser den Rohstoff für alle Bedürfnisse des Menschen liefern, gehören
nach der Ideenordnung zur ersten Kategorie alle Familien, die die Feldarbeit verrichten.
2. Zwischen dem ersten Absatz der Waren und ihrem Verbrauch oder Gebrauch verleiht ihnen
eine zusätzliche, mehr oder weniger vielfältige Handarbeit einen mehr oder weniger hohen
Gesamtwert. So kann die Tätigkeit des Menschen die Gaben der Natur vervollkommnen und
den Wert des Rohprodukts auf das Doppelte, Zehnfache, Hundertfache steigern. Das sind die
Arbeiten der zweiten Kategorie.
3. Zwischen der Erzeugung und dem Verbrauch wie auch zwischen den verschiedenen
Herstellungsstufen schalten sich etliche Zwischenhändler ein, die den Erzeugern wie den
Verbrauchern nützlich sind. Es sind die Kaufleute und die Großhändler: Die Großhändler, die
fortwährend den Bedarf an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten vergleichen und
auf den Gewinn aus Lagerung und Transport spekulieren; die Kaufleute, die als letztes Glied
den Verkauf übernehmen, im großen wie im kleinen. Auf diese Weise sind die Arbeiten der
dritten Kategorie nützlich.
4. Außer diesen drei Kategorien arbeitsamer und nützlicher Bürger, die sich mit den zum
Verbrauch oder Gebrauch bestimmten Waren befassen, müssen in der Gesellschaft noch eine
Vielzahl von Arbeiten und Besorgungen verrichtet werden, die für den Menschen unmittelbar
nützlich oder angenehm sind. Diese Kategorie reicht von den wichtigsten wissenschaftlichen
und freien Berufen bis hinab zu den am wenigsten geachteten häuslichen Arbeiten. Das sind
die Arbeiten, die die Gesellschaft erhalten. Wer verrichtet sie? Der dritte Stand. Es genügt
nicht, gezeigt zu haben, daß die Privilegierten weit davon entfernt sind, der Nation zu nützen,
sondern sie nur schwächen und schädigen. Es muß noch bewiesen werden, daß der Adelsstand sich
nicht in den gesellschaftlichen Organismus einfügt, daß er zwar eine Last für die Nation, aber kein
Teil von ihr sein kann.
Ebensowenig gehört der Adelsstand wegen seiner bürgerlichen und politischen Privilegien in
unsere Mitte.
Was ist eine Nation? Ein Körper, dessen Mitglieder unter einem gemeinsamen Gesetz leben und
durch eine und dieselbe gesetzgebende Versammlung vertreten sind.
Ist es nicht gewiß, daß der Adelsstand Privilegien, Befreiungen und sogar Rechte besitzt, die von
den Rechten der Masse der Bürger losgelöst sind? Dadurch tritt er aus der allgemeinen Ordnung, aus
dem allgemeinen Gesetz heraus. Folglich machen ihn schon seine bürgerlichen Rechte zu einem Volk für
sich inmitten der Nation. Das ist wirklich ein Imperium in imperio.
Auch seine politischen Rechte übt er für sich aus. Er hat seine eigenen Vertreter, die keinerlei
Vollmacht des Volkes besitzen. Die Körperschaft seiner Abgeordneten hält ihre Sitzungen unter
sich ab, und wenn sie sich einmal im gleichen Saal mit den Abgeordneten der einfachen Bürger
versammeln sollte, dann wäre ebenso sicher seine Vertretung dem Wesen nach von ihnen
geschieden und getrennt. Sie ist der Nation fremd durch ihr Prinzip, weil ihr Auftrag nicht vom
Volk ausgeht, und durch ihren Zweck, weil er nicht in der Verteidigung des Gemeininteresses,
sondern des Sonderinteresses besteht.
Der dritte Stand umfaßt also alles, was zur Nation gehört. Und alles, was nicht dritter Stand ist,
kann sich nicht als Bestandteil der Nation betrachten. Was also ist der dritte Stand? Alles.
(Grab 1973, S. 24 ff.)
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T 24 Beschwerdeschriften aus La Chapelle-Craonnaise (Anjou)
Jede Wahlversammlung eines Dorfes, einer Zunft oder eines Stadtteils, in der Delegierte für die
Wahlversammlung des Kreises gewählt wurden, die dann ihrerseits die Abgeordneten für die
Generalstände wählten, verfaßte Beschwerdebriefe. Über 60 000 solcher Beschwerdebriefe sind
erhalten, sie stellen die umfassendste Befragung eines Volkes vor dem Zeitalter der Statistik dar.
1. Die Pfarrgemeinde und Gemeinde von La Chapelle-Craonnaise fordert, daß die Abgeordneten für
die Generalstände dort die Wiederherstellung der unveräußerlichen Rechte der Nation beraten;
folglich daß keine Steuer eingeführt wird ohne die Zustimmung der Generalstände.
2. Daß festgelegt wird, daß die Generalstände das Recht haben, sich alle fünf Jahre zu
versammeln, ohne daß jemand sie trennt oder ihre Einberufung verzögert.
3. Daß die Steuern nur für fünf Jahre erhoben werden, also bis zu der nächsten Versammlung der
Generalstände . . .
4. Die Abgeordneten sollen auch die gänzliche Abschaffung aller Privilegien des Adels und des
Klerus beraten.
5. Die Abschaffung der Salzsteuer, dieser schrecklichen Steuer, die wie eine Seuche in diesem der
Bretagne benachbarten Distrikt wirkt, wie auch die Abschaffung der Vermögenssteuer, der
Kopfsteuer, des Zwanzigsten, der Binnenzölle ..., des Tabakmonopols und aller anderen Steuern,
deren Einnahme teuer ist und den einen Bürger gegen den andern aufbringt.
6. Um diese Steuern zu ersetzen, soll eine persönliche Steuer von den Generalständen beschlossen
werden, eine Grundsteuer und eine Einkommensteuer, diese Steuern sollen unterschiedlos von allen
aus allen Ständen erhoben werden . . .
7. In jeder Provinz sollen Provinzialstände errichtet werden und in jeder Pfarrei Gemeinderäte auf
eine Weise, die die Generalstände festlegen sollen; jede Gemeinde soll die Steuern selbst
einnehmen, die ihr von der Ständeversammlung der Provinz auferlegt worden sind, und diese
sollen sogleich an die königliche Kasse abgeführt werden . . .
11. Daß die Käuflichkeit der Ämter beendet werden soll, statt dessen sollen Ämter nach Verdienst
und Tugend vergeben werden.
12. Daß der Adel nicht mehr erwerben darf, als was er dem Staat an Diensten erweist.
13. Daß die Bettlerei ausgelöscht wird, daß in jeder Pfarrei ein Wohltätigkeitsbüro eingerichtet wird
für die Unterstützung der Armen und Kranken; auch die Unterweisung der Jugend soll kostenlos
sein, die Kosten sollen aus dem kirchlichen Vermögen bestritten werden.
14. Daß jeder Priester angemessen aus dem kirchlichen Vermögen dotiert wird ... und man die
Zehnten und Einzelfallabgaben wegfallen lassen kann . . .
17. Daß in den Generalständen nach Köpfen und nicht nach Ständen abgestimmt wird.
19. Wenn die Bezahlung der Pfarrer aus den oben angedeuteten Mitteln in den Generalständen nicht
vorgelegt wird, sollen die Abgeordneten verlangen, daß die Zehnten zu ihrem eigentlichen Zweck
benutzt werden: als Bezahlung für die Pfarrer . . . (Nach Goubert/Denis 1964, S. 29 ff.)
T 27 Umwandlung der Generalstände In die Nationalversammlung, 17.Juni 1789
(Aus dem Sitzungsprotokoll}
Die Streitfrage der Generalstände lag im Entscheidungsmodus: Sollte nach Köpfen oder nach
Ständen getrennt abgestimmt werden? Der dritte Stand verfocht die Abstimmung nach Köpfen
und lud die Vertreter der anderen Stände ein, gemeinsam mit ihm zu tagen und zu diskutieren.
Einzelne Kleriker folgten der Einladung. Darauf erklärte sich der dritte Stand zur
Nationalversammlung. Jetzt stießen weitere Kleriker und auch einige Adlige zu ihm. Der König
gab nach und befahl den übrig gebliebenen Ständevertretern, sich mit dem dritten Stand zu
vereinigen.
Die Versammlung stellt in der an die Wahlprüfung anschließenden Beratung dieser
Vollmachten fest, daß diese Versammlung sich nunmehr aus von wenigstens sechsundneunzig
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Hundertsteln der Nation auf direktem Wege entsandten Repräsentanten zusammensetzt.
Eine so große Zahl von Abgeordneten darf kaum untätig bleiben, nur weil die Abgeordneten
einiger Kreise oder Bürgerklassen fehlen; die trotz des an sie ergangenen Rufes Ferngebliebenen
können die Anwesenden nicht an der vollen Ausübung ihrer Rechte hindern, besonders wenn die
Ausübung dieser Rechte eine gebieterische und dringende Pflicht ist.
Da ferner nur die in ihrer Wahl bestätigten Repräsentanten an der Bildung des Nationalwillens
mitzuwirken befugt sind und da alle in ihrer Wahl bestätigten Repräsentanten dieser
Versammlung angehören müssen, so folgt hieraus zwingend, daß diese, und nur sie, befugt ist,
den Gesamtwillen der Nation auszudrücken und zu vertreten; es darf zwischen dem Thron und
dieser Versammlung keinerlei Veto noch Ablehnungsinstanz stehen. Die Versammlung erklärt
demnach, daß das gemeinsame Werk der nationalen Neuordnung unverzüglich von den
anwesenden Abgeordneten in Angriff genommen werden kann und muß und daß diese sich ihm
ohne Unterbrechung und Behinderung widmen sollen.
Die Bezeichnung Nationalversammlung ist die einzige, welche bei der gegenwärtigen Lage der
Dinge der Versammlung zukommt, erstens, weil ihre Mitglieder die einzigen öffentlich und
gesetzlich anerkannten und in ihrer Wahl bestätigten Repräsentanten des Volkes sind; zweitens,
weil sie auf direktem Wege von der überwiegenden Mehrheit der Nation entsandt sind; drittens
schließlich, weil bei der einen und unteilbaren Natur der Volksvertretung kein Abgeordneter,
innerhalb welches Standes oder welcher Klasse er auch gewählt sei, das Recht hat, seine
Funktionen losgelöst von der gegenwärtigen Versammlung auszuüben. (Moniteur Bd. l, S. 82 f.;
Grab 1973, S. 30 f.)
T 40 Die Verfassung von 1791
Erster Teil dieser Verfassung waren die Menschen- und Bürgerrechte, die bereits am 26. August
1789 von der Nationalversammlung verabschiedet worden waren.
Die Verfassung verbürgt als natürliche und bürgerliche Rechte:
1. daß alle Staatsbürger zu allen Stellungen und Beamtungen zugelassen sind ohne einen
anderen Unterschied als den ihrer Tugenden und ihrer Talente;
2. daß alle Abgaben auf alle Bürger gleichmäßig unter Berücksichtigung ihrer
Vermögensverhältnisse verteilt werden;
3. daß dieselben Verbrechen mit denselben Strafen belegt werden ohne irgendeinen Unterschied der
Person.
Die Verfassung verbürgt gleichfalls als natürliche und bürgerliche Rechte:
die Freiheit jedes Menschen zu gehen, zu bleiben, zu reisen, ohne verhaftet oder
gefangengehalten zu werden als in den durch die Verfassung festgelegten Formen;
die Freiheit jedes Menschen zu reden, zu schreiben, zu drucken und seine Gedanken zu
veröffentlichten, ohne daß seine Schriften irgendeiner Zensur oder Aufsicht vor ihrer
Veröffentlichung unterworfen sein dürfen, und den religiösen Kult auszuüben, dem er
anhängt;
die Freiheit der Bürger, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln in Übereinstimmung
mit den Polizeigesetzen;
die Freiheit, an die errichteten Behörden persönlich unterzeichnete Bittschriften zu richten.
Die gesetzgebende Gewalt kann keine Gesetze erlassen, welche die Ausübung der
natürlichen und bürgerlichen Rechte, die in diesem Abschnitt bezeichnet und durch die
Verfassung verbürgt sind, beeinträchtigen oder hindern. Und da die Freiheit nur darin
besteht, alles das tun zu können, was weder den Rechten eines anderen noch der öffentlichen
Sicherheit schadet, kann das Gesetz Strafen gegen die Handlungen festsetzen, welche die
öffentliche Sicherheit oder die Rechte eines anderen angreifen und dadurch der Gesellschaft
schaden würden.
Die Verfassung verbürgt die Unverletzlichkeit des Eigentums oder die gerechte und
vorherige Entschädigung von dem, was die gesetzlich festgestellte, öffentliche Notwendigkeit
als Opfer erfordert. Die Güter, die für die Ausgaben der Kirchen und alle Zweige der
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öffentlichen Wohlfahrt bestimmt waren, gehören der Nation und stehen in jedem Falle zu
ihrer Verfügung ... Es soll ein Öffentliches Schulwesen eingerichtet und gebildet werden, das
für alle Bürger gemeinsam und in den Bereichen des Unterrichts, die für alle Menschen
notwendig sind, kostenlos sein soll. Seine Anstalten sollen entsprechend der Einteilung des
Königreiches auf die einzelnen Gebiete verteilt werden.
Es sollen Nationalfeste eingeführt werden, um die Erinnerung an die Französische Revolution
zu bewahren, die Brüderlichkeit unter den Bürgern zu stärken und sie an die Verfassung, das
Vaterland und die Gesetze zu binden.
Von den öffentlichen Gewalten
Art. 1. Die Souveränität ist einheitlich, unteilbar, unveräußerlich und unverjährbar. Sie gehört
der Nation. Kein Teil des Volkes und keine einzelne Person kann sich ihre Ausübung
aneignen.
Art. 2. Die Nation, von der allein alle Gewalten ihren Ursprung haben, kann sie nur durch
Übertragung ausüben. Die französische Verfassung ist eine Repräsentativverfassung. Ihre
Repräsentanten sind die gesetzgebende Körperschaft und der König.
Art. 3. Die gesetzgebende Gewalt ist einer Nationalversammlung übertragen, die aus
Abgeordneten besteht, die durch das Volk frei und auf Zeit gewählt werden, um sie mit
Billigung des Königs auf die Art auszuüben, die nachstehend bestimmt wird.
Art. 4. Die Regierung ist monarchisch. Die ausführende Gewalt ist dem König übertragen, um
unter seiner Autorität durch die Minister und andere verantwortliche Beamte auf die Art
ausgeübt zu werden, die nachstehend bestimmt wird.
Art. 5. Die richterliche Gewalt ist den durch das Volk auf Zeit gewählten Richtern übertragen
...
Urversammlungen, Bestellung der Wahlmänner
Art. 1. Um die gesetzgebende Nationalversammlung zu wählen, treten die aktiven Bürger alle
zwei Jahre in den Städten und den Kantonen zu Urversammlungen zusammen. Die
Urversammlungen treten rechtmäßig am zweiten Märzsonntag zusammen, wenn sie nicht
schon früher durch die vom Gesetz bestimmten öffentlichen Beamten einberufen worden sind.
Art. 2. Um aktiver Bürger zu sein, ist es notwendig:
als Franzose geboren oder Franzose geworden zu sein, das 25. Lebensjahr vollendet zu haben,
seinen Wohnsitz in der Stadt oder dem Kanton seit der durch das Gesetz festgelegten Zeit zu
haben, in irgendeinem Orte des Königreiches eine direkte Steuer zu zahlen, die wenigstens
dem Wert von drei Arbeitstagen gleichkommt und darüber eine Quittung vorzulegen, nicht
dem Bedientenstand anzugehören, d. h. Lohndiener zu sein, im Rathaus seines Wohnsitzes in
die Liste der Nationalgarde eingeschrieben zu sein, den Bürgereid geleistet zu haben ...
Vom Königtum und dem König
Art. 1. Das Königtum ist unteilbar und dem regierenden Hause im Mannesstamm nach dem
Rechte der Erstgeburt erblich übertragen unter dauerndem Ausschluß der Frauen und ihrer
Nachkommenschaft.
Art. 2. Die Person des Königs ist unverletzlich und heilig. Sein einziger Titel ist König der
Franzosen. Art. 3. Es gibt in Frankreich keine Autorität, die über dem Gesetze steht. Der König
regiert nur durch dieses ...
Von der königlichen Bestätigung
Art. 1. Die Beschlüsse der gesetzgebenden Körperschaft werden dem König vorgelegt, der
ihnen seine Zustimmung verweigern kann.
Art. 2. Im Falle, daß der König seine Zustimmung verweigert, ist diese Verweigerung nur von
aufschiebender Wirkung.
Wenn die beiden Legislaturperioden, die derjenigen folgen, die den Beschluß vorgelegt hat,
nacheinander den gleichen Beschluß der gleichen Fassung wieder vorlegen, so wird
angenommen, daß der König seine Bestätigung erteilt hat ... (Nach Voilliard, S. 57 ff.)
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