„Der Urknall - Vergangenheit und Zukunft des Universums“ KOMMENTARTEXT Seit mehreren Tausend Jahren beobachten die Menschen die Sterne und haben die unterschiedlichsten Theorien über den Kosmos entwickelt. Doch erst heute gewinnen die Astronomen Einblicke in die Vorgänge in den unendlichen Weiten des Alls, die uns ein neues Bild des Universums zeichnen - so, wie es tatsächlich zu existieren scheint. Wir haben in den letzten 70 Jahren mehr über den Kosmos gelernt als in den Jahrtausenden zuvor. Alles begann 1929. Damals stand das größte Teleskop der Welt im Mount-Wilson Observatorium in Kalifornien. Hier machte der Astronom Edwin Hubble eine Entdeckung, die eine Revolution in der Welt der Wissenschaft auslösen sollte. Alle bis dahin gültigen Theorien über das Universum waren mit einem Schlag überholt. Er hatte entdeckt, dass viele der Lichtpunkte am Nachthimmel nicht Sterne unserer Milchstraße, sondern ferne, eigenständige Galaxien sind. Hubble und sein Kollege Humason analysierten die Strahlung der fernen Himmelskörper. Sie bedienten sich einer Technik, die die Strahlung in seine Wellen zerlegt und in ihr enthaltene Informationen sichtbar macht. Schon 300 Jahre zuvor von Isaac Newton entdeckt, wird das Licht der Himmelsobjekte mittels Prisma in seine Grundfarben aufgefächert. In dem so genannten Spektrum wird eine Vielzahl feiner Linien sichtbar. Jede dieser Spektrallinien steht für eines der chemischen Elemente. ZB Eisen, Nickel, Wasserstoff und Kalzium. Jedes Element hat seinen festen, vorgegebenen Platz. Hubble untersuchte die Spektren vieler Galaxien und konzentrierte sich dabei auf die Wasserstoff-Kalzium-Linien. In keinem einzigen Spektrum bildeten sie sich an ihrem vorgegebenen Platz ab, sondern waren verschoben. Je entfernter die Galaxie, umso stärker fiel die Verschiebung aus. Dieses Phänomen hängt mit den Eigenschaften des Lichts zusammen. Lichtwellen werden bei bewegten Objekten nicht gleichmäßig nach allen Richtungen abgestrahlt. Sie werden zusammengeschoben, wenn sich das Objekt dem Betrachter nähert und sie werden gedehnt, wenn sich das Objekt vom Betrachter entfernt. Dieser Doppler-Effekt, benannt nach seinem österreichischen Entdecker, ist für das Auge nicht sichtbar. Komprimierung und Dehnung der Wellen zeigen sich aber in der Verschiebung der Spektrallinien: Nähert sich eine Strahlungsquelle der Erde, werden ihre Lichtwellen zusammengeschoben, die Spektrallinien verschieben sich zum Blau. Entfernt sich der Himmelskörper, dehnen sich die Wellen, die Linien werden zum Rot verschoben. Wie ein Tachometer zeigt der Grad der Verschiebung die Geschwindigkeit des Objektes an. Je schneller es sich bewegt, desto größer ist die Verschiebung. Hubble's Entdeckung war also, dass sich die Galaxien von uns entfernen. Die Fluchtgeschwindigkeiten liegen zwischen wenigen Hundert bis mehreren Tausend Kilometer pro Sekunde. Diese Erkenntnis stand im krassen Widerspruch zur damaligen Theorie, dass der Kosmos statisch sei. So lange die Menschen die Sterne beobachtet hatten, konnten sie keine Veränderungen registrieren. Nacht für Nacht befinden sie sich präzise an der gleichen Stelle. Deshalb nannte man sie Fixsterne. Überraschend war nun, dass sie sich von uns weg bewegen. Für diese Beobachtung gab es nur eine einzig mögliche Erklärung: Die Erkenntnis (Zwischentitel) Der Kosmos ist nicht statisch. Die Galaxien entfernen sich voneinander. Das Universum expandiert. Die Abstände zwischen den Himmelskörpern vergrößern sich nach allen Richtungen. Von jeder x-beliebigen Galaxie aus ist dasselbe zu beobachten: alle anderen Punkte entfernen sich. Wenn das Universum wächst, was war dann in der Vergangenheit? Dreht man die Bewegung um und geht in der Zeit zurück, schrumpft der Raum. Die Galaxien nähern sich einander und verschmelzen. Waren alle Sterne und Galaxien früher verdichtet in einem winzigen Punkt? Einem Anfangspunkt? Konsequent zu Ende gedacht, wurde ein neues Weltmodell kreiert, kühner und absurder als alles, was es zuvor gegeben hatte. Die These (Zwischentitel) Es besagt: das Universum hat einen Anfang. Vorher existieren weder Zeit noch Raum. Was die Expansion ausgelöst hat, wissen wir nicht. Zu Beginn gibt es nur Strahlung. Es herrschen extreme Umstände mit unendlich hohen Temperaturen und sehr großem Druck. Bereits wenige Minuten nach dem Urknall bildet sich Materie, hauptsächlich Wasserstoff und Helium. Aus diesem Urplasma entstehen nach wenigen Millionen Jahren die ersten Sterne. Durch die gegenseitige Schwerkraft angezogen, formen sie Galaxien. Die Galaxien bilden Gruppen und Haufen. Die Urmaterie, die anfangs gleichmäßig verteilt ist, konzentriert sich immer mehr in den Himmelskörpern. Eine Entwicklung, die überall im Universum abläuft. Es entstehen großräumige Strukturen. Die unendlich hohe Strahlungstemperatur vom Anfang kühlt mit der Ausdehnung des Raumes ab. Sie liegt heute im gesamten Kosmos nahe dem absoluten 0-Punkt von 0 Kelvin bei -270 Grad Celsius. Die Größe, die das Universum bis jetzt erreicht hat, wird auf einen Durchmesser von 15 Milliarden Lichtjahren geschätzt. Und es dehnt sich weiterhin aus. Ein Universum, das einen Anfang hat und aus dem Nichts entstanden ist und das bis ins Unendliche wächst, ist nicht gerade das, was man beim Anblick der scheinbar unbeweglichen Sterne am Nachthimmel vermuten würde. Selbst anerkannte Wissenschafter wie Einstein waren damals überzeugt, dass das Universum statisch sei und schon ewig existieren würde. Doch je besser die Teleskope wurden und je ausgereifter ihre Technik desto effektiver wurden die Beobachtungsmethoden. Und ein Heer von Astronomen ist auf der Jagd nach Messdaten, um Beweise für das neue Weltmodell zu finden. Beweise (Zwischentitel) Der wichtigste Hinweis auf den Urknall sollte von einer kosmischen Strahlung kommen, die im All gemessen wurde. Die Theorie behauptet, dass es am Anfang unendlich heiß gewesen sein muss. Mit der Ausdehnung des Raumes ist die Strahlungstemperatur gesunken - mit jeder Verdoppelung des Radius hat sie sich halbiert. Trotz der enormen Größe, auf die das Universum bis heute angewachsen ist, muss ein Rest dieser Strahlung noch immer vorhanden sein. Und tatsächlich: im All konnte eine Strahlungstemperatur gemessen werden: 2,7 Kelvin oder -270 Grad Celsius, also knapp über dem absoluten Nullpunkt. Die Wellen dieser Strahlung kommen gleichmäßig aus allen Himmelsrichtungen. Eine Strahlungsquelle wie z.B. eine entfernte Galaxie oder ein Stern lassen sich nicht orten. Ohne Quelle stammt sie aber wohl direkt aus dem heißen Urknall. Diese so genannte Hintergrundstrahlung zeigt sich als Rauschen am Fernsehschirm. Sie ist das Echo des Urknalls. Ein weiterer Hinweis auf den Urknall liegt in der Zusammensetzung der Materie im Kosmos. Insgesamt existieren 92 verschiedene chemische Elemente. Die beiden einfachsten Elemente Wasserstoff und Helium haben mit 98% den größten Anteil. Mit 2% der restlichen Masse ist der Anteil der anderen 90 Elemente verschwindend gering. Diese ungleiche Verteilung überrascht, passt jedoch in das Modell des expandieren Universums. Der Theorie nach sind wenige Minuten nach dem Urknall fast ausschließlich nur die zwei Elemente Wasserstoff und Helium entstanden. Danach waren Temperatur und Druck so rasch abgefallen, dass sich keine weiteren Elemente mehr bilden konnten. Das Weltall bestand am Anfang also hauptsächlich aus diesen beiden Grundelementen. Erst als sich nach einigen Millionen Jahren aus den Nebeln Sterne gebildet hatten, waren die Voraussetzungen für die Entstehung neuer Elemente wieder gegeben. Im Inneren der Sterne herrschen sehr hohe Temperaturen und extreme Druckverhältnisse. Und sie sind über große Zeiträume stabil. Lange genug, um alle weiteren 90 Elemente, die wir im Kosmos vorfinden, auszubrüten. Diese Prozesse gehen langsam vor sich. Sie dauern Millionen oder Milliarden Jahre. Daher wurden aus dem im Urknall gebildeten Wasserstoff und Helium bis heute erst etwa 2% in weitere Elemente umgewandelt. Je mehr Sterne entstehen - auch heute noch und je älter das Universum dabei wird, umso größer wird der Anteil der schweren Elemente. Er müsste demnach früher, im jungen Universum, geringer gewesen sein. Das können wir überprüfen. Mit Hilfe von Satelliten blicken wir weit in die Tiefen des Raums und damit zurück in die Vergangenheit des Kosmos. Das Licht der Galaxien zeigt uns heute ein Bild der Himmelsobjekte in dem Zustand, in dem es von diesen abgestrahlt wurde. Wir können also die Zusammensetzung ihrer Materie zum damaligen Zeitpunkt feststellen. Das Licht dieser Galaxie war ca. 14 Milliarden Jahre zur Erde unterwegs. Wir sehen sie in einem Zustand, in dem das Universum mit 1 – 2 Milliarden Jahren selbst noch sehr jung war. Und tatsächlich: die Spektren dieser Objekte zeigen außer Wasserstoff und Helium kaum weitere Elemente an. Ihre Sterne hatten noch nicht genügend Zeit, die beiden Grundelemente in höherwertige umzuwandeln. Anhand dieser fernen Himmelskörper lässt sich also nachvollziehen, wie die Entwicklung des Universums verlaufen ist. Die Theorie des Urknalls scheint ein weiteres Mal bestätigt. Die Astronomen sind sich heute sicher: der Kosmos ist in einem Urknall entstanden und dehnt sich seither aus. Die einzig denkmögliche Alternative wäre ein statisches Universum. Doch die physikalischen Gesetzmäßigkeiten sprechen dagegen: auf Grund der Schwerkraft würden sich alle Sterne und Galaxien gegenseitig anziehen und in einem Punkt verschmelzen. Ein statischer Kosmos wäre längst in sich zusammengefallen. Ihm würde eine Energie fehlen, die der Schwerkraft entgegenwirkt: die kinetische Energie der Expansion. Diese Energie gibt es nur in einem dynamischen Universum. Die Entstehung der Welt (Zwischentitel) Das Universum ist aus dem Nichts entstanden. Am Anfang war reine Strahlung. Es war unendlich heiß. Die Expansion des Raumes erreichte Überlichtgeschwindigkeit. Sie erfolgte so schnell, dass sich die Temperatur bereits in den ersten Sekundenbruchteilen auf wenige Milliarden Grad reduzierte. Bei diesen hohen Energien bildete sich Materie: Quarks und Antiquarks, die sich gegenseitig vernichteten, gleich wieder bildeten, wieder vernichteten und so weiter. Es gab jedoch mehr Quarks als Antiquarks: die Bausteine, aus denen bereits wenige Stunden nach dem Urknall die einfachen Elemente Wasserstoff und Helium entstanden. Der Kosmos war jetzt gefüllt mit einem heißen, undurchsichtigen Plasma, das von der gewaltigen Energie der Expansion mitgerissen wurde. Durch die Ausdehnung des Weltalls sank die Strahlungstemperatur. Nach etwa 300.000 Jahren betrug sie nur noch 3.000 Grad. Die Verteilung der Materie im Raum war nicht vollständig gleichmäßig. Es gab Unregelmäßigkeiten, die dazu führten, dass sich der Wasserstoff an bestimmten Stellen verdichtete. Die komplexen Prozesse der Sternentstehung hatten begonnen. Nebel, die sich verdichten, erreichen im Kern eine höhere Schwerkraft, die immer mehr Materie aus der Umgebung anzieht. Durch Reibung und chemische Vorgänge erhitzt sich der Wasserstoff so stark, dass er hell zu leuchten beginnt. Die einsetzende Strahlung bläst die restlichen Nebel weg. So entstehen riesige Leerräume. Wenige Millionen Jahre nach dem Urknall hatten sich die ersten Sterne gebildet. Sterne entwickeln sich nie einzeln. Sie werden immer in Gruppen geboren. Gefangen durch die gegenseitige Anziehungskraft sammeln sie sich zu großen Haufen, die bis auf mehrere Millionen Mitglieder anwachsen. So entstanden die ersten Galaxien. Kleine kosmische Gebilde mit unregelmäßigen Formen. So genannte Zwerggalaxien. Das Weltall war jetzt 1 Milliarde Jahre alt. Obwohl es weiterhin rasch expandierte, war es verglichen mit heute noch sehr klein. Und die jungen Galaxien waren sich nahe. Nahe genug, um von der Schwerkraft gegenseitig angezogen zu werden. Sie stürzten ineinander. Wenn zwei Galaxien verschmelzen, berühren sich ihre Sterne kaum. Zu groß sind die Entfernungen zwischen ihnen. Doch ihre Gaswolken haben riesige Ausdehnung. Sie prallen aufeinander. Ihre Stoßwellen setzen Prozesse in Gang, die neue Sterne entstehen lassen. Nach dem Verschmelzen der Zwerggalaxien waren kosmische Riesen mit Kugelformen entstanden. In jeder von ihnen bewegten sich jetzt mehr als 100 Milliarden Sterne. Durch den Zusammenstoß wurden die Sterne auf ihren Kreisbahnen in den Galaxien so stark beschleunigt, dass ihre Fliehkräfte sie nach außen schleuderten. Die Kugelformen der Galaxien flachten ab und wurden elliptisch. Auch die Staub- und Gaswolken wurden Tausende Lichtjahre weit nach außen getragen und formten sich zur Scheibe. Im Kern blieb die Sternendichte sehr viel höher. Deswegen leuchtet er heller. Dort rotieren die Sterne auch schneller als außen. Arme begannen sich auszubilden. Über Zeiträume von mehreren Milliarden Jahren hatten sich Spiralgalaxien entwickelt. Die Durchmesser betragen durchschnittlich 100.000 Lichtjahre. Von der Seite entpuppen sie sich als flache Scheiben. Selbst auf größte Entfernungen bleiben die Galaxien gravitativ miteinander verbunden. Sie bildeten kleine Gruppen und große Haufen. Es entstanden immer großräumigere Strukturen mit Tausenden Mitgliedern. Das Universum wächst unaufhaltsam weiter und Beobachtungen deuten darauf hin, dass die Expansion des Raumes nie enden wird. Die Galaxien werden sich weiter voneinander entfernen der Kosmos wird leerer, dunkler und kälter. Die Zeit, die seit dem Urknall bis heute vergangen ist, wird auf circa 15 Milliarden Jahren geschätzt. Die Vorstellung, dass diese unendlichen Weiten, die Materie aller Galaxien und Sterne aus einem winzig kleinen Punkt entstanden sind mag uns paradox erscheinen. Doch wir müssen erkennen, nicht die Natur ist paradox, paradox ist lediglich das Bild, das wir uns bisher von ihr gemacht haben. Und je mehr wir verstehen, desto eher erkennen wir, wie viel Unbekanntes noch vor uns liegt. Die folgende Tabelle wurde dem Buch So interessant ist Physik! – Walter Kranzer – Aulis Verlag Deubner & Co KG, Köln, 1982 entnommen. Die Zeit seit dem Urknall wurde dabei auf ein Jahr reduziert, und verschiedene markante Ereignisse in unserem Universum ebenso analog umgerechnet. Man erhält damit einen eindrucksvollen Überblick über Zeitabläufe seit Bestehen des Weltalls. Ereignis Urknall Erstarren der Erdkruste erste Lebewesen Älteste Fossilien erste Wirbeltiere erste Säugetiere erste Menschen Anfänge des Städtebaus älteste Schriftfunde Pythagoras Kopernikus Quantentheorie fand statt in Wirklichkeit vor 18 Mrd. a 4,5 Mrd. a 3 Mrd. a 600 Mio. a 400 Mio. a 230 Mio a 2 Mio. a 8000 a 6000 a 2500 a 500 a 100 a reduziert vor 1a 3 Monate 2 Monate 12 Tage 8 Tage 4 Tage 14 Stunden 58 Minuten 14 Sekunden 10 Sekunden 4,2 Sekunden 0,8 Sekunden 0,16 Sekunden Die Tabelle ist gegenüber dem Original leicht verändert, besonders die Daten im Zusammenhang mit der Quantentheorie sind bezogen auf das Jahr 2000 umgerechnet.