Das Leitwort „Seht, ich mache alles neu“ (Off 21,5) zur Feier des 200-jährigen Jubiläums der Neugründung des Bistums Speyer Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann Als Leitwort für die Feier des 200-jährigen Jubiläums der Neugründung des Bistums Speyer haben wir eine Stelle aus der „Offenbarung des Johannes“ gewählt, jenes letzten Buches des Neuen Testaments, das in großen Bildern vom Weg der Kirche durch die Zeit spricht. „Seht, ich mache alles neu“ - so lautet die Stelle aus dem 21. Kapitel, in dem die neue Welt Gottes beschrieben wird. Sie ruft uns in Erinnerung, dass Geschichte mehr ist als die bloße Abfolge von Ereignissen. Die Darstellung der Historiker und Geschichtswissenschaftler wird dadurch nicht aufgehoben, wohl aber in einen weiteren Rahmen gestellt. Als Christen sind wir überzeugt, dass Geschichte Heilsgeschichte ist, Handeln des liebenden Gottes in der Schöpfung und an den Menschen. Das Alte Testament überliefert uns die Urerfahrung des Volkes Israel, dass Gott die Wege der Menschen mitgeht, dass er sie zum Ziel leiten will - auch durch alle Erfahrungen von Not und Bedrängnis. Gerade in Zeiten des Umbruchs erweist sich Gott als derjenige, der das „geknickte Rohr nicht zerbricht“ und den „glimmenden Docht nicht auslöscht“, wie es im Buch Jesaja heißt. Stattdessen öffnet Gott den Menschen gerade an den Tiefpunkten der Geschichte und des Lebens neue Wege, schenkt ihnen neue Zuversicht und einen neuen Geist. Es ist die zentrale Erfahrung der verzagten Jünger an Pfingsten, dass der Heilige Geist sie aller Angst entreißt. Blicken wir auf das aktuelle Weltgeschehen, sehen wir auch heute viele Formen der Unsicherheit und der Angst, die sich in Gewalt und kleinmütiger Abgrenzung gegen alles Fremde Bahn suchen. Der Zuspruch „Seht, ich mache alles neu“ kann uns wieder bewusst machen: Nicht die Mächtigen der Welt, nicht ein Herr Trump, ein Herr Putin oder ein Herr Erdogan haben das letzte Wort, sondern Gott ist der Herr der Geschichte. Er wirkt mit seiner gestalterischen Kraft immer wieder den Aufbruch und den Neuanfang. Daher fügt es sich gut, dass wir uns gerade an Pfingsten der Neugründung des Bistums und der Führung Gottes durch die Geschichte dankbar erinnern dürfen. Dabei ist die Aussage „Seht, ich mache alles neu“ für uns nicht theologische Spekulation, sondern ein durch Erfahrung vielfach bestätigter Glaube. Nach dem Untergang des alten Fürstbistums in den Wirren der Revolutionskriege wurde dem Bistum Speyer mit der Unterzeichnung des Bayerischen Konkordats im Jahr 1817 ein neuer Anfang geschenkt. Immer stärker bildete sich im Lauf des 19. Jahrhunderts eine neue Gestalt von Kirche heraus. In ihrer Mitte stehen die Verkündigung, die Seelsorge und die Hinwendung zu den Schwachen. Die Orden, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts von caritativen und sozialen Pioniergestalten wie dem Seligen Paul Josef Nardini in Pirmasens, dem Priester Jakob Friedrich Bussereau in Herxheim und Bischof Nikolaus von Weis mit dem Institut St. Dominikus gegründet wurden, geben davon Zeugnis. Ebenso dürfen wir uns dankbar zum Beispiel des Wirkens der heiligen Edith Stein in unserem Bistum oder der Beiträge zur deutsch-französischen Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg erinnern. Blicken wir auf die gesamte Zeitspanne von 200 Jahren, stellen wir fest: Aus einem Anfang voller Bedrängnis ist heute wieder ein vielfältiges kirchliches Leben erstanden. Auch aktuell stehen wir wieder in einem Umbruch und vor der Aufgabe, aus den gewohnten Sicherheiten und Gewohnheiten neu aufzubrechen. Wir haben in Deutschland und den westlichen Ländern in den letzten Jahrzehnten einen schmerzlichen Glaubensverlust erfahren. Traditionen, die über Generationen selbstverständlich getragen haben, sind teilweise weggebrochen. Es ist völlig offenkundig, dass wir als Kirche neue Wege und eine neue Sprache suchen müssen, um den Menschen des 21. Jahrhunderts die befreiende Botschaft des Evangeliums nahezubringen. Mit dem Erneuerungsprozess „Gemeindepastoral 2015“, der Bündelung unserer Kräfte in 70 neuen Pfarreien mit 376 Gemeinden und der Ausrichtung der Seelsorge an neuen leitenden Perspektiven haben wir im Bistum Speyer wichtige Weichen dafür gestellt. So soll das Leitwort „Seht, ich mache alles neu“ uns auch Mut machen, in einer erneuerten Gestalt von Kirche die Botschaft Jesu ins 21. Jahrhundert zu tragen – ohne Angst und in der Freiheit und Freude, die uns durch Christus geschenkt ist.