Astronomie (v. griech. ástron "Stern" u. nómos "Gesetz") ist die Wissenschaft von den Himmelskörpern (und hat nichts zu tun mit der ►Astrologie). Die Astronomie befasst sich mit der Erforschung von Planeten, Monden, Fixsternen, Sternhaufen, Galaxien, Galaxienhaufen, ►Quasaren, interstellarer Materie, kosmischer Strahlung, ►Schwarzen Löchern und dergleichen. Untergebiet der Astronomie ist die Kosmologie, die unter anderem das Ziel hat, Erkenntnisse zur zeitlichen oder räumlichen Unendlichkeit des ►Universums zu gewinnen. Astronomie begann mit der Beobachtung des Nachthimmels und der Feststellung von Regelmäßigkeiten im Lauf von Sonne und Planeten. Hieraus ließen sich Bewegungsgesetze ableiten. Frühe Astronomen konnten mit Hilfe dieser Gesetze Sonnen- und Mondfinsternisse präzise voraussagen und dadurch Ruhm und Ehre gewinnen. ► Die erste Kultur, die sich Berufsastronomen leistete, waren die Babylonier. Sie benutzten ein auf der Zahl 60 basierendes ►Zahlensystem, um die Positionen von Mond, Sonne und Planeten aufzuzeichnen. Im babylonischen Weltbild befand sich die Erde im Mittelpunkt, umgeben von Wasser. Um die Erde herum bewegten sich Mond, Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter und Saturn. Jenseits des Saturns erstreckte sich ein rundes Gewölbe, an dem die Fixsterne angeheftet waren. Alles war von Wasser umschlossen. ► Die Griechen übernahmen zunächst das Weltbild der Babylonier. Thales von Milet beschrieb um 500 v. Chr. die Erde als eine flache, von Wasser umgebene Scheibe. Dieses Weltbild war während der gesamten Antike populär und findet sich auch in der ►Bibel. Erst spätere griechische Denker brachten an diesem Modell erhebliche Modifikationen an. Weltbild der Hebräischen Bibel ► Anaxagoras (um 450 v. Chr.) hielt die Erde für einen vertikalen Zylinder, auf dessen runder Stirnseite wir leben. Der Mond war eine Spiegelung des Sonnenlichts und Mondfinsternisse ein Resultat des Erdschattens, der das Sonnenlicht abdeckt. ► Eudoxus (um 350 v. Chr.) beschrieb die Bewegungen der Planeten um die Erde als kleine Kreise auf großen Kreisbahnen. Die Kombination von zwei Kreisbewegungen war nötig, um die seltsame Bahn der Planeten relativ zur stillstehenden Erde zu erklären. Diese bewegen sich nämlich meistens in die gleiche Richtung, manchmal jedoch rückwärts. ► Aristoteles (384 - 322 v. Chr.) überarbeitete das Modell des Eudoxus. Durch Hinzufügen von noch mehr Kreisen gelang es ihm, die Planetenpositionen in einem halbwegs mit den Beobachtungen übereinstimmenden Modell zu beschreiben. ► Aristarchus (um 250 v. Chr.) machte die erste grobe Abschätzung der Entfernungen von Sonne und Mond. Nach seinen Berechnungen war die Sonne zwanzigmal weiter von der Erde entfernt als der Mond. Da sie uns gleichgroß erscheint, musste sie also in Wirklichkeit auch zwanzigmal größer sein. Aristarchus fragte sich, ob es dann Sinn macht, dass sich die Sonne um die Erde bewegt. Wenn die Sonne soviel größer ist, sollte es dann nicht umgekehrt sein? ► Ptolemäus (um 150 n. Chr.) überarbeitete das Modell des Eudoxus und Aristoteles und fasste in seinem Buch Amalgest das astronomische Wissen seiner Zeit zusammen. Er beschrieb ein kompliziertes Modell von Planeten-Kreisbahnen, deren Mittelpunkte sich wiederum auf größeren Kreisbahnen, den Deferenten, bewegten. Er justierte die Kreise so lange, bis er eine gute Übereinstimmung mit den beobachteten Planetenpositionen erzielte. Weltbild des Ptolemäus ► Thomas von Aquin (1225 - 1274) machte das geozentrische Weltbild des Ptolemäus zum christlichen Dogma, das die nächsten 700 Jahre innerhalb der Kirche Bestand haben sollte. ► Nicolaus Kopernicus (1473 - 1543) entwarf ein völlig neues Weltbild mit der Sonne im Zentrum, umgeben von Erde und Planeten auf kreisförmigen Bahnen. Dies endlich erklärte die seltsame Rückwärtsbewegung der Planeten, die sich immer dann ereignet, wenn die Erde auf ihrer Bahn einen äußeren Planeten überholt. Allerdings stimmte sein einfaches Modell nicht mit den Beobachtungen überein. Deshalb musste auch er auf Eudoxus' und Aristoteles' komplizierte Kreise auf Kreisen zurückgreifen. ► Tycho Brahe (1546 - 1601) stellte die bis dahin genauesten Tabellen der Planetenbewegungen auf, basierend auf präzisen Messungen mit einem Quadranten. Er entwickelte ein neues Konzept des Sonnensystems, wonach sich zwar die Planeten um die Sonne bewegen, diese aber wiederum die Erde umkreist. Da man aus Beobachtungen von zwei Körpern allein nicht entscheiden kann, welcher nun welchen umkreist, war dieses Konzept dem Weltbild des Kopernikus prinzipiell ebenbürtig. Sternwarte des Tycho Brahe ► Johannes Kepler (1571 - 1630) hatte die Idee, dass sich Erde und Planeten nicht auf Kreisbahnen, sondern auf Ellipsen um die Sonne bewegten, und zwar mit einer vom Bahnradius abhängigen Geschwindigkeit. Nun endlich verfügte man über ein einfaches Modell des Sonnensystems, das perfekt mit den Beobachtungen übereinstimmte. ► Galileo Galilei (1564 - 1642) erforschte als erster den Himmel mit einem Fernrohr. Er entdeckte die Monde des Jupiters und stellte fest, dass die Milchstraße aus einer Vielzahl einzelner Sterne besteht. Die Kirche zwang ihn schließlich unter Androhung von Folter und Tod, sich öffentlich wider besseres Wissen zum geozentrischen Weltbild zu bekennen. ► Isaac Newton (1642 - 1727) gelang es, die Planetenbewegung durch ein einfaches Gravitationsgesetz vollständig zu erklären. Damit war das geozentrische Weltbild endgültig widerlegt. Es wurde zwar noch bis ins 19. Jahrhundert von der Kirche beibehalten, aber von Wissenschaftlern nicht mehr ernst genommen. Hölzernes 40-Zoll-Spiegelteleskop des Wilhelm Herschel, 1785 ► Wilhelm Herschel konstruierte Ende des 18. Jahrhunderts zahlreiche leistungsfähige ►Spiegelteleskope. Er entdeckte den Planeten Uranus und erstellte, unterstützt von seiner Schwester Caroline Herschel, einen vollständigen Katalog aller sichtbaren Sterne und Galaxien. ► Friedrich Bessel gelang 1838 die erste Messung der Entfernung eines Sterns nach der Parallaxenmethode (s. ►Entfernung). Er ermittelte die Entfernung zum Stern 61 Cygni mit 100 Billionen Kilometern - die weiteste Entfernung, die bis dahin je von Menschen gemessen wurde. Der Anfang aller Dinge Bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nahmen Astronomen an, das Universum sei ►ewig, ►unbegrenzt (wenn auch nicht notwendigerweise unendlich) und unveränderlich. Dieses Weltbild eines statischen Universums ohne Anfang und Ende wurde 1929 in seinen Grundfesten erschüttert, ähnlich wie das ptolemäische Weltbild 400 Jahre vorher von Kopernikus und Kepler aus seinen Angeln gehoben wurde. ► Edwin Hubble maß 1929 die Spektrallinien entfernter Galaxien und stellte fest, dass diese ins Rote verschoben waren - und zwar um so mehr, je lichtschwächer, d.h. je weiter entfernt die betreffende Galaxie war. Hubble nahm an, dass diese ►Rotverschiebung durch einen Doppler-Effekt verursacht wurde und dass alle Galaxien sich voneinander fortbewegen - und zwar um so schneller, je weiter sie voneinander entfernt sind. Demnach muss es einen Zeitpunkt in der Vergangenheit gegeben haben, an dem alle Galaxien und Sterne am gleichen Ort waren. Da Hubble als Ursache für das Auseinanderstreben der Galaxien eine Art primäre Explosion annahm, bürgerte sich für diesen Zeitpunkt die Bezeichnung "Urknall" ein. In den 1950ern wurde die Wasserstoffbombe entwickelt. Da ein Stern im Prinzip nichts anderes ist als eine permanente Wasserstoffbombenexplosion unter Gravitationsdruck, begann die Astronomie nun den nuklearen Mechanismus im Inneren von Sternen zu verstehen. Während der Lebenszeit eines Sterns ändert sich auf charakteristische Weise seine Helligkeit und Temperatur in Abhängigkeit von seiner Masse. Die Astronomie hatte nun einigermaßen zuverlässige Methoden an der Hand, um die ►Entfernung von Sternen anhand ihrer Temperaturen und Helligkeiten zu bestimmen. Es stellte sich heraus, dass die fernsten Galaxien, deren Rotverschiebung man kannte, mehrere Milliarden Lichtjahre (s.u.) entfernt waren. Aus ihrer Geschwindigkeit ließ sich nun berechnen, dass ihre Bewegung vor 10 Milliarden Jahren begonnen hatte. Dies war die erste grobe Abschätzung des Alters des Universums. Präzisere Entfernungsmessungen ergaben später, dass die Rotverschiebung nicht durch ein Auseinanderbewegen der Galaxien verursacht wurde, wie Hubble angenommen hatte, sondern durch eine Ausdehnung des Raums selbst. Dies ergab eine leicht unterschiedliche Formel für die Berechnung der Distanz aus der Rotverschiebung. (In manchen Lehrbüchern wird immer noch fälschlicherweise der geschwindigkeitsbedinget Doppler-Effekt als Ursache der Rotverschiebung angegeben). Das bessere Verständnis der Quantenmechanik erlaubte die Berechnung eines mathematischen Modells des ►Urknalls. Nach diesem Modell wurde 400000 Jahre nach dem Urknall das anfängliche Urplasma durchsichtig und erlaubte das Entkommen von vorher im Plasma 'gefangener' Strahlung. Diese Strahlung, sofern das Modell richtig war, muss heute noch sichtbar sein. In der Tat entdeckten 1964 zwei amerikanische Physiker die kosmische ►Hintergrundstrahlung. Dies war der endgültige Beweis für den Urknall. In den 1980ern und 1990ern erlaubt das ►Hubble-Weltraumteleskop und andere fortgeschrittene Teleskope die Entfernungsmessung von Galaxien mit hoher Präzision, insbesondere durch die Analyse der Strahlung von Supernovae. Es ergab sich, dass eineige Galaxien offenbar älter waren als die 10 Milliarden Jahre, die für das Alter des Universums angenommen wurden. Dieses Rätsel wurde später durch die Entdeckung erklärt, dass sich das Universum beschleunigt ausdehnt (bis dahin nahm man an, dass die Ausdehung durch die Gravitation abgebremst wird). Die neuen Daten ergaben ein Alter des Universums von 13.7 Milliarden Jahren. Wir können jedoch prinzipiell nicht unendlich weit ins Weltall schauen. Astronomische Beobachtungen sind auf das ►Hubble-Volumen beschränkt, einen kugelförmigen Bereich von 46 Milliarden Lichtjahren Radius. Aus den Beobachtungen und den bekannten physikalischen Gesetzmäßigkeiten lassen sich aber begründete Vermutungen über den Zustand des Universums außerhalb dieses Beobachtungsbereichs ableiten (s. ►Parallelwelten). Eines der wichtigsten, wenn nicht das wichtigste Gebiet der Astronomie überhaupt ist das Bestimmen der ►Entfernungen zu beobachteten Himmelsobjekten. Astronomische Entfernungen werden oft nicht in Meter angegeben, sondern in Lichtjahren oder Parsec. Ein Lichtjahr* ist die Strecke, die ein Lichtstrahl im Vakuum in 365,25 Tagen zurücklegt (1 Lichtjahr = 9.460.528.000.000 Kilometer). Ein Parsec ist die Entfernung eines Sterns, der von gegenüberliegenden Positionen der Erdbahn genau um eine Bogensekunde, d.h. 1/3600 Winkelgrad gegen den Hintergrund verschoben erscheint (1 Parsec = 3,26 Lichtjahre). Einige astronomische Entfernungen: 9 Lichtminuten zur Sonne. 6 Lichtstunden zum Ende des Sonnensystems (Plutobahn). 4,3 Lichtjahre zum nächsten sichtbaren** Fixstern, dem Alpha Centauri. 365 Lichtjahre zur nächsten außerirdischen Zivilisation (ohne Gewähr). 100.000 Lichtjahre zum Ende der Milchstraße. 2,7 Millionen Lichtjahre zur nächsten Galaxie, dem Andromedanebel. 250 Millionen Lichtjahre zum Großen Attraktor. 32 Milliarden Lichtjahre zur z.Zt. fernsten sichtbaren Galaxie, Abell 2218/391. 46 Milliarden Lichtjahre zum Ende der beobachtbaren Welt. Zeitpunkt Null: Was den Urknall auslöste und wie das genau passierte, liegt im Bereich der Spekulationen, denn das Standardmodell taugt nicht für so kleine Zeiten. Ziemlich sicher ist, dass das Universum nicht aus einem Punkt explodierte, wie Sie noch in manchen Büchern lesen können. Der Physiker Gabriele Veneziano entwickelte eine Interpretation der Stringtheorie, nach der die Welt ein unendlich großer, ►ewiger, kalter, zehndimensionaler Raum ist. Zunächst sind alle zehn ►Dimensionen gleichwertig. Die Überlappung zweier schwingender, mehrdimensionaler Membranen in diesem Raum führte zur Abspaltung unserer drei Raumdimensionen zum Zeitpunkt Null. Die Abspaltung ging einher mit dem 'Aufrollen' der restlichen Dimensionen zu winzigen Größen und einer extremen Verdichtung und Erhitzung des Raums. Gemäß dieser Theorie gibt es ständig neue Urknalle, die jedesmal zur temporären Entstehung eines drei- oder auch mehrdimensionalen Universums führen. Wie dem auch gewesen sein mag, alle weiteren Ereignisse lassen sich aus dem Standardmodell ableiten: 10-43 Sekunden*: Das Universum beginnt dicht und heiß. Es gibt noch keine Atome oder Atomkerne, nur elektromagnetische Strahlung (so dass die Bibel mit ►"Es werde Licht!" nicht ganz falsch lag). Ein Liter Urknall wiegt 1094 Kilogramm und hat eine Temperatur von 1032 Grad Celsius**. Die vier Grundkräfte, die die heutige Physik kennt - Schwerkraft, Starke und Schwache Kernkraft und Elektromagnetische Kraft - sind bei dieser Temperatur noch zu einer gemeinsamen Urkraft vereinigt. Der Raum beginnt sich sofort auszudehnen***. Durch die Ausdehnung nehmen die Dichte und Temperatur der Strahlung ab. Die Schwerkraft spaltet sich als erste eigenständige Kraft von der Urkraft ab, denn sie gehorcht unterhalb einer bestimmten Temperatur einem anderen Kraftgesetz als die anderen drei Kräfte. Die Strahlung ist immer noch so energiereich, dass sich Strahlungsteilchen ständig spontan in kurzlebige Materie- und Antimaterieteilchen und zurück verwandeln. Dabei bildet sich aufgrund einer Unsymmetrie (►CP-Verletzung) ein winziger Überschuss an Materie im Vergleich zur Antimaterie. Dieser Überschuss von nur etwa 0,0000000001 Prozent ist die Grundlage für die gesamte heutige Materie des Universums. 10-36 Sekunden: Die Strahlungstemperatur ist auf 1027 Grad abgesunken. Auch die Starke Kernkraft spaltet sich bei dieser Temperatur als eigene Kraft ab. Die Abspaltung bewirkt einen Phasenübergang in den Kraftfeldern, ähnlich wie wenn Wasser zu Eis gefriert. Hierbei wird Energie freigesetzt und beschleunigt 'inflationär' die Ausdehnung des Raumes, der sich in kurzer Zeit um den Faktor 1030 ausdehnt. Der Bereich, der dem heute beobachtbaren Teil des Universums entspricht (►Hubble-Volumen), erreicht dabei schlagartig die Größe eines Tennisballs. Diese extrem schnelle Inflation des Raums ist die Ursache für die heute beobachtete gleichförmige Verteilung von Materie und Strahlung im Universum. Die starke Ausdehnung kühlt zudem die Strahlung extrem ab, auf 1016 Grad (das ist eine Zahl, die man bereits aussprechen kann: Zehntausend Billionen Grad Celsius). Jetzt trennen sich auch die elektromagnetische Kraft und die Schwache Kernkraft. Damit ist die Aufspaltung der Urkraft in die vier heute bekannten Grundkräfte abgeschlossen. 10-16 Sekunden: In dem heißen Plasma aus Strahlung und Teilchen, das den Raum erfüllt, entstehen jetzt durch Zusammenballung von Quarks und Antiquarks verschiedene Sorten schwerer Elementarteilchen. Mit abnehmender Temperatur zerfallen die schwersten der Teilchen, bis nur noch Protonen und Neutronen - die späteren Bestandteile von Atomkernen - sowie ihre Antiteilchen übrig bleiben. Auch diese Teilchen vernichten sich gegenseitig bei Kollisionen mit ihren Antiteilchen, bis auf den schon erwähnten winzigen MaterieÜberschuss. Die Strahlungsenergie reicht zur Bildung schwerer Teilchen nicht mehr aus. Nur noch leichte Elementarteilchen - wie Elektronen und ihre Antiteilchen, die Positronen - können entstehen. Ein Raumvolumen von einem Liter wiegt jetzt nur noch gut 10 Milliarden Kilogramm bei einer Temperatur von einer Milliarde Grad Celsius. 10 Sekunden: Die Temperatur ist nun so niedrig, dass sich Protonen und Neutronen zu stabilen ►Atomkernen vereinigen können, ohne dass sie durch die Strahlung gleich wieder auseinander gerissen werden. 75% der Protonen schwirren als Wasserstoffkerne frei herum, die restlichen bilden zu 25% Helium (bestehend aus 2 Protonen und 2 Neutronen) und zu 0,001% Deuterium (1 Proton, 1 Neutron). Die ältesten Sterne bestehen heute noch aus genau dieser Mischung. Die Ausdehnung des Raums bewirkt übrigens keineswegs, dass sich die Atomkerne selbst ausdehnen. Nur der Abstand zwischen ihnen vergrößert sich. Nach fünf Minuten hat die Materiedichte soweit abgenommen, dass sich keine neuen Atomkerne mehr bilden. Die übrig gebliebenen Neutronen sind nicht stabil und zerfallen im Verlauf der nächsten Minuten. Danach passiert einige Jahrtausende lang nichts Aufregendes mehr. 10000 Jahre: Durch die weiter sinkende Temperatur nimmt die Energie und Masse der Strahlung ständig ab. Es gibt jetzt mehr Materie als Strahlung im Universum. Unterhalb von 2700 Grad Celsius (3000 Kelvin) können positiv geladene Atomkerne negativ geladene Elektronen 'einfangen' und mit ihnen stabile Wasserstoff-Atome bilden. Diese sind elektrisch neutral und wechselwirken daher kaum noch mit den Strahlungsteilchen. Licht kann sich nun, etwa 380000 Jahre nach dem Urknall, ungehindert ausbreiten. Das Universum wird durchsichtig. Das Licht mit der Strahlungstemperatur von 3000 Kelvin, das damals das Universum erfüllte, können wir heute noch als ►Hintergrundstrahlung wahrnehmen. 1 Million Jahre: Da die Strahlung keinen Druck mehr auf sie auswirkt, gerät die Materie nun stärker unter den Einfluss der Schwerkraft, die eine gegenseitige Anziehung der Teilchen bewirkt. Anfangs war die Materie fast völlig gleichförmig verteilt, abgesehen von geringen Dichteschwankungen, die in der bereits erwähnten Inflations-Phase 10-36 Sekunden nach dem Urknall entstanden sind. Aus diesen Dichteschwankungen bilden sich nun großräumige Zusammenballungen. Die Atome verhalten sich dabei wie Schmeißfliegen: Je mehr sich auf einem Haufen versammeln, desto mehr Anziehung üben sie auf andere aus. Es kommt zu Massenansammlungen von Wasserstoff- und Heliumatomen. 1 Milliarde Jahre: Die Massenansammlungen ziehen sich durch die Schwerkraft dichter und dichter zusammen. Sie bilden schließlich ►Schwarze Löcher, die so massiv sind, dass sie den Raum um sich verkrümmen und zu einem geschlossenen Bereich abschnüren. Um sie herum rotieren große Wolken von durch die Anziehung eingefangenem Helium und Wasserstoffgas. Gasströme stürzen unter Aussendung enormer Strahlung in die Schwarzen Löcher hinein und verschwinden für immer. Diese Strahlungsquellen - die ►Quasare existieren heute nicht mehr, dennoch sehen wir sie immer noch am Rand des beobachtbaren Bereichs des Universums. In den rotierenden Gaswolken entstehen aus örtlichen Verdichtungen die ersten Sterne und Sternhaufen. Bis jetzt kannte die Welt nur Wasserstoff, Helium und Spuren anderer leichter Elemente; nun bilden sich in den Sternen durch Verschmelzen von Atomkernen alle schweren Elemente bis zum Eisen. Die größeren Sterne explodieren schon nach ein paar Millionen Jahren als Supernova. In der Explosion bilden sich auch Elemente, die schwerer als Eisen sind, und werden ins All geschleudert. Alle schweren Elemente, aus denen auch wir zusammengesetzt sind, wurden im Inneren von Sternen und in Supernova-Explosionen ausgebrütet (so dass wir im wahrsten Sinn des Wortes aus Sternenstaub bestehen). Nachdem die Schwarzen Löcher die meisten Gaswolken in ihrer unmittelbaren Nähe an sich gezogen und verschluckt haben, versiegen die in sie hineinstürzenden Gasströme und damit auch die Quasarstrahlung. Die Schwarzen Löcher kommen zur Ruhe und werden weitgehend unsichtbar. Sie bilden die Zentren der um sie herum durch Sternbildung entstehenden Galaxien. 9 Milliarden Jahre: Am Rand einer sonst weiter nicht auffälligen Spiralgalaxie verdichtet sich eine Wolke aus Gas und Staub, die auch schwere Elemente aus früheren SupernovaExplosionen enthält. Unter dem Einfluss der Schwerkraft verklumpt diese Wolke schließlich zu einem Sonnensystem mit neun Planeten. 13,7 Milliarden Jahre: Die Temperatur der allumfassenden Strahlung ist nun auf unter 270 Grad Celsius abgesunken, nur 2,7 Grad über dem absoluten Nullpunkt. Dies ist die heute gemessene Temperatur der kosmischen ►Hintergrundstrahlung. Auf dem dritten Planeten des oben erwähnten Sonnensystems kriechen kleine Gruppen werkzeugbenutzender Lebewesen aus dem Dschungel. Sie starren in den Nachthimmel und beginnen sofort mit dem Grübeln über die ►Unendlichkeit... Was passiert weiter? Da es keinen Grund gibt, die Computersimulation in der Jetztzeit anzuhalten, kann man sie bis zum Ende des Universums durchlaufen lassen. Das Ergebnis finden Sie unter ►Universum. * = 0,000000000000000000000000000000001 Sekunden; Zehnerpotenz-Schreibweise s. ►Zahlen. ** Jede Strahlung besitzt nach der Einsteinformel ►E = mc2 eine bestimmte Masse und nach dem Planck'schen Strahlungsgesetz eine bestimmte Temperatur, die beide von der Dichte und der Frequenz der Strahlungsteilchen abhängen. Strahlung kann sich spontan in Materie und Antimaterie gleicher Masse verwandeln. Wenn Materie mit Antimaterie in Berührung kommt, zerstrahlt sie wieder. *** Auch wenn er bereits unendlich groß ist. Stellen Sie sich vor, der Raum bestünde aus unendlich vielen kleinen Gummiwürfeln, die sich alle gleichermaßen ausdehnen. Er dehnt sich übrigens auch heute noch aus, doch viel langsamer - der Ausdehnungfaktor beträgt zurzeit nur 6 x 10-5 in einer Million Jahre. Es gibt Hinweise, dass die Ausdehnungsgeschwindigkeit wieder zunimmt.