Dmitrij Schostakowitsch Sinfonie Nr.12 d-Moll op.122 (Das Jahr 1917) Konzertzyklus 7 Außerdem auf dem Programm: Peter Tschaikowsky Konzert für Klavier und Orchester Nr.2 G-Dur op.44 Do 20./Fr 21.03.2014, 20 Uhr 19 Uhr Einführung in die Werke durch Schüler der Stuttgarter Musikschule Stuttgart, Liederhalle, Beethoven-Saal Live-Übertragung in SWR2 (am 21.3. ab 20.03 Uhr) Boris Berezovsky, Klavier Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR Dirigent: Vassily Sinaisky Empfohlen ab Klasse 8 Erstellt von Tilman Heiland Material zu “Schostakowitsch Sinfonie Nr. 12 – Unterrichtsmodul” Schosza Modulbeschreibung 1 Titel Schostakowitsch Sinfonie Nr. 12 2 Schulart Gymnasium 3 Fach Musik 4 Klasse Kursstufe 5 Zeitumfang 4 Stunden (2 Doppelstunden) 6 Kurzbeschreibung Handreichung (Materialsammlung, Analyse) zu Schostakowitschs 12. Sinfonie zur Vorbereitung eines Konzertbesuchs fachlich: 7 Vorauszusetzende Kompetenzen (fachlich, methodisch) siehe Bildungsplan Gymnasium, Musik, Kursstufe, Kompetenzbereiche 2 und 3 methodisch: Internetrecherche, fächerübergreifende Kompetenzen (Verknüpfung mit historischem Wissen) 8 Angestrebte Kompetenzen (fachlich, methodisch) Vertiefung der o.g. Kompetenzen am vorgestellten Beispielwerk 9 Bildungsplanbezug mit Quellenangabe Bildungsplan Gymnasium, Fach Musik, Kursstufe, Kompetenzbereiche 2 (Musik hören und verstehen) und 3 (Musik reflektieren) 10 11 12 13 Name der Autorin/des Autors, Tilman Heiland, [email protected] E-Mail-Adresse Bild für die Modulbeschreibung mit Quellenangabe Multimediale Unterrichtsgestaltung (Geräte- und MediComputer (für Internetrecherche), Tonträger, OHP etc. eneinsatz) Jugendmedienschutz- bzw. Medienbildungsinhalte Information Kommunikation Präsentation Produktion Analyse Mediengesellschaft Medienrecht Aspekte des Jugendmedienschutzes Tilman Heiland © 2014 LMZ-BW SESAM Material zu “Schostakowitsch Sinfonie Nr. 12 – Unterrichtsmodul” Unterrichtsverlauf zu „Schostakowitsch Sinfonie Nr. 12“, 4 Stunden (2 Doppelstunden), Kursstufe, Musik, Gymnasium Bildungsplanbezug: Kursstufe KB 2/3 Zeitrahmen Unterrichtsinhalt (1. Doppelstunde) Arbeitsform/Methode Medien/Arbeitsmaterial ca. 15 min Einstieg: Hörvergleich eines zeitgenössischen westeuropäischen Werkes (auch aus der Popularmusik möglich!) mit einem Ausschnitt aus Schostakowitschs Sinfonie Nr. 12 / Zuordnung zu Aussagen über Freiheit der Kunst (z.B. aus dem GG oder der Landesverfassung) bzw. Aussagen zur Kunst im Rahmen der Ästhetik der Parteiideologie in der Sowjetunion ca. 15 min Erarbeitung des historisch-politischen Hintergrunds: Gruppenarbeit Internetrecherche in Kleingruppen zu den Stichworten „Sowjetunion“, „Stalinismus“, „sozialistischer Realismus“, „Schostakowitsch“ Computer / Internet ca. 20 min Präsentation der Gruppenergebnisse vor dem Plenum Ergänzung / Präzisierung durch die Lehrkraft (Begriffe „Symphonismus“, „Vier-Akte-Dramaturgie“) Präsentationen Lehrervortrag ggf. OHP oder Tafel ca. 20 min Rekapitulation und Gegenüberstellung: klassischer Ablauf eines Sonatenhauptsatzes / einer Sinfonie Übertragung auf die „Vier-Akte-Dramaturgie“ Unterrichtsgespräch OHP oder Tafel ca. 20 min Analyse der Themen der Sinfonie und ihrer Bezüge untereinander Einzel- oder Partnerarbeit (ggf. mit Lehrerunterstützung) Klavier oder Tonträger zum Vorspielen / beigefügte Notenbeispiele ohne Motivangaben (mit Motivangaben zur Lösung) Tilman Heiland © 2014 LMZ-BW SESAM Lehrervortrag Tonträger, Audioanlage Material zu “Schostakowitsch Sinfonie Nr. 12 – Unterrichtsmodul” Zeitrahmen Unterrichtsinhalt (2. Doppelstunde) Arbeitsform/Methode Medien/Arbeitsmaterial ca. 20 min Einstieg: Rekapitulation der Themen – ggf. musizieren (Thema 3/II kann auch vierstimmig gesungen werden) Unterrichtsgespräch Klassenchor Notenbeispiele ca. 20 min Vorstellung des Ablaufsschemas des 1. Satzes, z.B. durch eine erläuterte Grafik Hören des 1. Satzes unter Mitverfolgung des Ablaufschemas und der Themen in den Notenbeispielen Lehrerpräsentation OHP oder Tafel, Notenbeispiele, Tonträger Selbsterarbeitung des Formschemas des 2. Satzes (z.B. durch Erstellung einer Grafik) durch Hören des Satzes in Abschnitten Einzel- oder Partnerarbeit ca. 25 min Hören Tonträger, Notenbeispiele Hören ca. 5 min Hören des 3. Satzes nach kurzer Information über den formalen Ablauf (auf Hören eine detaillierte Analyse kann angesichts des einfachen Ablaufs ggf. verzichtet werden) Tonträger, Notenbeispiele ca. 15 min Vorstellung des Ablaufsschemas des 4. Satzes, z.B. durch eine erläuterte Grafik, Hinweis auf die Komplexität der Form Hören des 4. Satzes unter Mitverfolgung des Ablaufschemas und der Themen in den Notenbeispielen Lehrerpräsentation OHP oder Tafel, Notenbeispiele, Tonträger Hinweis auf den zyklischen Charakter und die Möglichkeit der Deutung der Sinfonie als ein großer Sonatensatz Lehrervortrag ca. 5 min Tilman Heiland © 2014 LMZ-BW SESAM Hören Material zu “Schostakowitsch Sinfonie Nr. 12 – Unterrichtsmodul” Handreichungen zu Schostakowitschs Sinfonie Nr. 12 Vorbemerkung: Die nachstehenden historischen Bemerkungen zur kulturpolitischen Lage in der stalinistischen und nachstalinistischen Ära der Sowjetunion im Allgemeinen und der Situation Schostakowitschs im Besonderen sowie die Analyse der Sinfonie Nr. 12 sind als Hintergrundinformationen für die Lehrkraft gedacht. Sie sind im Rahmen einer UE von 4 Stunden angesichts ihres Umfangs nicht als Arbeitsmaterial für die Hand der Schülerinnen und Schüler geeignet (Ausnahme: beigefügte Notenbeispiele, insbesondere ohne die Motivkennzeichnungen). Abhängig von der Situation des Kurses ist von der Lehrkraft zu entscheiden, wie detailliert anhand der vorgelegten Informationen das Werk besprochen werden soll / kann. Insofern ist auch der vorgeschlagene Unterrichtsablauf nur als Empfehlung anzusehen. Zeitgeschichtlich-politischer Kontext Eine angemessene Interpretation der Werke und Verständnis für die Person Dmitrij Schostakowitschs (1906-1975) ist nicht möglich ohne die Berücksichtigung der Lebensumstände und Arbeitsbedingungen eines Künstlers in der Sowjetunion, die sich gravierend von den künstlerischen Entfaltungsmöglichkeiten im freien Westen unterschieden. Dies gilt insbesondere für die Zeit der Herrschaft Stalins (1924-1953), die speziell für Schostakowitsch schicksalhaft und prägend war. Alle Künstler in der Sowjetunion mussten sich dem Diktat des „Sozialistischen Realismus“ unterwerfen, wenn sie wollten, dass ihre Werke anerkannt, verbreitet, aufgeführt etc. werden konnten – mehr noch, wenn sie selber als Person in Sicherheit leben wollten. Sozialistischer Realismus – Formalismus Der Begriff des „Sozialistischen Realismus“ wurde in den 1930er-Jahren zunächst im Zusammenhang mit der Literatur geprägt. Andrej Schdanow, Parteisekretär des Gebiets Leningrad, einflussreichster Kulturpolitiker unter Stalin und berüchtigter „Säuberer“ definierte zunächst die sowjetische Literatur als eine fortschrittliche, ideenreiche und revolutionäre. Als inhaltliches Prinzip wird vorgegeben: Der sozialistische Realismus (...) fordert vom Künstler wahrheitsgetreue Darstellung der Wirklichkeit in ihrer Entwicklung. (zit. nach Kopp, S. 35) Was unter „wahrheitsgetreu“ zu verstehen sei, definierte Stalin selbst so: Wenn der Künstler „wahr“ unser Leben zeigt, so kann er darin nicht übersehen, was es zum Sozialismus führt. Gerade das ist die sozialistische Kunst. Das wird der sozialistische Realismus sein. (Kopp, S. 33) In der Praxis bedeutete dies, dass alle künstlerischen Äußerungen das sowjetische System zu verherrlichen und den letztendlichen „Sieg“ des Sozialismus als positiv und unausweichlich darzustellen hatten. Versuche, die künstlerische Formensprache analog der Entwicklungen im Westen progressiv und experimentell weiter zu entwickeln, die Eigengesetzlichkeit von Kunst zu akzeptieren und sie um ihrer selbst willen zu betreiben, waren verpönt und fielen unter das Verdikt des „Formalismus“: Formalismus (ist) ... die künstliche Loslösung der Form vom Inhalt und (besteht darin,) der Form ... zum Schaden des Inhalts eine selbst befriedigende und primäre Bedeutung zu verleihen. Der F. sieht den Sinn der Kunst nicht in der Tilman Heiland © 2014 LMZ-BW SESAM Material zu “Schostakowitsch Sinfonie Nr. 12 – Unterrichtsmodul” Widerspiegelung der Wirklichkeit, sondern in der Schöpfung einer von der objektiven Welt „unabhängigen“ künstlerischen Form. (Große Sowjetenzyklopädie, zit. nach Kopp, S. 39) Mit dieser Definition konnte mühelos jeder unliebsame Künstler in der Sowjetunion denunziert und verfolgt werden: In der Geschichte der sowjetischen Literatur und Kunst ist nicht eine einzige Persönlichkeit auch nur der geringsten Bedeutung zu finden, die nicht zu irgendeiner Zeit einmal als „Formalist“ gebrandmarkt worden wäre. Es war eine völlig willkürliche Beschuldigung, aber für viele (...) bedeutete sie den Untergang. (Volkow, S. 25) Sozialistischer Realismus in der Musik – Symphonismus Die Fragwürdigkeit des Begriffs des sozialistischen Realismus wird in der Musik besonders deutlich, da die Musik noch weniger als andere Künste ein „Abbild“ oder eine „Widerspiegelung“ der Gesellschaft sein kann. Die Parteiästhetik der KPdSU ordnete daher musikalische Elemente bestimmten Inhalten zu: Parteilichkeit und Perspektivgestaltung erforderten die „Thematisierung“ einer positiven Gestalt („Held“), die in der Auseinandersetzung mit dem „Bösen“, der negativen Gestalt, gesetzmäßig (Hervorhebung T.H.) den Sieg erringt und somit die ideologisch verheißene positive Zukunft antizipiert. (Kopp, S. 54) Dem Prinzip des Guten werden danach Tonalität, Konsonanz, Melodienreichtum, Volksmusik, Märsche und Lieder der Revolution etc. zugeordnet, dem Prinzip des Bösen entsprechend Dissonanz, plumpe Melodik, raue Harmonik, scharfe Klangfarben, aber auch Jazz etc. Misstrauen herrschte gegenüber reiner Instrumentalmusik, wo eine solche Thematisierung sich naturgemäß schwerer gestalten lässt – vokale Gattungen wie Opern, Oratorien und Kantaten sowie Programmmusik wurden eindeutig bevorzugt. Die Gattung der Sinfonie wurde dem entsprechend musikalisch-dramatisch angesehen, das Konzept der Sinfonie wird immer von einer außermusikalischen Idee heraus entwickelt (Kopp, S. 63). Im Sinne der „Vier-Akte-Dramaturgie“ (Kopp, S. 64 ff) werden den Sätzen einer Sinfonie folgende semantische Felder zugeordnet: 1. Satz: Aufstellung des Konflikts (Held/Vaterland ≠ Feind), dargestellt in der Dialektik der Sonatenform 2. Satz: Reflexion, Lyrik, Trauer (v.a. in Kriegssinfonien) 3. Satz: Scherzo (Tanz, Spiel), aber auch Austragung des Konflikts als Vorbereitung des Finales 4. Satz: Einheit, Sieg, Apotheose In der sowjetischen musikwissenschaftlichen Literatur wurde dies unter dem Begriff „Symphonismus“ zusammengefasst. Pikanterweise ging es gerade hier um die Erfüllung einer formalen Vorlage – im Gegensatz zu der sonst üblichen Geringschätzung der Form unter dem Begriff des „Formalismus“. Schostakowitschs sinfonisches Schaffen im sowjetischen Kontext Avantgardist in jungen Jahren Schostakowitsch galt in seinen jungen Jahren durchaus als Avantgardist. In der Musik der noch jungen Sowjetunion gaben anfänglich die „Linken“ den Ton an. NachTilman Heiland © 2014 LMZ-BW SESAM Material zu “Schostakowitsch Sinfonie Nr. 12 – Unterrichtsmodul” dem 1921 durch die Einführung der NEP (Neue Ökonomische Politik) die bitterste Not der nachrevolutionären Kriegs- und Bürgerkriegsjahre einem halbwegs normalen Leben weichen konnte, zog es auch viele bedeutende Komponisten der westlichen Avantgarde (z.B. Hindemith und Bartok) nach Leningrad, um ihre Werke aufzuführen. Die zeitgenössische westliche Musik wurde begierig aufgenommen, auch von Schostakowitsch. Nach der Uraufführung seiner 1. Sinfonie – sie war seine Diplomarbeit am Leningrader Konservatorium – im Jahr 1926 wurde er über Nacht als Komponist berühmt. Er erhielt den staatlichen Auftrag, zur Feier des 10. Jahrestages der Oktoberrevolution eine Komposition zu schreiben – so entstand seine 2. Sinfonie „An den Oktober“, ein ausgesprochen avantgardistisches, teilweise atonales Werk, einsätzig mit einem Schlusschor auf das Gedicht „Oktober“ von Alexander Bezymenskij (Kopp, S. 138). Trotz der zunehmenden Gleichschaltung des gesamten kulturellen Lebens seit Beginn der 1930er-Jahre – alle Kulturschaffenden mussten sich in Verbänden zusammenschließen, die im Rahmen der Parteiästhetik über Erfolg und Misserfolg des einzelnen Künstlers entschieden – findet diese Phase ihren Höhepunkt in der Oper „Lady Macbeth des Mzensker Kreises“, die nach ihrer umjubelten Premiere 1934 in den nächsten zwei Jahren fast 200 Aufführungen in Moskau und Leningrad erlebte, dazu sofort auch Aufführungen im westlichen Ausland. Der 28. Januar 1936 Zwei Tage nach jener Aufführung der „Lady Macbeth“ in Moskau, wo Stalin diese Oper zum ersten Mal sah und vor dem Schluss wütend das Theater verlassen haben soll, erschien am 28.01.1936 in der Prawda der berüchtigte Artikel „Chaos statt Musik“ (mutmaßlich von Stalin selbst verfasst), in dem das Werk „verrissen“ und Schostakowitsch als Formalist und Modernist verhöhnt wurde: Vom ersten Augenblick an vergeht dem Zuhörer Hören und Sehen bei dem absichtlich plumpen, verwirrenden Getöse von Tönen. Bruchstücke von Melodien (...) ertrinken, verschwinden und gehen immer wieder unter in Krachen, Knirschen und Kreischen. Dieser „Musik“ zu folgen, ist schwierig, sie zu erinnern, unmöglich. (...) Das ist ein Spiel mit abstrusen Dingen, das sehr böse enden könnte. (zit. nach Volkow, S. 24) Es war die Zeit der ersten großen Welle des Terrors, der Verhaftungen und Schauprozesse. Nachdem zehn Tage später erneut in der Prawda ein Ballett Schostakowitschs ebenfalls gescholten wurde, musste er täglich mit seiner Verhaftung rechnen, so wie viele in Ungnade gefallene Intellektuelle von heute auf morgen verschwanden. Man wandte sich aus Angst von Schostakowitsch ab; er zog seine bereits vollendete 4. Sinfonie zurück (sie wurde erst 25 Jahre später uraufgeführt), wurde zunehmend depressiv und von Selbstmordgedanken gequält. Stalin ließ ihn zwar nicht verhaften, doch Schostakowitsch lebte von nun an ständig in Angst: Die ständige Erwartung der Verhaftung lastete auf seinem Gemüt. Beinahe vier Jahrzehnte lang, bis zu seinem Tode, sah er sich als Geisel... Die Angst nahm zu oder ab, aber ganz verschwand sie nie. (Volkow, S. 25) Musikalische Mimikry Mit seiner 5. Sinfonie begann Schostakowitsch, eine musikalische Mimikry zu betreiben, sich zum musikalischen „Gottesnarren“ (s. Volkow, Memoiren, S. 21ff) zu entwickeln: Äußerlich erfüllte er weitgehend die politisch-ästhetischen Vorgaben der Partei (was ihn in der Zukunft nicht vor weiteren Ächtungen schützen sollte), die Musik jeTilman Heiland © 2014 LMZ-BW SESAM Material zu “Schostakowitsch Sinfonie Nr. 12 – Unterrichtsmodul” doch spricht eine andere Sprache: Insbesondere die geforderten triumphalistischen Schlussapotheosen wirken absichtsvoll lärmend und hohl; in wesentlichen Teilen erhält seine Musik einen fahlen, brüchigen Charakter, der an die Musik des von ihm hoch geschätzten Mahler erinnert. Das sowjetische Publikum verstand diese Botschaften durchaus, wie Volkow anhand der Uraufführung der 5. Sinfonie 1937 in Leningrad schildert: (Es) entstand ein Pandämonium, das später bei fast allen sowjetischen Uraufführungen der großen Werke Schostakowitschs sich wiederholte. Viele weinten. Der Gottesnarr hatte laut ausgesprochen, was alle in Gedanken bewegte, hatte in seiner Musik einen (...) Menschen dargestellt, der unter ungeheurem moralischen Druck eine entscheidende Wahl zu treffen hat. Die Symphonie ist durchzogen von neurotischen Pulsschlägen; der Komponist sucht fieberhaft nach einem Ausweg aus dem Labyrinth... (Volkow, S. 26f) Diese Mimikry setzt sich fort in seinen nächsten Sinfonien. Vor allem in den „Kriegssinfonien“ (die 7. und 8.) wird dies deutlich. Zudem hatte er nun kriegsbedingt – wie andere Künstler auch – die Möglichkeit, Negatives auszusprechen: Der Krieg hat mir geholfen. (...) Der heimliche, isolierte Kummer wurde zum Kummer aller. Man durfte über ihn sprechen, man konnte offen weinen... Die Menschen brauchten sich nicht mehr vor Tränen zu fürchten. (...) Nicht nur ich verdankte dem Krieg die Möglichkeit, mich auszusprechen. Alle empfanden so. Das geistige Leben, das vor dem Krieg völlig verdorrt war, erblühte neu, voll und dicht. (Volkow, S. 156f) Bezeichnenderweise hatten gerade die 5., 7. und 8. Sinfonie großen Erfolg auch im westlichen Ausland, was zumindest während des Krieges – die Sowjetunion gehörte ja zu den Alliierten gegen Hitler-Deutschland – für Schostakowitsch einen gewissen Schutz bedeutete. Schostakowitschs Ächtung 1948 Nach dem Sieg über Hitler-Deutschland 1945 erwartete Stalin von Schostakowitschs 9. Sinfonie eine große Apotheose auf den „Führer und Lehrer“ in Gestalt einer Siegessinfonie, möglichst mit Chor und Solisten, zumal Schostakowitsch 1944 sich bereits in dieser Richtung geäußert hatte: Ich möchte sie nicht nur für Orchester, sondern auch für Solisten und Chor komponieren, wenn ich nur einen passenden Text fände. (Kopp, S. 279) Stattdessen wurde die 9. Sinfonie eine klassizistisch anmutende „Miniatur“ (Kopp, ebenda), nicht der erwartete Lobgesang auf Stalin: Ich konnte keine Apotheose auf Stalin schreiben, konnte es einfach nicht. Mir war klar, worauf ich mich einließ, als ich die Neunte schrieb. (Volkow, S. 162) In diesem Zusammenhang ist die erneute Verurteilung Schostakowitschs wegen des Vorwurfs des „Formalismus“ und des „Kosmopolitismus“ im Beschluss des ZK der KPdSU vom 10.02.1948 zu sehen. In diesem Beschluss kulminierte das Bestreben Stalins, nach der relativ liberalen Phase der Kriegsjahre nun die kulturpolitischen Zügel wieder besonders streng anzuziehen. Dies traf besonders jene, deren Werk im westlichen Ausland erfolgreich war, also auch Schostakowitsch. (Auch außerhalb der Kunst waren gerade diejenigen gefährdet, die als Soldaten im Krieg Kontakt zu den westlichen Alliierten bekommen hatten. Viele von ihnen verschwanden in den Lagern des Gulag, genauso wie viele Künstler.) Tilman Heiland © 2014 LMZ-BW SESAM Material zu “Schostakowitsch Sinfonie Nr. 12 – Unterrichtsmodul” Schostakowitsch verliert daraufhin seine Lehrämter, seine Werke werden nicht mehr aufgeführt – er hat dadurch keine geregelten Einkünfte mehr. Er nimmt offiziell die Kritik der Partei an und gelobt Besserung. Mehr denn je ist er von der Gnade Stalins abhängig, der ihm hin und wieder Aufträge zuschanzt – für das Chorwerk „Das Lied von den Wäldern“ erhält er sogar den Stalin-Preis 1. Klasse. Dennoch verschwindet er weitgehend aus dem sowjetischen Musikleben und komponiert (zunächst) für die Schublade. Tauwetter und Rehabilitierung Nach Stalins Tod im März 1953 setzte eine behutsame Liberalisierung (nicht nur) des künstlerischen Lebens ein, die gemeinhin als „Tauwetter“ bezeichnet wurde und in der „Entstalinisierung“ unter Chruschtschow 1956 ihren Höhepunkt fand. In einem Beschluss des ZK der KPdSU vom 28.05.1958 wurden schließlich die 1948 geächteten Komponisten rehabilitiert. Zu einer völligen Liberalisierung kam es indes nicht: Die Prinzipien des sozialistischen Realismus hatten weiterhin ihre Gültigkeit, lediglich der Umgang mit ihnen war (zeitweise) weniger rigide. Schostakowitsch rechnete in seiner 10. Sinfonie persönlich mit der Stalin-Ära ab (Volkow, S. 162). Mit der 11. Sinfonie (1957) und der 12. Sinfonie (1961) schien er allerdings endgültig die Rolle des sowjetischen „Staatskomponisten“ einzunehmen, die man ihm im Westen oft vorwarf, zumal er 1960 zum Vorsitzenden des Russischen Komponistenverbands gemacht und in die Partei aufgenommen wurde (Volkow, S. 33): Beide Sinfonien behandeln mit der Revolution von 1905 (11.) und 1917 (12.) Themen, die als „staatstragend“ angesehen werden können. Allerdings versteht sich Schostakowitsch auch hier auf die musikalische „Mimikry“: Die Thematik der Revolution von 1905 samt der drastischen Schilderung der Erschießungsszene am „Blutsonntag“ in der 11. Sinfonie kann genauso gut auf den Aufstand in Ungarn 1956 bezogen werden: Ich komponierte sie 1957. Und sie bezieht sich auf die Gegenwart (...), obwohl ich sie „Das Jahr 1905“ genannt habe. Sie handelt vom Volk, das den Glauben verloren hat... (Volkow, S. 42) Und über die 12. Sinfonie „Das Jahr 1917, dem Gedenken an Wladimir Iljitsch Lenin gewidmet“ schreibt Schostakowitsch: So betrachtet ist meine Zwölfte nicht voll gelungen. Ich hatte mir eine bestimmte schöpferische Aufgabe gestellt – ein Porträt Lenins – und endete mit einem völlig anderen Ergebnis. Ich hatte meine Ideen nicht realisieren können. Das Material widersetzte sich. (Volkow, S. 42) Worin dieses „völlig andere Ergebnis“ besteht bleibt unausgesprochen. Mit seinen letzten Sinfonien bleibt Schostakowitsch, obwohl als „Staatskünstler“ inzwischen mehrfach hoch dekoriert, weiterhin umstritten: Die 13. Sinfonie „Babij Jar“ (1962) auf für sowjetische Verhältnisse sehr kritische Texte von Jewgenij Jewtuschenko verschwand nach ihrer Uraufführung für mehrere Jahre wieder in der Versenkung. Die 14. Sinfonie (1969) für Sopran, Bass, Streicher und Schlagwerk auf Gedichte von Lorca, Apollinaire, Küchelbecker und Rilke thematisiert angesichts seines zunehmend schlechten Gesundheitszustands (er war seit Mitte der 1960er-Jahre herzkrank und litt zudem unter Lähmungserscheinungen) wie vieles in seinem Spätwerk zunehmend den Gedanken an den Tod. In dieser wie auch in der letzten, der 15. Sinfonie (1971) setzt Schostakowitsch zunehmend dodekaphonische Techniken als Kontrast zur „offiziellen“ Tonalität ein. Tilman Heiland © 2014 LMZ-BW SESAM Material zu “Schostakowitsch Sinfonie Nr. 12 – Unterrichtsmodul” Sinfonie Nr. 12 – Analyse Vorbemerkung: Die folgende Analyse beruht im Wesentlichen auf der Analyse in: Karen Kopp, Form und Gehalt der Sinfonien Dmitrij Schostakowitschs Allgemeines Schostakowitschs 12. Sinfonie Das Jahr 1917, dem Gedenken an Wladimir Iljitsch Lenin gewidmet (1961) bildet die inhaltliche Fortsetzung der 11. Sinfonie Das Jahr 1905 (1957). Beide Sinfonien gehören zu den konventionellsten Werken des Komponisten. Daher entzündete sich gerade an diesen Werken die teilweise äußerst heftige Kritik westlicher Autoren, die Schostakowitschs Werk ausschließlich unter dem „Aspekt des ‚Materialprogresses’“ (Kopp, S. 11) der westlichen Avantgarde sahen – was einem Künstler, der ständig unter staatlichem Zwang steht und in einem Klima permanenter Angst große wurde, nicht gerecht wird – und ihn daher als linientreuen „Staatskomponisten“ kritisierten (z.B. Stuckenschmidt, Adorno; siehe Kopp, S. 11f). Die 12. Sinfonie wurde am 1. Oktober 1961 uraufgeführt; Anlass war der XXII. Parteitag der KPdSU. Die Aufführung im Rahmen offizieller Feierlichkeiten zeigt, dass das Werk von der Partei- und Staatsführung dieses Mal ideologisch und ästhetisch positiv bewertet wurde. Sie folgt dem klassischen viersätzigen Muster, wobei die einzelnen Sätze attacca ineinander übergehen, thematisch als Zyklus miteinander verbunden sind und programmatische Überschriften haben: 1. „Revolutionäres Petrograd“ 2. „Rasliw“ – Rasliw war der geheime Zufluchtsort Lenins in Karelien. 3. „Aurora“ – benannt nach dem gleichnamigen Schiff, von dem die Salven als Signal zur Erstürmung des Winterpalastes abgefeuert wurden. „Aurora“ ist jedoch auch das lateinische Wort für „Morgenröte“, womit der Bezug zum 4. Satz hergestellt wird. 4. „Morgenröte der Menschheit“ Insofern entspricht die Anlage der 12. Sinfonie der o.g. „Vier-Akte-Dramaturgie“ im Sinne des musikalischen sozialistischen Realismus, gerade auch im Hinblick auf die Widmung an Lenin (Schostakowitsch hatte bereits 1938 in der „Literaturnaja Gazjeta“ eine [Chor-]Sinfonie zum Andenken Lenins angekündigt, diesen Plan allerdings zunächst nicht weiterverfolgt). Man muss jedoch bei Schostakowitsch die „offiziell“ angegebene Thematik unter Vorbehalt sehen und immer mit seiner „Mimikry“ rechnen. Dies gilt gleichermaßen für die 12. Sinfonie, auch unter dem Aspekt seiner bereits zitierten Bemerkung zu dieser Sinfonie: So betrachtet ist meine Zwölfte nicht voll gelungen. Ich hatte mir eine bestimmte schöpferische Aufgabe gestellt – ein Porträt Lenins – und endete mit einem völlig anderen Ergebnis. Ich hatte meine Ideen nicht realisieren können. Das Material widersetzte sich. (Volkow, S. 42) Es ist ohne weiteres möglich, das Werk auch unabhängig von den konkreten Satzüberschriften im Sinne einer allgemeinen Dramaturgie zu betrachten. Besetzung und Dauer Besetzung: Piccolo (auch 3. Flöte), 2 Flöten, 3 Oboen, 3 Klarinetten, 3 Fagotte (3. auch Kontrafagott) – 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba – Pauken, Triangel, Kleine Trommel, Becken, Große Trommel, Tamtam – Streicher Dauer: 1. Satz ca. 14’, 2. Satz ca. 12’, 3. Satz ca. 4’, 4. Satz ca. 10’ – gesamt ca. 40’ Tilman Heiland © 2014 LMZ-BW SESAM Material zu “Schostakowitsch Sinfonie Nr. 12 – Unterrichtsmodul” 1. Satz: Revolutionäres Petrograd, Moderato – Allegro, d-moll Sonatenhauptsatzform mit langsamer Einleitung Einleitung und Exposition: Das Einleitungsthema entspricht melodisch bis zum Ende seines 9. Taktes exakt dem 1. Thema dieses Satzes (Thema 1/I) bis zum 9. Ton seines 5. Taktes (alle Angaben zu den Themen und Motiven: siehe Notenbeispiele). Beide Themen stehen in der Haupttonart d-moll. Der Charakter ist jedoch unterschiedlich: Das Einleitungsthema wirkt durch die ruhige Bewegung getragen, fast episch; Thema 1/I durch den erregten Rhythmus mit dem Wechsel von Stauungen und Punktierungen dynamisch und impulsiv. Das 2. Thema (Thema 2/I) in B-Dur bildet durch den fließenden Rhythmus und das Legato einen deutlichen Kontrast zu Thema 1/I, erhält dadurch aber auch einen Bezug zum Einleitungsthema. Charakteristisch ist die Pendelbewegung im Themenkopf (erste zwei Takte). Diese Pendelbewegung wird im Nachsatz (ab dem 9. Takt) zweimal wieder aufgenommen (13./14. und 15./16. Takt). Einleitung: Einleitungsthema zunächst in den Bässen, dann ab Ziffer 1 / T. 13 im Streichorchester Fortspinnung ab T. 19 im Tutti. Die Achtelfigur ab T. 23 antizipiert den 1. Takt von Thema 2/I. Exposition, 1. Themenblock: Thema 1/I ab T. 30 in den Fagotten, dann in den Klarinetten (sehr tiefe Lage) Fortspinnung in den Streichern ab T. 40; punktierter Rhythmus und Achtelketten werden als sich verselbstständigende Elemente abgespalten (ab Ziffer 5, T. 47) – siehe auch erster Fanfarendreiklang bei Ziffer 6 / T. 55 rhythmisch beschleunigte Variante des Themas 1/I ab T. 59 und dessen Fortspinnung; ständige Steigerung Fanfarenthema I (abgeleitet aus dem punktierten Rhythmus von 1/I) erstmalig ab T. 89 Höhepunkt des 1. Themenblocks ab Ziffer 11 / T. 94: Verbindung von Einleitungsthema (Themenkopf) und 1/I (diese Themen werden zunehmend als Einheit gesehen), kombiniert insbesondere mit den Fanfaren – alles im Tutti-ff neue rhythmische Variante des Themenkopfs 1/I ab Ziffer 14 / T. 122 in den Streichern als Überleitung im dim. Exposition, 2. Themenblock: Thema 2/I ab Ziffer 16 / T. 137 in den Bässen Wiederholung in den Streichern ab Ziffer 17 / T. 154, anschließend Fortspinnung in den Str./Holzbläsern ab Ziffer 19 / T. 182 mehrfacher Wiederholung von 2/I (Streicher/Holzbläser, Fagotte/Bässe/Tuba/Posaunen); ständige Steigerung ab Ziffer 21 / T. 213 Charakterwechsel: nicht mehr legato, 2/I wirkt zunehmend marzialisch Höhepunkt des 2. Themenblocks ab Ziffer 23 / T. 235: Kombination von 2/I in den Trompeten/Posaunen mit Fanfarenthema I im restlichen Tutti im fff. Es folgt direkt die Durchführung – eine eigenständige Schlussgruppe fehlt. Durchführung: Tilman Heiland © 2014 LMZ-BW SESAM Material zu “Schostakowitsch Sinfonie Nr. 12 – Unterrichtsmodul” Die Durchführung lässt sich nach Kopp (Kopp, S. 363f) in zwei Abschnitte untergliedern: 1. Abschnitt Ziffer 24 / T. 253 bis Ziffer 36 / T. 332, 2. Abschnitt ab Ziffer 36. Im ersten Abschnitt wird vorwiegend Thema 1/I verwendet, verbunden mit dem Fanfarenthema und einem fast durchgehenden ostinaten Achtelrhythmus. Dieser Abschnitt bewegt sich dynamisch im mf-/f-Bereich und verzichtet (bis auf die letzten Takte) auf das volle Orchestertutti. Im zweiten Abschnitt wird das motivische Material der einzelnen Themen verknüpft und dadurch in Beziehung gesetzt. Dieser Abschnitt verwendet fast durchgehend das ganze Orchester und erhält durch den über weite Strecken erklingenden aggressiven Rhythmus der Kleinen Trommel einen martialischen Charakter. Durchführung, 1. Abschnitt: Thema 1/I ab T. 255 mehrfach in den Holzbläsern, unterlegt von Achtelostinato in den Bässen (Tonrepetitionen), ab Ziffer 26 / T. 265 auch in allen Streichern – ab hier thematisch aus 1/I entwickelt. ab Ziffer 28 / T. 277 Fanfarenthema I, verknüpft mit dem dritten Takt von 2/I unter Beibehaltung des thematisch geprägten Achtelostinatos Ziffer 29 / T. 285: 1/I in der Umkehrung; Ziffer 30 / T. 292: 1/I Variante ab T. 301: Fanfarenthema I augmentiert, später wieder original; allmähliche Auflösung des Materials in punktierte wie auch durchgehende Achtel Durchführung, 2. Abschnitt: Fanfarendreiklang / Fanfarenthema I ab Ziffer 36 / T. 332 über Marschrhythmus der Kleinen Trommel ab Ziffer 37 / T. 339: Kombination von Einleitungsthema und 1/I Ziffer 39 / T. 353: 2/I mit veränderter Intervallstruktur im Themenkopf (gr. Sek. Bzw. Terz statt kleiner) in den Hörnern und Trompeten mit verkürztem Fanfarenthema I im restlichen Orchester ab Ziffer 40 / T. 364: Fanfarenthema I mehrfach, danach Auflösung der thematischen Strukturen Ziffer 43 / T. 387: 2/I in den tiefen Bläsern und Streichern mit Fanfarenthema I in Hörnern und Trompeten sowie raschen chromatischen Skalen in den Holzbläsern und Streichern. Nota bene: Kopp setzt hier die Reprise an (Kopp, S. 364 / 366)! Dies erscheint jedoch nicht schlüssig, da erst bei Ziffer 44 / T. 396 wieder das Einleitungsthema in der Haupttonart erklingt und zudem ab T. 391 in den tiefen Bläsern / Streichern erstmalig das Überleitungsmotiv erscheint, das im weiteren Verlauf der Sinfonie häufig an entscheidenden Überleitungsstellen vorkommt – im übrigen immer in der gleichen Tonfolge (ggf. enharmonisch verwechselt notiert). Reprise: Die Reprise ist gegenüber der Einleitung und Exposition stark verkürzt. Thema 1/I kommt nicht mehr vor, nur noch in Gestalt des Einleitungsthemas. Dafür wird 2/I noch einmal ausgebreitet. Der Achtel-Ostinato der Durchführung wird übernommen und führt mit dem Überleitungsmotiv attacca in den 2. Satz. Ziffer 44 / T. 396 bis T. 403: verkürzte Reprise der Einleitung (vgl. T. 19 – 26) Ziffer 45 / T. 404ff: Ostinato mit Überleitungsmotiv ab Ziffer 46 / T. 409: 2/I in D-Dur in den Streichern, ab Ziffer 48 / T. 433 in den Holzbläsern ab Ziffer 50 / T. 448: kurze Durchführung von 2/I, abgeschlossen durch Überleitungsmotiv über Ostinato (T. 464f) Tilman Heiland © 2014 LMZ-BW SESAM Material zu “Schostakowitsch Sinfonie Nr. 12 – Unterrichtsmodul” ab Ziffer 52 / T. 466 quasi Coda: Zunächst erklingt erneut eine verkürzte Fassung der Einleitung in den Blechbläsern (vgl. Ziffer 44), danach klingt der Satz mit dem Themenkopf des Einleitungsthemas in den Holzbläsern über dem Überleitungsmotiv in den Streichern und dem Ostinato im Schlagwerk. 2. Satz: Rasliw, Adagio, fis-moll Dreiteilige Form A-B-A’ Der zweite Satz hat entsprechend der „Vier-Akte-Dramaturgie“ kontemplativen Charakter. Nach W. Karbusicky (Empirische Musiksoziologie, Wiesbaden 1975; zit. nach Kopp, S. 367) bezieht er sich auf ein Bild des in Karelien versteckt lebenden Lenins: Allgemein bekannt (...) ist ein sozialistisch-realistischer Schulfarbdruck, wo Lenin ganz allein vor seinem Versteck in Rasliw – einer Heubude – sitzt, nur mit einem Bleistift und einem Stück Papier. Er skizziert dort – ohne Rücksicht auf das neblige Wetter – mit dem konzentrierten Ausdruck eines Genies der Revolution. Auf die Fragwürdigkeit derart eindeutiger programmatischer Bezüge in der Musik Schostakowitschs wurde jedoch bereits hingewiesen. Der Satz ist durch vier Themen geprägt, die bis auf das Choralthema stark aufeinander bezogen sind: Thema 1/II: zweimaliges Motiv a mit aufsteigender Achtelbewegung, die in einem Terzpendel wieder zum Grundton zurückfällt; gefolgt von der Fortspinnung im Motiv a’ mit vergrößertem Ambitus und rhythmischer Stauung durch die Punktierung, wobei das Terzpendel am Schluss wieder auftaucht. Thema 2/II: charakteristischer Quintsprung am Anfang mit anschließendem Halbtonseufzer (an Mahler erinnernder Gestus), danach ebenfalls Rückfall zum Grundton im Terzpendel. Thema 3/II (Choralthema): hat wie das Überleitungsmotiv eine gliedernde Funktion; erklingt wie dieses (mit einer Ausnahme) immer in der gleichen Tonfolge. Thema 4/II: Dieses Thema prägt den in Es-Dur gehaltenen Mittelteil des Satzes. Es ist mit den Tonrepetitionen im 1. Takt deutlich auf 2/II und mit den Terzen in den Takten 2, 3, 6 und 7 auf 2/I bezogen. Darüber hinaus besteht in den Takten 8 und 9 ein Bezug zum 2. Thema des 1. Satzes (2/I). Karbusicky definiert es als das „Thema Lenins“ und verweist auf die Beziehung zu Beethovens „Eroica“, was die Tonart Es-Dur und den Ausdruck betrifft. (Kopp, S. 370) A-Teil: T. 1 bis 5: Überleitung vom 1. Satz (Weiterführung / Beruhigung des Ostinato) Ziffer 55 / T. 6 bis T. 14: 1/II zweimal in den Bässen, unterbrochen vom Überleitungsmotiv Ziffer 56 / T. 15 bis T. 26: 2/II zweimal im Horn, 1/II als Begleitung (Bässe) ab Ziffer 57 / T. 27: Überleitungsmotiv und Choral (3/II), gefolgt von einer Fortspinnung von 1/II, die erneut von 3/II abschlossen wird (T. 41ff). Darauf Zitat von 2/I in den Bässen (T. 44ff). ab Ziffer 59 / T. 47: 2/II in der Flöte mit 1/II als Begleitung in der Klarinette über ausgehaltenen Streicherakkorden, anschließend gemeinsame Fortspinnung beider Themen Ziffer 63 / T. 71 bis T. 90: Dieser Abschnitt ist geprägt durch den Choral (2/III), der zunächst (mit bewegten Unterstimmen) zweimal erklingt – das zweite Mal einen Ganzton tiefer (einzige Änderung der ansonsten gleich bleibenden Tonfolge). Wenige Takte mit Elementen von 3/II und 1/II führen über das Überleitungsmotiv erneut zu 3/II, dem erneut ein Zitat von 2/I folgt. Tilman Heiland © 2014 LMZ-BW SESAM Material zu “Schostakowitsch Sinfonie Nr. 12 – Unterrichtsmodul” B-Teil: Ziffer 66 / T. 91: Ruhige Streicherakkorde etablieren Es-Dur, bevor in T. 93 in Flöte und Klarinette 4/II erklingt. Nach einem zweiten Anlauf Fortspinnung im Fagott, gefolgt von einem Rezitativ der Klarinette mit Anklängen an 1/II. Ziffer 71 / T. 134 bis Ziffer 72 / T. 144: verkürzte Reprise von 4/II, gefolgt vom Choral (3/II) und Rückmodulation nach fis-moll A’-Teil (gegenüber A-Teil stark verkürzt): T. 145 bis 148: 1/II variiert in der Klarinette, begleitet von Pizzicati und „drohenden“ Tremoli der Streicher ab Ziffer 73 / T. 149: 2/II in den Posaunen über „drohenden“ Streichertremoli, düsteren Akkorden der gestopften Hörner und dumpfen Pauken- und TamtamSchlägen, gefolgt von 3/II in sehr tiefer Lage in den Posaunen und der Tuba (T. 166ff) ab Ziffer 75 / T. 169: In den Bässen letzte Reminiszenz an 1/II (pizz.) und 2/II (arco), unterbrochen vom Überleitungsmotiv (pizz.), das attacca in den 3. Satz führt. 3. Satz: Aurora, Allegro, a-moll Scherzo, dreiteilige Form A-B-A’ („Scherzo – Trio – Scherzo“) In diesem Satz wird kein neues thematisches Material exponiert: Schostakowitsch verwendet im „Scherzo“-Teil das 4. Thema des 2. Satzes (4/II, das „Lenin-Thema“, wird zu 1/III), das durch das Allegro-Tempo, die Transposition nach a-moll sowie den impulsiven Rhythmus und die Motorik des (anfänglichen) Streicher-Pizzicatos seinen kontemplativen Charakter zugunsten eines vorwärts drängenden verliert (programmatisch kann das als Lenins Eintritt in die revolutionäre Aktion [Kopp, S. 372] gedeutet werden). Der „Trio“-Teil wird durch das zweite Thema des 1. Satzes bzw. hauptsächlich durch dessen Kopfmotiv (2/III = 2/I) bestimmt. A-Teil („Scherzo“) – analog zur klassischen Scherzoform ebenfalls dreiteilig (a-b-a’) angelegt: T. 1 bis 8: Überleitung vom 2. Satz und Antizipation des Rhythmus von 1/III in der Pauke ab Ziffer 77 / T. 9: „a-Teil“ im „Scherzo“, 1/III im pizzicato in den Streichern, zweimaliger Anlauf mit Fortspinnung ab Ziffer 79 / T. 36: „b-Teil“ im „Scherzo“, Fortspinnung von 1/III in den Holzbläsern, später auch in den Hörnern. Dabei verselbstständigt sich ab T. 81 zunehmend das Terzpendel der Takte 2 und 3 bzw. 6 und 7 von 1/III und nimmt Signalcharakter an. In den Streichern verdichtet sich in diesem Abschnitt eine durchgehende motorische Achtelbewegung (siehe auch 1. Satz). ab Ziffer 82 / T. 68: „a’-Teil“ im „Scherzo“, Wiederholung von 1/III im StreicherPizzicato über Basstönen der Tuba und Achtel-Ostinato in den Pauken B-Teil („Trio“): ab Ziffer 84 / T. 91: Über einer Streicher-Begleitfigur (siehe Notenbeispiele) im Charakter eines „Klangteppichs“ steigert sich das Thema 2/I in den Bassstimmen (Posaune, Tuba, später auch Fagotte, Bässe und Hörner) bis zu einem Höhepunkt bei Ziffer 87 / T. 131. Dabei verdichtet sich die Bewegung in den Streichern von Vierteln über Vierteltriolen bis zu Achteln; beim Höhepunkt treten die Holzbläser zu der Begleitfigur hinzu. A’-Teil („Scherzo da capo“, stark verkürzt): Tilman Heiland © 2014 LMZ-BW SESAM Material zu “Schostakowitsch Sinfonie Nr. 12 – Unterrichtsmodul” ab Ziffer 88 / T. 146: 1/III im fff des Orchestertuttis (Wechsel staccato / tenuto), wieder mit zunehmender Verselbstständigung des Terzpendels (s.o.) T. 175ff: zweimaliger Themenkopf von 2/I in allen Bassstimmen unter dem fanfarenartigen Terzpendel von 1/III als attacca-Überleitung zum 4. Satz 4. Satz: Morgenröte der Menschheit, L’istesso tempo (Allegro), D-Dur (anfangs F) Stark erweiterte Sonatenhauptsatzform Nach der „Vier-Akte-Dramaturgie“ stellt das Finale einer Sinfonie die Apotheose dar, den „Sieg des Sozialismus“ nach der offiziellen Parteiästhetik. Tatsächlich hat dieser Satz über weite Strecken einen sowohl heiteren als auch hymnisch-festlichen Grundcharakter. Gegen Ende der Durchführung und vor allem in der Reprise kippt dieser heitere Grundton jedoch beinahe ins Gewalttätige ab, der Schluss der Reprise wirkt eher auftrumpfend und lärmend, fast brutal. Zeigt sich auch hier – wie in vielen anderen Sinfonien Schostakowitschs – ein „Subtext“, der das „offizielle“ Programm konterkariert? Mehrfach hat Schostakowitsch dies angedeutet, z.B. im folgenden Zitat: Die meisten meiner Sinfonien sind Grabdenkmäler. Zu viele unserer Landsleute kamen an unbekannten Orten um. Niemand weiß, wo sie begraben liegen... Wo soll man Meyerhold ein Denkmal setzen? Wo Tuchatschewskij? Man kann es in der Musik. (Volkow, S. 175) Der 4. Satz stellt formal ein recht komplexes Gebilde dar, das nur schwer in das traditionelle Schema eines Sonatensatzes eingeordnet werden kann. Die vorgestellte formale Analyse weicht von der Kopps ab und stellt nur eine Möglichkeit dar. Auf die Analyse Kopps wird am Schluss noch verwiesen. Der 4. Satz exponiert zwei neue Themen: Das erste Thema (1/IV) entspricht dem ästhetisch erwarteten festlich-hymnischen Charakter und ist ein Selbstzitat Schostakowitschs aus seiner 2. Sinfonie An den Oktober (Kopp, S. 374). Gleichzeitig hat der Themenkopf Verwandtschaft zum Themenkopf des Themas 2/I. Das zweite Thema (2/IV) hat einen sehr beschwingten, tänzerisch-scherzohaften Charakter (Kopp, S. 374). Man kann es in Vorder-, Mittel- und Nachsatz gliedern: Der Vordersatz wiederholt ein dreitaktiges Motiv (a), das im Mittelsatz auf 2 x 2 Takte (a’) verkürzt wird; der Nachsatz schließt mit einem weiteren Motiv (b). Insofern kann man das Thema als Bar-Form interpretieren. Wo das erste Thema in der diminuierten Form auftritt – was häufig der Fall ist –, nähert es sich in seinem Charakter dem zweiten Thema an. Exposition: Die Besonderheit dieser Exposition besteht darin, dass sie selbst bereits einen „Sonatensatz im Kleinen“ darstellt: Zum einen erfolgt bereits im 3. Abschnitt eine Durchführung des 2. Themas, kombiniert mit dem Einleitungsthema I und Elementen des 1. Themas, zum anderen erklingt im letzten Abschnitt eine Reprise des 1. Themas. Dies lässt sich dadurch erklären, dass in der eigentlichen Reprise (s.u.) dieses Thema in seiner Originalgestalt gar nicht mehr vorkommt. „Exposition“: T. 1 bis 4: Überleitung vom 3. Satz mit dem Terzpendel aus 1/III bzw. 4/II im fff-Tutti ab Ziffer 92 / T. 5: mehrfache Vorstellung von 1/IV, beginnend in den Hörnern (F-Dur), dann in den Streichern mit variierter Fortspinnung, den Holzbläsern (Themenkopf), schließlich bei Ziffer 95 / T. 36 in den Trompeten und PosauTilman Heiland © 2014 LMZ-BW SESAM Material zu “Schostakowitsch Sinfonie Nr. 12 – Unterrichtsmodul” nen (Themenkopf) in der nunmehr erreichten Haupttonart D-Dur. Abgeschlossen wird dieser Abschnitt vom Überleitungsmotiv (T. 42ff). ab Ziffer 96 / T. 45: 2/IV in D-Dur in den Streichern, wird wiederholt und fortgesponnen. Bei Ziffer 98 / T. 75 Vordersatz von 2/IV in Es-Dur in den Holzbläsern – statt des Nachsatzes erklingt der diminuierte Themenkopf von 1/IV „Durchführung“: ab Ziffer 99 / T. 90: Einleitungsthema I kombiniert mit einer aus 2/IV abgeleiteten Begleitfigur; ab T. 113 Durchführung von 2/IV (Streicher, Holzbläser); ab Ziffer 102 / T. 129 erneut Einleitungsthema I kombiniert mit der aus 2/IV abgeleiteten Begleitfigur – an das Einleitungsthema schließt eine Verarbeitung von 1/IV diminuiert an. Abgeschlossen wird dieser Abschnitt vom Themenkopf des Einleitungsthemas I und dem Überleitungsmotiv im Anschluss daran. „Reprise“: ab Ziffer 106 / T. 189: erneut mehrfache Vorstellung von 1/IV, beginnend in den Hörnern (Es-Dur), dann in der Trompete, den Streichern (Themenkopf), schließlich bei Ziffer 108 / T. 208 in den Bässen, Fagotten, Posaunen und der Tuba (Themenkopf) in Ges-Dur – der Rest des Orchesters spielt hierzu eine pathetisch-choralartige „Melodiestimme“. Abgeschlossen wird dieser Abschnitt erneut vom Überleitungsmotiv (T. 216ff) – zum Vergleich s.o. Ziffer 92 – 96. Durchführung: In der Durchführung findet eine weitere Verdichtung dadurch statt, indem neben dem Einleitungsthema I zusätzlich 2/I, der Fanfarendreiklang I und das Kopfmotiv von 1/II verarbeitet werden. ab Ziffer 109 / T. 220: 2/IV in d-moll in den Streichern, zur Fortspinnung ab Ziffer 110 / T. 234 erklingt das komplette Einleitungsthema I in den Oboen und Klarinetten – anschließend kurze Überleitung ab Ziffer 111 / T. 247 ab Ziffer 112 / T. 257: Themenkopf von 1/IV diminuiert und weitergeführt durch den Vordersatz von 2/IV, ab Ziffer 113 / T. 267 kombiniert mit Themenkopf von 2/I – dynamische Steigerung und Verdichtung des Satzes ab Ziffer 115 / T. 287: Einleitungsthema I im Tutti, gefolgt vom fortgesponnenen Fanfarendreiklang I (Bläser über Marschrhythmus der Kleinen Trommel – vgl. 1. Satz, zweiter Teil der Durchführung) ab T. 301: Themenkopf von 1/IV diminuiert und kombiniert mit Themenkopf von 2/I (ab Ziffer 117 / T. 305) – in den Takten 322ff Zitat des Kopfmotivs von 1/II und Steigerung bis zum ffff, danach Generalpause (T. 325) Reprise: Sie stellt weniger die Reprise dieses Satzes als vielmehr die der ganzen Sinfonie dar, was sich nicht zuletzt darin zeigt, dass Schostakowitsch wieder auf das Moderato-Tempo vom Beginn des ersten Satzes zurückgreift. Auf die Tatsache, dass das erste Thema dieses Satzes in seiner Originalgestalt gar nicht mehr erklingt, wurde bereits hingewiesen, für das zweite Thema dieses Satzes gilt dies in gleicher Weise. Der Charakter dieser Reprise stellt die erwartete Schlussapotheose deutlich in Frage (s.o.). Ziffer 119 / T. 326 (mit Auftakt der Pauken) bis T. 333: verkürzte Wiederholung der Einleitung des ersten Satzes ab Ziffer 120 / T. 334ff: Abspaltung des letzten Einleitungstaktes, unterbrochen vom Überleitungsmotiv. Durch das danach eingeschobene Auftakt-Viertel ge- Tilman Heiland © 2014 LMZ-BW SESAM Material zu “Schostakowitsch Sinfonie Nr. 12 – Unterrichtsmodul” rät die Periodik quasi aus dem Tritt. Ab T. 338 Kombination der Themenköpfe von 2/I, 1/IV und 2/IV, lärmendes Dauer-Fortissimo. ab Ziffer 122 / T. 347: Wiederholung und Ausweitung des vorigen Abschnitts ab Ziffer 125 / T. 371: Die Entwicklung kommt zum Stillstand: Es wechselt nur noch das stupide wiederholte Terzpendel (s. 4/II, 1/III, aber auch 3./4. Note von 1/IV) mit dem Überleitungsmotiv im aggressiv überzogenen fff ab. Die hier vorgestellte Formanalyse stellt – wie gesagt – nur eine Möglichkeit dar. Kopp analysiert den Satz folgendermaßen (Kopp, S. 375ff): Exposition: Anfang bis Ziffer 99 Durchführung I: Ziffer 99 bis 112. Begründung: Verarbeitung des Materials dieses Satzes mit dem Einleitungsthema I Reprise I: Ziffer 112 bis 115. Begründung: Wiederaufnahme von 1/IV (wenn auch diminuiert) bei Ziffer 112 und Kombination mit Themenkopf 2/I Durchführung II: Ziffer 115 bis 119. Begründung: erneut Eintritt des Einleitungsthemas I und Verarbeitung von thematischem Material der ganzen Sinfonie Reprise II: Ziffer 119 bis 125 Coda: Ziffer 125 bis Schluss. Begründung: Wiederaufnahme des Terzpendels aus 1/III, das als „Überhang“ aus dem dritten Satz auch den Anfang des Finales in der Überleitung prägt Interpretation der ganzen Sinfonie als ein großer Sonatensatz Zum Schluss sei auf den interessanten Analyseansatz Kopps hingewiesen, die komplette Sinfonie aufgrund des thematischen Beziehungsreichtums zwischen den einzelnen Sätzen als einen großen Sonatenhauptsatz zu deuten (Kopp, S. 377ff): So stellt der erste Satz den 1. Themenblock der Exposition dar, in dem neben dem Einleitungsthema und 1/I vor allem 2/I vorgestellt wird – was später durchaus als das „Hauptthema“, weil am häufigsten erklingend – interpretiert werden kann. Der zweite Satz wäre demnach der 2. Themenblock der Exposition, in dem vor allem das „Lenin-Thema“ 4/II (mit seinem Bezug zu 2/I) vorgestellt wird. Die Durchführung erfolgt dann im dritten Satz, indem die beiden Themen 4/II (= 1/III) und 2/I (= 2/III) verarbeitet werden. Der vierte Satz stellt demnach die Reprise der gesamten Sinfonie dar, was mit der Formanalyse des Autors im Hinblick auf die Reprise des vierten Satzes ja übereinstimmen würde. Tilman Heiland © 2014 LMZ-BW SESAM Material zu “Schostakowitsch Sinfonie Nr. 12 – Unterrichtsmodul” Quellenangaben Dmitrij Schostakowitsch: Sinfonie Nr. 12 „Das Jahr 1917“ Partitur: Internationale Musikverlage Hans Sikorski, Best.-Nr.: SI2210, Preis: € 29,-- über www.alle-noten.de (siehe unter Weblinks) Tonträger: Von der 12. Sinfonie Schostakowitschs existieren zahlreiche Aufnahmen unterschiedlichster Dirigenten und Orchester, die auch im Handel erhältlich sind. Auf Youtube können Aufnahmen dieser Sinfonie angehört werden (siehe unter Weblinks). Der Autor kann jedoch keine Gewähr dafür übernehmen, dass diese Aufnahmen in jedem Einzelfall rechtmäßig eingestellt wurden. Verwendete Sekundärliteratur: Karen Kopp (zitiert unter „Kopp“): Form und Gehalt der Symphonien des Dmitrij Schostakowitsch. Verlag für systematische Musikwissenschaft, Bonn 1990 Solomon Volkow (Herausgeber, zitiert unter „Volkow“): Zeugenaussage – Die Memoiren des Dmitrij Schostakowitsch. Albrecht Knaus Verlag, Hamburg 1979 Wikipedia-Einträge zu „Schostakowitsch“ und „sozialistischer Realismus“ sowie die von dort weiterführenden Links (siehe unter Weblinks) Weblinks URL (alle abgefragt am 01.02.2014) http://www.alle-noten.de/Sinfonie_Nr._12_-_Das_Jahr_1917-NotenOrchester_und_OrchesterSI2210_Internationale_Musikverlage_Hans_Sikorski/6sj2hgws?lang=de http://www.youtube.com/results?search_query=shostakovich%20symphony%2012&s m=3 http://de.wikipedia.org/wiki/Dmitri_Dmitrijewitsch_Schostakowitsch http://de.wikipedia.org/wiki/Sozialistischer_Realismus Soweit Inhalte des Angebotes des LMZ auf externe Internetseiten verweisen, hat das LMZ hierauf keinen Einfluss. Das LMZ kann mithin keine Verantwortung für den Inhalt externer Internetseiten übernehmen. Die Verwendung verlinkter Internetseiten Dritter obliegt dem alleinigen Verantwortungsbereich des Nutzers. Tilman Heiland © 2014 LMZ-BW SESAM