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Graphentheorie 2, Mitschrift ohne Bildchen
Teil I
Vorlesung
(Vorlesung 1)
0
Grundlagen
Ein Graph ist ein geordnetes Paar G = (V, E) von Knoten und Kanten, wobei V eine endliche
Menge ist und E eine Menge von 2-elementigen Teilmengen von V ist. Sind mehrfache Kopien von
Kanten und 1-elementige Kanten erlaubt, sprechen wir von Multigraphen. Bei gerichteten Graphen
(Digraphen) sind die Kanten geordnete Paare.
Der zugrundeliegende (Multi-) Graph entsteht durch „Vergessen“ der Orientierung. Ist D ein gerichteter Graph mit zugrundeliegendem Graphen G, so nennen wir D eine Orientierung von G.
Sei G = (V, E) ein Graph. Dann heißt S ⊆ V eine stabile Menge (unabhängige Menge), falls für
alle u, v ∈ S gilt u 6= v ⇒ {u, v} ∈
/ E.
G heißt k-färbbar (k-partit), wenn er sich in höchstens k stabile Mengen partitionieren lässt. Für
k = 2 sprechen wir von bipartiten Graphen.
Die chromatische Zahl χ(G) ist das kleinste k, für das G k-färbbar ist.
Ein Pfad in einem Graphen G = (V, E) ist eine endliche Folge P = (v1 , e1 , v2 , e2 , ..., en−1 , vn )
mit v1 , ..., vn ∈ V und ei = {vi , vi+1 } ∈ E für i ∈ [n − 1] (Hinweis: Die Kurzschreibweise könnte
unbekannt sein, man definiert [k] := {1, ..., k} für eine natürliche Zahl k). P heißt Weg, falls P
ein Pfad ist und die Knoten vi paarweise verschieden sind. Ein Weg mit v1 = vn heißt Kreis. Die
Länge eines Pfades ist die Anzahl seiner Kanten.
Satz 0.1. Ein Graph ist bipartit genau dann, wenn jeder Kreis gerade ist.
1
Gerichtete Graphen
Ein Pfad P = (v1 , e1 , v2 , ..., en−1 , vn ) in einem gerichteten Graphen D nennen wir gerichtet, falls
ei = (vi , vi+1 ) ∈ E(D). Entsprechend sind gerichtete Wege/Kreise definiert. Wir nennen einen
Knoten v ∈ V (D) von u ∈ V (D) aus erreichbar, wenn es einen gerichteten Weg von u nach v gibt.
Gegenseitige Erreichbarkeit definiert eine Äquivalenzrelation auf den Knoten. Die Äquivalenzklassen heißen starke Zusammenhangskomponenten (st. ZHK). Ist der ganze Graph (bzw. V (D)) eine
einzelne st. ZHK, dann heißt D stark zusammenhängend.
1.1
Wege in gerichteten Graphen
Satz 1.1. Es sei G ein Graph (bzw. schlingenfreier Multigraph) und D eine Orientierung von G.
Dann hat D einen gerichteten Weg der Länge χ(G) − 1.
1
Beweis. Sei D = (V, E) die Orientierung von G. Sei F ⊆ E inklusionsminimal, so dass D0 =
(V, E\F ) keinen gerichteten Kreis enthält. Sei k die Länge eines längsten Weges in D0 . Jedem
Knoten v von D0 ordnen wir die Farbe c(v) = i mit i ∈ [k + 1] zu, wobei i − 1 die Länge eines
längsten gerichteten Weges ist, der in v startet. Sei P = (u, ..., v) ein gerichteter Weg mit u 6= v,
dann gilt
c(u) ≥ c(v) + Länge (P ) > c(v),
also ist c(u) 6= c(v).
(Vorlesung 2)
Es sei e = (u, v) ∈ E(D)\E(D0 ) = F . Dann existiert nach Wahl von F ein gerichteter Weg von v
nach u in D0 , d.h. c(u) 6= c(v). Somit gilt für alle {x, y} ∈ E(G), dass c(x) 6= c(y), also ist c eine
echte Knotenfärbung. Damit gilt
k + 1 ≥ χ(G).
Der Satz ist bestmöglich, da jeder schlingenfreie Multigraph eine Orientierung hat, deren längseter
Weg genau χ(G) − 1 viele Kanten hat (Bild: Sortiere alle Farbklassen von links nach rechts, dann
orientiere alle Kanten zwischen den Farbklassen von links nach rechts).
Ein Turnier ist eine Orientierung eines vollständigen Graphen Kn .
Korollar 1.2. Jedes Turnier hat einen gerichteten Weg der Länge n − 1, der also alle Knoten
beinhaltet.
Beweis. χ(Kn ) = n.
Einen solchen Weg, der alle Knoten durchläuft, nennt man gerichteten Hamiltonweg.
Es sei D = (V, E) ein gerichteter Graph und v ∈ V. Die Menge der Nachfolger oder Außen-Nachbarn
von v ist
N + (v) = {u ∈ V : (v, u) ∈ E},
die Menge der Vorgänger oder Innen-Nachbarn von v ist
N − (v) = {u ∈ V : (u, v) ∈ E}.
Satz 1.3. Es sei D = (V, E) ein schlingenfreier gerichteter Graph. Es existiert eine stabile Menge
X im zugrundeliegenden Multigraphen G, so dass zu jedem v ∈ V \{X} ein Knoten u ∈ X und ein
gerichteter Weg P = (u, ..., v) der Länge höchstens 2 existiert.
Beweis. Per Induktion über n := |V |. Für n = 1 ist nichts zu zeigen. Es sei also n > 1. Es sei
v ∈ V beliebig und
+
+
+
D0 := V \ {v} ∪ ND
(v) , (x, y) ∈ E : x, y ∈
/ {v} ∪ ND
(v) = D − {v} ∪ ND
(v) .
Es sei Y eine stabile Menge im zugrundeliegenden Graphen von D0 mit der gewünschten Eigenschaft
+
aus Satz 1.3 (Induktionsvoraussetzung). Existiert ein u ∈ Y, so dass v ∈ ND
(u). Dann setze X := Y.
+
Ist v ∈
/ ND
(y) für alle y ∈ Y, so setze X := Y ∪ {v}. X ist stabil im zugrundeliegenden Graphen
G, da
−
+
(ND
(v) ∪ ND
(v)) ∩ Y = ∅.
2
Korollar 1.4. In jedem Turnier gibt es einen Knoten, von dem aus alle anderen Knoten in höchstens zwei Schritten erreichbar sind.
Beweis. Wir wissen α(Kn ) = 1, eine stabile Menge ist also höchstens einelementig.
1.2
Kreise im gerichteten Graphen
Korollar 1.2. kann verstärkt werden:
Satz 1.5. Es sei T ein stark zusammenhängendes Turnier auf n ≥ 3 Knoten. Dann liegt jeder
Knoten auf einem gerichteten Kreis der Länge k für alle 3 ≤ k ≤ n.
Bemerkung. Solche gerichtete Graphen heißen knotenpanzyklisch.
Beweis. Durch Induktion über k. Es sei k = 3. Sei u ∈ V (T ) beliebig und
R := NT− (u).
L := NT+ (u),
Da T Turnier ist, gilt L ∪ R ∪ {u} = V (T ). Da T stark zusammenhängend ist, gilt L, R 6= ∅. Ebenso
existiert ein l ∈ L und r ∈ R, so dass (l, r) ∈ E(T ). Dann ist
C = (u, (u, l), l, (l, r), r, (r, u), u)
ein gerichteter Kreis der Länge 3.
Es sei nun k > 3 und die Induktionsvoraussetzung gelte für alle l < k. Angenommen, das beliebige
u ∈ V (T ) liege auf einem gerichteten Kreis der Länge k ≥ 3 und n ≥ k + 1. Sagen wir C = (u =
v1 , ..., vk , v1 ). Definiere nun
L :=
k
[
NT+ (vi )\V (C),
R :=
i=1
k
[
NT− (vi )\V (C).
i=1
Man kann festhalten L ∪ R ∪ V (C) = V (T ).
In dem Falle, dass ein x ∈ L ∩ R existiert, dann gibt es einen Knoten vi und einen Knoten vj mit
i, j ∈ [k], so dass (vi , x), (x, vj ) ∈ E(T ). O.B.d.A. i < j. Wähle r ∈ {i + 1, ..., j} kleinstmöglich, so
0
dass (x, vr ) ∈ E(T ). Dann ist also C := (v1 , ..., vr−1 , x, vr , ..., vk ) ein Kreis durch u der Länge k + 1
(es existiert hierbei (vr−1 , x), da wegen der Minimalität von r die Kante (x, vr ) nicht existiert und
in einem Turnier eine der beiden Kanten existieren muss).
Sei nun L ∩ R = ∅. Wieder gilt wegen des starken Zusammenhangs, dass L, R 6= ∅ und es existiert
eine Kante (l, r) ∈ E(T ) ∩ (L × R). Dann ist der Kreis C 00 := (v1 , l, r, v3 , ..., v1 ) ein gerichteter Kreis
der Länge k + 1 durch u.
(Vorlesung 3, 17.04.2014)
Ein (gerichteter) Kreis, der alle Knoten enthält, heißt (gerichteter) Hamiltonkreis.
Korollar 1.6. Jedes stark zusammenhängende Turnier auf mindestens drei Knoten hat einen
gerichteten Hamiltonkreis.
Satz 1.7. Das Problem, zu entscheiden, ob ein gerichteter Graph einen gerichteten Hamiltonkreis
besitzt, ist NP-vollständig.
Beweis. Wir geben eine polynomielle Reduktion von SAT (Erfüllbarkeitsproblem). Es sei f eine
KNF (konjunktive Normalform) mit Variablen x1 , ..., xN und Klauseln C1 , ..., CM , also zur Erinnerung
f=
M
^
Ci ,
Ci = (xi1 ∨ ... ∨ xir ∨ xir+1 ∨ ... ∨ xis ).
i=1
3
Wir konstruieren einen gerichteten Graphen D, so dass D genau dann einen gerichteten Hamiltonkreis besitzt, wenn f erfüllbar ist.
Für jede Variable xi bauen wir das Gadget Di . Dieses definieren wir als Di = (Vi , Ei ) durch
Vi
Ei
= {si , ti , ui , vi } ∪ {aij : j ∈ [M ]} ∪ {bij : j ∈ [M ]},
n←−−−→ ←−−−−→o
= {(si , ui ), (si , vi ), (ui , ti ), (vi , ti )} ∪ (ui , ai1 ), (biM , vi )
n←−−−−→
o n←−−−−−−→
o
∪ (aij , bij ) : j ∈ [M ] ∪ (bij , aij+1 ) : j ∈ [M − 1] .
←→
Hierbei meint die etwas eigenwillige Kurznotation (., .), dass die gerichtete Kante in beide Richtungen hinzugefügt wird. Zu den vier Grundknoten si , ti , ui und vi fügt man also je Klausel Cj zwei
Knoten aij und bij hinzu. Die erste Kantenmenge in Ei beschreibt hierbei die beiden gerichteten
Wege (si , ui , ti ) und (si , vi , ti ), zu denen man die beiden gerichteten Wege
←−−−−−−−−−−−−−−−−−−−−−−−−→
(ui , ai1 , bi1 , ai2 , bi2 , ..., aiM , biM , vi ) hinzufügt.
Wir identifizieren si+1 mit ti für i ∈ [N ], mit sN +1 := s1 , das heißt, die Gadgets werden „aneinandergeklebt“. Der entstehende Graph hat nun 2N viele gerichtete Hamiltonkreise. Diese durchlaufen
jedes einzelne Di entweder von ui nach vi oder von vi nach ui .
Für jede Klausel Cj fügen wir einen neuen Knoten cj ein. Kommt die Variable xi positiv (nicht
negiert) in Cj vor, dann fügen wir in das Gadget Di die Kanten (aij , cj ) und (cj , bij ) ein. Kommt
xi negativ in Cj vor, dann fügen wir (bij , cj ) und (cj , aij ) ein.
Es sei D der aus dieser Konstruktion resultierende gerichtete Graph. Angenommen D hat einen
gerichteten Hamiltonkreis, sagen wir C. Benutzt C die Kante (aij , cj ), dann auch die Kante (cj , bij ),
da sonst bij nicht mehr in einen gerichteten Hamiltonkreis eingebaut werden kann. Aus selbem
Grund ist es unmöglich, die Klausel Cj in ein anderes Gadget Dk zu verlassen. Analoges gilt für
(bij , cj ) und (cj , aij ).
Wir setzen für alle i ∈ [N ] den Wert von xi auf 1, falls wir Di von ui nach vi durchlaufen, und 0
sonst.
Wird cj von aij betreten (und nach bij verlassen), so durchläuft C das Gadget Di von ui nach vi .
Außerdem kommt das xi positiv in Cj vor. Demnach erfüllt die Belegung von xi mit 1 die Klausel
Cj . Analog ist Cj erfüllt, falls cj von bij aus betreten wird.
Insgesamt ist f durch diese Belegung erfüllt.
Es sei nun andererseits f erfüllbar und es seien die xi eine erfüllende Belegung. Ist xi = 1, dann
durchlaufe Di von ui nach vi , und andersherum, falls xi = 0. Nach Konstruktion lassen sich alle
Klauseln, die von xi (bzw. der Negation xi ) erfüllt werden, in den Weg von ui nach vi (bzw. von
vi nach ui ) einbauen. Somit hat D einen ger. Hamiltonkreis.
Korollar 1.8. Das Problem zu entscheiden, ob ein ger. Graph einen ger. Hamiltonweg hat, ist
ebenfalls NP-vollständig.
Beweis. Analog zum Beweis von Satz 1.7. mit dem einzigen Unterschied, dass wir die beiden
Knoten s1 und tN nicht miteinander identifizieren.
Satz 1.9. Sei D ein schlingenfreier ger. Graph auf n ≥ 2 Knoten, so dass jeder Knoten mindestens
n
2 -viele
Vorgänger und mindestens
n
2 -viele
Nachfolger hat. Dann hat D einen ger. Hamiltonkreis.
Bemerkung. Der Satz 1.9. verallgemeinert das Korollar 6.12. aus dem GT1-Skript (Satz von Dirac).
(Vorlesung 4, 24.04.2014)
Beweis. Es sei o.B.d.A. C = (v1 , ..., vl , v1 ) ein längster ger. Kreis in D. Angenommen, es wäre
l < n. Nach Übungsaufgabe ist l >
n
2.
Es sei P = (u1 , ..., um+1 ) ein längster gerichteter Weg in
4
G − V (C). Definiere die beiden Indexmengen
S
= {i : (vi−1 , u1 ) ∈ E}, wobei v0 := vl
T
= {i : (um+1 , vi ) ∈ E}.
Angenommen S ∩ T 6= ∅, sagen wir es existiert i ∈ S ∩ T. Dann kann man durch die Kanten
(vi−1 , u1 ) und (um+1 , vi ) den Kreis C durch den Weg P verlängern.
Es muss also gelten, dass S ∩ T = ∅. Da P längstmöglich gewählt ist, gilt für die Vorgänger von
u1 :
−
ND
(u1 ) ⊆ V (C) ∪ V (P ).
Somit hat man nach Voraussetzung
n
2
≤
−
|ND
(u1 )|
−
−
= |ND
(u1 ) ∩ V (P )| + |ND
(u1 ) ∩ V (C)|
−
= |ND
(u1 ) ∩ V (P )| + |S|
≤ m + |S|,
also (für T analoge Argumentation über Nachfolger)
|S| ≥
n
n
− m und |T | ≥ − m.
2
2
Es gilt
l> n
2
⇒
n ≥ l+m+1
n
> m.
2
(1)
Das heißt aber S, T 6= ∅. Außerdem ist
|S ∪ T | =
(1)
|S| + |T |
≥
n − 2m
≥
l − m + 1.
(2)
O.B.d.A. sei v1 ∈ S. Es sei i kleinstmöglich, so dass vi+1 ∈ T. O.B.d.A. ist {2, ..., i + 1} ∩ S = ∅.
Wegen (2) gilt i ≤ m. Es sei C 0 = (v1 , u1 , ..., um+1 , vi+1 , ..., vl , v1 ) nun ein neuer konstruierter
Kreis. C 0 hat die Länge l + m + 1 − i, doch es ist
l+m+1−i≥l+1
.
Das heißt, es muss l = n gelten.
1.3
Anwendungsbeispiele
Job Sequencing:
Gegeben seien N Jobs J1 , ..., JN und eine „adjustment“-Matrix T = (ti,j )i,j∈[N ] .
Wird Job Jj unmittelbar nach dem Job Ji erledigt, dann kostet das ti,j viele Einheiten. In welcher Reihenfolge sollen die Jobs bearbeitet werden? (Diese Variante des TSP (Traveling Salesman
Problem, Rundreiseproblem) ist NP-hart!)
Heuristik:
5
1. Definiere gerichteten Graphen D = (V, E) durch
V
:= {Ji : i ∈ [N ]}
E
:= {(Ji , Jj ) : i, j ∈ [N ], i 6= j, ti,j ≤ tj,i }.
2. Finde ger. Hamiltonweg in D (existiert nach Korollar 1.2).
3. Sortiere die Jobs entsprechend dem Weg.
Beispiel. Gegeben sei zu 5 Jobs die adjustment-Matrix


0
5
3
4
2

 1

T =
 2

 1
1
0
1
2
5
0
1
4
4
0
3
4
5

3 

2 
.

4 
0
Die Heuristik bildet den Graphen D = (V, E) auf 5 Jobknoten mit den Kanten (Job Ji wird hier
über i dargestellt)
E
= {(2, 1), (3, 1), (4, 1), (5, 1)
(2, 5), (5, 2), (2, 3), (3, 4)
(3, 5), (4, 5), (2, 4)}.
(... am besten einmal aufzeichnen...) Als Hamiltonkreis findet man (bspw.) (J2 , J3 , J4 , J5 , J1 ). Die
Kosten wären also
t23 + t34 + t45 + t51 = 1 + 1 + 4 + 1 = 7.
Hätte man stattdessen die Jobs in Reihenfolge J1 , ..., J5 erledigt, dann hätte man Kosten von 11.
Einbahnstraßensysteme: Gegeben ein Straßennetzwerk (ein unger. Graph G = (V, E)). Kann
man die Straßen des Netzwerks so zu Einbahnstraßen machen, dass jede Kreuzung (Knoten) von
jeder anderen aus erreichbar bleibt. Formal heißt das, man sucht eine Orientierung D von G, so
dass D stark zusammenhängend ist.
Nicht möglich ist eine solche Orientierung bspw., wenn eine Schnittkante in G existiert (z.B. Klaue).
Notwendig für das Einbahnstraßenvorhaben ist also, dass G zusammenhängend ist und G keine
Schnittkante hat (z.E. e ist Schnittkante von G, wenn G−e mehr Zusammenhangskomponenten hat
als G). Wir sagen G ist 2-Kanten-zusammenhängend. Wir werden nun sehen, dass diese Bedingung
nicht nur notwendig ist, sondern auch hinreichend.
Satz 1.10. Es sei G = (V, E) ein Multigraph. Dann hat G genau dann eine stark zusammenhängende Orientierung, wenn G 2-Kanten-zusammenhängend ist.
(Vorlesung 5, 28.04.2014)
Beweis. Es sei e = {x, y} ∈ E beliebig. In G − e existiert ein x-y-Weg P , da G 2-Kantenzusammenhängend ist. Somit ist P + e ein Kreis. Setze
G0 := P + e.
6
Iterativ: Ist V (Gi ) 6= V, dann wähle u ∈ V (Gi ) und v ∈ V \V (Gi ), so dass {u, v} ∈ E. Setze
ui+1
:= u
vi+1
:= v.
Es sei P ein Weg von v nach V (Gi ) in G\{u, v}. Setze
Pi+1
:= P
Gi+1
:= Gi + Pi+1 + {ui+1 , vi+1 }.
Angenommen V (Gk ) = V (also die Iteration bricht mit Gk ab).
Orientiere G0 zum ger. Kreis.
Für i = 1, ..., k orientiere {ui , vi } zu (ui , vi ) und Pi von vi zu V (Gi−1 ).
Es sei D die entsprechende Orientierung von Gk . Dann ist D stark zusammenhängend. Entsprechend sind alle Kanten aus E\E(Gk ) in ihrer Orientierung gleichgültig. Jede Orientierung D0 von
G, die auf den Kanten von Gk mit D übereinstimmt, ist stark zusammenhängend. Die Hinrichtung
ist trivial (siehe Fließtext vor Satz 1.10).
Ein Graph heißt k-Kanten-zusammenhängend, falls er zusammenhängend ist und er durch Löschen
von höchstens k − 1 vielen Kanten nicht unzusammenhängend gemacht werden kann. (Analog kann
man auch den Begriff k-Kanten-stark-zusammenhängend für stark zusammenhängende gerichtete
Graphen definieren).
Satz 1.11. (Nash-Williams 1960) Es sei G ein Multigraph. Dann hat G eine k-Kanten-starkzusammenhängende Orientierung genau dann, wenn G 2k-Kanten-zusammenhängend ist.
Rangfolgen in Turnieren: Gegeben sei ein Turnier mit N Spielern, die paarweise gegeneinander
spielen, und ein Unentschieden sei ausgeschlossen! Wie definiert man eine „faire“ Rangfolge?
Beispiel. N = 6. Ein Turnier mit den Kanten
E(T )
= {(1, a) : a ∈ {2, 4, 5, 6}}
∪
{(2, b) : b ∈ {4, 5, 6}}
∪
{(3, c) : c ∈ {1, 2, 4}}
∪
{(4, d) : d ∈ {5, 6}}
∪
{(5, e) : e ∈ {3, 6}}
∪
{(6, f ) : f ∈ {3}}
(Aufzeichnen!) Die Bedeutung einer Kante ist hier: (u, v) ∈ E(T ) ⇔ u schlägt v. Hamiltonwege
sind hierbei inkonsistent:
-
(1,2,4,5,6,3),
-
(2,4,5,6,3,1).
Die Anzahl der Siege, die wir in S1 ∈ N6 speichern,
S1 = (#Siege von Spieler i)i∈[6] = (4, 3, 3, 2, 2, 1),
7
gibt eine uneindeutige Reihenfolge: Man könnte beispielsweise nicht entscheiden, ob Spieler 2 oder
Spieler 3 der zweitbeste Spieler war. Daher definieren wir S2 ∈ N6 als den Vektor, dessen i-te
Komponente gleich der Summe der Siege der Spieler ist, welche Spieler i schlägt:
S2
=
(Summe aller Siege aller von i besiegten Spieler)i∈[6]
=
(8, 5, 9, 3, 4, 3)
Nun wäre also nach diesem Ranking Spieler 3 der stärkste Spieler. Definiere nun Sk ∈ N6 analog
zu S2 für k ≥ 3.
S3
=
(15, 10, 16, 7, 12, 9)
S4
=
..
.
(38, 28, 32, 21, 25, 16)
Die Reihenfolgen wechseln. Wir wollen die Vektoren nun zu stochastischen Vektoren machen (normieren) und überprüfen, ob sich ein sinnvolles Ergebnis ergibt, wenn wir k iterieren. Die Adjazenzmatrix A eines gerichteten Graphen D = ({v1 , ..., vn }, E) ist die Matrix (aij )i,j∈[n] mit
aij := #Kanten (vi , vj ). Bei Turnieren ist aij + aji = 1, sofern i 6= j.
Es gilt s1 = A · 1, wobei 1 = (1, ..., 1)T ∈ Rn . Allgemein ist
sk = Ak · 1.
Der Abstand zwischen zwei Knoten u, v ∈ V (D), distD (u, v), ist gleich der Länge eines kürzesten
Weges von u nach v (bzw. ∞, falls v nicht von u aus erreichbar).
Der Durchmesser ist definiert durch

max
u,v∈V (D) dist(u, v), falls D stark zusammenhängend ist
diam(D) =
∞,
sonst.
Lemma 1.12. Es sei T ein stark zusammenhängendes Turnier auf n ≥ 5 Knoten. Dann gilt
(komponentenweise betrachtet):
Adiam(T )+3 > 0.
Bemerkung. Eine reelle Matrix M mit M k > 0 für ein k ∈ N heißt primitiv.
Beweis. Der (i, j)-te Eintrag von Ak entspricht der Anzahl der gerichteten vi -vj -Pfade der Länge
k (s. Übungsblatt 3). Das heißt, wir müssen zeigen, dass es zwischen je zwei beliebigen Knoten in
T mindestens einen gerichteten Pfad der Länge diam(T ) + 3 gibt.
Wegen dist(vi , vj ) ≤ diam(T ) ≤ n − 1 gilt
3 ≤ diam(T ) − dist(vi , vj ) + 3 ≤ n + 2.
Ist diam(T ) − dist(vi , vj ) + 3 ≤ n, so existiert nach Satz 1.5 ein Kreis der Länge diam(T ) −
dist(vi , vj ) + 3 durch vj . Nun können wir den kürzesten Weg von vi nach vj betrachten. Kombiniert
man diesen Weg mit dem o.g. Kreis, so erhält man einen Pfad von vi zu vj der Länge
dist(vi , vj ) + diam(T ) − dist(vi , vj ) + 3 = diam(T ) + 3.
(Vorlesung 6, 05.05.2014)
8
Also ist
diam(T ) − dist(vi , vj ) + 3 ∈ {n + 1, n + 2}.
Es sei
diam(T ) − dist(vi , vj ) + 3 = n + 1
(bzw. n + 2).
Wähle nun einen Kreis C der Länge n − 2 (bzw. n − 1) durch vj . Es sei C 0 ein Kreis durch vj der
Länge 3. Der Pfad, der durch Konkatenation vom kürzesten gerichteten vi -vj -Weg, C, und dann
C 0 entsteht, hat genau die Länge diam(T ) + 3.
Satz 1.13. Die Adjazenzmatrix A eines Turniers T auf n Knoten ist primitiv genau dann, wenn
T stark zusammenhängend ist und n ≥ 4.
Beweis. ” ⇒ ” Per Kontraposition: Angenommen T ist nicht stark zusammenhängend. Dann
existieren u, v ∈ V (T ), so dass v nicht von u aus erreichbar ist. Das heißt (Ak )uv = 0 für alle k ∈ N
und somit A nicht primitiv. Angenomen n ≤ 3. Ist n = 1, so ist A = (0). Ist n = 2, so ist T nicht
stark zusammenhängend. Ist n = 3 und T ist stark zusammenhängend, so bildet T einen gerichteten
Kreis auf drei Knoten, d.h. A ist eine Permutationsmatrix. Potenzen von Permutationsmatrizen
sind wiederum Permutationsmatrizen, denn diese bilden eine Gruppe auf dem Raum der Matrizen.
Somit ist A nicht primitiv.
” ⇐ ” Nach Lemma 1.12 ist der Fall n ≥ 5 klar. Für n = 4 besteht ein stark zusammenhängendes
Turnier T aus zwei Knoten mit zwei Ausgangs- und einer Eingangskante und zwei Knoten mit zwei
Eingangs- und einer Ausgangskante. Die zugehörige Adjazenzmatrix ist primiv. Beispielsweise:

0
1
0
0


 0
A=
 1

1
0
0
1
0
1
0





0
1
0
mit A9 > 0.
Satz von Perron-Frobenius. Ist A eine reelle, primitive Matrix, dann existiert ein Eigenwert
r > 0 mit Eigenvektor s > 0, so dass
k
A
e = s,
k→∞
r
lim
wobei e der Einsvektor ist (vgl. Wikipedia).
Damit ergibt sich folgende Rangfolge:
In jeder st. ZHK mit genau 3 Knoten bewerte alle Spieler gleich (bestmöglich!)
In jeder größeren st. ZHK wende Satz 1.13 und Perron-Frobenius an, um den Vektor s zu
bestimmen. Bewerte die Spieler gemäß s.
Bewerte Spieler aus unterschiedlichen st. ZHK gemäß der Kantenrichtung zwischen ihnen
((u, v) ∈ A, dann schlägt Spieler u Spieler v).
2
Flüsse und Zirkulationen
Es sei D = (V, E) ein gerichteter Graph. Ein Fluss auf D ist die Funktion f : E → R, so dass
∀v ∈ V : δf (v) =
X
f (e) −
e=(u,v)∈E
9
X
e=(v,u)∈E
f (e) = 0
Der Wert δf (v) heißt Bilanz (oder Nettozufluss). Das Beispiel zeigt einen Graphen auf 4 Knoten
{a, b, c, d}, dessen Kanten folgende Flusswerte haben (hier als Ersatz tabellarisch angegeben; die
Kanten sind vom Zeileneintrag zum Spalteneintrag gerichtet; „-“ meint, die Kante existiert nicht):
a b c
d
a
-1
3
7
-10
b
-
-
3
-
c
-
-
-
11
d
-
-
1
-
Würde man sich auf so eine tabellarische Schreibweise einigen, wäre der Graph genau dann ein
Fluss, wenn sich für jedes i ∈ [|V |] die Zeilensumme der i-ten Zeile und die Spaltensumme der i-ten
Spalte gleichen. Man sieht leicht, dass sich Schlingen in einer Bilanz aufheben.
2.1
Gruppenwertige Flüsse
Es sei H eine abelsche Gruppe. Ein H-wertiger Fluss auf G ist eine Abbildung f : E → H, die
für jeden Knoten v ∈ V δv (f ) = 0 erfüllt. Gilt f (e) 6= 0 für alle Kanten e ∈ E, so heißt f H-Fluss
(bzw. nowhere-zero-flow ).
Man kann sich fragen:
Wann existiert ein H-Fluss?
Wieviele davon gibt es?
(Vorlesung 7, 08.05.2014)
Satz 2.1. (Tutte 1954) Zu jedem ger. Graphen D = (V, E) existiert ein Polynom P mit der
Eigenschaft, dass für jede endliche abelsche Gruppe H genau P (|H| − 1) viele H-Flüsse existieren.
P ist Flusspolynom von D. Hierbei bezeichnet |H| die Ordnung von H, #H.
Beweis. Per Induktion über m := |E|, die keine Schlingen sind. Sind alle Kanten von D Schlingen,
dann gibt es (|H| − 1)m viele H-Flüsse, da jede Abbildung f : E → H\{0} ein H-Fluss ist. Also
setzen wir P (X) = X m .
Es sei also e0 = (x, y) ∈ E mit x 6= y. Betrachte die gerichteten Graphen
D 1 = D − e0
D2 = D/e0
(dies meint das Verschmelzen von x und y zu einem Knoten, wobei alle
gerichteten Kanten zwischen x und y (außer e0 ) zu einer Schlinge werden)
Per Induktion existieren Flusspolynome (mit der Eigenschaft wie im Satz) P1 bzw. P2 für D1 bzw.
D2 .
Es sei H eine endliche abelsche Gruppe und K := |H| − 1. Wir wollen nun zeigen, dass die Anzahl
der H-Flüsse auf D gleich P2 (K) − P1 (K) ist, d.h. P := P2 − P1 ist geeignetes Flusspolynom für
D. Die H-Flüsse auf D1 sind gerade die Einschränkungen von H-wertigen Flüssen auf D, für die
gilt:
1. f (e) 6= 0 falls e ∈ E\{e0 }
2. f (e0 ) = 0
Die Menge dieser Flüsse auf D sei F1 . Es gilt |F1 | = P1 (k). Man kann feststellen (zeigen wir gleich):
Die H-Flüsse auf D2 sind gerade die H-wertigen Flüsse auf Dmit f (e) 6= 0 ∀e ∈ E\{e0 }
10
(3)
Es sei F2 die Menge dieser Flüsse auf D, also |F2 | = P2 (k). Ist F die Menge aller H-Flüsse auf D,
dann gilt F = F2 \F1 . Also ist
|F | = |F2 | − |F1 | = P2 (k) − P1 (k).
Nun zu (3): Es sei f ein H-Fluss auf D2 . Wir definieren H-wertigen Fluss g ∈ F2 wie folgt: Es sei
g(e) := f (e) ∀e ∈ E\{e0 }.
Setze
X
g(e0 ) =
X
g(e) −
e=(x0 ,x)∈E
g(e)
e=(x,x0 )∈E\{e0 }
In x gilt die Flusserhaltung, das heißt
δg (x)
X
=
e=(x0 ,x)∈E
X
=
g(e)
e=(x,x0 )∈E
X
g(e) −
e=(x0 ,x)∈E
=
X
g(e) −
g(e) − g(e0 )
e=(x,x0 )∈E\{e0 }
0.
In y gilt:
δg (y)
X
=
e=(y 0 ,y)∈E
δg (x)=0
X
=
X
g(e) −
X
δf (x ∼
= y) + R
=
R
X
=
e=(x,y)∈E
=
X
g(e) +
X
g(e) −
e=(y,x)∈E
g(e)
e=(x,x0 )∈E
X
g(e) −
e=(y 0 ,y)∈E y 0 6=x
X
g(e) −
e=(x0 ,x)∈E
X
g(e) +
=
X
g(e) +
e=(y,y 0 )∈E
e=(x0 ,x)∈E, x0 6=y
δf (x∼
=y)=0
g(e)
e=(y,y 0 )∈E
e=(y 0 ,y)∈E
=
X
g(e) −
e=(x,x0 )∈E, x0 6=y
g(e) −
e=(x,y)∈E
X
X
g(e) −
g(e) + R
e=(y,y 0 )∈E y 0 6=x
g(e)
e=(y,x)∈E
0,
wobei R hier der Wert der Restbilanz war, die wir zunächst nicht betrachtet haben.
Korollar 2.2. Die Existenz und Anzahl von H-Flüssen hängt nur von der Ordnung von H ab.
Es sei nun ein ger. Graph D = (V, E) gegeben. Ein k-Fluss (k ∈ N) ist ein Z-Fluss f mit
|f (e)| < k
∀e ∈ E,
d.h. für das Bild des k-Flusses gilt
Im(f ) ⊆ {±i : i ∈ [k − 1]}.
Das Tafelbeispiel hierzu ist gegeben durch die Tabelle (Notation wie zu Beginn von Kapitel 3!
Aufzeichnen...)
11
a
b
c
d
a
1
1
-2
1
b
-
-
-
1
c
-
-
-
1
d
-
-
3
-
Die Flusszahl von D, ϕ(D), ist das kleinste k, für das D einen k-Fluss besitzt. (ϕ(D) = ∞, falls
kein k-Fluss existiert.)
Was ist die Beziehung von k-Flüssen und H-Flüssen?
Wie groß ist ϕ(D)?
Lemma 2.3. Hat D einen k-Fluss f, dann hat D auch einen Zk -Fluss, wobei z.E. Zk = ({0, ..., k − 1}, +)
die additive Restklassengruppe ist.
Beweis. Es sei f ein k-Fluss auf D. Definiere
g: E
→
e 7→
Zk
f (e).
Dann gilt, dass g(e) 6= 0 für alle e ∈ E. Die Flusserhaltung gilt, da i 7→ i ein Gruppenhomomorphismus von Z nach Zk ist, d.h.
δg (v) = δf (v) = 0.
Die Rückrichtung gilt ebenso:
Satz 2.4. Ein ger. Graph D = (V, E) hat genau dann einen k-Fluss, wenn er einen Zk -Fluss hat.
Korollar. Damit gilt:
D hat einen k-Fluss (ϕ(D) ≤ k)
Satz 2.4.
⇐⇒
D hat einen Zk -Fluss
Kor. 2.2.
⇐⇒
D hat einen H-Fluss für eine/alle endl. abel. Gruppen Hder Ordnung k.
Beweis. ” ⇒ ” nach Lemma 2.3.
(Vorlesung 8, 12.05.2014)
” ⇐ ” Es sei g ein Zk -Fluss auf D. Es sei F die Menge der Abbildungen f : E → {±1, ..., ±(k − 1)}
mit f ≡ g. F ist nicht leer, da man g schreiben kann als
g(e) = ie
mit ie ∈ {±1, ..., ±(k − 1)} für alle e ∈ E.
Es sei f0 ∈ F mit
X
v∈V
Angenommen
P
v∈V
|δf0 (v)| = min
f ∈F
X
|δf (v)|.
(∗)
v∈V
|δf0 (v)| > 0, dann existiert ein Knoten x ∈ V mit δf0 (x) < 0. Definiere einen
0
Hilfsgraphen D = (V, E 0 ) dadurch, dass alle Kanten e ∈ E mit f0 (e) < 0 umgedreht werden. Es
sei f00 : E 0 → {±1, ..., ±(k − 1)} definiert durch

−f (e) , falls f (e) < 0
0
0
f00 (e) =
.
f (e)
, sonst.
0
12
Es gilt δf00 (v) = δf0 (v) für alle v ∈ V. Es sei X ⊆ V die Menge der Knoten, die von x aus erreichbar
sind in D0 . Es gilt
X
δf00 (v) ≥ 0.
v∈X
Wegen δf0 (x) < 0 existiert ein y ∈ X mit δf0 (y) > 0. Es sei P = (x, e1 , ..., ek , y) ein ger. Weg
in D0 . Wir reduzieren die f00 -Werte der Kanten e1 , ..., ek um den Wert k und es sei f000 : E 0 →
{±1, ..., ±(k − 1)} die resultierende Flussabbildung. Es gilt
∀v ∈ V \{x, y}
δf00 (v) = δf000 (v)
δf000 (x) = δf00 (x) + k
δf000 (y) = δf00 (y) − k
Es sei f0000 : E → {±1, ..., ±(k − 1)} die Abbildung, die entsteht, wenn wir die Kanten mit f0 (e) < 0
von f000 wieder umkehren. Dann gilt
δf0000 (v) = δf000 (v) ∀v ∈ V.
Somit gilt
δf0000 (v) = δf0 (v) ∀v ∈ V \{x, y}.
Wegen f0000 (e) = g(e) = f0 (e) für alle Kanten e ∈ E gilt f0000 ∈ F. Es gilt
δf0 (v)
X
=
e=(u,v)∈E
X
=
f0 (e)
e=(v,u)∈E
X
g(e) −
e=(u,v)∈E
g ist Zk -Fluss
X
f0 (e) −
g(e)
e=(v,u)∈E
= 0
Das heißt, δf0 (x) ≤ −k und δf0 (y) ≥ k.
Also ist
|δf0000 (x)| =
|δf0 (x) + k|
|δf0 (x)|
<
Ebenso
|δf0000 (y)|
< |δf0 (y)|
und somit
X
|δf0000 (v)| <
v∈V
X
|δf0000 (v)|
zu (∗)
v∈V
Bemerkung. Die Existenz von k-Flüssen (bzw. Zk -Flüssen) hängt nur vom zugrundeliegenden
(Multi-)Graphen ab!
Wir sagen ein unger. Multigraph G hat einen k-Fluss, falls eine (dann jede!) Orientierung einen
k-Fluss hat. Analog ist ϕ(G) definiert.
Satz 2.5. Es gilt:
a)
Ein Graph G hat einen 2-Fluss genau dann, wenn jeder Knoten geraden Grad hat.
13
Ein kubischer Graph hat einen 3-Fluss genau dann, wenn er bipartit ist ( kubisch heißt
b)
3-regulär, also jeder Knoten hat Grad 3).
c)
Jeder 4-Kanten-zusammmenhängender Graph hat einen 4-Fluss.
d)
Ein Graph hat einen 4-Fluss genau dann, wenn er die Vereinigung von zwei Graphen
ist, die beide die Eigenschaft haben, dass jeder Knoten geraden Grad hat.
Ein kubischer Graph (3-regulärter Graph) hat einen 4-Fluss genau dann, wenn er 3-
e)
Kanten-färbbar ist (χ0 (G) ≤ 3, wobei χ0 (G) der chromatische Index ist).
→
−
Beweis. a) Es sei G = (V, E) ein Graph und D = (V, E ) eine Orientierung von G. Dann gilt nach
→
−
Satz 2.4, dass G einen 2-Fluss hat, genau dann wenn D einen Z2 -Fluss hat. Das heißt f : E → Z2
mit f ≡ 1 ist ein Fluss auf D. Jeder Knoten hat genau gerade viele inzidente Kanten.
b) Übungsaufgabe
c) Ein 4-Kanten-zusammenhängender Graph hat zwei (kanten-)disjunkte Spannbäume T1 und T2
(dieser Satz wird hier nicht bewiesen, ist aber aufzufinden im Buch von Herrn Diestel, Korollar
→
−
1.4.2 in der 3. Auflage). Es sei G ein 4-Kanten-zusammenhängender Graph und D = (V, E ) eine
Orientierung von G. Für jede Kante e ∈ E\E(Ti ) sei Ce,i der eindeutige Kreis in Ti + e (nennt man
Fundamentalkreise). Es sei fe,i der Z4 -wertige Fluss auf D, der den orientierten Kanten von Ce,i
P
− →
−
einen Flusswert i bzw. −i zuweist und allen anderen Kanten 0. Es sei nun f1 = e∈→
f .
E \ E (T1 ) e,1
→
−
→
−
Es gilt f ( e ) ∈ {1, 3} für alle e ∈
/ E(T ) ( e ist die orientierte Version von e in D).
1
1
(Vorlesung 9, 15.05.2014)
P
−
−
e) = 2
Es sei E0 := {e ∈ E : f1 (→
e ) = 0} und f2 := e∈E0 fe,2 . Es sei f := f1 + f2 . Es gilt f (→
für alle e ∈ E0 . Zudem gilt Im f |E\E(T1 ) ⊆ {1, 3} und Im f |E(T1 )\E0 ⊆ {1, 2, 3}. Letztes gilt, da
−−−−−−−−−−
→ ≡ 0. Alle fe,i erfüllen δfe,i (v) = 0 für alle v ∈ V,
(E(T1 )\E0 )∩(E(T2 )∪E0 ) = ∅ und f2 |−
E\(E(T )∪E )
2
0
d.h. δf (v) = 0 für alle v ∈ V. Somit ist f ein Z4 -Fluss auf D. Nach Satz 2.4 folgt die Behauptung.
→
−
d) Es sei G = (V, E) und D = (V, E ) eine Orientierung von G.
” ⇒ ” D hat einen 4-Fluss genau dann, wenn D einen Z2 × Z2 -Fluss hat (folgt aus Kor. 2.2 und
−
→
Satz 2.4). Es sei f ein solcher Fluss. Definiere für i = 1, 2 den Graphen Di = (V, Ei ) mit
−
→
→
−
Ei = {e ∈ E : f (e)i = 1}.
Es gilt D = D1 ∪ D2 , da (0, 0) ∈
/ Im f. Dabei ist f eingeschränkt auf die i-te Komponente ein
Z2 -Fluss auf Di für i = 1, 2. Nach Aussage a) gilt für die beiden zugrundeliegenden Graphen G1
und G2 , dass jeder Knoten geraden Grad hat. Wegen G = G1 ∪ G2 gilt die Behauptung.
” ⇐ ” Es sei G = G1 ∪ G2 , wobei G1 = (V, E1 ) und G2 = (V, E2 ) mit der Eigenschaft aus d). Es sei
Di eine Orientierung von Gi für i = 1, 2, so dass die gemeinsamen Kanten gleich orientiert sind.
Das heißt, D1 ∪ D2 ist eine Orientierung von G. Nach a) existiert ein Z2 -Fluss fi auf Di , i = 1, 2.
Definiere einen Z2 × Z2 -Fluss f auf D1 ∪ D2 durch

−
f (→
i e ), falls e ∈ Ei
−
f (→
e )i = →
−
0,
sonst.
für i = 1, 2.
/ Im f. Daher ist f ein
Da E = E1 ∪ E2 und die fi Z2 -Flüsse auf Di sind für i = 1, 2, ist (0, 0) ∈
Z2 × Z2 -Fluss.
→
−
e) Es sei G = (V, E) ein kubischer Graph und D = (V, E ) eine Orientierung von G.
” ⇒ ” G hat einen 4-Fluss genau dann, wenn G einen Z2 × Z2 -Fluss hat. Es sei f ein Z2 × Z2 −
Fluss auf D. Es sei π : Z × Z \{(0, 0)} → {1, 2, 3} eine Bijektion. Setze c(e) = π ◦ f (→
e ) für alle
2
2
0
e ∈ E. Es seien nun e, e ∈ E mit e 6= e0 zwei Kanten mit einem gemeinsamen Knoten (adjazente
14
→
−
−
Kanten). O.B.d.A. e = {u, v} und e0 = {v, w}. Ist c(e) = c(e0 ), dann gilt f (→
e ) = f ( e0 ). Somit
→
−00
ist δf (v) = f (e ), wobei e00 die dritte anliegende Kante in v ist, abgesehen von e, e0 . Da f einn
Z2 × Z2 -Fluss ist, gilt
→
−
f (e00 ) = δf (v) = (0, 0)
.
→
−
” ⇐ ” Es sei C eine 3-Kantenfärbung auf G. Definiere f : E → Z2 × Z2 \{(0, 0)} durch f ≡ π −1 ◦ c.
Für alle v ∈ V gilt
X
δf (v) =
−
f (→
e ) = (1, 0) + (0, 1) + (1, 1) = (0, 0)
e inzident zu v
Somit ist f ein Z2 × Z2 -Fluss auf D.
2.2
Flüsse und Färbungen
Ein Multigraph heißt planar, wenn er in die Ebene gezeichnet werden kann, ohne dass sich zwei
Kanten kreuzen (Details in Kapitel 7 aus dem Graphentheorie 1 Skript von Herrn Schrader). Jeder
planare Multigraph G hat einen dualen Multigraphen G∗ (abhängig von der Einbettung von G).
Satz 2.6. Es sei G ein schlingenfreier, planarer Multigraph. Dann gilt, dass die Färbungszahl von
G der Flusszahl von G∗ entspricht,
χ(G) = ϕ(G∗ ).
Für den Beweis benötigen wir noch folgende Begriffe:
Es sei T ein Baum mit Wurzel r. Ist u ein Knoten von T , so dass jeder Weg von r nach u über
den Knoten v führt, sagen wir, v ist kleiner als u und schreiben dass v ≤T u. Die Ordnung ≤T ist
eine partielle Ordnung auf V (T ), die Baumordnung von T .
Es sei G = (V, E) ein Multigraph und T ein Spannbaum von G, dann nennen wir T einen normalen
Spannbaum, falls für alle Kanten e ∈ {u, v} ∈ E gilt, dass u ≤T v oder u ≥T v.
Lemma 2.7. Jeder zusammenhängende Multigraph G hat einen normalen Spannbaum. Dabei kann
die Wurzel r des Spannbaums beliebig vorgegeben werden.
Beweis. Durchmustere den Graphen mittels Tiefensuche, der Suchbaum ist ein normaler Spannbaum. Die Wurzel ist der (bel. vorgegebene) Startknoten der Suche.
(Vorlesung 10, 19.05.2014)
Beweis. (von 2.6., Beweisskizze) Es sei G = (V, E) ein schlingenfreier Multigraph und o.B.d.A. sei
G zusammenhängend. Es sei T ein normaler Spannbaum von G (existiert nach Lemma 2.7.) und
→
−
r ∈ V die Wurzel von T. Es sei D = (V, E ) eine Orientierung von G, so dass die Kanten von T aufsteigend entsprechend der Baumordnung ≤T sortiert sind und die Kanten aus E\E(T ) absteigend
sortiert sind (dass dies funktioniert ist genau die Eigenschaft des normalen Spannbaums).
” ≤ ” Es sei D∗ eine Orientierung von G∗ und f : E(D∗ ) → {±1, ..., ±(k − 1)} ein Zk -Fluss auf
D∗ . Nach Satz 2.4 ist zu zeigen, dass χ(G) ≤ k.
→
−
Es gibt eine Abbildung g : E → {±1, ..., ±(k − 1)}, so dass
→
−
−
für zueinander duale Kanten e∗ ∈ E(G∗ ) und e ∈ E gilt g(→
e ) = ±f e∗
und für einen Kreis C = (v1 , e1 , ..., vr , er , vr+1 := v1 ) in G, so ist
X
−
g(→
ei ) −
→
−
ei =(vi ,vi+1 )
X
→
−
ei =(vi+1 ,vi )
15
−
g(→
ei ) = 0.
Anders formuliert: Richten wir die Kanten e1 , ..., er in Richtung von C und invertieren entsprechend die g-Werte auf den umgedrehten Kanten (im Vergleich zu D), dann summieren
sich die g-Werte der Kanten zu 0 auf.
Diese Aussage gilt wegen Orientierbarkeit der Ebene und Kreis-Schnitt-Dualität für planare Graphen (siehe Kapitel 7 im GT1-Skript).
Für alle u ∈ V setze
−
g(→
e ),
X
c(u) =
→
−
e ∈E(P )
wobei P der eindeutige gerichtete r-u-Weg in ger. Spannbaum von D (von T abgeleitet).
Die Abbildung c ist eine Knotenfärbung von G: Es sei e = {u, v} ∈ E eine Kante und o.B.d.A.
→
−
e = (u, v). Ist e ∈ E(T ), dann gilt
−
c(v) − c(u) = g(→
e ) 6= 0.
Ist e ∈
/ E(T ), dann gilt
X
c(u) − c(v) =
g(e0 ),
e0 ∈E(P 0 )
wobei P 0 der eindeutige gerichtete v-u-Weg im Spannbaum ist.
−
Da P 0 + →
e ein gerichteter Kreis in D ist, gilt nach Wahl von g gerade
X
g(ẽ) = 0.
−
ẽ∈E(P 0 )∪{→
e}
Also gilt
−
c(u) − c(v) = −g(→
e ) 6= 0.
Damit gilt stets c(u) 6= c(v), d.h. c : V → Zk ist eine k-Knotenfärbung von G.
” ≥ ” Es sei c eine k-Färbung c : V → Zk von G. Definiere einen Zk -Fluss f auf D∗ über
→
−
−
die Dualisierung einer Abbildung g : E → Zk , indem wir g(→
e = (u, v)) = c(v) − c(u) für alle
e ∈ E(T ) definieren. Setze g fort auf Kanten e ∈
/ E(T ) so wie oben in der ” ≤ ”-Richtung. Das
→
−
heißt g( e = (u, v)) = c(v) − c(u) gilt für alle e ∈ E.
2.3
Flussvermutungen
Ein Graph mit Schnittkante hat keinen k-Fluss.
Satz 2.8. Es sei G ein zusammenhängender Multigraph ohne Schnittkante, dann ist ϕ(G) < ∞.
Beweis. Auf Übungsblatt 5.
Vermutung 2.9. (Tutte 1954) Jeder zusammenhängender Multigraph G ohne Schnittkante hat
einen 5-Fluss, also ϕ(G) ≤ 5.
Diese Vermutung gilt z.B. für planare Graphen (Fünffarbensatz).
Es sei G der Petersengraph aus GT1. G ist 3-regulär (kubisch), aber der chromatische Index lautet
χ0 (G) = 4. Nach Satz 2.5 e) gilt also ϕ(G) > 4. Es gilt ϕ(G) = 5. Vor der nächsten Vermutung eine
kurze Erinnerung: Sind G und H zwei Multigraphen, dann heißt G Minor von H, falls G aus H
durch eine Sequenz der drei Operationen Knotenlöschen, Kantenlöschen und Kantenkonstraktionen
gewonnen werden kann.
Vermutung 2.10. (Tutte 1966) Ist G ein zusammenhängender Multigraph ohne Schnittkante, der
den Petersengraphen nicht als Minor enthält, dann hat G einen 4-Fluss, ϕ(G) ≤ 4.
16
Einen kubischen Graphen ohne 4-Fluss (d.h. ohne 3-Kanten-Färbung) nennt man Snark.
(Vorlesung 11, 22.05.2014)
Vermutung 2.10. sagt insbesondere, dass jeder Snark einen Petersen-Graphen als Minor enthält. Der
Beweis dieser Aussage (der Snark-Satz ) wurde 1999 von Robertson, Sandes, Seymour & Thomas
angekündigt.
Bemerkung. Der Snark-Satz impliziert den Vierfarbensatz.
Beweis. Es sei G ein eingebetteter planarer Graph. O.B.d.A. ist G trianguliert (wie in GT1 bewiesen), d.h. jedes Gebiet des Graphen ist ein Dreieck. Das heißt der zu G duale Graph G∗ ist kubisch
und planar. Kein planarer Graph enthält den Petersen-Graph als Minor (folgt aus Satz 7.18. im
GT1-Skript). Somit gilt nach dem Snark-Satz und Satz 2.5e), dass ϕ(G∗ ) ≤ 4. Mit Satz 2.6 gilt
χ(G) = ϕ(G∗ ) ≤ 4.
Vermutung 2.11. (Tutte 1972) Es sei G ein Multigraph ohne einen Schnitt aus genau einer oder
drei Kanten. Dann hat G einen 3-Fluss.
Dies trifft auf 4-Kanten-zusammenhängende Multigraphen zu. Vermutung 2.11. gilt für planare
Graphen. Dies folgt aus Satz 2.6 und dem Satz von Grötzsch:
Satz 2.12. Jeder planare Graph ohne Dreiecke ist 3-färbbar.
Beweis. von Vermutung 2.11. für planare Graphen über Kreis-Schnitt-Dualität.
Satz 2.13. (Seymour 1981) Jeder zusammenhängende Graph ohne Schnittkante hat einen 6-Fluss.
Beweis. Es sei G = (V, E) ein zusammenhängender Graph ohne Schnittkante. Damit ist G 2Kanten-zusammenhängend. Wir konstruieren eine Folge H0 , ..., Hk von disjunkten, zusammenhängenden Teilgraphen von G, wobei jeder Knoten in jedem Hi geraden Grad hat. Zudem konstruiere
Si−1
Kantenmengen F1 , ..., Fk ⊆ E mit 1 ≤ |Fi | ≤ 2. Jedes Fi verläuft zwischen Hi und j=0 Hj . Wir
Si
Si
schreiben H i := j=0 Hj + j=1 Fj . Es folgt ein Bild(...). Per Induktion ist jedes H i zusammenhängend.
H0 sei ein Teilgraph von G mit genau einem Knoten. Es seien H0 , ..., Hi−1 sowie F1 , ..., Fi−1 bereits
definiert. Wenn H i−1 jeden Knoten von G enthält, sind wir fertig.
Sei also V (H i−1 ) 6= V. Wähle Xi ⊆ V \V (H i−1 ) inklusionsminimal, so dass Xi 6= ∅ und höchstens
eine Kante von Xi nach (V \V (H i−1 ))\Xi existiert. Es folgt ein Bild (...). Xi ist wohlefiniert, da
V \V (H i−1 ) letztere Eigenschaften erfüllt. Da G 2-Kanten-zusammenhängend ist, gibt es eine Kante
zwischen Xi und V (H i−1 ). Wähle Fi als eine oder, falls möglich, zwei solcher Kanten zwischen
Xi und V (H i−1 ). Wegen der Minimalität von Xi ist G[Xi ] (der durch Xi induzierte Subgraph)
zusammenhängend und hat keine Schnittkante, also ist G[Xi ] 2-Kanten-zusammenhängend. Hat Fi
nur eine Kante oder zwei Kanten mit gleichem Endknoten in Xi , dann wähle Hi als diesen Knoten.
Haben die Kanten aus Fi zwei verschiedene Endpunkte in Xi , sagen wir x und y, dann wissen wir
nach dem Satz von Menger (GT1), dass es zwei kantendisjunkte Wege in G[Xi ] zwischen x und y
gibt. Wähle Hi als den Teilgraphen, der durch diese beiden x-y-Wege induziert ist. Ist V (H k ) = V,
setze H := H k und E 0 := E\E(H). Es sei D eine beliebige Orientierung von G. Wir definieren
Z3 -wertige Flüsse fk , ..., f0 auf D. Für jedes e ∈ E 0 existiert ein Kreis C in H + e mit e ∈ E(C),
→
−
−
da H zusammenhängend ist. Es sei C der entsprechende gerichtete Kreis zu C in D. Definiere f→
e
→
−
als Z3 -wertigen Fluss in D, der genau den Kanten auf C von 0 verschiedene Werte zuordnet. Es
folgt ein Bild (...).
(Vorlesung 12, 26.05.2014)
P
→
−
−
Setze fk := e∈E 0 f→
e . Es seien Z3 -wertige Flüsse fk , ..., fi bereits definiert mit fi ( e ) 6= 0 für alle
S
→
−
e ∈ E 0 ∪ j>i Fj . Wir wollen fi−1 so definieren (falls i ≥ 1), dass zusätzlich fi−1 ( e ) 6= 0 für alle
e ∈ Fi gilt.
17
Es sei zuerst |Fi | = 1, sagen wir F1 = {e}. Setze fi−1 := fi . Wir müssen zeigen, dass
−
−
fi−1 (→
e ) = fi (→
e ) 6= 0. Nach wahl von Fi gibt es genau eine Kante in G zwischen V (H i−1 )
und Xi . Nach Wahl von Xi gibt es höchstens eine Kante von Xi nach V \(V (H i−1 ) ∪ Xi ).
Da G 2-zusammenhängend ist, existiert genau eine solche Kante, sagen wir e0 . e0 liegt nicht
in H i−1 und in keinem Hj für alle j ≥ i. Letzteres gilt, da die Hj 2-zusammenhängend sind,
→
−
→
−
S
aber e0 eine Schnittkante wäre. Somit ist e0 ∈ E 0 ∪ j>i Fj . Daher gilt fi−1 ( e0 ) = fi ( e0 ) 6= 0.
Es sei nun |Fi | = 2, sagen wir Fi = {e1 , e2 }. Ist fi (ej ) 6= 0 für j = 1, 2, setzen wir fi−1 := fi .
−
−
Es sei also f (→
e ) = 0 und f (→
e ) ∈ {0, 1}. da H und H i−1 jeweils zusammenhängend sind,
i
1
i
2
i
existiert ein Kreis C in (H i−1 ∪ Hi ) + Fi (= H i ) durch e1 und e2 . Es sei g ein Z3 -wertiger
→
−
→
−
−
Fluss auf D, der außerhalb von C gleich 0 ist und 1 oder 2 auf C . dabei gelte g(→
e2 ) = 1.
→
−
→
−
Dabei sit g( e1 ) 6= 0. Insgesamt ist g( e ) 6= 0 für e ∈ {e1 , e2 }, d.h. fi−1 := fi + g ist ein Z3 S
−
wertiger Fluss mit fi−1 (→
e ) 6= 0 für alle e ∈ E 0 ∪ j>i−1 Fi . Schließlich ist f0 ein Z3 -wertiger
Sk
−
Fluss auf D mit f0 (→
e ) 6= 0 für alle e ∈ E\ i=0 E(Hi ).
Es sei σ : Z3 → Z6 mit σ(k) = 2k. Dann ist f : σ◦f0 ein Z6 -wertiger Fluss auf D mit im f ⊆ {0, 2, 4}.
Es gilt im f |E\∪ki=0 E(Hi ) ⊆ {2, 4}. Für alle i = 0, ..., k sei gi ein 2-Fluss auf Hi . die gi existieren nach
−
−
e ) = 0 für alle e ∈ E\E(Hi ) und gi0 (→
Satz 2.5a). Es sei gi0 ein Z6 -Fluss auf D mit gi0 (→
e ) = 3 für alle
Pk
0
e ∈ E(Hi ). Setze h := f + i=0 gi . Es gilt im h|E\∪ki=0 E(Hi ) ⊆ {2, 4} und im h|∪ki=0 E(Hi ) ⊆ {1, 3, 5}.
Damit ist h ein Z6 -Fluss auf D.
3
3.1
Graphenfärbungen
Kritische Graphen
Ist k ≥ 3, so ist das Entscheidungsproblem „Ist χ(G) ≤ k?“ NP-vollständig. Insbesondere gibt
es vermutlich keine „gute“ Charakterisierung wie Satz 0.1 („gute“ Charakterisierung impliziert
polynomiellen Algorithmus). Einen Graphen G nennen wir kritisch, wenn χ(H) < χ(G) für alle
echten Teilgraphen H von G gilt. G heißt k-kritisch, falls zusätzlich χ(G) = k gilt. Satz 0.1 sagt
gerade, dass die 3-kritischen Graphen genau die ungeraden Kreise sind. Der Grötzsch-Graph ist
4-kritisch. Wikipedia-Bild:
Abbildung 1: Grötzsch-Graph von http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Gr%C3%B6tzsch_graph.svg
Satz 3.1. Ist G ein k-kritischer Graph, so ist δ(G) ≥ k − 1, wobei δ(G) den Minimalgrad von G
bezeichnet.
18
Beweis. Angenommen es existiert ein v ∈ V (G) mit höchstens k − 2 Nachbarn. Da G kritisch ist,
Sk−1
gilt χ(G − v) = k − 1. Es sei V (G − v) = i=1 Vi , wobei die Vi stabile Mengen sind. O.B.d.A. seien
die Vi paarweise disjunkt. Da v weniger als k −1 Nachbarn hat, gilt N (v)∩Vi = ∅ für ein geeignetes
S
i ∈ [k − 1]. Dann ist aber V (G) = Vi ∪ {v} ∪ j∈[k−1]\{i} Vj , d.h. G ist (k − 1)-färbbar.
(Vorlesung 13, 02.06.2014)
Korollar 3.2. Es sei G ein k-chromatischer Graph (d.h. χ(G) = k). Dann existieren k Knoten
vom Grad mindestens k − 1.
Beweis. Es sei H ein k-kritischer Teilgraph von G. Es gilt |V (H)| ≥ k und δ(H) ≥ k − 1 nach Satz
3.1.
Beobachtung: Ein k-kritischer Graph ist stets zusammenhängend, da χ(G) = maxH ZSH von G χ(H)
für alle Graphen G.
Satz 3.3. Ein k-kritischer Graph ist (k − 1)-Kanten-zusammenhängend.
Beweis. Wir beweisen zuerst den folgenden Hilfssatz:
˙ Sind H[x] und H[y] (induzierte TeilgraHilfssatz: Es sei H = (V, E) ein Graph mit V = X ∪Y.
phen) r-färbbar und ist |{{x, y} ∈ E : x ∈ X, y ∈ Y }| ≤ r − 1, dann gilt χ(H) ≤ r.
Beweis des Hilfssatzes. Seien CX : X → [r] und CY : Y → [r] r-Färbungen von H[X] und H[Y ].
Seien Xi = Cx−1 (i) und Yi = CY−1 (i) für alle i ∈ [r] (Farbklassen). Wir definieren nun einen
bipartiten Hilfsgraphen B mit
V (B) = {Xi , Yi : i ∈ [r]}
E(B) = {{Xi , Yj } : @x ∈ Xi und y ∈ Yj mit {x, y} ∈ E}.
Ziel ist es, jedem Xi ein Yj zuzuordnen, so dass Xi ∪ Yj eine stabile Menge in H ist. Damit wäre
eine r-Färbung von H gegeben. Wir suchen also ein perfektes Matching in B. Benutzen Korollar
8.5 aus GT1 (im Wesentlichen der Satz von Hall für zwei gleichgroße Partitionsklassen):
B hat genau dann ein perfektes Matching, wenn für alle U ⊆ {Xi : i ∈ [r]} gilt
|N (U )| := |
[
N (u)| ≥ |U |.
u∈U
Es sei also U ⊆ {Xi : i ∈ [r]} beliebig vorgegeben. Angenommen |N (U )| < |U |. O.B.d.A. sei
U = {X1 , ..., Xs } und N (U ) ⊆ {Y1 , ..., Ys−1 }. Somit gibt es s(r − s + 1) viele Nicht-Kanten in B
zwischen {X1 , ..., Xs } und {Ys , ..., Yr }. Es gilt:
r≥s
s(r − s + 1) − r = sr − s2 + s − r = r(s − 1) − s(s − 1) ≥ 0,
also gibt es mindestens r viele NIcht-Kanten in B zwischen {X1 , ..., Xs } und {Ys , ..., Yr }. Damit
gilt:
|{{x, y} ∈ E : x ∈ X, y ∈ Y }|
≥
=
|{{x, y} ∈ E : x ∈ Xi , y ∈ Yi , i ∈ [s], s ≤ j ≤ r}|
X
|{{x, y} ∈ E : x ∈ Xi , y ∈ Yj }|
i∈[s], j=s,...,r
≥
r.
Widerspruch zur Annahme.
19
Beweis von Satz 3.3. Es sei nun G ein k-kritischer Graph und F ⊆ E(G), so dass |F | ≤ k − 2.
Angenommen G − F ist unzusammenhängend. O.B.d.A. sei F ein inklusionsminimaler Kanten˙ und F = {{x, y} ∈ E(G) : x ∈ X, y ∈ Y }.
schnitt, d.h. es existieren X und Y mit V (G) = X ∪Y
Es gilt χ(G[X]) ≤ k − 1 und χ(G[Y ]) ≤ k − 1, da G k-kritisch ist. Mit dem Hilfssatz gilt dann für
r = k − 1, dass χ(G) ≤ k − 1. Widerspruch.
Es sei G ein zusammenhängender Graph und X ⊆ V (G). X ist eine (Knoten-) Schnittmenge, falls
G − X unzusammenhängend ist.
Satz 3.4. In kritischen Graphen ist keine Schnittmenge eine Clique. (Andersherum: Kritische
Graphen bleiben zusammenhängend, wenn man Cliquen herausnimmt).
Beweis. Es sei G = (V, E) ein kritischer Graph, sagen wir mit χ(G) = k. Zudem sei X eine
Schnittmenge von G. Angenommen X ist eine Clique in G. Seien V1 , ..., Vr die Knotenmengen der
ZHK von G\X. Da G kritisch ist, gilt χ(G[Vi ∪X] =≤ k−1 für alle i ∈ [r]. Es sei Ci : Vi ∪X → [k−1]
eine (k − 1)-Färbung von G[Vi ∪ X] für i ∈ [r]. Da X eine Clique ist, gilt o.B.d.A.
C1 |X ≡ C2 |X ≡ ... ≡ Cr |X
(Umbennung der Farben, da man für X so viele Farben braucht, wie Knoten in X sind.) Das heißt,
die Ci lassen sich zu einer (k − 1)-Färbung auf G zusammensetzen. Widerspruch!
Schnittmengen der Größe 2 sind also stets stabile Mengen (keine Cliquen). Es sei G ein k-kritischer
Graph mit Schnittmenge {u, v}. Dann gilt u 6= v und {u, v} ∈
/ E(G) nach Satz 3.4.
Es seien V1 , ..., Vr die Knotenmengen der ZHK von G\{u, v}. Die Graphen G[Vi ∪ {u, v}] nennen
wir {u, v}-Komponenten. Eine {u, v}-Komponente H ist vom Typ 1, falls in jeder (k − 1)-Färbung
von H die Knoten u und v dieselbe Farbe erhalten. H ist vom Typ 2, falls u und v in jeder
(k − 1)-Färbung von H verschiedene Farben bekommen.
Satz 3.5. Es sei G = (V, E) ein k-kritischer Graph mit Schnittmenge {u, v}.
(a)
G hat genau zwei {u, v}-Komponenten G1 und G2 . Dabei ist G1 vom Typ 1, G2 vom
Typ 2.
(b)
Beide Graphen G1 + {u, v} und G2 /{u, v} (Kontraktion) sind wieder k-kritisch. {u, v}
ist hier als eine Kante aufzufassen.
(Vorlesung 14, 05.06.2014)
Beweis. Zu (a): Da G k-kritisch ist, ist jede {u, v}-Komponente von G (k − 1)-färbbar. Gibt es
keine {u, v}-Komponente vom Typ 1, so haben alle {u, v}-Komponenten eine (k−1)-Färbung, wobei
o.B.d.A. u Farbe 1 und v die Farbe 2 zugeordnet wird. Somit ist G (k − 1)-färbbar, Widerspruch.
Es sei also G1 eine {u, v}-Komponente vom Typ 1. Analog erhält man die Existenz einer {u, v}Komponente G2 vom Typ 2.
Wäre G1 (k − 2)-färbbar, so gäbe es eine (k − 1)-Färbung, welche u und v verschiedene Farben
zuweist, Widerspruch. Das heißt χ(G1 ) = k − 1. Analog ist χ(G2 ) = k − 1.
Somit gilt χ(G1 ∪ G2 ) = k, da eine (k − 1)-Färbung von G1 ∪ G2 eine (gleiche) (k − 1)-Färbung
auf G1 und G2 ergeben würde, diese kann aber auf {u, v} nicht existieren, da G1 vom Typ 1 und
G2 vom Typ 2 ist. Daher gilt G = G1 ∪ G2 , denn G ist k-kritisch.
Zu (b): Es sei H1 := G1 + {u, v}. Da G1 vom Typ 1 ist, gilt χ(H1 ) ≥ k. Da χ(G1 ) = k − 1, gilt auch
χ(H1 ) ≤ k, also χ(H1 ) = k. Es bleibt zu zeigen, dass für alle e ∈ E(H1 ) gilt χ(H1 − e) ≤ k − 1.
Ist e = {u, v}, dann ist H1 − e = G1 , also gilt χ(H1 − e) ≤ k − 1. Es sei also e 6= {u, v}, d.h.
e ∈ E(G1 ). Jeder (k − 1)-Färbung von G\e weist u und v verschiedene Farben zu, da G2 ⊆ G\e
20
und G2 vom Typ 2 ist. Somit ist jede (k − 1)-Färbung von G − e auch eine von (G − e) + {u, v}.
Da H1 − e ⊆ (G − e) + {u, v} gilt aber
χ(H1 − e) ≤ χ((G − e) + {u, v}) ≤ k − 1.
Analog zeigt man, dass G2 /{u, v} k-kritisch ist. (Übungsaufgabe)
Der Grad eines Knoten v eines Graphen G ist definiert als Anzahl der Nachbarn von v in G,
dG (v) = |NG (v)|.
Korollar 3.6. Sei G ein k-kritischer Graph mit Schnittmenge {u, v}. Dann gilt
d(u) + d(v) ≥ 3k − 5.
Beweis. Nach Satz 3.5 existiert Gi , welches eine {u, v}-Komponente vom Typ i ist, für i = 1, 2.
Es sei H1 = G1 + {u, v} und H2 = G2 /{u, v}. Nach Satz 3.5 sind H1 und H2 k-kritisch. Nach
Satz 3.1 ist δ(H1 ), δ(H2 ) ≥ k − 1. Folglich erhält man dH1 (u) + dH2 (v) ≥ 2k − 2 und dH2 (u =
v) ≥ k − 1. Daher gilt dG1 (u) + dG1 (v) ≥ 2k − 4 (wenn man die Nachbarn u bzw. v abzieht) und
dG2 (u) + dG2 (v) ≥ k − 1. Da E(G1 ) ∩ E(G2 ) = ∅, gilt
dG (u) + dG (v) = dG1 (u) + dG2 (u) + dG1 (v) + dG2 (u) ≥ 3k − 5.
3.2
Hadwiger-Vermutung
Vermutung 3.7. (Hadwiger 1943) Ist G ein Graph mit χ(G) ≥ r, dann erhält G einen Kr als
Minor.
Äquivalent dazu: In Bezug auf die Minorenrelation ist Kr der eindeutige minimale Graph mit
χ ≥ r.
Satz 3.8. Die Vermutung gilt für alle r ≤ 4.
Beweis. Per Fallunterscheidung:
Fall r ≤ 2: Trivial.
Fall r = 3 : Ist χ(G) ≥ 3, so enthält G einen (ungeraden) Kreis, da G nicht bipartit ist. Jeder
Kreis lässt sich zu K3 kontrahieren (kontrahiere Kante für Kante).
Fall r = 4 : Wir eigen folgende stärkere Aussage: G enthält einen K4 als topologischen
Minor, d.h. der K4 geht aus G hervor durch Löschen von Knoten und/oder Kanten und/oder
Unterdrücken von Knoten vom Grad 2. Unterdrücken meint einfach, den Knoten weglassen
und stattdessen dessen beide Nachbarn verbinden. O.B.d.A. ist G 4-kritisch. Insbesondere ist
δ(G) ≥ 3 nach Satz 3.1 Nach Satz 3.4 hat G keinen Schnittknoten, also keine Schnittmenge
der Kardinalität 1, somit ist G 2-zusammenhängend. Rest des Beweises über Induktion nach
∼ K4 . Damit gilt die Behauptung.
n := |V (G)|. Wegen χ(G) = 4 gilt n ≥ 4. Ist n = 4, gilt G =
Es sei also n ≥ 5.
– Fall 1: G hat Schnittmenge {u, v}. Dann hat G eine {u, v}-Komponente G1 vom Typ 1
nach Satz 3.5 Da |V (G1 +{u, v})| < n und G1 +{u, v} 4-kritisch ist, gilt die Behauptung
für G1 + {u, v}. Es sei P ein Weg von u nach v in der Typ-2-{u, v}-Komponente G2 von
G. Dann hat G1 + P ⊆ G einen K4 als topologischen Minor.
21
– Fall 2: G ist 3-zusammenhängend. Da δ(G) ≥ 3, existiert ein Kreis C der Länge mindestens 4. Es seien u, v ∈ V (C) zwei auf C nichtbenachbarte, verschiedene Knoten.
Da G 3-zusammenhängend ist, ist G\{u, v} zusammenhängend. Es sei P ein kürzester Weg zwischen den beiden Komponenten von C − {u, v} in G\{u, v}. O.B.d.A. ist
V (P ) ∩ V (C) = {x, y}. Es gilt {u, v} ∩ {x, y} = ∅, also liegen x und y nicht direkt
nebeneinander auf C. Es sei Q ein kürzester Weg zwischen den beiden Komponennten
von C\{x, y} in G\{x, y}. Ist V (P ) ∩ V (Q) = ∅, ist C + P + Q zu K4 kontrahierbar
(im Sinne von topologischen Minoren). Anderenfalls sei w ∈ V (P ) ∩ V (Q) der erste
Knoten auf P von x aus gewählt, der auch auf Q liegt. es sei P 0 d as Stück von P von
x bis w. Hierbei ist sicher w kein Endknoten von Q. Somit gilt, dass C + Q + P 0 zu K4
kontrahierbar ist (im Sinne von topologischen Minoren).
(Vorlesung 15, 16.06.2014)
(hier geschieht eine falsche Nummerierung, daher erhält folgende Bemerkung keine Zahl)
Bemerkung. Der Fall r = 5 der Hadwiger-Vermutung impliziert den Vierfarbensatz.
Beweis. Planare Graphen enthalten K5 nicht als Minor.
Der Fall r ≤ 6 gilt nach einem Satz von Robertson & Seymour (1993). Der Beweis benutzt den
Vierfarbensatz. Die Vermutung ist offen für alle r ≥ 7.
Vermutung 3.9. (Ursprüngliche Vermutung!) Jeder Graph G mit χ(G) ≥ r enthält K5 als topologischen Minor. Vermutung 3.7 gilt nach dem Beweis von Satz 3.8 für r ≤ 4. Die Fälle r ∈ {5, 6}
sind offen. Die Vermutung ist falsch für alle r ≥ 7.
3.3
Färbungen von Graphen und Flächen
Eine Fläche ist ein topologischer Raum (d.h. es gibt eine Definition einer offenen Menge), der lokal
homöomorph zu R2 ist. Eine Fläche ist geschlossen, wenn sie kompakt ist (endlich viele offene
Mengen reichen, um die Fläche zu überdecken).
Als Beispiele werden nun genannt und gezeichnet die Sphäre S 2 , der Torus T 2 (muss noch in Erfahrung bringen, was das ist) und die reelle projektive Ebene RP 2 . Außerdem wird eine verbundene
Summe ⊕ von zwei Flächen gezeichnet (man schaue bei Wikipedia).
Geschlossene Flächen lassen sich bis auf Homöomorphie charakterisieren:
Satz 3.10. (Klassifikationssatz für geschlossene Flächen) Jede geschlossene Fläche ist homöomorph
zu
S2
der verbundenen Summe von Tori (T 2 ), oder
der verbundenen Summe von projektiven Ebenen ( RP 2 ).
Ab jetzt ist jede Fläche geschlossen.
Eine Triangulierung einer Fläche ist ein eingebetteter Graph, bei dem jedes Gebiet ein Dreieck ist.
Die Euler-Charakteristik einer Fläche, χ, entspricht
χ = |V (G)| − |E(G)| + f,
wobei G eine beliebige Triangulierung der Fläche ist und f die Anzahl der Gebiete. Nach dem Satz
von Euler-Poincaré ist χ wohldefiniert, d.h. χ hängt nicht von G ab.
22
Für jeden auf einer Fläche mit Euler-Charakteristik χ eingebetteten Graphen G gilt
|E(G)| ≤ 3|V (G)| − 3χ.
Gleichheit gilt genau dann, wenn G eine Triangulierung ist. Es gilt (bei jeweils k Summanden)
χ(S 2 ) = 2
χ(T 2 ⊕ ... ⊕ T 2 ) = 2 · (1 − k)
χ(RP 2 ⊕ ... ⊕ RP 2 ) = 2 − k.
Satz 3.11. Es sei F eine geschlossene Fläche mit Euler-Charakteristik χ ≤ 0 (also nach dem
Klassifikationssatz alle Flächen, die nicht zu S 2 oder zu RP 2 homöomorph sind). Jeder auf F
einbettbare Graph ist h(χ)-färbbar mit
h(χ) :=
7+
√
49 − 24χ
.
2
Beweis. Es sei G ein auf F einbettbarer Graph mit chromatischer Zahl k. O.B.d.A. sei G k-kritisch,
das heißt δ(G) ≥ k − 1 nach Satz 3.1.
Angenommen k ≥ h + 1. Somist ist n := |V (G)| ≥ h + 1. Es gilt
|E(G)| ≤ 3n − 3χ.
Somit
δ(G) ≤
6n − 6χ
6χ χ≤0
6χ
2|E(G)|
≤
=6−
≤ 6−
.
n
n
n
h+1
Also
h ≤ δ(G) ≤ 6 −
Somit
5
h≤ +
2
r
6χ
, bzw. h2 − 5h + 6(χ − 1) ≤ 0.
h+1
p
1
25
− 6(χ − 1) = (5 + 49 − 24χ)
4
2
zur Definition von h.
Bemerkung. Satz 3.11 gilt auch für χ = 1.
Sei nun F eine Fläche. Die chromatische Zahl von F ist gleich dem maximum der chromatischen
Zahlen der Graphen, die auf F einbettbar sind.
Satz 3.12. Es sei F eine Fläche mit χ ≤ 0 und χ ∈
/ {−1, −2, −7}. Dann gilt:
Wenn es einen h-kritischen Graphen G gibt, dann ist G ∼
= Kh . (D.h. ob die chromatische Zahl von
F gleich h ist, hängt nur von der Einbettbarkeit von Kh ab).
Beweis. Es sei G ein solcher h-kritischer Graph. Angenommen G Kh . Dann gilt
n := |V (G)| ≥ h + 2 (Übungsblatt).
Sei zunächst n ≥ h + 3. Wegen χ ≤ 0 gilt
h=
7+
√
49 − 24χ
≥ 7.
2
Somit ist δ(G) ≥ h − 1 ≥ 6. Nach dem Satz von Brooks ist G nicht (h − 1)-regulär, da sonst
23
∆(G) = h − 1 eine obere Schranke für die chromatische Zahl von G, also h, ist. Deswegen ist
X
dG (v) ≥ n · (h − 1) + 1.
v∈V (G)
(Vorlesung 16, 23.06.2014)
Demnach hat man
n(h − 1) + 1 ≤ 2|E(G)| ≤ 6(n − χ).
Somit
(h + 3)(h − 1) + 1 ≤ 6 · (h + 3 − χ),
also
h≤2+
Aber
2+
p
24 − 6χ < h =
7+
√
p
24 − 6χ.
49 − 24χ
2
nach Wahl von χ.
∼ C5 ⊕ Kh−3 (join) nach Übungsblatt 10. Somit ist
Nun noch der Fall n = h + 2 : Dann ist G =
h+2
h+2
|E(G)| = 2 − 5. Aber 2 − 5 > 3(h + 2 − χ)
.
Bemerkung. Satz 3.12 gilt auch für χ ∈ {−1, −2, −7}.
Satz 3.13. Die chromatischen Zahlen von T 2 , RP 2 und RP 2 ⊕ RP 2 ( Kleinsche Flasche) sind 7,
6 und 6.
Die Kleinsche Flasche ist nicht in den R3 einbettbar und es gibt kein „Außen“ und „Innen“. Auch
das Möbiusband hat kein Außen und Innen.
Beweis. Es gilt χ(T 2 ) = χ(RP 2 ⊕RP 2 ) = 0 und χ(RP 2 ) = 1. Jeder Graph auf T 2 oder RP 2 ⊕RP 2
ist (h(0) = 7)-färbbar nach Satz 3.11. Jeder Graph auf RP 2 ist (h(1) = 6)-färbbar.
RP 2 :
Da K6 in RP 2 einbettbar ist, ist die chromatische Zahl von RP 2 gleich 6.
T 2:
K7 trianguliert T 2 .
RP 2 ⊕ RP 2 : Da K6 auf RP 2 einbettbar ist, ist er auch auf RP 2 ⊕ RP 2 einbettbar. Somit ist die
chromatische Zahl, sagen wir s, von RP 2 ⊕RP 2 gleich 6 oder 7. Nach Satz 3.12 ist s = 7
genau dann, wenn K7 einbettbar ist. Angenommen K7 wäre in RP 2 ⊕ RP 2 einbettbar.
Dann gilt wegen
|E(K7 )| = 21 = 3n − 3χ
für n = 7, dass K7 die Kleinsche Flasche trianguliert. Diese Triangulierung ist (bis auf
Symmetrie) eindeutig. Nun folgt ein Beweis durch Bild, das wir hier nun nicht sehen.
Wir erhalten, dass die eindeutige Triangulierung bereits die eindeutige Triangulierung
von T 2 ist, nicht von RP 2 ⊕ RP 2 . Das steht im Widerspruch.
Bemerkung. Mit Ausnahme der Kleinschen Flasche gilt für jede Fläche F mit χ(F ) ≤ 0, dass die
chromatische Zahl gleich h(χ(F )) ist.
24
3.4
Listenfärbungen
Gegeben sind N Ereignisse {1, ..., N }. Für jedes i ∈ {1, ..., N } gibt es eine Liste L(i) von möglichen
Terminen, an denen i stattfinden kann. manche Ereignisse stehen im Konflikt miteinander, d.h.
sie können nciht am selben Termin stattfinden. Gesucht ist eine Zuordnung der Ereignisse zu den
Terminen ohne Konflikte. Dies ist ein Knotenfärbungsproblem auf dem Konfliktgraphen
({1, ..., N }, {{i, j} : i, j ∈ {1, ..., N }, i 6= j, i und j stehen im Konflikt miteinander) .
Der Fall L(1) = ... = L(N ) ist nicht unbedingt der schlimmste Fall.
Formal: Gegeben G = (V, E) und Listen {L(v) : v ∈ V }. Eine Listenfärbung ist eine Abbildung
c : V → ∪v∈V L(v) mit
c(v) ∈ L(v) ∀v ∈ V
c(u) 6= c(v) ∀{u, v} ∈ E.
Die Listenfärbungszahl χL (G) ist das kleinste k ∈ N, so dass G für jedes Listensystem {L(v) :
v ∈ V } mit |L(v)| ≥ k für alle v ∈ V eine Listenfärbung besitzt. G heißt k-listenfärbbar, falls
χL (G) ≤ k. Es gilt χL (G) ≥ χ(G).
Bemerkung 3.14. Für jedes k ∈ N existiert ein bipartiter Graph G mit χL (G) > k.
Beweis. Seien U = {u1 , ..., u2k−1 } und W = {w1 , ..., w2k−1 }. Es sei U 0 die Menge der k-elementigen
Teilmengen von U und W 0 die Menge der k-elementigen Teilmengen von W. Sei G der vollständige
bipartite Graph auf U 0 und W 0 . Für jedes {ui1 , ..., uik } ∈ U 0 , bzw. {wj1 , ..., wjk } ∈ W 0 , sei
L({ui1 , ..., uik })
:= {i1 , ..., ik }
L({wj1 , ..., wjk })
:= {j1 , ..., jk }.
Angenommen, es existiert eine Listenfärbung c von G. Dann gilt
im (c) ⊆ {1, ..., 2k − 1}.
Da G vollständig bipartit ist, gilt
im (c)|U 0 ∩ im (c)|W 0 = ∅.
O.B.d.A.
|im (c)|U 0 | < k,
da |im (c)| < 2k. Somit ist
|{1, ..., 2k − 1}\im (c)|U 0 | ≥ k.
O.B.d.A.
{1, ..., 2k − 1}\im (c)|U 0 ⊇ {1, ..., k}.
Dann ist aber {u1 , ..., uk } ∈ U 0 ungefärbt. Widerspruch.
Tatsächlichst wächst die listenchromatische Zahl mit dem Durchschnittsgrad. Ein Graph G hat
Durchschnittsgrad
¯
d(G)
=
P
dG (v)
.
|V (G)|
v∈V
25
Satz 3.15. Es sei G ein Graph und s ∈ N, so dass
4 4 s
s
¯
d(G) ≥ 4
ln 2
.
s
s
Dann ist χL (G) > s. (D.h. χL (G) ∈ Ω
¯
log d(G)
¯
log log d(G)
¯
, also χL (G) ≥ c logloglogd(G)
für feste Konstante
¯
d(G)
c.
Beweis. Seien G, s so wie im Satz. Zunächst zeigen wir, dass G einen bipartiten Teilgraphen B hat
¯
¯
¯ − v) ≥ d(G).
¯
mit Minimialgrad δ(B) ≥ d(G) . Es sei v ∈ V (G) mit dG (v) < d(G) . Dann ist d(G
4
2
¯ neu ) entsteht ein Teilgraph H von G mit
Durch iteratives Löschen von Knoten vom Grad < d(G
¯
d(G)
2 . Es sei (V1 , V2 ) eine unfreundliche Partition von H. somit
¯
Vi mindestens d(G)
4 viele Nachbarn in V3−i für i = 1, 2. es sei B der bipartite
Minimalgrad δ(H) ≥
hat jeder
Knoten aus
Teilgraph
von H auf V1 und V2 . Es seien U und V die beiden Partitionsklassen von B, wobei |U | ≥ |V |. Die
Menge der Farben, aus denen unsere Listen stammen sei S = {1, ..., s4 }. Wollen Listen L(v) für
alle v ∈ U ∪ V mit jeweils |L(v)| = s. Es soll keine Listenfärbung bzgl. dieser Listen geben. Für
jedes v ∈ V sei L(v) eine zufällig gewählte s-elementige Teilmenge von S. „Zufällig gewählt“ heißt
gleichverteilt und unabhängig. Einen Knoten u ∈ U nennen wir gut, falls es für jede s-elementige
Teilmenge C von S einen Nachbarn v ∈ NB (u) mit L(v) = C gibt. Die Wahrscheinlichkeit, dass
ein gegebener Knoten u ∈ U nicht gut ist, liegt bei
4
4 −1 !|NB (u)|
s
s
P(u nicht gut) =
1−
,
s
s
da es
s4
s
-viele Wahlmöglichkeiten für Listen gibt, die nicht in der Nachbarschaft von u vorkommen.
Wegen |NB (u)| ≥
¯
d(G)
4
gilt
4
4 −1 ! d̄(G)
4
s
s
P(u nicht gut) ≤
1−
s
s
Standardtrick: 1−x≤e−x für alle x∈[0,1]
Also ist E(# gute Knoten) ≥
4
4
4
4 −1 !(ss ) ln(2(ss )
s
s
<
1−
s
s
4
−1
s4
s4
s4
s
≤
e−( s ) ( s ) ln(2( s )
s
4
s
1
1
=
= .
s 2 s4
2
s
|U |
2 .
Somit gibt es eine Auswahl von Listen L(v), v ∈ V, für die mindestens
|U |
2
viele Knoten aus U gut
sind. Wir fixieren diese Listen. Nun wählen wir zufällig s-elementige Listen L(u), u ∈ U aus S. Wir
S
zeigen: Mit Wahrscheinlichkeit > 0 gibt es keine Listenfärbung. Es sei dazu c : V → v∈V L(v)
mit c(v) ∈ L(v) für alle v ∈ V. Es gibt genau s|V | viele verschiedene solche c.
Wir berechnen nun die Wahrscheinlichkeit, mit der sich so ein c zu einer Listenfärbung von B
fortsetzen lässt. Es sei u ∈ U gut, d.h. jede s-elementige Teilmenge von S kommt als Liste L(v)
für ein v ∈ NB (u) vor. Es gilt
|S\im c|NB (u) | ≤ s − 1.
Demnach ist |im c|NB (u) | ≥ s4 − (s − 1) = s4 − s + 1.
O.B.d.A. ist im c|NB (u) ⊇ {s, s+1, ..., s4 }, das heißt c lässt sich nur dann zu einer Listenfärbung von
B erweitern, wen L(u) ∩ {1, ..., s − 1} 6= ∅. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist höchstens s s−1
s4 <
26
1
s2 .
Für jeden Knoten ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Ereignis eintritt, unabhängig. Somit ist
die Wahrscheinlichkeit, dass sich c zu einer Listenfärbung von B fortsetzen lässt, höchstens
1
s2
# guter Knoten
≤
1
s2
|U2 |
≤
1
s|V |
sogar echt kleiner.
Insgesamt gilt: Die Wahrscheinlichkeit, dass eine zufällige Wahl dieser Listen L(u), u ∈ U, mindes1
tens eine Listenfärbung zulässt, ist echt kleiner als s|V | s|V
| = 1. Das heißt mit Wahrscheinlichkeit
> 0 gibt es kenie Listenfärbung von B.
Satz 3.16. Jeder planare Graph ist 5-listenfärbbar.
Wir zeigen folgende stärkere Aussage: Ein planare Graph G mit gegebener Einbettung heißt fasttrianguliert, wenn die Außenregion von G ein Kreis ist und jede Innenregion ein Dreieck ist. (Da
wieder die durchgängige Zählung etwas durcheinander gekommen ist in der Vorlesung, hat das
Lemma keine Nummer)
Lemma. Es sei G ein planarer Graph, der fast-trianguliert ist. Der äußere Kreis von G sei
C = {x1 , ..., xk }. Für jedes x ∈ V (G) sei eine Liste L(x) von Farben vorgegeben mit L(x1 ) =
{1}, L(x2 ) = {2}, |L(xi )| ≥ 3 für alle i ∈ {3, ..., k}, und |L(x)| ≥ 5 für alle x ∈ V (G)\V (C). Dann
hat G eine Listenfärbung.
(Vorlesung 17, 07.07.2014)
Beweis. Per Induktion über |V (G)|. Im Fall |V (G)| = 3 ist G ∼
= K3 , und daher gilt die Behauptung.
Es sei also |V (G)| ≥ 4.
Fall 1: Es gibt eine Kante {xk , xj } ∈ E(G) mit 2 ≤ j ≤ k − 2. Die Kante teilt den Graphen in zwei
Teile. Wir wenden Induktion auf den Kreis (x1 , x2 , ..., xj , xk ) und den zugehörigen inneren Teil an.
Nach Umnummerierung der Farben ist xk mit Farbe 1 und xj mit Farbe 2 gefärbt. Somit können
wir diese Listenfärbung nach Induktion auf dem Kreis (xk , xj , ..., xk−1 ) und sein Inneres zu einer
Listenfärbung von G fortsetzen.
Fall 2: Es existiert kenie solche Kante. Die Nachbarn von xk seien x1 , y1 , ..., yl , xk−1 in dieser
Reihenfolge. Wegen |L(xk )| ≥ 3 existieren a, b ∈ L(xk ) mit a 6= 1 6= b und a 6= b. Wir setzen
L0 (x) = L(x) für alle x ∈
/ {y1 , ..., yl } und L0 (yi ) = L(yi )\{a, b} für alle 1 ≤ i ≤ l. Nach Induktion
hat G − xk eine Listenfärbung c bzgl. den Listen L0 (x), x ∈ V (G)\{xk }. Ist c(xk−1 ) = a, setzen
wir c(xk ) = b, sonst c(xK ) = a. Somit ist c eine Listenfärbung von G.
Es gibt planare Graphen G mit χ(G) = 3, aber χL (G) = 5 (dazu kann man ein Beispiel konstruieren, s. Bild in der Vorlesung). Somit ist Satz 3.16 bestmöglich. Insbesondere ist die listenchromatische Zahl der Sphäre gleich 5. Für alle anderen geschlossenen Flächen ist die listenchromatische
Zahl gleich der chromatischen Zahl.
Ist jede Kante e eines Graphen G mit einer Liste L(e) ausgestattet, können wir den Begriff Listenkantenfärbung definieren. er χL entsprechende Listenkantenfärbungsparameter ist χ0L (G), der
listenchromatische Index.
Vermutung 3.17. Für jeden Graphen G ist χ0L (G) = χ0 (G).
Ein Anwendungsbeispiel ist die Turnierplanung: Sind N Mannschaften gegeben, die paarweise
jeder gegen jeden spielen sollen, so entspricht die minimale Anzahl an benötigten Spieltagen dem
chromatischen Index χ0 (KN ). Vermutung 3.17 sagt: Wenn jede Partie nur an χ0 (Kn ) Spieltagen
stattfinden kann, gibt es immer noch eine Lösung.
Problem: Für gerades N ist die Vermutung χ0L (KN ) = χ0 (KN ) offen.
27
Satz 3.18. Für jeden bipartiten Graphen G gilt χ0L (G) = χ0 (G). Insbesondere ist χ0L (G) = ∆(G)
(Maximalgrad).
Unser Beweis benötigt den Begriff des Kerns (engl. kernel ) eines gerichteten Graphen. Es sei
D = (V, A) ein gerichteter Graph. Ein Kern von D ist eine Teilmenge U ⊆ V mit
U ist eine stabile Menge im zugrundeliegenden ungerichteten Graphen von D.
Für alle v ∈ V \U existiert ein u ∈ U mit (v, u) ∈ A.
Nicht jeder gerichtete Graph hat einen Kern und das entsprechende Entscheidungsproblem ist
NP-vollständig.
Ein gerichteter Graph heißt Kern-per 3.5fekt, falls jeder induzierte Teilgraph einen Kern hat.
Lemma 3.19. Es sei G ein Graph mit nichtleeren Listen L(v), v ∈ V (G). Hat G eine Kernperfekte Orientierung D mit d+
D (v) < |L(v)| für alle v ∈ V, dann existiert eine Listenfärbung von
G.
(Vorlesung 18, 10.07.2014)
Beweis. Induktion über |V (G)| : Ist |V (G)| = 0, gibt es nichts zu zeigen. Es sei also |V (G)| ≥ 1.
Es sei a eine Farbe, die in mindestens einer Liste vorkommt. es sei D0 der induzierte Teilgraph von
D auf den Knoten, die a in ihrer Liste haben. Es sei U ein Kern von D0 . Wir streichen die Farbe a
aus allen Listen der Knoten aus V (D0 )\U. Da jeder Knoten aus D0 \U einen Nachfolger in U hat,
+
0
gilt d+
D−U (v) < dD (v) für alle v ∈ V (D )\U. Somit erfüllt G\U die Induktionsvoraussetzung. Es
gibt also eine Listenfärbung c von G\U mit a ∈
/ im c. Somit lässt sich c zu einer Listenfärbung von
G fortsetzen durch c|U ≡ a.
Nun zum Beweis von Satz 3.18:
Beweis. Es seien X und Y die beiden Partitionsklassen von G. Es sei χ0 (G) = k und c : E(G) →
{1, ..., k} eine Kantenfärbung von G. Klarerweise ist χ0L (G) ≥ χ0 (G). Wir müssen also zeigen,
dass χ0L (G) ≤ k. Es sei H der Kantengraph von G, d.h. V (H) = E(G) und E(H) = {{e, f } :
e, f ∈ E(G), e 6= f, e ∩ f 6= ∅}. Kantenfärbungen von G sind Knotenfärbungen von H und
umgekehrt. Also bleibt zu zeigen, dass χL (H) ≤ k. Nach Lemma 3.19 brauchen wir eine Kernperfekte Orientierung von H, sagen wir D, mit d+
D (e) < k für alle e ∈ V (H). Es seien e, f ∈ V (H)
mit {e, f } ∈ E(H). Ist e ∩ f ∩ X 6= ∅, dann richte {e, f } zu (f, e) falls c(e) < c(f ) und sonst
andersherum. Ist e ∩ f ∩ Y 6= ∅, dann richte {e, f } zu (e, f ), falls c(e) < c(f ) und sonst andersrum.
Wir müssen zeigen:
1. d+
D (e) < k
für alle e ∈ V (H).
2. D ist Kern-perfekt.
+
Zu 1.) Es sei e ∈ V (H) beliebig mit c(e) = i. Es sei f ∈ ND
(e). Ist e ∩ f ∩ X 6= ∅, dann gilt
c(f ) < c(e) nach Konstruktion. Also gilt c(f ) ∈ {1, ..., i − 1}. Somit existieren höchstens i − 1 viele
solche f. Analog gilt c(f ) > c(e), falls e ∩ f ∩ Y 6= ∅. Das heißt c(f ) ∈ {i + 1, ..., k}. Somit gibt es
höchstens k − i viele solche f. Es gilt also
+
d+
D (e) = |ND (e)| ≤ i − 1 + k − i = k − 1 < k.
Zu 2.) Ein Kern von D hat folgende Eigenschaften:
U ist eine stabile Menge von H, also ein Matching in G.
28
+
Jeder Knoten e ∈ V (D)\U hat einen Nachfolger f ∈ ND
(e) ∩ U.
Letzteres heißt, dass {e, f } ∈ E(H) und (e, f ) ∈ E(D). Wir sagen, ein Knoten x ∈ V (G) präferiert
die Kante f gegenüber der Kante e, e ∩ f 3 x, falls (e, f ) ∈ E(D).
Damit hat jeder Knoten von G eine lineare Ordnung auf seinen inzidenten Kanten: „Präferenzordnung“. Ein Kern in D ist also ein Matching in G mit folgender Eigenschaft: Jede Nicht-MatchingKante e hat eine inzidente Matchingkante f , so dass der gemeinsame Knoten f gegenüber e präferiert. Solch ein Matching nennt man stabil. Jeder bipartite Graph hat ein stabiles Matching nach
dem Satz von Gale & Shapley. Selbiger gilt für jeden induzierten Teilgraphen von G bzw. D, das
heißt D ist Kern-perfekt.
Satz 3.20. (Gale &Shapley, 1962) Es sei G ein bipartiter Graph mit einer Präferenzliste in jedem
Knoten. Dann existiert ein stabiles Matching.
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