Sparen – nach deutschem Vorbild ? Klemens Himpele, Alexander Recht Der Ausbruch der Weltwirtschaftskrise hat kurzfristig zu einer Renaissance des ­Staates zur Stützung der Konjunktur und zur Rettung der Banken geführt. In der Folge hat sich der Schuldenstand der Nationalstaaten teils erheblich vergrößert, so dass sich zunehmend die Frage nach der Tragfähigkeit von Staatsverschuldung stellt. Die Debatte wird dominiert von der Forderung nach Rückführung der Staatsverschuldung : Obwohl die gestiegenen Staatsschulden nicht Auslöser, sondern Folge der Krise sind, ist aus der Weltwirtschaftskrise in der medialen Wahrnehmung eine Staatsschuldenkrise geworden. Unter deutscher Federführung soll europaweit eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild etabliert werden. In Österreich wurde die Schuldenbremse im Dezember 2011 mit einfacher Mehrheit ins Bundeshaushaltsgesetz aufgenommen, für die angestrebte verfassungsmäßige Verankerung fehlt im Parlament jedoch die Mehrheit. Die Vorgabe ist klar: Es soll überwiegend ausgabenseitig ein strukturelles Nulldefizit zementiert werden. Die Einnahmen werden im Vorfeld durch die Steuerpolitik festgelegt und die Ausgaben dann über die Schuldenbremse begrenzt. Insbesondere bei Einbeziehung der Bundesländer – die kaum eigenständige Einnahmeerhöhungsmöglichkeiten haben – wird das Problem der Ausgaben­ fixierung deutlich (Eicker-Wolf und Himpele 2011). Hierzu stellen sich mehrere Fragen. Welche ökonomischen Effekte folgen aus öffentlichem Sparen ? Worin besteht das Problem öffentlicher Verschuldung ? Ist die Schuldenbremse überhaupt ein geeignetes Instrument ? Welche Folgen ergäben sich aus einer europaweiten Einführung der Schuldenbremse ? Zur Wirkung öffentlicher Ausgabenpolitik Angela Merkels Aussage »Wir sparen für die Zukunft«1 verdeutlicht einen Kern neoklassischer Argumentation: Der Staat soll sparen, damit es uns morgen gut gehe. Insbesondere die Staaten im Süden Europas sollen ihre Sparanstrengungen verstärken. Progressive Politik dagegen befürwortet eine Steigerung bestimmter öffentlicher Ausgaben. Zum einen besteht so – trotz berechtigter Skepsis gegenüber dem bürgerlichen Staat – wenigstens die Möglichkeit demokratischer Einflussnahme. Zum anderen sind mit öffentlichen Ausgaben auch wünschenswerte gesamtwirtschaftliche Wirkungen verbunden (Recht und Werner 2010). Die Staatsausgaben können über Steuern oder Staatsverschuldung finanziert werden. Konservative Kreise unterfüttern ihre Ablehnung öffentlicher Ausgaben mit der These, dass nur eine Neuverteilung von Nachfrage erfolge : Die private Nachfrage sinke, die öffentliche steige, das Einkommen bleibe gleich. Diese These ist falsch. Dabei hängt die Stärke der Wirkung von Staatsverschuldung auch von der Art der Finanzierung ab. Werden die zusätzlichen Staatsausgaben vollständig durch zusätzliche Steuereinnahmen finanziert, gilt bei vom BIP linear abhängiger Konsum-, Spar- und Konsumquote : Kurswechsel 1 / 2012 : 47–59 www.kurswechsel.at schuldung finanziert werden. dass nur eine Neuverteilung von Nachfrage erfolge: Die private Nachfrage sinke, die öfKonservative Kreise unterfüttern ihre Ablehnung öffentlicher Ausgaben mit der These, fentliche steige, das Einkommen bleibe gleich. Diese These ist falsch. Dabei hängt die dass nur eine Neuverteilung von Nachfrage erfolge: Die private Nachfrage sinke, die öfStärke der Wirkung Staatsverschuldung auchgleich. von der Art der ist Finanzierung Werfentlichevon steige, das Einkommen bleibe Diese These falsch. Dabeiab. hängt die den die zusätzlichen vollständig durch zusätzliche Steuereinnahmen 48 Himpele, A. Recht : Sparen – nach deutschem Vorbild Stärke der Staatsausgaben Wirkung von K. Staatsverschuldung auch von der Art der Finanzierung ab.?Werzusätzlichen vollständig durch zusätzliche Steuereinnahmen finanziert, giltden beidie vom BIP linearStaatsausgaben abhängiger Konsum-, Sparund Konsumquote: ΔY � � ��� finanziert, gilt bei vom BIP linear abhängiger Konsum-, Spar- und Konsumquote: · ΔG ΔY � � ��� · ΔG Die Veränderung des entspricht der der (die der Die Veränderung des entspricht BIP (ΔY) entspricht der Veränderung der Staatsausgaben(die (die der Die Veränderung des BIP BIP (ΔY) (ΔY) derVeränderung Veränderung derStaatsausgaben Staatsausgaben � � s ist die SparSteuererhöhung entspricht), multipliziert mit dem Multiplikator � �. �. s ist Steuererhöhung entspricht), multipliziert dem Multiplikator � der Steuererhöhung entspricht), multipliziert mitmit dem Multiplikator ist die dieSpar��� ��� quote, m diemImportquote. Bei einer von null beträgt der Multiplikator eins. quote, m die Importquote. Bei einerImportquote Importquote von nullnull beträgt der Multiplikator eins. Sparquote, die Importquote. BeiImportquote einer von beträgt der Multisteuerfinanzierte Staatsausgabenerhöhung führtzu also zu einem Anstieg von ProdukJede steuerfinanzierte Staatsausgabenerhöhung führt also einem Anstieg von Produkplikator eins.Jede Jede steuerfinanzierte Staatsausgabenerhöhung führt also zu einem tion und Einkommen um Wert der gestiegenen Staatsausgaben (Haavelmotion und Wertdender (HaavelmoAnstieg vonEinkommen Produktion um und den Einkommen umgestiegenen den Wert derStaatsausgaben gestiegenen Staatsausga- ben (Haavelmo-Theorem). Die Besteuerung reduziert die effektive Nachfrage nur in Höhe des Produkts aus Steuern und Konsumquote, während die steuerfinanzierten Staatsausgaben zu 100 % nachfragewirksam werden. Bei Außenhandel ist die Importquote größer null, was zu einem kleineren Multiplikator führt, der aber größer null bleibt. Zwar versickert ein Teil der zusätzlichen Nachfrage im Ausland bei den HerTheorem). Besteuerung reduziert die effektive Nachfrage nurder in Höhe des Produkts stellern derDie Importgüter, aber eine steuerfinanzierte Erhöhung Staatsausgaben aus Steuern und Konsumquote, während die steuerfinanzierten Staatsausgaben zu führt gleichwohl noch zur Steigerung von Produktion und Einkommen (Himpele 100% nachfragewirksam werden. Bei Außenhandel ist die Importquote größer null, was und Recht 2009 : 17 f.). zu einem kleineren Multiplikator führt, der aber größer null bleibt. Zwar versickert ein Seite erfolgt der Einwand, dass zwar das nominale EinkomTeilVon derneoklassischer zusätzlichen Nachfrage im Ausland bei den Herstellern der Importgüter, aber men steige, nicht jedoch Realeinkommen und Produktion. Denn die Nachfragesteieine steuerfinanzierte Erhöhung der Staatsausgaben führt gleichwohl noch zur Steigegerung inflationär reduziere so die sogenannte reale Geldmenge. Da die rung vonwirke Produktion und und Einkommen (Himpele und Recht 2009: 17f.). Menschen für ihre Transaktionen über zu wenig Liquidität verfügten, würden sie Von neoklassischer Seite erfolgt der Einwand, dass zwar das nominale Einkommen steiAnleihen zu verkaufen trachten, was bei konstanter Anleihennachfrage zu sinkenden ge, nicht jedoch Realeinkommen und Produktion. Denn die Nachfragesteigerung wirke Kursen undund steigendem führe. Hierdurch würdenDa private Investitionen inflationär reduziereEffektivzins so die sogenannte reale Geldmenge. die Menschen für ihre solange verdrängt, effektive Nachfrage wiederwürden ihr vorheriges Niveauzuerreiche. Transaktionen überbiszudie wenig Liquidität verfügten, sie Anleihen verkaufen Dieser was Einwand ist nicht stimmig. Erstens führt Zeiten chronischer Nachfragetrachten, bei konstanter Anleihennachfrage zuinsinkenden Kursen und steigendem Effektivzins führe. Hierdurch würden private Investitionen solange verdrängt, schwäche eine steigende Nachfrage kaum zu Preissteigerungen, sondern vielmehrbis zu die effektive Nachfrage wieder vorheriges Mengenausdehnungen des ihr Angebots überNiveau höhereerreiche. Kapazitätsauslastung. Doch selbst bei leichteren Preissteigerungen die führt gesunkene realechronischer GeldmengeNachfrageschwänur von BeDieser Einwand ist nicht stimmig.wäre Erstens in Zeiten deutung, wenn – zweitens – die reduzierte Liquidität zu steigenden Verkäufen nach che eine steigende Nachfrage kaum zu Preissteigerungen, sondern vielmehr zu Mengenausdehnungen des Angebots über höhere Kapazitätsauslastung. Doch selbst beiwenn leichteAnleihen führte, was nicht zwingend vorausgesetzt werden kann. Doch selbst ren Preissteigerungen wäre die gesunkene nureingeschränkt, von Bedeutung, wenn – der Zinssatz stiege, würden – drittens – nurreale jeneGeldmenge Investitionen deren zweitens – die reduzierte Liquidität zu steigenden Verkäufen nach Anleihen führte, erwartete interne Verzinsung bislang über, nun aber unter dem Marktzins liegen.was nicht zwingend vorausgesetzt werden kann. Doch wenn dergestiegenen Zinssatz stiege, würZudem ist in Rechnung zu stellen, dass wegen derselbst ursprünglich Nachden – drittens – nur jene Investitionen eingeschränkt, deren erwartete interne Verzinfrage die interne Zinserwartung vermutlich gestiegen ist, so dass die Investitionen in sung bislang über, nun aber unter dem Marktzins liegen. Zudem ist in Rechnung zu stelsumma sogar steigen. gestiegenen Nachfrage die interne Zinserwartung len, dasswomöglich wegen der ursprünglich Expansive steuerfinanzierte erhöht also die gesamtwirtschaftliche vermutlich gestiegen ist, so dass Fiskalpolitik die Investitionen in summa womöglich sogar steigen. Nachfrage, da die Staatsnachfrage stärker steigt, als die Privatnachfrage fällt, und Expansive steuerfinanzierte Fiskalpolitik erhöht also die gesamtwirtschaftliche Nachfradieser Überschuss multipliziert wird. Die Investitionsnachfrage wird nicht stark falge, da die Staatsnachfrage stärker steigt, als die Privatnachfrage fällt, und dieser Überlen, womöglich im Falle Erwartungen sogarwird steigen, dass fallen, hiervon keine schuss multipliziert wird.positiver Die Investitionsnachfrage nichtsostark womöglich konterkarierenden Effekte zu erwarten sind (Zinn 2002 : 169). im Falle positiver Erwartungen sogar steigen, so dass hiervon keine konterkarierenden Effekte zu erwarten sind (Zinn 2002: 169). Staatsschuldenfinanzierung Staatsschuldenfinanzierung Steigende Staatsausgaben zusätzliche Steuern, sondern auch Steigende Staatsausgaben können könnennicht nichtnur nurüber über zusätzliche Steuern, sondern auch durch steigende Staatsverschuldung finanziert werden. Dies wird in Wissenschaft, durch steigende Staatsverschuldung finanziert werden. Dies wird in Wissenschaft, PoliPolitik Bevölkerung noch stärker abgelehnt. Dennoch auch diese Ablehnung tik undund Bevölkerung noch stärker abgelehnt. Dennoch ist ist auch diese Ablehnung nicht nicht haltbar. Bei einer Finanzierung zusätzlicher Staatsausgaben Schulden haltbar. Bei einer Finanzierung zusätzlicher Staatsausgaben durchdurch Schulden gilt: gilt : Δ� � � ��� · ΔG Da nicht das gesamte Einkommen gespart wird, gilt wegen s < 1: � � > www.kurswechsel.at ��� ��� Kurswechsel 1 / 2012 : 47–59 Der Multiplikator ist bei der Finanzierung über Staatsschulden größer als bei jener über Steuern. Die zusätzlichen Staatsausgaben werden voll effektiv nachfragewirksam, wo- durch steigende Staatsverschuldung finanziert werden. Dies wird in Wissenschaft, Politik und Bevölkerung noch stärker abgelehnt. Dennoch ist auch diese Ablehnung nicht haltbar. Bei einer Finanzierung zusätzlicher Staatsausgaben durch Schulden gilt: � K. Himpele, A. Recht : Sparen – nach deutschem Vorbild ? Δ� � ��� · ΔG 49 Da nicht nicht das < 1:: Da das gesamte gesamte Einkommen Einkommengespart gespartwird, wird,gilt giltwegen wegens s < 1 � ��� > � ��� Der Multiplikator Multiplikator ist Der ist bei beider derFinanzierung Finanzierungüber überStaatsschulden Staatsschuldengrößer größerals alsbei beijener jenerüber Steuern. Die zusätzlichen Staatsausgaben werden voll effektiv nachfragewirksam, über Steuern. Die zusätzlichen Staatsausgaben werden voll effektiv nachfragewirk-wohingegen durch den Verzicht auf Besteuerung keine effektive Nachfrage verloren geht. sam, wohingegen durch den Verzicht auf Besteuerung keine effektive Nachfrage verVon neoklassischer Seite kommen auch hier zwei Einwände. Der erste entspricht jenem loren geht. beiVon Steuerfinanzierung: Wegen Preissteigerungen steige zwar dasDer nominale, nicht jedoch neoklassischer Seite kommen auch hier zwei Einwände. erste entspricht das reale Einkommen und die Produktion. Hierauf wurde bereits oben entgegnet. jenem bei Steuerfinanzierung: Wegen Preissteigerungen steige zwar das nominale,Der zweite Einwand unterstellt, dass der Staat als zusätzlicher Anbieter von Anleihen bei nicht jedoch das reale Einkommen und die Produktion. Hierauf wurde bereits oben entgegnet. Der zweite Einwand unterstellt, dass der Staat als zusätzlicher Anbieter von Anleihen bei konstanter Anleihennachfrage einen Fall des Kurses und einen direkten Anstieg des Marktzinses erwirke. Hierdurch würde Nachfrage durch private Investitionen in derselben Höhe verdrängt, wie sie durch mehr öffentliche Ausgaben erhöht würde. Doch auch diese neoklassische crowding-out-These ist unstimmig. Erstens ist es möglich, dass die Nachfrager der Staatsanleihen sonst keine Anleihen gezeichnet, sondern Liquidität gehalten hätten. Dann aber korrespondiert dem zusätzlichen Angebot an Anleihen eine zusätzliche Nachfrage, so dass der Zins nicht steigt. Zweitens steigen im Zuge der ursprünglichen Nachfrage- und Einkommenssteigerung die Gewinne und bei Thesaurierung die für Selbstfinanzierung zugängliche Ersparnis der Unternehmen. Dadurch sinkt das allgemeine Angebot an Anleihen : Der Kurs steigt, der Zins sinkt. Drittens investieren Unternehmen bei Überakkumulation, Unterkonsumtion und Sättigung ohne staatliche Intervention wenig real und treten selber als Geldkapitalanbieter auf. Steigt nun durch mehr staatliche Nachfrage das volkswirtschaftliche Aktivitätsniveau, werden reale Investitionen eher angeregt (crowding-in) als verdrängt. Zwar sinkt dann eo ipso die Nachfrage nach Anleihen, was kurssenkend und zinssteigernd wirkt, aber die Steigerung des Aktivitätsniveaus dürfte gegenüber dem Effekt des leichten Zinssatzanstiegs, sofern dieser überhaupt auftritt, überwiegen. Somit kommt es zu keiner Verdrängung, sondern eher zur Ausdehnung privater Investitionen (Kromphardt 1998 : 241 ff.). Allerdings muss auch eine Position, die Staatsverschuldung nicht verdammt, Folgewirkungen zur Kenntnis nehmen. Zwar geht im Jahr der Staatsverschuldung keine effektive Nachfrage verloren, sondern wird zusätzlich geschaffen, aber in der Zukunft müssen die Schulden mit Zinsen bedient und rückgezahlt werden. Würde dies über die Kürzung von Staatsausgaben für Investitionen oder Sozialleistungen geschehen und würden die Zeichner von Anleihen die rückerhaltenen Mittel nicht ausgeben, würde sich der beschriebene Effekt ausgedehnter effektiver Nachfrage bei Staatsverschuldung komplett ins Negative umkehren. Würden die Zeichner der Anleihen die rückerhaltenen Mittel wenigstens zum Teil für zusätzlichen Konsum verwenden, würde der negative Effekt abgeschwächt. In beiden Fällen aber gilt : Mehr Nachfrage im laufenden Jahr hieße weniger Nachfrage in der Zukunft. Darum sahen die wirtschaftspolitisch dominanten Konzeptionen der 1970 er Jahre den Einsatz von Staatsverschuldung als antizyklisches Mittel vor. In rezessiven Zeiten unausgelasteter Kapazitäten sollten die Staatsausgaben wegen positiver Nachfrageeffekte durch Staatsschulden erhöht werden. Im Aufschwung mit ausgelasteten Kapazitäten sollten sie gekürzt und Schulden abgebaut werden, da dann die KapaziKurswechsel 1 / 2012 : 47–59 www.kurswechsel.at 50 K. Himpele, A. Recht : Sparen – nach deutschem Vorbild ? täten voll ausgelastet seien und die rückläufige Nachfrage nicht zu Einschränkungen der Produktion, sondern zu Preisdämpfungen führen würde. Da indes die Nachfrage spätestens seit Beginn der 1980 er Jahre nicht nur konjunkturell, sondern auch strukturell zu niedrig ist, wird auch im Aufschwung keine Vollbeschäftigung mehr erreicht. Der Trendpfad des Wachstums liegt so deutlich unter dem theoretisch Vollbeschäftigung schaffenden Pfad, dass die konjunkturelle Abweichung nach oben nicht ausreicht. Wird in einer solchen Situation die staatliche Nachfrage gekürzt, wird nicht Inflation gedämpft, sondern Beschäftigung abgebaut (Zinn 1998 : 141). Daher stellt sich die Frage, ob Staatsverschuldung, statt erst auf- und dann abgebaut zu werden, nicht gleichsam permanent erfolgen kann. Die folgenden Ausführungen untersuchen, ob und wie eine solche Politik funktionieren kann. Wirkungen permanenter Staatsverschuldung Wirkungen Wirkungen permanenter permanenter Staatsverschuldung Staatsverschuldung Oftmals wird unterstellt, eine permanente Nettoneuverschuldung führe zwangsläufig Oftmals Oftmals wird wird unterstellt, unterstellt, eine eine permanente permanente Nettoneuverschuldung Nettoneuverschuldung führe führe zwangsläufig zwangsläufig zu zu zu einer über alleGrenzen Grenzensteigenden steigendenSchuldenquote. Schuldenquote.Dem Demististjedoch jedochnicht nicht so so (Doeiner über alle einer über alle Grenzen steigenden Schuldenquote. Dem ist jedoch nicht so (Domar (Domar mar 1979, 107). konstanter BIP-Wachstumsrate sowieeinem einemkonstanten konstantenAnteil Anteil (α) 1979, 107). Bei konstanter BIP-Wachstumsrate (r) 1979, 107). BeiBei konstanter BIP-Wachstumsrate (r)(r)sowie sowie einem konstanten Anteil (α) (q ), der Nettoneuverschuldung am BIP gilt für die Schuldenquote definiert als ), definiert als (α) der Nettoneuverschuldung am BIP gilt für die Schuldenquote (q � der Nettoneuverschuldung am BIP gilt für die Schuldenquote (q� ), definiert als Quotient Quotient t aus und Zeit 2004; 1979: 107): Quotient aus Staatsschuld undder BIP, mit(Helmedag der Zeit (Helmedag 2004 ; Domar 1979 : 107) : aus Staatsschuld Staatsschuld und BIP, BIP, mit mit der Zeit (Helmedag 2004; Domar Domar 1979: 107): � qq��� = lim��� q� = � ��� = lim��� q � = � � Dieses Resultat ist bemerkenswert, denn Schuldenquote konvergiert Dieses diedie Schuldenquote konvergiert mitmit derder ZeitZeit Dieses Resultat Resultatist istbemerkenswert, bemerkenswert,denn denn die Schuldenquote konvergiert mit der Zeit (q ). gegen einen Grenzwert Werden wie im Maastrichter Vertrag Schulden��� (q��� ). gegen einen einen Grenzwert Grenzwert qmax. Werden wie Maastrichter Vertrag Schulden(60%) gegen Werden wie imim Maastrichter Vertrag Schulden(60 (60%) %) und als Maximalgrößen ergibt sich die und Nettoneuverschuldungsquote Nettoneuverschuldungsquote (3%) (3%) als Maximalgrößen Maximalgrößen vorgegeben, vorgegeben, und Nettoneuverschuldungsquote (3 %) als vorgegeben, ergibt ergibt sich sich die erforderliche Wachstumsrate: erforderliche Wachstumsrate: die erforderliche Wachstumsrate: � � �% � � r = � = �% = 5% qq��� = ��� = � � r = ���� = ��% = 5% � ���� ��% Eine von 5% ist ein ehrgeiziges Ziel. Hierauf lässt sich auf drei Eine nominale nominale Wachstumsrate Wachstumsrate Eine nominale Wachstumsrate von von 5% 5 % ist ist ein ein ehrgeiziges ehrgeiziges Ziel. Ziel.Hierauf Hierauflässt lässtsich sichauf aufdrei Wegen reagieren. Erstens könnte ein höheres reales Wachstum avisiert werden. ZweiWegen reagieren. Erstens könnte ein höheres reales Wachstum avisiert werden. Zweidrei Wegen reagieren. Erstens könnte ein höheres reales Wachstum avisiert werden. tens ließe sich in Kauf nehmen, dass höhere Preissteigerungen als aktuell stattfinden, tens ließe sich in Kauf nehmen, dass höhere Preissteigerungen als aktuell stattfinden, Zweitens ließe sich in Kauf nehmen, dass höhere Preissteigerungen als aktuell stattdenn denn zwanghaft zwanghaft niedrig niedrig gehaltene gehaltene Preissteigerungen Preissteigerungen stellen stellen keinen keinen Selbstwert Selbstwert dar. dar. DritDritfinden, denn zwanghaft niedrig gehaltene Preissteigerungen stellen keinen Selbstwert antens könnten die maximalen Werte von Schuldenquote bzw. Neuverschuldungsquote tens könnten die maximalen Werte von Schuldenquote bzw. Neuverschuldungsquote andar. könnten diedenn maximalen Werte von bzw. Neuverschuloder aufgehoben werden, es keine ökonomische oderDrittens aufgehoben werden, denn es gibt gibt hierfür hierfür keineSchuldenquote ökonomische Begründung. Begründung. dungsquote an- oder aufgehoben werden, denn es gibt hierfür keine ökonomische Begründung. Bedingungen nachhaltiger permanenter Staatsverschuldung Bedingungen nachhaltiger permanenter Staatsverschuldung Der Der Primärüberschuss Primärüberschuss (P) (P) ist ist die die Differenz Differenz zwischen zwischen staatlichen staatlichen Einnahmen Einnahmen und und AusgaAusgaben (ohne Zinsen und Tilgung). Ist die Differenz positiv, liegt ein Primärüberschuss Bedingungen nachhaltiger permanenter Staatsverschuldung ben (ohne Zinsen und Tilgung). Ist die Differenz positiv, liegt ein Primärüberschuss vor, vor, ist ist sie sie negativ, negativ, spricht spricht man man von von einem einem negativen negativen Primärüberschuss Primärüberschuss oder oder einem einem PrimärPrimärdefizit. Ist im staatlichen Haushalt die ohne Zinsen Der Primärüberschuss die Differenz zwischen staatlichen und defizit. Ist P P< < 0, 0, so so sind sind(P) im ist staatlichen Haushalt die Ausgaben Ausgaben ohneEinnahmen Zinsen und und Tilgung Tilgung größer die Ist P größer als die Ausgaben Ausgaben Zinsen und Ist die die Differenz positiv, größer als als(ohne die Einnahmen. Einnahmen. IstTilgung). P> > 0, 0, sind sind die Einnahmen Einnahmen größerliegt als ein die PrimärüberAusgaben ohne ohne Zinsen und Tilgung. Der des sind schuss sie negativ, sprichtBestandteil man von einem negativen Primärüberschuss oder Zinsen vor, und ist Tilgung. Der andere andere Bestandteil des Schuldenzuwachses Schuldenzuwachses sind die die Sollzinsen Sollzinsen auf auf die die bereits bereits bestehenden bestehenden Schulden Schulden D Dt.. einem Primärdefizit. Ist P < 0, so sind tim staatlichen Haushalt die Ausgaben ohne Nettoneuverschuldung fällt an, wenn die Primärüberschuss und Zinsen und Tilgung größer Einnahmen. Istaus P > 0, sind die Einnahmen größer neNettoneuverschuldung fällt als an, die wenn die Summe Summe aus Primärüberschuss und Zinsen Zinsen negativ Sie also nur vor, wenn durch Zinszahlungen verals dieist. Ausgaben Zinsen und Tilgung. DerPrimärdefizit andere Bestandteil Schuldenzugativ ist. Sie liegt liegtohne also nicht nicht nur vor, wenn ein ein Primärdefizit durch des Zinszahlungen verstärkt auch zwar höher wachses sindSie dieliegt Sollzinsen aufwenn die bereits bestehenden Schulden Dt. als stärkt wird. wird. Sie liegt auch vor, vor, wenn zwar die die Einnahmen Einnahmen höher sind sind als die die Ausgaben, Ausgaben, aber dieser Primärüberschuss kleiner ist als die Zinszahlungen. Für eine konstante aber dieser Primärüberschuss kleiner die Zinszahlungen. Für eineund konstante Nettoneuverschuldung fällt an, wennist dieals Summe aus Primärüberschuss Zin� Schuldenquote muss das Wachstum der Schulden �D � so hoch sein wie jenes des � Schuldenquote das also Wachstum der Schulden � so hoch sein wiedurch jenesZinszahdes BIP BIP (r). (r). sen negativ ist. muss Sie liegt nicht nur vor, wenn�Dein Primärdefizit Für Für eine eine konstante konstante Schuldenquote Schuldenquote müssen müssen Primärüberschuss, Primärüberschuss, Zinssatz Zinssatz (i) (i) und und BIPBIPWachstum Wachstum in in einem einem bestimmten bestimmten Verhältnis Verhältnis zueinander zueinander stehen: stehen: (i www.kurswechsel.at (i � � r) r) ·· D D� = =P P � Kurswechsel 1 / 2012 : 47–59 Für Für eine eine konstante konstante Schuldenquote Schuldenquote muss muss der der Primärüberschuss Primärüberschuss also also so so hoch hoch sein sein wie wie das das Produkt aus Differenz von Zinssatz und BIP-Wachstum sowie Schuldenstand. Ob perma- größer als die Einnahmen. Ist P > 0, sind die Einnahmen größer als die Ausgaben ohne Zinsen und Tilgung. Der andere Bestandteil des Schuldenzuwachses sind die Sollzinsen auf die bereits bestehenden Schulden Dt. K. Himpele, A. Recht : Sparen – nach deutschem Vorbild ? 51 Nettoneuverschuldung fällt an, wenn die Summe aus Primärüberschuss und Zinsen negativ ist. Sie liegt also nicht nur vor, wenn ein Primärdefizit durch Zinszahlungen verlungenwird. verstärkt wird. Sie vor, liegtwenn auch zwar vor, wenn zwar die Einnahmen als stärkt Sie liegt auch die Einnahmen höher sind höher als diesind Ausgaben, die Ausgaben, aber dieser Primärüberschuss kleiner ist als die Zinszahlungen. Für aber dieser Primärüberschuss kleiner ist als die Zinszahlungen. Für eine konstante eine konstante muss Schuldenquote mussder dasSchulden Wachstum Schulden (D̂)jenes so hoch � �der Schuldenquote das Wachstum �D so hoch sein wie des sein BIP (r). wie BIP (r).Schuldenquote Für eine konstante Schuldenquote müssen Zinssatz Primärüberschuss, Für jenes eine des konstante müssen Primärüberschuss, (i) und BIPZinssatz (i)inund BIP-Wachstum einem bestimmten Wachstum einem bestimmten in Verhältnis zueinanderVerhältnis stehen: zueinander stehen: (i � r) · D� = P Für eine Schuldenquote muss Für eine konstante konstante Schuldenquote muss der der Primärüberschuss Primärüberschuss also also so so hoch hochsein seinwie wiedas Produkt aus Differenz von Zinssatz und BIP-Wachstum sowie Schuldenstand. Ob permadas Produkt aus Differenz von Zinssatz und BIP-Wachstum sowie Schuldenstand. Ob nente Staatsverschuldung nachhaltig ist, hängt also von Bedingungen ab. Ein Zinssatz permanente Staatsverschuldung nachhaltig also von Bedingungen ab. Ein unter der Wachstumsrate ermöglicht sogarist, beihängt Primärdefiziten eine konstante SchulZinssatz unter der Wachstumsrate ermöglicht sogar bei Primärdefiziten eine kons-Die denquote. Dies setzt jedoch eine Abkehr von der bisherigen Politik der EZB voraus. tante Schuldenquote. Dies setzt jedoch eine Abkehr der bisherigen der Hochzinspolitik zur Inflationsvermeidung muss einervon Zinspolitik – etwaPolitik über NotenEZB voraus. für Dieden Hochzinspolitik zur die Inflationsvermeidung muss einer Zinspolitik – bankkredite Staat – weichen, durch niedrigere Zinsen staatliche Spielräume wieder eröffnet. Revolvierendefür Staatsverschuldung kanndie dann höher verzinsteZinsen Schulden etwa über Notenbankkredite den Staat – weichen, durch niedrigere der Vergangenheit durch niedriger verzinste neue ablösen. staatliche Spielräume wieder eröffnet. Revolvierende Staatsverschuldung kann dann höher verzinste Schulden der Vergangenheit durch niedriger verzinste neue ablösen. Zu beachten ist dabei, dass auch die Zinseinkommen auf Staatsschulden Gegen2 (V) operiert stand der Besteuerung seinauch können. Wird mit dem Volkseinkommen Zu beachten ist dabei, dass die Zinseinkommen auf Staatsschulden Gegenstand der 2 Besteuerung seinauch können. Wird mit dem Volkseinkommen operiert und bezieht sich die Nettoneuverschuldungsquote (β)(V) hierauf, giltund mit bezieht der Zeitsich auchdie dieSteuerlastquote Nettoneuverschuldungsquote der Zeit fürEinkommen, die Steuerlastfür (t) als Quotient (β) vonhierauf, Steuerngilt undmit steuerbarem quote (t)aus als Volkseinkommen Quotient von Steuern steuerbarem Einkommen, das sichzusammenaus Volkseindas sich undund Zinseinkommen auf Staatsschulden kommen und Zinseinkommen auf Staatsschulden zusammensetzt: setzt: t ��� = lim��� t � = � � �� � <1 Selbst einer Wachstumsrate desdes Volkseinkommens (r) (r) Selbst bei beieinem einemZinssatz Zinssatzvon von7 % 7%und und einer Wachstumsrate Volkseinkommens von nur von nur 1% 1% wäre wäre das das Ergebnis Ergebnisnicht nichtverheerend. verheerend.Bei Beieiner einerNettoneuverschuldungsquote Nettoneuverschuldungsdes Volkseinkommens (β) von betrüge die die Steuerlastquote dann quote des Volkseinkommens (β) 3% von 3 % betrüge Steuerlastquote dann17,35%. 17,35 %.Die Steuerlastquote explodiert also keineswegs (Helmedag 2004; Domar 1979: 107). Die Steuerlastquote explodiert also keineswegs (Helmedag 2004 ; Domar 1979 : 107). Allgemeine Wirkungen einer Schuldenbremse Die Schuldenfinanzierung öffentlicher Aufgaben bedarf einer Begründung, da durch die Aufnahme von Schulden Kosten entstehen. Zwarbedarf entsteht imBegründung, Jahr der StaatsverschulDie Schuldenfinanzierung öffentlicher Aufgaben einer da durch dung zusätzliche effektive Nachfrage, aber in der Zukunft müssen die Schulden mit Zindie Aufnahme von Schulden Kosten entstehen. Zwar entsteht im Jahr der Staatsversen bedient und rückgezahlt werden. Diese Begründung erfolgt mindestens in Form schuldung zusätzliche effektive Nachfrage, aber in der Zukunft müssen die Schulden einer Debatte im Parlament, da das Haushaltsrecht des Parlaments auch die Kreditaufmit Zinsen bedient und rückgezahlt werden. Diese Begründung erfolgt mindestens nahme umfasst. Darüber hinaus kann es gesonderte Regelungen zur Kreditaufnahme in Form einer Debatte im Parlament, da das Haushaltsrecht des Parlaments auch geben. Allgemeine Wirkungen einer Schuldenbremse die Kreditaufnahme umfasst. Darüber hinaus kann es gesonderte Regelungen zur Die Ausgestaltunggeben. des Staatsschuldenrechts ist zentral bei der Frage, welche Politik erKreditaufnahme möglicht werden soll, was am deutschen Beispiel gut illustriert werden kann. Lange Zeit Die Ausgestaltung des Staatsschuldenrechts ist zentral bei der Frage, welche Powar Kreditaufnahme in Westdeutschland zur Finanzierung von Staatsausgaben nicht litik ermöglicht werden am deutschen Beispiel gut illustriert zulässig (Himpele 2010: soll, 22ff.;was Eicker-Wolf und Himpele 2011). Mit derwerden Großenkann. FinanzLange Zeit war Kreditaufnahme in Westdeutschland zur Finanzierung vonInstrument Staatsreform 1969 wurden Kredite neben Steuereinnahmen zu einem regulären ausgaben nicht zulässig (Himpele 2010 : 22 ff.; Eicker-Wolf des undStaates Himpele Mit der Finanzierung von Staatsaufgaben. Die Kreditaufnahme war2011). investitionsder Großend.h. Finanzreform 1969 wurden neben Steuereinnahmen zu einem gebunden, Schulden durften nur in Kredite Höhe staatlicher Investitionen aufgenommen werden, soInstrument dass einer Neuverschuldung ein Zugang an Vermögenswerten gegenregulären der Finanzierungimmer von Staatsaufgaben. Die Kreditaufnahme überStaates stand.war Erstinvestitionsgebunden, diese Regelung ermöglichte es, dendurften Ausbaunur öffentlicher Infrastruktur des d. h. Schulden in Höhe staatlicher und Projekte wie die Bildungsreform derdass 1970er in Deutschland anzugehen. Investitionen aufgenommen werden, so einerJahre Neuverschuldung immer ein Zu-Das geänderte Staatsschuldenrecht war also ein zentrales Instrument zur Durchsetzung gang an Vermögenswerten gegenüber stand. Erst diese Regelung ermöglichte es, den einer öffentlichen Investitionspolitik. Bereits 1992 kam es zu einer ersten erheblichen Einschränkung des investitionsbezoge- nen Staatsschuldenrechts, NettoneuverschulKurswechsel 1 / 2012 : 47–59 da die Maastricht-Kriterien eine maximale www.kurswechsel.at dung von 3 Prozent des BIP vorschreiben. Selbst bei höheren Investitionen war dadurch eine höhere Schuldenaufnahme nicht mehr möglich. Mit der Föderalismusreform II 52 K. Himpele, A. Recht : Sparen – nach deutschem Vorbild ? Ausbau öffentlicher Infrastruktur und Projekte wie die Bildungsreform der 1970 er Jahre in Deutschland anzugehen. Das geänderte Staatsschuldenrecht war also ein zentrales Instrument zur Durchsetzung einer öffentlichen Investitionspolitik. Bereits 1992 kam es zu einer ersten erheblichen Einschränkung des investitionsbezogenen Staatsschuldenrechts, da die Maastricht-Kriterien eine maximale Nettoneuverschuldung von 3 Prozent des BIP vorschreiben. Selbst bei höheren Investitionen war dadurch eine höhere Schuldenaufnahme nicht mehr möglich. Mit der Föderalismusreform II wurde die Schuldenbremse im Grundgesetz verankert, dadurch wurde der investitionsbezogene Staatsverschuldungsbegriff endgültig außer Kraft gesetzt. Die Revision der Finanzreform von 1969 durch die Föderalismusreformen I (Abschaffung der Gemeinschaftsaufgaben im Bildungs- und Hochschulbereich) und II (Abschaffung der »Goldenen Regel«, Einführung der Schuldenbremse) ist somit ein Bruch mit den finanzverfassungsrechtlichen Prinzipien, die zuvor den Ausbau des Wohlfahrtsstaats und erhebliche Investitionen in Infrastrukturen und öffentliche Bildung ermöglicht hatten. Die Einführung der Schuldenbremse ist als politisches Projekt zur Durchsetzung neoklassischer Wirtschaftspolitik zu werten. Staatliche Steuerung wird weitgehend abgelehnt, ausgeglichene öffentliche Haushalte seien zentral für die Stabilität der Wirtschaft – nicht die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen. Letztlich folgt hieraus ein Verzicht auf Bildungs- und Sozialreformen sowie auf den gezielten Einsatz von Staatsverschuldung für öffentliche Investitionen. Wie erläutert, konvergiert die Schuldenquote bei konstanter Nettoneuverschuldungsquote gegen einen Maximalwert. Dieser hängt neben der Nettoneuverschuldungsquote vom Wachstum des BIP ab, so dass eine makroökonomische Steuerung beide Stellschrauben im Blick behalten muss. Die Schuldenbremse jedoch fokussiert auf Ausgabenkürzungen, wenngleich sie Einnahmesteigerungen nicht verbietet. Damit werden originäre Funktionen der Staatsverschuldung vernachlässigt wie die öffentliche Vermögensbildung durch Finanzierung größerer Investitionen über mehrere Generationen, die jede für sich hieraus Nutzen zieht (Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik 2005, 154 ff., 2008 : 169 ff.; Bajohr 2007). Die Schuldenbremse in Deutschland In der öffentlichen Debatte und den Beschlüssen der EU in Reaktion auf die Krise wurde aufgrund der bundesdeutschen Dominanz die im deutschen Grundgesetz verankerte Regelung als Vorbild genommen. Im »EuroPlusPakt«, der im Dezember 2011 um den »Fiskalpakt« erweitert wurde, haben sich die EU-Regierungschefs (außer Großbritannien) die Einführung von Schuldenbremsen in Verfassungsrang vorgenommen. Tatsächlich stößt dieses Vorhaben in den nationalen Parlamenten vieler Mitgliedsstaaten auf Widerstand, und die Verhandlungen sind am Laufen. Da die jeweiligen Mechanismen der Schuldenbremsen ähnlich sind, soll die Funktionsweise der deutschen Schuldenbremse exemplarisch dargestellt werden.3 Die beschriebene Absicht, Staatsverschuldung antizyklisch einzusetzen, findet sich bei der Konstruktion der Schuldenbremse in Art. 109 GG wieder : »Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Bund und Länder können Regelungen zur im Auf- und Abschwung symmetrischen Berücksichtigung der Auswirkungen einer von der Normallage abweichenden www.kurswechsel.at Kurswechsel 1 / 2012 : 47–59 exemplarisch dargestellt werden. 3 exemplarisch dargestellt werden. Die beschriebene Absicht, Staatsverschuldung antizyklisch einzusetzen, findet sich bei Die beschriebene Absicht, Staatsverschuldung antizyklisch einzusetzen, findet sich bei der beschriebene Konstruktion der Schuldenbremse in Art. 109 GG wieder: „Die Haushalte Die Absicht, Staatsverschuldung antizyklisch einzusetzen, findetvon sichBund bei „Die Haushalte von Bund der Konstruktion der Schuldenbremse in Art. 109 GG wieder: undKonstruktion Ländern sind der grundsätzlich ohne Einnahmen auszugleichen. BundBund und der Schuldenbremse in Art. 109aus GG Krediten wieder: „Die Haushalte von und Ländern grundsätzlich Einnahmen auszugleichen. Bund K. Himpele, A. sind Recht : Sparen – nach deutschem Vorbild ?aus Länder können Regelungen zurohne im Aufund Abschwung symmetrischen Berücksichtiund Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten Krediten auszugleichen. Bund53und und Länder können Regelungen zur im Aufund symmetrischen Berücksichtigung der Auswirkungen einer abweichenden konjunkturellen EntLänder können Regelungen zurvon im der Auf-Normallage und Abschwung Abschwung symmetrischen Berücksichtigung der Auswirkungen einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung sowie eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche gung der Auswirkungen einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entkonjunkturellen Entwicklung sowie eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen wicklung sowie Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlawicklung sowie eine eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche oder außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, vorsehen.“ Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlaunderheblich die staatliche Finanzlage vorsehen.“ erheblich beeinträchtigen, vorsehen.« ge ge erheblich beeinträchtigen, beeinträchtigen, vorsehen.“ � DieDie Nettoneuverschuldung desdes Staates �D(D̂) � wird Nettoneuverschuldung Staates wirdalso alsoininzwei zwei Komponenten Komponentenaufgeteilt: aufge­ � � � wird Die Nettoneuverschuldung des Staates �D also in zwei Komponenten aufgeteilt: � Die des Staates �D � wird also in zwei Komponenten aufgeteilt: und eine konjunkturelle �D �. �udem sind Regelungen für NotsieineNettoneuverschuldung strukturelle �D�� �(D̂ teilt: eine strukturelle ) und eine konjunkturelle (D̂ ). Zudem sind Regelungen � k s eine konjunkturelle �D� �. �udem sind Regelungen für für � � � � und Notsieine strukturelle �D � �. �udem �nicht konjunkturelle sind Regelungen für (ε). Notsieine strukturelle �Ddie tuationen möglich, in der Folge jedoch nicht �D betrachtet werden sollen (ε). Notsituationen möglich, dieeine in der Folge jedoch betrachtet werden sollen � � und � tuationen möglich, (ε). tuationen möglich, die die in in der der Folge Folge jedoch jedoch nicht nicht betrachtet betrachtet werden werden sollen sollen (ε). �� � � � = D = D + D + ε �� � � �� �� = D� = D�� + D�� + ε �� = D� = D�� + D�� + ε �� Regelung Die Regelung sieht siehtvor, vor,dass dass konjunkturelle Verschuldung erlaubt Liegt Die konjunkturelle Verschuldung erlaubt seinsein soll.soll. Liegt die die Die Regelung sieht vor, dass Verschuldung sein soll. Konjunktur unter der Normallage, ist die die Aufnahme Aufnahme neuer erlaubt Schulden erlaubt. Liegt die sie Die Regelungunter siehtder vor, dass konjunkturelle konjunkturelle Verschuldung erlaubt sein soll. Liegt Liegt die Konjunktur Normallage, ist neuer Schulden erlaubt. Liegt Konjunktur unter der Normallage, ist Aufnahme neuer Schulden erlaubt. Liegt sie jedoch darüber, die Schulden zurückzuführen. strukturelle Verschuldung Konjunktur untersind der Normallage, ist die die AufnahmeEine neuer Schulden erlaubt. Liegt soll sie sie jedoch darüber, sind die Schulden zurückzuführen. Eine strukturelle Verschuljedoch darüber, sind die Schulden zurückzuführen. Eine Verschuldung soll für die Länder ab 2020 gänzlich untersagt werden, derstrukturelle Bund darf abdarf 2016 lediglich jedoch darüber, sind die ab Schulden zurückzuführen. Eine strukturelle Verschuldung soll dung soll für dieab Länder 2020 gänzlich untersagt werden, derdarf Bundab ab lediglich 2016 für die Länder 2020 gänzlich untersagt werden, der Bund 2016 0,35% des BIP als neue strukturelle Schuldenwerden, aufnehmen (vgl. Art. 115ab GG). Daslediglich struktufür die Länder ab 2020 gänzlich untersagt der Bund darf 2016 lediglich 0,35 %als des BIPstrukturelle als neue strukturelle Schulden aufnehmen (vgl.GG). Art. 115 GG). 0,35% des Schulden relle Defizit ist als als neue Residuum definiert: 0,35% des BIP BIP neue strukturelle Schulden aufnehmen aufnehmen (vgl. (vgl. Art. Art. 115 115 GG). Das Das struktustruktuDas strukturelle Defizit ist alsdefiniert: Residuum definiert : relle Defizit ist als Residuum relle Defizit ist als Residuum definiert: D� = D�� + D�� � D�� = D� � D�� � � = D�� � + D�� � � D�� � = D�� � D�� � D D D� + D D� die = Dstrukturelle � D� � �soll In=langer Frist Staatsverschuldung bei einem nominalen Wachstum In langer Frist soll die strukturelle Staatsverschuldung bei einem nominalen Wachstum In langer Frist soll Staatsverschuldung einem Wachsvon 5 Prozent aus den Maastricht-Kriterien) wie folgt nominalen konvergieren: In langer Frist (hergeleitet soll die die strukturelle strukturelle Staatsverschuldung bei bei einem nominalen Wachstum von 5 Prozent (hergeleitet aus den Maastricht-Kriterien) wie folgt konvergieren: von 5von Prozent (hergeleitet aus den Maastricht-Kriterien) wie folgt konvergieren: tum 5 Prozent (hergeleitet aus den Maastricht-Kriterien) wie folgt konvergieren: � �,��% q��� = lim��� q� = � = �,��% = 7% �% = 7% �� �,��% q q��� = = lim lim��� q q� = = = = = 7% ��� ��� � � � �% �% Methodisch treten hierbei zwei Probleme auf: Zum einen sind konjunkturelle Abweichungen des BIP-Wachstums nur im Verhältnis zu einer hypothetischen Normallage festzustellen. Diese Normallage muss daher durch Konjunkturbereinigung der Daten Methodisch treten hierbei zweiwerden. Probleme auf: sind konjunkturelle Abweiaus der Vergangenheit ermittelt Dies ist Zum durcheinen verschiedene ökonometrische chungen des BIP-Wachstums nur im Verhältnis zu einer hypothetischen Normallage Methoden möglich, etwa durch Filtermethoden oder Produktionsfunktions-Ansätze. festzustellen. Diese Normallage muss daher durch Konjunkturbereinigung der Daten aus Die Abweichung von der so ermittelten Normallage wird als Produktionslücke geder Vergangenheit ermittelt werden. Dies ist durch verschiedene ökonometrische Mefasst. Zum anderen ist durch die Budgetsensitivität ermitteln, die angibt, wie stark die Die thoden möglich, etwa Filtermethoden zu oder Produktionsfunktions-Ansätze. Abweichung von der Normallage auf das Budget wirkt. Abweichung von der so ermittelten Normallage wird als Produktionslücke gefasst. Zum »Die Konjunkturkomponente staatlichendieFinanzierungssaldos sich da-von anderen ist die Budgetsensitivitätdes zu ermitteln, angibt, wie stark dieergibt Abweichung nachNormallage als Produktauf von Produktionslücke undKonjunkturkomponente Budgetsensitivität« (Deutsche Bundes-Fider das Budget wirkt. „Die des staatlichen nanzierungssaldos bank 2011: 60). ergibt sich danach als Produkt von Produktionslücke und Budgetsen(Deutsche Bundesbank 2011: sitivität“ Es sind verschiedene Verfahren zur60). Ermittlung der Produktionslücke denkbar, diesind EU hat ihr Verfahren geradezur umgestellt (Deutsche Bundesbank 2011). Ein wisEs verschiedene Verfahren Ermittlung der Produktionslücke denkbar, die EU senschaftlich unumstrittenes Verfahren zur Konjunkturbereinigung es nicht, hat ihr Verfahren gerade umgestellt (Deutsche Bundesbank 2011). Ein gibt wissenschaftlich unumstrittenesKriterien Verfahren zur Konjunkturbereinigung gibt es nicht,Schätzungen verschiedeneder Kriteverschiedene sprechen jedoch dafür, auf komplizierte rien sprechen jedoch auf komplizierte Schätzungen der Produktionslücke zu verProduktionslücke zu dafür, verzichten und ein möglichst transparentes und nachvollziehzichten und ein zu möglichst transparentes nachvollziehbares Verfahren bares Verfahren setzen, etwa den Filter und von Hodrick und Prescott (1997).4zu setzen, 4 etwa den Filter von Hodrick und Prescott (1997). Dieser Filter fasst Zeitreihen als Summe einer zyklischen und einer TrendkompoDieser Filter Zeitreihen als Summe einer zyklischen einer Trendkomponente nente auf. Beifasst der Ermittlung einer Trendkurve werden dieund BIP-Werte logarithmiert (l� ), da die auf. Bei der Ermittlung einer Trendkurve werden die BIP-Werte logarithmiert (l ), da die Differenz zweier logarithmierter BIP-Werte in etwa der BIP-Wachstumst �� tentDifferenz zweier logarithmierter BIP-Werte in etwa der BIP-Wachstumsrate �Y rate (Ŷ) entspricht. Logarithmiert man nämlich Yt und leitet dann nach der Zeit spricht. Logarithmiert man nämlich Y und leitet dann nach der Zeit t ab, folgt: � ab, folgt : l� � l��� = ln Y� � ln Y��� � � �� Y� �� = � �� Y� �Y� · �Y� �� = � Y� · �Y� �� = Y� Y� � =Y Der Filter wird errechnet, bei bei der der die Der Filter wird über über eine eine Minimierungsfunktion Minimierungsfunktion errechnet, die AbweichunAbweichungen zwischen tatsächlichen und Trendwerten möglichst gering sind (Hodrick und Prescott gen zwischen tatsächlichen und Trendwerten möglichst gering sind (Hodrick und 1997: 3):1997: 3) : Prescott min�� T ���� � �∑T��� l��� + λ ∑T�����l�� � l���� � � �l���� � l���� �� � Kurswechsel 1 / 2012 www.kurswechsel.at Der erste Term ist: 47–59 die Summe der quadrierten zyklischen Abweichungen der tatsächlichen Werte vom strukturellen Trend �l�� = l� � l�� �. Er dient der möglichst guten Annäherung des Trends an die beobachtete Zeitreihe. Der zweite Term ist die mit dem Glät- l� � l��� = ln Y� � ln Y��� � � �� Y� �� = � �� Y� �Y� · �Y� �� = � Y� · �Y� �� = Y� Y� � =Y Der Filter wird über eine Minimierungsfunktion errechnet, bei der die Abweichungen zwischen tatsächlichen und Trendwerten möglichst und Prescott 54 K. Himpele, A. Recht :gering Sparen sind – nach(Hodrick deutschem Vorbild ? 1997: 3): min�� T ���� � �∑T��� l��� + λ ∑T�����l�� � l���� � � �l���� � l���� �� � Der erste derder tatsächliDer erste Term Term ist ist die die Summe Summeder derquadrierten quadriertenzyklischen zyklischenAbweichungen Abweichungen tatchen WerteWerte vom strukturellen Trend Trend �l�� = l(l� k�= l l��t �.− l Er ). dient der möglichst guten guAnnäsächlichen vom strukturellen Er dient der möglichst st t herung des Trends an die beobachtete Zeitreihe. Der zweite Term ist die mit dem ten Annäherung des Trends an die beobachtete Zeitreihe. Der zweite Term ist dieGlättungsparameter λ multiplizierte Summe der quadrierten derDifferenz Differenzen mit dem Glättungsparameter λ multiplizierte Summe der Differenz quadrierten derder Trendkomponente über zwei Perioden hinweg, wobei der Glättungsparameter die Differenzen der Trendkomponente über zwei Perioden hinweg, wobei der Glättungs-Variation dieser Trendkomponente „bestraft“: Je höher der Glättungsparameter λ gewählt parameter die Variation dieser Trendkomponente »bestraft« : Je höher der Glättungswird, desto größer ist diese „Bestrafung“. Für Jahresdaten wird meist � = 100 gewählt. parameter gewählt wird, größereines ist diese »Bestrafung«. Für Jahresdaten wird Der zweiteλTerm dient der desto Erzeugung möglichst glatten Trendverlaufs. Der große meist λ = 100 gewählt. Der zweite Term dient der Erzeugung eines möglichst glatten Nachteil des Filters besteht darin, dass es an den Rändern des Untersuchungszeitraums Trendverlaufs. Der große Nachteil besteht dass es an denzurückgegrifRändern zu Verzerrungen kommen kann, dades hierFilters nur auf Datendarin, der Vergangenheit des Untersuchungszeitraums zusoVerzerrungen kommenFilter kann, da hier nur auf Daten fen werden kann und der Filter zu einem einseitigen wird. der Vergangenheit zurückgegriffen werden kann und der Filter so zu einem einseitigen Filter wird. Abbildung : Deutschland – Bruttoinlandsprodukt und Bereinigtes BIP mit einem HP-Filter, λ = 100 Quelle : Statistisches Bundesamt Deutschland; eigene Berechnungen; eigene Darstellung Der Abbildung ist zu entnehmen, dass Deutschland derzeit leicht unter Normalwachstum liegt. Damit wäre die Normallage bestimmt, aber es ist unklar, was dies für die öffentlichen Haushalte bedeutet. In Deutschland liegt das BIP um 10,4 Mrd. € bzw. um 0,4 Prozent unter der durch den HP-Filter definierten »Normallage«. Was heißt das für die erlaubte konjunkturelle Verschuldung ? »Die Budgetsensitivität (…) erfasst die konjunkturbedingte Veränderung des Finanzierungssaldos des Bundes in Relation zum Bruttoinlandsprodukt, wenn das Bruttoinlandsprodukt um ein Prozent vom Produktionspotential abweicht«, heißt es in der Verordnung über das Verfahren zur Bestimmung der Konjunkturkomponente nach § 5 des Artikel-115-Gesetzes. Die Budgetsensitivität η drückt aus, wie stark die Verschuldung G bei sinkendem BIP steigt, etwa aufgrund höherer Sozialausgaben oder sinkender Steuereinnahmen. www.kurswechsel.at Kurswechsel 1 / 2012 : 47–59 landsprodukt um ein Prozent vom Produktionspotential abweicht“, heißt es in der Ver- ordnung über das Verfahren zur Bestimmung der Konjunkturkomponente nach § 5 des Artikel-115-Gesetzes. Die Budgetsensitivität η drückt aus, wie stark die Verschuldung G beiHimpele, sinkendem BIP steigt, etwa aufgrund höherer Sozialausgaben oder sinkender K. A. Recht : Sparen – nach deutschem Vorbild ? 55 Steuereinnahmen. ηG,Y G� δG⁄δt δG Y G� = = G = · �Y δY⁄δt δY G Y Y� Dabei um die die BudgetsensitiviBudgetsensiDabei werden werden verschiedene verschiedene Simulationsmodelle Simulationsmodelle herangezogen, herangezogen, um 5 Die 5 Die deutsche Bundesregierung unterstellt eineeine Sensitivität vonvon 0,160, tät zu zu ermitteln. tivität ermitteln. deutsche Bundesregierung unterstellt Sensitivität die fürdie dasfür Jahr 2010 auf 0,248 wurde,wurde, da es indadiesem Jahr einen 0,160, das Jahrausnahmsweise 2010 ausnahmsweise auferhöht 0,248 erhöht es in diesem einmaligen Zuschuss des Bundes die Agentur für Arbeit hatte. Der Wert Jahr einen einmaligen Zuschuss desanBundes an die Agentur fürgegeben Arbeit gegeben hatte. 0,248 bedeutet, dass bei einer Abweichung der tatsächlichen BIP-Werte vom Trend Der Wert 0,248 bedeutet, dass bei einer Abweichung der tatsächlichen BIP-Wertenach unten um 1% die Staatsverschuldung konjunkturell um 0,248% steigen darf. vom Trend nach unten um 1% die Staatsverschuldung konjunkturell um 0,248 % Der einfache steigen darf. HP-Filter ergibt für die Bundesrepublik 2010 im Sinne einer Abweichung desDer tatsächlichen BIP vom ergibt als Produktionspotential gedeuteten eine Produkeinfache HP-Filter für die Bundesrepublik 2010 imTrendpfad Sinne einer Abweichung des tatsächlichen BIP vom als Produktionspotential gedeuteten Trendpfad eine Produktionslücke von –10,4 Mrd. €. Bei einer Budgetsensitivität für den Bund von 0,248 ergäbe sich für€.Deutschland ein (erlaubtes) konjunkturelles Defizit tionslücke von -10,4 Mrd. Bei einer Budgetsensitivität für den Bund von 0,248 von ergäbe 2,58 Mrd. € : sich für Deutschland ein (erlaubtes) konjunkturelles Defizit von 2,58 Mrd. €: D� = �Y� � Y�� � � �G,Y = �10,4 Mrd. € � 0,248 = �2,58 Mrd. € Das tatsächliche tatsächliche Defizit Defizit betrug betrug 2010 2010 50,12 50,12Mrd. €, Mrd. €,d. h. d.h.50,12 50,12Mrd. € Mrd. € – 2,58 Mrd. =€ = Das – 2,58 Mrd. € tionslücke von -10,4 Mrd. €. Bei einer Budgetsensitivität für gemäß den Bund von 0,248 ergäbe 47,54 Mrd. sind als strukturelles Defizit zu betrachten, das Schuldenbremse zu47,54 Mrd. € sind als Mrd. strukturelles Defizit zu betrachten, das gemäß Schuldenbremse tionslücke von -10,4 €. Bei einer Budgetsensitivität fürvon den2,58 Bund von€:0,248 ergäbe sich für Deutschland ein (erlaubtes) konjunkturelles Defizit Mrd. rückzuführen ist. Da diese für den Bund ab 2016 gilt, müsste allein diese strukturelle zurückzuführen ist. Da für denkonjunkturelles Bund ab 2016 Defizit gilt, müsste allein diese sich für Deutschland ein diese (erlaubtes) von 2,58 Mrd. €: struktuNeuverschuldung dem Jahre 2010 den= Jahren 2011-2014 AusgabenkürzunD� =Neuverschuldung �Y� � Y�� � � �aus �10,4 Mrd. € � in 0,248 �2,58 Mrd. €2011 durch relle dem Jahre 2010 in den Jahren – 2014 durch AusgaG,Y = aus �Y� � Y�� � � �G,Y = �10,4 Mrd. � 0,24811,89 = �2,58 € D� =oder gen Einnahmeerhöhungen um€jeweils Mrd.Mrd. € reduziert werden. Sollte in diebenkürzungen oder Einnahmeerhöhungen um jeweils 11,89 Mrd. € reduziert werden. Das Zeit tatsächliche Defizit betrug 2010 50,12 Mrd. € sind – 2,58 Mrd. kon€= ser die tatsächliche Entwicklung besserMrd. sein €, alsd.h. die50,12 Normallage, zudem Das Defizit betrug 2010 50,12 Mrd.besser €, d.h.sein 50,12 € – 2,58 Mrd. €= Sollte in dieser die tatsächliche Entwicklung als Mrd. die Normallage, 47,54tatsächliche Mrd. sindZeit als strukturelles Defizit zu betrachten, das gemäß Schuldenbremse junkturbedingt Schulden abzubauen – zusätzlich zu den strukturellen Schulden. sind zu47,54 Mrd. sind Defizit zuabbetrachten, das gemäß Schuldenbremse zuzudem konjunkturbedingt Schulden abzubauen zusätzlich zu den strukturellen rückzuführen ist.als Dastrukturelles diese für den Bund 2016–gilt, müsste allein diese strukturelle Angesichts derist. Probleme von Ausgabenkürzung und des Verzichts auf die strukturelle Möglichkeit rückzuführen Da diese für den Bund ab 2016 gilt, müsste allein diese Neuverschuldung aus dem Jahre 2010 in den Jahren 2011-2014 durch AusgabenkürzunSchulden. nachhaltiger permanenter Schuldenpolitik hat die 2011-2014 Einführungdurch einerAusgabenkürzunSchuldenbremse Neuverschuldung aus dem Jahre 2010 in den Jahren genAngesichts oder Einnahmeerhöhungen um jeweils 11,89 Mrd. € reduziert werden. Sollte in dieder Probleme vonum Ausgabenkürzung und des Verzichts auf wirken die Mögverheerende Folgen. Hinzu kommt, dass die Schuldenbremse prozyklisch gen oder Einnahmeerhöhungen jeweils 11,89 Mrd. € reduziert werden. Sollte inkann dieser Zeit die tatsächliche Entwicklung besser sein als die Normallage, sind zudem konlichkeit nachhaltiger permanenter Schuldenpolitik hat die Einführung einer Schul(Horn 2009). Die Normallage der Konjunktur wirdals aus Daten der Vergangenheit ermitser Zeit die tatsächliche Entwicklung besser sein die Normallage, sind zudem konjunkturbedingt Schulden abzubauen – zusätzlich zu den strukturellen Schulden. denbremse verheerende Hinzu kommt, dass die Schuldenbremse prozyklisch telt, d.h. konjunkturbedingte Schwankungen aus der Vergangenheit werden strukturell junkturbedingt SchuldenFolgen. abzubauen – zusätzlich zu den strukturellen Schulden. Angesichts Probleme von und des Verzichts auf die Möglichkeit wirken kannder (Horn 2009). DieAusgabenkürzung Normallage Konjunktur wird aus Daten der Ver-des interpretiert. Ebenso problematisch ist die der Revisionsanfälligkeit der Schätzungen Angesichts der Probleme von Ausgabenkürzung undEinführung des Verzichts aufSchuldenbremse die Möglichkeit nachhaltigerermittelt, permanenter Schuldenpolitik hatSchwankungen die einer Produktionspotentials undkonjunkturbedingte der BIP-Entwicklung am jeweils aktuellen Dies kann zu gangenheit d. h. auseiner derRand. Vergangenheit nachhaltiger permanenter Schuldenpolitik hat die Einführung Schuldenbremse verheerende Folgen.interpretiert. Hinzu kommt, dass problematisch dieder Schuldenbremse prozyklisch einer systematisch prozyklischen Wirkung Schuldenbremse führen, dawirken der imkann Abwerden strukturell Ebenso ist die Revisionsanfälligkeit verheerende Folgen. Hinzu kommt, dass die Schuldenbremse prozyklisch wirkenermitkann (Horn 2009). Die Normallage der Konjunktur wird aus Daten der Vergangenheit schwung eingeräumte konjunkturelle Spielraum zu gering und die geforderte Rückzahder Schätzungen des Produktionspotentials und der BIP-Entwicklung am jeweils (Horn 2009). Die Normallage der Konjunkturaus wird Daten der Vergangenheit ermittelt, d.h. konjunkturbedingte Schwankungen deraus Vergangenheit werden strukturell lung der Schulden im Aufschwung zusystematisch schwach ausfällt (2009). Wirkung aktuellen Rand. Dies kann zuSchwankungen einer prozyklischen derstrukturell Schultelt, d.h. konjunkturbedingte aus der Vergangenheit werden interpretiert. Ebenso problematisch ist die Revisionsanfälligkeit der Schätzungen des interpretiert. Ebenso ist die Revisionsanfälligkeit derRand. Schätzungen denbremse führen, daproblematisch der im eingeräumte konjunkturelle Spielraum zudes Produktionspotentials und derAbschwung BIP-Entwicklung am jeweils aktuellen Dies kann zu Saldenmechanik Produktionspotentials und der BIP-Entwicklung am jeweils aktuellen Rand. Dies kann zu gering und die geforderte Rückzahlung der Schulden im Aufschwung zu schwach einer systematisch prozyklischen Wirkung der Schuldenbremse führen, da der im Abeiner systematisch prozyklischen der Schuldenbremse führen, da durch der imKonAbDas Güterangebot aus BIP (Y) undWirkung Importen (M) kann nachgefragt werden ausfällt (2009). schwung eingeräumte konjunkturelle Spielraum zu gering und die geforderte Rückzahschwung eingeräumte konjunkturelle Spielraum zu gering und die geforderte Rückzahsum(C),Schulden Investitions(I), Staats- (G) und Exportnachfrage (X): lung der im Aufschwung zu schwach ausfällt (2009). lung der Schulden im Aufschwung zu schwach ausfällt (2009). Y+M=C+I+G+X Saldenmechanik Saldenmechanik Das BIP wird verteilt auf Bruttogewinne (Pb), Bruttolöhne (Lb) und Abschreibungen (A): Saldenmechanik Das Güterangebot aus aus BIP BIP(Y) (Y)und undImporten Importen(M) (M)kann kannnachgefragt nachgefragtwerden werdendurch durch Das Güterangebot KonP A + M = aus C +BIP I+G + X �Importen P� + L� +(M) A =kann C + I nachgefragt + G + (X � M) � + L� + (C), Das (Y) werden durch KonKonsumInvestitions(I),und Staats(G)Exportnachfrage und Exportnachfrage : sum-Güterangebot (C), Investitions(I), Staats(G) und (X): (X) sum- (C), Investitionsund Exportnachfrage Bruttoeinkommen sind(I), dieStaatsSumme(G) von Nettoeinkommen (P(X): n bzw. Ln) und Steuern (T): Y+M=C+I+G+X Y�++ML�=+CT++I A += G+ X I + G + (X � M) � P� + L� + A = C + I + (G � T) + (X � M) C+ P Das BIP BIP wird wirdverteilt verteiltauf auf Bruttogewinne (P),bBruttolöhne ), Bruttolöhne (L Abschreibungen (A): b) und Das (P(P (L (L ) und Abschreibungen (A) (A): : Das BIP wirdkönnen verteilt thesauriert aufBruttogewinne Bruttogewinne Bruttolöhne ) und Abschreibungen b b), b Nettoprofite (PnTh) oder als Dividende b(P nDiv) ausgeschüttet werden: P� + L� + A + M = C + I + G + X � P� + L� + A = C + I + G + (X � M) P��� L�P+ A + M = C + I + G + X � P� ++L(X =� C + I + G + (X � M) � ++ �+ P �AM) ���� + L� + A = C + I + (G � T) Bruttoeinkommen sind die Summe von Nettoeinkommen (P n bzw. Ln) und Steuern (T): Bruttoeinkommen sind die Summe Nettoeinkommen (P und Steuern (T): (P (P��� (G���T) (X L�n)M) + A � I)von= + n bzw. � � ����� ��������� ����������� ���� + L� � C) + (X � M) ������������������� (G + I + G + P + L + A = C + I + � T) + (X � M) P������������������ � + L� + T + A = C � � ��������������������� + I + G + (X � M) � P� + L� + A = C +������������������ I + (G � T) + (X � M) P� + L� + T + A = C Kurswechsel 1 /können 2012 : 47–59 www.kurswechsel.at Nettoprofite thesauriert (Pder oder als Dividende (PnDiv)der ausgeschüttet werden: nTh) Unternehmen Die Ersparnis der Haushalte und(P entspricht Staatsverschuldung Nettoprofite können thesauriert nTh) oder als Dividende (PnDiv) ausgeschüttet werden: zzgl. dem Nettokapitalexport entspricht). (X �Exportüberschuss P��� + P���� + L + A = C + I(der + (Gin�etwa T) + dem M) � P��� + P���� + L�� + A = C + I + (G � T) + (X � M) � sum- (C), Investitions- (I), Staats- (G) und Exportnachfrage (X): sum- (C), Investitions- (I), Staats- (G) und Exportnachfrage (X): Y+M=C+I+G+X Y+M=C+I+G+X Das BIP wird verteilt auf Bruttogewinne (P ), Bruttolöhne (L ) und deutschem Abschreibungen (A): 56 K. Himpele, Recht : Sparen Vorbild (A): ? Das BIP wird verteilt auf Bruttogewinne (Pbb), A. Bruttolöhne (Lbb–)nach und Abschreibungen (X � M) P� + L� + A + M = C + I + G + X � P� + L� + A = C + I + G + (X P� + L� + A + M = C + I + G + X � P� + L� + A = C + I + G + � M) Bruttoeinkommen : Bruttoeinkommen sind sind die dieSumme Summevon vonNettoeinkommen Nettoeinkommen(P (P bzw. bzw.LL))und undSteuern Steuern(T) (T): Bruttoeinkommen sind die Summe von Nettoeinkommen (Pnnn bzw. Lnnn) und Steuern (T): P + L + T + A = C + I + G + (X � M) � P + L + A = C + I + (G � T) + (X � M) P�� + L�� + T + A = C + I + G + (X � M) � P�� + L�� + A = C + I + (G � T) + (X � M) Nettoprofite könnenthesauriert thesauriert (PnTh) )oder oderalsals Dividende (PnDiv ) ausgeschüttet werden: Nettoprofite Dividende (P(P ) ausgeschüttet werden : Nettoprofitekönnen können thesauriert(P (PnTh als Dividende ) ausgeschüttet werden: nTh) oder nDiv nDiv (G � T) + (X � M) � P��� + P���� + L� + A = C + I + (G P��� + P���� + L� + A = C + I + � T) + (X � M) � (P���� + L� � C) + ��������� (P��� + A � I) = (G���T) (X � M) + � ����� � ����������� (P (P��� (G (X + A � I) = + � M) ���T) � � ����� ��������� ����������� ���� + L� � C) + ������������������ ������������������ ��������������������� ��������������������� ������������������ ������������������ ������������������ ������������������ Die Ersparnis der Haushalte und der Unternehmen entspricht der Staatsverschuldung Die Ersparnis der und der Unternehmen entspricht Die der Haushalte Haushalte(der undin der Unternehmen entsprichtder derStaatsverschuldung Staatsverschulzzgl.Ersparnis dem Nettokapitalexport etwa dem Exportüberschuss entspricht). zzgl. dem Nettokapitalexport (der in etwa dem Exportüberschuss entspricht). dung zzgl. dem Nettokapitalexport (der in etwa dem Exportüberschuss entspricht). Finanzierungssalden in Deutschland und Griechenland im Jahre 2009 (in Mrd. €) Finanzierungssalden in Deutschland und Griechenland im Jahre 2009 (in Mrd. €) Land Haushalte NFKG FKG Staat Ausland Land Haushalte NFKG FKG Staat Ausland Finanzierungssalden in Deutschland und Griechenland im Jahre 2009 (in Mrd. €) 45,0 BRD 151,9 15,9 -76,1 -136,7 45,0 BRD 151,9 15,9 -76,1 -136,7 Land Haushalte NFKG FKG Staat Ausland GR -12,1 16,7 0,6 -36,0 30,8 GR -12,1 16,7 0,6 -36,0 30,8 NFKG bzw. FKG = nichtfinanzielle / finanzielle Kapitalgesellschaften; Quelle: Eurostat, Code: nasa_nf_tr; BRD 151,9/ finanzielle 45,0 15,9 - 76,1 Eurostat, - 136,7 NFKG bzw. FKG = nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften; Quelle: Code: nasa_nf_tr; eigene Darstellung eigene GRDarstellung - 12,1 16,7 0,6 - 36,0 30,8 NFKG bzw. FKG = nichtfinanzielle / finanzielle Kapitalgesellschaften ; Quelle : Eurostat, Code : nasa_nf_tr; eigene Darstellung Betrachten wir zwei Länder im Euroraum mit unterschiedlicher Finanzkraft, Deutschland und Griechenland. In der Bundesrepublik sparten die Haushalte 2009 151,9 Mrd. €. Dies ist nicht unüblich. Doch auch die Unternehmen sparten 60,9 Mrd. €, da sie wegen unzureichender Binnennachfrage per saldo nicht Kredite für Investitionen aufnahmen, sondern Teile der thesaurierten Gewinne verzinslich anlegten. In summa betrug die Ersparnis 212,8 Mrd. €. Ein Teil dieser Ersparnisse, der den vor allem wegen geringer Lohnstückkostenentwicklung erzielten Exportüberschüssen entspricht, wurde als Kapital netto ins Ausland exportiert, nämlich 136,7 Mrd. €. Den Rest der Ersparnisse, 212,8 Mrd. € abzgl. 136,7 Mrd. € = 76,1 Mrd. €, fragte der Staat als Kreditnehmer nach. Es interessiert, was passieren würde, wenn der bundesdeutsche Staat seine Staatsverschuldung reduzieren würde, ohne dass sich etwas an den Verteilungsverhältnissen veränderte. Die Staatsnachfrage ginge zurück, so dass Produktion und Einkommen ceteris paribus sänken. Hierdurch würden die Ersparnisse der Haushalte und Unternehmen gemindert. Reduziert würden auch die Importe, so dass der Nettokapitalexport anzöge. Dadurch würden die Salden wieder in Ausgleich gebracht, jedoch um den Preis reduzierter Produktion, verringerter Beschäftigung und verschärfter Exportabhängigkeit. In Griechenland verschuldeten sich die Haushalte 2009 mit 12,1 Mrd. €, vor allem wegen geringer Lohneinkommen. Die griechischen Unternehmen sparten 17,3 Mrd. €, da sie wegen unzureichender Nachfrage aus dem In- und Ausland per ­saldo nicht Kredite aufnahmen, sondern größere Teile ihrer thesaurierten Gewinne verzinslich anlegten. In Summe erzielen Haushalte und Unternehmen Ersparnisse von 5,2 Mrd. €. Die Importüberschüsse wegen höherer Lohnstückkostenentwicklung wurden durch Nettokapitalimport aus dem Ausland von 30,8 Mrd. € finanziert. Dieses Handelsbilanzungleichgewicht ist maßgebliche Ursache der griechischen Probleme. Die Staatsverschuldung ist Folge dieses Problems. Denn die Ersparnisse von www.kurswechsel.at Kurswechsel 1 / 2012 : 47–59 K. Himpele, A. Recht : Sparen – nach deutschem Vorbild ? 57 5,2 Mrd. € + 30,8 Mrd. € = 36,0 Mrd. € muss der griechische Staat durch Staatsverschuldung absorbieren. In Griechenland sollen laut EU-Auflagen die Ersparnisse der Haushalte steigen und die Staatsausgaben sinken. Nachfrage, Produktion und Einkommen sänken dann. Die Ersparnisse der Haushalte stiegen nur, wenn die Erhöhung der Sparquote höher wäre als der Rückgang der Einkommen. Die Gewinne der Unternehmen sänken vermutlich, aber die unternehmerische Sparquote könnte steigen, so dass der Effekt unklar ist. Unklar ist, ob Griechenland sein Außenhandelsdefizit abbauen kann. Sofern die Lohnstückkostenentwicklung der Bundesrepublik schwach bleibt, dürfte es Griechenland schwer fallen, seine Exporte zu erhöhen. Durch die rezessive Entwicklung dürften aber die Importe fallen. Bleiben die Ersparnisse von Haushalten und Unternehmen konstant, könnte der Staat bei leicht sinkendem Nettokapitalimport seine Verschuldung reduzieren, sofern die Ausgabenreduzierung größer als der Steuerrückgang wäre, jedoch bei Rückgang von Produktion, Einkommen und Beschäftigung. Sollen in ganz Europa die Ersparnisse der privaten Haushalte erhöht und die Staatsverschuldung gesenkt werden, müssten kompensatorisch die Ersparnisse der europäischen Unternehmen sinken oder die Exportüberschüsse der EU steigen. Bei sinkendem Konsum der privaten Haushalte sinkt aber die Absatzerwartung der Unternehmen, so dass sie weniger investieren. Da ihre Gewinne als ganze von der Höhe ihrer Investitionen abhängen, dürften jedoch damit auch ihre thesaurierten Gewinne sinken (Himpele und Recht 2009, 17 f.). An der Ersparnis der Unternehmen würde sich kaum etwas ändern. Höhere Exportüberschüsse der EU wiederum setzen Abnehmer außerhalb Europas voraus, was nicht garantiert ist. Damit wird aber deutlich, dass ein flächendeckendes Sparen bei sinkendem Konsum, sinkenden Investitionen und sinkenden Gewinnen nicht die Staatsverschuldung mindert, wohl aber Produktion, Einkommen und Beschäftigung. Sinnvoller als diese »Schrumpfkur« wäre es, wenn in Exportländern wie der Bundesrepublik Löhne und Steuern auf Profiteinkommen stiegen, so dass Konsum und Investitionen anzögen und der Exportüberschuss sänke. Der Nettokapitalexport würde reduziert, und auf der Gegenseite ginge die Ersparnis der Unternehmen zurück. Griechenland hätte so – verbunden mit europäischen Investitionshilfen – die Gelegenheit, sein Außenhandelsdefizit zu reduzieren. Zusammen mit höheren Steuern auf die griechischen Profiteinkommen könnte dadurch die griechische Staatsverschuldung vermindert werden. Verteilung Ein zentraler Konflikt der Staatsverschuldung ist die Verteilungsfrage. Intragenerational entspricht der Verschuldung des Staats zugleich ein Anstieg der Vermögensansprüche seiner Einwohner. Allerdings werden Staatsschuldtitel zwar in der Regel von einkommensstarken Personen gekauft, die Zinszahlungen jedoch auch von weniger gut verdienenden Steuerzahlern mitfinanziert. Doch ist dieser potentielle Konflikt kein transferpolitischer. Denn Finanzmittel fließen nicht unmittelbar aus dem Steuersäckel in die Portemonnaies der Inhaber der Staatsanleihen. Vielmehr tritt der Staat als zusätzlicher Kreditnachfrager auf. Zugleich führt Staatsverschuldung anstelle von Steuern zu einem leicht erhöhten verfügbaren Einkommen und damit zur Erhöhung Kurswechsel 1 / 2012 : 47–59 www.kurswechsel.at 58 K. Himpele, A. Recht : Sparen – nach deutschem Vorbild ? des Kapitalangebots. Es ist unklar, welcher Effekt dominiert. Steigt die Nachfrage stärker als das Angebot, steigt der Zinssatz. Da die temporär gleichgewichtige Kapitalmenge wächst, dürfte dann die Zinssumme auf Staatsanleihen steigen (Gandenberger 1979 : 139 f.). Diese Zinseinkommen kommen vor allem Besserverdienenden zugute. Daher sind höhere Steuern auf Kapitaleinkommen und die Abschaffung nicht progressiver Abgeltungssteuern sinnvoll. Allerdings könnte auch der Zinssatz sinken, wie es in den vergangenen Jahren der Fall war. Dann wäre es nicht mehr ausgemacht, dass die Zinssumme steigt. Höhere Steuern auf Kapitaleinkommen sind aber auch dann sinnvoll. Eine andere Frage ist jene der intergenerationalen Verteilungsgerechtigkeit. Von einem Großteil der Öffentlichkeit wird verkannt, dass mit der staatlichen Verschuldung nicht nur die Belastung zukünftiger Generationen steigt, sondern zugleich durch Investitionen das Sachvermögen der Volkswirtschaft steigt. Es ist aber nicht sinnvoll, den öffentlichen Schuldenstand um den Preis eines Verfalls öffentlicher Vermögen zu reduzieren. Schlussfolgerungen Mit dem Vorhaben, öffentliche Verschuldung zum zentralen Problem zu erklären und durch Schuldenbremsen zu bekämpfen, werden die Nachteile von Staatsverschuldung überzeichnet. Zudem werden andere Steuerungsgrößen, die die Nachhaltigkeit der Staatsverschuldung beeinflussen, vernachlässigt und gesamtwirtschaftliche Folgewirkungen einer gleichzeitigen exzessiven Konsolidierungsoffensive in mehreren Staaten unterschätzt. Literatur Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik (2005) Memorandum 2005. Sozialstaat statt Konzern-Gesellschaft, Köln. Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik (2008) Memorandum 2008. Neuverteilung von Einkommen, Arbeit und Macht ; Alternativen zur Bedienung der Oberschicht, Köln. Bajohr, Stefan (2007) Grundriss staatliche Finanzpolitik. Eine praktische Einführung. 2., aktualisierte Aufl. Wiesbaden. Deutsche Bundesbank (2011) Anforderungen an die Konjunkturbereinigung im Rahmen der neuen Schuldenregel, in: Monatsbericht 63/1, 59-64. Domar, Evsey D. (1979) »Staatsschuldenbelastung« und Volkseinkommen, in: Ewald Nowotny (Hg.) Öffentliche Verschuldung, Stuttgart, 95-107. Eicker-Wolf, Kai/ Himpele, Klemens (2011) Die Schuldenbremse als politisches Projekt, in: PROKLA 163, 195-213. Fricke, Thomas (2011) An deutschem Blödsinn genesen, in: Financial Times Deutschland, 18. 02. 2011. Gandenberger, Otto (1979) Die Wirkung des öffentlichen Kredits auf die Einkommensverteilung, in: Ewald Nowotny (Hg.) Öffentliche Verschuldung, Stuttgart, 138-144. Helmedag, Fritz (2004) Ist das starre Festhalten an den Maastricht-Kriterien sinnvoll ? In: Wirtschaftsdienst 84/9, 601-604. Himpele, Klemens (2010) Die Umsetzbarkeit der Schuldenbremse in den Ländern. Studie im Auftrag der Fraktionsvorsitzendenkonferenz der LINKEN, Wien. Himpele, Klemens/ Recht, Alexander (2009) Möglichkeiten und Grenzen von Steuerpolitik, in: PROKLA 154, 9-26. www.kurswechsel.at Kurswechsel 1 / 2012 : 47–59 K. Himpele, A. Recht : Sparen – nach deutschem Vorbild ? 59 Hodrick, Robert J./ Prescott, Edward C. (1997) Postwar US business cycles. An empirical investigation, in: Journal of money, credit and banking 29/1, 1-16. Horn, Gustav A. (2009) Ist die Schuldenbremse eine Wachstumsbremse ? In: Vereinte Dienst­ leistungs­gewerkschaft (Hg.) Investitionen in die Zukunft statt Schuldenbremse. Was ist zu tun ? Berlin, 20-24. Kromphardt, Jürgen (1998) Arbeitslosigkeit und Inflation. Eine Einführung in die makroöko­ nomischen Kontroversen. 2., neubearb. Göttingen. Recht, Alexander/ Werner, Alban (2010) Aufgaben und Instrumente demokratischer Planung, in: Das Argument 286, 181-194. Zinn, Karl Georg (1998) Makroökonomie. Einführung in die Einkommens- und Beschäftigungs­ theorie (Allgemeine Volkswirtschaftslehre III). Aachen. Zinn, Karl Georg (2002) Konjunktur und Wachstum. 5., aktualisierte Aufl. Aachen. Anmerkungen 1 Deutsche Bundesregierung: »Wir sparen für die Zukunft«, URL: http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2010/11/2010-11-24-haushalt-bkin.html 2 Gemeint ist das Volkseinkommen unter Ausklammerung von Zinsen auf Staatsschulden. 3 Der österreichische Nationalrat hat am 07. 12. 2011 mit einfacher Mehrheit eine Schuldenbremse ins Bundeshaushaltsgesetz aufgenommen. Ab 2017 gilt folgende Regelung: »Der Bundeshaushalt ist auszugleichen. Diesem Grundsatz ist entsprochen, wenn das strukturelle Defizit des Bundes 0,35 Prozent des nominellen Bruttoinlandsproduktes nicht übersteigt.« Österreich folgt damit der deutschen Regelung, die Umsetzung ist jedoch noch zu klären. 4 In Deutschland wird jedoch eine Produktionsfunktion vom Typ Cobb-Douglas zur Schätzung der Produktionslücke eingesetzt, siehe Verordnung über das Verfahren zur Bestimmung der Konjunkturkomponente nach § 5 des Artikel-115-Gesetzes (Artikel-115-Verordnung). 5 Die Verschiedenheit der Methoden bei der Konjunkturbereinigung und der Berechnung der Budgetsensitivität öffnet Spielräume für Willkür bei der Ermittlung struktureller Defizite (Fricke 2011). Kurswechsel 1 / 2012 : 47–59 www.kurswechsel.at