1 – Elektrische Ladung und elektrisches Feld 1.1 – Statische Elektrizität; Ladungserhaltung Das Wort Elektrizität stammt vom griechischen Wort Elektron (Bernstein). Bereits in der Antike war bekannt, dass das Reiben von Bernstein mit einem Tuch den Zustand des Bernsteins so verändert, dass es kleine Partikel (Staub, Papierstückchen) anzieht. Wir nennen dies heute statische Elektrizität. Durch Reibung kommt es zur Ladungstrennung. Wieviel verschiedene Typen von Ladung gibt es? Reiben von Gummi mit einem Tuch und reiben von Glas mit einem Tuch führt zu Ladungen auf dem Gummi und dem Glas, die zur gegenseitigen Anziehung führen. Zwei geriebene Gummistäbe oder zwei geriebene Glasstäbe aber stoßen sich ab. Ergo, muss es (mind.) zwei Typen von Ladung geben. Tatsächlich wissen wir heute: Es gibt zwei Arten von Ladung: Positiv und Negativ [ Niemand weiss warum!] (nach Benjamin Franklin (1706­1790) trägt der geladene Glasstab eine positive Ladung) ● Gleichnamige Ladungen stoßen sich ab, ungleichnamige ziehen sich an ● Ladung ist im abgeschlossenen System eine Erhaltungsgröße. ● 1.2 – Elektrische Ladung im Atom Elektrische Ladung hat ihren Ursprung im Aufbau der Atome. Dieses besteht – grob gesagt – aus einem positiv geladenen Atomkern (innere Struktur: Protonen und Neutronen), sowie einer negativ geladenen Hülle (Elektronen). Alle Protonen und Elektronen tragen Ladungen vom gleichen Betrag, aber von entgegengesetztem Vorzeichen. Das Neutron trägt keine Ladung. Elektronen und Protonen kommen in gleicher Zahl vor. Das Atom ist deshalb ladungsneutral. Ladungstrennung durch Reibung bedeutet die Abtrennung eines (oder einiger) Elektronen aus der Elektronenhülle. Zurück bleibt ein positiv geladener Ionenrumpf. Übrigens: Dieser Zustand der Ladungstrennung ist nicht stabil. In der Luft enthaltene Ionen (in der Regel positiv geladen) können beispielsweise vom nach Reibung negativ geladenen Gummistab angezogen werden und die Ladung neutralisieren. Öfter noch geben geladene Körper ihre Ladung an Wassermoleküle in der Luft ab. H2O ist nämlich ein polares Molekül. ­­ O ­ ­ +++ ­ H + H + 1.3 – Isolatoren und Leiter Verbinden wir zwei identische Metallkugeln, eine geladen und die andere nicht, mit einem Metallnagel, so finden wir anschließend auf beiden Kugeln die gleiche Ladungsmenge – nämlich jeweils die Hälfte der ursprünglich auf der einen Kugel vorhandenen Ladung. Verwenden wir aber einen Gummistab oder ein trockenes Stück Holz zur Verbindung der Kugeln, so wird sich die geladene Kugel nicht merklich entladen. Offensichtlich ist ein Metallnagel ein elektrischer Leiter, Gummi und Holz aber sind Isolatoren. Genau gesagt sind Isolatoren nur extrem schlechte Leiter. Zwischen den Leitfähigkeiten guter Leiter (wie die Metalle) und guter Isolatoren (wie Diamant) liegen viele Größenordnungen. Eine Zwischenstellung nehmen die Halbleiter (wie Silizium und Germanium) ein. Diese sind außerdem dotierbar und damit ist ihre Leitfähigkeit “einstellbar”. Auf atomarer Skala betrachtet ist Leitfähigkeit eine Folge reduzierter Bindungsstärke der äußersten Hüllenelektronen ans Atom. Sie werden (unter Energiegewinn) “freigesetzt” und somit beweglich. In Halbleitern und insbesondere Isolatoren erfordert diese Freisetzung eine äußere Energiezufuhr (beispielsweise durch Wärme oder Licht). 1.4 – Induzierte Ladung; Elektroskop Bringen wir ein positiv geladenes Metallobjekt in Kontakt mit einem ungeladenen, so fließen Elektronen vom ungeladenen Objekt zum positiv geladenen. Sie spüren eine Anziehungskraft. Beide Objekte tragen anschließend Ladung vom gleichen Vorzeichen. Bringen wir nun ein positiv geladenes Objekt in die Nähe (ohne Berührung!) eines Endes eines Metallstabes, so kann keine Ladung fließen. Dennoch aber werden die Elektronen im Stab eines Anziehungskraft spüren und sich an diesem Stabende anhäufen. Die Ionenrümpfe, die sich nicht bewegen können, bleiben zurück und bilden am anderen Stabende netto eine positive Überschussladung. Ladung wurde also an den Stabenden induziert. Würde man den Stab nun in der Mitte durchbrechen, so hätte man zwei entgegengesetzt geladene Metallstäbe. Mittels eines Elektroskops lassen sich sowohl induzierte als auch mittels Kontakt übertragene Ladungen nachweisen. Im Elektroskop sind zwei bewegliche, leitende Metallplättchen rotierbar an einem Metallstab befestigt. Metallkugel Isolator Metallplättchen ++ + ++ ++ Nachweis der Ladungsinduktion Bringen wir ein positiv geladenes Objekt nahe an die Metallkugel, so wird in dieser eine negative Ladung induziert. Dies entsteht durch Abfluss von Elektronen aus den beweglichen Plättchen. Diese bleiben damit positiv geladen zurück und stoßen sich ab. ­­­­ + + ++ ++ + ++ Nachweis der Ladungsübertragung durch Kontakt Bringen wir ein positiv geladenes Objekt in Kontakt mit der Metallkugel, so wird in diese einen Teil der positiven Ladung des Objekts durch hinüberfließen von Elektronen kompensieren. Elektronen fließen von den Plättchen nach. Diese bleiben damit wiederum positiv geladen zurück und stoßen sich ab. + +++ + + + 1.5 – Coulombsches Gesetz Offen ist noch die Frage, welche Faktoren die Kraft zwischen den Ladungen beeinflussen. Charles Coulomb (1736­1806) studierte die Kräfte zwischen geladenen Körpern über eine Drehmomentwaage. Er verwendete für die Metallkugeln der Waage und des Induktions­ bzw. Kontakstabes gleiche Abmessungen und Materialien. Aus Symmetriegründen, so schloss er, konnte er damit stets Ladungshalbierungen erreichen, wenn er eine geladene Kugel mit einer ungeladenen in Aufhängung Kontakt brachte. Coulomb fand: Faser + + Die Kraft zwischen den geladenen Kugeln ist proportional zum Produkt der Ladungsmengen ● Die Kraft ist umgekehrt proportional zum Abstandsquadrat der Ladungen ● F =k Q1Q2 r2 Neben dem Betrag der Kraft ist ihre Richtung wesentlich: Die Richtung der Kraft ist stets entlang der Verbindungslinie der Ladungen. Man weiss heute durch präzise Messungen das der Exponent n in der 1/rn­Abhängigkeit des Coulomb­Gesetzes 2 ist mit einer Genauigkeit von 1 zu 1016 ( d.h., n=2±1∙10­16 ). Im SI­Einheiten­System ist die Einheit der Ladung das Coulomb C: 1 C = 1 A∙s. Die Konstante k nimmt dann den Wert 1/40 an, mit der Dielektrizitätszahl des Vakuums 0=8.85∙10­12 C2/Nm2. Im cgs­System ist k=1, was auf den ersten Blick einfacher erscheint. Allerdings werden wir noch Gleichungen kennenlernen, die die Vorteile des SI­Systems deutlich machen. Die Ladungsmengen, die man durch Reibung (bpsw. beim Kämmen) trennen kann liegen bei typisch 1 µC. Beliebig klein machen kann man Ladungsmengen nicht. Ihre kleinste Einheit ist die Ladungsmenge eines Elektrons, nämlich die Elementarladung e = 1.602∙10­19 C. Wir halten fest: Die elektrische Ladung ist quantisiert. Die innere Struktur der subnuklearen Partikel (wie Protonen) besteht aus Quarks. Diese haben Ladungen von e/3 oder 2e/3. Wir schreiben das Coulomb­Gesetz nun vollständig im SI­System: F12= 1 Q 1 Q 2 r21 4 0 r 221 r 21 Dabei haben wir noch den Einheitsvektor r21/r21 eingeführt, der entlang der Verbindungslinie zwischen den Ladungen gerichtet ist. F12 meint die Kraft auf Ladung Q1 ausgeübt von Ladung Q2. r21 zeigt von der “Quellladung” Q2 zur Ladung Q1. Gibt es mehrere Ladungen, so ist die Gesamtkraft auf eine Ladung die Vektorsumme der Kräfte, die alle anderen Ladungen ausüben. Dies ist das Prinzip der Superposition. y F F31 Q3 > 0 F32 Q1 > 0 Q2 < 0 x 1.6 – Elektrisches Feld Gravitation und elektrisches Feld wirken über eine Distanz, ohne das die Objekte sich berühren müssen. Diese Fernwirkung lässt sich elegant über den Feldbegriff erklären. Nach Michael Faraday (1791­1867) erzeugt jede Ladung ein elektrisches Feld. Dieses Feld durchdringt den ganzen Raum. Befindet sich eine zweite Ladung in diesem Feld, so verspürt sie eine Kraft. Lokale Testmessungen des Feldes (über seine Kraftwirkung) lassen sich im Prinzip mit einer kleinen positiven Testladung q durchführen. Klein heisst, das die Testladung das Feld, das sie messen soll nicht wesentlich modifiziert. Wir definieren das Feld E über seine Kraftwirkung auf die Testladung: =F /q E Präziser formuliert ergibt sich E aus dem Grenzübergang q gegen 0. Damit wird die Definition des elektrischen Feldes von der Testladung unabhängig. E wird zu einer Eigenschaft des Raumes. Aus dem Coulomb­Kraftgesetz folgt das Feld E am Ort r erzeugt von einer einzelnen Punktladung Q=Q1 durch die Identifikation Q2 = q: r = E 1 Q r 4 0 r 2 r Auch für die Felder gilt das Superpositionsprinzip. Wir halten deshalb als allgemeine Strategie zum Lösen von Aufgaben aus der Elektrostatik fest: Problemlösung ­ Elektrostatik 1. Zeichne ein Diagramm aller auf das Objekt wirkenden Kräfte bzw. der am Ort des Objekts herrschenden Felder. 2. Bestimme unter Verwendung des Coulomb­Gesetzes den Betrag der Kräfte bzw. Felder. 3. Bestimme die Richtung aller Kräfte bzw. Felder (Vorzeichen der Ladung!). 4. Addiere vektoriell alle Kräfte bzw. Felder. 5. Nutze Symmetrien soweit das möglich ist. 1.7 – Elektrisches Feld kontinuierlicher Ladungsverteilungen Oftmals sind Ladungen kontinuierlich verteilt, bspw. auf der Oberfläche einer Metallkugel. In diesem Fall ermittelt man den Beitrag dE zum Feld durch eine infinitesimale Ladungsmenge dQ und integriert über all diese Beiträge: dE r = 1 dQ r ' E =∫ d E 2 4 0 r Vor dem Übergang zur Integration muss man sich natürlich über die Richtung von dE im klaren sein. Das lässt sich bei Problemen mit hoher Symmetrie in der Geometrie leicht sehen. Im komplizierteren Fällen gibt es alternative Techniken, die wir noch kennenlernen werden. Hörsaal­Übung: Elektrisches Feld auf der Achse einer ringförmigen Ladungsverteilung 1.8 – Feldlinien Das elektrische Feld ist ein Vektorfeld. Wir könnten dies durch das Zeichnen der Feldvektoren an verschiedenen Stellen für eine gegebene Ladungsverteilung andeuten. Das wird schnell unübersichtlich. Wir verwenden deshalb Feldlinien: Wir zeichnen zunächst eine Reihe von Linien, die die Richtung der an den jeweiligen Orten wirkenden Kräfte auf eine positive Testladung angeben. Es genügen in der Regel einige wenige representative Linien. ● Die Zahl der an einer positiven Ladung entspringenden oder in einer negativen Ladung mündenden Feldlinien ist zur Ladungsstärke proportional zu wählen. ● Eine weitere Eigenschaft der Feldlinienbilder ist, das ihre Dichte in der Nähe der Ladungen zunimmt. Dort ist auch die Feldstärke höher. Wir halten fest: die Dichte der Feldlinien bestimmt die Stärke des Feldes. Tatsächlich kann sichergestellt werden, dass die Zahl der Feldlinien, die eine Einheitsfläche durchdringen, proportional zum Betrag des Feldes am Ort der Einheitsfläche ist. ● Positive Punktladung Symmetrischer Dipol Wir halten die folgenden Eigenschaften der Feldlinienbilder fest: Feldlinien kennzeichnen die Richtung des elektrischen Feldes; das Feld zeigt in Richtung der Tangenten zu den Feldlinien. ● Die Linien sind so zu zeichnen, dass die Stärke des elektrischen Feldes proportional zur Zahl der Linien ist, die eine Einheitsfläche senkrecht schneiden. Je dichter die Linien, desto stärker das Feld. ● Feldlinien beginnen an positiven und enden in negativen Ladungen; die Zahl der Linien ist der Ladungsstärke proportional. ● Elektrische Feldlinien kreuzen sich nicht. ● Das Kreuzen von Feldlinien ist verboten, denn sich kreuzende Feldlinien implizieren zwei verschiedene Feldrichtungen am selben Raumpunkt. 1.9 – Elektrische Feld und Leiter Wir halten gleich fest: Im statischen Fall verschwindet das elektrische Feld im Innerns eines Leiters. Gäbe es ein Feld, so würden sich die Leitungselektronen solange bewegen, bis sie eine Position fänden, an der das elektrische Feld verschwindet. Daraus ergeben sich einige Schlussfolgerungen: Jede Zusatzladung auf einem Leiter verteilt sich auf der Leiteroberfläche. ● Der Vektor des elektrischen Feldes steht senkrecht auf der Leiteroberfläche. ● E=? ­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­ Stichwort: Faraday­Käfig! +++++++++++++++++++++ Wie ist demnach die Antwort auf die Frage: Welches elektrisches Feld herrscht im Innern eines hohlen Metallkastens in einem äußeren elektrischen Feld? 1.10 – Bewegung geladener Teilchen im elektrischen Feld Bewegt sich ein geladenes Partikel (Ladung q) in einem Raumgebiet mit elektrischer Feldstärke E, so erfährt es die Kraft: F =q E Das ist die Umkehrung unserer Definition des Feldes. Gehen wir also davon aus, dass das Feld E bekannt sei. Welche Bewegung beschreibt dann das Partikel mit Ladung q? ­e ++++++++++ ++++++++++ ­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­ Hörsaal­Übung: Ein Elektron wird durch das homogene elektrische Feld E zwischen den Platten eines Plattenkondensators beschleunigt. Eine der Platten ist durchbohrt, so dass das Elektron dort austreten kann. Wie groß ist seine Austrittsgeschwindigkeit? 1.11 – Elektrische Dipole Die Anordnung zweier gleich großer Ladungen +Q und ­Q im Abstand l nennt man einen elektrischen Dipol. Das Produkt p=Ql ist das Dipolmoment. Das Dipolmoment ist ein Vektor. Er zeigt von der negativen zur positiven Ladung: l =Q l p p ­ + Die Bedeutung des Dipols rührt daher, dass viele Moleküle ein Dipolmoment besitzen (bpsw. CO (C: positive Teilladung, O: negative Teilladung)). Diese Moleküle sind polar. Auch das Wassermolekül hat aufgrund seiner gewinkelten Struktur ein Dipolmoment. p1 H+ O­­ H+ p2 Allgemeiner formuliert ist das Dipolmoment, neben dem Monopol, das zweite Element einer systematischen Entwicklung beliebiger Ladungsverteilungen in immer höhere Multipolordnungen, die sogenannte Multipolentwicklung. Das nächst höhere Multipolelement ist das Quadrupolmoment. Es wird aus vier diskreten Ladungen gebildet. p 104° Auch Anordnungen mit zwei gleichnamigen Ladungen besitzen ein Dipolmoment. Dipole im homogenen elektrischen Feld Im homogenen elektrischen Feld erfährt ein elektrischer Dipol keine Kraft, allerdings erfährt er ein Drehmoment: =2×QE 1 sin=pEsin 2 F+=QE +Q p Dieses Drehmoment versucht, den Dipol parallel zu E einzustellen. F­=QE 0 ­Q Das lässt sich kompakter in Vektorform schreiben: ×E =p Durch das elektrische Feld wird am Dipol Arbeit geleistet, hier W = ­d: 2 2 1 1 W =−∫ d =−pE ∫ sind =pE cos2 −cos1 Für W>0 (Arbeit vom Feld geleistet) sinkt die potentielle Energie U des Dipols im Feld. Wählen wir U=0 für p senkrecht E, so gilt im homogenen Feld also auch: ⋅E U =−W =−pE cos=−p Vom Dipol erzeugtes elektrisches Feld Das von einem Dipol erzeugt elektrische Feld erhalten wir durch Anwendung des Superpositionsprinzips für die Felder der beiden Ladungen des Dipols: E = E+ + E­ Wir erleichtern uns die Arbeit und betrachten nur die Punkte r, die senkrecht auf der Hälfte der Strecke zwischen den beiden Ladungen stehen: y 1 Q E +=E ­= 4 0 r 2l 2 /4 E+ E Die y­Komponenten der Felder heben sich auf (Symmetrie!). Die x­Komponenten addieren sich. Wir erhalten also: E­ l /2 1 p E =2 E + cos=2 E + 2 2 = r l /4 4 0 r 2l 2 / 43/ 2 r Was ergibt sich in großem Abstand r >> l ? Man sieht leicht: ­Q E ∞= 1 p 4 0 r 3 x l/2 0 l/2 +Q Das Dipolfeld fällt also schneller ab als das Feld einer Punktladung. Die Felder der beiden ungleichnamigen Ladungen kompensieren sich teilweise.