Gesetz der großen Zahlen Marie Reichstein Technische Universität Wien 19. Jänner 2012 M. Reichstein Seminar 2011 Übersicht Geschichte Fragestellung schwaches Gesetz der großen Zahlen starkes Gesetz der großen Zahlen Null-Eins-Gesetze Anwendungen M. Reichstein Seminar 2011 Geschichte Das Gesetz der großen Zahlen wird der Stochastik in der Mathematik zugeschrieben. wichtige Mathematiker zu diesem Thema: -) -) -) -) Jakob Bernoulli (1654-1705) Émile Borel (1871-1956) Alexander Jakowlewitsch Khintchine (1894-1959) Andrei Nikolajewitsch Kolmogorov (1903-1987) M. Reichstein Seminar 2011 Münzbeispiel Die relativen Häufigkeiten nähern sich der Wahrscheinlichkeit p an. P n P = nXi → p ⇔ lim n1 (Xi − IE(Xi )) = 0 n→∞ i=1 M. Reichstein Seminar 2011 Münzbeispiel Die relativen Häufigkeiten nähern sich der Wahrscheinlichkeit p an. P n P = nXi → p ⇔ lim n1 (Xi − IE(Xi )) = 0 n→∞ Anzahl der Würfe 100 1000 10000 i=1 Kopf theoretisch beobachtet 50 48 500 491 5000 4970 Verhältnis theoretisch beobachtet 0,5 0,48 0,5 0,491 0,5 0,497 M. Reichstein Seminar 2011 absoluter relativer Abstand Abstand 2 0,02 9 0,009 30 0,003 Fragestellung Unter welchen Bedingungen an die Folge von Zufallsvariablen konvergiert das arithmetische Mittel, in welchem Sinne konvergiert es und gegen welchen Grenzwert? M. Reichstein Seminar 2011 Fragestellung Unter welchen Bedingungen an die Folge von Zufallsvariablen konvergiert das arithmetische Mittel, in welchem Sinne konvergiert es und gegen welchen Grenzwert? Unterscheidung aufgrund der Konvergenzart und der Art der Voraussetzungen an die zugrunde liegenden Zufallsgrößen in das schwache und das starke Gesetz der großen Zahlen. M. Reichstein Seminar 2011 stochastische Konvergenz Xi heißt stochastisch konvergent gegen X, falls ∀ > 0 gilt: M. Reichstein Seminar 2011 stochastische Konvergenz Xi heißt stochastisch konvergent gegen X, falls ∀ > 0 gilt: Gültigkeit lim P(|Xi − X | ≥ ) = 0 i→∞ M. Reichstein Seminar 2011 fast sichere Konvergenz Xi heißt fast sicher konvergent gegen X, falls gilt: M. Reichstein Seminar 2011 fast sichere Konvergenz Xi heißt fast sicher konvergent gegen X, falls gilt: Gültigkeit P( lim Xi = X ) = 1 i→∞ M. Reichstein Seminar 2011 Konvergenzarten M. Reichstein Seminar 2011 schwaches Gesetz der großen Zahlen Das schwache Gesetz der großen Zahlen genügt der stochastischen Konvergenz. M. Reichstein Seminar 2011 schwaches Gesetz der großen Zahlen Das schwache Gesetz der großen Zahlen genügt der stochastischen Konvergenz. Gültigkeit P lim P(| n1 Xi − p| ≥ ) = 0 M. Reichstein Seminar 2011 Satz von Khintchine Annahmen sind: -)Zufallsvariablen integrierbar -)Zufallsvariablen paarweise unkorreliert n P -) lim n12 V (Xi ) = 0 n→∞ i=1 Satz Gelten diese drei Annahmen so gilt das schwache Gesetz der großen Zahlen. M. Reichstein Seminar 2011 starkes Gesetz der großen Zahlen Das starke Gesetz der großen Zahlen genügt der fast sicheren Konvergenz. M. Reichstein Seminar 2011 starkes Gesetz der großen Zahlen Das starke Gesetz der großen Zahlen genügt der fast sicheren Konvergenz. Voraussetzungen (Xn )n∈N identisch verteilt, unabhängig, IE(Xn ) = µ, V (Xn ) = σ 2 < ∞ n P ⇒ lim n1 Xk = µ f.s. n→∞ k=1 M. Reichstein Seminar 2011 Satz von Etemadi Annahmen sind: -)Zufallsvariablen integrierbar -)Zufallsvariablen haben jeweils dieselbe Verteilung -)je zwei Zufallsvariablen unabhängig Satz Gelten diese drei Annahmen so gilt das starke Gesetz der großen Zahlen. M. Reichstein Seminar 2011 Kriterium für das starke Gesetz der großen Zahlen Eine Folge (Xn )n∈N von reellen Zufallsvariablen genügt dem starken Gesetz der großen Zahlen, wenn die Folge unabhängig ist, quadratisch ∞ P n−2 V (Xn ) < ∞. integrierbar ist und n=1 Dann folgt nämlich: 1 n n P (Xi − IE(Xi )) → 0 f.s. i=1 M. Reichstein Seminar 2011 Kolmogorovsches Gesetz Fordert man die Unabhängigkeit der gesamten Folge anstatt nur der paarweisen Unabhängigkeit, so ergibt sich das Gesetz von Kolmogorov. Satz Jede unabhängige Folge integrierbarer, identisch verteilter und reeller Zufallsvariablen genügen dem starken Gesetz der großen Zahlen. M. Reichstein Seminar 2011 0-1-Gesetz von Borel-Cantelli Bei einer unabhängigen Folge von Ereignissen (An )n∈N gilt, dass die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten unendlich vieler dieser An entweder 0 oder 1 ist. Annahme P P(An ) < ∞ ⇒ P(lim sup An ) = 0 n→∞ M. Reichstein Seminar 2011 0-1-Gesetz von Borel-Cantelli Bei einer unabhängigen Folge von Ereignissen (An )n∈N gilt, dass die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten unendlich vieler dieser An entweder 0 oder 1 ist. Annahme P P(An ) < ∞ ⇒ P(lim sup An ) = 0 n→∞ oder Annahme P P(An ) = ∞ ⇒ P(lim sup An ) = 1 n→∞ M. Reichstein Seminar 2011 Kolmogorovsches 0-1-Gesetz τn := σ(∪∞ m=n Am ) die durch An , An+1 , .. erzeugte σ-Algebra. τ∞ := ∩∞ n=1 τn bezeichnet nun die σ -Algebra der terminalen Ereignisse der Folge (An )n∈N . M. Reichstein Seminar 2011 Kolmogorovsches 0-1-Gesetz τn := σ(∪∞ m=n Am ) die durch An , An+1 , .. erzeugte σ-Algebra. τ∞ := ∩∞ n=1 τn bezeichnet nun die σ -Algebra der terminalen Ereignisse der Folge (An )n∈N . (An )n∈N unabhängige Folge von σ-Algebren (An )n∈N ⊂ A ⇒ Für jedes terminale Ereignis X der Folge gilt, dass entweder P(X ) = 0 oder P(X ) = 1 M. Reichstein Seminar 2011 0-1-Gesetz von Hewitt-Savage Menge A ∈ B permutierbar bezüglich X ⇔ 1A permutierbar Anders angeschrieben bedeutet das, dass {τ X ∈ A} = {X ∈ A} ∀ endlichen Permutationen τ von N M. Reichstein Seminar 2011 0-1-Gesetz von Hewitt-Savage Menge A ∈ B permutierbar bezüglich X ⇔ 1A permutierbar Anders angeschrieben bedeutet das, dass {τ X ∈ A} = {X ∈ A} ∀ endlichen Permutationen τ von N (Xn )n∈N unabhängig und identisch verteilte Folge reeller Zufallsvariablen ⇒ so gilt für jede bezüglich X = ∞ N Xn permutierbare Menge A ∈ B, n=1 dass P{X ∈ A} = PX (A) = 0 oder PX (A) = 1 M. Reichstein Seminar 2011 Konsistente Schätzung von Erwartungswert und Varianz Seien X1 , X2 , .. identisch verteilte Zufallsvariablen, die unabhängig sind mit IE(Xi )2 < ∞, so gilt: Schätzungen 1) Erwartungswert: Sn = n1 Sn → IE(X1 ) f.s n P 1 2) Varianz: Sn2 = n−1 (Xi − Sn )2 → σ 2 f.s i=1 M. Reichstein Seminar 2011 Monte-Carlo-Methode Starkes Gesetz der großen Zahlen um eine Näherung des Integralwerts R fdλ zu erhalten. M. Reichstein Seminar 2011 Monte-Carlo-Methode Starkes Gesetz der großen Zahlen um eine Näherung des Integralwerts R fdλ zu erhalten. Unabhängige auf [0, 1] identisch verteilte Zufallsvariablen X1 , Y1 , X2 , Y2 , ... Zn := 1{Xn ≤f (Yn )} ∀n ∈ N R1 ⇒ IEZ1 = P(X1 ≤ f (Y1 )) = f (y )λ(dy ) 0 M. Reichstein Seminar 2011 Monte-Carlo-Methode Starkes Gesetz der großen Zahlen um eine Näherung des Integralwerts R fdλ zu erhalten. Unabhängige auf [0, 1] identisch verteilte Zufallsvariablen X1 , Y1 , X2 , Y2 , ... Zn := 1{Xn ≤f (Yn )} ∀n ∈ N R1 ⇒ IEZ1 = P(X1 ≤ f (Y1 )) = f (y )λ(dy ) 0 n P 1 Zk n n→∞ k=1 Mit starkem Gesetz der großen Zahlen ⇒ lim M. Reichstein Seminar 2011 = R1 0 f (y )λ(dy ) f.s Relative Häufigkeit des Auftretens von Ziffern in der Zahlentheorie x ∈ [0, 1] x = 0, 1 2 ... oder x = ∞ P i=1 i (x) 2i ⇒ Wie groß ist die relative Häufigkeit der Ziffer 1 in der Folge 1 , 2 , ..? ges.:Grenzwert der Folge vn n t-adische Entwicklung ⇒ x = ∞ P i=1 (t) i (x) ti M. Reichstein Seminar 2011 Relative Häufigkeit des Auftretens von Ziffern in der Zahlentheorie (t) ψk,n (x) = (t) ( (t) ϕi,k (x) = (t) (t) ϕ1,k (x)+ϕ2,k (x)+...+ϕn,k (x) , n wobei (t) 1 für i (x) = k (t) 0 für i (x) 6= k M. Reichstein Seminar 2011 Relative Häufigkeit des Auftretens von Ziffern in der Zahlentheorie (t) ψk,n (x) = (t) ( (t) ϕi,k (x) = (t) (t) ϕ1,k (x)+ϕ2,k (x)+...+ϕn,k (x) , n wobei (t) 1 für i (x) = k (t) 0 für i (x) 6= k (t) Zahl x ∈ [0, 1] heißt normal, falls lim ψk,n (x0 ) = n→∞ (t) ϕi,k (x) unabhängig und R1 (t) ϕn,k (x)dx = 0 1 t 1 t ⇒ fast jedes x ∈ [0, 1] ist normal (starkes Gesetz der großen Zahlen) M. Reichstein Seminar 2011 Approximationsatz von Weierstrass Jede stetige reelle Funktion f auf einem kompakten Intervall [a, b] ⊂ R kann gleichmäßig durch Polynome approximiert werden. M. Reichstein Seminar 2011 Approximationsatz von Weierstrass Jede stetige reelle Funktion f auf einem kompakten Intervall [a, b] ⊂ R kann gleichmäßig durch Polynome approximiert werden. Bernsteinpolynome n P Bnf (x) = f ( kn ) kn x k (1 − x)n−k k=0 ⇒ Die Folge der Bernsteinpolynome einer stetigen Funktion f auf dem Intervall [0, 1] konvergiert gleichmäßig gegen f . Mit starkem Gesetz der großen Zahlen: ⇒ Sn∗ = n1 Sn → p f.s für p ∈ [0, 1]. M. Reichstein Seminar 2011 Grenzverhalten von Summenvariablen Sn := X1 + ... + Xn , wobei S0 := 0 und IE(Xn ) = µ M. Reichstein Seminar 2011 Grenzverhalten von Summenvariablen Sn := X1 + ... + Xn , wobei S0 := 0 und IE(Xn ) = µ µ>0 1 n Sn → µ f.s. ⇒ lim Sn = ∞ f.s. n→∞ M. Reichstein Seminar 2011 Grenzverhalten von Summenvariablen Sn := X1 + ... + Xn , wobei S0 := 0 und IE(Xn ) = µ µ>0 1 n Sn → µ f.s. ⇒ lim Sn = ∞ f.s. n→∞ µ<0 lim Sn = −∞ f.s. n→∞ M. Reichstein Seminar 2011 Grenzverhalten von Summenvariablen Sn := X1 + ... + Xn , wobei S0 := 0 und IE(Xn ) = µ µ>0 1 n Sn → µ f.s. ⇒ lim Sn = ∞ f.s. n→∞ µ<0 lim Sn = −∞ f.s. n→∞ µ=0 P 1 → n Sn − ∞ P ⇒ 0 ⇒ P{|Sn | < n} > 12 , ∀ > 0 ∀n ≥ n0 . P{|Sn | < 1} = ∞. n=0 lim inf Sn = −∞ und lim sup Sn = ∞ n→∞ n→∞ M. Reichstein Seminar 2011 Grenzverhalten von Summenvariablen Äquivalente Punkte: (a) µ = 0 ∞ P P{|Sn | < } = ∞ (b) ∀ > 0 ⇒ n=1 (c) ∀ > 0 ⇒ P{|Sn | < für unendlich viele n} = 1 (d) −∞ = lim inf Sn < lim sup Sn = ∞ f.s n→∞ n→∞ M. Reichstein Seminar 2011 Grenzverhalten von Summenvariablen Äquivalente Punkte: (a) µ = 0 ∞ P P{|Sn | < } = ∞ (b) ∀ > 0 ⇒ n=1 (c) ∀ > 0 ⇒ P{|Sn | < für unendlich viele n} = 1 (d) −∞ = lim inf Sn < lim sup Sn = ∞ f.s n→∞ n→∞ Punkt x rekurrent ⇔ Irrfahrt nähert sich dem Punkt x = 0, bis auf ein beliebig vorgebbares > 0 unendlich oft. µ>0 transiente Irrfahrten µ<0 M. Reichstein Seminar 2011 Literaturverzeichnis Heinz Bauer Wahrscheinlichkeitstheorie Walter de Gruyter, 1991, 4.Auflage Revesz Pal Die Gesetze der grossen Zahlen Birkhäuser Verlag Basel und Stuttgart, 1968 M. Reichstein Seminar 2011 Danke M. Reichstein Seminar 2011