U NSER KOSMOS Das Moderne Weltbild der Astronomie Max Camenzind http://www.lsw.uni-heidelberg.de/users/mcamenzi Senioren-Universität, Würzburg 24. Januar 2010 i Vorwort Als Universum (von lateinisch: universus gesamt, von unus und versus in eins gekehrt) wird allgemein die Gesamtheit aller Dinge bezeichnet. Im Speziellen meint man damit den Weltraum, auch als Weltall oder Kosmos bezeichnet. Die Geschichte der Astronomie umfasst zeitlich die gesamte Kulturgeschichte der Menschheit. Die Astronomie wandelte sich von der blossen Kunde der Beobachtung des Sternenhimmels und seiner Zyklen über die klassisch-geometrische Astronomie, deren älteste Teilgebiete die Positionsastronomie und Ephemeridenrechnung sind, bis hin zur modernen Astrophysik. Die Astronomie bestimmt das Selbstbild des Menschen und seine Auffassung von seiner Stellung im Universum mit, heutzutage vor allem durch die Diskussionen über die Entstehung des Universums und die Suche nach bewohnbaren Planeten und Leben außerhalb des Sonnensystems der Erde. Unser Weltbild hat in den letzten Jahrtausenden einen drastischen Wandel durchgemacht und das nicht immer in eine Richtung. Am Beginn aller Zeit dachten sich die Menschen auf einer flachen Erdscheibe lebend, die von Wasser umgeben war. Über sie wölbte sich der Himmel, an dem die Sterne angeheftet schienen. Am Horizont stiessen Himmel und Erde zusammen. Während die Erde Heimstatt der Menschen war, wohnten im Himmel die Götter. Vor allem im ersten vorchristlichen Jahrtausend veränderte sich unter dem Eindruck der astronomischen Erkenntnisse babylonischer und ägyptischer Astronomen das Weltbild allmählich. Vor allem griechische Gelehrte veränderten mit ihren Beobachtungen und Schlußfolgerungen das antike Weltbild. Den griechischen Gelehrten wurde klar, dass die Erde eine Kugel ist und manche vermuteten bereits, dass sie sich nicht fest im Mittelpunkt der Welt befindet, sondern mit den anderen Planeten um die Sonne bewegt. Im zweiten nachchristlichen Jahrhundert folgte ein gewaltiger Rückschritt. Ptolemäus schrieb in seinem Almagest der Erde die zentrale Position im Universum zu. Diese Lehrmeinung sollte bis ins 16. Jahrhundert Bestand haben. 1543 rückt Nikolaus Kopernikus die Erde aus dem Zentrum des Universums. Zusammen mit den anderen Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn dreht sie sich fortan um die Sonne. Auf diese Weise gelingt es ihm die seltsame Schleifenbahn der Planeten sehr einfach zu erklären. Das Heliozentrische Weltbild ist erschaffen. Anfang des 17. Jahrhundert liefern der italienische Astronom Galileo Galilei und der deutsche Astronom Johannes Keppler wichtige Beobachtungen für die Richtigkeit des Heliozentrischen Weltbildes. Es dauerte nochmal gut 300 Jahre, bis auch die Sonne endgültig aus dem Zentrum des Universums gerückt wird. 1929 zeigt der amerikanische Astronom Edwin P. Hubble aus der Beobachtung der Galaxienflucht die Ausdehnung des Universums von jedem Punkt aus. Dabei zeigt er auch, dass von jedem Punkt des Universums die gleiche Beobachtung gemacht würde. ii Heute sehen wir die Erde als dritten Planeten um die Sonne laufen. Das Sonnensystem selber ist Teil eines Spiralarms unserer Milchstraße in einem Abstand von 25.000 Lichtjahren vom Kern der Milchstraße. In 250 Millionen Jahren wandert die Sonne einmal um diesen Kern. Die Milchstraße ist wiederum Teil einer als Lokale Gruppe bezeichneten Galaxiengruppe, diese Teil einer noch größeren Gruppe. Selbst unser Sonnensystem ist nicht mehr einmalig. Die Zahl der bekannten Planeten bei anderen Sternen geht bereits in die hunderte und ein Ende ist nicht abzusehen. Das ganze Universum besteht aus einem Netzwerk von Galaxien mit Filamenten, Haufen und leeren Zwischenräumen. Es hat allerdings sehr lange gebraucht, bis diese Erkenntnisse mit modernen Teleskopen gewonnen werden konnten. Ein Ende ist noch nicht absehbar, aber da das Universum endlich ist, werden auch die Erkenntnisse einen Grenzwert erreichen. Eine der ungelösten Fragen des modernen Weltbildes ist die Herkunft und Entwicklung von Leben im Kosmos. Theoretisch könnte auch außerhalb der Erde auf anderen Planeten des Sonnensystems Leben existieren. So geht die exobiologische Abteilung der NASA davon aus, dass auf den Planeten Venus und Mars sowie auf einigen größeren Monden, wie denen des Jupiters – vor allem Europa, aber auch Ganymed und Kallisto – Leben existieren kann oder konnte. Eine besondere Stellung nimmt der Saturnmond Titan ein, auf dem unter einer dichten Atmosphäre aus Stickstoff und Methan Bedingungen herrschen könnten, die denen der Ur-Erde ähneln. Die relativ lebensfreundlichsten Bedingungen außerhalb der Erde scheint nach derzeitigem Kenntnisstand allerdings der nur 500 km große Saturnmond Enceladus zu bieten. Leben, so wie wir es kennen, kann sich in einem Planetensystem nur in der Ökosphäre des jeweiligen Sterns entwickeln. Die Ökosphäre ist jener Teil der kosmischen Umgebung, in der auf Planeten oder Monden flüssiges Wasser bestehen kann, welches die Entstehung und das Überleben zumindest einfacher Organismen ermöglicht. Um die Ökosphäre eines Sterns beurteilen zu können, ist es wichtig, zu wissen, welcher Spektralklasse er angehört. Als Spektralklasse bezeichnet man ein System der Harvard-Klassifikation, nach der alle Sterne nach ihrer Oberflächentemperatur und Leuchtkraft eingruppiert werden. Die Ökosphäre erstreckt sich bei Klasse G Sternen (die Sonne) in einem Bereich von 0,6 bis 1,6 AE. Für eine ausreichend stabile Ökosphäre, d.h. mit nur geringen Änderungen über mehrere Milliarden Jahre hinweg, kommen nur Sterne der Spektralklassen F – M auf der Hauptreihe in Betracht. Würzburg, Januar 2010 Max Camenzind Inhaltsverzeichnis 1 Eine Reise durchs Universum 1.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Die Strahlung in der Astronomie . . . . . 1.3 Teleskope – Werkzeuge des Astronomen . 1.3.1 Teleskoptypen und Refraktoren . 1.3.2 Spiegelteleskope . . . . . . . . . 1.3.3 Weltraumastronomie . . . . . . . 1.3.4 Hochenergieastronomie . . . . . 1.4 Das Sonnensystem . . . . . . . . . . . . 1.5 Die Milchstraße – die Welt der Sterne . . 1.6 Galaxien – die Bausteine des Universums 1.7 Die Tiefe des Universums . . . . . . . . . 1.8 Zusammenfasung . . . . . . . . . . . . . 1.9 Kontrollfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis 2 Von der Mythologie zur Kosmologie 2.1 Himmelsbeobachtungen in der Bronzezeit . . . . . 2.1.1 Lascaux . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Stonehenge . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Die Himmelsscheibe von Nebra . . . . . . 2.1.4 Das Sonnenobservatorium von Goseck . . 2.2 Astronomie der Griechen – die ersten Sternkataloge 2.3 Astronomie in der Renaissance . . . . . . . . . . . 2.4 Das 18. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Kometen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Nebel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3 Das 18. Jahrhundert – Spekulationen . . . . 2.5 Das 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.1 Die unbekannten Objekte im NGC Katalog 2.6 Das 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7 Das 21. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.1 Die zeitliche Entwicklung des Kosmos . . 1 1 2 3 3 8 13 15 15 18 18 21 23 23 25 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 28 28 29 30 32 32 35 38 38 39 39 39 41 41 45 45 iv Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 46 47 49 Galaxien – Bausteine des Universums 3.1 Die Große Debatte von 1920 . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Hubble fand die Lösung . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Unsere Milchstraße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Allgemeine Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Das Interstellare Material (ISM) . . . . . . . . . . 3.2.3 Die Rotation der Milchstraße und Dunkle Materie . 3.2.4 Das Galaktische Zentrum . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Die Lokale Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Die Hubble–Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Galaxienhaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 51 54 55 56 58 58 60 63 63 69 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 74 74 75 76 76 76 80 82 86 87 88 89 89 92 95 96 97 97 99 100 103 107 2.8 3 4 5 2.7.2 Was ist Dunkle Materie, was Dunkle Energie? . 2.7.3 Ist die Welt 4, 5 oder 11–dimensional? . . . . . 2.7.4 Die Entwicklung von Leben im Kosmos . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Vermessung des Universums 4.1 Astronomische Einheit – Urmeter der Astronomie . 4.1.1 Venustransits . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Historische Venusdurchgänge . . . . . . . 4.1.3 Veränderlichkeit der AE . . . . . . . . . . 4.2 Die Vermessung der Galaxis . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Die Parallaxe . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Das Projekt Hipparcos . . . . . . . . . . . 4.2.3 Das Projekt GAIA . . . . . . . . . . . . . 4.3 Die Cepheiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Einige Historische Bemerkungen . . . . . 4.3.2 Die Periode–Leuchtkraft Beziehung . . . . 4.4 Cepheiden und das Hubble–Gesetz . . . . . . . . . 4.4.1 Rotverschiebung der Galaxienspektren . . 4.4.2 Das Hubble–Gesetz . . . . . . . . . . . . . 4.4.3 Neue Cepheiden–Messungen . . . . . . . . 4.5 Supernovae vermessen das Universum . . . . . . . 4.5.1 Typen von Supernovae . . . . . . . . . . . 4.5.2 Supernovae Typ Ia . . . . . . . . . . . . . 4.5.3 Supernovae vom Typ II . . . . . . . . . . . 4.5.4 Historische Supernovae . . . . . . . . . . . 4.5.5 Entfernungsbestimmung mit Supernovae Ia 4.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die zeitliche Entwicklung des Universums 109 5.1 Das Kosmologische Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Inhaltsverzeichnis 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.1.1 Das Olberssche Paradoxon . . . . . . . . . . . Das Universum der Galaxien ist Homogen und Isotrop 5.2.1 Zur Geschichte der Himmelsdurchmusterungen 5.2.2 Der CfA Rotverschiebungssurvey . . . . . . . 5.2.3 2dF und der Sloan Digital Sky Survey SDSS . 5.2.4 Die Hintergrundstrahlung ist Isotrop . . . . . . Das Universum in Raum und Zeit . . . . . . . . . . . 5.3.1 Die Bedeutung der Hubble–Konstanten . . . . 5.3.2 Die Einsteinsche Gravitation . . . . . . . . . . 5.3.3 Raummodelle und FRW Metrik . . . . . . . . 5.3.4 Hubble–Gesetz und Parameter des Universums 5.3.5 ΛCDM – das Universum mit Dunkler Energie . 5.3.6 Das Hubble–Diagramm der SN Ia . . . . . . . Das Alter des Universums . . . . . . . . . . . . . . . Das Konkordanz–Modell der Modernen Kosmologie . Frühgeschichte des Universums . . . . . . . . . . . . 5.6.1 Planck-Ära und Beginn der GUT-Ära . . . . . 5.6.2 Inflationäre Phase . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6.3 Quark–Gluonen Plasma und Supersymmetrie . 5.6.4 Hadronen– und Leptonen–Ära . . . . . . . . . 5.6.5 Primordiale Nukleosynthese . . . . . . . . . . 5.6.6 Entkopplung der Hintergrundstrahlung . . . . 5.6.7 Die Dunkle Ära des Universums . . . . . . . . Die Kosmische Hintergrundstrahlung CMB . . . . . . 5.7.1 Die Entdeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7.2 Planck–Spektrum . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7.3 Anisotropien in der Hintergrundstrahlung . . . 5.7.4 Dopplerbewegung . . . . . . . . . . . . . . . 5.7.5 Temperatur–Anisotropien . . . . . . . . . . . 5.7.6 Die Mission Planck . . . . . . . . . . . . . . . Kosmoklimatologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . v . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 112 112 114 117 118 119 120 121 123 125 127 130 132 135 141 143 144 145 147 149 150 150 151 152 153 155 156 157 160 164 168 Literaturverzeichnis 173 6 175 Nachlese – das Kosmische Vergessen Das Universum in Zahlen 179 Glossar: Astronomische Begriffe der Kosmologie 181 Abbildungsverzeichnis 201 vi Index Inhaltsverzeichnis 205 1 Eine Reise durchs Universum Als Universum (von lateinisch: universus gesamt, von unus und versus in eins gekehrt) wird allgemein die Gesamtheit aller Dinge bezeichnet. Im Speziellen meint man damit den Weltraum, auch Weltall oder Kosmos bezeichnet. Wenn man in einer klaren Nacht den Himmel betrachtet, kann man ungefähr zwei tausend Sterne sehen. Im 2. Jahrhundert v. Chr. blickte Hipparchus, ein alter griechischer Astronom, in denselben Himmel und sah dieselben Sterne. Hipparchus verbrachte viele Jahre damit, die Sterne zu beobachten, und wurde einer der ersten, die eine Karte des Himmels anfertigten. Indem er seine Karte zusammen mit den Beobachtungen der alten Babylonier nutzte, entdeckte er, dass wenn man am ersten Frühlingstag jedes Jahres auf die Positionen der Sterne schaut, verschieben sie sich leicht im Vergleich zum Vorjahr. Seine Entdeckung zählt zu den größten Entdeckungen in der Geschichte der Astronomie. Aber er hätte es nicht ohne seine Karte schaffen können. Heutzutage stehen Astronomen kurz vor vielen anderen aufregenden Entdeckungen. Sie haben Objekte gefunden, die man Quasare nennt, von der Größe eines Sonnensystems, aber heller als die gesamte Galaxie, welche die am weitesten entfernten Objekte im Universum sind. Sie haben matte, schwache Sterne gefunden, braune Zwerge genannt, eine fehlende Verbindung in der Entwicklung der Sterne. Und sie konstruieren eine Karte des gesamten Universums, die Licht auf den Ursprung des Universums vor 14 Milliarden Jahren werfen könnte. Aber genau wie Hipparchus können moderne Astronomen nicht fortfahren diese Entdeckungen zu machen, ohne eine präzise Karte. In den nächsten paar Jahren wird die Sloan Digital Sky Survey die detaillierteste Karte in der Geschichte der Astronomie machen, eine Karte, die Astronomen jahrzehntelang nutzen werden. 1.1 Einleitung Die Griechen entwickelten die ersten Weltmodelle der Astronomie. Während das geozentrische Weltmodell sich durchsetzte, fand das von Aristarch bereits entwickelte heliozentrische Modell keinen Zuspruch. Die Erforschung des Sonnensystems stand lange im Vordergrund der astronomischen Forschung, bis durch die Kepler– Gesetze von 1609 der Bewegungszustand im Sonnensystem geklärt wurde. Dann wandte man sich vor allem der Erforschung von Kometen und Nebeln zu. Die ersten Kataloge astronomischer Objekte waren in der Tat Nebelkataloge (Messier Katalog, 2 1 Eine Reise durchs Universum New General Catalog of nebulae etc). Jedoch erst 1923 gelang es Hubble zu zeigen, dass Andromeda ein extra–galaktischer Nebel ist und damit nicht zur Milchstraße gehört. Heute werden Kataloge mit Millionen von Objekten erstellt. 1.2 Die Strahlung in der Astronomie Die elektromagnetische Strahlung stellt praktisch die einzige Informationsquelle der Astronomen dar. Das wichtigste Werkzeug der Astronomen ist das Licht. Fast alle Informationen, die wir über ferne Sterne und Galaxien erhalten können, erreichen uns in Form von Licht oder verwandten Strahlungsarten (wenn man von Neutrinos und den hypothetischen Gravitationswellen einmal absieht). Die Spektren von Himmelskörpern liefern Erkenntnisse über ihre chemische Zusammensetzung und Temperatur, der Doppler-Effekt dient zur Messung von Geschwindigkeiten und Entfernungen und es werden immer wieder neue, raffinierte Methoden ausgetüftelt, um der empfangenen Strahlung noch mehr Details zu entlocken. Darüber hinaus ist die Tatsache, dass von allen Quellen die prinzipiell gleiche Strahlung ausgesendet wird, ein guter Beweis dafür, dass überall im Universum die gleichen Naturgesetze gelten, die die Voraussetzung für die Entstehung dieser Strahlung sind. Elektromagnetische Strahlung entsteht durch die Schwingung elektrischer Ladungen und breitet sich als elektrisch-magnetisches Wechselfeld im Vakuum mit Lichtgeschwindigkeit aus. Die Schwingung erfolgt dabei in Wellenform senkrecht (transversal) zur Ausbreitungsrichtung. Je nach Frequenz (Schwingungen pro Sekunde) kann elektromagnetische Strahlung in unterschiedlichen Erscheinungsformen beobachtet werden. Das elektromagnetische Spektrum erstreckt sich von den niederfrequenten Radiowellen über das sichtbare Licht bis zur hochfrequenten Gammastrahlung (Abb. 1.1 oben). Dabei ist die Energie der Strahlung proportional zur Frequenz. Zwischen Wellenlänge und Frequenz gilt die folgende Beziehung c = Frequenz f × Wellenlaenge λ . (1.1) Dabei ist c die konstante Lichtgeschwindigkeit von 299.792,458 km pro Sekunde. Das physikalische Konzept der elektrischen und magnetischen Feldlinien, sowie der gegenseitigen Induktion elektrischer und magnetischer Felder wurde 1831 von dem englischen Chemophysiker Michael Faraday aufgestellt und experimentell bewiesen. 1873 entwickelte der schottische Physiker James Clerk Maxwell aus diesen Beobachtungen die nach ihm benannten Gleichungen. Die Maxwell’schen Gleichungen beschreiben Licht als oszillierendes elektromagnetisches Feld und erlaubten die theoretische Berechnung von dessen Ausbreitungsgeschwindigkeit (Lichtgeschwindigkeit). Der deutsche Physiker Heinrich Hertz schliesslich konnte 1888 die von Maxwell vorhergesagten Radiowellen künstlich erzeugen und nachweisen. Zu Ehren von Hertz, dessen Experimente die Grundlagen der drahtlosen Telegraphie und der Rundfunktechnik bildeten, erhielt die physikalische Einheit der Frequenz seinen Namen (1 Hertz = 1 Schwingung pro Sekunde). Aus quantenphysikalischer Sicht 1.3 Teleskope – Werkzeuge des Astronomen 3 besteht elektromagnetische Strahlung aus Photonen der Energie E = hf , wobei h das Plancksche Wirkungsquantum darstellt. Je höher die Frequenz der Strahlung, desto größer die Energie der Photonen. Das Universum sendet uns Licht aller Wellenlängen des elektromagnetischen Spektrums. Das meiste dieses Lichts erreicht uns jedoch nicht am Erdboden, da unsere Atmosphäre viele Arten von Strahlung nicht durchlässt. Glücklicherweise für uns wird schädliche, hochenergetische Strahlung wie Röntgenstrahlung, Gammastrahlen und der größte Teil des ultravioletten (UV) Lichts blockiert (Abb. 1.1 oben). Infrarotstrahlung und niederenergetische Radiowellen können ebenfalls nicht durchdringen. Durchgelassen werden das sichtbare Licht, die meisten Radiowellen und kleine Wellenlängenbereiche des infraroten Lichts, so dass Astronomen das Universum mit diesen Wellenlängen ohne weiteres beobachten können. Das meiste des infraroten Lichts wird von Wasserdampf und Kohlendioxid in der Erdatmosphäre absorbiert. Die Atmosphäre bereitet Infrarot-Astronomen auch noch ein anderes Problem: Sie strahlt selbst mit infraroten Wellenlängen, oft mit größerer Intensität als das Objekt, das im Weltraum beobachtet werden soll. Diese atmosphärische Infrarotstrahlung hat ihr Maximum bei Wellenlängen von ungefähr 10 Mikrometern. Als Beispiel einer Strahlungsquelle betrachten wir das Leistungsspektrum der Sonne als Funktion der Wellenlänge (Abb. 1.1 unten). Das Spektrum der Sonne wird sehr gut durch ein Planck–Spektrum dargestellt mit einer Temperatur von 5.775 K (Abb. 1.1 unten). Etwa die Hälfte des Spektrums liegt im visuellen Bereich, die andere Hälfte im Infraroten. Die Sonne emittiert aber auch im Ultraviolett–Bereich. Dieser Teil der Sonnenstrahlung ist für uns Menschen nicht ungefährlich, da die Pigmentation der Haut verändert werden kann. Die Sonnenstrahlung auf der Erdoberfläche ist geringer als die außerhalb der Erdatmosphäre, da die Erdatmosphäre die elektromagnetische Strahlung zu 20 bis 40 Prozent absorbiert. Außerdem wird ein Teil als Infrarotstrahlung zurück ins All reflektiert. 1.3 Teleskope – Werkzeuge des Astronomen Teleskope sind unabdingbare Hilfsmittel für astronomische Untersuchungen der elektro-magnetischen Strahlung aus dem Universum. Astronomische Fernrohre vergrößern Strahlungsquellen und sammeln von diesen ausgesandte Photonen. Dadurch können wissenschaftliche Instrumente, wie Kameras oder Spektrometer, wesentlich detailliertere Daten liefern. 1.3.1 Teleskoptypen und Refraktoren Zwei Bauarten von Teleskopen werden unterschieden: Refraktoren (Linsenteleskope) und Reflektoren (Spiegelteleskope). 4 1 Eine Reise durchs Universum Abbildung 1.1: Oben: Durchlässigkeit der Erd–Atmosphäre als Funktion der Wellenlänge. Unten: Das solare Leistungsspektrum in W/m2 /nm als Funktion der Wellenlänge in nm. Wasserdampf absorbiert vor allem im Infrarot–Bereich. Die Oberflächentemperatur der Sonne beträgt 5775 K. 1.3 Teleskope – Werkzeuge des Astronomen 5 Abbildung 1.2: Anordnung der Linsen im Kepler–Teleskop. Abbildung 1.3: Der Refraktor von Niza mit 76 cm Öffnung, 1886 erbaut. Das Linsenfernrohr, auch Refraktor genannt, ist ein Teleskop, bei dem das einfallende Licht durch das Objektiv, bestehend aus einer oder mehreren Linsen, gesammelt wird. Das dabei entstehende reelle Bild eines Beobachtungsobjektes wird mittels eines Okulars betrachtet, was je nach dem Verhältnis der Brennweiten ein vergrößertes Bild ergibt. 6 1 Eine Reise durchs Universum Das Yerkes Observatorium - der größte Refraktor Das Yerkes-Observatorium ist eine bekannte historische Forschungsstätte für Astronomie in den USA. Sie liegt in der Nähe Chicagos am Lake Geneva im Bundesstaat Wisconsin. Finanziert wurde sie von Charles Tyson Yerkes, einem USamerikanischen Industriellen. Im Jahre 1891 bot William Rainey Harper, damaliger Leiter der Universität Chicago, dem Astronomen George Ellery Hale eine Professur an. Hale willigte unter der Bedingung ein, dass die Universität ein komplett neues Observatorium errichten ließ. Hale hatte erfahren, dass zwei optische Glaslinsen mit einem Durchmesser von 40 Zoll (102 cm) in Bearbeitung waren. Ihm schwebte vor, ein Teleskop mit einem derart riesigen Linsensystem zu errichten. Abbildung 1.4: Der Yerkes Refraktor in der Nähe von Chicago. 1892 suchten Harper und Hale den Industriellen Charles Tyson Yerkes auf. Yerkes mußte dringend sein Image aufpolieren und erhoffte sich durch Sponsorentätigkeiten eine Aufbesserung seines angekratzten Rufes. Harper und Hale appellierten an Yerkes beträchtliches Ego das vorgesehene Teleskop würde schließlich das größte der Welt sein. Dabei verschwiegen sie allerdings geflissentlich die exorbitante Gesamtsumme des Projekts. Yerkes willigte ein, das Teleskop zu finanzieren. Harper und Hale gingen stillschweigend davon aus, dass er auch den Bau des gesamten Gebäudes bezahlen würde. Als Yerkes schließlich davon erfuhr, wollte er sich zunächst zurückziehen vom Bau eines kompletten Observatoriums sei nie die Rede gewesen. Dagegen startete Hale eine Pressekampagne, in der er Yerkes als großzügigen Sponsor und Wohltäter feiern ließ. Dieser wollte nun in der Öffent- 1.3 Teleskope – Werkzeuge des Astronomen 7 lichkeit keinen Rückzieher mehr machen und sicherte die Finanzierung zu. Yerkes hatte weiterhin den Verdacht, finanziell übervorteilt zu werden. 1894 waren die Fundamente und die Montierung des Teleskops fertig gestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt weigerte sich Yerkes, weitere finanzielle Mittel in das Projekt zu stecken. In der Folgezeit blieb das Verhältnis gespannt. Dennoch gelang es Hale 1897, während der Endphase, Yerkes weitere Gelder zu entlocken. Die Fertigstellung verzögerte sich, da die Hauptkuppel aufgrund eines Konstruktionsfehlers zusammenbrach. Am 21. Oktober 1897 wurde das Yerkes-Observatorium offiziell eingeweiht. Ein sichtlich nervöser Yerkes, der unter den zahlreichen akademischen Robenträgern deplaziert wirkte, hielt eine Rede, in der er darauf hinwies, dass die Astronomie keine kommerziellen Ziele verfolge. Der Bau des Refraktors mit seinen 40 Zoll (102 cm) Apertur (Öffnung) und 19,7 m Brennweite erfolgte unter der Anleitung des genialen Teleskopbauers George Willis Ritchey. Der Yerkes-Refraktor ist bis heute das größte Linsenteleskop der Welt (Abb. 1.4). Mit dem Gerät stieß man allerdings an die Grenzen des technisch Machbaren: Derartig große Linsen erfahren aufgrund des hohen Eigengewichts eine Durchbiegung. Mit zunehmender Dicke absorbieren Glaslinsen mehr Licht. Die Herstellung großer fehlerfreier Linsen ist extrem schwierig. Die Baulänge des Teleskops erfordert eine entsprechend stabile mechanische Konstruktion. Aufgrund dieser Probleme ging man in der Folgezeit beim Bau von Großinstrumenten zu Reflektoren (Spiegelteleskope) über. Abbildung 1.5: Das erste Spiegelteleskop von Newton 1672. 8 1.3.2 1 Eine Reise durchs Universum Spiegelteleskope Während Refraktoren die elektromagnetische Strahlung mit Hilfe von Linsen sammeln und fokussieren, dient den Reflektoren ein Hohlspiegel als Objektiv. Heute werden zu astronomischen Zwecken fast ausschließlich Reflektoren eingesetzt. Diese haben mehrere Vorteile gegenüber Linsenfernrohren, bei denen die Strahlung benachbarter Wellenlängen unterschiedlich stark gebrochen wird (sog. chromatische Aberration). Bei Reflektoren ist diese vernachlässigbar. Ein Objektiv mit Kugeloberfläche hat jedoch unterschiedliche Brennpunkte für achsennahe und -ferne Strahlen (sog. sphärische Aberration). Da der Spiegel an seiner Rückseite gehalten wird, werden sehr große Durchmesser möglich. Als nachteilig erweisen sich die Beugungserscheinungen, die an den Halterungen für den Sekundärspiegel entstehen. Abbildung 1.6: Das 100 Zoll (2,5 m) Hooker Spiegelteleskop auf dem Mt. Wilson wurde 1917 in Betrieb genommen, nachdem bereits 1908 das 60 Zoll Instrument vollendet worden war. 1.3 Teleskope – Werkzeuge des Astronomen 9 Beim Newton-Reflektor wird der Brennpunkt durch einen Planspiegel rechtwinklig zum Strahlengang nach außen verlegt (Abb. 1.5). Die Cassegrain-Bauweise verfügt über einen gekrümmten Sekundärspiegel, der den Strahlengang verlängert. Der Brennpunkt liegt hinter dem Primärspiegel, was vor allem für große Geräte günstiger ist. Deshalb wird diese Bauweise bei vielen Großteleskopen verwendet (wie VLT, Keck etc.). Mount Wilson Das Mount-Wilson-Observatorium ist mit einem Alter von 100 Jahren eines der ältesten und erfolgreichsten Observatorien der Erde. Es befindet sich auf dem Mount Wilson auf einer Höhe von 1742 m ü. NN in den San Gabriel Mountains in Kalifornien, USA, nordöstlich von Los Angeles. Mit dem 1917 installierten 2,5-MeterSpiegel besass es 30 Jahre lang das größte Spiegelteleskop der Welt (Abb. 1.6). Sein wichtigster Forschungsbeitrag war der Nachweis, dass die Galaxien Welteninseln wie unsere Milchstraße sind und dass das gesamte Weltall expandiert. Palomar-Observatorium Das Palomar-Observatorium ist eine große Sternwarte der USA, die vor allem durch das 5-Meter-Spiegelteleskop, das Hale-Teleskop, bekannt ist. Es befindet sich auf dem Gipfel des 1706 Meter hohen Palomar Mountain ca. 80 Kilometer nordöstlich von San Diego und war über 30 Jahre das größte Teleskop der Welt. Heute gehört das Observatorium zum Caltech, dem California Institute of Technology. Neben dem Hale-Teleskop und dem Oschin-Schmidt-Teleskop beherbergt das PalomarObservatorium auch noch ein weiteres Spiegelteleskop mit einem Hauptspiegel von 1,5 Meter Durchmesser, sowie ein Schmidt-Teleskop mit einer Öffnung von 46 cm. Auf der Palomar-Sternwarte befindet sich das berühmte Oschin-Schmidt-Teleskop (auch Big-Schmidt genannt, die Benennung nach Samuel Oschin erfolgte 1987) mit 120 cm Öffnung (48 Inch) und 180 cm Spiegeldurchmesser, das Sichtfeld beträgt 36 Quadratgrad (Abb. 1.7). Mit diesem Schmidt-Teleskop wurde in den 1950ern der Palomar Observatory Sky Survey aufgenommen (ab 1985 erfolgte eine weitere digitale Durchmusterung). Er ist bis heute eine erstklassige Fundquelle für ferne Galaxien oder wenn nach dem Vorgängerstern einer Nova oder Supernova in einer näheren Milchstraße gesucht wird. Auch neuentdeckte Asteroiden werden oft auf archivierten Fotoplatten des Oschin-Schmidt-Teleskops gefunden, die um Jahre oder Jahrzehnte früher aufgenommen wurden, was erheblich genauere Bahnbestimmungen ermöglicht. Das Teleskop wurde 1948 in Betrieb genommen (sog. First Light). 10 1 Eine Reise durchs Universum Abbildung 1.7: Das Oschin-Schmidt-Teleskop auf Mt. Palomar dient der Himmelsdurchmusterung. Teleskop–Montierungen Bei der parallaktischen Montierung zeigt eine Achse auf den Himmelsnordpol. Die zweite Achse ist dazu senkrecht. Nur diese muss bei längerer Integration bzw. Beobachtung entsprechend der Himmelsbewegung nachgeführt werden. Die azimutale Montierung verfügt über eine Achse in Horizontebene sowie eine zweite Achse zur Einstellung der Höhe. Beide Achsen müssen zum Nachführen geändert werden. Weil diese Montierungsart stabiler ist, wird sie, gesteuert durch einen Computer, bei Großteleskopen heute die normale Montierung. Das Paranal-Observatorium der ESO Das Paranal-Observatorium ist ein astronomisches Observatorium in der Atacamawüste im Norden Chiles, auf dem Berg Cerro Paranal (Abb. 1.9). Dieser liegt etwa 120 km südlich der Stadt Antofagasta und 12 km von der Pazifikküste entfernt. Das Observatorium wird von der Europäischen Südsternwarte (ESO) betrieben und ist Standort des Very Large Telescope (VLT) und des Very Large Telescope Interferometer (VLTI). Zusätzlich werden die Surveyteleskope VISTA und VST gebaut. Die Atmosphäre über dem Gipfel zeichnet sich durch trockene und außergewöhnlich ruhige Luftströmung aus, was den Berg zu einem sehr attraktiven Standort für ein astronomisches Observatorium macht. Der Gipfel wurde in den frühen 1990ern von seiner ursprünglichen Höhe von 2660 m auf 2635 m heruntergesprengt, um ein Plateau für das VLT zu schaffen. Das Very Large Telescope (VLT) ist ein aus vier Einzelteleskopen bestehendes 1.3 Teleskope – Werkzeuge des Astronomen 11 Abbildung 1.8: Das Paranal-Observatorium in Chile auf 2600 m Höhe mit den 4 VLT Teleskopen, Hilfsteleskopen für VLTI und dem Vista Teleskop im Hintergrund. [Bild: ESO Archiv] astronomisches Großteleskop, dessen Spiegel zusammengeschaltet werden können. Das VLT ist für Beobachtungen im sichtbaren Licht bis hin zum mittleren Infrarot ausgerichtet. Die Teleskope können mit Hilfe des VLT Interferometer (VLTI) zur Interferometrie zusammengeschaltet werden. Abbildung 1.9: Das Kueyen Teleskop des VLT hat einen monolithischen 8,2m Primäspiegel. [Bild: ESO Archiv] Die Investitionen des gesamten VLT-Projektes beliefen sich über einen Zeitraum 12 1 Eine Reise durchs Universum von 15 Jahren auf etwa 500 Millionen Euro. Die Summe schließt Personal- und Sachkosten für Design und Bau des VLT, inklusive der ersten Instrumentengeneration, und des VLTI sowie die ersten drei Jahre des wissenschaftlichen Betriebs ein. Die weitaus komplexeren VLTI-Instrumente AMBER und MIDI kosteten jeweils etwa 6 Millionen Euro. Die Instrumente werden teilweise komplett von der ESO entwickelt und gebaut, häufiger aber in Zusammenarbeit mit auswärtigen Instituten. In diesem Fall werden die Sachkosten von der ESO getragen, die Personalkosten von den jeweiligen Instituten, die im Gegenzug garantierte Beobachtungszeit erhalten. Bei den Kosten ist zu berücksichtigen, dass die ESO als supranationale Organisation, wie andere internationale Forschungszentren auch, von den Steuern der Mitgliedsländer befreit ist. Sachkosten fallen daher ohne Mehrwertsteuer an, Personalkosten teilweise, außer die der lokalen Angestellten in Chile, ohne Lohnsteuer. Der laufende Betrieb aller Einrichtungen in Chile, also La Silla, Paranal, der Verwaltung in Santiago und des beginnenden ALMA-Projekts belief sich 2004 auf 30 Millionen Euro, die etwa je zur Hälfte auf Personal- und Betriebskosten entfielen. Diese Summe entsprach einem Drittel des gesamten ESO-Jahresbudgets für 2004 von etwa 100 Millionen Euro, das neben Chile noch den Betrieb des Hauptinstituts in Europa und Investitionen, hauptsächlich für ALMA, beinhaltet. Abbildung 1.10: Die beiden Keck Teleskope auf Mauna Kea haben jeweils einen Primärspiegel von 10 m, bestehend aus 32 Segmenten. [Bild: Mauna Kea Archiv] Die Kosten des VLT-Projekts sind damit einer mittleren bis großen Weltraummission, zum Beispiel dem GAIA-Satelliten, vergleichbar. Bau und Start des Hubble- 1.3 Teleskope – Werkzeuge des Astronomen 13 Weltraumteleskops (HST) haben dagegen 2 Milliarden US-Dollar gekostet, knapp das Vierfache des VLT. Der jährliche Betrieb des HST ist etwa achtmal so teuer wie der des VLT, hauptsächlich wegen der teuren Servicemissionen. Die beiden Teleskope des Keck-Observatoriums (Abb. 1.10) wurden durch eine private Stiftung von etwa 140 Millionen Dollar finanziert, die jährlichen Kosten betragen etwa 11 Millionen Dollar. Da die Keck-Teleskope auf dem bereits bestehenden Mauna-KeaObservatorium gebaut wurden, fielen dort allerdings geringere Infrastrukturkosten an. Großteleskope der Zukunft Das European Extremely Large Telescope (E-ELT), kurz Extremely Large Telescope (ELT), ist der Vorschlag der Europäischen Südsternwarte ESO für ein neues optisches Teleskop der nächsten Generation (Abb. 1.11). Es wird einen Hauptspiegel mit 42 Metern Durchmesser haben, der aus 906 sechseckigen Spiegelelementen zusammengesetzt sein soll. Voraussichtlich wird der Bau im Jahre 2017 abgeschlossen sein. Entsprechende Projekte sind auch in USA in Planung (wie das Giant Magellan Telescope GMT). Abbildung 1.11: Studie des E–ELT der ESO. Spiegeldurchmesser: 42 m. 1.3.3 Weltraumastronomie Viele Daten der Astronomie werden heute mit Weltraumteleskopen gewonnen. Die Weltraumastronomie beginnt 1970 mit dem Start des ersten Röntgensatelliten UHURU. Obschon das Hubble–Teleskop in die Jahre gekommen ist, liefert es dank mehrerer Service–Missionen immer noch ausgezeichnete Daten (Abb. 1.12). 14 1 Eine Reise durchs Universum Abbildung 1.12: Das Hubble Weltraumteleskop wurde 1990 schon gestartet und ist immer noch intakt. Neben Hubble sind heute besonders die drei Röntgenteleskope Chandra (NASA), XMM–Newton (ESA) und Suzaku (Japan) zu erwähnen, sowie der Fermi– Satellit der NASA zur Erforschung der Gammastrahlung und die beiden Weltraumteleskope Planck und Herschel der ESA, die im Mai 2009 gestartet worden sind. Planck vermisst die Mikrowellenhintergrundstrahlung mit viel höherer Genauigkeit, während Herschel das Universum zum ersten Male im tiefen Infrarot durchforstet. Im Rahmen ihres Programms Structure and Evolution of the Universe hat die NASA im Juni 2008 ihren nächsten Satelliten zur Gammastrahlen-Astronomie ins All gestartet. Der zunächst als GLAST (Gamma-ray Large Area Space Telescope) bezeichnete Satellit wurde nach erfolgreicher Inbetriebnahme in Fermi Gammaray Space Telescope umbenannt. Mit dieser Umbenennung würdigt die NASA die Bedeutung von Enrico Fermi (1901-1954), einem der bedeutendsten Physiker des 20. Jahrhunderts und Pionier der Hochernergiephysik. Dieser schlug als erster einen brauchbaren Mechanismus zur Beschleunigung kosmischer Teilchen vor. Seine Arbeiten bilden somit die Grundlage zum Verständnis vieler Gammastrahlungsquellen, die mit dem Gamma-ray Space Telescope gemessen werden. Fermi trägt als Hauptinstrument ein abbildendes Gammastrahlen-Teleskop, das Large Area Telescope LAT, das kosmische Gammastrahlung im Energiebereich zwischen 20 Megaelektronenvolt (MeV) und 300 Gigaelektronenvolt (GeV) messen soll . In diesem Energiebereich detektiert Fermi vor allem junge Radiopulsare und extragalaktische Blazare (Abb. 1.13). 1.4 Das Sonnensystem 15 Abbildung 1.13: Der Himmel in Gammastrahlung (galaktische Koordinaten). Als Punktquellen findet Fermi vor allem junge Radiopulsare (Krebs und Vela), sowie extragalaktische Blazare. Das zentrale Emissionsband wird durch Punktquellen in der Milchstraße gebildet. Das Galaktische Zentrum ist ebenfalls Quelle von Gammastrahlen. 1.3.4 Hochenergieastronomie Objekte des Universums erzeugen nicht nur Photonen im GeV–Bereich, sondern sogar Photonen mit Energien von 100 GeV bis zu einigen TeV. Solche Ereignisse sind sehr selten. Diese Photonen lösen Teilchenschauer aus, wenn sie auf die Erdatmosphäre treffen (Abb. 1.14). Die entsprechenden relativistischen Elektronen erzeugen dann Cherenkov–Strahlung in der Atmosphäre, die als optische Photonen mit geeigneten Teleskopen, sog. Cherenkov Teleskopen in mondlosen Nächten detektiert werden können (Magic in La Palma, Veritas in USA, H.E.S.S. in Namibia und Cangoroo in Australien). 1.4 Das Sonnensystem Das Sonnensystem stand über 2000 Jahre lang im Vordergrund des astronomischen Interesses. Heute betrachtet man das Sonnensystem als eines unter vielen, die Suche nach extrasolaren Planeten ist eines der hauptsächlichen Anliegen der heutigen und zukünftigen Astronomie. Unser Sonnensystem besteht aus vielen Himmelskörpern, die auf einer Umlaufbahn um die Sonne kreisen. Neben den Inneren Planeten (Merkur, Venus, Erde, Mars) und den Äußeren Planeten (Jupiter, Saturn, Uranus, Nep- 16 1 Eine Reise durchs Universum Abbildung 1.14: Oben: Photonen mit Energien von einigen 100 GeV bis zu einigen TeV erzeugen Teilchenschauer, wenn sie auf die Atmosphäre treffen. Relativistische Elektronen emittieren dann Cherenkov–Strahlung, die als optische Photonenblitze in mondlosen Nächten mit sog. Cherenkov– Teleskopen detektiert werden können. Unten: Das zukünftige Projekt CTA zur Detektion hochenergetischer Gammastrahlung besteht aus einer ganzen Farm von Cherenkov–Teleskopen. 1.4 Das Sonnensystem 17 tun), kreisen mehrere sogenannte Kleinplaneten (Planetoide), unter denen der bekannteste Pluto sein dürfte, und eine große Anzahl von Asteroiden und Kometen um die Sonne. Um die meisten Planeten kreisen wiederum ein oder mehrere Monde (außer Merkur und Venus). Desweiteren besteht unser Sonnensystem aus interplanetarer Materie (Staubteilchen). Die äußere Grenze unseres Sonnensystems wird durch die Oortsche Wolke markiert. Sie beginnt in einer Distanz von ca. 1500 Milliarden km zur Sonne und besteht vermutlich aus mehreren Milliarden Kometen. Die Sonne macht 99,86 Prozent der Gesamtmasse des Systems aus. Auch ihr Durchmesser ist mit etwa 1,39 Millionen Kilometern bei weitem größer als der Durchmesser aller anderen Objekte im System. Die größten dieser Objekte sind die acht Planeten, die vier Jupitermonde Ganymed, Kallisto, Europa und Io (Galileische Monde), der Saturnmond Titan und der Erdmond. Zwei Drittel der restlichen Masse von 0,14 Prozent entfallen dabei auf Jupiter. Abbildung 1.15: Das Sonnensystem mit dem Znetralgestirn, den 8 Planeten, Asteroidengürtel und Kometen. Als Folge der Entstehung des Sonnensystems bewegen sich alle Planeten, Pluto und der Asteroidengürtel eingeschlossen, auf einem rechtsläufigen Orbit um die Sonne. Auch die Rotation der meisten größeren Körper des Sonnensystems erfolgt in rechtsläufiger Richtung. Ebenfalls rechtsläufig ist die Drehrichtung fast aller Planeten um ihre Achse, also identisch mit der Umlaufrichtung auf ihrer Bahn um die Sonne. Lediglich die Venus dreht sich entgegengesetzt, und die Drehachse von Uranus liegt nahezu in seiner Bahnebene. 18 1 Eine Reise durchs Universum 1.5 Die Milchstraße – die Welt der Sterne Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Astronomen der Meinung, dass die Milchstraße das gesamte Universum darstellt. Sie ist jedoch nur eine von mindestens 100 Milliarden Galaxien. Könnte ein Mensch jeden Tag eine Million dieser Galaxien zählen, so hätte er fast 300 Jahre zu tun. Abbildung 1.16: Fotomosaik des gesamten Milchstraßenbandes. [Bildquelle: Axel Mellinger] Unsere Milchstraße besteht aus mehr als 100 Milliarden Sonnen, Staub und Gas. Sie ist eine Spiralgalaxie und mehr oder weniger diskusförmig. In ihrem Zentrum befindet sich Sagittarius A, ein supermassives, rotierendes Schwarzes Loch, welches gerade mal 26.000 Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Supermassiv deshalb, weil Sagittarius A in etwa über 4 Millionen Mal mehr Masse wie unsere Sonne verfügt und das mit einem Durchmesser von knapp 22 Millionen Kilometern. Damit hätte Sagittarius A bequem innerhalb der Merkurbahn Platz und ist damit unwesentlich größer als unsere Sonne. 1.6 Galaxien – die Bausteine des Universums Galaxien sind die Bausteine des Universums. Galaxien variieren stark in Aussehen (Morphologie), Größe und Zusammensetzung. Die Milchstraße gehört zu den größeren Galaxien und besitzt etwa 300 Milliarden Sterne bei einem Durchmesser von etwa 100.000 Lichtjahren. Neben den Sternen besteht eine Galaxie auch aus Gas, Staub und Dunkler Materie. Die Andromeda-Galaxie ist unsere nächste größere Nachbargalaxie. Die Entfernung zwischen diesen beiden Galaxien beträgt ca. 2,4 Millionen Lichtjahre. Zusammen mit weiteren Galaxien bilden beide Galaxien die Lokale Gruppe. Neben dieser Galaxiengruppe gibt es auch Galaxienhaufen mit vielen tausend Mitgliedern. Aufgrund der letzten Ultra-Deep-Field Aufnahmen des Hubble-Teleskops vom März 2004 kann man grob abschätzen, dass mit heutiger Technik von der Erde aus über 100 Milliarden Galaxien theoretisch beobachtet werden könnten. Lange Zeit war die genaue Natur der Galaxien unklar, da die einzelnen Sterne nicht aufgelöst werden konnten und nur ein Nebel beobachtet wurde. Die Frage war, ob diese Spiralnebel zu unserer Galaxis gehören oder eigene Sternensysteme sind. Erst im Jahr 1923 gelang es Edwin Hubble, diese Frage zu klären. Er bestimmte die 1.6 Galaxien – die Bausteine des Universums 19 Abbildung 1.17: Oben: Die Andromeda Galaxie Messier 31 ist unsere Schwester–Galaxie. Unten: Die Balkenspirale NGC 1300. [Bild unten: HST Archiv] Entfernung zur Andromeda-Galaxie und stellte fest, dass die Andromeda-Galaxie zu weit entfernt ist, um zu unserer Galaxis zu gehören. Galaxien werden nach ihrer Morphologie (Form) in verschiedene Haupt- und Untergruppen der so genannten Hubble-Klassifikation eingeteilt (Abb. 1.18). Hubble baute die Klassifikation auf einer kleinen Stichprobe von nahen und hellen Galaxien auf. Zudem wurden die Galaxien nur im damals zugänglichen optischen Wel- 20 1 Eine Reise durchs Universum Abbildung 1.18: Hubble Klassifikation der Galaxien lenlängenbereich klassifiziert. Trotz dieser Beschränkungen ist diese Klassifikation mit einigen Erweiterungen bis heute in Gebrauch. Allerdings sei betont, dass das Hubble-Klassifikationsschema rein empirisch ist und keinerlei Bedeutung hinsichtlich der Entwicklung von Galaxien besitzt. NGC 1300 ist eine Balkenspiralgalaxie im Sternbild Eridanus (Abb. 1.17 unten). NGC 1300 hat einen Durchmesser von etwa 115.000 Lichtjahren und befindet sich in einer Entfernung von 21 Megaparsec (rund 70 Millionen Lichtjahre). Die Galaxie hat eine Helligkeit von 10,3 mag und eine Winkelausdehnung von 6,0’ × 3,3’. NGC 1300 ist ein wunderschönes Beispiel einer Balkenspiralgalaxie. Das Zentrum der Galaxie weist eine interessante Spiralstruktur mit einem Durchmesser von ca. einem Kiloparsec auf. Die Galaxie NGC 1300 wurde am 11. Dezember 1835 von dem britischen Astronomen John Herschel entdeckt. Auf dieser Aufnahme des Weltraumteleskops Hubble kann man nicht nur zahlreiche Details wie blaue und rote Riesensterne, Sternhaufen, Sternentstehungsgebiete oder aber dunkle Staubschwaden erkennen, sondern auch weiter entferntere Galaxien im Hintergrund. Der Mikrowellenhintergrund gibt die Materieverteilung des Universums 380.000 Jahre nach dem Urknall wieder. Damals war das Universum noch sehr homogen: Die Dichtefluktuationen lagen in der Größenordnung von 1 zu 105 . Im Rahmen der Kosmologie kann das Anwachsen der Dichtefluktuation durch den Gravitati- 1.7 Die Tiefe des Universums 21 onskollaps beschrieben werden. Dabei spielt vor allem die Dunkle Materie eine große Rolle, da sie gravitativ über die baryonische Materie dominiert. Unter dem Einfluss der Dunklen Materie wachsen die Dichtefluktuationen, bis sie zu dunklen Halos kollabieren. Da bei diesem Prozess nur die Gravitation eine Rolle spielt, kann dieser Prozess heute mit großer Genauigkeit berechnet werden (z. B. MillenniumSimulation). Das Gas folgt der Verteilung der dunklen Materie, fällt in diese Halos, verdichtet sich und es kommt zur Bildung der Sterne. Die Galaxien beginnen sich zu bilden. Die eigentliche Galaxienbildung ist aber unverstanden, denn die gerade erzeugten Sterne beeinflussen das einfallende Gas (das sogenannte Feedback), was eine genauere Simulation schwierig macht. Nach ihrer Entstehung haben sich die Galaxien weiter entwickelt. Nach dem hierarchischen Modell der Galaxienentstehung wachsen die Galaxien vor allem durch Verschmelzen mit anderen Galaxien an. Danach bildeten sich im frühen Kosmos unter dem Einfluss der Schwerkraft die ersten noch recht massearmen Proto-Galaxien. Nach und nach, so die Vorstellung, fügten sich diese Galaxienvorläufer durch Kollisionen zu ausgewachsenen Exemplaren wie unserer Milchstraße und noch größeren Galaxien zusammen. Die Relikte solcher Kollisionen zeigen sich in der Milchstraße noch heute als sogenannte Sternenströme. Das sind Gruppen von Sternen, deren gemeinsames Bewegungsmuster auf einen Ursprung außerhalb der Milchstraße weist. Sie werden kleineren Galaxien zugerechnet, die von der Milchstraße durch Gezeitenkräfte zerrissen und verschluckt wurden. 1.7 Die Tiefe des Universums Für das Hubble Deep–Field (HDF) wurde ein scheinbar leerer Bereich im Großen Bären ausgewählt, der relativ frei von störenden Sichteinflüssen und umgebenden hellen Sternen ist. Das Gebiet hat eine Kantenlänge von 144 Bogensekunden, das ist in etwa der Winkel, unter dem ein Tennisball in 100 Metern Entfernung erscheint. Das Bild ist eine Überlagerung von 342 Einzelbildern, die mit der Wide Field and Planetary Camera 2 (WFPC2) des Hubble-Weltraumteleskops im Verlauf von 10 Tagen, zwischen dem 18. und 28. Dezember 1995, aufgenommen wurden. Das Gebiet ist so klein, dass sich darin nur wenige Sterne der Milchstraße befinden. Alle anderen Objekte sind Galaxien, darunter die jüngsten und am weitesten entfernten, die man bisher beobachtet hat. Da so viele sehr junge Galaxien gefunden wurden, ist das HDF ein Meilenstein in der Erforschung des frühen Universums und wurde zur Quelle von fast 400 wissenschaftlichen Artikeln. Das Hubble Ultra–Deep Field (HUDF, Abb. 1.19) ist eine noch tiefere Aufnahme einer kleinen Himmelsregion, aufgenommen vom Hubble-Weltraumteleskop über einen Zeitraum vom 3. September 2003 bis 16. Januar 2004. Diese Himmelsregion befindet sich südwestlich vom Sternbild Orion, genauer gesagt im Sternbild Chemischer Ofen. Der gewählte Ausschnitt enthält etwa 10000 Galaxien und kosmische Objekte und entspricht in der Größe etwa einem Zehntel des Monddurch- 22 1 Eine Reise durchs Universum Abbildung 1.19: Das Hubble Ultra–Deep Field zeigt Galaxien im frühen Universum. [Bild unten: HST Archiv] messers. Es ist das tiefste Bild des Universums, das jemals im Bereich des sichtbaren Lichts aufgenommen wurde. Dabei wurde eine Himmelsregion ausgewählt, die kaum störende helle Sterne im Vordergrund enthält. Das HUDF zeigt die lichtschwächsten Galaxien, die bisher beobachtet wurden, und damit auch die am weitesten entfernten (man spricht von der Tiefe der Aufnahme). Wegen der endlichen Lichtgeschwindigkeit beträgt die Lichtlaufzeit von den entferntesten Galaxien zu uns über 12 Milliarden Jahre. Nach dem kosmologischen Standardmodell blickt man in die Frühzeit des Universums 800 Millionen Jahre nach dem Urknall zurück. Die Aufnahme zeigt demnach einige der ersten Galaxien, die nach dem so genannten Dunklen Zeitalter entstanden sind. Untersuchungen zur Entstehung und Entwicklung von Galaxien waren die Hauptmotivation für das Projekt. Die klassische und heute weithin anerkannte Urknalltheorie geht davon aus, dass das Universum in einem bestimmten Augenblick, dem Urknall (engl. Big Bang), aus einer Singularität heraus entstand und sich seitdem ausdehnt. Allerdings bleibt in diesem Modell offen, was vor dem Urknall war und wodurch er verursacht wurde. Zeit, Raum und Materie sind jedoch nach der Urknalltheorie erst mit dem Urknall entstanden. Dadurch wird der Frage nach dem davor die Grundlage entzogen; denn einen Raum, in dem etwas hätte stattfinden können, gab es vor dem Urknall (per Definition) nicht. Hinzu kommt, dass ein Zeitpunkt vor dem Urknall rein physikalisch auch nicht definierbar ist. Da die naturwissenschaftlichen Gesetze für die ex- 1.8 Zusammenfasung 23 tremen Bedingungen während der ersten etwa 10−43 Sekunden (Planck-Zeit) nach dem Urknall nicht bekannt sind, beschreibt die Theorie den eigentlichen Vorgang strenggenommen überhaupt nicht. Erst nach Ablauf dieser Planck-Zeit können die weiteren Abläufe physikalisch nachvollzogen werden. 1.8 Zusammenfasung • Astronomen untersuchen die Strahlung von Objekten im Universum: Sterne, Planeten, Galaxien, Gas, Galaxienhaufen etc. • In den letzten 400 Jahren hat sich eine enorme technologische Entwicklung im Teleskop–Bau abgespielt. • Seit 1970 wird auch mittels Satelliten im Weltraum beobachtet. 1.9 Kontrollfragen 1. Was versteht man unter Astronomischer Einheit (AE, AU)? 2. Distanzen werden im Universum in Einheiten von Parsek (pc) angegeben. Wieviele pc hat 1 AE? 3. αCentauri ist der nächste Stern zur Sonne. Wie groß ist die Distanz in AE? 4. Was versteht man unter dem Auflösungsvermögen eines Teleskops? Was bestimmt das Auflösungsvermögen des Auges? Was bestimmt das Auflösungsvermögen eines Teleskopes? 5. Skizzieren Sie den Aufbau eines Kepler–Teleskops. 6. Skizzieren Sie den Aufbau eines Spiegel–Teleskops. 7. Was versteht man unter dem Cassegrain Fokus? 8. Wo liegt das Paranal–Observatorium? Was ist die ESO? 9. Beschreiben Sie die Unterschiede zwischen inneren und äußeren Planeten des Sonnensystems. Wieviele Planeten hat das Sonnensystem? 10. Warum können Asteroiden der Erde gefährlich werden? 11. Was versteht man unter einer Galaxie? Welche Typen von Galaxien gibt es? 12. Wie alt ist das Universum? Wie alt ist das Sonnensystem? Literaturverzeichnis [1] Andreas Müller: Astronomie Wissen http://www.wissenschaft-online.de/astrowissen/ [2] Harry Nussbaumer 2007: Das Weltbild der Astronomie, vdf Hochschulverlag ETH Zürich [3] Simon Singh 2005: Big Bang – Der Ursprung des Kosmos und die Erfindung der modernen Naturwissenschaft, dtv Taschenbuch [4] Max Camenzind 2008: Einführung in Astronomie und Kosmologie, http://www.lsw.uni-heidelberg.de/users/mcamenzi 2 Von der Mythologie zur Kosmologie Die Kosmologie beschäftigt sich mit dem Ursprung, der Entwicklung und der grundlegenden Struktur des Universums (Kosmos) als Ganzem und ist damit ein Teilgebiet sowohl der Physik als auch der Philosophie. Ihren Ursprung hat die Kosmologie im mythischen und religiösen Bereich. In den Mythen sind alle Themen enthalten, die über die Entstehung der Welt und der Menschen etwas aussagen. Elementarer Teil der religiösen Mythen in jeder Kultur sind Ursprungsmythen, in deren Zentrum wiederum der kosmogonische Mythos als Modell für alle Ursprungsmythen besonderes Ansehen genießt. Aufgabe des Mythos ist es, der Welt Sinn zu geben, indem Bestandteile der Erfahrung miteinander in Beziehung gebracht werden. Dabei bezieht sich der Mythos auf eine unbedingte Ebene der Realität. Der Unterschied zur wissenschaftlichen Theorie besteht darin, dass im Mythos nicht hauptsächlich Verständnis angestrebt wird, sondern – als eine religiöse Tugend – Ergebung. Die physikalische Kosmologie beschreibt das Universum mittels physikalischer Gesetzmäßigkeiten. Dabei ist besonders die heute beobachtete, ungleichmäßige Verteilung der Galaxien und Galaxienhaufen im Nahbereich des sonst räumlich, aber nicht zeitlich homogenen und isotropen, expandierenden Universums zu verstehen. Die signifikante Haufenbildung, mit großen dazwischenliegenden Leerräumen (Voids), führt dazu, dass man von einem klumpigen Universum spricht. Die Kosmologie, also die Lehre von Aufbau und Entwicklung des Weltalls, fasziniert Laien wie Fachleute gleichermassen. Dennoch ist das moderne Weltbild in allen Details nicht einfach zu verstehen, es braucht einiges an Vorstellungsvermögen, Geometrie und Mathematik, um sich darin zurechtzufinden. Vereinfachende Modellvorstellungen können helfen zu verstehen, worum es in der modernen Kosmologie grundsätzlich geht und wo der aktuelle Stand der Forschung ist. Kosmologie als Wissenschaft begann, als im antiken Griechenland dem Mythos der Begriff von Vernunft (Logos) entgegen gestellt und der Versuch, die Welt zu erklären über das Ziel, Sinn zu stiften gestellt wurde; daran zu erkennen, dass nicht mehr handelnde Götter oder Helden, sondern Elemente oder Atome zur Erklärung von Naturphänomenen herangezogen wurden. Es ging darum, alles mit allem zu verknüpfen, vom ersten Grundstoff ausgehend die Welt als System zu betrachten. 28 2 Von der Mythologie zur Kosmologie 2.1 Himmelsbeobachtungen in der Bronzezeit Für vorgeschichtliche Himmelsbeobachtungen liegen nur vereinzelt Indizien vor, darunter Wandmalereien in der Höhle von Lascaux (ca. 17.000 bis 15.000 v. Chr.), in denen vielleicht die Plejaden und der Tierkreis dargestellt sind, sowie ein beim Abri Blanchard in Frankreich gefundener Flügelknochen eines Adlers mit Punktmarkierungen, deren Zahl und Anordnung möglicherweise mit den Mondphasen zusammenhängen. Allerdings beweist der Mangel an relevantem archäologischem Fundmaterial nicht, dass für die vorgeschichtliche Menschheit die Himmelsbeobachtung generell keine Rolle spielte. Jedenfalls ist bei heutigen Jäger und SammlerKulturen, etwa den Aborigines, derartiges durchaus bezeugt. In der Jungsteinzeit ändert sich die Quellenlage merklich. Die Verwendung eines Kalenders, der bestimmte Kenntnisse über die Vorgänge am Himmel voraussetzte, war für landwirtschaftliche Kulturen lebenswichtig. Ein Vorauswissen über bedeutsame alljährliche Ereignisse ermöglichte Planung. Damit waren religiöse Deutungen der Himmelsphänomene und ihrer möglichen Ursachen verbunden. Es ist denkbar, dass der Übergang zum Ackerbau zur Ausbildung verschiedener Astralkulte und zu den Anfängen einer Astronomie und auch zur Entstehung der Astrologie (sowohl der westlichen als auch der asiatischen) beigetragen hat. Zahlreiche Gräber dieser Zeit waren nach einer bestimmten Himmelsrichtung ausgerichtet. Zu den archäologischen Funden, die in einem Zusammenhang mit Kalendern stehen, zählen die in Süddeutschland und Frankreich gefundenen Goldhüte, die als sakrale Kopfbedeckung von Priestern eines Sonnenkults gedeutet werden, und die Himmelsscheibe von Nebra. Die vor etwa 7.000 Jahren errichtete Kreisgrabenanlage von Goseck wird als das älteste Sonnenobservatorium der Welt bezeichnet. Die beeindruckendste prähistorische Kultstätte Europas ist Stonehenge. Über die in Stonehenge praktizierten Kulte ist nichts überliefert, aber die geographische Ausrichtung des Bauwerks legt einen astronomischen Bezug nahe. Ähnliches lässt sich weltweit für Kultbauten aus vielen Epochen zeigen. Wann begannen die Menschen, astronomische Phänomene aufzuzeichnen? Scheinbar sehr früh ? vor der letzten Eiszeit! Doch auch andere Hinweise scheinen zu belegen, dass unsere Ahnen mehr vom Himmel wußten, als vielfach angenommen. 2.1.1 Lascaux Die Höhle von Lascaux im Tal der Vezère liegt zwei Kilometer südlich von Montignac im französischen Departement Dordogne und enthält einige der ältesten bekannten abbildenden Kunstwerke der Menschheitsgeschichte. Die Höhlenmalereien wurden im Magdalenien, also etwa zwischen 17.000 und 15.000 v. Chr. erstellt und stellen hauptsächlich realistische Abbilder von größeren Tieren wie Wildrinder, Auerochse, Pferd und Hirsch dar, die zu dieser Zeit gelebt haben. 2.1 Himmelsbeobachtungen in der Bronzezeit 29 Die Höhle wurde am 12. September 1940 von Marcel Ravidat, Jacques Marsal, Georges Agnel und Simon Coencas entdeckt und 1948 für die Allgemeinheit geöffnet. Das durch etwa 1.200 tägliche Besucher ausgestossene Kohlendioxid beschädigte die Bilder deutlich, weswegen die Höhle 1963 für den Publikumsverkehr wieder geschlossen und mit einem aufwändigen Belüftungs- und Klimaregulierungssystem versehen wurde. Die Bilder wurden restauriert und werden nun täglich überwacht. Die Höhle gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO. Die Frage, die sich nun viele Archäologen, Anthropologen und Astronomen stellen, lautet: Sind die Höhlenbilder von Lascaux möglicherweise ein Spiegelbild der Sternenkonstellationen zur damaligen Zeit und damit der erste und gleichzeitig gemalte Kalender der Welt? Bereits im Jahre 2000 kam diese Idee und wurde bei dem Symposium 2000 zur Höhlenkunst, das in der Nähe Mailands stattfand, vorgestellt. Danach geriet sie jedoch unverständlicherweise in Vergessenheit, dafür ist sie nun umstrittener denn je wieder in aller Munde. Abbildung 2.1: 2.1.2 Stonehenge Stonehenge ist ein in der Jungsteinzeit begründetes und mindestens bis in die Bronzezeit benutztes Bauwerk in der Nähe von Amesbury in Wiltshire, England, etwa 13 Kilometer nordwestlich von Salisbury. Es besteht aus einer Grabenanlage, die eine 30 2 Von der Mythologie zur Kosmologie Megalithstruktur umgibt, welche wiederum aus mehreren konzentrischen Steinkreisen gebildet wird. Die beiden auffälligsten Steinkreise sind dabei ein äußerer Kreis aus Pfeilersteinen, die von Decksteinen überbrückt werden, sowie eine innere hufeisenförmige Struktur aus ursprünglich fünf Trilithen (jeweils zwei Tragsteine, die von einem Deckstein überbrückt werden). Dazwischen befinden sich weitere Strukturen aus kleineren Steinen sowie Löchern im Boden. Weitere Megalithe sowie zwei Hügelgräber finden sich in unmittelbarer Nähe. Abbildung 2.2: Die Kreisgrabenanlage der weltberühmten Steinsetzung von Stonehenge stammt bereits aus der Zeit um 3000 v. Chr. Die zentralen Steinsetzungen wurden um 2000 v. Chr. errichtet. Die hufeisenförmige Steinsetzung aus fünf Trilithen innerhalb des Steinkreises und die 500 m lange Prozessionstraße sind auf den nördlichsten Aufgangsort der Sonne am Tag der Sommersonnenwende ausgerichtet. Die Entstehung der Anlage lässt sich grob in drei Phasen unterteilen. Die Frühphase der Anlage, mit einem kreisrunden Erdwall und einem Graben, wird auf etwa 3100 v. Chr. datiert. Die auffällige Megalithstruktur wurde etwa zwischen 2500 v. Chr. und 2000 v. Chr. errichtet. Stonehenge könnte unter anderem dazu benutzt worden sein, die Sommer- und Wintersonnenwende und die Frühlings- und Herbsttagundnachtgleiche, und damit die wichtigen jahreszeitlichen Wendepunkte vorauszusagen. Priesterkönige benutzten dieses Wissen vielleicht, um das Überleben der hart arbeitenden Menschen in der Landwirtschaft zu sichern, da Aussaat und Ernte davon abhingen. Stonehenge war eventuell also eine Art Kalender und diente zur Vorhersage der verschiedenen Jahreszeiten anhand der Positionen von Sonne und Mond zur Erde. 2.1.3 Die Himmelsscheibe von Nebra Die sensationelle Bronzescheibe mit Himmelsdarstellung von Nebra, die Raubgräber im Sommer 1999 zufällig aus dem Boden des Mittelbergs im Ziegelrodaer Forst bei Nebra in Sachsen-Anhalt wühlten, ist ein einzigartiges Zeugnis von 2.1 Himmelsbeobachtungen in der Bronzezeit 31 wissenschafts- und religionsgeschichtlicher Bedeutung aus der Bronzezeit1 . Kein ähnlicher Fund hat je das Licht unserer Zeit erblickt und die in der Himmelsscheibe manifeste Symbolsprache mathematischer und astronomischer Prägung kann deshalb nicht annähernd durch den Vergleich mit anderen Objekten gleicher Zeitstellung entschlüsselt werden. Abbildung 2.3: Der Sternhaufen der Plejaden, der vermutlich auch auf der Himmelsscheibe von Nebra dargestellt ist, wurde weltweit von vielen versunkenen Kulturen mit Naturreligionen als kosmisches Zeitzeichen verehrt und praktisch verwendet. In der Bronzezeit lagen die Plejaden in der Nähe des Frühlingspunktes, also jener Stelle des Himmels, an der die Sonne zur Frühlings-Tag-Nacht-Gleiche steht. Wenn die Sonne diesem Ort des Himmels bei Herbstbeginn gegenübersteht, gehen die Plejaden sogleich bei Sonnenuntergang auf und sind die ganze Nacht über sichtbar. Die goldenen Randsegmente, von denen heute eines fehlt, entsprechen dem solaren Pendelbogen der Auf- und Untergangsorte zwischen den Richtungen der Sommerund Wintersonnenwende auf dem Horizont. Das lässt sich aus ihrer Winkelspanne von 82,7 Grad, die dem beobachtbaren Pendelbogen der Sonne in Sachsen-Anhalt zur Bronzezeit genau entspricht, mit guter Sicherheit erschließen. Die Zuordnung der anderen Bildsymbole zu bestimmten Himmelskörpern oder astronomischen Ereignissen ist dagegen nicht eindeutig. Die goldenen Zentralobjekte können als Sonne oder Vollmond, bzw. als Mondsichel oder partielle Phase einer Sonnen- oder 1 Die Bronzezeit ist die Periode in der Geschichte der Menschheit, in der Metallgegenstände vorherrschend aus Bronze hergestellt wurden. Diese Epoche umfasst in Europa den Zeitraum zwischen dem Ende des 3. Jahrtausend v. Chr. und dem Beginn des 1. Jahrtausend v. Chr. 32 2 Von der Mythologie zur Kosmologie Mondfinsternis interpretiert werden. Solche Deutungen überzeugen allerdings nicht vollends, da die Zentralobjekte anders als es in der Natur der Fall ist, einen stark unterschiedlichen Außendurchmesser aufweisen. In der Sternanordnung lässt sich im Haufen der sieben gedrängt stehenden Sterne ein zur Rundheit abstrahiertes Symbol für die Plejaden ausmachen. Dies ist die wahrscheinlichste Deutungsvariante. Besonders rätselhaft ist das runde Schiffssymbol, für das es keine Entsprechung am Nachthimmel gibt. Stilistische Vergleiche legen nahe, dass es sich dabei um ein ruderbestücktes, aber leeres Boot handelt, ein in der europäischen Bronzezeit weit verbreitetes religiöses Symbol. Es versinnbildlicht die ewige Bewegung der Sonne oder des Himmels. 2.1.4 Das Sonnenobservatorium von Goseck Das Sonnenobservatorium von Goseck (auch Kreisgrabenanlage von Goseck) ist eine jungsteinzeitliche Ringgrabenanlage am nordwestlichen Ortsrand von Goseck (Burgenlandkreis) in Sachsen-Anhalt. Sie wurde 1991 bei einem Erkundungsflug durch den Luftbildarchäologen Otto Braasch zufällig entdeckt. Die vor etwa 7.000 Jahren errichtete Anlage gilt als das bisher älteste entdeckte Sonnenobservatorium der Welt. Abbildung 2.4: Die Kreisgrabenanlage liegt auf einem Plateau oberhalb des Saaletals und besteht aus einem deutlich erkennbaren, annähernd kreisrunden Ringgraben von etwa 71 m Durchmesser. Es konnte ein flacher Erdwall rund um den Graben nachgewiesen werden. Die Anlage hat drei grabengesäumte Zugangswege, die nach Norden, Südwesten und Südosten ausgerichtet sind. Im Inneren befinden sich Spuren zweier konzentrischer Palisaden (ca. 56 und 49 m Durchmesser) mit gleich ausgerichteten, zum Zentrum hin schmaler werdenden Toren. 2.2 Astronomie der Griechen – die ersten Sternkataloge Das Bild der Erde als Scheibe war in frühen Kulturen, zum Beispiel bei den alten Ägyptern vor Tausenden von Jahren, verbreitet. In ihrer Vorstellung bestand die 2.2 Astronomie der Griechen – die ersten Sternkataloge 33 Abbildung 2.5: Die gelben Linien stellen rechts die Richtung des Sonnenaufgangs und links die des Sonnenuntergangs zur Wintersonnenwende um 4800 v. Chr. dar. Die senkrechte Linie markiert den astronomischen Meridian. Erde aus drei Ebenen: In der Unterwelt befanden sich die Verstorbenen, in der Mitte lebten die Menschen des Diesseits - darüber lag der himmlische Ort der Götter. Die Menschen damals fürchteten, dass man vom Ende der Welt aus in die Unterwelt stürzen könnte. Durch Beobachtungen der Erde und des Alls glaubten aber mit der Zeit immer weniger Menschen an das scheibenförmige Modell der Erde. Vor allem unter den alten Griechen gelangten viele Gelehrte zu der Erkenntnis, dass die Erde eine runde Form haben müsse. Aristoteles zum Beispiel, der im 4. Jahrhundert vor Christus lebte, leitete dies aus der Beobachtung ab, dass bei anfahrenden Schiffen am Horizont immer zuerst der Mast sichtbar war - unabhängig, aus welcher Himmelsrichtung sie kamen. Zudem stellte er fest, dass sich bei einer Mondfinsternis ein kreisförmiger Schatten auf dem Mond abzeichnete. Bei einer Mondfinsternis steht die Erde immer genau zwischen Mond und Sonne, die drei Himmelskörper befinden sich dabei auf einer Linie. Hätte die Erde die Gestalt einer Scheibe, könnte sie also keinen runden Schatten auf den Mond werfen. Aristoteles war überzeugt davon, dass die Erde kugelförmig sein müsse. Auch unter den Geistlichen des Mittelalters - wie dem Theologen Thomas von Aquin - war die Vorstellung einer Erdkugel bereits weit verbreitet. Die ersten Objekte, mit blossem Auge sichtbar, sind natürlich Sterne und Planeten. Der erste Sternkatalog geht auf Ptolemäus zurück (2. Jh.). Der Almagest enthält 34 2 Von der Mythologie zur Kosmologie 1025 Einträge (bereits von Hipparchos 250 Jahre früher zusammengetragen) 2 . Dieser Katalog war bis ins 17. Jh. im Gebrauch. Abbildung 2.6: Sternkarten sind die Grundlage der modernen Astronomie. Da Galaxienhaufen weit ausgedehnte Objekte darstellen, sind sie sehr geeignet zur Abbildung im Palomar Sky Survey. Der Virgo–Haufen ist der nächste Galaxienhaufen, er bedeckt einen Bereich von mehr als 5 Grad am Himmel, d.h. etwa 10mal Vollmond. Dieser Haufen enthält etliche hundert Galaxien jeden Types, M 87 liegt im Zentrum. Die griechische Kultur der klassischen Zeit betrieb erstmals Astronomie aus wissenschaftlichem Interesse an den tatsächlichen Vorgängen am Himmel, unabhängig vom praktischen Nutzen des Kalenders und von religiösen und astrologischen Motiven. Noch heute berühmt ist die bemerkenswert genaue Messung des Erdumfangs 2 Der Almagest besteht aus 13 Büchern. In den ersten Büchern ist vor allem das Ptolemäische Weltsystem erläutert. Buch 7 und 8 enthalten dann die Fixsterneinträge in ekliptikalen Koordinaten und Angaben zur Helligkeit. 2.3 Astronomie in der Renaissance 35 durch Eratosthenes um 220 v. Chr., der die unterschiedlichen Schattenlängen der Sonne am gleichen Tag in Alexandria und Syene, wo sie genau im Zenit steht, auf unterschiedliche Breitengrade auf einer Kugel zurückführte. Weniger bekannt ist der Versuch des Aristarchos von Samos, den Abstand zur Sonne im Verhältnis zum Mondabstand zu messen, der zwar aufgrund ungenügender Messgenauigkeit sehr fehlerhaft ausfiel (er wurde um den Faktor 20 zu kurz bestimmt), aber methodisch korrekt war. Das Werk des Ptolemäus um 150 n. Chr. stellte den Höhepunkt und Abschluss der antiken Astronomie dar. Ptolemäus entwickelte auf der Basis bereits zu seiner Zeit bestehender Arbeiten (Hipparchos und mögliche andere) das nach ihm benannte Weltbild und gab mit dem Almagest ein Standardwerk der Astronomie heraus, auf dessen Sternkatalog sich Astronomen noch bis über die Renaissance hinaus beriefen. Die Römer schätzten die Astronomie als Teil der Bildung, erweiterten sie jedoch nicht. Ihr Interesse galt mehr der Astrologie als eine Möglichkeit, in die Zukunft zu schauen. Ein Teil der antiken Fachliteratur wurde im Oströmischen Reich bewahrt, doch der kulturelle Austausch mit der lateinischsprachigen Gelehrtenwelt West- und Mitteleuropas kam schon am Anfang des Frühmittelalters weitgehend zum Erliegen. Nach Ptolemäus befindet sich die Erde fest im Mittelpunkt des Weltalls. Alle anderen Himmelskörper (Mond, Sonne, Planeten, Sterne) bewegen sich auf als vollkommen angesehenen Kreisbahnen (Deferent) um diesen Mittelpunkt. Um astronomische Beobachtungen mit diesem System in Einklang zu bringen, war es allerdings notwendig, alle Himmelskörper auf ihren Bahnen weitere Kreise um diese Bahn ziehen zu lassen (so genannte Epizykel), und teilweise auch wieder Bahnen um diese Bahnen. Durch den Einsatz von etwa 80 solcher Bahnen konnte Ptolemäus die damals möglichen Beobachtungen in Einklang mit seinem Modell bringen. 2.3 Astronomie in der Renaissance Nicolaus Copernicus Das Zeitalter der Renaissance markiert die Blüte der klassischen Astronomie als Wissenschaft vom geometrischen Aufbau des Universums, einer Wissenschaft, die sich aber erst in Ansätzen der Erforschung der physikalischen Hintergründe der Sternbewegung widmete. Astrologie und Astronomie waren bis in die Renaissance hinein nicht widersprüchlich, aber auch nicht, wie gelegentlich behauptet, identisch. Viele Astronomen erstellten noch bis in das 17. Jahrhundert auch Horoskope für ihre Auftraggeber, sahen darin aber nicht ihre Haupttätigkeit. Die klassische Astronomie befasst sich nur mit den Positionen der Sterne und Planeten und deren exakter Berechnung, erst die Astrologie mit der Deutung dieser Positionen für die irdischen Ereignisse. In diesem Sinne war astronomische Kenntnis lediglich die Voraussetzung für Astrologie. 36 2 Von der Mythologie zur Kosmologie Abbildung 2.7: Weltbilder, die lange Zeit die Menschen fesselten. Die europäische Astronomie lebte durch die Arbeiten von Nicolaus Copernicus nach 1500 wieder auf. Nach Beobachtungen des Mondes gegen den Hintergrund der Fixsterne zweifelte er am geozentrischen Weltbild und arbeitete ein Modell aus, in dem die Sonne im Mittelpunkt des Kosmos steht. 1543 stellte er es in seinem Buch De Revolutionibus Orbium Coelestium vor. Noch vor 1580 vermaß Tycho Brahe erstmals Kometenbahnen und zog daraus Schlussfolgerungen auf deren Entfernung (1577) die großen astronomischen Distanzen wurden greifbar. Tycho beobachtete zudem 5 Jahre zuvor (1572) eine Supernova sowie die Marsbahn, und nachdem 1603 Johann Bayer den ersten neuzeitlichen Sternkatalog (Uranometria) veröffentlicht hatte, beschrieb 1609 Johannes Kepler in seinem Buch Astronomia Nova das nach ihm benannte 1. und 2. Keplersche Gesetz der Planetenbewegungen um die Sonne genauer (seine zuvor erschienenen Werke können als Wegbereiter seiner Astronomia Nova gelten). Somit lag eine korrekte Beschreibung der Planetenbewegungen aus heliozentrischer Sicht vor. Die nötige Vorarbeit hatte Tycho Brahe mit dem von ihm entwickelten Mauerquadranten geleistet. Die Genauigkeit von Brahes Positionsmessungen der Planeten ermöglichten Johannes Kepler erst die Entdeckung der Gesetze der Planetenbewegung. Die Erfindung des Fernrohrs zu Beginn des 17. Jahrhunderts besiegelte die 2.3 Astronomie in der Renaissance 37 Abbildung 2.8: Die Verdienste Galileis. Zeitenwende der Astronomie. Galileo Galilei entdeckte mit dessen Hilfe die vier inneren Monde des Jupiter und die Phasen der Venus. Diese Entdeckungen wurden zum Teil 1610 in Sidereus Nuncius veröffentlicht. Dadurch wurde das ptolemäische Weltbild nachhaltig geschwächt und deutlich, dass das kopernikanische Weltbild ebenso wie das geozentrische Modell von Brahe mit den Beobachtungen verträglich sind. Ein entscheidender Beweis war zu dieser Zeit weder theoretisch, noch praktisch möglich. Der darauf folgende Streit mit der Kirche endete zwar mit dem juristischen Sieg der Inquisition gegen Galilei, begründete aber ein problematisches Verhältnis zwischen Kirche und Naturwissenschaften. Die europäischen Fürsten förderten die Astronomie zunehmend an ihren Höfen als Zeichen ihrer Kultur und Bildung, wodurch sich ein personeller wie finanzieller Aufschwung der Forschung ergab. Daneben wurden Nationalobservatorien gegründet, wie zum Beispiel das Royal Greenwich Observatory oder die Pariser Sternwarte. Deren Aufgabe war es vor allem, Tabellen für die Seefahrt zu liefern und das Längenproblem zu lösen, daneben betrieben sie aber auch astronomische Forschung. Während die Forschung der Hofastronomen an das persönliche Interesse der Fürsten gebunden war, konnten sich an den Nationalobservatorien längerfristige Forschungstraditionen entwickeln, so dass solche unabhängigen Sternwarten späte- 38 2 Von der Mythologie zur Kosmologie stens mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts eine Führungsrolle in der Forschung einnahmen. 2.4 Das 18. Jahrhundert 2.4.1 Kometen Die ersten Objekte am Himmel, welche die Menschen immer wieder in Schrecken versetzten, waren die Kometen. Ihr Erscheinen kündete das Nahe Ende der Welt an. Dieser Aberglaube wurde im 18. Jh. zunichte gemacht. 1705 publizierte der englische Astronom Edmund Halley ein Buch, in dem er zeigte, dass Kometen zu unserem Sonnensystem gehören. Er war besonders beeindruckt von deren Erscheinungsweise im Jahre 1531, 1607 und 1682. Er behauptete, dass dahinter immer derselbe Komet stehe, der in 76 Jahren die Sonne umlaufe. Halley konnte selber das nächste Erscheinen 1758 nicht mehr erleben. Seit jener Zeit gilt seine Theorie jedoch als akzeptiert. Kometen bestehen aus gefrorenem Wasser und Staub und messen nur einige Kilometer im Durchmesser. Kometen laufen i.a. auf sehr elongierten Bahnen um die Sonne (Abb. 2.9). Wenn dieser interplanetare Eisberg in Sonnennähe gelangt, wird Eis von der Oberfläche abgedampft. Dadurch entsteht der lange Schweif des Kometen, da der Sonnenwind diese Material von der Sonne wegbläst. Die Jagd nach Kometen ist ein beliebtes Geschäft für Amateurastronomen geworden. Man denke nur an Shoemaker–Levy und Hale–Bopp. Abbildung 2.9: Der Komet Halley ist auf der Reise zum Aphel, das er 2024 erreichen wird. Die Halley Bahn ist sehr exzentrisch (e = 0, 97), der nächste Punkt zur Sonne beträgt nur 0,59 AE, und die Bahn erstreckt sich bis jenseits der Neptun–Bahn. Die Bahn ist um 18 Grad gegen die Ekliptik geneigt. Alle 76 Jahre tritt Komet Halley ins innere Sonnensystem ein, und jedesmal verliert der Kern eine etwa 6 Meter dicke Schicht aus Eis und Stein ans Sonnensystem. [Quelle: Giotto Projekt, ESA] 2.5 Das 19. Jahrhundert 2.4.2 39 Nebel Will man Kometen finden, so muß man feine Nebel entdecken. Es gibt viele Objekte dieser Art, die nicht Kometen sind. Diese wurden Nebel getauft. Charles Messier fertigte eine Liste von 103 Nebeln an, die damals teilweise noch für Kometen gehalten wurden. Diese Liste wurde 1781 als Messier Katalog der Nebel publiziert (s. Anhang). Dies half den Kometensuchern, falsche Identifikationen zu vermeiden. Etwa die Hälfte der Objekte im Messier Katalog stellten sich als Sternhaufen heraus. Viele sind einfach lose Ansammlungen von einzelnen Sternen, sog. offene Sternhaufen (insgesamt 29). 26 Sternhaufen sind sog. Kugelsternhaufen, so benannt wegen ihrer kugelsymmetrischen Form. Ein typischer Kugelsternhaufen enthält an die 100.000 Sterne (M5 z.B.). Einige Objekte im Messier Katalog sind leuchtende Gasnebel, die aus interstellarem Gas und Staub bestehen, z.B. der Orion Nebel (ein Sternentstehungsgebiet), oder der Krebsnebel M 1 (ein Supernova–Überrest). Der Messier Katalog enthält ca. 12 Objekte dieser Art. 2.4.3 Das 18. Jahrhundert – Spekulationen 1755 entwarf Immanuel Kant erste Theorien über eine rein aus mechanischen Vorgängen resultierende Entstehung unseres Sonnensystems und 1769 nahm James Cook (am 3. Juni auf Tahiti) die erste direkte Entfernungsbestimmung Erde-Venus-Sonne (Venustransit) vor. 2.5 Das 19. Jahrhundert In dieser Epoche entwickelte sich das Wissen um die physikalischen Grundlage der astronomisch beobachteten Himmelserscheinungen, das Licht. 1800 entdeckte Wilhelm Herschel die Infrarotstrahlung, 1802 William Hyde Wollaston die Absorptionslinien im Spektrum des Sonnenlichtes. Unabhängig von William Hyde Wollaston beschrieb Joseph von Fraunhofer 1813 die nach ihm benannten Fraunhoferschen Linien im Sonnenspektrum und erfand ein Jahr später das Spektroskop. Durch die Forschungen von Gustav Robert Kirchhoff und Robert Wilhelm Bunsen wurde es im Jahre 1859 möglich, die Absorptionslinien im Sonnenspektrum zu erklären und somit eine der wesentlichsten Grundlagen für die moderne Astronomie zu legen; die Astrophysik entstand. Die Himmelsobjekte wurden mit Hilfe der Spektralanalyse in Klassen eingeteilt, die später auf physikalische Gemeinsamkeiten zurückgeführt werden konnten. 1890 begann eine Gruppe Astronomen, unter ihnen Williamina Fleming, Antonia Maury und Annie Jump Cannon die Klassifikation der Sterne nach deren Spektrum (Spektralklasse) zur erarbeiten. Ein weiterer großer Schritt war die Ablösung des Auges als Beobachtungsinstrument durch die Fotografie. Die erste lichtbeständige Fotografie wurde 1826 von 40 2 Von der Mythologie zur Kosmologie Abbildung 2.10: Fingerprints der ersten 96 Messier Objekte (Quelle: www.astr.ua.edu/gallery2t.html). 2.6 Das 20. Jahrhundert 41 Joseph Nicephore Nipce angefertigt. 1840 nahm John William Draper das erste Foto des Mondes mittels Daguerreotypie auf. Dadurch wurden die Beobachtungen in den Folgejahren nicht nur objektiver, sondern stundenlange Belichtungen eröffneten die Möglichkeit, lichtschwächere Objekte wesentlich detailreicher zu erforschen. Friedrich Wilhelm Bessel fand 1862 mit Hilfe alter Berechnungen von 1844 einen Begleitstern des Hundssternes auf (Sirius B), der sich später als ein Zwergstern von besonders hoher Dichte herausstellte. 1877 fanden Asaph Hall die zwei Mondes des Mars und Schiaparelli die scheinbaren Marskanäle in der Folge erhielten Spekulationen ber Marsmenschen neuen Auftrieb. 1898 meldete Gustav Witt die Entdeckung des Asteroiden Eros. 2.5.1 Die unbekannten Objekte im NGC Katalog Etwa ein Drittel aller Objekte im Messier Katalog sind weder Sternhaufen, noch Nebel. Der Andromeda Nebel (M31) gehört zu diesen Objekten. Ihre Interpretation war zu jener Zeit sehr umstritten. Zur selben Zeit begann der deutsche Astronom William Herschel die Sterne in der Milchstraße zu zählen. 1785 publizierte er eine Liste von 683 Sternen und zog den Schluß, dass wir im Zentrum der Galaxies leben. Der Sohn von William Herschel setzte diese Zählerei fort und erstreckte sie über den ganzen Himmel. 1864 publizierte John Herschel den General Catalogue of Nebulae mit 5079 Objekten. 1888 wurde dieser Katalog von John Dreyer revidiert zu 7840 Nebeln und Sternhaufen. Der sog. New General Catalogue (NGC) wurde 1895 publiziert. Am Ende des 19. Jahrhunderts lagen insgesamt 15000 Nebel und Sternhaufen vor. Diese Arbeit wurde mit blossem Auge und ohne Photographie verrichtet! Der NGC und die Index Kataloge (IC) werden noch heute verwendet 3 . Der Krebsnebel z.B. hat die Nummer NGC 1952. Diese Kataloge enthalten Nebel und Sternhaufen, aber auch eine Menge Objekte, wie den Andromeda Nebel. Schon um 1750 spekulierte Thomas Wright, dass einige dieser Objekte Sternsysteme wie unsere Galaxis sein könnten. Seine Ideen wurden leider verkannt, außer von Kant. Aber auch er wurde verkannt. Erst mit dem Einzug der Photographie in die Astronomie gelang es, etwa die Struktur von M51 aufzunehmen. Dem Amateurastronomen Isaac Roberts gelang es 1888, die Sprialstruktur in M 31 aufzunehmen. Seither sind diese Objekte als Spiralnebel bekannt. 2.6 Das 20. Jahrhundert 1900 – 1930 1900 veröffentlichte Max Planck das Plancksche Strahlungsgesetz; ein Hinweis auf die Entropie des Universums und Wegbereiter der Quantentheorie. 1901 beobachtete Charles Dillon Perrine zusammen mit George Willis Ritchey Gasnebel um 3 The NGC/IC Project: www.ngcic.com 42 2 Von der Mythologie zur Kosmologie Abbildung 2.11: Das Mount-Wilson-Observatorium ist mit einem Alter von 100 Jahren eines der ältesten und erfolgreichsten Observatorien der Welt. Es befindet sich auf dem Mount Wilson auf einer Höhe von 1.742 m in den San Gabriel Mountains in Kalifornien, USA nordöstlich von Los Angeles. Das Observatorium wurde im Dezember 1904 von George Ellery Hale gegründet. Durch die 1,54-Meter und 2,54-Meter Teleskope (auch Hooker-Spiegel genannt), sowie den 18,3 und 45,7 Meter hohen Sonnenturmteleskopen, gelangen verschiedene Entdeckungen und Nachweise. den Stern Nova Persei 1901, die sich scheinbar mit Überlichtgeschwindigkeit bewegten, wenige Jahre später entdeckte er zwei Jupitermonde. 1906 entdeckte Max Wolf den ersten Trojaner (Achilles) und etwa im selben Zeitraum Johannes Franz Hartmann erste Hinweise auf die Existenz interstellarer Materie. Albert Einstein lieferte mit seiner Speziellen und Allgemeinen Relativitätstheorie die Grundlage für viele Theorien der modernen Astrophysik. So basiert beispielsweise die oben genannte Kernfusion auf der Äquivalenz von Masse und Energie, bestimmte extreme Objekte wie Neutronensterne und Schwarze Löcher bedürfen der allgemeinen Relativitätstheorie zur Beschreibung und auch die Kosmologie basiert in weiten Teilen auf dieser Theorie. 1913 entwickelte Henry Norris Russell aufbauend auf den Arbeiten von Ejnar Hertzsprung das sog. Hertzsprung-Russell-Diagramm (auch HRD) genannt. Dabei handelt es sich um ein, auf spektralanalytischer Einteilung basierendes Verfahren, aus dem Hinweise auf den Entwicklungszustand von Sternen abgeleitet werden können. Am 30. Juni 1908 erfolgte der gigantische Einschlag des Tunguska-Meteoriten (40 qkm verwüstet), und 1920 die Auffindung des schwersten Eisenmeteoriten aller Zeiten (SW-Afrika, 60 t, 3 m 2,8 m 1,2 m). 1923 gelang u. a. Edwin Hubble 2.6 Das 20. Jahrhundert 43 der Nachweis, dass der Andromedanebel (M 31) weit außerhalb der Milchstraße liegt, es also auch andere Galaxien gibt. 1927 fand Georges Lemaitre mit Hilfe der, von Milton Lasell Humason nachgewiesenen Rotverschiebung die Expansion des Weltalls. 1929 legte Hubble überzeugend einen linearen Zusammenhang zwischen Rotverschiebung und Entfernung von Galaxien dar. Obschon seine Berechnungen zwischenzeitlich mehrfach verbessert wurden, trägt die so errechnete fundamentale Größe der Kosmologie (Hubble-Konstante) seinen Namen. Die sich aus diese Größe ergebende Hubble–Zeit bezeichnet den Zeitpunkt, zudem rechnerisch die Expansion des Weltalls begonnen hat (Urknall). Hubble selbst berechnete etwa 2 Milliarden Jahre; heutzutage wird ein Wert von knapp 14 Milliarden Jahren postuliert. Neptun, der für Bahnabweichungen des Uranus verantwortlich gemacht worden war, war zwar 1846 gefunden worden. Doch in den Bahnen der beiden Planeten gab es immer noch unerklärliche Abweichungen. Also suchte man weiter nach einem hypothetischen neunten Planeten, Transneptun. Bei dieser Suche hatte Percival Lowell (1855 – 1916) 1915 Pluto fotografiert, ihn aber zu diesem Zeitpunkt nicht als Planeten erkannt. Erst am 18. Februar 1930 entdeckte ihn Clyde Tombaugh im, von P. Lowell gegründeten Lowell-Observatorium durch Vergleiche einiger Himmelsaufnahmen am Blinkkomparator auf fotografischen Platten. Pluto wurde bis in die jüngste Vergangenheit als neunter Planet bezeichnet, hat heute jedoch den Status wieder verloren. Mitte des 20. Jahrhunderts Im Laufe seiner Arbeit am Observatorium auf dem Pic du Midi fand Bernard Lyot, dass die Oberfläche des Mondes Eigenschaften von vulkanischem Staub aufweist und auf dem Mars Sandstürme auftreten. 1931 fand Karl Guthe Jansky die Radioquelle Sagittarius A. In den Folgejahren entwickelten dann 1933 auch Walter Baade und Fritz Zwicky ihre Theorien über den Übergang von Supernovae in Neutronensterne: die Materiedichte dort mußte hierin der der Atomkerne entsprechen. Die Antwort auf die Frage, was in Sternen vorging, bevor diese zu solchen Neutronensternen kollabierten, gelang 1938 Hans Bethe und Carl Friedrich von Weizsäcker, die die Wasserstoff-Fusion zu Helium im C-N-Cyclus entdeckten (stellarer Fusionsprozess, Bethe-Weizsäcker-Zyklus). Somit konnte man davon ausgehen, dass Sterne durch Wasserstoff-Fusion aufleuchten und brennen, bis ihr Wasserstoffvorrat thermonuklear ausgebrannt ist. Danach kommt es zum Helium-Flash, in dessen Folge Helium zu schwereren Elementen fusioniert wird. 1965 fanden Kippenhahn, Thomas, Weigert u. a. Astronomen und Kernphysiker heraus, dass die Fusion von Wasserstoff und Helium im Riesenstern auch nebeneinander ablaufen kann (ab ca. drei Sonnenmassen). Das Endstadium dieser Prozesse ist dann ein Schwarzes Loch. Ein erster Radarkontakt zu einem Himmelskörper gelang schon 1946, am 10. Januar (1. Radarecho vom Mond, Weglänge 2,4 Sekunden), und 1951 folgte die Entdeckung der kosmischen 21-cm-Radiostrahlung (vom interstellaren Wasserstoff) und später der 2,6-mm-Strahlung (vom Kohlenmonoxid) und 1965 die Entdeckung 44 2 Von der Mythologie zur Kosmologie der 3K-Hintergrundstrahlung (Echo des Urknalls, ebenfalls 1956 Erstempfang von Radiostrahlung elektrischer Entladungen aus der Venusatmosphäre). Damit war die Radioastronomie erfunden. Die 1970er Jahre – Beginn der Satellitenastronomie Am 12. Mai 1971 ging in Effelsberg, Eifel, das erste deutsche Radioteleskop in Betrieb. Doch auch in der optischen Astronomie wurde weitergeforscht: 1973 nahm James van Allen eine systematische Himmelsdurchmusterung vor, pro Quadratgrad wurden bis hinab zur Helligkeit von nur +20m) 31600 Sterne und 500 Galaxien registriert, also 1,3 Milliarden Sterne und 20 Millionen Galaxien (mit je ca. 200 Milliarden Sternen). Derweil entwarf 1974 Stephen Hawking seine Theorie der Emission virtueller Teilchen aus Schwarzen Löchern. Im gleichen Jahr, am 29. März, erreichte mit Mariner 10 mit Hilfe der Swing-by-Technik (Venuspassage 5. Februar 1974) erstmals eine Sonde den innersten Planeten Merkur (weitere Merkurpassagen 21. September 1974, 16. März 1975 usw. alle 176 Tage). Am 10. März 1977 wurden die Ringe des Uranus erstmals beschrieben. Am 3. März 1972 startete die NASA die Sonde Pioneer 10. Sie war zum 3. Dezember 1973 die erste Raumsonde, die am Planeten Jupiter vorbei flog. Die Schwestersonde Pioneer 11 hob am 6. April 1973 ab, passierte am 3. Dezember 1974 den Jupiter und flog am 1. September 1979 als erste Sonde am Saturn vorbei. Voyager 1, die Raumsonde, die 1977 gestartet worden war, ist das am weitesten von der Erde entfernte, von Menschen gemachte Objekt. Die Entfernung wird auf etwa 16 Lichtstunden geschätzt, an der mutmasslichen Grenze der Heliosphäre. Die Sonde sendet noch immer Signale und wird dies voraussichtlich bis 2020 tun. Planeten in anderen Sonnensystemen – Extrasolare Planeten Ein extrasolarer Planet, kurz Exoplanet, ist ein Planet außerhalb des vorherrschenden gravitativen Einflusses der Sonne (lat. sol). Extrasolare Planeten gehören also nicht unserem Sonnensystem an, sondern einem anderen Planetensystem, bzw. umkreisen einen anderen Stern. Der erste Exoplanet in einem Orbit um einen sonnenähnlichen Stern wurde 1995 von Michel Mayor vom Departement für Astronomie der Universität Genf und seinem Mitarbeiter Didier Queloz mit Hilfe der Radialgeschwindigkeitsmethode entdeckt. Der Planet 51 Pegasi b kreist im 4,2-Tage-Takt um den ca. 40 Lichtjahre von der Erde entfernten Stern 51 Pegasi (Sternbild: Pegasus) und hat 0,46 Jupitermassen. Exoplaneten im Orbit um sonnenähnliche Sterne konnten lange nicht mit Teleskopen direkt beobachtet werden, da sie sehr lichtschwach sind. Sie werden von dem um ein Vielfaches helleren Stern, um den sie kreisen, überstrahlt. Das Auflösungsvermögen von erdgestützten Teleskopen reicht heute meist nicht dazu aus, um zwei so relativ nahe beieinander liegende Objekte mit so großem Helligkeitsunterschied 2.7 Das 21. Jahrhundert 45 Abbildung 2.12: Diagramm der Anzahl entdeckter Exoplaneten pro Jahr (Radialgeschwindigkeitsmethode = dunkelblau, Transitmethode = grün, Timing = lila, Astrometrisch = gelb, Direct Imaging = rot, Mikrolinseneffekt = orange, Pulsar Timing = violett) wie einen Planeten und seinen Stern getrennt darzustellen. Daher war der erste Exoplanet, der direkt optisch abgebildet werden konnte (2M1207 b), ein Exoplanet um einen Braunen Zwerg. 2009 haben Wissenschaftler praktisch auf einen Schlag außerhalb unseres Sonnensystems 32 neue Planeten entdeckt. Die Zahl der bekannten extrasolaren Planeten steigt damit auf rund 400. Die 32 entdeckten Planeten gehören zu rund 30 verschiedenen Planetensystemen. Die Entdeckung ist mit einem Suchgerät namens HARPS (High Accuracy Radial Velocity Planet Searcher) gelungen. 2.7 Das 21. Jahrhundert Das 21. Jahrhundert ist geprägt einerseits durch die Suche nach extrasolaren Planeten und andererseits durch den Vorstoss an die Grenzen des Kosmos. Folgende Fragen stehen im Brennpunkt der Forschung: 2.7.1 Die zeitliche Entwicklung des Kosmos Die Kosmische Hintergrundstrahlung ist eine Mikrowellenstrahlung, die aus der Frühzeit des Universums, dem Urknall stammt. Über die Zustände während des Urknalls kann man nur Vermutungen anstellen. Es ist aber klar, dass sich ca. 380.000 46 2 Von der Mythologie zur Kosmologie Jahre nach dem Urknall die ersten Atome gebildet haben müssen und so die Photonen entweichen konnten, da ihre Streupartner nicht mehr vorhanden waren. Vor diesem Zeitpunkt standen Strahlung und Materie in einem Temperaturgleichgewicht. Durch seine Expansion kühlt das Universum sich langsam ab, sodass die Temperatur der Hintergrundstrahlung von 3000 Kelvin bei der Entkoppelung auf heutige 2,725 Kelvin gesunken ist. Bei der Kosmischen Hintergrundstrahlung handelt es sich um Schwarzkörperstrahlung, Strahlung von einem idealisierten Schwarzen Körper, also einem Objekt, das Strahlung absorbiert, in sich hält und nicht wieder hinauslässt. Die Kosmische Hintergrundstrahlung ist weitgehend isotrop verteilt, d.h. richtungsunabhängig. Abb. 2.13 zeigt die Geschichte unseres Universums in einer grafischen Darstellung. Sie beginnt mit einer Explosion der Raumzeit vor 13,7 Milliarden Jahren, hier mit Quantenfluktuationen bezeichnet, es folgt die Phase der Inflation. Man erkennt deutlich, seit wann sich die Photonen frei bewegen können und das Bild, welches sie uns heute als kosmische Hintergrundstrahlung zeigen. Die dunklen Zeiten (Dark Ages) werden durch das Aufflammen der ersten Sterne beendet. Die Gravitation der Galaxien bremst die Expansion zuerst, aber eine rätselhafte Kraft (Dunkle Energie genannt) wird langsam stärker als diese Gravitation und beschleunigt die Expansion des Universums seit 5 Milliarden Jahren. Als Symbol für unseren forschenden Verstand wird der Satellit WMAP dargestellt. WMAP (Wilkinson Microwave Anisotropy Probe) hat die kosmische Hintergrundstrahlung mit großer Präzision vermessen, der PLANCK–Satellit wird dies noch besser machen. 2.7.2 Was ist Dunkle Materie, was Dunkle Energie? Dunkle Materie bezeichnet in der physikalischen Kosmologie eine hypothetische Form von Materie, die zu wenig sichtbares Licht oder andere elektromagnetische Strahlung aussendet oder reflektiert, um direkt beobachtbar zu sein. Diese Eigenschaft teilt die Dunkle Materie mit der Dunklen Energie. Dunkle Materie macht sich durch gravitative Wechselwirkung mit sichtbarer Materie bemerkbar. Ihre Existenz würde das Problem Dunklen Materie lösen, das sich unter anderem in zu schnellen Umlaufgeschwindigkeiten der Randbereiche von Galaxien äußert. Zwar scheint der Kosmos voll von strahlenden Sternen und leuchtenden Gaswolken zu sein. Doch der Eindruck trügt: Tatsächlich besteht das Universum zu etwa 23 Prozent aus anziehender Dunkler Materie und zu etwa 72 Prozent aus abstoßender Dunkler Energie. 2.7.3 Ist die Welt 4, 5 oder 11–dimensional? Nicht erst beim Urknall ist das Universum entstanden, glauben zwei Kosmologen. Nach ihrer radikalen Theorie befindet sich das Weltall in einem ewigen Kreislauf zwischen Schöpfung und Zerstörung. Ihr zyklisches Modell, meinen Paul Steinhardt von der Princeton University und Neil Turok von der Cambridge University, hat 2.7 Das 21. Jahrhundert 47 Abbildung 2.13: Die zeitliche Entwicklung des Kosmos seit dem Urknall vor 13,7 Milliarden Jahren. gegenüber dem bisherigen Standardmodell einige Vorteile. Die Welterklärung, auf die sich zuletzt viele Forscher einigen konnten, ist die so genannte Inflationstheorie: Sie geht davon aus, dass das Universum vor rund 14 Milliarden Jahren mit dem Big Bang entstand und danach einen äußerst kurzen Schub rapider Ausdehnung - die Inflation - durchlief. 2.7.4 Die Entwicklung von Leben im Kosmos Was wissen wir im Jahre 2009 über außerirdische Lebensformen? Zwar glauben die meisten Wissenschaftler, dass irgendwo im All weiteres Leben existiert. Nachgewiesen konnte es bisher jedoch nicht. Der Nachweis eines universellen EvolutionsPrinzips könnte die Diskussion über die Lebensentstehung im Universum jedoch auf eine völlig neue Basis stellen. Wo gibt es im Universum also geeignete Umweltbedingungen, damit die kosmische Information auf fruchtbaren Acker fällt? Als wichtigste Voraussetzung für die Entstehung höheren Lebens gilt die Existenz von flüssigem Wasser auf der Oberfläche eines Himmelskörpers. Das setzt zum einen voraus, dass ein Planet innerhalb einer so genannten Lebenszone um seine Sonne kreist, in der es weder zu heiß noch zu kalt sein darf. Zum anderen muss dieser Himmelskörper eine ausreichende Masse besitzen, damit er dauerhaft eine Gashülle an sich binden kann. In unserem Sonnensystem befindet sich der Mars zwar in einer kalten Randlage, aber gerade noch 48 2 Von der Mythologie zur Kosmologie Abbildung 2.14: Zyklisches Universum. innerhalb der Lebenszone. Leider ist er etwas zu klein geraten und hat den größten Teil seiner ursprünglichen Atmosphäre verloren, so dass er im heutigen Zustand als Träger von höherem Leben ausscheiden muss. Es konnte aber eindrucksvoll nachgewiesen werden, dass es auf dem roten Wüstenplaneten einmal flüssiges Wasser in Form von Flüssen und Meeren gegeben haben muss. Niemand weiß genau, wie lange dieser Zustand angehalten hat. Sollte er einen Zeitraum von 1 Milliarde Jahren überdauert haben, könnte auf dem Mars ähnlich wie auf der Erde zunächst Leben entstanden sein, das aber auf Grund widriger Umweltbedingungen erlöschen mußte. Wie sieht es außerhalb unseres Sonnensystems oder gar unserer Galaxis aus? Der australische Astronom Simon Driver beziffert allein mit modernen Teleskopen fassbare Sternenzahl auf 70 Trilliarden, das ist eine 7 mit 22 Nullen, wobei die tatsächliche Zahl der Sterne noch um Größenordnungen darüber liegen dürfte. Doch wie ist es mit den Lebenszonen anderer Sterne bestellt? Die besten Kandidaten sind solche Sterne, die hinsichtlich ihrer Masse unserer eigenen Sonnen ähneln. Das liegt daran, dass sehr große, massereiche Sterne zwar wegen des geringeren Temperaturgefälles in ihrer Umgebung über eine breite Lebenszone verfügen, die Entwicklung von Leben auf etwaigen Planeten dieser Sterne aber dadurch vereitelt wird, weil diese mit ihrem Energievorrat sehr verschwenderisch umgehen, wodurch ihre Lebensdauer zum Teil deutlich unter einer Milliarde Jahren liegt, was zumindest für 2.8 Zusammenfassung 49 die Entwicklung höherer Lebensformen zu kurz ist. Das gegenteilige Szenario finden wir bei Zwergsternen. Diese verfügen über eine sehr lange Lebensdauer, allerdings schrumpft bei den Zwergen die Lebenszone auf einen schmalen Korridor zusammen. Hier ist die statistische Wahrscheinlichkeit relativ gering, dass ein Planet in diesem Sektor seine Bahn zieht, ausgeschlossen ist es aber nicht. Als Besonderheit kommt hinzu, dass die Lebenszone bei den Zwergen sehr nah am Stern liegt, und der in Frage kommende Planet aus physikalischen Gründen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine gebundene Rotation aufweist. Diese hat zur Folge, dass auf der einen Hemisphäre ständig Nacht herrscht, während auf der anderen die Sonne niemals untergeht. Im Jahre 2007 wurde ein neuer Exoplanet entdeckt, Gliese 581 c genannt, der sich in der Lebenszone des 20.5 Lichtjahre von der Erde entfernten Zwergsterns Gliese 581. Auf Grund der gebundenen Rotation wäre eine Hemisphäre sehr heiß und die andere sehr kalt, doch in der dämmrigen Zwischenzone könnte es lauschig warm, wegen des erforderlichen atmosphärischen Temperaturtransports aber auch sehr stürmisch sein. Der Paläontologe Simon Conway von der britischen Universität Cambridge hält es dennoch für möglich, dass dort Leben existiert. 2.8 Zusammenfassung Zusammenfassend halten wir die wesentlichen Marksteine der Entwicklung der Astronomie bis ins Jahr 2009 fest: • die Griechen entwickelten das erste geozentrische Weltbild, das im wesentlichen nicht über das Sonnensystem hinausging. • die Kopernikanische Wende um 1600 stellte die Sonne in den Mittelpunkt der Welt – jedoch: es gibt kein Zentrum des Universums ! • Bau der ersten Fernrohre durch Kepler und Galilei um 1610 • Newtonschen Gesetze der Gravitation um 1700 – jedoch nur begrenzt richtig (durch Einstein 1915 revidiert, bestätigt durch Merkur– Periheldrehung, Lichtablenkung) • Die Erkenntnis, dass Kometen zum Sonnensystem gehören (Halley). • Andromeda ist kein Objekt der Milchstraße (Hubble 1924). • Das Universum der Galaxien expandiert (Hubble 1929) – die fundamental wichtige Hubble–Konstante. • Quasare sind extrem helle Zentren von Galaxien (ab 1963) und Hypothese der Existenz von Schwarzen Löchern. • die Entdeckung der Kosmischen Hintergrundstrahlung mit einer Temperatur von 2,725 K durch Penzias und Wilson 1965; 50 2 Von der Mythologie zur Kosmologie • Entdeckung der Neutronensterne (1967, obschon theoretisch schon 1930 vorhergesagt). • Indirekter Nachweis der Existenz von Gravitationswellen (seit 1975) • Gamma–Blitze sind kosmische Ereignisse (ab 1991), die in jungen Galaxien ablaufen (seit 1996) • Planeten existieren nicht nur in unserem Sonnensystem (seit 1995). • Dunkle Materie und Dunkle Energie dominieren die Expansion des Universums (seit 1998). 3 Galaxien – Bausteine des Universums Als eine Galaxie wird in der Astronomie allgemein eine gravitativ gebundene große Ansammlung von Materie wie Sternen und Planetensystemen, Gasnebeln, Staubwolken und sonstigen Objekten bezeichnet. Eine Galaxie ist ein besonders großes Sternsystem, das mindestens einige Millionen Sterne umfasst und damit wesentlich mehr Sterne als nur ein Kugelsternhaufen aufweist. Galaxien werden in drei Hauptklassen unterteilt: Elliptische Galaxien werden mit E bezeichnet, Spiralgalaxien mit S und Balkengalaxien mit SB. Die Galaxien haben einen Durchmesser von 10 000 bis 200 000 Lichtjahren und jede von ihnen enthält Milliarden von Sternen. Die Gesamtzahl aller Galaxien in dem zur Zeit beobachtbaren Teil des Weltalls schätzt man auf rund 100 Milliarden. Galaxien kommen einzeln oder in Haufen vor, die wiederum Superhaufen mit einem Durchmesser von 100 Millionen Lichtjahren bilden. Als Galaxis im Singular wird in der Astronomie ausschließlich unsere eigene Galaxie, die Milchstraße bezeichnet. In einer dunklen und klaren Nacht sehen die dicht gedrängten Sterne der galaktischen Scheibe wie eine Spur von verschütteter Milch aus. Noch vor hundert Jahren wusste man nicht, ob die Milchstraße den ganzen Kosmos ausfüllt oder nicht. Was der Spiralnebel in der Andromeda ist, war völlig unklar. Dank des technischen Fortschrits kann man heute Milliarden solcher Galaxien beobachten. Es ist besonders in den vergangenen 20 Jahren gelungen, einiges über die Geschichte des Weltraums zu erfahren. 3.1 Die Große Debatte von 1920 Heute wissen wir, dass die Galaxien eigene Milchstraßen sind genau wie unsere. Das war aber nicht immer so. Im 18. Jahrhundert fand Charles Messier (17301817) mit seinem kleinen Teleskop immer wieder neblige Lichtflecken. Um eine Verwechselung mit neuen Kometen zu vermeiden, katalogisierte er diese Nebelflecken in einem Katalog - dem berühmten Messier-Katalog der Sternhaufen und Nebel. So hat unsere Nachbargalaxie - der Andromedanebel - z.B. die Nummer 31 in seinem Katalog. Allerdings konnte Messier mit seinem kleinen Teleskop nur neblige Flecken erkennen; die wahre Natur dieser Objekte blieb ihm so verborgen. Im 19. Jahrhundert baute Wilhelm Herschel ein riesiges Teleskop. Mit diesem entdeckte er viele Tausend dieser schwachen nebligen Flecken am Himmel, die er ebenfalls katalogisierte. Auch er konnte die wahre Natur der rätselhaften Nebel 52 3 Galaxien – Bausteine des Universums nicht entschlüsseln. Aber was waren diese geheimnisvollen Nebel nun? Waren es Gasnebel in unserer Milchstraße oder eigene Sternensysteme, also Objekte, die sich weit außerhalb unserer Milchstraße befanden? Am 20. August 1885 sah Ernst Hartwig in dem Teleskop der Sternwarte Dorpat einen neuen Stern nahe des Zentrums im Andromedanebel. Im Verlauf von einigen Wochen verblaßte er wieder und verschwand im Nebelhintergrund. Sollte das ein Hinweis darauf sein, dass der Andromedanebel aus einzelnen Sternen besteht? Einige Astronomen glaubten, dass es sich bei einigen Nebeln wirklich um eigene Sternensysteme außerhalb unserer Milchstraße handeln könnte. Untersuchungen mit Spektroskopen zeigten dann aber, dass die meisten der von Herschel entdeckten Nebelflecken Wolken aus Gas in unserer Milchstraße waren. Damit wurde die Theorie, einige der Nebel seien eigene Sternensysteme, wieder verworfen. Abbildung 3.1: Die 2,5 Millionen Lichtjahre entfernte Andromeda-Galaxie ist mit einem HaloDurchmesser von ca. einer Million Lichtjahren das größte und mit einer Gesamtmasse von 198 bis 407 Milliarden Sonnenmassen eines der beiden wichtigen Mitglieder der Lokalen Gruppe von Galaxien. Andromeda ist eine Spiralgalaxie vom Typ Sb. Sie ist im Messier-Katalog als M 31 und im New General Catalogue als NGC 224 verzeichnet. Im Jahr 1888 veröffentlichte John L.E. Dreyer den berühmten New General 3.1 Die Große Debatte von 1920 53 Catalogue of Nebulae and Clusters of Stars (NGC), in dem sich viele der von Herschel entdeckten Sternhaufen und Nebel befinden und der über 8000 dieser Objekte enthält. 1908 erschienen zwei Erweiterungen, der sogenannte Index Catalogue (IC). Zusammen mit dem NGC-Katalog enthielt er über 13.000 Nebelobjekte. So trägt z.B. der Andromedanebel auch die Bezeichnung NGC 224. Im Jahre 1909 wurde auf dem Mount Wilson das damals größte Teleskop in Betrieb gesetzt: Der 1,5 Meter Spiegel. Mit diesem erschienen die äußeren Partien des Andromedanebels körnig (Abb. 3.1). Man konnte zwar keine einzelnen Sterne erkennen, aber irgendwie sahen die Randpartien aus wie extrem unscharfe Sterne. Sollte der Andromedanebel doch aus Einzelsternen bestehen? Ein entscheidender Schritt zur Entfernungsbestimmung im Kosmos gelang Henrietta S. Leavitt. Im Jahre 1912 beobachtete sie Sterne in der Großen Magellanschen Wolke am Südhimmel. Sie entdeckte dabei eine besondere Art von Veränderlichen Sternen - die sogenannten Delta Cepheiden. Sie fand heraus, dass diese Sterne um so heller strahlen, je langsamer sie pulsieren, also ihre Helligkeit ändern. Die Dauer der Lichtwechselperiode solcher Sterne ist ein Maß für ihre absolute Helligkeit. Das war der Schlüssel zur Entfernungsmessung im Weltraum. Das Problem war nur, welche Lichtwechselperiode entspricht welcher absoluten Helligkeit? Der dänische Astronom Ejnar Hertzsprung ging an die Arbeit, dieses Problem zu lösen. Leider gab es keinen Cepheiden, der uns so nahe steht, dass man seine Entfernung direkt mit Hilfe der Trigonometrie messen kann. Hertzsprung nahm als grobe Schätzung der Entfernung eines Cepheiden seine Eigenbewegung. Je geringer diese ist, desto weiter ist der Stern entfernt. Schließlich errechnete Hertzsprung die wahren Helligkeiten für einige Lichtwechselperioden. Harlow Shapley wandte die Methoden von Hertzsprung auf Cepheiden in den Kugelsternhaufen unserer Milchstraße an und ermittelte ihre Entfernung. Dabei zeigte sich, dass die meisten Kugelsternhaufen in einer Himmelsrichtung zu sehen waren. Shapley vertrat die Ansicht, dass sich die Kugelsternhaufen gleichmäßig um unsere Milchstraße verteilen und dass wir uns nicht im Zentrum, sondern im Randbereich der Milchstraße befinden. Shapley erstellte eine Karte vom Außenbereich unserer Milchstraße und schätzte ihre Größe ab, die er mit 300.000 Lichtjahren angab. Während sich Shapley mit den Kugelsternhaufen in der Milchstraße beschäftigte, machte sein Kollege und Freund Adrian van Maanen Messungen an den Spiralnebeln. Er versuchte Eigenbewegungen der hellen Knoten in dem Spiralnebel M 33 zu messen und fand auf Aufnahmen verschiedenen Alters geringe Positionsveränderungen. Es sah so aus, als ob diese Spiralnebel rotieren wie riesige Feuerräder. Van Maanen und Shapley waren davon überzeugt, dass diese Spiralnebel dennoch relativ nahe sein müssten, da man in ihnen Eigenbewegungen erkennen konnte. Stünden sie wirklich weit außerhalb der Milchstraße, so müssten sie fast mit Lichtgeschwindigkeit rotieren, was unwahrscheinlich war. George Willis Ritchey entdeckte 1917 mit seinem 1,5 Meter Teleskop in einem 54 3 Galaxien – Bausteine des Universums Nebelfleck mit der Bezeichnung NGC 6946 eine Nova. Er war sich sicher, dass es sich um eine Nova handelte - nur war ihre Helligkeit viel zu schwach; sie war sogar viel schwächer als unsere Sonne. Und das konnte nicht sein. Nach dieser Entdeckung suchte der Astronom H. D. Curtis auf Fotoplatten nach weiteren Novae in vermeintlichen Nebeln. Er fand drei weitere und vertrat die Ansicht, dass alle Nebel, die schwache Novae enthielten, in Wirklichkeit eigene Sternensysteme sein müssen. Die Shapley-Curtis-Debatte, auch bekannt als Die Große Debatte (The Great Debate) bündelt die Diskussionen am Anfang des 20. Jahrhunderts, die schließlich zu einem neuen Verständnis der Natur von Galaxien und der Größe des Universums führten. Die Diskussion zwischen den Astronomen Harlow Shapley und Heber Curtis fand am 26. April 1920 im Baird-Auditorium des National Museum of Natural History in Washington statt. Sie kreiste um die Größe unserer Milchstraße und die Frage, ob die damals als Spiralnebel bekannten Galaxien kleine Objekte in unserer Milchstraße oder sehr viel weiter entfernt und von der Milchstraße getrennt sind. Am Tag präsentierten die beiden Wissenschaftler unabhängige technische Vorträge über die Größenskala des Universums, denen am Abend eine öffentliche Diskussion folgte. Shapley vertrat die Meinung, dass die Milchstraße wesentlich größer ist als zuvor von den meisten Astronomen angenommen, und dass die Sonne nicht in ihrem Zentrum steht. Spiralnebel sah er als Gaswolken in dieser einzigen riesigen ’Galaxie’ an. Curtis vertrat ein wesentlich kleineres Modell der Milchstraße, sah aber Spiralnebel als unabhängige der Milchstraße ähnliche Objekte in großer Entfernung an. Letztlich konnte keiner den anderen überzeugen. Der sich so entwickelte Streit zwischen den Wissenschaftlern wurde erst im Jahr 1925 durch den Astronom Edwin Hubble beendet. 3.1.1 Hubble fand die Lösung Bereits im Jahre 1919 nahm man auf dem Mt. Wilson ein noch größeres Teleskop in Betrieb - den 2,5 Meter Hooker–Spiegel. An diesem machte sich der Astronom Edwin Hubble ab 1923 an die Arbeit, fotografische Aufnahmen von dem Andromedanebel, dem Spiralnebel M 33 und NGC 6822 zu machen. Die Randbereiche des Andromedanebels M 31 wurden auf diesen Aufnahmen erstmals in einzelne Sterne aufgelöst. Eine gute Aufnahme des Andromedanebels wurde im Oktober 1923 gemacht. Hubble durchsuchte ein Jahr später diese Platte und fand darauf drei Sterne, die im Andromedanebel standen: Zwei davon waren Novae und einer davon ein Veränderlicher vom Typ Delta Cephei. Hubble bestimmte die Periode dieses Sterns und ermittelte seine wahre Helligkeit. Dann bestimmte er damit seine Entfernung und kam 3.2 Unsere Milchstraße 55 auf 300 Kiloparsec oder 980.000 Lichtjahre! Damit war klar, dass der Andromedanebel weit außerhalb unserer Milchstraße liegt! Im Februar 1924 schrieb Hubble an Shapley, dass er im Andromedanebel einen Cepheiden gefunden habe. Shapley wurde klar, dass die von ihm bekämpfte Theorie, die Spiralnebel seien ferne Milchstraßensysteme, bestätigt worden ist. Von dort an widmete er sich immer mehr dem Studium dieser fernen Milchstraßen. Am 1. Januar 1925 wurde mit der Verlesung der Ergebnisse von Hubble auf einer Tagung der Amerkanischen Astronomischen Gesellschaft die heftige Debatte um die wahre Natur der Nebel mit einem Schlag beendet. Der Andromedanebel und auch die anderen Spiralnebel sind große Ansammlungen von Sternen weit außerhalb unserer Milchstraße. Die Existenz ferner Galaxien war nun endlich bewiesen worden. Zusammen mit Milton Humason setzte Hubble seine Beobachtungen an dem 2,5 Meter Teleskop auf dem Mt. Wilson fort. Einzelne Cepheiden konnte er in dem Riesenteleskop in Galaxien bis etwa 3 Millionen Lichtjahren Entfernung ausmachen. Bei den schwächeren Galaxien weiter draußen nahm Hubble die mittlere Leuchtkraft der ganzen Galaxien und leitete daraus ihre Entfernungen ab. Er fand dabei immer mehr Galaxien und entwickelte ein Klassifikationsschema, welches auch heute noch angewendet wird. Er unterschied drei Haupttypen: Spiralgalaxien, elliptische Galaxien und irreguläre Galaxien. 3.2 Unsere Milchstraße Unsere Milchstraße ist ein Gebilde aus mehr als 100 Milliarden Sonnen (auch Fixsterne genannt), Staub und Gas. Sie ist mehr oder weniger Diskusförmig. Der Durchmesser dieses Diskus ist so groß , dass das Licht 100’000 Jahre benötigt, um in diametral zu durchqueren (d.h. der Durchmesser beträgt 100’000 Lichtjahre). Unser Sonnensystem misst nicht einmal einen Lichttag im Durchmesser. Die Sterne der Sternbilder sind typischerweise ein paar bis ein paar hundert Lichtjahre entfernt. Da wir uns selbst innerhalb der Milchstraße befinden, umgibt sie uns als schimmerndes Band, das wir besonders in den Sommermonaten von dunklen Orten sehen können. Den Namen Milchstraßensystem trägt unser Sternsystem nach der Milchstraße, die als freiäugige Innenansicht des Systems von der Erde aus wie ein quer über das Firmament gesetzter milchiger Pinselstrich erscheint. Dass dieses weißliche Band sich in Wirklichkeit aus Milliarden von Sternen zusammensetzt, wurde erst 1609 von Galileo Galilei erkannt, der die Erscheinung als Erster durch ein Fernrohr betrachtete. Schon im Altertum war die Milchstraße als heller, schmaler Streifen am Nachthimmel bekannt. Wie dem deutschen Wort Milchstraße liegt also auch dem altgriechischen Begriff Galaxis das milchige Aussehen zugrunde. Eine antike griechische Sage versucht diesen Begriff mythologisch zu erklären: 56 3 Galaxien – Bausteine des Universums Abbildung 3.2: So könnte sich das Milchstraßensystem einem äußeren Betrachter darstellen. Man beachte den zentralen Balken. Die im Licht der H-α-Linie des Wasserstoffs hell leuchtenden Bereiche in den Spiralarmen sind Sternentstehungsgebiete. danach habe Zeus seinen Sohn Herakles, den ihm die sterbliche Frau Alkmene geschenkt hatte, an der Brust seiner göttlichen Frau Hera trinken lassen, als diese schlief. Herakles sollte auf diese Weise göttliche Kräfte erhalten. Aber er saugte so ungestüm, dass Hera erwachte und den ihr fremden Säugling zurückstieß; dabei wurde ein Strahl ihrer Milch über den ganzen Himmel verspritzt. 3.2.1 Allgemeine Struktur Die Erforschung der Struktur des Milchstraßensystems ist schwieriger als die der Strukturen anderer Galaxien, da Beobachtungen nur von einem Punkt innerhalb der Scheibe gemacht werden können. Wegen der Absorption sichtbaren Lichts durch interstellaren Staub ist es nicht möglich, durch visuelle Beobachtungen ein vollständiges Bild des Milchstraßensystems zu erhalten. Große Fortschritte wurden erst gemacht, als Beobachtungen in anderen Wellenlängenbereichen, insbesondere im Ra- 3.2 Unsere Milchstraße 57 diofrequenzbereich und im Infraroten möglich wurden. Dennoch sind viele Details im Aufbau der Galaxis noch nicht bekannt. Abbildung 3.3: Die Komponenten einer Galaxie: Bulge, Nukleus, Scheibe und Halo. Das Milchstraßensystem wurde früher als vier- oder fünfarmig betrachtet, nun gilt es als zweiarmige Balkenspiralgalaxie. Sie besteht aus etwa 100 bis 300 Milliarden Sternen und großen Mengen interstellarer Materie, die nochmals 600 Millionen bis einige Milliarden Sonnenmassen ausmacht (Die Anzahl der Sterne und damit auch die Gesamtmasse unserer Galaxis kann auf Basis von Berechnungen und Beobachtungen nur geschätzt werden). Die Masse dieses inneren Bereichs der Galaxis wird mit ungefähr 3, 6 × 1041 kg veranschlagt. Ihre Ausdehnung in der galaktischen Ebene beträgt etwa 100.000 Lichtjahre (30 kpc), die Dicke der Scheibe etwa 3000 Lichtjahre (920 pc) und die der zentralen Ausbauchung (sog. Bulge) etwa 16.000 Lichtjahre (5 kpc). Zum Vergleich: Der Andromedanebel hat eine Ausdehnung von etwa 150.000 Lj. und das drittgrösste Mitglied der Lokalen Gruppe, der Dreiecksnebel M33, ca. 50.000 Lj. Aus der Bewegung interstellaren Gases und der Sternverteilung im Bulge ergibt sich für diesen eine längliche Form. Dieser Balken bildet mit der Verbindungslinie des Sonnensystems zum Zentrum des Milchstraensystems einen Winkel von 45 Grad. Die Galaxis ist also vermutlich eine Balkenspiralgalaxie vom Hubble-Typ SBc. Gemäß einer Bestimmung mithilfe des Infrarot-Weltraumteleskops Spitzer ist die Balkenstruktur mit einer Ausdehnung von 27.000 Lichtjahren überraschend lang. Umgeben ist die Galaxis vom kugelförmigen galaktischen Halo mit einem Durch- 58 3 Galaxien – Bausteine des Universums messer von etwa 165.000 Lichtjahren (50 kpc), einer Art von galaktischer Atmosphäre. In ihm befinden sich neben den etwa 150 Kugelsternhaufen nur weitere alte Sterne, darunter RR Lyrae-Veränderliche, und Gas sehr geringer Dichte. Ausnahme sind die heissen Blue Straggler-Sterne. Dazu kommen große Mengen Dunkle Materie mit etwa 1 Billion Sonnenmassen, darunter auch so genannte MACHOs. Anders als die galaktische Scheibe ist der Halo weitgehend staubfrei und enthält fast ausschliesslich Sterne der älteren, metallarmen Population II, deren Orbit sehr stark gegen die galaktische Ebene geneigt ist. 3.2.2 Das Interstellare Material (ISM) Völlig leer ist das Universum nirgends. Der Raum zwischen den Sternen beherbergt das sog. Interstelllare Medium (ISM). Die Untersuchung des ISM ist interessant: denn das Material, das sich zwischen den Sternen befindet, stammt meistens entweder noch direkt vom Urknall oder entstand bei vergangenen Supernovaexplosionen. Man kann also aus der Untersuchung des ISM viel über die Geschichte der Milchstraße und ihre Entwicklung lernen. Die interstellare Materie ist allerdings nicht überall gleich verteilt. In manchen Bereichen gibt es mehr ISM; in manchen weniger. Die Gebiete, die vergleichsweise leer sind, nennt man Blasen bzw. Superblasen, wenn sie größer sind (hier werden meistens die englischen Fachbegriffe verwendet: Bubble bzw. Superbubble). Solche Bubbles können ziemlich groß werden, zwischen 100 und 1000 Parsec. 3.2.3 Die Rotation der Milchstraße und Dunkle Materie Die Rotation der Galaxis ermöglicht es, die Masse und die Massenverteilung in der Milchstraße zu bestimmen. Interstellare Wolken und Sterne bewegen sich um das galaktische Zentrum. Die Rotationsgeschwindigkeiten lassen sich durch den Dopplereffekt bei der 21cm-Strahlung von Wasserstoff ermitteln. Die Rotationsgeschwindigkeit nimmt aber nach außen nicht ab wie in unserem Sonnensystem, sondern folgt einer komplizierteren Kurve, da die Masse nicht im Zentrum konzentriert ist. Die Massenverteilung kann ebenfalls mit der 21cm-Strahlung untersucht werden. Die Umlaufsgeschwindigkeit nimmt zunächst mit der Entfernung zum Zentrum zu, da sich nun mehr Masse innerhalb der Umlaufsbahn befindet. Das Maximum der Geschwindigkeit liegt bei 6 kpc, nach außen hin nimmt die Geschwindigkeit dann leicht ab. Im wesentlichen bleibt die Geschwindigkeit jedoch bis zu Entfernungen von 60 pkc zum Zentrum konstant. Die Masse der Galaxis lässt sich aus der Rotationsgeschwindigkeit der Sonne von 220 km/s berechnen. Die Sonne braucht für einen Umlauf 240 Millionen Jahre und hat das galaktische Zentrum bisher 25mal umrundet. Mit dem Kepler-Gesetz kann nun die Masse innerhalb der Sonnenumlaufbahn, bei einem Abstand von 8500 pc zu 1011 Sonnenmassen bestimmt werden. Die gesamte Masse der Galaxis bis zum Rand von etwa 80 kpc Entfernung beträgt demnach rund 1012 Sonnenmassen. 3.2 Unsere Milchstraße 59 Die gesamte Leuchtkraft aller Sterne beträgt aber nur 1010 Sonnenleuchtkräfte. In der Milchstraße ist daher etwa hundertmal so viel Materie als nichtleuchtende Materie vorhanden. Das deutet auf die Existenz Dunkler Materie hin. Die gleichbleibend hohe Geschwindigkeit zeigt an, dass die Massenverteilung nicht so konzentriert sein kann wie die Verteilung der Leuchtkraft. Im Halo der Galaxis steckt daher zusätzliche Masse, erst bei 80 kpc bricht die Verteilung ab. Diese Feststellungen sind erste stichhaltige und unbestreitbare Beweise für die Existenz Dunkler Materie. Bei vielen Spiralgalaxien hat man die Rotationsgeschwindigkeiten gemessen, und bei allen zeigt sich die Dominanz der Dunklen Materie. Die Rotationsgeschwindigkeit einer Spiralgalaxie ist in großen Entfernungen vom Zentrum konstant, alle Spiralgalaxien sind offenbar in einen Halo Dunkler Materie eingebettet. Abbildung 3.4: Rotationskurven von Spiralgalaxien. Alle Spiralgalaxien zeigen konstante Rotationskurven. Das Sonnensystem umläuft das galaktische Zentrum nicht auf einer ungestörten ebenen Keplerbahn. Die in der Scheibe des Milchstraßensystems verteilte Masse übt eine starke Störung aus, so dass die Sonne zusätzlich zu ihrer Umlaufbahn um das Zentrum auch regelmäßig durch die Scheibe auf und ab oszilliert. Die Scheibe durchquert sie dabei etwa alle 30 bis 45 Millionen Jahre einmal. Vor ca. 1,5 Millionen Jahren hat sie die Scheibe in nördlicher Richtung passiert und befindet sich jetzt etwa 65 Lichtjahre (ca. 20 pc) über ihr. Die grösste Entfernung wird etwa 250 Lichtjahre (80 pc) betragen, dann kehrt sich die Bewegung wieder um. 60 3 Galaxien – Bausteine des Universums Abbildung 3.5: Die Suche Dunkler Materie am CERN. Größere datierbare Krater auf der Erde sowie erdgeschichtliche Massenaussterben scheinen eine Periodizität von 34 bis 37 Millionen Jahren aufzuweisen, was auffällig mit der Periodizität der Scheibenpassagen übereinstimmt. Möglicherweise stören während einer Scheibendurchquerung die in Scheibennähe stärker werdenden Gravitationsfelder die Oortsche Wolke des Sonnensystems, so dass eine größere Anzahl von Kometen ins innere Sonnensystem gelangt und die Anzahl schwerer Impakte auf der Erde zunimmt. Die betreffenden Perioden sind jedoch bisher nicht genau genug bekannt, um definitiv einen Zusammenhang festzustellen; neuere Ergebnisse (Scheibendurchgang alle (42±2) Millionen Jahre) sprechen eher dagegen. 3.2.4 Das Galaktische Zentrum Schwarze Löcher werden in der Astronomie als Energiequelle aktiver galaktischer Kerne weitestgehend akzeptiert und werden heute im Kern jeder hellen elliptischen Galaxie und jedes Bulges einer Spiralgalaxie vermutet. Nötig ist aber zumindest in Einzelfällen der direkte Nachweis der Schwerkraftwirkung des Schwarzen Lochs in einer Art, die andere Erklärungen ausschließt. Das Galaktische Zentrum bietet hier den heute vermutlich stärksten Beweis. Anzeichen für ein Schwarzes Loch ergeben sich durch die Eigenschaften der Radioquelle Sagittarius A*. Sie strahlt sehr hell aus einem sehr kleinen Gebiet, was nicht durch andere Arten von Radioquellen zu erklären ist. Dieser Nachweis ist aber noch indirekt. Die geringe Eigenbewegung von Sgr A* im Wesentlichen sieht 3.2 Unsere Milchstraße 61 Abbildung 3.6: Rekonstruktion der Sternbahnen im Galaktischen Zentrum (nach Gillessen et al. 2008). man nur die Widerspiegelung des Umlaufs der Sonne um das galaktische Zentrum deutet auf ein sehr massereiches Objekt hin. Ein Objekt mit geringer Masse sollte sich wie die Sterne im zentralen Sternhaufen sehr rasch am Himmel bewegen, wenn es sich nicht gerade zufällig genau auf die Sonne zubewegt. Der beste Nachweis für ein Schwarzes Loch kommt aus der Bewegung von Materie unter dem Einfluss seiner Schwerkraft. Schon in den späten 1970er Jahren hatten Charles H. Townes und Mitarbeiter rasche Gasbewegungen im Galaktischen Zentrum nachgewiesen, hier blieben aber noch letzte Zweifel, da Gas auch anderen Kräften als der Schwerkraft unterliegen kann (zum Beispiel durch Magnetfelder oder Sternwinde), und die räumliche Auflösung nicht voll genügte. Seit den 1990er Jahren haben deshalb deutsche und amerikanische Forschergruppen die Bewegung der Sterne des zentralen Sternhaufens mit immer höherer räumlicher Auflösung untersucht. Zur Korrektur der Luftunruhe wurde zunächst Speckle-Interferometrie und dann adaptive Optik eingesetzt. Die Zunahme der Bewegungsgeschwindigkeiten der Sterne in der Nähe der zentralen Masse konnte damit bis unter 0,1 Bogensekunden Abstand verfolgt werden. Astronomen am Max-Planck-Institut für extraterre- 62 3 Galaxien – Bausteine des Universums strische Physik konnten die Masse dieses Schwarzen Loches mit relativ hoher Genauigkeit auf etwa 4,31 Millionen Sonnenmassen bestimmen 1 . Andere Möglichkeiten als ein Schwarzes Loch, um soviel Masse in ein so kleines Volumen zu packen, wären nicht über das Alter der Milchstraße stabil. Abbildung 3.7: Die Masse des Schwarzen Lochs im Galaktischen Zentrum ist eine Konsequenz des 3. Keplerschen Gesetzes, da die Sterne sich wie Testkörper im Gravitationsfeld des Schwarzen Lochs bewegen. Zur Berechnung der Masse M des Schwarzen Lochs benötigen wir nur die Halbachse a und die Bahnperiode τ eines Sterns. Rund um das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße geht es zu wie in einem Bienenschwarm (Abb. 3.6). Die Bahnen der Sterne in der innersten Region sind völlig regellos. Das Schwarze Loch im Herzen der Galaxis wird von Sternen umkreist wie unsere Sonne von den Planeten nur viel schneller. Die neue Studie erlaubt die Vermessung der Sternpositionen mit sechsfach höherer Präzision als zuvor. Dabei erreichten die Forscher nach eigenen Angaben eine Genauigkeit, die der Erkennung einer Ein-Euro-Münze aus einer Entfernung von 10.000 Kilometern entspricht. Im Herzen der Milchstraße lauert ein supermassereiches Schwarzes Loch. In einer 16 Jahre langen Beobachtungskampagne haben Astronomen nun das bisher detailreichste Bild dieser turbulenten Region gezeichnet. Die Forscher konnten die Umlaufbahnen von 28 Sternen verfolgen - fünf Mal mehr als in vorhergehenden Untersuchungen. Seit Beginn der Messungen im Jahr 1992 hat einer der Sterne (S2) jetzt sogar das Schwarze Loch einmal vollständig umrundet. Die Bahnperiode wurde zu 15,4 Jahren bestimmt, die Halbachse beträgt 1030 AE. Astronomen hatten einen bestimmten Stern des Sagittarius schon über Dekaden im Visier und verfolgten zwei Drittel seines zurückgelegten Pfades um das galaktische Zentrum. Zuvor war kein Objekt über einen solch langen Zeitraum so nahe am 1 Gillessen et al. 2008 3.3 Die Lokale Gruppe 63 Zentrum einer Galaxie zu beobachten gewesen, noch war bis dahin irgendein anderes Objekt entdeckt worden, das mehr als nur einen kleinen Teil seiner orbitalen Umlaufbahn um die Galaxie beschrieb. Seit 2001 sind im Röntgen- und Infrarotbereich wiederholt Helligkeitsausbrüche von typischerweise einer bis wenigen Stunden Dauer aus der unmittelbaren Umgebung des Schwarzen Lochs beobachtet worden. Ihr kurzfristiges Flackern enthält möglicherweise Information über die Raumzeit bei nur wenigen Schwarzschildradien Entfernung vom Schwarzen Loch. 3.3 Die Lokale Gruppe Von Orten südlich des Äquators sieht man zwei Inseln neben der Milchstraße: Es sind die Große und die Kleine Magellansche Wolke. Sie sind kleinere Galaxien, die die Milchstraße umkreisen und von uns etwa 180’000 Lichtjahre entfernt sind. Das mit 2,9 Millionen Lichtjahren entfernteste von blossem Auge erkennbare Objekt ist die Galaxie im (oder besser gesagt weit hinter) dem Sternbild Andromeda: M31, der bereits erwähnte Spiralnebel. M31 ist wie die Milchstraße ebenfalls eine Spiralgalaxie. Die Spiralen beziehen sich auf etwas hellere Gebiete die spiralförmig vom Zentrum zum Rand laufen. In diesen Gebieten entstehen neue Sterne. Manche jung, kurzlebig und sehr leuchtkräftig. Deshalb treten diese sog. Spiralarme hervor. Normale Sterne wie unsere Sonne verteilen sich regelmässiger über eine Galaxie, tragen aber wenig zur Helligkeit einer Galaxie bei. 3.4 Die Hubble–Klassifikation Galaxien werden nach ihrer Morphologie (Form) in verschiedene Haupt- und Untergruppen der so genannten Hubble-Klassifikation eingeteilt. Hubble baute die Klassifikation auf einer kleinen Stichprobe von nahen und hellen Galaxien auf. Zudem wurden die Galaxien nur im damals zugänglichen optischen Wellenlängenbereich klassifiziert. Trotz dieser Beschränkungen ist diese Klassifikation mit einigen Erweiterungen bis heute in Gebrauch. Das Hubble-Klassifikationsschema ist rein empirisch und besitzt keinerlei Bedeutung hinsichtlich der Entwicklung von Galaxien. Hubble glaubte, dass junge Galaxien auf der linken Seite der Stimmgabel anfingen und sich mit dem Alter nach rechts bewegten. Deswegen bezeichnete er die elliptischen als frühe Galaxien und die spiralförmigen als späte Galaxien. Wir wissen heute, dass er mit dieser Annahme falsch lag. Spiralförmige Galaxien haben in Wirklichkeit einen großen Rotationsanteil, den elliptische Galaxien nicht haben. Obwohl Hubbles Theorie der Galaxienevolution falsch ist, haben sich die verwirrenden Namen durchgesetzt: heutzutage verbindet man mit elliptischen Galaxien immer noch die frühen Galaxien, und mit Spiralgalaxien die späten Galaxien. Galaxien haben im allgemeinen einen elliptischen Anteil (Bulge genannt) und einen 64 3 Galaxien – Bausteine des Universums Abbildung 3.8: Galaxientypen nach der Hubble-Klassifikation: E steht für Elliptische Galaxien, S steht für Spiralen und SB für Balkenspiralen (Spiral Barred). Unten: M 104, auch bekannt als Sombrero und NGC 4594, liegt im Sternbild Jungfrau in scheinbarer Nähe zum Virgo-Galaxienhaufen. Mit einer Entfernung von 30 Millionen Lichtjahren ist die Sombrerogalaxie allerdings uns um einiges näher als dieser Galaxienhaufen und wird deshalb nicht als Mitglied dieses Haufens angesehen. Die Masse der Galaxie wird auf etwa 800 Milliarden Sonnenmassen geschätzt und ist damit etwa doppelt so groß wie die des Andromedanebels und fast dreimal so groß wie die unserer Milchstraße. Sie hat einen außergewöhnlich großen und hellen Bulge und besitzt sehr eng gewundene Spiralarme (Typ Sa), die nur schwer zu erkennen sind, da die Galaxienebene nur schwach zur Sichtlinie geneigt ist. Das dunkle Band entsteht durch Staubabsorption von Sternenlicht in der Gasscheibe. [Bild: HST Archiv] 3.4 Die Hubble–Klassifikation 65 Scheibenanteil. Die Sombrerogalaxie (Abb. 3.8) ist ein Beispiel, bei dem die beiden Anteile etwa gleichwertig ausgebildet sind. Die einzelnen Typen sind: • Elliptische Galaxien zeigen keine besonderen Unterstrukturen. Die Linien gleicher Helligkeit haben die Form einer Ellipse. Die Elliptischen Galaxien zeigen einen gleichmäßigen Helligkeitsabfall von innen nach außen. Sie beinhalten nahezu kein Gas und daher geht ihre Sternentstehungsrate gegen null. Ihr Spektrum wird von alten und daher roten Sternen dominiert. Elliptische Galaxien werden nach ihrer numerischen Exzentrizität in die Klassen E0 (kreisförmig) bis E7 (stark elliptisch) eingeteilt. Die Zahl hinter dem E gibt die erste Nachkommastelle der Exzentrizität an, eine Galaxie der Klasse E7 hat die Exzentrizität 0,7. Die absoluten Helligkeiten Elliptischer Galaxien umfassen einen groen Bereich. Die hellsten Galaxien sind zumeist Elliptische Galaxien und sind in diesem Fall wahrscheinlich durch die Verschmelzung mehrerer kleiner bis mittelgroßer Galaxien entstanden. Elliptische Galaxien sind häufig in großen Galaxienhaufen anzutreffen. Im Wesentlichen gibt es zwei Klassen von elliptischen Galaxien: die großen Ellipsen oder Riesenellipsen (giant ellipticals, gE) zeigen keine Rotation der Sterne um das galaktische Zentrum. Hingegen zeigt die zweite Klasse der lichtschwächeren Zwergellipsen(dwarf ellipticals, dE) eine schnelle Rotation. Diese Ellipsen sind eher scheibenförmig. Ein Beispiel ist die elliptische Galaxie NGC 1316 im Fornax–Haufen, aufgenommen mit dem Weltraumteleskop Hubble (Abb. 3.9). NGC 1316 befindet sich in 23 Mpc Entfernung im Sternbild Fornax. Die auffälligen, dunklen Strukturen sind nicht typisch für Ellipsen; es handelt sich dabei um Staub im Vordergrund, der das Licht der Galaxie absorbiert. • Lentikuläre (linsenförmige) Galaxien gehören der Klasse S0 an. Sie haben einen Kern, der dem der Spiralgalaxien entspricht, ihre galaktische Scheibe enthält jedoch keine Spiralarme (Beispiel: M 102). Der Typ S0 wurde erst später in die Klassifikation aufgenommen. • Spiralgalaxien haben einen sphäroidischen Kern, den so genannten Bulge, und davon ausgehende Spiralarme, die in einer flachen Scheibenkomponente liegen. Während der Bulge einer elliptischen Galaxie ähnelt und keine Sternentstehung mehr zeigt, erlauben das in der Scheibe vorhandene Gas und Staub die Sternentstehung in den Spiralarmen. Daher erscheinen die Spiralarme auf Bildern meistens blau und der Bulge meistens rötlich. Die Spiralarme werden weiter in die Klassen Sa, Sb und Sc unterteilt. Galaxien vom Typ Sa haben einen sehr ausgeprägten Kern und eng gewundene Spiralarme (Beispiel: Sombreronebel M 104). Der Typ Sc hat einen relativ schwachen galaktischen Kern, äußerst locker gewundene Spiralarme und dadurch manchmal fast die Gestalt eines in 66 3 Galaxien – Bausteine des Universums Abbildung 3.9: Die elliptische Galaxie NGC 1316, auch als Radiogalaxie Fornax A bekannt. [Bild: P. Goudfrooij, NASA/STScI/AURA 2005] sich verschlungenen S (Beispiel: der Dreiecksnebel M33). Zusammen mit den lentikulären Galaxien werden Sa, Sb und Sc auch als Scheibengalaxien zusammengefasst; von Laien werden sie meistens Spiralnebel genannt. Spiralgalaxien können zusätzlich dahingehend unterteilt werden, wie stark sich die Spiralarme von der übrigen Scheibenregion abheben. Ist eine Spiralstruktur nur angedeutet und kaum von der galaktischen Scheibe zu unterscheiden, spricht man von so genannten flocculent spirals (flockigen Spiralnebeln). • Balkenspiralgalaxien haben vom Zentrum ausgehend einen langen Balken, an den sich dann die Spiralarme anschließen (Beispiele: M 95, M 109, NGC 1300). Ebenso wie die Spiralgalaxien werden sie mit zunehmender Ausprägung des Kerns und Öffnung ihrer Spiralarme in die Klassen SBa, SBb und SBc unterteilt. Bei unserer Galaxis handelt es sich ebenfalls um eine Balkenspiralgalaxie. Ein Beispiel zeigt die Abbildung 1.17, aufgenommen mit dem Weltraumteleskop Hubble: die Balkenspiralgalaxie NGC 1300. NGC 1300 befindet sich in 21 Mpc Entfernung im Sternbild Eridanus. Der fast waagerecht verlaufende 3.4 Die Hubble–Klassifikation 67 Abbildung 3.10: Eine Spiralgalaxie vom Typ Sc. [Bild: HST Archiv] Balken ist deutlich zu erkennen; ebenso die beiden geöffneten Spiralarme. Ein anderes Beispiel einer Balkenspirale zeigt die Abbildung 3.12. • Irreguläre Galaxien haben weder Spiralarme noch elliptische Form. Sie sind im Mittel leuchtschwächer als elliptische und Spiralgalaxien. Zu dieser Gruppe gehören meistens Zwerggalaxien. Oft handelt es sich um gravitativ wechselwirkende Systeme, deren ursprüngliche Gestalt (Ellipse, Spirale) stark deformiert wird. Die Magellanischen Wolken (Small Magellanic Cloud, SMC und Large Magellanic Cloud, LMC) am Südhimmel sind Beispiele solcher irregulärer Systeme, die durch andere Galaxien der Lokalen Gruppe verändert wurden und werden. Ein besonders schönes Exemplar sind die Antennengalaxien (Abb. 3.13). Typische Vertreter ihres Hubble–Typs: • E0: M87 im Virgohaufen, Fornax A • E6: NGC 3377 • S0: NGC 3115, die Spindelgalaxie • Sa: Sombrero-Galaxie M105 • Sb: M81 68 3 Galaxien – Bausteine des Universums Abbildung 3.11: Der Dreiecksnebel M33 ist ein Begleiter der Andromeda, vom Typ Sc. • Sc: NGC 2997, NGC 300 • SBa: NGC 175 • SBb: NGC 1300, NGC 1365 • SBc: NGC 1073 • SBd: NGC 4242 Diese Galaxien können im NGC–Projekt auf dem Internet eingesehen werden. 3.5 Galaxienhaufen Galaxiengruppen und Galaxienhaufen sind Ansammlungen von Galaxien im Universum. Galaxien sind nicht gleichförmig im Raum verteilt, sondern treten gehäuft in Strukturen auf, die sich seit Beginn der Expansion des Universums unter dem Einfluss der Schwerkraft gebildet haben und von dieser zusammengehalten werden. Galaxiengruppen und Galaxienhaufen bilden noch größere Objekte, die Galaxiensuperhaufen. Galaxien, die nicht offensichtlich Teil einer Gruppe oder eines Haufens sind, heissen Feldgalaxien. 3.5 Galaxienhaufen 69 Abbildung 3.12: M 95, eine Balkenspirale vom Hubble-Typ SBb. Messier 95 (auch als NGC 3351 bezeichnet) ist eine +9,8 mag helle Balkenspiralgalaxie mit einer Flächenausdehnung von 7,6’ x 4,5’ im Sternbild Löwe. [Bild: CFHT] Galaxiengruppen In der Umgebung der Lokalen Gruppe befinden sich mehrere andere Galaxienhaufen, die einen großen Teil der hellsten Galaxien am Nachthimmel als Mitglieder besitzen. Die wichtigsten dieser Gruppen sind (Abb. 3.14): • Die Maffei-Gruppe, benannt nach dem Entdecker der beiden grössten Galaxien dieser Gruppe. Diese Gruppe in einer Entfernung von sechs bis zwölf MLj ist, von uns aus gesehen, fast komplett durch die Milchstraßenscheibe verdeckt. Obwohl es sich um die nächste Nachbargruppe handelt (sie wurde sogar noch vor einigen Jahren als Teil der Lokalen Gruppe angesehen), wurde sie erst spät im zwanzigsten Jahrhundert entdeckt. Die einzige hellere Galaxie dieser Gruppe, die nicht durch interstellare Extinktion extrem abgedunkelt erscheint, ist IC 342. Die Gruppe liegt in den Sternbildern Kassiopeia und Giraffe. • Die Sculptor-Gruppe, benannt nach dem Sternbild Bildhauer, in dem die hellsten Mitglieder der Gruppe liegen. Diese Gruppe ist etwa 3 Mpc entfernt und enthält mit der Sculptor-Galaxie (NGC 253) die hellste Galaxie außerhalb der Lokalen Gruppe, die auf der Südhalbkugel zu sehen ist. • Die M81-Gruppe, die nur wenig weiter als die Sculptor-Gruppe entfernt ist und mit Bodes Galaxie (M 81) die hellste Galaxie außerhalb der Lokalen Gruppe 70 3 Galaxien – Bausteine des Universums Abbildung 3.13: Die Antennengalaxie ist ein Beispiel einer irregulären Galaxie. Dieses Gebilde entstand in der Kollision von zwei Galaxien. [Bild: HST Archiv]. enthält. • Die M83-Gruppe oder auch NGC5128-Gruppe, die nach den hellsten Mitgliedsgalaxien, der südlichen Feuerrad-Galaxie (M 83) und Centaurus A (NGC 5128) benannt ist. Die Gruppe ist am Südhimmel in den Sternbildern Wasserschlange und Zentaur zu finden und ist 12 bis 17 Millionen Lichtjahre entfernt. • Die Canes-I-Gruppe oder CVn-I-Gruppe (auch M94-Gruppe) im Sternbild Jagdhunde. Die Gruppe liegt 13 bis 18 MLj entfernt; ihr hellstes Mitglied ist die Spiralgalaxie M94. Galaxienhaufen Nach heutiger Vorstellung sind alle diese Strukturen Teile einer großräumigen schaumartigen Verteilung von Haufen und verbindenden Filamenten, die sich um Hohlräume 3.5 Galaxienhaufen 71 Abbildung 3.14: Galaxiengruppen und Lokale Gruppe im Vergleich zum Virgohaufen. Die Umgebung der Lokalen Gruppe bis etwa 20 MLj Entfernung. Die eingezeichnete Ebene ist die Äquatorebene der Erde, die beiden Pfeile geben die Richtung zum Zentrum des lokalen Superhaufens, dem VirgoGalaxienhaufen bzw. dem etwas kleinernen Fornax-Galaxienhaufen an, die beide etwa 16 Mpc entfernt sind. (engl. Voids) mit geringer Galaxiendichte gruppieren. Die Entwicklung dieser großräumigen Struktur aus kleinen zufälligen Dichteschwankungen nach dem Urknall und unter dem Einfluss der Schwerkraft ist ein wichtiges Thema der Kosmologie. Galaxienhaufen haben eine Grösse von bis zu einigen tausend Einzelgalaxien, die sich alle mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten im gemeinsamen Schwerefeld des Haufens bewegen. Nach dem Stand der Forschung sind sie die grössten Strukturen des Universums, die gravitativ gebunden sind. Die Masse liegt bei etwa 1014 bis 1015 Sonnenmassen in einem Gebiet typischerweise 3 bis 7 Mpc, mit Geschwindigkeiten, die um etwa 500 - 1000 km/s streuen (so genannte Pekuliargeschwindigkeiten). Der Hauptteil der Masse der Galaxienhaufen wird von Dunkler Materie gestellt (ca. 80%). Galaxienhaufen sind von einem dünnen, 10 bis 100 Millionen K heissen Gas durchdrungen, das durch seine Röntgenstrahlung beobachtbar ist. Dieses Gas macht ca. 15% der Masse eines Galaxienhaufens aus. Der Rest der Masse (5%) ist in den Sternen und Planeten der Galaxien vorhanden. In der Mitte 72 3 Galaxien – Bausteine des Universums Abbildung 3.15: Der Perseus Galaxienhaufen. Jedes neblige Objekt ist eine Galaxie, zusammen bilden sie den Perseus–Haufen, der etwa 100 Mpc entfernt liegt. Der Perseus–Haufen ist Teil des PiscesPerseus Superhaufens, der sich über 15 Grad am Himmel erstreckt und über 1000 Galaxien umfasst. von Galaxienhaufen befindet sich oft eine riesige Elliptische Galaxie wie M 87 im Zentrum des uns nächsten Galaxienhaufens, des Virgo-Galaxienhaufens im Sternbild Virgo (Jungfrau). Im Sternbild Chemischer Ofen befindet sich im Zentrum des Fornax-Galaxienhaufens, der nur wenig weiter als der Virgo-Haufen entfernt ist, die elliptische Riesengalaxie NGC 1399. Sie besitzt einen ausgedehnten diffusen Halo und ist daher die uns nächste so genannte cD-Galaxie. Ein weiterer naher Haufen, dessen Galaxien noch mit etwas größeren Amateur-Teleskopen sichtbar sind, ist der Coma-Galaxienhaufen im Sternbild Haar der Berenike. Dieser Galaxienhaufen ist ein typisches Beispiel eines reichen Galaxienhaufens, dessen Zentrum von zwei elliptischen Riesengalaxien vom cD-Typ dominiert wird. Dieser Haufen ist etwa 100 Mpc entfernt. In den dichten Zentralregionen von Galaxienhaufen findet man meist Elliptische Galaxien, während Galaxien am Rand von Haufen, Galaxien in Gruppen und Feldgalaxien meist Spiralgalaxien sind. 4 Die Vermessung des Universums In der Astrophysik ist es wichtig im Auge zu behalten, dass wir als Beobachter auf der Erde immer Licht messen, das vor Jahrmillionen von weit entfernten Sternen ausgesandt wurde, weil auch Licht eine zwar große, aber endliche Geschwindigkeit hat. Ein Blick ins All ist immer auch ein Blick in die Vergangenheit. Im Gegensatz zu Laborexperimenten sind kosmische Experimente nicht wiederholbar und wir beobachten stets nur einen kleinen Ausschnitt des Ganzen - zeitlich und räumlich. Unsere Untersuchungen über Ursprung und Entwicklung des Universums sind also immer zum großen Teil auf Interpretationen aufgebaut. Die Vermessung der Sterne beruht heute ausschliesslich auf der geometrischen Parallaxenmethode. Der Satellit GAIA der ESA wird ab 2012 eine Milliarde Sterne unserer Milchstraße genau vermessen, bis zu einer Distanz von 100 kpc. Grundlage des Parsecs ist die Astronomische Einheit, die heute bis auf einige 100 Meter bestimmt werden kann. Der Astrometrie-Satellit GAIA ist eine geplante astronomische Weltraum-Mission der Europäischen Weltraumorganisation ESA, mit der rund 1 Prozent der Sterne unserer Milchstraße astrometrisch, photometrisch und spektroskopisch mit sehr hoher Präzision vermessen werden soll. GAIA ist Nachfolger der Hipparcos-Mission der ESA in den 1980er Jahren, die einhunderttausend Sterne mit hoher Präzision und über eine Million Sterne mit geringerer Genauigkeit katalogisierte. GAIA soll insgesamt eine Milliarde Sterne mit bis dahin unerreichter Genauigkeit kartographisch erfassen. Der Name GAIA leitet sich ab von dem Akronym für Globales Astrometrisches Interferometer für die Astrophysik. Er kennzeichnet die ursprünglich für dieses Teleskop geplante Technik der optischen Interferometrie. Inzwischen hat sich zwar das Messprinzip geändert, so dass das Akronym nicht mehr zutrifft. Trotzdem bleibt es bei dem Namen GAIA, um die Kontinuität in dem Projekt zu gewährleisten. Die technischen Möglichkeiten unser Universum zu vermessen sind heute sehr weit fortgeschritten. Unsere Teleskope reichen so weit in die Tiefe des Alls, dass wir Modelle zur Beschreibung unseres Kosmos betrachten können, in denen ganze Galaxien nur noch Staubkörnchen sind. Auf solchen Skalen zeigt sich, dass die Galaxien nicht einfach zufällig im Raum verteilt sind, sondern komplexe Strukturen bilden. Galaxien ballen sich zu Haufen zusammen, sogenannten Clustern, diese wieder zu neuen Haufen, den Superclustern. Daneben gibt es riesige Bereiche, sogenannte Voids, die nahezu leer sind an bekannter Materie. 74 4 Die Vermessung des Universums 4.1 Astronomische Einheit – Urmeter der Astronomie Die Astronomische Einheit (AE oder englisch AU) war ursprünglich definiert als die Länge der großen Halbachse der Erdbahn. Seit 1976 definiert die Internationale Astronomische Union (IAU) die AE als den Radius einer kreisförmigen Umlaufbahn, auf der ein Objekt mit vernachlässigbarer Masse und frei von Störungen die Sonne in 2π/k Tagen (also in etwa einem Jahr) umläuft. Dabei ist k die Gaußsche Gravitationskonstante, deren Wert in Astronomischen Maßeinheiten definitionsgemäss exakt k = 0, 01720209895 beträgt. Die AE beträgt heute 149.597.870.691 Meter. Der moderne Wert wurde mittels Radar- und anderen Distanzmessungen von der Erde zu den Nachbarplaneten und zu Raumsonden bestimmt. Früher wurde die AE hauptsächlich aus Parallaxenmessungen mit dem Erdradius als Basislinie abgeleitet. Venustransits spielten dabei eine entscheidende Rolle. 4.1.1 Venustransits Als Venustransit (auch Venusdurchgang oder Venuspassage) bezeichnet man den Durchgang des Planeten Venus vor der Sonnenscheibe. Die im Fernrohr eindrucksvolle, manchmal auch freiäugig sichtbare Erscheinung tritt pro Jahrhundert höchstens zweimal ein, weil die Venus- und Erdbahn gegeneinander um einige Grad geneigt sind. Abbildung 4.1: Der Venustransit von 8. Juni 2004. Die letzten Venusdurchgänge waren 1874, 1882 und 2004, der nächste wird im 4.1 Astronomische Einheit – Urmeter der Astronomie 75 Juni 2012 stattfinden. Historisch hatte die präzise Vermessung solcher Durchgänge große Bedeutung für die Bestimmung der Distanz Erde-Sonne (Astronomische Einheit) und gab Anlass für viele Expeditionen und Messkampagnen der bedeutendsten Wissenschaftler. Heute wird die Entfernungsbestimmung im Sonnensystem durch Raumfahrt- und Radar-Methoden durchgeführt. Bei einem Venustransit stehen Sonne, Venus und Erde exakt in einer Linie. Im Prinzip ist diese seltene planetare Konstellation einer Sonnenfinsternis vergleichbar, bei der sich der Mond vor die Sonne schiebt und diese verdunkelt. Allerdings ruft ein Venustransit wegen der großen Distanz zwischen Erde und Venus keine merkliche Verdunkelung auf der Erde hervor. Die Venus deckt im Gegensatz zum Mond nur einen winzigen Bruchteil (ca. ein Tausendstel) der Sonnenfläche ab. Sie wandert scheinbar als winziges tiefschwarzes Scheibchen im Verlauf von mehreren Stunden westwärts über die Sonne (Abb. 4.1). Ein Venustransit ist ein sehr seltenes Ereignis, von dem es in 130 Jahren nur zwei gibt, und zwar abwechselnd nach acht und nach 105 bzw. 122 Jahren. Der nächste wird 2012 stattfinden, der vorletzte Durchgang war am 6. Dezember des Jahres 1882 zu beobachten. Im 20. Jahrhundert fand kein einziger Venusdurchgang statt. Ein Venustransit ist deshalb tatsächlich ein astronomisches Jahrhundertereignis und schon aufgrund seiner Seltenheit ein die Beobachtung lohnendes Himmelsschauspiel. Allerdings muss man dabei unbedingt geeignete, hitzesichere Sonnenfilter benutzen, da man ansonsten erblinden könnte. Ursache für die Seltenheit des Venustransits ist die Neigung der Venusbahn gegenüber der Erdbahnebene um 3,4 Grad. Daher steht die Venus nicht bei jeder unteren Konjunktion ausreichend genau zwischen Erde und Sonne, sondern läuft in 9899 von 100 Fällen ober- oder unterhalb vorbei. Bei identischen Bahnebenen könnte man den Venusdurchgang alle 1,6 Jahre beobachten. 4.1.2 Historische Venusdurchgänge Johannes Kepler hatte erstmals einen Venusdurchgang vorausberechnet, jenen von 1631. Der war aber nicht von Europa aus zu sehen, da für alle europäischen Beobachter die Sonne zur Zeit des Durchgangs unter dem Horizont stand, und das wissenschaftliche Potential des Ereignisses war noch nicht erkannt. Kepler starb 1630, der darauf folgende Durchgang von 1639 konnte mit den Bahndaten Keplers nicht vorausgesagt werden, da diese um einige Stunden zu ungenau waren. Im Jahr 2004 war die Entfernung zwischen Sonne und Erde längst bis auf 100 Meter genau bekannt. Trotzdem wurden beim Venustransit am 08.06.2004 weitaus mehr Parallaxenbestimmungen vorgenommen als bei allen vorherigen Transiten zusammen, wobei z.T. eine verblüffende Genauigkeit erzielt wurde. Im Vordergrund standen jedoch die Freude an der Sache an sich und das Nachvollziehen der historischen Experimente. Nicht Nachvollziehen ließ sich hingegen der Schwarze Tropfen. Der Verdacht liegt nahe, dass seine Ursache hauptsächlich in der geringeren optischen Qualität der Teleskope des 18. und 19. Jahrhunderts zu suchen ist. Anfang 76 4 Die Vermessung des Universums des 21. Jahrhunderts sind selbst Amateurinstrumente so gut, dass sich mit ihnen der Atmosphärenring der Venus beobachten lässt. Gelöst wurde auch die im Vorfeld umstrittene Frage, ob man die Venus mit blossem Auge vor der Sonne sehen kann. 4.1.3 Veränderlichkeit der AE Auswertungen von Radarmessungen aus dem Zeitraum von 1961 bis 2003 scheinen anzudeuten, dass der Skalenfaktor des Sonnensystems langsam zunimmt. Es werden Änderungsraten von (15 ± 4) Meter/Jahrhundert und (7 ± 2) Meter/Jahrhundert genannt; die Ursache ist bislang nicht bekannt. Allerdings könnte es sich auch nur um Messfehler handeln. 4.2 Die Vermessung der Galaxis 4.2.1 Die Parallaxe Parallaxen sind die scheinbaren Änderungen der Position eines beobachteten Objektes durch eine Verschiebung der Position des Beobachters. Halten Sie zum Beispiel, Ihre Hand in Armeslänge vor sich und beobachten Sie eine Objekt auf der anderen Seite des Raumes hinter Ihrer Hand. Nun legen Sie Ihren Kopf auf Ihre rechte Schulter und Ihre Hand scheint auf der linken Seite des entfernten Objektes zu sein. Legen Sie Ihren Kopf auf Ihre linke Schulter, scheint sich die Hand zur rechten Seite des Objektes zu verschieben. Da die Erde sich in einer Umlaufbahn um die Sonne befindet, beobachten wir den Himmel von einer sich ständig bewegenden Position aus. Deshalb sollten wir eine jährliche Parallaxe beobachten, wobei die Positionen von nahen Objekten hin und her wabbeln, während wir uns um die Sonne bewegen. Das passiert tatsächlich, aber die Entfernungen bis zu den nächsten Sternen sind so groß , dass wir sehr genaue Beobachtungen mit einem Teleskop machen müssten, um das festzustellen. Moderne Teleskope erlauben Astronomen die jährliche Parallaxe zur Berechnung von Strecken zwischen nahen Sternen mittels Dreiecksberechnung zu benutzen (Abb. 4.2). Die Astronomen messen sorgfältig die Position des Sterns zu zwei Zeitpunkten, die sechs Monate auseinander liegen. Je näher der Stern an der Sonne ist, desto größer ist die scheinbare Bewegung in seiner Position zwischen den beiden Zeitpunkten. Über die sechsmonatige Zeitspanne hat die Erde die Hälfte ihres Weges um die Sonne geschafft. Zu dieser Zeit hat sie Ihre Position um 2 Astronomische Einheiten (abgekürzt AE, 1 AE ist die Strecke von der Erde zur Sonne oder 150 Millionen Kilometer) verändert. Das hört sich sehr weit an, aber der nächste Stern nach der Sonne (Alpha Centauri) ist über 40 Billionen Kilometer entfernt. Deswegen ist die jährliche Verschiebung so klein, typischerweise kleiner als eine Winkelsekunde. Eine zweckmässige Einheit für nahe Sterne ist daher das Parsec (die Kurzform für parallax arcsecond). Ein Parsec ist die Strecke, die ein Stern entfernt wäre, wenn seine 4.2 Die Vermessung der Galaxis 77 Abbildung 4.2: Die Parallaxe der Sterne und Definition von Parsec. Parallaxenverschiebung eine Winkelsekunde beträgt. Das entspricht 3,26 Lichtjahren oder 206.265 Astronomischen Einheiten. In der Astronomie ist diese Einheit sehr beliebt, da man nun Kiloparsec (1000 Parsec) zum Messen von Galaxiegrössen benutzen kann und Megaparsecs (1 Mio. Parsec) für intergalaktischen Strecken, obwohl diese Strecken viel zu lang sind, um eine tatsächlich sichtbare Verschiebung aufzuweisen. Zur Bestimmung dieser Strecken sind andere Methoden nötig. Einen ersten Versuch einer Parallaxebestimmung unternahm Tycho Brahe (1546-1601). Es ging um die Frage, ob sich nun die Sonne um die Erde oder die Erde um die Sonne dreht. Wenn sich die Erde um die Sonne dreht, so müsste doch beim (damals) entferntesten Planeten Saturn eine Parallaxe festzustellen sein. Tycho Brahe fand keine Parallaxe und schloss daraus, dass die Erde stillstehen müsse und sich die Sonne um die Erde dreht. (Die Annahme, dass sich das Fehlen einer messbaren Parallaxe durch die ungeheure Entfernung erklären liesse, schien ihm zu abwegig zu sein.) Den ersten Erfolg mit einer Parallaxemessung hatte J.D. Cassini, der 1672 die Marsparallaxe bestimmte. Von England und von Frankreich aus wurde zu gleicher Die erste Parallaxenmessung: 78 4 Die Vermessung des Universums Zeit der Ort des Planeten Mars unter den Fixsternen gemessen und damit seine Entfernung von der Erde bestimmt. Mit Hilfe des dritten Keplerschen Gesetzes konnten damit auch die Entfernungen der Erde und der übrigen Planeten von der Sonne bestimmt werden. Als Abstand Erde - Sonne (die astronomische Einheit) erhielt man einen Wert von 134 bis 140 Millionen Kilometer. Abbildung 4.3: Das Doppelsternsystem 61 Cygni. Die Bahnperiode beträgt 660 Jahre, die große Halbachse 24,4 Bogensekunden und die Bahn ist um 54 Grad geneigt. Die Parallaxe wurde von Hipparcos zu (287, 18 ± 1, 51) mas gemessen (Entfernung von 3,5 pc). Bereits der italienische Astronom Giuseppe Piazzi bestimmte im Jahr 1805 bei zahlreichen hellen Sternen die Parallaxe. Seine Werte lagen, je nach Stern zwischen 2 und 10 Bogensekunden, ein Wert der bei weitem zu groß war, aber zunächst mangels an weiteren, unabhängigen Beobachtungen ohne Widerspruch bestehen blieb. In Königsberg untersuchte der deutsche Astronom Friedrich Wilhelm Bessel zunächst die Positionsbestimmungen, die der englische Astronom James Bradley von Sirius und Vega mit einem Meridiankreis bestimmt hatte: Ich suchte daher alle von Bradley, in dem Laufe von 12 Jahren, auf der Greenwicher Sternwarte beobachteten Geradenaufsteigungsunterschiede (Geradenaufsteigung = Rektaszension) von Alpha Canis Majoris und Alpha Lyrae auf, indem sich, wegen ihrer Annäherung an 180 Grad, in ihnen die Summe der Parallaxen beider Sterne verraten musste. Zur Bestimmung der Parallaxe wählte Bessel den Stern 61 Cygni aus. Damals 4.2 Die Vermessung der Galaxis 79 war 61 Cygni der Stern mit der grössten bekannten Eigenbewegung. Für die Wahl von 61 Cygni gab es aber noch einen weiteren Grund: Ich wählte den 61sten Stern des Schwans zu ihrem Gegenstande, und zwar nicht allein wegen der größeren Aussicht auf eine merkliche Parallaxe, die er, wegen seiner großen Eigenbewegung darzubieten schien, sondern auch weil er ein Doppelstern ist, den man mit vorzüglicher Genauigkeit beobachten kann, indem man das Bild, welches die eine Hälfte des Heliometer-Objektives von dem zu vergleichenden Stern macht, in die Mitte der beiden Sterne des von der anderen Hälfte abgebildeten Doppelsterns legt; auch empfahl er sich durch seinen Ort am Himmel, der zu allen Jahreszeiten, einen Monat ausgenommen, bei Nacht in hinreichende Höhe über dem Horizonte gelangt. Bessel bestimmte die Parallaxe im Jahre 1837 zu 0,3 Bogensekunden. Bessel hatte seine geringe Distanz wegen der großen Eigenbewegung von über 5 Bogensekunden jährlich schon vermutet. Damit wurde klar, dass die Sterne weiter vom Sonnensystem entfernt sind, als zunächst angenommen. Nach heutigem Kenntnisstand (Hipparcos Katalog) beträgt die Parallaxe von 61 Cygni (A) 0,287, von 61Cygni (B) 0,285 Bogensekunden. Hieraus ergibt sich eine Entfernung von 11,4 Lichtjahren. Somit gehört 61 Cygni auch heute noch zu den 20 sonnennächsten Fixsternen. Abbildung 4.4: Die nächsten und hellsten Sterne in der Sonnenumgebung. 80 4 Die Vermessung des Universums Die Entfernung zum Mond kann man heute mit einem Laserstrahl mit einer Genauigkeit von 10 cm bestimmen (bei einer Distanz von 384.400 km). Die amerikanischen Astronauten haben bei einer ihrer Mondexpeditionen auf dem Mond einen Rückstrahler aufgestellt, in der Funktion ähnlich den Rückstrahlern von Fahrradpedalen. Dieser Rückstrahler kann von der Erde aus mit einem Laserstrahl angepeilt werden und über die Laufzeit des Lichtes hin und zurück kann mit dieser unglaublichen Präzision der Abstand zum Mond gemessen werden. Lunar Laser Ranging: 4.2.2 Das Projekt Hipparcos Hipparcos wurde am 8. August 1989 zusammen mit dem deutschen Fernsehsatelliten TV-SAT 2 an Bord einer Ariane 44LP gestartet. Der Satellit erreichte planmässig die vorgesehene Geostationäre Transferbahn (Geostationary Transfer Orbit, GTO), in der sein Abstand von der Erde zwischen 223 und 35.652 km variierte. Allerdings zündete der MARGE-II-Apogäumsmotor von Hipparcos nicht und der Satellit verblieb in seiner GTO-Umlaufbahn, anstatt wie vorgesehen eine geostationäre Umlaufbahn zu erreichen, von der aus Messungen wechselseitiger Winkelabstände von etwa 120.000 Sternen mit bis dahin unerreichter Präzision vorgenommen hätten werden sollen. Für die genaue Bestimmung der Sternpositionen war in Hipparcos ein Spiegelteleskop mit 29 cm Spiegeldurchmesser und 1,4 m Brennweite eingebaut; mit Hilfe eines zusätzlichen Spiegels wurden gleichzeitig zwei Himmelsregionen im Abstand von 58 Grad abgebildet. In der Brennebene wurde ein Gitter (8,2 µm Linienabstand; entspricht 1,2 Bogensekunden) plaziert, durch das bei der langsamen Drehung des Satelliten die Sternhelligkeit periodisch moduliert wurde; das durchgelassene Licht wurde gemessen. Für die Messungen des Hauptkatalogs wurde eine image dissector tube, eine Spezialform eines Photomultipliers mit einstellbarem Blickfeld verwendet; damit wurde jeweils nur ein Stern erfasst, andere Sterne, deren Licht auch auf das Gitter fiel, konnten ausgeblendet werden. Aus den Helligkeitsmodulation konnten die Sternpositionen zueinander in Drehrichtung bestimmt werden; für die Positionsdaten waren komplexe Ausgleichungsrechnungen und der Anschluss an Positionsdaten erdgebundener Observatorien notwendig. Das Beobachtungsprogramm beruhte auf einer vorgegebenen Liste von Sternen. Diese Liste bildete den sog. Hipparcos Input–Katalog: jeder Stern, der von Hipparcos beobachtet worden ist und im Hipparcos–Katalog aufgeführt wird, war im Input–Katalog enthalten. In diesem Sinne führte Hipparcos keine Durchmusterung des Himmels durch. Dies Input–Katalog wurde vom INCA Consortium in den Jahren 1983 – 1989 erstellt und ist in digitaler Form erhältlich. Er wurde dann durch den eigentlichen Hipparcos–Katalog ersetzt, enthält aber eine Menge zusätzlicher Informationen (Mehrfachsysteme, Radialgeschwindigkeiten, spektrale Information etc.), die im eigentlichen Hipparcos–Katalog nicht enthalten sind. Einschränkungen aus der Beobachtungszeit führten zu einem Input–Katalog, der 118.000 Sterne enthält. 4.2 Die Vermessung der Galaxis Abbildung 4.5: Oben: Das Projekt Hipparcos. Unten: Die Definition der Eigenbewegung von Sternen. 81 82 4 Die Vermessung des Universums Abbildung 4.6: Auszug aus dem Hipparcos–Katalog. Der Hipparcos– und Tycho–Katalog sind die endgültigen Resultate der Hipparcos– Mission. Der Satellit arbeitete 4 Jahre lang, von November 1989 bis März 1993. Jeder dieser beiden Kataloge enthält qualitativ hochstehende astrometrische und photometrische Daten. Zusätzlich findet man auch Daten zu Variabilität und über Mehrfachsysteme, sowie astrometrische Daten zum Sonnensystem. Der Hipparcos– Katalog ist in gedruckter, sowie digitaler Form erhältlich (auch als CDROM). Der Tycho–Katalog ist wegen seines Umfanges nur in gedruckter Form erhältlich. 4.2.3 Das Projekt GAIA Der Astrometrie-Satellit GAIA ist eine geplante astronomische Weltraum-Mission der Europäischen Weltraumorganisation ESA, mit der rund 1 Prozent der Sterne unserer Milchstraße astrometrisch, photometrisch und spektroskopisch mit sehr hoher Präzision vermessen werden soll. GAIA ist Nachfolger der Hipparcos-Mission der ESA in den 1980er Jahren, die einhunderttausend Sterne mit hoher Präzision und über eine Million Sterne mit geringerer Genauigkeit katalogisierte. GAIA soll insgesamt eine Milliarde Sterne mit bis dahin unerreichter Genauigkeit kartographisch erfassen. 4.2 Die Vermessung der Galaxis 83 Abbildung 4.7: Die GAIA Mission vermisst die Milchstraße. [Credits: ESA/AOES Medialab] GAIA trägt drei wissenschaftliche Hauptinstrumente, die gemeinsam von einem Spiegelteleskop mit zwei weit voneinander getrennten Gesichtsfeldern am Himmel versorgt werden. Das Teleskop hat keinen kreisförmigen, sondern einen rechteckigen Primärspiegel der Größe 1,45 m x 0,5 m. Alle Instrumente schauen auf die gleichen um 106,5 Grad getrennten Himmelsabschnitte. Die beiden Gesichtsfelder sind etwa 0,7 auf 1,4 Grad groß, überdecken am Himmel also etwa die vierfache Fläche der Sonnen- bzw. Vollmondscheibe. Der Satellit: Die Kosten der ESA für die Mission einschließlich Start, Bodenkontrolle und Nutzlast belaufen sich auf ungefähr 577 Millionen Euro. Die Kosten für die wissenschaftliche Datenreduktion (die von den Mitgliedsländern der ESA aufgebracht werden müssen) werden auf etwa 120 Millionen Euro geschätzt. GAIA soll Ende 2012 mit einer russischen Sojus-Fregat-Rakete vom Europäischen Raumfahrtbahnhof Kourou in Französisch-Guayana gestartet werden. Nach dem Start benötigt GAIA ungefähr einen Monat, um ihren Stationierungsort beim Lagrange-Punkt L2 zu erreichen. Der L2-Punkt ist ungefähr 1,6 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, was der vierfachen Mondentfernung entspricht. Dieser gravitative Gleichgewichtspunkt läuft in festem Abstand mit der Erde um die Sonne und ermöglicht einen ungestörteren Blick auf das Weltall als dies von einer Erdumlaufbahn möglich wäre. Dort befinden sich im augenblick auch die Missionen Planck und Herschel der ESA. 84 4 Die Vermessung des Universums Abbildung 4.8: Artist’s impression of the Gaia spacecraft. Several components are made transparent to reveal other sections. The payload module with the 3m diameter hexagonal optical bench is depicted in blue. It rests on the electrical service module, which is the 12-sided yellow structure in the lower half of the image. The electrical service module houses the two star trackers (bright yellow at lower right), the communication subsystem, central computer and data handling subsystem, and the power subsystem (all in purple). In the centre of the electrical service module are the bipropellant tanks, micropropulsion tanks and pressurant tank (all in orange). Resting on top of the electrical service module and covering the payload module is the thermal tent, depicted here transparent in light brown. On the flat top of the thermal tent is the low gain antenna (purple). [Credits: ESA/AOES Medialab] Das wichtigste wissenschaftliche Ziel der GAIA-Mission besteht darin, mit Hilfe ihrer Sternmessungen den Ursprung und die Entwicklung unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, aufzuklären. Die von GAIA gesammelten Messdaten sollen insbesondere Informationen darüber liefern, wo, wann und wie die Sterne entstanden sind und wie sie ihre Umgebung mit Materie anreichern, wenn sie sterben. Dazu soll GAIA mit bis dahin unerreichter Genauigkeit die Positionen, Entfernungen (Parallaxen) und Bewegungen (Eigenbewegungen, Radialgeschwindigkeiten) von ungefähr einer Milliarde Sternen bestimmen. Wissenschaftliche Zielsetzung von GAIA: 4.2 Die Vermessung der Galaxis 85 Abbildung 4.9: Fokalebene von Gaia. Die Positions- und Parallaxengenauigkeit wird für helle Sterne (bis 15mag) besser sein als 25µas (1 µas = 10−6 Bogensekunden) und bei den schwächsten Sternen (bei 20mag) auf rund 300µas abfallen. Selbst dieser Wert von 0,3 Millibogensekunden ist noch besser als die bisher genauesten Messungen an sehr hellen Sternen (durchgeführt im Rahmen der Hipparcos-Mission, 0,52 Millibogensekunden). Außerdem sollen für eine Milliarde Sterne Helligkeit und Farben mit hoher Genauigkeit gemessen werden. Für die hellsten 100 – 200 Millionen Sterne soll GAIA zusätzlich gut aufgelöste Spektren liefern, aus denen Radialgeschwindigkeit, Temperatur, Oberflächengravitation und chemische Zusammensetzung der Sterne bestimmt werden können. Darüber hinaus erhoffen sich die Astronomen von den GAIA-Messungen die Entdeckung einer Vielzahl bislang unbekannter Himmelsobjekte, Abschätzungen zufolge in den folgenden Größenordnungen: 1. Bis zu einer Million Asteroiden und Kometen innerhalb unseres Sonnensystems. 2. Dreissigtausend Planeten außerhalb unseres Sonnensystems. 3. Fünfzigtausend sog. misslungene Sterne, als Braune Zwerge bekannt. 86 4 Die Vermessung des Universums Abbildung 4.10: Anforderungen an Gaia. 4. Mehrere hunderttausend erloschene Sternüberreste, sogenannte Weiße Zwerge. 5. Zwanzigtausend explodierende Sterne, sogenannte Supernovae. 6. Hunderttausende weit entfernte Aktive Galaxien, sogenannte Quasare. 4.3 Die Cepheiden Als Standardkerzen bezeichnet man in der Astronomie Objekte, von denen man annimmt, dass sie immer dieselbe, bekannte absolute Helligkeit besitzen. Dann kann man anhand ihrer scheinbaren Helligkeit auf die Entfernung der Objekte schliessen. Die wichtigsten Standardkerzen sind • RR Lyrae Sterne • Cepheiden (seit 1912) • Supernovae vom Typ Ia (seit 1997). Auch Gamma–Blitze wurden als mögliche Standardkerzen vorgeschlagen. 4.3 Die Cepheiden 87 Abbildung 4.11: Zeitplan von Gaia. 4.3.1 Einige Historische Bemerkungen Henrietta Swan Leavitt wurde am 4. Juli 1868 in Massachusetts geboren. Schon als Jugendliche interessierte sie sich für die Sterne und belegte Kurse am College. Nach ihrem Abschluss wollte sie dieses Wissen vertiefen, doch eine schwere Krankheit verhinderte das. Als sie nach einigen Jahren wieder genesen war, blieb ihr Gehör so geschädigt, dass sie beinahe taub war. Ihr astronomisches Wissen hatte sie nicht vergessen, und so bewarb sie sich 1895 am Harvard College Observatory um eine Volontärstelle, die sie auch bekam. Erst nach sieben Jahren freier Mitarbeit wurde Henrietta Swan Leavitt eine feste Anstellung angeboten. Die Aufgabe war nicht eben spannend, aber die gehörlose Wissenschaftlerin verfolgte sie mit großer Akribie. Wie heute ein Computer beschäftigte sie sich mit der Ausrechnung und Katalogisierung der Sternenpositionen. Allein 1904 konnte sie 172 variable Sterne in der Großen und 59 in der Kleinen Magellanschen Wolke entdecken. Bei diesen Sternen schwankte scheinbar die Helligkeit, deshalb wurden sie als variable Sterne bezeichnet. Dazu verglich sie Fotos der beiden Magellanschen Wolken, den Begleitgalaxien der Milchstraße, und fand hunderte dieser kosmischen Blinkfeuer. Ein Jahr darauf berichtete sie von 843 neuen variablen Sternen in der kleinen Magellanschen Wolke. Als Leavitt 1912 die Sterne nach Helligkeit und Periode sortierte, gelang ihr eine Entdeckung: Es schien, als wären Sterne, die in kurzem Rhythmus flackerten, lichtschwächer als solche mit langer Periode. Weil alle untersuchten Sterne gleich weit 88 4 Die Vermessung des Universums von der Erde entfernt sind, spiegeln die Helligkeiten am Himmel die echten Leuchtkräfte wider. Daraus können die Astronomen umgekehrt auf die Distanzen schließen. Leavitt hatte die Perioden-Leuchtkraft-Beziehung bei Cepheiden entdeckt und damit den Schlüssel zur Vermessung des Universums gefunden. Abbildung 4.12: Cepheiden in M100 mit Hubble vermessen als Teil des Hubble Key Projektes zur Bestimmung der Hubble–Konstanten. 4.3.2 Die Periode–Leuchtkraft Beziehung Die Cepheiden sind eine Klasse von veränderlichen Riesensternen, die nach dem Stern Delta Cephei im Sternbild Cepheus benannt sind, eine Unterklasse der Pulsationsveränderlichen. Typische Cepheiden pulsieren mit einer Periodendauer von einigen Tagen bis Wochen. Delta Cephei pulsiert beispielsweise mit einer Periode von ca. 5,37 Tagen. Dabei ändert sich seine Ausdehnung um ca. 2,7 Millionen km. Delta Cephei-Sterne werden oft auch als Entfernungsmarkierungssterne bezeichnet. Henrietta Swan Leavitt stellte fest, dass die absolute Helligkeit M eines Cepheiden linear mit dem Logarithmus der Pulsationsperiode P (in Tagen) zusammenhängt. Diese so genannte Perioden-Leuchtkraft-Beziehung lautet M = −2, 902 log(P ) − 1, 203 . (4.1) Abb. 4.12 zeigt einen Cepheiden in der Galaxie M100, vom Hubble-Weltraumteleskop aufgenommen. 1913 gelang dann Ejnar Hertzsprung die Bestimmung der Entfernung einiger Cepheiden der Milchstraße, womit die Entfernung zu allen Cepheiden kalibriert werden konnte. Seine Entfernung von etwa 3.000 Lichtjahren war jedoch 4.4 Cepheiden und das Hubble–Gesetz 89 völlig falsch, nicht nur auf Grund eines Rechenfehlers, der auch Koryphäen unterlaufen kann. Abbildung 4.13: Die Periode–Leuchtkraft Beziehung von nahen Cepheiden, deren Entfernung mit andern Methoden bestimmt worden ist. Beachten Sie, dass die Perioden logarithmisch aufgetragen werden. Grundlage für die Pulsation der Cepheiden ist der Kappa-Mechanismus. Das ionisierte Gas in der Sternhülle ist für die Strahlung des Sternes nicht durchsichtig und heizt sich durch Absorption auf. Die Temperaturerhöhung hat zur Folge, dass die Absorptionsfähigkeit sinkt und Druck und Temperatur wieder abnehmen. Der Stern zieht sich aufgrund seiner eigenen Gravitation wieder zusammen. Henrietta Swan Leavitt erlebte den Erfolg ihrer Arbeit nicht mehr, sie starb am 12. Dezember 1921 an Krebs. Sie war eine der ersten Frauen in den höheren Wissenschaften. Zu ihren Ehren tragen der 1973 entdeckte Asteroid 5383 und ein Krater auf der Mondoberfläche ihren Namen. 4.4 Cepheiden und das Hubble–Gesetz 4.4.1 Rotverschiebung der Galaxienspektren Das Licht von Galaxien ist in den allermeisten Fällen rotverschoben (bereits unter den nächstgelegenen 1000 Galaxien sind es etwa 3/4). Je weiter eine Galaxie ent- 90 4 Die Vermessung des Universums Abbildung 4.14: Oben: Schematische Darstellung der Lichtkurve eines Cepheiden. Im Verlaufe einer Periode variieren auch Grösse, Temperatur und Farbe eines Sterns. Unten: Der kappa–Mechanismus. fernt ist, desto stärker ist im Mittel die Rotverschiebung. Nur wenige - hauptsächlich nahe - Galaxien zeigen aufgrund zusätzlicher Eigenbewegung auf uns zu insgesamt eine Blauverschiebung. Der Effekt wurde 1929 vom US-Astronomen Edwin Hubble entdeckt, aber zunächst fälschlich als Dopplereffekt interpretiert. Die Rotverschiebung z berechnet sich über z= λbeobachtet − λ0 λ0 (4.2) aus der beobachteten Wellenlänge λbeobachtet und der Wellenlänge λ0 , mit der das Licht ausgesandt wurde. Je höher die Rotverschiebung eines astronomischen Objekts, desto länger war das von ihm ausgesandte Licht unterwegs und desto weiter 4.4 Cepheiden und das Hubble–Gesetz 91 Abbildung 4.15: Die Spektren von Galaxien werden in der spektroskopischen Datenbank der SDSS aufbewahrt. Die Spektren sind nach Platten (plates) und Fasern (fibers) geordnet, so wie das SDSS Teleskop sie gemessen hat. Diese Galaxie hat eine Rotverschiebung von 0,1. Abbildung 4.16: Die Spektren von Quasaren werden in der spektroskopischen Datenbank der SDSS aufbewahrt. Dieser Quasar hat eine Rotverschiebung von 3,308. Als Referenz kann die Lyα Linie des Wasserstoffs genommen werden, die eine Ruhewellenlänge von 121,6 nm aufweist. zurück in der Vergangenheit sehen wir es. Aus der Rotverschiebung kann auch die Entfernung des Objekts bestimmt werden, allerdings ist diese in einer sich ausdehnenden Raumzeit nicht mehr eindeutig definiert. Es gibt verschiedene Entfernungsmasse, die sich aus der Rotverschiebung ableiten lassen. In der Kosmologie 92 4 Die Vermessung des Universums werden Betrachtungen und Rechnungen deshalb immer im Rotverschiebungsraum angestellt. 4.4.2 Das Hubble–Gesetz Edwin Powell Hubble wurde am 20. November 1889 in Missouri geboren. Schon in der Schule fiel seine naturwissenschaftliche Begabung auf. Aber auch im Sport war er sehr erfolgreich. Er brach den Hochsprungrekord seiner Schule und war ein begeisterter Boxer. Ihm wurde ein Stipendium für die Universität von Chicago zuerkannt. Dort beeindruckten ihn die Vorlesungen des Astronomen George Hale, mit dem er später noch zusammenarbeitete. Aber sein Vater bestand darauf, dass er ein Stipendium der Universität Oxford annahm, um dort Jura zu studieren. Seine Doktorarbeit jedoch handelt von der Verteilung der Galaxien. George Ellery Hale bot ihm eine Anstellung am Mount Wilson Obsevratorium an. Doch bevor er seine Stelle antreten konnte, brach 1917 der Krieg zwischen Deutschland und den USA aus. Er meldete sich als Freiwilliger und kämpfte 2 Jahre bei der Infanterie in Frankreich. Seine Stelle auf Mount Wilson war nach dem Krieg immer noch frei. Dort begann Hubble, wie schon in seiner Doktorarbeit, die Aufmerksamkeit den Nebeln zuzuwenden. In den nächsten Jahren arbeitete Edwin Hubble an der Bewegung der Galaxien. Sein Assistent war Milton Humason. Humason hatte mit 14 Jahren die Schule verlassen und war zuerst Maultiertreiber. Später wurde er Hausmeister auf Mount Wilson. Er war Nachtassistent und half den Astronomen. Wegen seines großen Geschicks im Umgang mit Messgeräten wurde er trotz mangelnder Ausbildung Hilfsastronom. Humason half Hubble beim Photographieren der Spektren. Wie auch schon Slipher stellten sie fest, dass fast alle Galaxien (bis auf den Andromedanebel) eine Rotverschiebung aufweisen. Sie erstellten ein Diagramm, in dem sie die Fluchtgeschwindigkeit im Verhältnis zur Entfernung der Galaxie darstellten. Das überraschende Ergebnis war: Je weiter eine Galaxie entfernt ist, um so schneller bewegt sie sich von uns fort. Dieses Phänomen nennt man heute das Hubble–Gesetz cz = H0 d , (4.3) wenn z die Rotverschiebung der Galaxie bedeutet, c die Lichtgeschwindigkeit und d die mittels Cepheiden bestimmte Distanz der Galaxie darstellt. Der Proportionalitätsfaktor H0 , mit dem sich das Universum ausdehnt, heißt Hubblekonstante. Hubble schätzte damals die Konstante auf einen Wert von 530 km/s/Mpc. Das mit 1/H0 geschätzte Alter des Universums wäre dann nur 2 Milliarden Jahre. Sein Wert beruht im wesentlichen auf einer falschen Kalibration der Cepheiden und der Tatsache, dass es zwei Arten von Cepheiden gibt. 1956 berichtigte Allan Sandage den Wert auf 180 km/s/Mpc. In den nächsten Jahren pendelten die Werte zwischen 42 und 100 km/s/Mpc. Das Alter des Universums würde demnach 9 bis 20 Milliarden Jahre betragen, was mit Altersbestimmungen schon besser in Einklang war. 4.4 Cepheiden und das Hubble–Gesetz 93 Abbildung 4.17: Edwin Powell Hubble. Zu Ehren von Edwin Hubble ist das erste optische Weltraumteleskop nach Hubble benannt worden. Das HST wurde am 24. April 1990 mit der Space-ShuttleMission STS-31 gestartet und am nächsten Tag aus dem Frachtraum der Discovery ausgesetzt. Das Hubble-Weltraumteleskop war das erste von vier Weltraumteleskopen, welche von der NASA im Rahmen des Great Observatory Programms geplant wurden. Die anderen drei sind Compton Gamma Ray Observatory (CGRO), das Chandra X-Ray Observatory und Spitzer Space Telescope. Der tatsächliche Wert der Hubble-Konstanten H0 hat viele Jahre für einen Streit zwischen Astronomen gesorgt, weil der Messwert - je nach Messverfahren - zwischen 50 und 100 km/s/Mpc variierte. Die Messmethoden (Cepheiden etc.) wurden immer besser, der Überlappungsbereich immer kleiner, so dass sich nun der aktuelle und anerkannte Wert auf 72 km/s/Mpc (H0KP, Freedman et al. 2001), bzw. 73 km/s/Mpc (WMAP 3rd year data, Spergel et al. 2006) beläuft. Das H0 Key Projekt hatte gerade zum Ziel, die Hubble-Konstante exakt mithilfe des Hubble Weltraum- 94 4 Die Vermessung des Universums Abbildung 4.18: Das Universum der Galaxien expandiert, genauer nur das Universum der Galaxienhaufen. teleskops zu vermessen. In den Galaxien selbst gibt es keine Expansion, weil sie durch ihre Gravitation gebunden sind. Auch das Sonnensystem nimmt nicht teil an der Expansion des Universums. Auch zwischen Galaxien herrschen noch Gravitationskräfte. Galaxien haben die Tendenz, Haufen zu bilden, wie etwa den Virgo–Haufen. In diesen Haufen gibt es Bewegungen bis zu 1200 km/s, die der Expansion des Weltraums entgegenwirken. Deshalb weist z. B. der Andromedanebel eine Verschiebung in den blauen Teil des Spektrums auf, Andromeda und die Milchstraße bilden ein gebundenes System. Auch der Virgo–Haufen bewegt sich nur halb so schnell von uns fort, wie er es nach einfacher Anwendung des Hubble- Gesetzes tun sollte. Die Lokale Gruppe ist ebenfalls noch an den Virgo–Haufen gebunden. Um die Expansion des Universums wirklich messen zu können, muss man die Bewegung von einzelnen Galaxienhaufen gegeneinander messen, wie etwa die Bewegung des Coma–Haufens gegen den Virgo–Haufen. Dies ist mit Cepheiden nicht mehr machbar, da diese Abstände im Bereich von 50 - 100 Mpc liegen. Die Cepheiden–Methode ist nur bis zu Distanzen von 20 Mpc anwendbar. 4.4 Cepheiden und das Hubble–Gesetz 95 Abbildung 4.19: Das Hubble–Diagramm des Hubble Key Projektes. 4.4.3 Neue Cepheiden–Messungen Eine der wichtigsten kosmologischen Parameter ist die aktuelle Ausdehnungsrate des Universums, die sogenannte Hubble-Konstante. Die möglichst genau Messung war eines der Ziele des Hubble-Weltraumteleskops. Dank neuer Beobachtungen konnten Astronomen den Wert nun genauer als bisher festlegen, 1 nämlich auf H0 = 74, 2 km pro Sekunde pro Megaparsec. Der neue Wert ist mit einem Fehler von nur noch plus/minus 3,6 km/s/Mpc behaftet. Riess hofft für die Zukunft auf einen Wert mit einem Fehler von nicht mehr als einem Prozent. Der neue Wert grenzt auch die Möglichkeiten der mysteriösen Dunklen Energie weiter ein. Die neuesten Hubble-Messungen unter Leitung von Adam Riess vom Space Telescope Science Institute und der Johns Hopkins University verschafften den Astronomen eine genauere kosmische Entfernungsskala. Diese Daten beruhen auf neuen Hubble–Beobachtungen im nachen Infrarotbereich mittels des Near Infrared Camera and Multi-Object Spectrometer (NICMOS) 1 Adam Riess et al. 2009, A Redetermination of the Hubble Constant with the Hubble Space Telescope from a Differential Distance Ladder, arXiv:0905.0695 96 4 Die Vermessung des Universums Abbildung 4.20: Die Galaxie NGC 3021 mit der Supernova SN1995al und 17 Cepheiden (grün markiert) aus dem neuen Cepheiden Projekt von Riess et al.. [Bild: NASA/ESA/A. Riess (STScI/JHU)]. und der Advanced Camera for Surveys (ACS) von 240 lang–periodischen Cepheiden in 6 Galaxien, die Supernovae Ia enthielten (Abb. 4.20). Ähnliche Messungen wurden in 6 weiteren Galaxien in unterschiedlichen Entfernungen vorgenommen, so auch in NGC 4258, von der man die Entfernung (24 Millionen Lichtjahre) auch von radioastonomischen Messungen her sehr genau kennt. Dies ist damit eine Weiterführung des ursprünglichen Hubble Key Projektes. Mit solchen Messungen erhoffen sich die Astronomen für die Zukunft, den Wert der Hubble–Konstanten auf ein Prozent genau zu ermitteln (weniger als 1 km/s/Mpc!). 4.5 Supernovae vermessen das Universum Eine Supernova ist eine Explosion eines Sterns. Dieses katastrophale Ereignis ist mit einem deutlichen Helligkeitsausbruch am Explosionsort verbunden. Das macht die Supernova auch über astronomisch große Distanzen klar sichtbar. 4.5 Supernovae vermessen das Universum 97 Die Explosion eines Sterns als Supernova ist ein eindrucksvolles astronomisches Schauspiel. Für kurze Zeit leuchtet der explodierende Stern so hell auf, wie die ganze ihn umgebende Galaxie. In unserer eigenen Galaxie, der Milchstraße, könnte eine Supernova sogar am hellen Tag zu sehen sein. Doch in historischer Zeit sind in der Milchstraße nur einige wenige Supernovae identifiziert worden und seit mehr als 300 Jahren hat anscheinend kein Stern dieses Ende erfahren (Abb. 4.23). Die Astronomen warten gespannt auf die nächste Supernova, die ihnen die geheimnisvollen Prozesse im Sterninneren kurz vor der Explosion, den Mechanismus der Explosion selbst und die Dynamik der expandierenden Sternhülle erschliessen soll. Die Astronomen der Neuzeit müssen sich mit zwei Supernovae in benachbarten Galaxien zufrieden geben: in der Großen Magellanschen Wolke im Jahre 1987 und in der Andromeda Galaxie im Jahre 1895. 4.5.1 Typen von Supernovae Phänomenologisch unterscheidet man zunächst grundsätzlich zwei Typen von Supernovae (SNe), bei denen das Kriterium das Vorhandensein bzw. Abwesenheit des Elements Wasserstoff im Spektrum ist. Eine SN Typ I enthält keine (oder nur eine äußerst schwache) Spektrallinie des Wasserstoffs, während eine SN Typ II Wasserstofflinien zeigt. Der Wasserstoff ist spektroskopisch nachweisbar, wenn der Stern vor der Explosion, der so genannte Vorläuferstern, noch eine Wasserstoffhülle besass. Es kann vorkommen, dass der Stern die Wasserstoffhülle abgestreift hat, beispielsweise weil ein starker Teilchenwind von ihm ausgeht. Dann ist der Wasserstoff spektroskopisch kaum oder gar nicht nachweisbar. 4.5.2 Supernovae Typ Ia Supernova Typ Ia oder thermonukleare Supernova entsteht, wenn Masse von einem Begleitstern auf einen Weißen Zwerg (genauer: einem Kohlenstoff-SauerstoffZwerg, kurz CO-Zwerg) akkretiert wird (Abb. 4.22). SN Ia sind gute Standardkerzen für die Entfernungsbestimmung, weil dieser Explosionsvorgang immer nach demselben Schema abläuft. Das bestätigen aktuelle Erkenntnisse über die Explosionsvorgänge in SNe Ia: Wenn der Weiße Zwerg gerade seine kritische Massengrenze, die so genannte Chandrasekhar-Masse von etwa 1,38 Sonnenmassen, überschreitet, wird er instabil und die gesamte Konfiguration wird in einer nuklearen Explosion zerrissen. Bei Erreichen der Chandrasekhar-Grenze bilden sich im Innern des Zwergs Inseln, wo thermonukleare Verbrennung einsetzt (subsonische Deflagration). Diese breiten sich nach aussen aus und gehen dann in eine Detonation über. In Detonationen ist der Explosionsdruck höher als in Deflagrationen. Diese wird vermutlich durch Turbulenz verursacht. Daraus entsteht schliesslich eine schockgetriebene, supersonische Detonationswelle - der Motor der Supernova. Die dabei frei werdenden Leuchtkräfte betragen knapp 5 Mrd. Sonnenleuchtkräfte. 98 4 Die Vermessung des Universums Abbildung 4.21: Klassifikation der Supernovae. Aus historischen Gründen werden Supernovae in verschiedene Klassen eingeteilt. Bei hohen Sternmateriedichten liefert das thermonukleare Brennen radioaktives Nickel (Ni-56), das über den Beta+-Zerfall erst zu Kobalt (Co-56) und dieses ebenfalls über Beta+-Zerfall zu Eisen (Fe-56) zerfällt. In diesen Betazerfällen entstehen schnelle Teilchen, die das Explosionsgas aufheizen. Es kühlt durch die Emission so genannter verbotener Linien von Eisen (Fe-II und Fe-III). Die Supernova leuchtet umso heller, je mehr Ni-56 vorhanden ist. In den Zonen geringer Sternmateriedichten dagegen werden mittelschwere Elemente wie Silizium (Si) synthetisiert. Silizium wird dominant in Supernovaexplosionen erzeugt und weist Gesamtmassen von etwas mehr als einer Sonnenmasse auf. Supernovae, die mehr mittelschwere Elemente wie Silizium synthetisieren, produzieren weniger Ni-56. Neue Simulationen von Mazzali et al. bestätigen, dass SNe vom Typ Ia gute Standardkerzen sind. Geringe Helligkeitsunterschiede sind begründet durch unterschiedliche Häufigkeiten von Nickel und Silizium. 4.5 Supernovae vermessen das Universum 99 Abbildung 4.22: Die Entwicklung eines Doppelsternsystems zur Supernova Typ Ia. 4.5.3 Supernovae vom Typ II Stars with at least nine solar masses of material evolve in a complex fashion. In the core of the star, hydrogen is fused into helium and the thermal energy released creates an outward pressure, which maintains the core in hydrostatic equilibrium and prevents collapse. Supernovae Typ II sind die bekanntesten Supernovae. Auf der Grundlage der beobachteten Lichtkurve werden sie ebenfalls in Subtypen unterteilt: eine SN Typ IIP hat eine plateauartige Lichtkurve (P: Plateau); in den Sternhüllen befinden sich etwa 10 Sonnenmassen Wasserstoff. Eine SN Typ IIL hat eine linear abfallende Lichtkurve (L: linear); in den Sternhüllen befindet sich weniger als etwa eine Sonnenmasse 100 4 Die Vermessung des Universums Wasserstoff. Schliesslich gibt es noch die SN Typ IIn, die ein bisschen Wasserstoff im Spektrum anzeigt, der vom Sternenwind in die Sternatmosphäre transportiert wurde. 4.5.4 Historische Supernovae An die 10 Sternexplosionen konnten in der Milchstraße aus historischen Aufzeichnungen fest gemacht werden. Abb. 4.23 gibt eine Übersicht über die historische Supernovae und ihre Relikte (np: Neutronenstern als Pulsar, n: Neutronenstern). Abbildung 4.23: Tabelle historischer Supernovae in der Milchstraße. Vor fast einem Jahrtausend leuchtete der vermutlich hellste Stern der Menschheitsgeschichte: Seine Explosion faszinierte Gelehrte in Japan wie in Europa. Jetzt konnten Astronomen die Strahlkraft der Supernova berechnen. Das einzigartige Spektakel begann am Abend des 1. Mai des Jahres 1006, einen Tag nach Neumond: In der südlichen Konstellation Wolf strahlte mit enormer Helligkeit ein neuer Stern, wo vorher keiner gewesen war. Den rätselhaften Himmelszauber verzeichneten Chroniken in Japan und China, im heutigen Irak und sogar in Italien und der Schweiz. Es dauerte Monate, nach einem chinesischen Geschichtswerk der Sung-Dynastie sogar Jahre, bis der Stern verschwand. Fast ein Jahrtausend später kennen die Astronomen die Ursache des Lichterspiels: Am Ende ihrer Laufbahn angekommen, katapultierte sich eine Sonne mit einer Explosion ins All und 4.5 Supernovae vermessen das Universum 101 setzte für kurze Zeit eine gewaltige Energiemenge frei. Doch die Supernova von 1006, im Fachjargon knapp SN1006 genannt, war nicht irgendeine stellare Katastrophe. Am 4. Juli 1054 entdeckte ein chinesischer Hofastronom erstmals einen zweiten Stern, der auch tagsüber neben der Sonne sichtbar war. Auch in Nordamerika stellen Zeichnungen diese Supernovaexplosion dar, aus welcher der Nebel anschliessend entstand. Der nebelartige Überrest (Abb. 4.24) wurde 1731 von John Bevis sowie unabhängig davon durch Charles Messier am 28. August 1758 entdeckt – diese Entdeckung war für Messier der Auslöser zur Erstellung des Messier-Katalogs, in dem der Krebsnebel als erstes Objekt M 1 eingeordnet ist. Der Name Krebsnebel wurde 1844 von Lord Rosse geprägt, der den Nebel mit seinem großen Spiegelteleskop detailliert beobachtete und auch zeichnete. Anhand der Ähnlichkeit der Filamente mit Krebsbeinen stellte er fest: er sieht aus wie ein Krebs. 1948 konnte der Nebel mit der Radioquelle Taurus A und 1964 mit der Röntgenquelle Taurus X-1 identifiziert werden. 1968/69 wurde der Pulsar PSR B0531+21 im optischen Bereich als Zentralstern des Krebsnebels identifiziert. Im sichtbaren Licht ist der Krebsnebel als ovaler Körper zu sehen, der aus breiten Filamenten besteht. Diese Hülle ist rund 6 Bogenminuten lang und 4 Bogenminuten breit und umgibt die diffuse blaue Region im Zentrum des Körpers. Die Filamente sind Überreste der Atmosphäre des Ursprungssterns und enthalten zum grössten Teil ionisiertes Helium und Wasserstoff und weiterhin Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Eisen, Neon und Schwefel. Die Temperatur der Filamente liegt meist zwischen 11.000 K und 18.000 K und ihre Dichte beträgt rund 1.300 Teilchen pro ccm. 1953 schlug Iosef Shklovsky vor, das blaue Leuchten des Zentrums durch Synchrotronstrahlung zu erklären. Hierbei handelt es sich um die Strahlung, die emittiert wird, wenn Elektronen, die sich mit mindestens der halben Lichtgeschwindigkeit bewegen, durch ein Magnetfeld auf eine Kreisbahn gezwungen werden. Drei Jahre später wurde diese Theorie durch Beobachtungen bestätigt. 1960 fand man heraus, dass das Magnetfeld von etwa 100 Mio. Tesla aus einem Neutronenstern im Zentrum des Nebels resultiert. Als man Anfang des 20. Jahrhundert die ersten Fotografien aufnahm, stellte sich heraus, dass der Nebel expandiert. Durch Zurückberechnung dieser Expansion schloss man auf eine Supernovaexplosion vor rund 900 Jahren. Tatsächlich fand 1054 eine Supernova statt. Der Krebsnebel dehnt sich derzeit mit einer Geschwindigkeit von 1500 km/s aus und Bilder, die vor mehreren Jahren gemacht wurden, bestätigen dies. Vergleicht man nun die Ausdehnung und die Rotverschiebung, kann man die Entfernung bestimmen. Durch moderne Beobachtungen hat man eine Entfernung von rund 6.300 Lichtjahren ermittelt. Der Krebsnebel entstand aus der Supernovaexplosion eines Sterns. Aus theoretischen Modellen von Supernovaexplosionen schliesst man, dass der Stern eine Der Krebsnebel: 102 4 Die Vermessung des Universums Abbildung 4.24: Der Krebsnebel Messier 1 [Bild: HST Archiv] Masse zwischen 8 und 12 Sonnenmassen gehabt haben musste. Man vermutet, dass Sterne, die weniger als 8 Sonnenmassen haben, zu klein sind, um in einer Supernova zu explodieren und ihr Leben mit der Erzeugung eines Planetarischen Nebels beenden, während Sterne mit mehr als 12 Sonnenmassen einen Nebel mit einer anderen chemischen Zusammensetzung als der des Krebsnebels bilden. Cassiopeia A: Cassiopeia A ist ein Emissionsnebel im Sternbild Cassiopeia in rund 11.000 Lichtjahren Entfernung, der einen Durchmesser von zirka 10 Lichtjahren hat. Er ist der Überrest einer Supernovaexplosion, die auf der Erde um das Jahr 1680 hätte beobachtet werden können, wenn sie nicht hinter Gas- und Staubwolken stattgefunden hätte. Möglicherweise war Cas A ein Stern sechster Magnitude, den der Astronom John Flamsteed seinerzeit als Supernova beobachten konnte. Heute ist Cassiopeia A die stärkste extrasolare Radioquelle am Himmel. Die Radioquelle wurde 1947 entdeckt, die optische Identifizierung gelang 1950. Cassiopeia A war 4.5 Supernovae vermessen das Universum 103 Abbildung 4.25: Der Supernova–Überrest Cassiopeia A [Bild: HST/Spitzer/Chandra] der jüngste bekannte Supernovaüberrest in unserer Galaxis bis zur Entdeckung von Supernovaüberrest G1.9+0.3. Die Supernova 1006 war eine im Jahr 1006 im Sternbild Wolf an der Grenze zum Centaur aufgetretene galaktische Supernova. Sie erreichte eine Helligkeit von -9,5 mag. Da sie sehr weit südlich stand, war sie im nördlichen Mitteleuropa nicht zu sehen. Die Supernova 1006 dürfte das hellste punktförmige Himmelsobjekt gewesen sein, welches in der überlieferten Geschichte der Menschheit zu sehen war. Heute befindet sich an der Stelle der rund 1000 pc entfernten Supernova die Radioquelle PKS 1459 - 41. Berichte von der Supernova sind aus China, Japan, dem Irak, Ägypten, Italien und der Schweiz überliefert. Den präzisesten zeitgenössischen Bericht von der Beobachtung der Supernova überlieferte der ägyptische Astrologe Ali ibn Ridwan (genannt Hali). SN 1006: 4.5.5 Entfernungsbestimmung mit Supernovae Ia Bis Ende der 90er Jahre waren Supernovas selten zu beobachtende Ereignisse. Mit dem Supernova Cosmology Project mit Teleskopen, die den Himmel immer beobachten, wurden ganz viele Supernovas auch bei großer Rotverschiebung beobachtet. 104 4 Die Vermessung des Universums Abbildung 4.26: Supernova SN1006. [Bild: HST/Spitzer/Chandra] Das sogenannte Supernova Hubble Diagramm erlaubt Aussagen über die Ausdehnung des Universums über eine sehr lange Zeit. Im Jahr 1998 machten Saul Perlmutter vom Supernova Cosmology Project sowie Brian Schmidt mit dem High-z Supernova Search Team unabhängig voneinander, anhand der Beobachtung an zahlreichen Supernovae vom Typ Ia, eine erstaunliche Entdeckung. Ihnen fiel auf, dass das Licht sehr weit entfernter SNIa lichtschwächer war, als es laut den Rotverschiebungsdaten hätte sein dürfen. Daraus ergab sich, dass diese Sternexplosionen weiter weg waren, als das bisherige Modell damals voraussagte. Dies hatte folgenschwere Konsequenzen für die Kosmologie. Unser Universum scheint sich nicht gleichmässig auszudehnen, sondern sogar beschleunigt. Das heisst, je weiter wir ins Universum blicken, desto schneller entfernen sich die Galaxien von uns weg. Nun stellte sich natürlich die Frage nach der Ursache dafür. Wie kann sich das Universum beschleunigt ausdehnen, wo doch die Gravitation einer Ausdehnung entgegenwirken sollte? Eigentlich erwartete man anhand dieser beiden Supernova–Projekte eine Abbremsung der Expansion nachzuweisen, nun war das genaue Gegenteil der Fall. Aus diesem Dilemma kommt man nur heraus, wenn man eine noch völlig unbekannte Energieform annimmt - die Dunkle Energie. Nach bisherigem Erkenntnisstand nimmt diese Energieform 73% an der Gesamtenergie unseres Universums ein, wobei ihr Dichteparameter konstant zu sein scheint. Das heisst, die Dunkle Energie dünnt nicht mit der Expansion des Universums aus, wie es die baryonische und Dunkle Materie tut, sondern ihre Dich- 4.5 Supernovae vermessen das Universum 105 Abbildung 4.27: Kalibration der Supernovae Ia Lichtkurven. Obschon das Maximum der Lichtkurven bis zu einer Magnitude variiert, kann dies durch den unterschiedlichen Abfall der Lichtkurven korrigiert werden (schnellere Supernovae sind weniger hell, langsame heller). Dadurch resultiert ein systematischer Fehler von nur noch etwa 0,2 mag. te bleibt zeitlich konstant. Was genau nun Dunkle Energie eigentlich ist, lässt sich noch nicht sagen. Die bisher plausibelste Erklärung ist wohl, dass es sich dabei um die selbe Energieform handelt, wie sie sich auch in Form des Quantenvakuums (Casimir Effekt) zeigt. Allerdings weicht der beobachtete Wert der Energiedichte des Vakuums vom berechneten Wert um 120 Grössenordnungen ab. Die tatsächliche Energie des Vakuums unterscheidet sich also um 120 Zehnerpotenzen vom quantenmechanisch ermittelbaren Wert, was letztendlich zu einem gravierenden Skalenproblem in der Physik führt. Die beiden Forscherteams, die 1998 unabhängig voneinander festgestellt hatten, dass sich die Expansion unseres Universums beschleunigt, wurden 2006 mit dem mit einer halben Millionen Dollar dotierten Gruber Kosmologie Preis ausgezeichnet. Die damalige Entdeckung führte zu der revolutionären Erkenntnis, dass unser Universum im Wesentlichen von einer geheimnisvollen Dunklen Energie dominiert wird. 106 4 Die Vermessung des Universums Abbildung 4.28: Oben: Das Hubble–Diagramm der lokalen Supernovae in einfach logarithmischer Darstellung. Unten: Supernova–Daten aus dem kosmologischen SNLS–Projekt (SuperNova Legacy Survey) in linearer Darstellung der Rotverschiebung. µB = mB − MB Distanzmodul der Supernovae. 4.6 Zusammenfassung 107 4.6 Zusammenfassung • GAIA wird Positionen, Eigenbewegung, radiale Bewegung und Helligkeiten von einer Milliarde Sternen unserer Galaxis vermessen. • Die Methode der Cepheiden reicht bis etwa 30 Mpc Entfernung, d.h. bis zu den nächsten Galaxienhaufen Virgo und Fornax. • Supernovae Ia sind geeignete Standardkerzen zur Vermessung des gesamten Universums (heute bis Rotverschiebung 2). • Für Rotverschiebungen z > 0, 1 ist das Hubble–Gesetz nicht mehr gültig. Abbildung 4.29: Kosmische Distanzleiter. 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums Seit Jahrtausenden versucht der Mensch die Geheimnisse des Universums zu enträtseln. Wie ist das Universum entstanden, wie wird es enden? Wo liegt der Ursprung des Lebens? Ist der Mensch alleine im Universum? In den letzten Jahren haben führende Astronomen und Kosmologen neue, spannende Antworten auf diese Fragen gefunden. Phantastische Grafiken, neueste Aufnahmen des Hubble Weltraumteleskops und von NASA Sonden helfen die letzten, großen Geheimnisse des Kosmos zu entschlüsseln. Seit der Antike haben sich die Menschen gefragt, ob unser Universum endlich oder unendlich ist. Nun, nach mehr als zweitausend Jahren des Spekulierens, könnten die Beobachtungsdaten endlich diese alte Frage beantworten. Vor 13,7 Milliarden Jahren wurde in einer gigantischen Explosion nicht nur das Universum geboren, sondern auch Raum und Zeit. Der Urknall ist heute keine blosse Theorie, sondern eine untermauerte wissenschaftliche Tatsache. Aber wie wird unser Universum enden? Viele Astronomen glaubten bisher, dass der gesamte Kosmos wieder in sich kollabieren wird, zusammengezogen von den Gravitationskräften der mysteriösen Dunklen Materie. Neueste Entdeckungen der letzten Jahre legen jedoch den Schluss nahe, dass das Universum immer weiter und schneller expandieren wird. Werden wir in einer kalten, leeren Welt enden? Es war irgendwann im Frühling 1998. Ein internationales Foscherteam um Brian Schmidt, einem australischen Astronomen an den Mount Stromlo Observatories wertete erstmals systematische Beobachtungen ferner Sternexplosionen aus. Die Astronomen sind noch heute ebenso fasziniert wie verwirrt von den Daten, die buchstäblich die Welt bewegten, erinnert sich Bruno Leibundgut, ein Schweizer Astronom bei der Europäischen Südsternwarte ESO in Garching bei München, der mit zum Team von Brian Schmidt gehörte. Die Messungen haben darauf hingewiesen, dass 70 Prozent des Universums in einer Form vorhanden sind, die wir bis dahin nicht gekannt haben. Dieser Anteil des Universums wird oft als Dunkle Energie bezeichnet. Mittlerweile sind viele neue Modelle für die Kosmologie entwickelt worden - und auch die Physik versucht eben, diese Dunkle Energie zu erklären. Dunkle Energie und Dunkle Materie zusammen entsprechen etwa 95 Prozent des Universums. Und die Physik hat bisher keine Erklärung dafür. 110 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums 5.1 Das Kosmologische Prinzip Die heute mehrheitlich anerkannten dynamischen Weltmodelle basieren im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein und den darauf aufbauenden, von A. A. Friedmann, A. G. Lemaitre u. a. entwickelten homogenen relativistischen Modellen auf dem Hubble-Effekt, der die in den Spektren kosmischer Objekte feststellbare Rotverschiebung als allgemeine Expansion des Weltalls deutet. Entscheidende Annahmen zum Verständnis des Weltalls als Ganzes sind die Universalität der Naturgesetze und das Kosmologische Prinzip: Alle auf der Erde gefundenen physikalischen Gesetze gelten überall im Weltall und zu allen Zeiten sowie das kosmologische Prinzip, nach dem das Weltall (im großen gesehen) in allen Richtungen (Isotropie) und Entfernungen (Homogenität) im Wesentlichen gleich aussieht: Kein Punkt und keine Richtung des Raumes sind ausgezeichnet. Da der kosmische Raum nach der Allgemeinen Relativitätstheorie nicht den Gesetzen der euklidischen Geometrie folgen muss, ist die Unendlichkeit des Raumes nicht zwingend; kosmologische Theorien bevorzugen die Vorstellung, dass der Weltraum trotz Unbegrenztheit von endlicher, aber veränderlicher Gesamtgrösse ist. Auch die zeitliche Unendlichkeit des Weltalls ist aufgrund der mit der Rotverschiebung verbundenen Dynamik infrage gestellt. Abbildung 5.1: Das Kosmologische Prinzip. Eine der wohl entscheidendsten Änderungen im Weltbild der Menschen wird 5.1 Das Kosmologische Prinzip 111 durch die kopernikanische Wende beschrieben: Der polnische Astronom Nikolaus Kopernikus veröffentlichte Mitte des 16. Jahrhunderts sein revolutionäres Werk, in dem er die Erde als nur einen unter mehreren Planeten beschrieb, die um die Sonne kreisen. Bislang hatte man immer die Erde im Zentrum des Sonnensystems gesehen, das damals auch gleichzeitig das bekannte Universum darstellte. Die Erde war also bis dahin der Mittelpunkt des Universums. Seit Kopernikus ist die Erde nur noch ein gewöhnlicher Planet. Kosmologen haben diese Vorstellung in der Zeit danach noch weiterentwickelt. Das sogenannte Kosmologische Prinzip besagt, dass das Universum, wie wir es in seiner Gesamtheit beobachten, von jedem Punkt im Grunde genommen gleich aussieht. Die Position der Erde in diesem Universum spielt also für die Beobachtungen und die daraus resultierenden Schlussfolgerungen keine Rolle. Dieses Prinzip ist inzwischen zur wichtigen Grundlage der kosmologischen Modelle geworden. Die Frage, die man sich aber natürlich stellen kann, ist, ob das stimmt: Ist unsere galaktische Nachbarschaft wirklich ganz normal oder ist sie vielleicht doch etwas Besonderes? Hier einen Beweis zu führen ist schwierig. Und so wundert es nicht, dass manche Forscher auch an dem fundamentalen kosmologischen Prinzip zweifelten, als man Ende des vergangenen Jahrhunderts Indizien dafür entdeckte, dass eine ominöse Dunkle Energie für eine beschleunigte Ausdehnung des Universums verantwortlich sein muss. 5.1.1 Das Olberssche Paradoxon Wilhelm Olbers, Arzt und Astronom (11.10.1758-2.3.1840), entdeckte nicht nur 6 Kometen und die Planetoiden Vesta und Pallas, er fand auch eine Methode für die Bahnbestimmung von Kometen und machte sich Gedanken über das Universum als Ganzes. Ausgehend vom Kosmologischen Prinzip müssen Galaxien nahezu gleichverteilt sein. Die Intensität des Lichtes dieser Galaxien, welches auf der Erde registriert wird, ist indirekt proportional dem Quadrat der Entfernung. Die auf der Erde zu messende Gesamtbeleuchtungsstärke ist die Summe der Strahlungen aller Galaxien. Ist das Universum unendlich und existiert es unendlich in Raum und Zeit, so würde die Summe aller Intensitäten in jeder Richtung gegen Unendlich gehen. Danach dürfte der Nachthimmel nicht schwarz, sondern sollte gleissend hell sein (sog. Olbersches Paradoxon). Diese Tatsache kann man sich sehr gut am Beispiel eines dichten Waldes veranschaulichen. In Analogie zum Olbersschen Paradoxon gibt es in einem Wald keine lichten Bereiche: in jeder Blickrichtung steht ein Baum. Da dies nicht so ist, kann das Universum nicht unendlich in Raum und Zeit existieren. Keinen Widerspruch zu diesem Gedankenexperiment gibt es, wenn das Universum erst seit einer begrenzten Zeit existiert oder Entwicklungen der Objekte im Universum die Beobachtung erklären. Die naheliegendste Erklärung ist folgende: Das Universum ist kein unveränderlicher Kosmos mit unendlicher Ausdehnung. Es gibt eine Entwicklung. Dies aber bedeutet, es gab einen Anfang (auch als Urknall bekannt). 112 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums 5.2 Das Universum der Galaxien ist Homogen und Isotrop Karten zu machen, ist eine zentrale Tätigkeit des menschlichen Wissens. Das letzte Jahrzehnt war Zeuge einer Explosion in Maßstab und Dichte der Unternehmungen der Kartenmacher, mit Bereichen so ungleich wie Vererbungslehre, Meeresforschung, Neurowissenschaft und Oberflächenphysik, die die Stärke der Computer anwendeten, um enorme und komplexe neue Territorien aufzuzeichnen und zu verstehen. Die Möglichkeit gewaltige Datenmengen in kurzer Zeit aufzunehmen und aufzuschliessen, verändert das Bild der Wissenschaft. Die Sloan Digital Sky Survey hat diese moderne Anwendung des umfassenden Kartografierens zur Kosmographie beigetragen, der Wissenschaft von der Kartografierung und der Einvernehmung des Universums. 5.2.1 Zur Geschichte der Himmelsdurchmusterungen Himmelsdurchmusterungen haben eine lange Tradition in der Astronomie und führten zu einigen der wichtigsten Entdeckungen der Astronomie. Die erste bedeutende systematische Himmelsdurchmusterung begann erst 1700 Jahre nach Hipparchus. Tycho Brahe war ein dänischer Adliger aus dem 16. Jahrhundert, der die Bewegungen der Planeten aus seinem eigenen Observatorium studierte. Brahe und seine Assistenten machten Beobachtungen mit blossem Auge mithilfe eines riesigen Sextanten, einem Werkzeug, das Segler benutzten um Sterne zu finden. Brahes Durchmusterung dauerte Jahrzehnte und war präziser als jede andere Durchmusterung davor. Nach Brahes Tod wurden die Daten seiner Durchmusterung an seinen Assistenten Johannes Kepler weiter gegeben. Mithilfe dieser Daten folgerte Kepler, dass sich alle Planeten in elliptischen Bahnen um die Sonne bewegen - die Idee auf ewig begrabend, dass die Erde der Mittelpunkt des Universums sei - und erlangte seine drei berühmten Gesetze der Planetenbewegung. Keplers Arbeit, die völlig auf Brahes Karte basierte, steht für eine krönende, intelligente Errungenschaft der Wissenschaft. Dreihundert Jahre nach Keplers Zeit, dachten Astronomen immer noch, dass das Universum nur aus den Sternen unserer Milchstraße besteht, zusammen mit ein paar verschwommenen, undeutlichen und mysteriösen Objekten, die sie Nebelflecken nannten. Die meisten Astronomen glaubten, dass diese Objekte zwischen den Sternen verstreut seien. Erst Hubble fand heraus, dass die meisten dieser Objekte eigentlich unabhängige Galaxien waren, die Millionen von Lichtjahren von der Erde entfernt lagen. Die ehemaligen Teleskope konnten die einzelnen Sterne in diesen entfernten Galaxien nicht auflösen, weswegen sie nur als kleine neblige Flecke am Himmel erschienen. 1917 wurde ein neues Teleskop auf Mount Wilson in Kalifornien gebaut. Das Mount Wilson Teleskop war das grösste Teleskop, das jemals in der Welt gebaut wurde, und es enthüllte ein völlig neues Bild von unserem Platz im Universum. Als man dieses Teleskop benutzte, das damals so gigantisch erschien, entdeckten Astro- 5.2 Das Universum der Galaxien ist Homogen und Isotrop 113 nomen, dass viele der Nebel andere Galaxien waren, wie unsere eigene Milchstraße. Weitere Karten zeigten, dass das Universum Hunderte von Milliarden Galaxien enthält. Weniger als ein Jahrzehnt nach dieser überraschenden Entdeckung, fanden Astronomen eine andere, sogar größere Überraschung: das Universum besteht nicht nur aus Milliarden anderer Galaxien, sondern es erweitert und ändert sich auch mit der Zeit. Abbildung 5.2: Rotverschiebungsdurchmusterungen. Aufgetragen ist die Anzahl Objekte gegen das Volumen der Durchmusterung. Im SDSS photo-z wurde die Rotverschiebung einer Galaxie nicht spektroskopisch, sondern nur photometrisch bestimmt. Dadurch konnten 100 Mio. Galaxien erfasst werden. Die ersten Durchmusterungen erfassten gerade einige tausend Galaxien. In zweitausend Jahren Astronomie kam nie jemand auf die Idee, dass das Universum sich ausdehnen könnte. Die alten griechischen Astronomen und Philosophen betrachteten das Universum als eine Verkörperung der Perfektion. Die Himmel waren wahrlich himmlisch - unveränderbar, beständig und geometrisch perfekt. Seit Hubbles Zeit wurden noch einige Himmelsdurchmusterungen durchgeführt. Aber der Großteil der astronomischen Forschung konzentrierte sich darauf, eine kleine Anzahl von einzelnen Objekten zu beobachten, die oft gewählt wurden, da sie irgendwie ungewöhnlich erschienen. Indem man seltene Objekte wählte, versuchten die Astronomen einen breiten Bereich von himmlischen Phänomenen zu beobachten und zu kategorisieren, um die Grenzen von dem was da draussen ist zu entdecken und einzuschränken. Jedoch stellten einige Astronomen, die diese Forschungsmethode anwendeten, fest, dass Berechnungen, die man als einfach und unkompliziert angenommen hatte, sich doch als schwierig erwiesen. Zum Beispiel, fanden sie heraus, dass es besonders schwer war die Expansionsrate des Universums (Hubblekonstante genannt), die Dichte des Universums, wie sich Galaxien häufen, 114 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums und sogar was den Großteil des Universums ausmacht zu bestimmen. Die Gründe für diese Schwierigkeiten liegen auf der Hand: die Astronomen hatten zu wenige Daten, mit denen sie arbeiten konnten. Es war so, als ob sie versucht hätten, den Ozean zu studieren, jedoch nur eine kleine Stelle im Nordatlantik sehen würden. Den Astronomen wurde klar, dass es Zeit für eine andere Karte des gesamten Himmels sei, mit der man große Mengen des Himmels über Entfernungen bis zu etlichen Milliarden Lichtjahren sehen konnte (Abb. 5.2). Abbildung 5.3: CfA Rotverschiebungsdurchmusterung war die erste systematische Galaxien– Durchmusterung. Sie beruhte auf dem Galaxienkatalog von Zwicky und Nilson (UGC). Die Farben bedeuten Rotverschiebung der Galaxien: Rot: V < 3000 km/s; Blau: 3000 < V < 6000 km/s; Magenta: 6000 < V < 9000 km/s; Cyan: 9000 < V < 12000 km/s. 5.2.2 Der CfA Rotverschiebungssurvey Die CfA Durchmusterung wurde 1977 in Angriff genommen von Marc Davis, John Huchra, Dave Latham und John Tonry. Die Durchmusterung beruht auf dem Catalogue of Galaxies and of Clusters of Galaxies, auch kurz Zwicky-Katalog genannt. Dies ist ein von Fritz Zwicky und Mitarbeitern zusammengestellter Katalog von Galaxien und Galaxienhaufen. Als Abkürzung für den Katalog und Bezeichner für seine Objekte finden sowohl CGCG als auch ZWG Verwendung. Der ZwickyKatalog entstand auf der Basis photographischer Himmelsaufnahmen des Palomar Sky Atlas. Insgesamt sind etwa 30000 Galaxien und etwa 10000 Galaxienhaufen enthalten. Zwischen 1961 und 1968 wurden von Zwicky am California Institute of Technology insgesamt sechs Bände des Katalogs veröffentlicht. Ziel war es, alle Galaxien heller als 15,5 Magnituden nördlich von 30 Grad südlicher Breite sowie alle mitgliederreichen hellen Galaxienhaufen in diesem Gebiet zu erfassen. Für die 5.2 Das Universum der Galaxien ist Homogen und Isotrop 115 Galaxien sind Positionen und Helligkeiten angegeben. Die Galaxienhaufen sind als offen, mittelkompakt bzw. kompakt klassifiziert. Mitgliederzahlen, Position, Ausdehnung und geschätzte Entfernung sind angegeben. Der erst CfA Survey wurde 1982 beendet. Ziel war die Vermessung aller Radialgeschwindigkeiten für alle Galaxien heller als 14,5 mag im Katalog von Zwicky Abbildung 5.4: CfA Rotverschiebungssurvey war die erste Durchmusterung. Alle Galaxien bis zu einer Rotverschiebung von 12000 km/s. und Nilson (sog. UGC Katalog). Diese Durchmusterung brachte zum ersten Male Karten des nahen Universums zu Tage (Abb. 5.4) 1 . Damit konnten auch zum ersten Male die Klumpungseigenschaften der Galaxien untersucht werden. Vorher konnte nur die Winkelverteilung der Galaxien ermittelt werden (Abb. 5.3). Die Rotverschiebung der Galaxien ist ein adäquates Maß für ihre Distanzen, solange die Galaxien nicht in nahen Galaxienhaufen oder in der Lokalen Gruppe gelegen sind. 1 M.J. Geller & J.P. Huchra, Science 246, 897 (1989) 116 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums Abbildung 5.5: Oben: Verteilung der Galaxien in der 2dF Galaxiendurchmusterung am Südhimmel. Sie umfasste 220.000 Galaxien mit ihrer Rotverschiebung. Unten: Das Histogramm der Rotverschiebungen im 2dF. 5.2 Das Universum der Galaxien ist Homogen und Isotrop 5.2.3 117 2dF und der Sloan Digital Sky Survey SDSS 2dF oder 2dFGRS ist eine Rotverschiebungs–Durchmusterung des Anglo-Australian Observatory (AAO) mit dem 3,9 Anglo-Australian Teleskop, durchgeführt zwischen 1997 und 2002. Insgesamt wurde Photometrie von 382.323 Objekten gemessen, Spektren für 245.591 Objekte, davon waren 232.155 Galaxien, 12.311 sind Sterne, und 125 sind quasi-stellare Objekte (Quasare). Es waren 272 Beobachtungs– Nächte erforderlich, die sich über 5 Jahre hinzogen. Abbildung 5.6: Die schaumartige Struktur der Galaxienverteilung im SDSS in einem Deklinationsstreifen von 6 Grad am Himmel. Die radiale Koordinate ist die Rotverschiebung, die Angaben auf dem Kreis betreffen die Rektaszension. Beachte: z = 0, 1 bedeutet einen Abstand von 400 Mpc. Jenseits von z = 0, 2 sind nur noch die allerhellsten Galaxien sichtbar. Der Sloan Digital Sky Survey (SDSS) ist zur Zeit die umfassendste Durchmusterung des Himmels, die sowohl optische Bilder wie Spektren liefert. Kenntnisse der großräumigen Struktur des Universums (LSS) gewinnen wir hauptsächlich durch die Analyse der Rotverschiebungskataloge naher Galaxien. Große Durchmusterungen, die in den letzten Jahren durchgeführt wurden, wie der Two Degree Field Redshift Survey, kurz 2dF genannt und der SDSS (Sloan Digital Sky Survey) 118 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums bestimmten für hunderttausende von Galaxien die Position am Himmel und die Rotverschiebung (Abb. 5.2). Die Astronomen konnten daraus detailliert die Verteilung der Galaxien im lokalen Universum kartografieren. Diese dreidimensionalen Himmelskarten haben gezeigt, dass die Galaxien nicht gleichförmig verteilt sind, sondern ein Netzwerk aus Filamenten bilden, die große leere Bereiche, sogenannte Voids, umschliessen. Die Voids haben eine Ausdehnung von 10 bis zu 100 Mpc. Es zeigte sich, dass Galaxien mit großer Masse mehr von ihrer Art um sich haben, als massearme, sie sind stärker geklumpt – ähnlich wie in den Alpen die sehr hohen Gipfel in einem engeren Bereich konzentriert sind. Elliptische Galaxien, die sehr wenig Gas und hauptsächlich alte Sterne enthalten, sind stärker geklumpt als Spiralgalaxien, die viel Gas und viele junge Sterne enthalten. Dieses Verhalten war schon bekannt, aber das überraschende Ergebnis der Analysen des Forscherteams war, dass diese stärkere Klumpung der alten, elliptischen Galaxien noch bis zu sehr großen Entfernungen ausgeprägt ist – bis zu Abständen von einigen zehn Megaparsec und mehr. Die Korrelation (Abb. 5.8) konnte auf derart großen Skalen nur deshalb gemessen werden, weil der SDSS genügend viele Galaxienpaare mit solchen Abständen enthält. Das Resultat ist so überraschend, weil auf Skalen von über zehn Magaparsec die verschiedenen Galaxien sich nicht mehr durch physikalische Wechselwirkungen beeinflussen können, jedenfalls nicht innerhalb des Alters des Universums. Dies muss wohl bedeuten, dass der Typ einer Galaxie schon bei der Bildung der anfänglichen Massenkonzentration eingeprägt wird. Großräumige Strukturen im Kosmos bilden sich nach der Standardtheorie, weil kleine Dichteschwankungen, kurz nach dem Urknall entstanden, auf Grund der Gravitation anwachsen. Bereiche des frühen Universums mit großem Dichteüberschuss entwickeln sich zu Gebieten mit einer großen Überdichte an Galaxien, Bereiche mit schwach ausgeprägten Anfangsschwankungen der Dichte haben auch heute eine unterdurchschnittliche Anzahl von Galaxien und sind praktisch leer. 5.2.4 Die Hintergrundstrahlung ist Isotrop Einblicke in die grössten Raumskalen unseres Universums liefern heutzutage die Messungen der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung (CMB, engl.: cosmic microwave background) mit Hilfe von Satellitenexperimenten wie NASAs Cosmic Background Explorer (COBE), NASAs Wilkinson Microwave Anisotropy Probe (WMAP) und ESAs Planck. Die CMB wurde zum ersten Mal als isotropes Signal (isotrope Temperatur) von Penzias und Wilson im Jahre 1965 nachgewiesen (dies brachte den Nobelpreis 1978 ein). Die (erwarteten) richtungsabhängigen kleinen Abweichungen vom isotropen Signal (Temperaturfluktuationen), die Dichteschwankungen des frühen Universums wiedergeben, wurden 1992 von COBE zum ersten Mal gemessen (Nobelpreis 2006). 5.3 Das Universum in Raum und Zeit 119 Abbildung 5.7: Cosmic Web: 3D Galaxienverteilung bildet filamentartige Strukturen und Voids. 5.3 Das Universum in Raum und Zeit Das Friedmann Modell des Universums hängt nur vom Expansionsfaktor R(t) und von der Krümmung des Raumes ab. Die entsprechende Dynamik folgt aus den Einsteinschen Feldgleichungen, welche die Krümmung der Raum–Zeit mit dem Materieinhalt verknüpfen. Dabei tritt jede Form von Materie als Quelle der Expansion auf: Dunkle Materie, Photonen, Quarks, Neutrinos, aber auch jede Form von Vacuum–Energie. In der Tat hat sich gezeigt, dass die Expansion des Universums seit etwa Rotverschiebung 1 beschleunigt wird und in kosmischer Zukunft in eine Art deSitter Expansion übergehen wird. Es gibt drei fundamentale Beobachtungsbefunde, die wesentlich von dieser Expansion abhängen. Zum einen ist es die konkrete Form der Leuchtkraftdistanz, die sich mittels Supernovae vom Typ Ia testen lässt. Zum andern sind es Winkeldurchmesser kosmischer Objekte und das Alter des Universums, die ebenfalls empfindlich von der Form der Expansion abhängen. Neben Krümmungsparameter und Hubble–Konstante sind es vor allem die Dichteparameter der Materie und des kosmischen Vakuums, welch die Expansion bestimmen. Denkbar sind heute auch Modelle, bei denen die Zustandsgleichung der Dunklen Energie zeitabhängig sein kann. Beobachtungen ergeben wesentliche Einschränkungen an die möglichen Kombinationen zwischen diesen Parametern. WMAP Daten sind im wesentlichen nur verträglich mit praktisch flachen Universen. 120 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums Abbildung 5.8: Konturlinien der 2–Punkt Korrelationsfunktion (2PCF)der Galaxien im Rotverschiebungsraum, in dem die Rotverschiebung als Entfernungsmass dient. Die Galaxienkorreltaion des SDSS (farbig) ist verglichen mit den entsprechenden Kurven einer isotropen Verteilung (schwarz). Die rp und π Richtungen sind senkrecht, bzw. parallel zur Sichtlinie. Durch die Verwendung der Rotverschiebung als Entfernungsmass entstehen Verzerrungen auf kleinen Skalen (die sogenannten Finger Gottes) und auf großen Skalen (der Einfall von Galaxienpaaren in Massenkonzentrationen): Auf kleinen Skalen ist die 2PCF in der π Richtung gedehnt und auf großen Skalen sind die Konturen längs der Sichtlinie gestaucht. 5.3.1 Die Bedeutung der Hubble–Konstanten Mit Hubbles Beobachtung der Galaxienrotverschiebung begann die moderne Kosmologie. Die theoretische Begründung wurde von Einstein 1915 mit seiner Allgemeinen Relativitätstheorie gelegt, mehr als 10 Jahre vor Hubbles Beobachtungen. Aus der Hubble–Konstante ergibt sich eine charakteristische Distanzskala des Universums, der sog. Hubble–Radius c = 4043 Mpc H0 , H0 = 74 km . s Mpc (5.1) 5.3 Das Universum in Raum und Zeit 121 Im Vergleich zur Ausdehnung eines Superhaufens von ≃ 50 Mpc handelt es sich hier um eine gewaltige Skala. Nur Gravitationskräfte wirken auf diesen Skalen. Die Hubble–Konstante bedeutet auch eine fundamentale Zeitskala, das sog. Hubble– Alter des Universums, tH = 1 = 14, 0 × 109 h−1 70 Jahre . H0 (5.2) h70 ist der Wert der Hubble–Konstanten in Einheiten von 70 km/s/Mpc. Man beachte, dass das Hubble–Alter nicht das wahre Alter des Universums darstellt, das vom expliziten Expansionsmodell abhängen wird. Es ist deshalb naheliegend, dass wir eine relativistische Theorie der Gravitation zur Beschreibung des Kosmos benötigen. Die Newtonsche Theorie mit ihrer instantanen Wirkung der Kräfte ist nicht verträglich mit den Vorstellungen der Speziellen Relativitätstheorie, in der die Lichtgeschwindigkeit die charakteristische Ausbreitungsgeschwindigkeit von Wechselwirkungen zwischen Materie darstellt. Die Allgemeine Relativitätstheorie Einsteins bewerkstelligt dieses Zusammenwirken von Gravitation und Spezieller Relativitätstheorie. In dieser Vorstellung ist Gravitation Krümmung der Raum–Zeit. Da diese Theorie die Gravitation im Sonnensystem und in einigen engen Doppelsternsystemen sehr gut beschreibt, besteht Grund zur Annahme, dass diese Theorie auch die Gravitation des Kosmos richtig modelliert. 5.3.2 Die Einsteinsche Gravitation In der Relativitätstheorie werden Raum und Zeit zu einer einheitlichen vierdimensionalen Struktur vereinigt, in dem die räumlichen und zeitlichen Koordinaten bei Transformationen in andere Bezugssysteme miteinander vermischt werden können. Zwar lässt sich ein absolut gültiger Abstandsbegriff für Raumzeitpunkte (sog. Ereignisse) definieren, jedoch ist es vom Bewegungszustand des Beobachters und der Anwesenheit von Masse und/oder Energie (z.B. in Feldern) abhängig. Mathematisch gesehen bildet die Raumzeit eine pseudo-Riemannsche Mannigfaltigkeit. Metrik und Äquivalenzprinzip Die Menge aller Ereignisse bildet in der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) eine vierdimensionale Mannigfaltigkeit, die mathematisch eindeutig durch den symmetrischen metrischen Tensor gik (t, ~x), i, k = 0, 1, 2, 3, festgelegt wird. Raum und Zeit bilden eine Einheit und stellen die Welt dar, wo sich die Geschehnisse ereignen. Diese Bühne ist jedoch dynamisch und in ihrer Dynamik beeinflusst von jedweder Energieform. Im Prinzip kann man die Begriffe Raumzeit, Metrik, metrischer Tensor und Linienelement synonym verwenden. Der ART liegt als physikalischer Kern das sogenannte starke Äquivalenzprinzip zugrunde: 122 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums Lokal ist es physikalisch unentscheidbar, ob ein System in einem Gravitationsfeld ruht oder ob es in einem feldfreien Raum beschleunigt ist. Das schwache Äquivalenzprinzip behauptet dies für die Gesetze der klassischen Mechanik, was der Äquivalenz (genauer gesagt der Proportionalität) von schwerer und träger Masse entspricht. Auf diese Weise kann man die Schwerkraft als eine geometrische Eigenschaft des Raums ansehen. Ein in einem Gravitationsfeld frei fallender Körper, dessen Eigengravitation vernachlässigbar ist (ein ,,Testteilchen“), spürt in dieser Sichtweise keine (Gravitations-) Kraft, sondern bewegt sich auf einer ausgezeichneten Bahn des Raums. Dessen geometrischen Eigenschaften sind durch das Gravitationsfeld aller Teilchen bestimmt. Die Bahnen sind die zeitartigen Geodäten, da sie in gewissem Sinne Kurven minimaler Länge sind (genauer gesagt Kurven minimaler Eigenzeit) und daher die natürliche Verallgemeinerung der geraden Linie als kürzester Verbindung zweier Punkte darstellen. Kausalität Wird das Ereignis A festgehalten, so bildet die Menge aller zu A lichtartig liegenden Ereignisse den Lichtkegel von A (Abb. 5.9, dessen Inneres in den Vergangenheitslichtkegel – alle Ereignisse, die A beeinflussen können – und den Zukunftslichtkegel – alle Ereignisse, die von A beeinflusst werden können – zerfällt). Die Menge außerhalb des Lichtkegels heisst auch die Gegenwart von A (alle Ereignisse, die in einem geeigneten Inertialsystem mit A gleichzeitig stattfinden). Die Gesamtheit aller Lichtkegel bestimmt also, welche Ereignisse kausal miteinander verbunden sein können (man spricht auch von der Kausalstruktur der Raumzeit). Die Struktur der Lichtkegel spielt etwa bei Schwarzen Löchern eine wichtige Rolle – die Lichtkegel neigen sich bei der Annäherung an den Ereignishorizont immer weiter. Beim Erreichen des Ereignishorizontes neigen sich die Lichtkegel schliesslich so weit, dass der Zukunftslichtkegel auf die zentrale Singularität zeigt: Selbst ein Lichtstrahl kann der Singularität nicht mehr entkommen. Mit anderen Worten: Aufgrund der Neigung der Lichtkegel eines Ereignisses innerhalb oder auf dem Ereignishorizont liegt der Bereich außerhalb des Schwarzen Loches nicht mehr im Zukunftslichtkegel. Daraus folgt unmittelbar, dass kein Lichtsignal und damit auch keine Information aus dem Schwarzen Loch in den Außenbereich gesendet werden kann. Materie ist Krümmung Die Einsteinschen Feldgleichungen oder Einsteins Gleichungen sind eine Reihe von zehn Gleichungen in Einstein’s Theorie der Allgemeinen Relativitätstheorie, die die 5.3 Das Universum in Raum und Zeit 123 Abbildung 5.9: Lichtkegel bestimmen die Kausalität der Raumzeit. fundamentalen Wechselwirkungen der Gravitation als Folge der Raumzeit beschreiben, wobei Materie und jede Form von Energie den Raum krümmt. Die Formulierung beruht auf dem Ricci Tensor der Raumzeit (Abb. 5.10). 5.3.3 Raummodelle und FRW Metrik Die Robertson-Walker-Metrik (auch FRW-Metrik genannt) beschreibt in der relativistischen Kosmologie das Universum als Ganzes. Nach dem Kosmologischen Prinzips muss das Universum eine Raumzeit mit konstanter Krümmung sein. Genau dieser Forderung wird die Robertson-Walker-Metrik gerecht. Die Robertson-WalkerGeometrie bildet den raumzeitlichen Hintergrund der Friedmann-Weltmodelle. Das Kosmologische Prinzip erlaubt nur drei Typen von Raummodellen. Der einfachste Kosmos ist ein normaler Euklidischer dreidimensionaler Raum, der jedoch in allen Richtungen gleich gestreckt wird. R(t) ist der entsprechende Streckungsfaktor. Die entsprechende Raumzeit nimmt dann eine sehr einfache Form an ds2 = −c2 dt2 + R2 (t)(dx2 + dy 2 + dz 2 ) . (5.3) Im Unterschied zur Raumzeit der Speziellen Relativität von 1905 wird nun der dreidimensionale Raum mit der Zeit gestreckt – das Universum expandiert. Der Raum erscheint auch dann noch in allen Punkten isotrop, wenn er eine konstante Krümmung aufweist. Es gibt nun aber nur noch zwei dreidimensionale 124 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums Abbildung 5.10: Einsteinsche Gravitation verknüpft die Krümmung der Raumzeit mit dem Materieinhalt, der durch den Energie–Impuls Tensor beschrieben wird. [Quelle: Bruno Leibundgut] Räume mit konstanter Krümmung: das eine ist die dreidimensionale Kugeloberfläche und das andere eine dreidimensionale Sattelfläche (Abb. 5.11). Die Raumkrümmung wird daher durch einen Krümmungsparameter k ausgedrückt. Dabei gilt • k = +1 für die Kugeloberfläche, • k = 0 für den Euklidischen Raum, • k = −1 für die hyperboloidische Sattelfläche. Diese allgemeine Form der Metrik geht auf Robertson und Walker zurück, die diese Form im Jahre 1935 hergeleitet haben. Sie lieferten zum ersten Male eine mathematisch exakte Herleitung unter Ausnutzung der Symmetrien. In welchem Universum leben wir? Die Krümmung des existierenden Universums ist immer eine Frage der Beobachtung des Materieinhalts bzw. Energieinhalts. Momentan spricht die Beobachtung der kosmischen Hintergrundstrahlung (Ballonexperimente: u.a. BOOMERANG, MAXIMA; Satelliten: COBE seit 1992, WMAP seit 2003, ab 2010 PLANCK) für eine ΛCDM Kosmologie mit einem flachen Universum mit geringer Krümmung. Dies wird häufig als Indiz für ein flaches Universum interpretiert, was leider falsch ist. 5.3 Das Universum in Raum und Zeit 125 Abbildung 5.11: Nach dem Kosmologischen Prinzip kann der Raum in einem expandierenden Universum nur drei Formen haben: eine Kugeloberfläche, ein flacher Euklidischer Raum, oder eine dreidimensionale Sattelfläche. Nur die Kugeloberfläche weist ein endliches Volumen auf. Prinzipiell kann der Parameter k nicht gemessen werden, sondern nur der Krümmungs2 parameter Ωk = −kRH /R02 . 5.3.4 Hubble–Gesetz und Parameter des Universums Der Hubble Parameter H0 ist sicherlich die fundamentale Konstante eines expandierenden Universums. Sie gibt die relative Expansionsgeschwindigkeit zur heutigen Zeit an, H0 = Ṙ/R für t = t0 . Das Universum expandiert mit einer Rate von 74 km/s pro Megaparsec. Für ein Gigaparsec Abstand ist dies schon ein Viertel Lichtgeschwindigkeit, und zwei Punkte des Universums, die 10 Gpc entfernt liegen expandieren mit Überlichtgeschwindigkeit. Auf diesen großen Skalen gilt das ursprüngliche Hubble–Gesetz nicht mehr (Abb. 5.14). Die Expansion des Universums wird durch drei zusätzliche Parameter kontrolliert, einerseits durch die Krümmung des Raumes, ausgedrückt in der Konstanten Ωk , und andererseits durch die Materiedichten ΩM und ΩΛ . In der Physik ist es günstig solche Größen in dimensionsloser Form auszudrücken. Man definiert daher eine sog. kritische Dichte ρc = 3H02 /8πG und normiert die gemessene mittlere Dichte des Universums in Einheiten der kritischen Dichte, ΩM = ρM /ρc . Die fundamentale Längenskala des Universums ist der Hubble–Radius RH = c/H0 . Sein heutiger Wert beträgt 4043 Megaparsec. Wir messen daher auch den 126 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums Abbildung 5.12: Die Metrik der Friedmann–Robertson–Walker Raumzeit eines expandierenden Universums. Neben der Raumkrümmung ist allein der Expansionsfaktor R(t) eine freie Funktion dieses Modells. Abbildung 5.13: Robertson und Walker. 5.3 Das Universum in Raum und Zeit 127 Abbildung 5.14: Die Dichteparameter des Universums und ihre Bestimmung aus dem verallgemeinerten Hubble–Gesetz. S(x) = {sin(x), x, sinh(x)} je nach Weltmodell (k=1, 0, -1). Kümmungsradius des Universums in Einheiten von Hubble–Radien. Das heutige Universum erscheint flach, da der Krümmungsradius R mindestens ein Faktor 10 größer als der Hubble–Radius ist, d.h. es gilt Ωk ≃ 0. Auch die Kosmologische 2 Konstante wird in Einheiten von Hubble–Radien ausgedrückt, ΩΛ = ΛRH /3. Die drei Parameter ΩM , Ωk und ΩΛ sind nicht unabhängig voneinander. In einem Friedmann–Modell gilt ΩM + Ωk + ΩΛ = 1 . (5.4) Damit sind nur zwei dieser Parameter unabhängig, und da die Krümmung durch die Beobachtung stark eingeschränkt ist, ist eigentlich nur ein Parameter unabhängig. 5.3.5 ΛCDM – das Universum mit Dunkler Energie Zum Schluss wollen wir noch eine Klasse von kosmologischen Modellen diskutieren, die das heutige Universum sehr gut beschreiben. Wir haben bei der Diskussion der Einstein–Gleichungen bereits die kosmologische Konstante Λ erwähnt. In der 128 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums Abbildung 5.15: Parameter des Friedmann Modells. Tat war das erste kosmologische Modell, von Einstein 1917 bereits diskutiert,2 eine Lösung mit kosmologischer Konstante. Nach der Entdeckung von Hubble hat Einstein diese Idee wieder aufgegeben. In der vollen Formulierung der Einsteinschen Gleichungen hat die kosmologische Konstante jedoch ihren Platz. Zum besseren Vergleich mit der Materiedichte drückt man Λ durch eine äquivalente Energiedichte aus c2 Λ (5.5) ρΛ = 8πG und schreibt die gesamte Energiedichte als eine Summe der Materiedichte, der Strahlungsdichte und der Vakuumdichte ρ(t) = ρM (t) + ρRad (t) + ρV . (5.6) Dieser Ansatz wird ebenfalls für den Gesamtdruck gemacht P (t) = PM (t) + PRad (t) + PV , PV = wρV c2 (5.7) mit w = −1. Die Energiedichte ρV des Vakuums resultiert in einer Quantenfeldtheorie aus der Grundzustandsenergiedichte der Teilchenfelder. Der entsprechende Druck ist dann i.a. negativ. Ein solcher negativer Druck würde einer repulsiven 2 A.Einstein Kosmologische Betrachtungen zur Allgemeinen Relativitätstheorie, Preuss. Akad. Wiss. Berlin, Sitzber. 142 (1917) 5.3 Das Universum in Raum und Zeit 129 Kraft entsprechen. Die beiden Anteile ρV und ρΛ treten dann immer als Summe in den Friedmann–Gleichungen auf 2 Ḣ ≡ Ṙ R !2 = kc2 8πG (ρM + ρRad + ρV + ρΛ ) − 2 , 3 R (5.8) R̈ 4πG = − (ρM + 6PRad − 2ρV c2 − 2ρΛ c2 ) . (5.9) R 3 Damit sieht man, dass die Kosmologische Konstante und Vakuumenergie einer Zustandsgleichung P = −ρc2 entspricht. Die Summe der beiden Energiedichten darf allerdings die heutige kritische Dichte nicht wesentlich übersteigen. Daraus erhält man einen Grenzwert an die kosmologische Konstante, Λ ≤ 4 × 10−56 cm−2 . Die in der Physik erwarteten Werte sind aber alle zu hoch ρQCD c2 = (0.3 GeV )4 = 1.6 × 1036 erg/cm3 V ρPV lanck c2 = (1018 GeV )4 = 2 × 10110 erg/cm3 . (5.10) (5.11) Eine physikalische Erklärung für einen Wert ρV ≃ ρcrit steht jedoch aus. Zustandsgleichung Dunkler Energie Über die genaue Natur der Dunklen Energie kann derzeit nur spekuliert werden. Die einfachste Lösung ist, einen geeigneten Wert einer kosmologischen Konstanten zu postulieren und als gegebene und grundlegende Eigenschaft des Universums hinzunehmen. Das ist eine sehr unbefriedigende Annahme. Das LCDM Modell Die Lösungen der Friedmann-Gleichung (5.8) müssen die beobachteten Randbedingungen erfüllen, d.h. die heutige Hubble–Konstante und die heutige Materiedichte ρM,0 . Normieren wir den Radius auf seinen heutigen Wert, a(t) = R(t)/R0 , so erhalten wir folgende dimensionslose Gleichung ȧ2 = H02 kc2 ΩM + ΩΛ a2 − 2 . a R0 (5.12) Die Zeit wird in Einheiten der Hubble–Zeit H0−1 gemessen. ΩΛ ist der Dichteparameter des Vakuums. Für t = t0 ergibt sich hieraus die Beziehung 1 = ΩM kc2 + ΩΛ − 2 2 , R0 H 0 (5.13) oder c R0 = H0 s ΩM k . + ΩΛ − 1 (5.14) 130 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums Damit nimmt die Differentialgleichung die Form an ΩM + ΩΛ a2 + 1 − ΩM − ΩΛ . ȧ = (5.15) a Dies entspricht der Bewegungsgleichung eines Teilchens in einem Potential −ΩM /x− ΩΛ x2 mit Energie 1 − ΩM − ΩΛ . Für ΩΛ > 0 hat das Potential ein Maximum, das Potential ist negativ für alle Werte von x, d.h. die Lösungen mit k = 0, −1 expandieren von einer Singularität weg. Bei k = +1 existiert ein kritischer Wert von ΩΛ , so dass ȧ2 = 0 auftritt. Man kann leicht zeigen, dass folgender Ansatz obige Gleichung löst im Falle Ωk = 0, d.h. wenn ΩM + ΩΛ = 1, "s !#2/3 √ ΩM 3 1 − ΩM H0 t a(t) = (5.16) sinh 1 − ΩM 2 2 H02 Die Zeit ist in Einheiten der Hubble–Zeit gegeben. Diese Lösung hängt nur vom Dichteparameter ΩM ab, da ΩΛ durch die verschwindende Krümmung bestimmt ist. Für t ≪ tH , bekommen wir die bekannte Lösung R(t) ∝ t2/3 (sog. Einstein– deSitter Lösung). Für t ≫ tH strebt √ die Lösung gegen ein Vakuum–dominiertes deSitter Universum, R(t) ∝ exp( 1 − ΩM H0 t). In 10 Milliarden Jahren wird der Coma–Haufen sich exponentiell in der Zeit vom Virgo–Haufen entfernen. Die Existenz eines Λ–Terms beeinflußt damit die Geometrie des Universums (Abb. 5.16). Selbst wenn die Materiedichte geringer als die kritische Dichte ausfällt, so kann der Raum immer noch flach bleiben dank einer nicht–verschwindenden kosmologischen Konstante. Eine positive kosmologische Konstante führt zu einer Beschleunigung der Expansion des Universums. Modelle mit der Vakuumzustandsgleichung w = −1 sind in Abb. 5.16 gezeigt. Für den Fall ΩM ≃ 0, 3 geht die Expansion des Universums in eine beschleunigte Phase bei z ≃ 1 über. Abb. 5.17 zeigt die Expansion flacher Weltmodelle mit verschiedenem Materieanteil. Ein höherer Anteil an Vakuum–Energie verlängert das Alter des Universums. 5.3.6 Das Hubble–Diagramm der SN Ia Da die hellsten Galaxien und die Quasare keine geeigneten kosmologischen Standardkerzen darstellen, versucht man es neuerdings mit den Supernovae vom Typ Ia. Seit langem ist bekannt, dass diese Supernovae zur Zeit des Maximums nahezu immer die gleiche absolute Helligkeit im B–Band erreichen. Zudem ist die Breite der Lichtkurve offenbar ein exzellenter Indikator für die intrinsische Leuchtkraft: je langsamer die Helligkeit ansteigt und je breiter die Lichtkurve, desto heller ist die Supernova zur Zeit des Maximums. Verschiedene Gruppen suchen nun nach Supernovae bei Rotverschiebungen imBereich von 0,3 bis 1,0. SN1997ap hat sogar eine Rotverschiebung von 0.83 3 , mit dem Keck–Teleskop konnten dann Spektren bestimmt werden, die diese Supernova als Typ Ia ausweisen (keine Wasserstofflinien). 3 Nature 391, 51 (1998) 5.3 Das Universum in Raum und Zeit 131 Abbildung 5.16: Expansion des Universums mit dominanter Vakuumenergie. Der Übergang zwischen Abbremsung und Beschleunigung erfolgt etwa bei Rotverschiebung z = 1. Unten: Expansion verschiedener Modelle auf die heutige Zeit normiert. Mit zunehmender Vakuum–Energie werden die Modelle immer älter. 132 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums Abbildung 5.17: Expansion flacher Modelle mit verschiedenem Materieanteil. Die Zeitskala ist auf das Alter des Standardmodells normiert (blaue Kurve). Je höher der Vakuum–Energie-Anteil, desto älter wird das Universum. Zusätzlich hat man hier auch den Effekt beobachtet, dass in einem expandierenden Universum entfernte Objekte mit einer niedrigeren Rate altern als nahegelegene. Die Zeitdilatation dehnt die Zeit um den Faktor 1 + z. Abb. 5.18 zeigt ein Hubble–Diagramm aus Beobachtungen der beiden Supernovae–Kosmologie Projekte, mit denen es vielleicht gelingen wird, die Art der Expansion des Universums zu bestimmen. Mit dieser Relation zwischen Rotverschiebung und scheinbarer Helligkeit kann man z.B. die scheinbare Helligkeit einer Galaxie mit MV = −20 (unsere Galaxis) bei einer Rotverschiebung von z = 2 berechnen, mV = 26. Auf tiefen Aufnahmen, die bis zu einer scheinbaren Helligkeit von 28 reichen, sind Galaxien damit heute beobachtbar bis zu Rotverschiebungen von z = 5 (s. HdF und FdF). Als nächstes stellt sich dann die Frage, ob diese Galaxien auch noch räumlich auflösbar sind. 5.4 Das Alter des Universums Wir schreiben die Friedmann–Gleichung (5.8) für den dimensionslosen Expansionsfaktor a(t) ≡ R(t)/R0 = 1/(1 + z) mit a(t0 ) = 1 da = H0 dt s ΩM + ΩΛ a2 + 1 − ΩM − ΩΛ a (5.17) Das Alter des Universums 133 Supernova Cosmology Project Perlmutter et al. (1998) (ΩΜ,ΩΛ) = ( 0, 1 ) (0.5,0.5) (0, 0) ( 1, 0 ) (1, 0) (1.5,–0.5) (2, 0) Flat 24 Λ=0 5.4 effective mB 22 Supernova Cosmology Project 20 18 Calan/Tololo (Hamuy et al, A.J. 1996) 16 14 1.5 1.0 0.5 0.0 -0.5 -1.0 -1.5 standard deviation mag residual (ΩΜ , ΩΛ) = (0, 1) (0.28, 0.72) (0, 0) (0.5, 0.5 ) (0.75, 0.25 ) (1, 6 4 2 0 -2 -4 -6 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 0) 1.0 redshift z www–supernova.LBL.gov Abbildung 5.18: Hubble–Diagramm aus Beobachtungen der Supernovae–Kosmologie Projekte (z > 0.1) und der Kalibrations–SN bei geringer Rotverschiebung (Claln/Tololo). Die ausgezogenen Kurven entsprechen klassischen Friedmann–Universen ohne Vakuum–Energie, die gestrichelten Kurven Universen mit Vakuum–Energie. Nur ein offenes Universum wäre mit diesen Daten verträglich. Dies führte 1998 zum Postulat der Existenz eines Λ–Terms in der Friedmann–Gleichung. [Quelle: Cosmology Supernova Project 1998]. Daraus leiten wir eine Gleichung her für das Alter des Universums t = t(z) als Funktion der Rotverschiebung z, parametrisiert durch H0 , ΩM und ΩΛ . Da dt dt dz da = − da da (1 + z)2 1 dz q = − H0 (1 + z)2 ΩM (1 + z) + ΩΛ /(1 + z)2 + 1 − ΩM − ΩΛ dt = 134 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums Abbildung 5.19: Hubble–Diagramm der Supernovae zeigt die Abweichungen vom lokalen Hubble– Gesetz (rote Gerade). Die durchgezogenen Linien entsprechen verschiedenen Modellen der Expansion. Ein reines Vakuum–Modell (deSitter Modell) kann die Daten nicht fitten. Modelle ohne Vakuumenergie (Einstein–deSitter Modell) können die Daten ebenfalls nicht fitten. Der beste Fit ist ein LCDM–Modell mit dominanter Vakuumenergie. [Daten: Ned Wright 2008] = − dz 1 q ,(5.18) H0 (1 + z) ΩM (1 + z)3 + (1 − ΩM − ΩΛ )(1 + z)2 + ΩΛ finden wir t(z) = Z t 0 dt = 1 Z∞ dz ′ H0 z (1 + z ′ ) E(z ′ ) (5.19) mit E(z) ≡ H(z)/H0 nach Gleichung (5.8). Diese Formel kann leicht numerisch integriert werden. 5.5 Das Konkordanz–Modell der Modernen Kosmologie 135 ΛCDM: Der Spezialfall des inflationären Universums, Ωk = 0, kann weiter vereinfacht werden Z t dz ′ 1 Zz q t(z) = . (5.20) dt = − H0 ∞ (1 + z ′ ) ΩM (1 + z ′ )3 + ΩΛ 0 Durch die Transformation tan θ(z) = s t(z) = 2 √ ΩM (1 + z)3/2 ΩΛ gelingt es, einen analytischen Ausdruck herzuleiten 3H0 " # 1 + cos θ(z) . ln sin θ(z) ΩΛ (5.21) (5.22) Aus der Umkehrung dieser Formel gewinnen wir dann die Lösung R/R0 = R(t)/R0 . Das Alter eines Universums hängt von den beiden Dichteparametern ΩM und ΩΛ ab (Abb. ??). Diese Werte müssen numerisch aus obigem Integral ermittelt werden. Das Empirische Alter des Universums Es gibt mindestens drei Methoden, das Alter des Universums zu ermitteln. • Altersbestimmung über Kugelsternhaufen. • Altersbestimmung mittels chemischer Elemente. • Altersbestimmung über Weiße Zwerge in der Milchstraße. 5.5 Das Konkordanz–Modell der Modernen Kosmologie Da im Friedmann-Universum Ωk = 1−ΩM −ΩΛ bestimmt ist, wird der gegenwärtige Zustand des Universums durch einen Punkt in der (ΩM , ΩΛ )–Ebene charakterisiert. Diese Ebene wird als Fundamentalebene der Kosmologie bezeichnet (Abb. 5.21). Hier kann man insbesondere die Grenze q0 = 0 zwischen beschleunigten und verlangsamten Modellen betrachten und die Diagonale ΩM + ΩΛ = 1, die den Übergang zwischen offenen und geschlossenen Universen markiert (obere Halbebene: geschlossene Modelle, untere Halbebene: offene Weltmodelle). Alle Daten (SN Ia, CMB Anisotropien und Cluster–Daten) deuten heute auf ein Modell mit nicht–verschwindender Vakuumenergie hin. Die WMAP–Daten werden wir später diskutieren. Abb. 5.21 ist ein inzwischen klassisches Diagramm der Kosmologie geworden. Es zeigt die Beiträge der Materiedichte und der Energiedichte der Dunklen Energie (in der Form einer Kosmologischen Konstante) für kosmologischen Modelle, die 136 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums Abbildung 5.20: Oben: Alter des Universums als Funktion der Rotverschiebung z. Die obere Kurve (ausgezogen) entspricht einem ΛCDM–Modell ΩM = 0, 3, ΩΛ = 0, 7, die untere Kurve (gestrichelt) einem klassischen CDM–Modell mit ΩM = 1 (H0 = 65 km/s/Mpc). Unten: Alter des Universums als Funktion der beiden Parameter ΩM und ΩΛ . Die Kontour–Linien entsprechen einem konstanten Alter in Einheiten des Hubble–Alters tH = 1/H0 . In einem flachen Universum wird in der Tat das Hubble–Alter genau für ΩM = 0, 23 erreicht (Zufall). 5.5 Das Konkordanz–Modell der Modernen Kosmologie 137 Abbildung 5.21: Wahrscheinlichkeitsverteilung der kosmologischen Parameter. Fur jede mögliche Kombination wird ein Abgleich mit den Daten (185 Supernovae) berechnet. Die Grauskala zeigt die Wahrscheinlichkeit für diese Zahlenkombination an. Die Wahrscheinlichkeitsbereiche sind mit den roten (66%), grünen (95%) und blauen (99%) Linien angedeutet. Es ist deutlich sichtbar, dass die besten Lösungen einen signifikanten Beitrag der Dunklen Energie verlangen. Ein flaches Universum (mit der Summe ΩM + ΩΛ = 1) ist als rote diagonale Linie eingezeichnet. Die Messungen der Hintergrundsstrahlung bevorzugen ein kosmologisches Modell mit Parametern entlang dieser Linie. Die Punkte bezeichnen spezielle Modelle: das leere Universum (rot), das Einstein-de Sitter Universum, das von Materie dominiert ist (ocker), ein Universum ausschließlich aus Dunkler Energie bestehend (blau) und das Konkordanzmodel (hellblau). Auf jeden Fall ist das klassische CDM Modell (SCDM) ohne Vakuum–Energie, ΩM = 1, ΩΛ = 0, ausgeschlossen. auf Friedmann-Theorien aufbauen. Spezielle Modelle sind hier ebenfalls angegeben. Vor 1998 wurden nur Modelle mit ΩΛ = 0 diskutiert. Dies entspricht den Modellen entlang der horizontalen Linie. Das Einstein-de Sitter Modell hat zusätzlich eine flache Raumgeometrie und ist beim Schnittpunkt der diagonalen roten Linie und der horizontalen schwarzen Linie rechts unten im Diagramm zu finden (ocker Punkt). Kosmologische Modelle mit einer flachen Raumgeometrie liegen entlang der diagonalen roten Linie. In der oberen linken Ecke finden wir Modelle, die keinen Urknall zulassen. In diesem Parameterbereich liefern die Friedmann-Modelle keine konvergenten Lösungen. Die Supernovadaten bevorzugen ein Gebiet, das so- 138 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums wohl weit von einem Materie-dominierten Universum als auch dem Einstein-de Sitter Modell entfernt liegen. Abbildung 5.22: Fundamentalebene der Kosmologie. Einschränkungen aus Supernova–Daten (SNe), CMB und kosmischer Materieverteilung (BAO). Die Konturlinien in Abb. 5.21 entsprechen den 66%, 95% und 99% Wahrscheinlichkeiten für die Modelle. Ein beträchtlicher Beitrag der Kosmologischen Konstante ist in diesem Diagramm sichtbar. Dies war das erste Anzeichen, dass die ursprünglichen Vorstellungen zum kosmologischen Modell falsch waren. Kombiniert mit den Messungen der kosmischen Hintergrundsstrahlung, die ein flaches Model bevorzugen, ergibt sich eine gute Übereinstimmung (Abb. 5.22). Inzwischen hat sich das Modell mit ΩM = ΩDM + ΩB = 0, 28 und ΩΛ = 0, 72 als so genanntes Konkordanz-Modell etabliert (hellblauer Punkt in Abb. 5.21). Weitere unabhängige Messungen von Gravitationslinseneffekten und Massenbestimmungen in Galaxienhaufen unterstützen solche Werte. Der Name Konkordanzmodell ist ein Indiz für die Unzufriedenheit vieler Kosmologen, dass wir die Natur dieses Universums noch nicht verstehen. Das Konkordanzmodell des Jahres 2009 weist folgende Parameter auf 4 4 s. 5 Jahre WMAP 2008: Hinschaw et al. 2009, ApJS 180, 225-245, Tabelle 6 5.5 Das Konkordanz–Modell der Modernen Kosmologie 139 • Hubble–Konstante: H0 = 70, 1 ± 1, 3 km/s/Mpc • Krümmung: Ωk = −0, 0052 ± 0, 0064. • Baryonendichte: ΩB = 0, 0462 ± 0, 0015. • Dunkle Materie: ΩDM = 0, 233 ± 0, 013 • Vakuum Energie: ΩΛ = 0, 721 ± 0, 015 • Alter: t0 = (13, 73 ± 0, 12) Mrd. Jahre • Alter bei Rekombination: tR = (375.938 ± 315) Jahre. Wie lange wird dieses Modell Bestand haben ? Was ist die Dunkle Energie? Alternativen zur Kosmologischen Konstante als Erklärung für die Dunkle Energie beruhen auf dem Zerfall von Teilchenfelder, die die Raum-Zeit mit Energie versorgen, ähnlich zu den Theorien für die Inflation im sehr frühen Universum. Es ist eher unwahrscheinlich, dass ein solches physikalisches Feld, oft mit Quintessence umschrieben, die Expansion antreibt. Weitere Erklärungsversuche beruhen auf der Möglichkeit, dass die Gravitation in höheren als vier Dimensionen wirkt und ein Leck in diesen höheren Dimensionen existiert. Dadurch könnte sozusagen Energie aus anderen Dimensionen in unser vier-dimensionales Universum gepumpt werden. Diese neue Komponente des Universums, was immer die physikalische Erklärung ist, dominiert zurzeit die kosmische Expansion. Sie macht etwa 72% der kritischen Dichte aus. Aus der Nukleosynthese des Urknalls wissen wir, dass nur 4% der Energiedichte des Universums aus Materie besteht, wie wir sie aus unserem Alltag kennen. Die Dunkle Materie macht etwa 23% des Universums aus. Es ist inzwischen zur Aufgabe der Kosmologen geworden, die Stärke der Dunklen Energie zu messen. Supernovae sind dabei immer noch die besten Kandidaten, obwohl auch andere Methoden vorgeschlagen wurden. Nur mit hochpräzisen Messungen der Entfernungen und der Expansionsgeschichte des Universums werden wir erfahren können, was die Zukunft des Universums sein wird. Diese Aufgabe haben sich die Supernovaforscher gestellt. Zurzeit sind mehrere weltweite Projekte im Gange, um diese Eigenschaften besser zu erforschen. Das eine ist das ESSENCE Projekt, das aus dem High-z Supernova Search Team hervorgegangen ist, und das andere der Supernova Legacy Survey (SNLS). Auch Satelliten–Experimente sind geplant. Ist das Universum endlich? Die Frage nach der Endlichkeit des Universums hat die Menschen schon immer beschäftigt. Aufgrund der heutigen Daten kann diese Frage noch nicht entschieden 140 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums werden. Wie bereits erwähnt, ist es nicht möglich, die Krümmung k des Friedmann– Modells zu messen – wir können nur den Krümmungsparameter Ωk messen. Die CMB–Daten implizieren |Ωk | < 0, 01. Dies bedeutet, dass der gegenwärtige Radius des Universums größer als zehn Hubble–Radien ausfällt, R0 > 10RH oder dass k = 0 ist. Gelingt es beispielsweise in der Zukunft, Ωk = −0, 001 zu bestimmen, dann wäre R0 dreissigmal so groß wie der Hubble–Radius (d.h. 120 Gpc!) und das Universum wäre endlich, d.h. geschlossen mit der Topologie einer 3–Sphäre. Aufgrund der Inflationsphase im frühen Universum erwarten wir einen Radius, der viel größer als der Hubble–Radius ist. Den genauen Wert kann die Inflationstheorie nicht vorhersagen. Das Universum erscheint dann zur Zeit flach, da die Inflation das Universum den Radius exponentiell anwachsen liess (Abb. 5.25). Das Universum muss meines Erachtens endlich sein, da ein Euklidisches Universum mit k = 0 unendlich viel Materie bedeutet – und das ist physikalisch nicht gerade sinnvoll. Ist jedoch der Radius R0 ≫ 10RH , dann werden wir auch in Zukunft keine Chance haben, die Endlichkeit des Universums zu messen. Ist das Universum wirklich eine 3–Sphäre? Vor rund 2400 Jahren stellte der griechische Philosoph Platon, der ein Freund geometrischer Figuren war, die These auf, dass das Universum die Form eines Dodekaeders besitzt, eines zwölfseitigen Körpers aus identischen Fünfecken. Ein französisch-amerikanisches Forscherteam glaubt, den Meister aus der Antike bestätigt zu haben: Berechnungen der kosmischen Hintergrundstrahlung ergaben demnach, dass das Weltall die von Platon vorhergesagte Form aufweisen könnte und einen eher bescheidenen Durchmesser von 70 Milliarden Lichtjahren haben könnte. Solche Thesen sind im Augenblick mit Vorsicht zu geniessen und gelten in der Fachwelt als Spekulationen. Die Frage nach der wahren Natur der Topologie des Universums bleibt demnach offen. Der kosmische Jackpot Einstein hat das Problem einmal so formuliert: Hatte Gott eine Wahl, als er unser Universum schuf? Was, wenn er einen anderen Kosmos geschaffen hätte, mit anderen Gesetzen und Naturkonstanten – hätten wir darin leben können, um sein Werk zu bewundern? Unser Universum könnte eines von vielen sein, und jeder Mensch hat Doppelgänger in anderen Welten: Diese Idee trieb lange nur philosophisch inspirierte Außenseiter um. Jetzt gewinnt sie in der Elite der Theoretischen Physik mehr und mehr Verfechter. Damit wird die Kosmologie wieder zur Glaubenssache – und das hatten wir schon mal! Der Physikprofessor Alexander Vilenkin von der Tufts University in Massachusetts stellt nüchtern fest: Mit der Herabstufung der Menschheit auf die vollkommene kosmische Bedeutungslosigkeit ist unser Abstieg vom Mittelpunkt des Universums endgültig vollzogen. Die Vollendung der kopernikanischen Revolution ist ein Gemeinschaftsprojekt, und Vilenkin, ein stiller, schmaler Mann um die 60, ist einer der Projektleiter. 5.6 Frühgeschichte des Universums 141 In den Lehrbüchern der Kosmologie steht zwar die Geschichte vom Urknall, in dem das Universum vor 14 Milliarden Jahren seinen Anfang nahm. Doch das ist vielleicht nur die halbe Wahrheit. Als Vilenkin mit Andrei Linde von der Stanford University die Kraft berechnete, die das Universum nach dem Urknall aufgebläht hatte, gelangten die beiden zu dem Schluss, dass die Aufblähung außerhalb unseres Universums andauern muss. Das aber würde bedeuten: Jenseits unseres Universums bilden sich ständig neue Universen wie Blasen in einem Schaumbad. Pro Blase ein Urknall und damit ein neues Universum. Und weil es so eine unvorstellbare Vielzahl an Universen gibt, argumentiert Vilenkin, existieren in vielen von ihnen auch Lebewesen, Menschen und sogar Doppelgänger von uns. Zugegeben, die Vorstellung vieler Welten ist unglaublich. Unglaublich war aber auch das kopernikanische Weltbild vor 500 Jahren. 150 Jahre später war es eine Selbstverständlichkeit. Heute könnte die Theorie des Multiversums eines der grössten Rätsel der Menschheit lösen: das unserer Existenz. Der Metaphysik sind keine Grenzen gesetzt! Alex Vilenkin, Martin Rees und viele andere propagieren die Theorie des Multiversums. Demnach sind Naturgesetze nicht eindeutig festgelegt. Sie lassen einen gewissen Spielraum. Deshalb gebe es eine Vielzahl von Sub-Universen in einem einzigen Multiversum, spekuliert Martin Rees5 . Unser Urknall wäre nicht der einzige. Neben unserem Universum gibt es unzählige andere. Wir sehen sie nicht, weil sie in einer abgetrennten Raumzeit existieren. Manches Universum lebte vielleicht nur wenige Mikrosekunden. Ein anderes Universum hat vielleicht Sterne hervorgebracht, aber keine Planeten wie die Erde. Und unser eigenes Universum hatte genau die richtigen Naturgesetze, um 14 Milliarden Jahre nach dem Urknall intelligente Menschen hervorzubringen, die sich über den Ursprung des Universums den Kopf zerbrechen. Schon im ersten Jahrhundert vor Christus prophezeite der römische Dichter Lukrez, dass Himmel, Erde und Meer, auch Sonne und Mond in Unzahl vorhanden sind. Im 13. Jahrhundert debattierten Kleriker und Gelehrte die Frage, ob ein christlicher Gott unendlich viele Welten geschaffen haben könne. Immanuel Kant sinnierte ganz selbstverständlich über Welteninseln weit draußen im Kosmos. Seit jeher denken Menschen mit Schaudern und Sehnsucht an fremde Welten. Unsere Zeit könnte die sein, in der sich die Phantasie als Wirklichkeit erweist? 5.6 Frühgeschichte des Universums Der Urknall stellt den Anfangspunkt der Entstehung von Materie und Raumzeit dar. Da die physikalischen Theorien aber die Existenz von Raum, Zeit und Materie voraussetzen, lässt sich der eigentliche Urknall mit ihnen nicht beschreiben. Nach dem Urknall soll in Phasen die heutige physikalische Welt entstanden sein. Bestandteil der Theorie ist auch eine dauerhafte Ausdehnung des Universums. Diese Expansion 5 Martin Rees 2004: Das Rätsel unseres Universums – Hatte Gott eine Wahl?; Verlag C.H. Beck, München 142 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums des Universums, die astronomisch beobachtet werden kann, hat überhaupt erst zur Theorie des Urknalls geführt. Abbildung 5.23: Die Geschichte des Universums. In heutigen Beschleunigern kann die Materie bis zu Energien im TeV–Bereich untersucht werden. Die Physik jenseits dieser Energien bleibt verborgen. Jeder Temperatur T entspricht eine Energie kB T , die in MeV oder GeV angegeben wird. Der LHC wird eine Energie von 7 TeV erreichen. Neben der Expansion kann die Theorie auch das Spektrum der Hintergrundstrahlung des Universums erklären, ebenso die Häufigkeitsverteilung der chemischen Elemente im Weltraum (insbesondere Wasserstoff, Deuterium und die Isotope des Helium). Erklärt wird auch, warum die ältesten Sterne nicht älter als etwa 13 Milliarden Jahre alt zu sein scheinen: Mit astronomischen Beobachtungen hat man das Alter des Universums und somit den Zeitpunkt des Urknalls auf 13,7 Milliarden Jahre eingeschätzt. Die beobachtete Auseinanderbewegung der Galaxien ergibt zurückgerechnet einen Zeitpunkt, an dem diese auf ein enges Raumgebiet konzentriert waren. Zu jener Zeit muss die Temperatur sehr hoch und der Abstand zwischen allen Objekten sehr gering gewesen sein. 5.6 Frühgeschichte des Universums 5.6.1 143 Planck-Ära und Beginn der GUT-Ära Das Universum begann mit einem Zustand, bei dessen Beschreibung die bekannten physikalischen Gesetze versagen. Insbesondere muss man davon ausgehen, dass die Zeit selbst vor der sogenannten Planck-Zeit (etwa 5, 4 × 10−44 s) ihre Eigenschaften als Kontinuum verlor, so dass Aussagen über einen Zeitraum zwischen einem Zeitpunkt Null und 10−44 s physikalisch bedeutungslos sind. In diesem Sinn hatte die Planck-Ära keine Dauer. Entsprechendes gilt für den Raum. Für Räume mit einer Längenausdehnung von Null bis zur Planck-Länge 1, 6 × 10−35 m verliert der Raum seine Eigenschaft als Kontinuum. Daher sind Aussagen über die räumliche Ausdehnung für Räume mit Längenausdehnungen von Null bis 10−35 m sinnlos. In diesem Sinn kann für die Dauer der Planck-Ära keine exakte Angabe zum Volumen des Universums gemacht werden. Für eine Beschreibung des Universums in der Planck-Ära ist eine Theorie der Quantengravitation nötig (z.B. in der Form der sog. Schleifenquantengravitation LQ). Erst nach dem Ende der Planck-Ära wird das Universum der physikalischen Beschreibung nach derzeitigem Kenntnisstand zugänglich. Abbildung 5.24: Die Physiker träumen davon, dass bei sehr hohen Energien alle Wechselwirkungskräfte vereinheitlicht werden. 144 5.6.2 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums Inflationäre Phase Bei einem Alter von 10−36 s sank die Temperatur auf etwa 1027 Kelvin ab, entsprechend einer Energie im Bereich von 1015 GeV. Auf der Grundlage von GUTModellen nimmt man an, dass sich die Starke Wechselwirkung bei dieser Temperatur von der GUT-Kraft abspaltete (Abb. 5.24). Dieser Vorgang ist vergleichbar mit einem Phasenübergang wie dem Kristallisieren von Wasser zu Eis durch Abkühlung. Man geht davon aus, dass diese Abspaltung verzögert eingesetzt hat, so wie es auch bei einem Kristallisationsvorgang möglich ist. Anders als Wasser besitzt ein Eiskristall bestimmte Vorzugsrichtungen, die sich bei der Kristallisation in eine zufällige Richtung orientieren. Dieser Vorgang wird als spontane Symmetriebrechung bezeichnet, in diesem Beispiel die Brechung der Kugelsymmetrie von Wasser. Abbildung 5.25: Kosmische Inflation. In der Inflation werden Skalen im Bereich der Planck–Skala auf 10 cm gestreckt. In der anschliessenden normalen Expansion des Universums erreichen diese Skalen schliesslich kosmisches Ausmass (Gpc). Die bei der verzögerten Abspaltung freigewordene Energie führte zu einer Phase extrem rascher Expansion, der so genannten Inflation, wobei zwischen den Zeitpunkten 10−35 s und 10−33 s eine Ausdehnung um einen Faktor von etwa 1040 stattfand (Abb. 5.25). Diese überlichtschnelle Ausdehnung des Universums steht nicht im Widerspruch zur Relativitätstheorie. Der Bereich, der dem heute beobachtbaren Universum entspricht, hätte dabei der Theorie zufolge von einem Durchmesser, der den eines Protons weit unterschreitet, auf etwa 10 cm expandieren müssen. 5.6 Frühgeschichte des Universums 145 Eine Inflationsphase des Universums kann mehrere kosmologische Beobachtungen erklären, für die man andernfalls kaum eine Erklärung findet • die globale Homogenität des Kosmos (Horizontproblem), • die großräumigen Strukturen im Kosmos wie Galaxien und Galaxienhaufen, • die geringe Krümmung des Raumes (Flachheitsproblem), • die Tatsache, dass keine magnetischen Monopole beobachtet werden. 5.6.3 Quark–Gluonen Plasma und Supersymmetrie Nach der GUT–Phase bestand das Universum aus Quarks und Anti-Quarks, Gluonen, Elektronen und Vektorbosonen der schwachen Wechselwirkung, den Bausteinen der heutigen schweren Teilchen. Die Temperatur war aber so hoch und die Zeiten zwischen zwei Teilchenstössen so kurz, dass sich noch keine stabilen Protonen oder Neutronen bildeten, sondern ein so genanntes Quark-Gluonen-Plasma aus annähernd freien Teilchen entstand. Schwerere Teilchen, wie die sog. X-Bosonen, starben aus, da sie instabil waren und die Temperatur für eine erneute Formierung nicht mehr ausreichte. Abbildung 5.26: Bei hohen Energien könnte die Anzahl Teilchen doppelt so groß ausfallen wie im niederenergetischen Bereich. Jedes Teilchen sollte noch einen supersymmetrischen Partner haben. Nach heutigen Vorstellungen der Physiker sollte das Universum in dieser frühen Phase supersymmetrisch sein. Die Supersymmetrie (SUSY) ist eine Symmetrie 146 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums Abbildung 5.27: Das Neutralino hat geringste Masse und ist stabil. Im Energiebereich von einigen TeV fallen diese Teilchen aus dem Gleichgewicht mit der andern Materie. Sie bilden heute die Dunkle Materie. der Teilchenphysik, die Bosonen und Fermionen ineinander umwandelt. Dabei werden Teilchen, die sich unter einer SUSY-Transformation ineinander umwandeln, Superpartner genannt (sog. sQuarks, Photino, Gluinos, Higgsinos etc.). Aufgrund ihres Potenzials, offene Fragen der Teilchen- und Astrophysik zu beantworten, sind supersymmetrische Theorien insbesondere in der theoretischen Physik sehr populär. Die meisten Großen Vereinheitlichten Theorien (GUT) und Superstringtheorien sind supersymmetrisch. Die minimal mögliche, mit bisherigen Erkenntnissen kompatible Erweiterung des Standardmodells der Teilchenphysik (SM), das Minimale Supersymmetrische Standardmodell (MSSM), ist der meist untersuchte Kandidat für Physik jenseits des Standardmodells. Allerdings konnte trotz vielversprechender theoretischer Argumente bis heute kein experimenteller Nachweis erbracht werden, dass Supersymmetrie tatsächlich in der Natur existiert – insbesondere wurden noch keine Superpartner bekannter Teilchen beobachtet. Das kann sich mit dem LHC am CERN in den nächsten Jahren ändern. Um nicht in Widerspruch zu experimentellen Ergebnissen zu geraten, muss man annehmen, dass Zerfallsprozesse von Superpartnern in Standardmodellteilchen (ohne einen weiteren Superpartner als Zerfallsprodukt) stark unterdrückt oder unmöglich sind (sog. R-Parität). Dadurch ist das leichteste supersymmetrische Partnerteilchen (LSP) praktisch stabil. Da nach aktuellen kosmologischen Modellen in Frühphasen des Universums Teilchen beliebiger Masse erzeugt werden können, stellt ein 5.6 Frühgeschichte des Universums 147 elektrisch neutrales LSP – etwa das leichteste Neutralino – einen Kandidaten als Erklärung für Dunkle Materie dar. Die Supersymmetrie bringt gewaltige Vorteile mit sich. So lassen sich mit ihrer Hilfe die unterschiedlichen Kräfte viel besser zu einer einzigen Kraft vereinen. Diese Urkraft soll kurz nach dem Urknall die einzige Herrscherin über das Universum gewesen sein. Mit der Zeit hat sich das Weltall abgekühlt und dabei sollen aus der einen Urkraft die verschiedenen Erscheinungsformen der uns heute bekannten Kräfte ausgeflockt sein (Abb. 5.24). Um das eine Ur-Prinzip zu finden, scheinen die Physiker damit nahezu genötigt zu werden, den Umweg über eine Verdopplung der Teilchen zu nehmen. Elektroschwacher Phasenübergang Nach 10−12 s war das Universum auf Energien von 100 GeV abgekühlt. Die Elektroschwache Kraft spaltete sich in die Schwache und die elektromagnetische Kraft auf. Damit war der Zerfall der Urkraft in die vier bekannten Grundkräfte abgeschlossen. Nun beginnt die Physik, wie sie heute in Beschleunigern nachgestellt werden kann. 5.6.4 Hadronen– und Leptonen–Ära Nach 10 µsec hat das Universum auf eine Temperatur von etwa 300 MeV abgekühlt. Nun können Quarks nicht mehr als freie Teilchen existieren, sondern vereinigten sich zu Hadronen. Mit abnehmender Temperatur zerfallen die schwereren Hadronen und es blieben schliesslich nur Protonen und Neutronen übrig. Durch ständige Umwandlungen von Protonen in Neutronen und umgekehrt entstand auch eine große Zahl von Neutrinos. Die Leptonen–Ära Nach einer Millisekunde war die Temperatur auf 1012 K gesunken. Aufgrund ihres geringen Massenunterschieds bildete sich dabei ein Verhältnis von Protonen zu Neutronen von 6:1 aus, das für den späteren Heliumanteil im Kosmos von Bedeutung ist. Die Temperatur reichte nun lediglich noch dazu aus, Leptonen-Paare, wie ein Elektron und sein Antiteilchen, das Positron, zu bilden, die damit die dominante Teilchensorte stellten. Für Neutrinos, die kaum mit anderen Teilchen wechselwirken, war die Dichte nun jedoch niedrig genug – sie befanden sich nicht mehr im thermischen Gleichgewicht mit den anderen Teilchen und entkoppelten bei einer Temperatur von 0,8 MeV vom Rest der Materie. Diese Neutrinos bilden heute eine Neutrino-Hintergrundstrahlung, die eine etwas geringere Temperatur als die Mikrowellenhintergrundstrahlung aufweist. Nach einer Sekunde war eine Temperatur von 0,5 MeV erreicht. Dies entspricht der Ruhemasse des Elektrons und Positrons. Jetzt vernichteten sich auch Elektro- 148 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums Abbildung 5.28: Oben: Das Phasendiagramm der Quark–Materie. Oberhalb einer kritischen Temperatur Tc von kB Tc = 150 MeV können Hadronen nicht mehr existieren, Quarks und Gluonen existieren frei im sog. Quark-Gluonen Plasma. Unten: Das Aufbrechen der Nukleonen oberhalb einer Temperatur von 150 MeV. 5.6 Frühgeschichte des Universums 149 nen und Positronen bis auf den Überschuss von einem Milliardstel an Elektronen. Damit war die Bildung der Bausteine der Materie, aus der sich der Kosmos auch heute noch zusammensetzt, weitgehend abgeschlossen. 5.6.5 Primordiale Nukleosynthese Nach 10 Sekunden, bei Temperaturen unterhalb von einer Milliarde Kelvin, vereinigten sich Protonen und Neutronen durch Kernfusion zu ersten Atomkernen. Diesen Prozess bezeichnet man als primordiale Nukleosynthese. Dabei bildeten sich 25% Helium-4 (4He) und 0,001% Deuterium, sowie Spuren von Helium-3 (3He), Lithium und Beryllium. Die restlichen 75% stellten Protonen, die späteren Wasserstoffatomkerne. Nach 5 Minuten hatte die Dichte der Materie soweit abgenommen, dass die Nukleosynthese zum Erliegen kam. Die übriggebliebenen freien Neutronen zerfielen im Verlauf der nächsten Minuten in Protonen und Elektronen. Abbildung 5.29: Primordiale Nukleosynthese. Innerhalb von fünf Minuten erfolgt der Aufbau der leichten Elemente sehr schnell. Danach zerfallen die restlichen Neutronen auf der Halbwertszeit von 10,6 Minuten. Alle schwereren Elemente entstanden erst später im Inneren von Sternen. Der Grund liegt im sog. Tripel-alpha Prozess zur Fusion von Kohlenstoff. Zwei Heliumkerne vereinigen sich zu Beryllium, das aber leider instabil ist, so dass es nicht gelingt, über einen dritten Heliumkern Kohlenstoff zu bilden. Zu jener Zeit war die Temperatur immer noch so hoch, dass die Materie als Plasma vorlag, einem 150 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums Gemisch aus freien Atomkernen, Protonen und Elektronen bei einer Temperaturstrahlung im Röntgenbereich. Ende der Strahlungs-Ära und Beginn der Materie-Ära Bisher stellten Photonen und Neutrinos den Hauptanteil der Energiedichte im Kosmos. Bei Strahlung nimmt zusätzlich zum Abfallen der Anzahldichte der Photonen (in Folge der Expansion des Raumes) die Wellenlänge der einzelnen Photonen durch die kosmologische Rotverschiebung zu. Dadurch sinkt die Energiedichte der Strahlung schneller als die der nicht–relativistischen Materie, die von der Ruhemassendichte bestimmt wird und im wesentlichen unabhängig von der Temperatur ist. Zu einem Zeitpunkt von etwa 10.000 Jahren nach dem Urknall fällt die Energiedichte der Strahlung unter die der Materie, die von nun an die Dynamik des Universums bestimmt. Man spricht von der materiedominierten Ära. 5.6.6 Entkopplung der Hintergrundstrahlung In der Anfangsphase stand die Strahlung in permanenter Wechselwirkung mit den freien Ladungen. Das Universum war daher undurchsichtig. Nach ca. 400.000 Jahren war die Temperatur auf etwa 3000 K gefallen. Nun bilden Atomkerne und Elektronen stabile Atome (sog. Rekombination). Die Wechselwirkung von Photonen mit neutralen Atomen war gering, so dass die Photonen sich nun weitgehend ungehindert ausbreiten konnten. Das Universum wurde durchsichtig. Im Verlauf der weiteren Expansion nahm die Wellenlänge der abgekoppelten Hintergrundstrahlung durch die Ausdehnung des Raumes zu, was sich in der Rotverschiebung ihres Spektrums zeigt. Diese Hintergrundstrahlung ist heute messbar; sie entspricht einer Temperatur von 2,725 K und wird daher auch als 3-Kelvin-Strahlung bezeichnet (auch CMB für Cosmic Microwave Background). Die Entdeckung dieser Strahlung durch Penzias und Wilsom im Jahre 1965 bedeutete einen wichtigen Eckpfeiler für die Richtigkeit des eben vorgestellte Urknall– Modells des Universums. 5.6.7 Die Dunkle Ära des Universums Durch die Entkopplung der Strahlung geriet die Materie nun stärker unter den Einfluss der Gravitation. Ausgehend von räumlichen Dichteschwankungen, die bereits in der inflationären Phase durch Quantenfluktuationen entstanden sind, bildeten sich nach 1 Million Jahren großräumige Strukturen im Kosmos. Dabei begann die Materie in den Raumgebieten mit höherer Massedichte als Folge gravitativer Instabilität zu kollabieren und Masseansammlungen zu bilden. Es bildeten sich zuerst sogenannte Dunkle Halos aus Dunkler Materie, die als Gravitationssenken wirkten, in denen sich später die für uns sichtbare Materie sammelte. 5.7 Die Kosmische Hintergrundstrahlung CMB 151 Abbildung 5.30: Von Rekombination zu Reionisation. Mittels Simulationen kann man den Prozess der Strukturbildung auf dem Computer nachbilden. Dabei wurden verschiedene Szenarien durchgespielt, und einige konnten mit Hilfe solcher Simulationen als gänzlich unrealistisch ausgeschlossen werden. Am realistischsten erscheinen heute sogenannte LCDM Szenarien, wobei das L für die Kosmologische Konstante der Einstein-Gleichungen steht, und CDM für kalte Dunkle Materie (engl. cold dark matter). Die Art dieser Teilchen wird in Zukunft am LHC des CERN untersucht werden. Falls sie dort nicht gefunden werden, ist dieses Modell der Strukturbildung in großer Not. Die ersten Sterne bildeten sich wahrscheinlich schon bei einer Rotverschiebung etwa 30 (Abb. 5.31). Die ersten Galaxien bilden sich etwa 2 Milliarden Jahre nach dem Urknall. 5.7 Die Kosmische Hintergrundstrahlung CMB Das Vorhandensein der Kosmischen Hintergrundstrahlung als Folge des Urknalls und der anschliessenden Ausdehnung des Universums wurde bereits in den 1940er Jahren von Vertretern der Urknall-Theorie vorhergesagt. Die Mikrowellenstrahlung mit einer Temperatur von gerade einmal 2,7 Grad Kelvin über dem absoluten 152 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums Abbildung 5.31: Die kosmische Sternentstehungsrate als Funktion der Zeit. Die ersten Galaxien bilden sich etwa 2 Milliarden Jahre nach dem Urknall. Nullpunkt ist an sich aufgrund ihres Vorhandenseins schon interessant genug. Noch wichtiger ist die Tatsache, dass die Temperatur dieser Hintergrundstrahlung nicht überall exakt gleich ist. Erstmals zeigten sich auf den Aufnahmen des WMAPVorgängers COBE winzige, nur wenige Millionstel Grad Kelvin kleine Temperaturunterschiede, die jedoch von großer Bedeutung sind. Mit diesen kaum messbaren Temperaturfluktuationen (oder auch Anisotropien) korrelieren erste Materieverdichtungen und -ausdünnungen, frühe Anzeichen späterer kosmischer Strukturen. So weisen Punkte mit etwas höheren Temperaturwerten auf Materieverdichtungen hin, die im Laufe der weiteren Entwicklung durch ihre geringfügig höhere Gravitation zunehmend mehr Materie in sich vereinigten und somit Keimzellen der späteren Galaxien und Galaxienhaufen waren. Die Intensität dieser Fluktuationen ist darüber hinaus auch ein wichtiger Indikator, der Rückschlüsse auf die Zusammensetzung und Dichte der kosmischen Materie zulässt und damit gleichzeitig auch auf die weitere Entwicklung des Weltalls. Denn von der kosmischen Materie- bzw. Energiedichte hängt es ab, ob sich das Universum in ferner Zukunft aufgrund der Gravitation wieder zusammenziehen oder aber bis in alle Ewigkeit ausdehnen wird. 5.7.1 Die Entdeckung Die Mikrowellenhintergrundstrahlung wurde in den 1940ern von George Gamow, Ralph Alpher und Robert Hermann als Folge eines Urknalls vorhergesagt. Die 5.7 Die Kosmische Hintergrundstrahlung CMB 153 Entdeckung erfolgte aber zufällig 1964 durch Arno Penzias und Robert Woodrow Wilson beim Test einer neuen empfindlichen Antenne, die für Experimente mit künstlichen Erdsatelliten gebaut worden war. Penzias und Wilson erhielten für diese Entdeckung den Physiknobelpreis 1978. 1964 entdeckten Penzias und Wilson einen Exzess in der Radiostrahlung bei einer Wellenlänge von 7,35 cm, der eine Schwarzkörpertemperatur von 2,5 – 4 K ergab. Seit der Publikation dieser Entdeckung wird diese Strahlung als kosmische Hintergrundstrahlung (CMB) interpretiert, die aus einem heißen Big–Bang zurückgeblieben ist. Seit dieser Entdeckung haben viele Gruppen versucht, das Spektrum der Hintergrundstrahlung genauer zu vermessen. Der COBE–Satellit hat in kurzer Zeit das schönste Schwarzkörperspektrum gemessen (Abb. 5.32), und damit bestehen keine Zweifel mehr an der kosmologischen Interpretation. 5.7.2 Planck–Spektrum Die Kosmische Hintergrundstrahlung hat das Spektrum eines perfekten Schwarzen Körpers (Abb. 5.32) Iν = Bν (T ) = 2hν 3 1 . 2 c exp(hν/kB T ) − 1 (5.23) In der Rayleigh–Jeans Näherung ist der Strahlungsfluss einfach proportional zur Temperatur, Bν (T ) = (2ν 2 /c2 ) kB T . Man beachte die Dimension der Strahlungsintensität Iν : Energie pro Fläche pro Zeit pro Hertz und pro Steradian, oder in astronomischen Einheiten: Jansky (Jy) pro Steradian.6 Die Energiedichte in einem Planck–Spektrum beträgt dann 4 π 2 kB . 15 h3 c3 Die Anzahl Photonen ergibt sich zu ργ c2 = aT 4 nγ = ζ(3) , a= 2 (kB T )3 π 2 (2πh̄c)3 , ζ(3) = 1, 20206 . (5.24) (5.25) Für eine Temepratur von 2,7 K ergeben sich nγ = 500 cm−3 , ργ = 3 × 10−34 g cm−3 . (5.26) Die Energiedichte des kosmischen Hintergrundes ist deshalb nicht wichtig im Vergleich zur Materie in Galaxien, die Photonendichte dominiert jedoch die baryonische Dichte bei weitem nγ ≃ 109±1 . (5.27) nB Diese enorme Photonendichte im Vergleich zur Baryonendichte ist ein großes Problem für kosmologische Theorien. nγ /nB = O(1) wäre ein natürlicher Wert. 61 Jy = 10−26 Watt m−2 Hz−1 . 154 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums Abbildung 5.32: Penzias und Wilson entdeckten 1964 zum ersten Male Radioemission von der kosmischen Hintergrundstrahlung mittels einer einfachen Hornantenne bei einer Wellenlänge von 7,35 cm (oben). Die Kosmische Hintergrundstrahlung hat ein perfektes Schwarzkörperspektrum mit einer Temperatur von 2,728 K. Während Radioteleskope nur den Rayleigh–Jeans Ast messen konnten, hat COBE auch den Wienschen Abfall erfasst (unten). [Quelle: WMAP] 5.7 Die Kosmische Hintergrundstrahlung CMB 5.7.3 155 Anisotropien in der Hintergrundstrahlung Am 30. Juni 2001 wurde von der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA die Raumsonde WMAP (= Wilkinson Microwave Anisotropy Probe) gestartet, die eine neue Karte der Kosmischen Hintergrundstrahlung mit einer Auflösung von 0,3 Bogengrad erstellen sollte. Die Sonde ist in der Lage, Temperaturunterschiede von nur 20 Millionstel Grad Kelvin zu registrieren. Nach dem Start kreiste die Raumsonde zunächst einige Male um die Erde, bevor sie mit einem so genannten Swingby-Manöver die Schwerkraft des Mondes ausnutzte, um ihre Geschwindigkeit zu erhöhen und den Weg zu ihrer Beobachtungsposition anzutreten. Das Ziel der Reise war der in etwa 1,5 Millionen Kilometer Entfernung von der Erde gelegene Lagrange-Punkt L2, eine quasi-stabile Position in der Sonne entgegengesetzter Richtung. WMAP ist die erste Raumsonde, die um diese Position in einem semistabilen Orbit kreist (d.h. es sind regelmässige Korrekturmanöver erforderlich, um den Orbit um diesen Punkt zu halten). Durch die Positionierung der Raumsonde an diesem sonnenabgewandten Punkt blicken die Messinstrumente von WMAP ständig in die entgegengesetzte Richtung von Sonne, Erde und Mond, was einen kontinuierlichen, ungestörten Blick in den Weltraum garantiert. Abbildung 5.33: Der von der NASA 2001 gestartete Satellit WMAP zur Erforschung der kosmischen Hintergrundstrahlung. [Quelle: NASA] Am 1. Oktober 2001 erreichte WMAP schliesslich die geplante Beobachtungsposition und begann mit der Kartierung der Kosmischen Hintergrundstrahlung. Die Beobachtungszeit ist auf vier Jahre veranschlagt, die Anfang 2003 veröffentlichte erste kosmische Himmelskarte von WMAP (Abb. 5.38) wurde quasi zur Halbzeit während eines einjährigen Umlaufs der Raumsonde um die Sonne aufgenommen. Die Resultate nach drei Jahren wurden 2006 veröffentlicht, die Resultate nach fünf 156 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums Jahren im Jahre 2009. Abbildung 5.34: Der von der NASA 2001 gestartete Satellit WMAP auf der Reise zum Lagrange– Punkt L2. [Quelle: NASA] Die von WMAP gelieferten und Anfang Februar 2003 in Form einer kosmischen Himmelskarte präsentierten Daten stellen eine Aufnahme der Mikrowellenstrahlung dar, die rund 380.000 Jahre nach dem Urknall entstanden ist. Dabei handelt es sich um die erste Strahlung, die frei durch das entstehende Universum flutete. Noch weiter zurück in unsere Vergangenheit zu schauen wird niemals möglich sein, denn vorher war die kosmische Materie des jungen Weltalls derartig dicht gepackt, dass die vorhandene Strahlung ständig damit wechselwirkte (über Comptonstreuung). 5.7.4 Dopplerbewegung Die Hintergrundstrahlung stellt ein fast ideales isotropes Medium dar. Jede Bewegung gegenüber diesem Medium (Äther) wirkt sich in einer Rot– oder Blauverschiebung der Temperatur aus (Dopplerverschiebung) v 1 ≃ T0 1 + cos θ , (5.28) T (θ) = T0 γ(1 − (v/c) cos θ) c wenn die Erde sich mit einer Geschwindigkeit v unter dem Winkel θ gegenüber dem Medium bewegt. γ ist der Lorentzfaktor der Bewegung. Dies erzeugt eine sog. Dipolanisotropie in der gemessenen Temperaturverteilung. Die Erdbewegung erzeugt eine Schwankung von vE = 361 km/s mit ∆T /T = 10−3 , und die galaktische Bewegung ergibt vG = (500 ± 75) km/s in der Richtung α = (11.3 ± 0.1)h und δ = (4 ± 2)◦ . Diese galaktische Bewegung hat eine Komponente in Richtung des Virgo–Haufens, die auf einen Einfall mit einer Geschwindigkeit von VInfall = 5.7 Die Kosmische Hintergrundstrahlung CMB 157 Abbildung 5.35: Die vom Satelliten–Experiment WMAP in 5 Jahren gemessenen Temperaturfluktuationen (in µKelvin) der Hintergrundstradstrahlung an den Himmel projiziert. [Quelle: WMAP]. (220 ± 50) km/s hindeutet. Diese Einfallgeschwindigkeit muss z.B. bei der Radialgeschwindigkeitsmessung an Virgo–Galaxien berücksichtigt werden. Die Galaxien des Virgo–Haufens bewegen sich im Mittel mit VVirgo = 950 km/s gegenüber der Lokalen Gruppe, was sich zu einer Gesamtgeschwindigkeit gegenüber des kosmischen Hintegrundes von VCMB = (1170 ± 61) km/s addiert. 5.7.5 Temperatur–Anisotropien Diese Anisotropien in der Hintegrundstrahlung betragen alle ∆T /T ≃ 10−3 . Mit COBE ist es 1992 tatsächlich gelungen, noch geringere Anisotropien in der Hintergrundstrahlung aufzuspüren (Messungen bei 30, 53 und 90 GHz). Durch differentielle Messung der Temperatur konnten Fluktuationen nachgewiesen werden von ∆T /T ≃ 10−5 bei Winkelabständen von 7◦ − 60◦ . Solche Fluktuationen hat man lange gesucht, da ihre Existenz mit den großräumigen Strukturen des Universums zusammenhängt. Da diese Fluktuationen nicht von der Frequenz abhängen, sind sie nicht galaktischen Ursprungs. Diese Temperaturfluktuationen an der Himmelssphäre können in sphärische Harmonische entwickelt werden ∆T = X ℓ,m aℓm Yℓm (θ, φ) . (5.29) 158 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums Abbildung 5.36: In der Abgeschiedenheit der chilenischen Atacama-Wüste suchen Astronomen nach den Anfängen der Welt. Mit Hilfe des Cosmic Background Imagers (CBI) nahmen Forscher nun das detaillierteste Bild der kosmischen Hintergrundstrahlung auf. Zum ersten Mal konnten Saatkörner beobachtet werden, aus denen einmal Galaxienhaufen entstehen werden. Die Abstände zwischen den Temperatur-Patches betragen typischerweise 40 Bogenminuten. Dies ist genau die Skala, auf der in WMAP die akustischen Oszillationen sichtbar sind. Die Koeffizienten aℓm erhalten wir aus der Analyse der Temperaturfluktuation ∆T (~n) in Richtung ~n am Himmel aℓm = Z dΩ ∆T (~n) Y ∗m n) . ℓ (~ (5.30) Wenn diese Fluktuationen einem Gauss’schen Prozess entsprechen, dann ist das Leistungsspektrum der Fluktuationen allein durch Koeffizienten Cℓ bestimmt < a∗ℓm aℓ′ m′ >= δℓℓ′ δmm′ Cℓ . (5.31) Schätzwerte folgen aus einer Mittelung der gemessenen aℓm Cℓ = ℓ X 1 |aℓm |2 . 2ℓ + 1 m=−ℓ (5.32) 5.7 Die Kosmische Hintergrundstrahlung CMB 159 Angular Scale [Degrees] 100 50 20 10 5 2 1 0.5 0.2 0.1 0.05 n=1 H=50 CDM+10%B [ ( +1)C /2π ]1/2 [µK] 100 70 50 COBE FIRS TEN IAC HACME SP ARGO IAB QMAP BOOM-LDB BOOM-NA CAT OVRO WD Viper SuZIE BIMA MAX MAXIMA Pyth Pyth V MSAM SK TOCO97 TOCO98 30 20 1 2 5 10 20 50 100 eff 1000 5000 Ned Wright - 9 May 2000 Abbildung 5.37: Das Leistungsspektrum der gemessenen Temperaturfluktuationen der Hintergrundstrahlung als Funktion der Multipole ℓ, bzw. des Winkelabstandes vor WMAP. Am obern Rand der Abbildung zeigen wir den Bereich der Winkelauflösung an. COBE hatte eine Winkelauflösung von nur 7 Grad. Ballonexperimente (Boomerang, Maxima) können die Multipolanteile bis zu l ≃ 1000 bestimmen. Die ausgezogene Kurve deutet die Erwartungen in einem sog. CDM–Modell an, nach dem die stärksten Fluktuationen auf einem Winkelbereich von knapp einem Grad zu erwarten sind. Auf noch kleineren Winkelskalen fallen die Temperaturfluktuationen schnell ab. Diese Amplituden Cℓ liefern eine vollständige statistische Beschreibung der Temperaturanisotropien, die traditionsgemäss dargestellt werden als (Abb. 5.38) ℓ(ℓ + 1) ∆2T = Cℓ . (5.33) 2π Die Korrelationsfunktion der Temperaturfluktuationen ergibt sich aus den Cℓ ’s zu 1 X Cℓ Pℓ (µ) , (5.34) C(θ) =< ∆T (~n) ∆T (~n′ ) >= 4π ℓ zum Winkel µ = cos θ = ~n · ~n′ . Pℓ sind die Legendre–Polynome. Der Multipol ℓ entspricht dabei einer Winkelskala θ = 180◦ /ℓ . (5.35) ◦ Da COBE eine Winkelauflösung von nur 7 hatte, konnte COBE nur über das Leistungsspektrum im Bereich ℓ ≤ 20 etwas aussagen. In diesem Bereich ist (Abb. 5.37) ℓ(ℓ + 1) Cℓ /T02 ≃ 2 × 10−10 ≃ const , ℓ ≤ 20 , (5.36) −5 entsprechend einer mittleren Temperaturfluktuation ∆T /T ≃ 10 . Dies ist das sog. Sachs–Wolfe Plateau im Fluktuationsspektrum. 160 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums Abbildung 5.38: Die vom Satelliten–Experiment WMAP gemessenen Temperaturfluktuationen der Hintergrundstrahlung als Funktion des Winkelabstandes nach fünfjähriger Mission. Man beachte, wie die Fehlerbalken im Vergleich zu Abb. 5.37 geschrumpft sind. WMAP kann das Fluktuationsspektrum nur bis ℓ ≃ 800 bestimmen. Einige andere Experimente wie Boomerang, Acbar, CBI und VSA setzen die Winkelauflösung zu höheren ℓ’s fort, haben aber größere statistische Fehler, da sie nur einen kleinen Teil des Himmels abscannen. 5.7.6 Die Mission Planck Das Projekt Planck wurde 1996 begründet und entstand in Zusammenarbeit von 40 europäischen und 10 amerikanischen Instituten mit der ESA. Das 1921 kg schwere Planck-Teleskop (Abb. 5.40) wurde zusammen mit dem Infrarotteleskop Herschel durch eine Ariane 5 ECA in den Weltraum gebracht. Der Start erfolgte nach mehrmaliger Verschiebung am 14. Mai 2009 um 13:12 Uhr UTC von Kourou aus. Nach dem Brennschluss der Oberstufe wurden der Planck-Satellit um 13:40 UTC wenige Minuten nach dem Herschel-Teleskop auf einer hochelliptischen Erdumlaufbahn zwischen 270 und 1.197.080 km Höhe, die 5,99 Grad zum Äquator geneigt ist, ausgesetzt, von der aus er mit einem kleinen Bahnmanöver seine Lissajous-Bahn um den Lagrange-Punkt L2 des Erde-Sonne-Systems erreichte. Nachdem die Instrumente kalibriert worden waren, fing das Teleskop am 13. August 2009 mit der regelmässigen Beobachtung an. Erste Tests zeigen hervorragende Ergebnisse und der sich nun anschliessende Routinebetrieb soll mindestens 15 Monate dauern. Die erste vollständige Aufnahme des Himmels soll nach ca. 6 Monaten fertiggestellt sein, um jedoch die volle Genauigkeit zu erreichen wird eine langwierige Nachbe- 5.7 Die Kosmische Hintergrundstrahlung CMB 161 arbeitung nötig sein. Die ESA rechnet daher mit der Veröffentlichung der fertigen Daten gegen Ende 2012. Abbildung 5.39: Der Planck Satellit der ESA wird die Hintergrundstrahlung noch genauer vermessen. Das Projekt eines Satelliten zur genauen Untersuchung der kosmischen Hintergrundstrahlung wurde von der ESA ursprünglich unter dem Namen COBRAS/SAMBA evaluiert und später zu Ehren Max Plancks umbenannt. Planck soll bis zur Erschöpfung des Kühlmittels etwa 21 Monate arbeiten. Zur Vereinfachung der Unterdrückung störender Emissionen von Sonne, Erde, und Mond fliegt der Satellit in einer LissajousBahn um den Lagrange-Punkt L2 des Erde-Sonne-Systems. Er soll dort Temperaturfluktuationen der Hintergrundstrahlung im Bereich von einem Millionstel Grad messen. Ziel von Planck ist eine Kartierung der kosmischen Hintergrundstrahlung bei Frequenzen zwischen 25 und 1000 GHz. Die Winkelauflösung von Planck wird mit etwa 5 Bogenminuten wesentlich besser sein als bei den vergleichbaren früheren Projekten COBE und WMAP. Gleichzeitig werden Beobachtungen der Vordergrundstrahlung der Milchstraße und von Galaxien gewonnen. Planck besteht aus einem 1,5 m x 2,0 m großen parabolischen Empfangsantenne als primäres Empfangsinstrument. Ein 1,1 x 1,5 m Sekundärspiegel wirft die empfangene Strahlung dann auf die Empfänger unterhalb der Fokalebene. Die 162 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums Abbildung 5.40: Hier ist ein zusammengesetztes Bild aus den First-Light-Aufnahmen in den neun verschiedenen Frequenzbändern Plancks: Deutlich zu sehen ist ein Teil der Milchstraße. Jeder Ausschnitt zeigt die Strahlung unterschiedlicher physikalischer Prozesse und liefert so einen Einblick in die Physik der Milchstraße, der bisher zum Teil so nicht möglich war. [Copyright: ESA, LFI & HFI Consortia (Planck)] Empfänger werden gekühlt. Hinter einem Solarzellen-Array zur Stromversorgung befindet sich der Satellitenbus und danach getrennt durch mehrere V-Förmigen Blenden die Antenne. Diese Anordnung kühlt die Antenne auf 50 K herab. Die Empfänger selbst werden aktiv weiter abgekühlt auf 20 bis 0,2 K. Planck wiegt beim Start 1921 kg, ist 4,2 m hoch und ebenfalls einen maximalen Durchmesser von 4,20 m. Er enthält 256 kg Hydrazin, um die Bahn um den L2-Librationspunkt zu korrigieren, aber auch das Blickfeld der Teleskope zyklisch anzupassen. Dazu dienen 12 Triebwerke mit 20 N Schub und 4 kleinere Triebwerke mit lediglich 1 N Schub. 205 kg der Startmasse entfallen auf das Teleskop und die Instrumente. Der Spie- 5.7 Die Kosmische Hintergrundstrahlung CMB 163 gel besteht aus kohlefaserverstärktem Kunststoff und hat eine Oberflächengenauigkeit von 5 Mikrometern - Damit wäre er auch ausreichend plan, um im visuellen Sichtbereich Beobachten durchzuführen. Der nur 28 kg schwere Spiegel ist mit Aluminium überzogen und reflektiert 99,5 % der einfallenden Strahlung. Ein Schutzschild umgibt ihn, um Streulicht auszublenden. Der Spiegel selbst hat während des Betriebs nur eine Temperatur von 40 K, beim Start allerdings eine von 300 K. Dies waren sehr große Anforderungen an das Material, genauso wie die Vibrationen beim Start. Die Gesamtkosten von Planck belaufen sich auf rund 700 Millionen Euro. Wie wird Planck die Strahlung des gesamten Himmels messen? Dank eines glücklichen Zufalls der Natur liegt das Maximum des Schwarzkörperspektrums des CMB nahe einem Minimum der kombinierten Mikrowellenemissi- Abbildung 5.41: Räumliche Fluktuationen der Intensität des CMB in Abhängigkeit von der Frequenz, verglichen mit den Fluktuationen der Intensität anderer Quellen von Mikrowellenstrahlung. Die Emission des galaktischen interstellaren Staubs, Synchrotronstrahlung freier Elektronen und Freifrei–Strahlung sind nach Messungen der Raumsonde WMAP gezeigt. Die Stärke der Fluktuationen im CMB und in den galaktischen Emissionen hängt von dem betrachteten Winkelabstand ab, sie sind hier für ein Grad Abstand berechnet. Bei kleinen Winkeln dominieren die extragalaktischen Quellen. Das Minimum der diffusen Vordergrundemission und damit das am wenigsten gestörte Fenster auf die Fluktuationen des CMB liegen bei 70 GHz. Die grauen Balken zeigen die 9 Frequenzbereiche an, in denen Planck messen wird. on unserer Galaxis und extragalaktischer Quellen (Abb. 5.41). Im Frequenzintervall zwischen 70 und 100 Gigahertz (Wellenlänge 3 bis 4 Millimeter) werden die Signale, die wir vom Mikrowellenhimmel abseits der galaktischen Ebene empfangen, von 164 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums den alten CMB-Photonen dominiert. Aber selbst in diesem durchsichtigsten aller Fenster tragen galaktische und extragalaktische Quellen Vordergrundstrahlung auf dem Niveau einiger Prozent zu den kosmischen Photonen bei. Um diese astrophysikalische Verunreinigung zu erkennen und zu beseitigen, werden CMB-Experimente so ausgelegt, dass sie bei mehreren Wellenlängen messen, um nicht-kosmologische Komponenten anhand ihres abweichenden Energiespektrums aufzuspüren. Im Falle von Planck erfordert die angestrebte Empfindlichkeit eine hochgenaue Vermessung der Vordergrundquellen, und dies wiederum erfordert, dass die Messungen innerhalb eines breiten Wellenlängenbereichs erfolgen. Simulationen haben gezeigt, dass die wissenschaftlichen Ziele der Planck-Mission mit neun Beobachtungsbändern erreicht werden können, die Wellenlängen im Bereich zwischen einem Zentimeter und einem Drittel Millimeter überdecken (entsprechend Frequenzen zwischen 30 und 850 GHz). Dies ist eine der wesentlichen Anforderung an die Instrumente der Mission. Um Anisotropien der Temperatur und Polarisation des CMB und ihre statistischen Eigenschaften mit einer Genauigkeit zu erfassen, welche die der früheren Experimente (insbesondere WMAP) erheblich übertrifft, waren für Planck große Fortschritte auf vielen technischen Gebieten notwendig.7 5.8 Kosmoklimatologie Der Mensch lebt nicht isoliert im Kosmos. Neben der täglichen Bestrahlung durch die Sonne ist es vor allem der Einfluss der kosmischen Strahlung auf die Wolkenbildung in der Atmosphäre der Erde. Vor 11 Jahren veröffentlichten Svensmark und Friis-Christensen in dem Artikel Variation of cosmic-ray flux and global cloud coverage a missing link in solar-climate relationships (Journal of Atmospheric & Solar-Terrestrial Physics, 59, 1225 – 1232) eine bedeutsame Entdeckung: Vergleicht man die durch Satelliten gemessene Variation der Wolkenbedeckung der Erde mit der Variation der auf die Erde eintreffenden galaktischen kosmischen Strahlung, so erkennt man, dass beide Variationen synchron verlaufen; eine Zunahme der galaktischen kosmischen Strahlung korreliert mit einer verstärkten Wolkenbildung. Diese Beobachtung war die Initialzündung für eine intensive Beschäftigung der Forschergruppe um den Physiker und Direktor des Centre for Sun-Climate Research am Danish National Space Center (DNSC) Hendrik Svensmark mit den Zusamenhängen zwischen kosmischer Strahlung und dem Klima. Das neue Forschungsgebiet nannten Svensmark et al. Kosmoklimatologie im Sinne der Untersuchung der Auswirkung astrophysikalischer Faktoren (vornehmlich kosmischer Strahlung) auf das Erdklima. Die galaktische kosmische Strahlung ist eine spezielle Art der kosmischen Strahlung, die durch eine geringe Teilchenflussdichte bei gleichzeitig hoher Energie (ca. 1 GeV) charakterisiert ist. Die Quellen der galaktischen kosmischen Strahlung sind Schockfronten 7 s. Jan Tauber, Marco Bersanelli & Jean–Michel Lamarre: Die Planck–Mission, SuW 2008/2. 5.8 Kosmoklimatologie 165 von Supernovaexplosionen, kosmische Jets von Pulsaren oder schwarzen Löchern. Abbildung 5.42: Korrelation zwischen Wolkenbedeckung (niedrige Wolken) und galaktischer kosmischer Strahlung für die Zeitdauer von 1982 bis 2006. Der Verlauf der kosmischen Strahlung ist invertiert dargestellt. [Grafik: Svensmark, H. (2007). Cosmoclimatology: a new theory emerges. Astronomy & Geophysics, 2007, 48 (1), 1.18-1.1.24] Die jahrelangen Forschungen von Svensmark et al. erbrachten folgende neue Erkenntnisse: • Der Einfluss der Variation der Sonnenaktivität (ersichtlich z.B. anhand der Anzahl der Sonnenflecken) auf das Erdklima bzw. auf die Variation der Wolkenbedeckung der Erde ist groß , wird aber durch den noch stärkeren Einfluss der galaktischen kosmischen Strahlung (die durch die Sonnenaktivität moduliert wird) auf das Klima übertroffen (Svensmark, H. (1998). Phys. Rev. Let., 81, 5027-5030). • Die Variation der Wolkenbedeckung der Erde korreliert für hoch (höher als 6,5 km) und mittel hoch (3,2 - 6,5 km) gelegene Wolken nur schwach mit der Variation galaktischer kosmischer Strahlung. Jedoch ist eine hohe Korrelation zwischen niedrigen Wolken (niedriger als 3,2 km) und kosmischer Strahlung zu verzeichnen (Marsh, N. & Svensmark, H. (2000). Phys. Rev. Let., 85, 50045007). 2005 präsentierten Svensmark et al. einen Erklärungsansatz, wie eine verstärkte Einstrahlung von galaktischer kosmischer Strahlung auf der Erde zu einer gesteigerten Wolkenbedeckung führt: Die in der galaktischen kosmischen Strahlung 166 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums enthaltenen hochenergetischen Elektronen katalysieren die Bildung von Clustern aus Schwefelwasserstoff und Wasser, die als Kristallisationkeime für die Bildung von Wolken wirken. Dieser Mechanismus konnte im Labor experimentell bestätigt werden (SKY-Experiment in Kopenhagen). Abbildung 5.43: Korrelation zwischen kosmischer Strahlung und Wasseroberflächentemperatur während des Passierens der Arme der Galaxie.[Grafik: Svensmark, H. (2007)]. Die Bedeckung der Erde mit niedrig angesiedelten Wolken (niedriger als 3,2 km) ist ein zentraler Faktor für das Erdklima. Die durch die (sonnenmodulierte) galaktische kosmische Strahlung verursachte Variation der Wolkenbedeckung in einem ca. 11 Jahres Zyklus beträgt ca. 2%, was einer Variation von 1,2 W/m2 entspricht. Dieser Wert ist ähnlich dem Wert von 1,4 W/m2 , welcher das IPCC für die Folge des Treibhauseffektes (verursacht durch Treibhausgase) veranschlagt. Die Sonnenaktivität korreliert invers mit der auf der Erde eintreffenden kosmischen Strahlung. Dies ist dadurch begründet, dass eine verstärkte Sonnenaktivität zu einer Verstärkung des interplanetaren Magnetfeldes führt, das die Erde von den kosmischen Strahlen abschirmt. Eine verstärkte Wolkenbedeckung führt, je nach Untergrund (vereist oder nicht vereist) zu einem unterschiedlichen Effekt auf das Klima: Nicht vereiste Landmassen haben eine kleinere Albedo (Quotienten aus reflektierter zu einfallender Licht- 5.8 Kosmoklimatologie 167 menge) als die Oberfläche der Wolken, sodass mehr Sonnenlicht an den Wolken reflektiert wird und somit weniger die Erde erreicht. Die Folge: eine Abkühlung des lokalen Klimas. Anders schaut es bei vereisten Landmassen aus. Hier ist die Albedo des Eises bzw. des Schnees höher als die Albedo der Wolken. Somit führt eine stärkere Wolkenbedeckung zu einer geringeren Rückstreuung der einfallenden Sonnenstrahlung durch das Eis bzw. den Schnee. Die Folge: eine Erwärmung des lokalen Klimas. Die bis heute rekonstruierte Erdklimageschichte der letzten 550 Millionen Jahre weist vier Klimaperioden verringerter Temperatur (Eiszeiten) im zeitlichen Abstand von ca. 140 Mio Jahren auf. Beginn und Dauer der Eiszeiten korreliert mit dem Passieren des Sonnensystems durch die Arme unserer Spiralgalaxie (Milchstraße): Abbildung 5.44: Korrelation zwischen kosmischer Strahlung und Galaktischer Position während des Passierens der Arme der Galaxis. • Silur-Ordovizisches Eiszeitalter (Anden-Sahara-Eiszeit, 460-430 Mio Jahre): Perseus-Arm • Permo-Karbonisches Eiszeitalter (Karoo-Eiszeit, 360-260 Mio. Jahre): NormaArm • Eiszeit Jura/frühe Kreide (200-130 Mio. Jahre): Scutum-Centaurus Arm 168 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums • Eiszeit spätes Miozän/Pleistozän (20 Mio. Jahre bis heute): Sagittarius Arm, Orion-Arm. Befindet sich das Sonnensystem in einem Spiralarm (Abb. 5.44), so ist die Einstrahlung der galaktischen kosmischen Strahlung erhöht, da in einem Spiralarm eine größere Anzahl an Sternen vorliegt als außerhalb. Dies führt zu einer verstärkten Wolkenbildung und damit zu einer Klimaänderung (Abkühlung eisfreier Landmassen, Erwärmung eisbedeckter Landmassen). Die Erkenntnisse von Svensmark et al. geben einen Einblick in die Rolle der galaktischen kosmischen Strahlung hinsichtlich des Erdklimas. Während die Bewegung unsereres Sonnensystems durch unsere Galaxis massgeblich für die Eiszeiten verantwortlich ist, so bewirken die Variationen der Erdbahngeometrie (Ekliptik, Exzentrizität, Präzession) die klimatischen Änderungen während einer Eiszeit (Warmund Kaltzeiten) bzw. der zwischen den Eiszeiten liegenden Intervalle. Darüber hinaus spielen noch weitere Faktoren eine Rolle, vermutlich etwa das Vorbeifliegen eines Himmelskörpers an unserem Planeten. Untersuchungen zu Svensmark Thesen finden unter anderem im Rahmen eines 2009 bei CERN gestarteten Beschleunigerprojekts namens CLOUD (Cosmics Leaving OUtdoor Droplets) und des dänischen SKY Projekts statt. 5.9 Zusammenfassung Die moderne Kosmologie beruht auf den Vorstellungen Einsteins. Das Universum ist ein vierdimensionales Gebilde bestehend aus Zeit und Raum. Der Raum expandiert; dies erklärt das Hubble–Gesetz. Der Raum erscheint uns flach, da das Universum eine inflationäre Epoche durchlaufen hat. Die Expansion kosmologischer Modelle ist durch die Friedmann–Gleichung bestimmt, die im wesentlichen im Standard–Modell von 4 Parametern abhängt: Hubble– Konstante H0 , Krümmungsparameter Ωk , Materiedichte ΩM und dem Vakuum– Parameter ΩΛ . Wenn die Zustandsgleichung Dunkler Energie von der Zeit, d.h. der Rotverschiebung z abhängt, dann ist w(z) ebenfalls zu bestimmen. Tests kosmologischer Modelle sind über mehrere Größen möglich: • Leuchtkraftdistanz und Hubble–Diagramme (Supernovae Ia) dz ′ 0 H(z ′ ) • Winkeldistanz und Winkeldurchmesser kosmischer Objekte dL (z) = c(1 + z) Z z Z z c dz ′ dA (z) = (1 + z) 0 H(z ′ ) • Abbremsparameter q(z) = H ′ (z) (1 + z) − 1 H(z) (5.37) (5.38) (5.39) 5.9 Zusammenfassung 169 • Die Bestimmung der Zustandsgleichung w der Dunklen Energie ist eine wichtige Aufgabe der Kosmologie der Zukunft. • Alter des Universums t(z) = Z z 0 dz ′ (1 + z ′ )H(z ′ ) (5.40) • Volumen–Test (comoving volume) dVC = (1 + z)3 d2A (z) dΩ c dz (1 + z)H(z) (5.41) • Optische Tiefe gegen Elektronstreuung τ (zreion ) = Z zreion 0 ne (z) σT c dz . (1 + z)H(z) (5.42) Abbildung 5.45: Was haben wir in 2000 Jahren gelernt? Das Wissen über unseren Kosmos hat sich in den letzten 100 Jahren schrittweise entwickelt: • 1912: Der amerikanische Astronom Vesto Slipher stellte zum ersten Male eine Rotverschiebung in den Spektren bestimmter Nebel fest (Galaxien). Ähnliche Beobachtungen wurden später auch von Carl Wilhelm Wirtz gemacht. 170 5 Die zeitliche Entwicklung des Universums • 1915: Albert Einstein publizierte die Allgemeine Relativitätstheorie und begründete damit die theoretische Basis für ein expandierendes Weltall. Er war jedoch zunächst von einem statischen Universum überzeugt und fügte daher in die Feldgleichungen dieser Theorie eine kosmologische Konstante ein, die zu einer entsprechenden statischen Lösung führte. • 1922: Alexander Friedmann berechnete die Lösungen der Einsteinschen Feldgleichungen ohne kosmologische Konstante und entdeckte, dass sie einem Kosmos entsprachen, der entweder ausgehend von einem Anfangspunkt ewig expandiert, zu einem Endpunkt hin kollabiert oder sowohl einen Anfangs- als auch einen Endpunkt hat. • 1923: Edwin Hubble wies nach, dass sich der Andromedanebel weit außerhalb der Milchstraße befindet. Er beendete damit die Große Debatte um die Natur der Spiralnebel. • 1927-1933: Der Priester und Astronom Abbe Georges Lemaitre entwickelte eine erste Form einer Urknalltheorie, bei der das Universum mit einem einzigen Teilchen beginnt, das er Uratom nannte. • 1929: Edwin Hubble entdeckte, dass die Rotverschiebung der Galaxien proportional zu deren Entfernung wächst: Er fand damit das später nach ihm benannte Hubble–Gesetz. Hubble erklärte diesen Befund durch den Dopplereffekt als Folge einer Expansion des Universums. Diese Interpretation war falsch. • 1948: George Gamow, Ralph A. Alpher und Robert C. Herman entwickelten eine Theorie von der Entstehung des Kosmos aus einem heissen Anfangszustand. Fred Hoyle, Thomas Gold und Hermann Bondi entwickelten als Alternative die Theorie eines stationären Universums (sog. Steady–State Modell), dessen Expansion überall von einer ständigen Entstehung neuer Materie begleitet ist, derart, dass die Dichte und die Struktur des Universums unverändert bleiben. Die Theorie von Gamow und Herman setzte sich im Laufe der folgenden Jahre durch. • 1965: Arno Penzias und Robert Woodrow Wilson entdeckten zufälligerweise die kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung. Damit hatten die Anhänger der Urknalltheorie endgültig gewonnen und die Stead–State Theorie ad absurdum geführt. • 1981: Alan Guth schlug zur Beantwortung einiger kosmologischer Probleme eine Phase sehr schneller Expansion in der Frühphase des Universums vor. Die Theorie des inflationären Universums wurde später vom russischen Physiker Andrei Linde und anderen weiter entwickelt. • 1986: Valerie de Lapparent, Margaret Geller und John Huchra entdeckten in der CfA–Durchmusterung die Anordnung von Galaxienhaufen in wandartigen 5.9 Zusammenfassung 171 Strukturen (sog. Große Mauer), die wiederum großskalige blasenartige Leerräume umschliessen. • 1990er Jahre: Neue Entwicklungen in der Technologie von Teleskopen und Satelliten wie COBE (Cosmic Background Explorer) gestatteten eine präzisere Bestimmung von kosmologischen Parametern. • 1997: Supernovae Daten liefern erste Hinweise auf ein beschleunigt expandierendes Universum. Der Begriff der Dunklen Energie wurde bereits 1998 von Michael Turner geprägt. • 2001: Der Satellit WMAP der NASA wurde gestartet und vermisst die räumliche und spektrale Verteilung der kosmischen Hintergrundstrahlung mit bisher nicht dagewesener Präzision (räumliche Auflösung von 14 Bogenminuten). Damit lassen sich, unter Berücksichtigung weiterer Messungen, mehrere fundamentale kosmologische Größen mit bisher unerreichter Genauigkeit berechnen. Die Ergenisse der 5–jährigen Messreihe wurden 2009 publiziert. • 2009: Der Start des Planck–Satelliten der ESA zur Erforschung der Mikrowellenstrahlung erfolgte nach mehrmaliger Verschiebung am 14. Mai 2009 um 13:12 Uhr UTC von Kourou aus. Planck kann Temperaturfluktuationen bis zu einem Mikro–Kelvin messen und hat eine räumliche Auflösung von etwa 5 Bogenminuten. • 2010: Die ersten Ergebnisse von Herschel werden erwartet. • 2012: Die ersten Ergebnisse von Planck werden publiziert. Literaturverzeichnis [1] Martin Bojowald 2009: Zurück vor den Urknall: Die ganze Geschichte des Universums. S. Fischer Verlag Frankfurt [2] Ulrich Ellwanger 2008: Vom Universum zu den Elementarteilchen: Eine erste Einführung in die Kosmologie und die fundamentalen Wechselwirkungen. Springer–Verlag, Berlin [3] Günther Hasinger 2009: Das Schicksal des Universums: Eine Reise vom Anfang zum Ende. Goldmann Taschenbuch [4] Bruno Leibundgut 2005: Helle Sterne im dunklen Universum – Kosmologie mit Supernovae vom Typ Ia. Sterne und Weltraum 5/2005 [5] Andrew Liddle 2009: Einführung in die moderne Kosmologie. Wiley– VCH GmbH Weinheim (Taschenbuch) [6] Heinz Oberhummer 2008: Kann das alles Zufall sein? – Geheimnisvolles Universum; Ecowin Verlag [7] Alex Vilenkin 2008: Kosmische Doppelgänger: Wie es zum Urknall kam - Wie unzählige Universen entstehen. Springer–Verlag, 279 S. 6 Nachlese – das Kosmische Vergessen Die Geschichte des Universums begann mit dem Urknall vor 13,7 Milliarden Jahren. Während der anfänglichen Expansion entstanden die elementaren Bausteine der heute bekannten Materieformen. Später setzten Strukturbildungen ein, die zur Formierung der großen Objekte wie Sterne, Sternhaufen, Galaxien und Galaxienhaufen führten. Zur Zeit entstehen neue Sterne im intergalaktischen Gas, alte Sterne werden in Supernovaexplosionen zerrissen oder durch riesige Schwarze Löcher verschluckt; die Expansion des Universums wird durch die rätselhafte Dunkle Materie angetrieben. Auf den Erkenntnissen der Naturwissenschaften aufbauend, kann man über die ferne Zukunft unseres Universums und die Möglichkeit von Paralleluniversen spekulieren. Wohl kein Wissensbereich hat sich im vergangenen Jahrhundert durch Beobachtungen und intellektuelle Fortschritte stärker gewandelt als die Kosmologie. Doch kann sich die Wissenschaft auch in Zukunft darauf verlassen, dass ihr Bestand an empirischem Wissen stets weiterwächst? Zumindest auf kosmischen Zeitskalen wird dies möglicherweise nicht der Fall sein. Denn unsere jüngsten Forschungsarbeiten deuten darauf hin, dass wir vielleicht in der einzigen kosmischen Ära leben, in der Wissenschaftler zum Verständnis der wahren Natur des Kosmos gelangen können. Erst vor einem Jahrzehnt machten zwei astronomische Forschungsgruppen unabhängig voneinander die bahnbrechende Entdeckung der Dunklen Energie. Epochale Entdeckungen brauchen, außer einem genialen und besessenen Wissenschaftler, auch die sorgfältige, oft Jahrzehnte oder Jahrhunderte dauernde Vorbereitung des Umfelds in Form von gesicherten Fakten und erprobten Techniken. Die Zeit muss reif sein – aber auch hinsichtlich der Gesellschaft, die bereit sein muss, das Neue kritisch, aber auch ohne Vorurteile zu betrachten und zu wägen. Nur, wenn all dies zutrifft, wird etwas Unerhörtes, das alle gewohnten Horizonte sprengt, sofort in seiner Bedeutung erkannt und gewürdigt. Die Geschichte der Wissenschaft – und insbesondere der Astronomie und Kosmologie – zeigt aber, dass es sehr oft anders war, mit der besonderen Ausnahme der Allgemeinen Relativitätstheorie, bei der die Beobachtung der Lichtablenkung während der Sonnenfinsternis von 1919 durch Sir Arthur Eddington den bislang unbekannten theoretischen Physiker Albert Einstein über Nacht zum ersten (und bislang einzigen) Weltstar der Wissenschaft machte. Nikolaus von Kues, Nicolaus Copernicus, Giordano Bruno, Galileo Galilei und viele andere hingegen waren mit ihren Ideen weit ihrer Zeit voraus und hatten keine Chance, Gehör zu finden. 176 6 Nachlese – das Kosmische Vergessen Edwin Hubble war genial, besessen von der Astronomie – und die Zeit war in der Mitte der zwanziger Jahre in jeder Beziehung reif: Die Astronomie hatte eine unglaubliche Fülle von Fakten zusammengetragen, nicht zuletzt in Harvard. Mit dem HRD war ein mächtiges Ordnungsprinzip im Sternenpuzzle gefunden worden. Die Entdeckung der Gesetzmässigkeiten der Cepheiden hatte das Universum weit geöffnet. Mit Hilfe von Spektralanalyse und Dopplereffekt hatte man Temperatur und Geschwindigkeit abertausender von Sternen messen können. Schließlich fand Hubble auf dem Mount Wilson Observatorium in Kalifornien das 1917 fertiggestellte, damals weltweit größte 100-Zoll-Spiegelteleskop vor, das den lebenslangen Bemühungen von George E. Hale und dem Mäzenatentum von Hales Vater und der Carnegie-Stiftung zu verdanken war. Mit diesem konkurrenzlosen Teleskop konnte Hubble als erster Astronom tief in die Abgründe des Universums schauen. Dabei stellte er fest, dass die Spektren der nach und nach entdeckten Galaxien eine Verschiebung zu größeren Wellenlängen, d.h. eine Rotverschiebung z zeigten, die umso größer ausfiel, je weiter die Galaxie entfernt war. Mehr noch, zwischen Entfernung und beobachteter Rotverschiebung z schien eine streng lineare Beziehung vorzuliegen: doppelter Abstand einer Galaxie bedeutete gleichzeitig auch doppelte Rotverschiebung. Die Deutung der universellen Rotverschiebung als kosmische Expansion, die notwendigerweise zu einem Anfang von allem führte, wurde keineswegs sofort von der Gemeinde aller Astronomen mit Begeisterung aufgenommen. Zu lange war man mit einer Welt vertraut gewesen, innerhalb derer es zwar Werden und Vergehen gibt, die selbst aber als Ganzes beständig und ewig ist, als dass man diese vertraute Vorstellung für die eine Beobachtung Hubbles preisgegeben hätte – zumal deren Deutung ja keineswegs sonnenklar war. Friedmann und Lemaitre, Hubbles Zeitgenossen, hatten zwar das Fundament für die theoretische Beschreibung eines nicht-stationären Universums gelegt, als sie aus Einsteins Feldgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie unter Einschluss des kosmologischen Prinzips eine Gleichung für die Änderung des kosmischen Skalenfaktors in Abhängigkeit von der Massendichte des Universums ableiten konnten. Aber ihre Gleichung wurde, bis weit in die sechziger Jahre hinein, nur als eine unter vielen möglichen Beschreibungen des Weltganzen angesehen, als Spielgeld eher denn als die wirkliche Währung der Kosmologie. Als Einstein durch Hubbles Entdeckung erfuhr, dass das Universum sehr wahrscheinlich nicht stationär ist, nannte er die Einführung von Λ in seine Feldgleichungen die größte Eselei meines Lebens. Seit 1998 scheinen sich aber die Anzeichen immer mehr zu verdichten, dass es – entgegen Einsteins Verdikt – eine kosmologische Konstante, die der Gravitation entgegenwirkt, vielleicht doch gibt. Wie soll und wird es weitergehen mit diesen im Wortsinn himmelsstürmenden neuen Entdeckungen und Entwicklungen der Kosmologie? Wird die Dunkle Energie bleiben oder in zwanzig Jahren so zu Grabe getragen werden wie 1998 das alte Standardmodell ohne Kosmologische Konstante? Werden die Physiker sich auf 177 Dauer damit zufrieden geben, wenn Dunkle Materie und Dunkle Energie nur Postulate kosmologischer Modelle bleiben und niemals direkt nachgewiesen werden sollten? Über all dies werden künftige, immer besser werdende Beobachtungen entscheiden. Wie wir von Sir Karl Popper gelernt haben, sind bestätigte Beobachtungen und Experimente die ausschließlichen Gesetzgeber der Naturwissenschaft, während Theorien zwar unendlich wichtig sind, aber niemals endgültig verifiziert, wohl aber falsifiziert werden können. Und auf dem Gebiet der Kosmologie, die in alle Abgründe der Welt, aber auch des Intellekts und der Seele reicht, wird es eine Menge zu tun geben, mit Untergrunddetektoren, Teleskopen und Satelliten: Genauere Messungen des heutigen und früheren Hubbleparameters und dessen zeitlicher Änderung, q0 ; kritische Diskussion der SN Ia–Eichkerzen und Suche nach neuen Eichkerzen für noch größere kosmische Entfernungen; hochaufgelöste Beobachtungen der 3K Hintergrundstrahlung, ihrer Autokorrelation und ihrer Polarisation; Vordringen in extreme Bereiche der Rotverschiebung z > 2, 3, ...; präzisere Altersbestimmungen mit Kugelsternhaufen. Vor allem aber wird ein Physikerpaar Dr. Sherlock Holmes und Dr. Watson gesucht, das endlich die Dunkle Materie sieht und dem Rätsel der Dunklen Energie experimentell auf die Schliche kommt, damit dieser Teil der Kosmologie kein Warten auf Godot bleibt. Zur letzteren Hypothese passt es aber sehr gut, dass der für 2012 geplante Start des JDEM–Satelliten (sog. Joint Dark Energy Mission von NASA und Department of Energy (DOE)) erst auf unbekannte Zeit verschoben wurde (Start vor 2020!), da man zuerst einen Astronauten auf den Mars bringen muss. Vielleicht ginge ja diese Mars-Mission viel einfacher mit Dunkler Energie! Es scheint, als werde die physikalische Kosmologie zumindest am Beginn unseres Jahrhunderts beherrscht sein von der Diskussion über die Dunkle Materie, die kosmologische Konstante, die Quintessenz und die damit verbundenen Berge von Rätseln. Ob diese Begriffe aber Wegmarken zum ultimativen Verständnis des Universums oder eher bedrohliche Geister aus einer kosmischen Büchse der Pandora sind, ist im Augenblick völlig offen. Dies wird sich erst klären, wenn Dunkle Materie, Dunkle Energie und all das andere ihre Realität durch direkte Beobachtungen, Experimente, oder durch aus ihnen abgeleitete und verifizierte Vorhersagen bewiesen haben werden. Solange dies nicht gelingt, werden sie erst einmal virtuelle Konstrukte bleiben. Dies alles geht weit über unseren Verstand. Und wir spüren, dass das staunenerregende Kompendium, das uns die Kosmologie der Neuzeit geschenkt hat, vieles, was wir auch erklärt haben wollten, nicht enthält: Wieso gibt es diese unsere Welt? Woher kommen ihre Gesetze? Wären auch andere möglich? Was ist eigentlich Raum und Zeit? Was war vor dem Urknall und was ist außerhalb des Raums? Was bedeutet Universum noch, wenn es davon unzählige andere geben mag, außerhalb unseres Horizonts? Das Universum in Zahlen Grösse Symbol Wert Lichtgeschwidnigkeit Newtonsche Gravitationskonstante Plancksches Wirkungsquantum Boltzmann Konstante Astronomische Einheit 1 Parsec 1 Kiloparsec 1 Megaparsec 1 Gigaparsec Sonnenmasse Sonnenradius Sonnenleuchtkraft Schwarzschildradius der Sonne c G h̄ kB AE pc kpc Mpc Gpc M⊙ R⊙ L⊙ RS = 2GM⊙ /c2 299.792.458 m/s 6, 6742 × 10−11 m3 /kg/s2 1, 054571628 × 10−34 J s 1, 3806504 × 10−23 J/K 149.597.870,660 km 206.265 AE = 2,6 Lichtjahre 1000 Parsec 1 Mio. Parsec 1 Mia. Parsec 1, 98844 × 1030 kg 696.100 km 3, 846 × 1026 W 2,95 km Planck Masse Planck Länge Planck Zeit Planck Temperatur p MP = h̄c/G LP = h̄/MP c tP = LP /c TP = MP c2 /kB 1, 2209 × 1019 GeV = 1, 31 × 1019 mu 1, 616 × 10−35 m 5, 39 × 10−44 s 1, 42 × 1032 K Hubble Konstante Hubble Radius Hubble Zeit Kritische Dichte Gesamte Materiedichte Baryonische Materiedichte Kosmische Vakuumdichte Krümmung des Universums Temperatur der Hintergrundstrahlung H0 RH = c/H0 1/H0 ρc = 3H02 /8πG ΩM ΩB ΩΛ 2 Ωk = −kRH /R02 T0 (74, 2 ± 3, 2) km/s/Mpc 4043 Mpc 14,0 Mrd. Jahre 5, 2 × 1011 M⊙ Mpc−3 0, 266 ± 0, 04 0, 0444 ± 0, 0044 0, 72 ± 0, 02 −0, 01 ± 0, 01 (2, 725 ± 0, 001) K Glossar: Astronomische Begriffe der Kosmologie Absolute Helligkeit: Mass für die Gesamtenergie, die ein Stern oder eine Galaxie pro Zeiteinheit aussendet. Sie ist definiert als die scheinbare Helligkeit, die ein Stern in einer Entfernung von 10 Parsec haben würde. Es gilt: M = m + 5 − 5 log(d), wobei m = scheinbare Helligkeit, d = Entfernung des Sterns in Parsec. Beispiel: Die absolute Helligkeit der Sonne ist: +4.8 mag. AE: (engl.: AU) Abkürzung für Astronomische Einheit. Entfernungsangabe für Objekte im Sonnensystem. 1 AE = mittlere Entfernung Erde-Sonne = 149,597870 Millionen km. Angström: Längeneinheit zur Messung der Wellenlänge des Lichts und anderer elektromagnetischer Schwingungen. Sie entspricht 0,1 nm. Sichtbares Licht liegt zwischen 3900 Å (violett) und 7500 Å (rot). Aphel: Fernster Punkt der Umlaufbahn eines Planeten oder anderen Körpers von der Sonne. Der Punkt des geringsten Abstands wird als Perihel bezeichnet. Aphel: Das Atacama Cosmology Telescope ACT ist ein Radioteleskop zur Untersuchung des kosmischen Mikrowellenhintergrunds. ACT ist ein 6-m-Teleskop in einer Höhe von 5148 m auf dem Cerro Toco in der Atacama-Wüste in Nordchile. Teleskop und Instrumentierung sind ausgelegt für Untersuchungen der Anisotropien des kosmischen Mikrowellenhintergrunds und für die Entdeckung von Galaxienhaufen durch ihre vom Sunyaev-Zeldovich-Effekt bewirkte lokale Veränderung des Mikrowellenhintergrunds auf Skalen von Bogenminuten. Das Teleskop ging im Juni 2007 in Betrieb. Das Hauptinstrument, eine Bolometerkamera mit neuartigen supraleitenden Sensoren für drei Frequenzen 145 GHz, 220 GHz und 280 GHz, wurde inzwischen installiert. Auflösungsvermögen oder Auflösung: 182 Glossar: Astronomische Begriffe der Kosmologie Mass für die Sehschärfe eines Teleskops. Das Auflösungsvermögen gibt den Winkel an, unter dem zwei nahe am Himmel beieinander stehende Sterne gerade noch mit dem Teleskop getrennt werden können. Angegeben wird das Auflösungsvermögen in der Regel in Bogensekunden. Das Auflösungsvermögen unter Idealbedingungen, das sog. theoretische Auflösungsvermögen eines Teleskops kann nach folgender Formel ausgerechnet werden: λ = 0, 14′′ /D[m] . (1) D Das theoretische Auflösungsvermögen eines Fernrohres hängt also nicht von der Vergrößerung, sondern von dem Durchmesser der Optik ab: je größer das Teleskop, desto höher ist das Auflösungsvermögen. In der Praxis wird das theoretische Auflösungsvermögen jedoch nur selten erreicht (Luftunruhe, Abbildungsfehler der Teleskopoptik etc.). Außerdem spielt noch die Wellenlänge des verwendeten Lichts eine Rolle: je länger die Wellenlänge, desto geringer die Auflösung. Aus diesem grund haben Radioteleskope ein geringeres Auflösungsvermögen als optische Teleskope. θ = 1, 22 Balkenspirale: Besondere Form einer Spiralgalaxie, bei der zwei Spiralarme von einen zentralen Kern zunächst radial nach aussen verlaufen (sog. Balken), dann meist scharf abknicken. Baryonen: Gruppe von schweren Elementarteilchen, zu der die Nukleonen (Protonen, Neutronen) und deren Antiteilchen sowie den Hyperonen (Lambda-, Sigma-, Xi-, und Omega-Teilchen) und deren Antiteilchen gehören. Die Baryonenzahl ist die Gesamtzahl der in einem System vorhandenen Baryonen minus Anti-Baryonen. Baryonische Akustische Oszillationen (BAO): Baryonische akustische Oszillationen (BAOs) sind Schallwellen, die sich im frühen Universum durch das Wechselspiel von Gravitation, Strahlungsdruck und Baryonen ausbilden. Ihre Auswirkungen sind heute im Anisotropiespektrum der kosmischen Hintergrundstrahlung und in der Verteilung der Galaxien beobachtbar. Ihre genaue Vermessung spielt eine wichtige Rolle in der modernen Kosmologie. Die Materie des Kosmos besteht aus Dunkler Materie, aus Baryonische Materie und aus Photonen und Neutrinos. Nach der Inflation ist die Materie nicht absolut homogen verteilt, es gibt geringe Saatfluktuationen. Die baryonische Materie beginnt zu oszillieren. Durch Gravitation wird die baryonische Materie in Gebieten mit höherer Dichte von Dunkler Materie hineingezogen (sog. Dunkle Halos). Bei zunehmender Dichte der Baryonen steigt dann der Photonendruck und bewirkt eine Abnahme der Baryonendichte. Der Mechanismus bricht zusammen bei der Entkopplung von Strahlung und baryonischer Materie, die baryonische Materie unterliegt nur noch der Gravitation, die Photonen speichern die Information, in Form der Temperatur. 183 Das war ca. 380.000 Jahre nach dem Urknall. Bulge: Im Zentrum von Spiralgalaxien vorkommende Anschwellung (sog. Bauch) der Sternverteilung, die morphologisch einer elliptischen Galaxie gleicht. CCD: Elektronischer Detektor zur Bildaufzeichnung (engl. Charge coupled devices = ladungsgekoppelte Bauelemente), das mit Halbleitertechnik arbeitet. Es besitzt weit höhere Empfindlichkeit als eine herkömmliche photographische Platte. Ersetzt heute in allen Zweigen der astronomischen Forschung die Photoplatte. Cepheide: Wichtiger Typ eines Veränderlichen Sterns. Cepheiden haben kurze Perioden von einigen Tagen bis zu einigen Wochen und verhalten sich sehr regelmässig. Die Periode eines Cepheiden hängt mit seiner Leuchtkraft zusammen - je länger die Periode, desto leuchtkräftiger ist der Stern. Daraus folgt, dass sich durch Messung der Periode eines Cepheiden seine Entfernung bestimmen lässt. Cepheiden sind leuchtkräftige Sterne und können bis zu 20 Mpc vermessen werden. Der Name stammt von delta Cephei, dem hellsten und berühmtesten Vertreter seiner Klasse. Chandrasekhar-Grenze: Die maximal mögliche Masse für einen Weißen Zwerg, benannt nach Subramanian Chandrasekhar, der sie im Jahre 1931 als erster herleitete. Der von Chandrasekhar angegebene Wert gilt für einen langsam rotierenden Stern und beträgt etwa 1,4 Sonnenmassen. Cosmic Web: Die 3D Galaxienverteilung bildet ein großräumiges Netzwerk von Filamenten, Haufen und Voids. Die Filamente erreichen Ausdehnungen von Millionen von Lichtjahren, und bilden so etwas wie ein Skelett oder Grundgerüst des Universums: In ihrer Umgebung sammeln sich Galaxien, und an den Verbindungsknoten mehrerer Filamente bilden sich die Galaxienhaufen. Cygnus X-1: Ein 8200 Lichtjahre entferntes Röntgen-Doppelsternsystem, bestehend aus einem hellen blauen Überriesen mit 40facher Sonnenmasse und einem kollabierten Stern mit 10facher Sonnenmasse, der den Hauptstern mit einer Periode von 5,5998 Tagen umläuft. Beim Begleiter handelt es sich um ein Schwarzes Loch. Cyg X–1 war der erste Kandidat für ein stellares Schwarzes Loch. Inzwischen sind über 20 solcher Systeme nachgewiesen worden. 184 Glossar: Astronomische Begriffe der Kosmologie Deklination: Die Himmelskoordinate, die der geographischen Breite auf der Erde entspricht. Die Deklination gibt den Winkelabstand eines Gestirns vom Himmelsäquator an. Deklinationen nördlich des Himmelsäquators werden positiv (+) gezählt, Deklinationen südlich des Himmelsäquators negativ (-). Die Deklination eines Objektes wird in der Regel in Grad, Bogenminuten und Bogensekunden angegeben. Gezählt wird die Deklination von 0 Grad (Himmelsäquator) bis +/- 90 Grad (Himmelsnord- bzw. Südpol). Doppler-Effekt: Nach dem Österreichischen Mathematiker Christian Doppler (1803-1853) benannte Erscheinung, dass bei jeder Art von Welle (auch Schall- und Lichtwellen) eine Änderung der Frequenz bzw. Wellenlänge eintritt, sobald Beobachter und Quelle sich relativ zueinander bewegen. Bewegt sich eine Schall- bzw. Lichtquelle auf den Beobachter zu, so registriert er eine Tonerhöhung bzw. das ausgestrahlte Licht wird kurzwelliger (sog. Blauverschiebung). Bewegt sich die Schall- bzw. Lichtquelle vom Beobachter weg, so nimmt die Tonhöhe ab bzw. das ausgestrahlte Licht wird langwelliger (sog. Rotverschiebung). Der gleiche Effekt tritt auf, wenn die Schallbzw. Lichtquelle ruht und der Beobachter sich auf die Quelle zubewegt bzw. entfernt. Dunkle Energie: Als Dunkle Energie wird in der Kosmologie eine besondere Form der Energie bezeichnet, die lange Zeit als hypothetisch galt. Die Dunkle Energie wurde als eine Verallgemeinerung der kosmologischen Konstante eingeführt, um die beobachtete beschleunigte Expansion des Universums zu erklären. Der Begriff wurde 1998 von Michael Turner geprägt. Die physikalische Interpretation der Dunklen Energie ist weitgehend ungeklärt. Die gängigsten Modelle bringen sie mit Vakuumfluktuationen in Verbindung, es werden aber auch eine Reihe weiterer Modelle diskutiert. Die physikalischen Eigenschaften der Dunklen Energie lassen sich durch großräumige Kartierung der Strukturen im Universum, beispielsweise die Verteilung von Galaxien und Galaxienhaufen untersuchen. Dunkle Materie: Nichtstrahlende From der Materie, auf deren Existenz u.a. durch ihre Gravitationsoder Massenanziehung geschlossen wird, wie z.B. bei den ausgedehnten Halos von Galaxien. Der Nachweis von Dunkler Materie im kosmischen Maßstab ist eines der wichtigsten Probleme der modernen Kosmologie. Kandidaten für Dunkle Materie ist das supersymmetrische Teilchen Neutralino, das eine Masse von etwa 500 GeV/c2 haben sollte. 185 Eigenbewegung: Die individuelle Bewegung eines Sterns an der Himmelssphäre im Vergleich zur Sonnenbahn. Aufgrund der großen Entfernung der Sterne fällt die Bewegung sehr gering aus. Die größte bekannte Eigenbewegung hat Barnards Pfeilstern, ein 6 Lichtjahre entfernter roter Zwerg, der sich in 6 Jahren um eine Bogenminute bewegt. Innerhalb von 180 Jahren bewegt er sich um einen Winkel, der dem des Vollmonddurchmessers entspricht. Die Eigenbewegung weiter entfernter Sterne wird mit GAIA gemessen werden. Ekliptik: Die Bahnebene der Erde bei ihrem Umlauf um die Sonne. Sie spiegelt sich im Lauf der Sonne durch die Tierkreis-Sternblider wider. Als Schiefe der Ekliptik bezeichnet man den Winkel von 23,5 Grad, den die Erdachse mit dem Lot auf die Ekliptik bildet. Elektronenvolt: Energieeinheit in der Atomphysik. Ein Elektronenvolt entspricht der Energiemenge, die das Elektron beim Durchlaufen eines Spannungsgefälles von einem Volt gewinnt: 1 eV = 1, 60219 × 10−19 J. Für größere Energiemengen sind das Kiloelektronenvolt (1 keV = 1000 eV), das Megaelektronenvolt (1 MeV = 1.000.000 eV), sowie das Gigaelektronenvolt (1 GeV = 1 Mia. eV) in Gebrauch. Heute werden in der Astronomie Photonen mit Energien bis zu einem Teraelektronenvolt (1 TeV = 1000 GeV) gemessen (sog. TeV– Astronomie). Elliptische Galaxie: Galaxien, die mehr oder weniger wie eine abgeplattete Ellipise aussehen. Sie bestehen aus alten (roten) Sternen und enthalten wenig Gas oder Staub. Sie zeigen i.a. nur eine geringe Rotation. Emissionsspektrum: Spektrum aus hellen Linien oder Banden (zahlreiche eng benachbarte Linien). Sehr heisse Gase erzeugen bei geringem Druck ein Emissionsspektrum. Typisch findet man Emissionsspektren bei Quasaren. Ephemeriden: Tabellen, die Auskunft geben über die Position eines Himmelskörpers im Sonnensystem (Sonne, Mond, Planeten und Asteroiden) zu einem gegebenen Zeitpunkt. Voraussetzung für die Berechnung von Ephemeriden ist die genaue Kenntnis von Form, Grösse und räumlicher Lage der Umlaufbahn eines Himmelskörpers. Epoche: 186 Glossar: Astronomische Begriffe der Kosmologie Datum, das als Bezug für astronomische Daten benutzt wird, z.B. gibt es Sternkataloge für die Epoche 1950. Heute gilt die Epoche 2000. Bis zum Jahr 2000 werden sich die darin gegebenen Koordinaten durch die Präzession der Erdachse etwas verschoben haben. Farben-Helligkeits-Diagramm (FHD): dem Hertzsprung-Russell-Diagramm gleichwertige graphische Darstellung, in der für eine Gruppe von Sternen (z.B. zur Untersuchung von Sternhaufen) die scheinbare Helligkeit der Sterne gegen den Farbindex aufgetragen wird. Farbindex: Maß für die Farbe eines Sterns oder einer Galaxie und damit für seine Oberflächentemperatur. Die visuelle Magnitude eines Sterns ist ein Maß für seine scheinbare Helligkeit, wie sie mit blossem Auge wahrgenommen wird. Man kann aber auch Magnituden im Blauen, Roten oder Infraroten messen. Diese Helligkeiten sind in der Regel nicht gleich groß . Die Differenz zwischen blauer und visueller Magnitude ist der Farbindex B − V . Dessen Skala ist so aufgebaut, dass für einen weißen Stern, wie etwa Wega, B − V = 0 ist. Fermi: Im Rahmen ihres Programms Structure and Evolution of the Universe hat die NASA im Juni 2008 ihren nächsten Satelliten zur Gammastrahlen-Astronomie ins All gestartet. Der zunächst als GLAST (Gamma-ray Large Area Space Telescope) bezeichnete Satellit wurde nach erfolgreicher Inbetriebnahme in Fermi Gamma-ray Space Telescope umbenannt. Mit dieser Umbenennung würdigt die NASA die Bedeutung von Enrico Fermi (1901-1954), einem der bedeutendsten Physiker des 20. Jahrhunderts und Pionier der Hochernergiephysik. Dieser schlug als erster einen brauchbaren Mechanismus zur Beschleunigung kosmischer Teilchen vor. Seine Arbeiten bilden somit die Grundlage zum Verständnis vieler Gammastrahlungsquellen, die mit dem Gamma-ray Space Telescope gemessen werden. Fermi trägt als Hauptinstrument ein abbildendes Gammastrahlen-Teleskop, das Large Area Telescope LAT, das kosmische Gammastrahlung im Energiebereich zwischen 20 Megaelektronenvolt 300 Gigaelektronenvolt messen soll. Friedmann–Gleichungen: Albert Einstein ging zunächst von einem statischen Universum aus, das sich weder ausdehnt noch zusammenzieht. Dazu musste er in seinen Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie eine entsprechende Konstante Λ einführen, die er kosmologische Konstante nannte. Der russische Mathematiker und Physiker Alexander Friedmann verwarf diese Annahme eines statischen Universums und setzte die kosmologische Konstante gleich Null. Stattdessen stellte er mit den nach ihm benannten Friedmann-Gleichungen 187 drei Modelle eines expandierenden Universums auf. Diese beeinflussten in der Folge erheblich die physikalischen Auffassungen und Modelle Einsteins. Die Gleichungen sagen in Abhängigkeit von der totalen Energiedichte verschiedene Werte für die Krümmung der Raumzeit voraus (entsprechend den Werten -1, 0 oder 1 für k: 1. Modell: Die Energiedichte des Universums ist größer als die kritische Energiedichte. Dann ist die Krümmung der Raumzeit positiv (k = 1), das Universum sphärisch. Ein solches sphärisches Universum ist dann geschlossen: Obwohl unbegrenzt wäre es nur endlich groß . 2. Modell: Die Energiedichte ist genau so groß wie die kritische Energiedichte. Die Raumzeit hat verschwindende Krümmung (k = 0), das Universum ist flach. 3. Modell: Die Energiedichte ist kleiner als der kritische Wert. Die Krümmung der Raumzeit ist negativ (k = −1), das Universum ist hyperbolisch. Frühe Sterne: Irreführende Bezeichnung für die Spektralklassen O, B und A. Diese Bezeichnung stammt aus einer Zeit, in der die Astronomen glaubten, dass sich die Sterne entlang der Hauptreihe von heissen zu kühlen Sternen entwickeln würden. Obwohl diese Vorstellung inzwischen widerlegt ist, wird diese Bezeichnung leider noch beibehalten. Frühlingspunkt: Der Punkt am Himmel, an dem die Sonne zu Frühlingsanfang steht. Der Frühlingspunkt ist der eine Schnittpunkt von Himmelsäquator und Ekliptik (aufsteigender Knoten). Fundamentalebene Kosmologie: Die Friedmann–Modelle des expandierenden Universums werden eindeutig festgelegt durch die Expansionsrate H0 , die Dichteparameter Ωk , ΩM und ΩΛ , sowie durch die Zustandsgleichung des Vakuums. Die Dichteparameter sind nicht unabhängig: es gilt Ωk + ΩM + ΩΛ = 1. Damit spannen die beiden Größen (ΩM , ΩΛ ) die Fundamentalebene der Kosmologie auf. GAIA: Der Astrometrie-Satellit GAIA ist eine geplante astronomische Weltraum-Mission der Europäischen Weltraumorganisation ESA, mit der rund 1 Prozent der Sterne unserer Milchstraße astrometrisch, photometrisch und spektroskopisch mit sehr hoher Präzision vermessen werden sollen. GAIA ist Nachfolger der Hipparcos-Mission der ESA in den 1980er Jahren, die einhunderttausend Sterne mit hoher Präzision und über eine Million Sterne mit geringerer Genauigkeit katalogisierte. GAIA soll insgesamt eine Milliarde Sterne mit bis dahin unerreichter Genauigkeit kartographisch erfassen. Der Katalog wird um 2020 erwartet. 188 Glossar: Astronomische Begriffe der Kosmologie Galaxien: Sternsysteme, d.h. Ansammlungen von Sternen und interstellarer Materie, die gravitativ gebunden sind. Unsere Galaxis umfasst etwa 100 Milliarden Sterne. Galaxien haben mindestens 10 Millionen Sonnenmassen, die größten Galaxien bis zu 500 Milliarden Sonnenmassen. Galaxien haben unterschiedliche Formen: manche sind spiralförmig, andere elliptisch oder irregulär. Die entferntesten uns bekannten Galaxien sind etwa 18 Milliarden Lichtjahre entfernt. Abgesehen von denen unserer Lokalen Gruppe, scheinen sich alle Galaxien von uns weg zu bewegen, so dass sich das ganze Universum ausdehnt. Dies ist eine Konsequenz der Expansion des Raumes. Galaxienhaufen: Ansammmlungen von wenigen bis zu einigen tausend Galaxien, die durch Gravitation zusammengehalten werden. Der Durchmesser von Galaxienhaufen beträgt zwischen 1 und 10 Megaparsec, die Zahl der Galaxien pro Volumeneinheit in den Haufen übertrifft die der Feldgalaxien um etwa das 9000fache. Man unterscheidet reguläre Haufen (mit sphärischer Symmetrie) und irreguläre Haufen (ohne ausgeprägte Symmetrie). Gammastrahlen: Extrem kurzwellige elektromagnetische Strahlung. Kosmische Quellen der Gammastrahlen müssen mit Hilfe von Methoden der Weltraumforschung untersucht werden (CGRO, Fermi Satellit, Cherenkov-Teleskope). Gamma-Ray-Burster: Kurzeitig aufleuchtende kosmische Strahlungsquellen im Gammabereich mit typischen Anstiegszeiten von 10 - 1000 Millisekunden und Dauern von wenigen 10 ms bis einigen 100 Sekunden. Der Hauptanteil der beobachteten Energie liegt im harten Röntgenbereich, oberhalb von etwa 20 keV. Einige Objekte können auch im sichtbaren Licht nachgewiesen werden (sog. Nachglühen). Geozentrisches Weltbild: Mit der Erde als Bezugspunkt oder gemessen bezüglich des Zentrums der Erde. Gravitation (Schwerkraft): Anziehungskraft zwischen allen Materieteilchen im Universum. Die Teilchen ziehen einander mit einer Kraft an, die proportional zum Produkt ihrer Massen und umgekehrt proportional zum Quadrat ihres Abstandes voneinander ist. Gravitation wird heute als Ausdruck der gekrümmten Raumzeit verstanden. Gravitationslinsen: 189 Die durch eine große Massenansammlung verursachte Raumkrümmung lenkt das Licht einer weit entfernten Strahlungsquelle ab und verzerrt ihr Bild. Passiert ein Lichtstrahl oder eine Radiowelle in geringem Abstand ein massenreichen Körper, so erfährt er eine Ablenkung. Diese Lichtablenkung ist eine Vorhersage der Allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein. Wenn eine massereiche Galaxie genau auf der Verbindungslinie zwischen uns und einem Quasar liegt, tritt eine weitere Erscheinung des gleichen Effekts auf. Das Bild des Quasars kann dann durch die als Gravitationslinse wirkende Galaxie doppelt oder mehrfach, gegebenfalls auch ringförmig (Einstein-Ring) gesehen werden. Gravitationswellen: Störungen in einem Gravitationsfeld, die sich nach Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie mit Lichtgeschwindigkeit durch den Raum ausbreiten. Ähnlich wie ein beschleunigtes oder schwingendes geladenes Teilchen elektromagnetische Wellen aussendet, sollte auch eine beschleunigte, schwingende oder zeitlich gestörte Masse wellenförmige gravitative Störungen emittieren - die sogenannten Gravitationswellen. Da die Gravitation die schwächste aller Naturkräfte ist, sind die Gravitationswellen sehr schwach und daher auch sehr schwer nachzuweisen (GEO600, LIGO, VIRGO, LISA). GUT–Theorie: Als Große vereinheitlichte Theorie oder grand unification theory (GUT) bezeichnet man eine Theorie, die drei der vier bekannten physikalischen Grundkräfte vereinigt, nämlich die starke Wechselwirkung, die schwache Wechselwirkung und die elektromagnetische Kraft. Man nimmt an, dass diese Grundkräfte zum Zeitpunkt des Urknalls eine einzige Kraft waren, die sich nach der Abkühlung in diese drei bekannten Kräfte aufspaltete. Voraussetzung dazu wäre, dass die starke Kernkraft bei hoher Energie schwächer wird, wohingegen die elektromagnetische Kraft und die schwache Wechselwirkung bei hoher Energie stärker werden. Bei einer bestimmten, sehr hohen Energie hätten dann alle drei Kräfte die gleiche Stärke und könnten sich als verschiedene Aspekte einer einzigen Kraft erweisen. HI- und HII-Regionen: HI- und HII-Regionen sind Wasserstoffwolken in der Galaxis. HI-Regionen sind Wolken aus neutralem Wasserstoff. Sie sind nicht sichtbar, können jedoch wegen ihrer charakteristischen Abstrahlung von Radiowellen mit 21cm Länge mittels eines Radioteleskops untersucht werden. In HII-Regionen ist der Wasserstoff ionisiert, im allgemeinen in der Umgebung heisser Sterne. Bei der Rekombination von Ionen und freien Elektronen zu neutralen Atomen wird Licht abgestrahlt, wodurch die HII-Regionen sichtbar werden (in Emissionslinien). Hadronen: 190 Glossar: Astronomische Begriffe der Kosmologie Alle Teilchen, die an der starken Wechselwirkung beteiligt sind. Man unterteilt sie in Baryonen (z.B. Neutronen und Protonen), die dem Pauli-Prinzip gehorchen, und Mesonen, die das nicht tun. Hauptreihe: Gut definiertes Band im Hertzsprung Russell-Diagramm von oben links nach unten rechts verlaufend. Sterne, die in diesem Band liegen, bezeichnet man als Hauptreihensterne. Ein typischer Hauptreihenstern ist unsere Sonne. Heliozentrisch: Mit der Sonne als Bezugspunkt oder gemessen bezüglich des Zentrums der Sonne. Herschel: Herschel Space Observatory, kurz Herschel, ist der Name eines von der ESA entwickelten 3,4 t schweren Infrarotweltraumteleskops, das zusammen mit dem PlanckWeltraumteleskop mit einer Ariane-Rakete am 14. Mai 2009 gestartet wurde. Das Teleskop wird im Lagrangepunkt L2 des Erde-Sonne-Systems positioniert und wurde nach dem Entdecker der Infrarotstrahlung Wilhelm Herschel benannt. An Bord befinden sich drei Instrumente (Kameras und Spektrometer), die im fernen Infraroten und Submillimeterbereich des elektromagnetischen Spektrums bei Wellenlängen zwischen 57 und 670 µm arbeiten. Dieser Bereich kann vom Erdboden aus wegen des eingeschränkten atmosphärischen Fensters nicht beobachtet werden. Hertzsprung-Russell-Diagramm (HRD): Graphische Darstellung, in der Sterne entsprechend ihrem Spektraltyp (Temperatur) und ihrer Leuchtkaft eingetragen sind. Dabei wird die Temperatur aus historischen Gründen von rechts nach links abgetragen. Die meisten Sterne befinden sich auf einem Band, das von links oben (sehr leucht kräftige blaue Sterne) nach rechts unten (schwache rote Sterne) verläuft. Dieses Band bezeichnet man als Hauptreihe. Ungefähr in der Mitte der Hautreihe zweigt ein Ast nach rechts oben ab. Diesen Ast bezeichnet man als Riesenast, weil diese Sterne besonders groß und leuchtkräftig sind. Links unterhalb der Hautreiche liegen die sogenannten Weißen Zwerge. Es sind heisse, aber kleine und leuctschwache Sterne. Das HRD ist bei der Untersuchung der Sternentwicklung von höchster Bedeutung. Wird statt des Spektrums der Farbindex benutzt, wird das Diagramm als FarbenHelligkeits-Diagramm bezeichnet. Higgs–Boson: Das Higgs-Boson ist keine direkte Folge einer Eichsymmetrie, vermittelt daher keine Wechselwirkung im Sinne des Standardmodells und wird daher auch nicht als Austauschteilchen angesehen. Mathematisch gesehen ist es der Rest des HiggsFelds nach der elektroschwachen Symmetriebrechung. Es ist das einzige Elementar- 191 teilchen des Standardmodells, das bisher nicht in Experimenten nachgewiesen werden konnte, allerdings erhofft man sich mit dem neuen LHC (Large Hadron Collider) am CERN im Laufe von 2010 auch den experimentellen Nachweis dieses bisher nur postulierten Teilchens. Himmelsäquator: Projektion des Erdäquators auf die Himmelskugel. Er teilt den Himmel in zwei Hemisphären (Nord- und Südhalbkugel) auf. Hubble-Konstante: Verhältnis zwische der Rotverschiebung z einer Galaxie, ausgedrückt in Form einer Expansionsgeschwindigkeit V = cz, und der Entfernung der Galaxie in Einheiten von Mpc. Der heutige Wert liegt bei (73 ± 3) km/s pro Megaparsec. Die Hubble– Konstante ist der wichtigste Parameter des expandierenden Universums. Sie ist ein Maß für die relative Expansionsgeschwindigkeit des Universums, H0 = Ṙ/R. Hubble Space Telescope (HST): Bezeichnung für ein am 24.4.1990 von der US-Raumfähre Discovery in eine 590km hohe Erdumlaufbahn gebrachtes 2,4m-Teleskop. Anfangs konnte das HST die Erwartungen nicht voll erfüllen, da sein Hauptspiegel unter sphärischer Aberration litt. Doch seit dem es Ende 1993 im Orbit repariert wurde, leistet es wertvolle Beiträge zu allen Bereichen der Astronomie, angefangen von der Erforschung der Planeten bis hin zur Kosmologie. Isotropie: Die dem Universum zugeschriebene Eigenschaft, dass es für einen Beobachter nach allen Richtungen hin gleich aussieht. Julianisches Datum (J.D.): (richtige Bezeichnung: Julianischer Tag) Anzahl der mittleren Sonnentage, die seit dem 1.1. des astronomischen Jahres -4712 um 12 Uhr Weltzeit verstrichen sind. Da die Zählung nach dem J.D. unabhängig ist von jeweiligen Jahres- und Monatslängen, ermöglicht sein Gebrauch relativ einfache Umrechnungen von Kalenderdaten und das Auffinden von Periodizitäten bei Kometenerscheinungen, Finsternissen und Veränderlichen Sternen. Kelvin (Grad Kelvin): Kurzzeichen K, eine Temperaturskala wie die Celsius-Skala, deren Nullpunkt jedoch nicht mit dem Schmelzpunkt von Eis, sondern mit dem absoluten Nullpunkt der Temperatur zusammenfällt. Bei einem Luftdruck von einer Atmosphäre liegt der Schmelzpunkt von Eis bei 273,15 K. Absoluter Nullpunkt: 0 K = -273,15 Grad Celsius. 192 Glossar: Astronomische Begriffe der Kosmologie Komet: Kleiner Himmelskörper im Sonnensystem, umläuft die Sonne meist in stark exzentrischer Bahn. Er besteht aus relativ kleinen Teilchen (hauptsächlich Eis) und dünnen Gasen. Der Kern hat als fester Bestandteil des Kometen einen Durchmesser von bis zu mehreren Kilometern. Der Kometenschweif zeigt aufgrund des Einflusses des Sonnenwindes immer mehr oder weniger von der Sonne weg. Es gibt viele kurzperiodische Kometen, die alle relativ lichtschwach sind; der einzige helle Komet mit einer Periode von unter 100 Jahren ist der Halleysche Komet. Die hellsten Kometen haben so lange Perioden, dass ihre Rückkehr nicht vorhersagbar ist. Kosmische Rotverschiebung: Fast alle Galaxien und alle Quasare zeigen eine Rotverschiebung in ihren Spektren. Diese Rotverschiebung ist kein Dopplereffekt, sondern sie ist Ausdruck der Expansion des Universums, wonach auch Wellenlängen gestreckt werden. Es gibt noch andere Arten von Rotverschiebungen, die nichts mit der Entfernung zu tun haben. Zum einen erzeugt die Eigenbewegung von Sternen und Galaxien geringfügige Rot- oder Blauverschiebungen durch einen – diesmal wirklichen – Dopplereffekt. Unsere Milchstraße etwa bewegt sich mit 370 km/s relativ zum Rest des Universums auf einen Ort zu, den man den Großen Attraktor nennt. Deshalb erscheinen uns Sterne in dieser Richtung blauverschoben und in der entgegengesetzten Richtung röter als durch die kosmische Rotverschiebung allein. Zum zweiten wird die Lichtwellenlänge auch durch Gravitation beeinflusst. Licht, das ein Schwerefeld verlässt, verliert Energie und wird rotverschoben. Dieser Effekt ist besonders stark in der Nähe des extremen Schwerefelds von Schwarzen Löchern. Allerdings wirken sich all diese Effekte bei großen Entfernungen viel geringer aus als die Ausdehnung des Raums selbst. Kosmologische Konstante: Die kosmologische Konstante (gewöhnlich durch das große griechische Lambda Λ abgekürzt) ist eine physikalische Konstante in Albert Einsteins Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie, welche die Gravitationskraft als geometrische Krümmung der Raumzeit beschreibt. Die Einheit von Λ ist 1/m2 , ihr Wert kann a priori positiv, negativ oder null sein; aus physikalischen Gründen macht jedoch nur ein positiver Wert Sinn. Ab 1998 hat die kosmologische Konstante eine Renaissance erlebt: Anhand der Helligkeit bzw. Rotverschiebung von entfernten Supernovae des Typs Ia kann man feststellen, dass sich das Universum beschleunigt ausdehnt. Diese beschleunigte Expansion lässt sich sehr gut mit einer kosmologischen Konstanten beschreiben und ist Bestandteil des erfolgreichen ΛCDM-Modells, des heutigen Standardmodells der Kosmologie. 193 Krebsnebel: Überrest der im Jahr 1054 beobachteten Supernova. Der Nebel ist sehr bedeutsam, da er neben sichtbarem Licht auch Radio- und Röntgenstrahlen aussendet. Ein großer Teil der Radiostrahlung ist Synchrotronstrahlung (geladene Teilchen werden in einem starken Magnetfeld beschleunigt). Der Nebel enthält im Zentrum den ersten optisch identifizierten Pulsar. Kritische Dichte: Ein Maß für die Materiedichte des Universums: ρc = 3H02 /8πG = 5, 4 × 1011 M⊙ Mpc−3 . Aus Normierungsgründen werden alle Materidichten des Universums in Einheiten dieser kritischen Dichte ausgedrückt: ΩM = ρM /ρc , ΩB = ρB /ρc , ΩDM = ρDM /ρc . Kuiper-Gürtel: Von Kuiper postulierter Gürtel von Kleinplaneten jenseits der Neptunbahn. Das erste Objekt dieses Gürtels wurde 1992 von D. Jewitt und J. Luu entdeckt. Lambda-CDM: Das ΛCDM-Modell bzw. Lambda-CDM-Modell ist ein kosmologisches Modell, das mit wenigen in der Grundform sechs Parametern die Entwicklung des Universums seit dem Urknall beschreibt. Lambda steht dabei für die kosmologische Konstante, CDM für cold dark matter (kalte Dunkle Materie). Das Lambda-CDM-Modell ist in guter Übereinstimmung mit den drei wichtigsten Klassen von Beobachtungen, die uns Aufschluss über das frühe Universum geben: Der Vermessung der Anisotropie der Hintergrundstrahlung, der Bestimmung der Ausdehnungsgeschwindigkeit und ihrer zeitlichen Veränderung durch Beobachtung von Supernovae in fernen Galaxien und der Daten über großräumige Strukturen im Kosmos. Leptonen: Klasse von Teilchen, die nicht an der starken Wechselwirkung beteiligt sind. Dazu gehören das Elektron, Myon, und Neutrinos. Lichtjahr: Astronomische Entfernungseinheit für interstellare Entfernungen. Ein Lichtjahr entspricht der Strecke, die das Licht mit einer Geschwindigkeit von ca. 300.000km/s in einem Jahr zurücklegt. Obwohl es der Name vermuten lässt, ist das Lichtjahr eine Entfernugs- und keine Zeiteinheit. Lokale Gruppe: Galaxiengruppe, zu der unsere Galaxis gehört. Sie umfasst mehr als zwei Dutzend Galaxien, von denen die wichtigsten der Andromedanebel M31, unsere Milchstraße, M33 und die beiden Magellanschen Wolken sind. 194 Glossar: Astronomische Begriffe der Kosmologie Magellansche Wolken: Zwei (eigentlich drei) kleine Nachbargalaxien der Milchstraße am Südhimmel. Die Große Magellansche Wolke (engl. Abk. LMC) hat eine Entfernung von 160.000 Lichtjahren und einen Durchmesser von ca. 21.000 Lichtjahren. Die Entfernung der Kleinen Magellanschen Wolke (engl. Abk. SMC) beträgt 185000 Lichtjahre und ihr Durchmesser 10000. Sie hat aber eine Tiefe von 60000 Lichtjahren. Daher nimmt man an, dass es sich bei der SMC um eine Galaxie handelt, die durch Gezeitenkräfte in zwei Teile zerrissen wurde, welche von der Erde aus gesehen in einer Sichtlinie liegen. Magnitude: Einheit zur Bezeichnung von Helligkeit. Sie wird in Grössenklassen angegeben; Abkürzung: M, mag oder m. Neutronenstern: Stern, der vornehmlich oder vollständig aus Neutronen besteht, so dass seine Leuchtkraft gering ist, seine Dichte aber im Bereich der Kerndichte. Theoretisch sollte ein Neutronenstern das Endstadium in der Entwicklung eines Sterns darstellen. Die außergewöhnlichen, als Pulsare bekannten Radioquellen sind tatsächlich Neutronensterne. Orbit: Umlaufhahn eines künstlichen oder natürlichen Himmelskörpers. Parallaxe, trigonometrische: Scheinbare Verschiebung eines Körpers bei Betrachtung aus zwei unterschiedlichen Richtungen. Die Trennungslinie zwischen den beiden Beobachtungspunkten wird als Basislinie bezeichnet. Die Erdumlaufbahn bildet eine Basislinie von 300 Millionen Kilometern Länge (der Radius der Erdbahn ist 150 Millionen Kilometer). Ein über einen Zeitraum von sechs Monaten beobachteter, nahegelegener Stern zeigt eine deutliche Parallaxe gegen den Hintergrund entfernter Sterne. Auf diese Weise berechnete Friedrich Bessel 1838 zum ersten Mal die Entfernung eines Sternes (61 Cygni). Diese Methode kann heute nur bis in Entfernungen von 300 Lichtjahren angewendet werden, in Zukunft mit GAIA bis zu 100 kpc. Parsec: Abk. für Parallaxen-Sekunde. Entfernungseinheit zur Angabe von interstellaren, bzw. intergalagktischen Entfernungen. Ein Parsec (Abk.: pc) ist die Entfernung, in der der Erdbahnradius unter einem Winkel von einer Bogensekunde erscheint. Für größere Entfernungen gibt es das Kiloparsec (Abk.: kpc) = 1000 pc, das Megaparsec (Abk.: Mpc) = 1000 kpc und das Gigaparsec (Abk.: Gpc) = 1000 Mpc. 195 1 pc = 206.264,806 AE = 3,26 Lichtjahre. Periastron: Punkt in der Umlaufbahn eines Doppelsterns, an dem die Sterne in geringstem Abstand zu einander stehen. Der entfernteste Punkt ist das Apastron. Perihel: Sonnennächster Punkt in der Umlaufbahn eines dem Sonnensystem zugehörigen Körpers. Der sonnenentfernteste Punkt ist das Aphel. Anfang Januar erreicht die Erde ihr Perihel. Photometrie: Messung der Lichtintensität. In der Vergangenheit wurden photoelektrische Photometer zur genauen Bestimmung von Helligkeitsklassen von Sternen eingesetzt. Photometrie wird heute aber auch mit CCD Kameras durchgeführt. Planetesimal: Ein hypothetisches Teilchen oder kleiner Körper, der sich aus der ursprünglich gasförmigen Materie gebildet hat und dann Grundlage der Bildung der Planeten war. Präzession: Langsame Kreiselbewegung der Himmelspole, hervorgerufen durch die Anziehungskraft von Sonne und Mond auf den Äquatorialwulst. Zur Veranschaulichung kann man sich einen auf dem Kopf stehenden Kegel vorstellen. Wenn die Spitze des Kegels im Erdmittelpunkt liegt, so dreht sich die Erdachse um die kreisförmige Kegelfläche, d.h. sie umläuft den Kegelmantel. Die Kreisbahn, die ein Pol am Himmel beschreibt, hat einen Durchmesser von 47 Grad und wird in einer Periode von 25.800 Jahren durchlaufen. Aufgrund der Präzession bewegt sich auch der Himmelsäquator, genauso wie der Frühlingspunkt westwärts entlang der Ekliptik um 50 Bogensekunden pro Jahr verschoben wird. Seit der Antike hat er sich aus dem Sternbild Widder zum Sternbild Fische verschoben. Unser gegenwärtiger Polarstern wird seinen Namen nicht für immer tragen. Im Jahr 12000 wird der Nordpolarstern die hell leuchtende Wega im Sternbild der Leier sein. Pulsar: Magnetischer Neutronenstern, der in kurzen, sehr regelmässigen Abständen Radioimpulse aussendet. Die Pulsperioden betragen zwischen Millisekunden bis zu mehreren Sekunden. Quasar: Sehr weit entferntes, extrem stark leuchtendes Zentrum einer Galaxie (oft auch als 196 Glossar: Astronomische Begriffe der Kosmologie aktiver galaktischer Kern bezeichnet). Ein Quasar ist der Kern einer sehr aktiven Galaxie, der durch ein großes Schwarzes Loch im Inneren mit Energie versorgt wird. Quasare sind auch unter dem Namen Quasi-Stellar Objekte (QSO) bekannt. Sie weisen ausgeprägte Emissionslinienspektren auf. Radiogalaxien: Galaxien mit überdurchschnittlich starker (erhöhter) Radiostrahlung. Bekanntestes Beispiel: Cygnus A. Refraktor: Teleskop, welches das Licht mit Objektivlinsen sammelt. Das einfallende Licht wird durch die Linse (Objektiv) gebrochen und im Brennpunkt gesammelt. Das entstehende Bild wird durch das Okular vergrößert. Rektaszension: die Himmelskoordinate, die etwa der geographischen Länge auf der Erde entspricht. Sie gibt den in West-Ost-Richtung gemessenen Winkelabstand eines Gestirns vom Frühlingspunkt an. Angegeben wird die Rektaszension in der Regel in Stunden, Minuten und Sekunden. Rotverschiebung: Spektrallinienverschiebung nach dem Doppler-Effekt nach rot oder in Richtung des Langwellenendes des Spektrums. Die kosmische Rotverschiebung wird durch die Expansion des Universums verursacht. Außer den Mitgliedern der Lokalen Gruppe weisen alle Galaxien eine Rotverschiebung in ihren Spektren auf. Scheinbare Helligkeit: Die Helligkeit, mit der ein kosmisches Objekt dem Beobachter erscheint, d.h. ein Maß für die detektierte Strahlungsintensität. Gemessen wird sie in Grössenklassen (mag) – eine logarithmische Skala zur Messung der Lichtintensität eines Sterns. Je heller ein Stern leuchtet, um so kleiner ist der Wert für seine scheinbare Helligkeit. Beispiele: Die Sonne hat eine scheinbare Helligkeit von -26,8 mag, Sirius, der hellste Stern am Himmel, hat -1,4 und der Polarstern +2. Die schwächsten, mit dem Hubble Space Telescope beobachtbaren Sterne haben eine scheinbare Helligkeit von +30 mag. Schiefe der Ekliptik: Winkel zwischen Himmelsäquator- und Ekliptikebene. Sein Wert beträgt 23 Grad 26’54”. Sie bezeichnet auch den Winkel, um den die Erdachse von der Senkrechten auf die Erdbahnebene abweicht. Schwarzes Loch: 197 Eine der aufregendsten Vorhersagen der Einsteinischen Relativitätstheorie ist die Existenz von Schwarzen Löchern, in denen die Gravitationskräfte so groß werden, dass selbst Teilchen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, nicht entweichen können. Ein stellares Schwarzes Loch ist ein Raumgebiet, in das ein Stern kollabiert ist und aus dem weder Licht, Materie oder irgendeine Art von Signal entweichen kann. Theoretisch unterscheidet man rotierende und nicht-rotierende Schwarze Löcher. SNAP (Satellit): Bei SNAP (Supernova/Acceleration Probe) handelt es sich um ein satellitengestütztes Projekt zur Erforschung der Dunklen Energie im Universum. Mit SNAP soll die Anzahl der beobachteten Supernovae auf etwa 2000 pro Jahr erhöht werden. Durch diese große Anzahl kann man die Expansion des Universums genauer bestimmen, denn mit Hilfe der Supernovae vom Typ Ia werden Distanzen im Weltall gemessen. Auch die Verteilung wird erfasst, so dass man mit Hilfe der Distanz Rückschlüsse auf die Entstehungsphasen des Universums ziehen kann. Des weiteren werden auch Gravitationslinsen erfasst und kartographiert. Spektraltypen oder Spektralklassen: Schema zur Klassifikation der Sterne anhand ihres Spektrums. Anfangs wurden die Sterne mit A,B,C,... durchklassifiziert. Als man jedoch später herausfand, dass man es hier mit einer abnehmenden Temperaturreihenfolge zu tun hatte, wurden die Sprktralklassen entsprechend umsortiert und einige doppelt benannte Klassen weggelassen. Übrig blieb dann die Reihenfolge O, B, A, F, G, K, M, L, T. Zur genaueren Unterteilung jeder einzelnen Spektralkasse wurden noch Unterklassen von 0 bis 9 eingeführt. Spiralgalaxien: oft auch als Spiralnebel bezeichnet, Typ regulärer Galaxien, in den die Mehrzahl der Sterne und Gasnebel in Form von Spiralarmen angeordnet ist, die meist an gegenüberliegenden Punkten eines nur schwach abgeplatteten Kerns ansetzten. Standardmodell der Teilchenphysik: Das Standardmodell der Elementarteilchenphysik (SM) ist eine physikalische Theorie, welche die bekannten Elementarteilchen und Wechselwirkungen zwischen diesen beschreibt. Die drei vom Standardmodell beschriebenen Wechselwirkungen sind die starke Wechselwirkung (QCD), die schwache Wechselwirkung und die elektromagnetische Wechselwirkung. Das SM ist eine relativistische Quantenfeldtheorie: Die Theorie gehorcht den Gesetzen der Speziellen Relativitätstheorie. Die fundamentalen Objekte sind Felder in der Raumzeit (Feldtheorie). SuperNova Legacy Projekt (SNLS): 198 Glossar: Astronomische Begriffe der Kosmologie Das Kanada-France-Hawaii Telescope Legacy Survey Supernova Programm hat zum Ziel, die Zustandsgleichung der Dunklen Energie zu vermessen. Dazu werden eta 2000 Supernovae mit dem Instrument Megaprime des Canada-France-Hawaii Telescope zwischen 2003 und 2009 genau erfasst. Des weiteren wird Hi-z Spektroskopie von SNe an 8m Teleskopen (Gemini, VLT, Keck) durchgeführt. Supersymmetrie: Die Supersymmetrie (SUSY) ist eine Symmetrie der Teilchenphysik, die Bosonen und Fermionen ineinander umwandelt. Dabei werden Teilchen, die sich unter einer SUSY-Transformation ineinander umwandeln, Superpartner genannt. Es gibt sQuarks, sLeptonen, Photinos, Gluinos, Zinos und Higgsinos. Die Supersymmetrietransformationen, die Fermionen und Bosonen ineinander umwandeln, erweitern die Raumzeitsymmetrie, die Poincare-Gruppe. Das minimale supersymmetrische Modell (MSSM) ist die (im Sinne der Teilchenzahl) kleinste Möglichkeit, ein realistisches supersymmetrisches Teilchenphysikmodell aufzubauen. Das MSSM erweitert das SM um ein zusätzliches Higgs-Dublett und SUSY-Partnerteilchen für alle Teilchen des Modells, wobei kein expliziter Mechanismus angegeben wird, der begründet, warum die neuen Teilchen andere Massen besitzen als ihre Standardmodellpartner. Trojaner: Asteroiden oder Planetoiden, die sich in der Jupiterbahn um die Sonne bewegen. Die Trojaner befinden sich in zwei Gruppen einmal 60 Grad vor und einmal 60 Grad hinter dem Jupiter, so dass es nicht zur Kollision kommen kann. Tully–Fisher Methode der Entfernungsbestimmung: Die Methode wurde von R.Brent Tully und J. Richard Fisher in den späten 70ern und 80ern des letzten Jahrhunderts entwickelt. Seitdem wurde diese Technik durch etliche andere Wissenschaftler verbessert und ist nun eine etablierte Methode, um die Entfernung zu Spiralgalaxien zu messen. Die Methode beruht auf dem Zusammenhang zwischen der absoluten Helligkeit (oder Leuchtkraft L) und der Rotationsgeschwindigkeit VRot von Scheiben–Galaxien, 4 L ∝ VRot . Je schneller eine Galaxie rotiert, umso heller ist sie. Diese Relation lässt sich dadurch erklären, dass sich das stellare Gas und die Sterne in einem Orbit um das galaktische Zentrum (z.B. ein Schwarzes Loch) befinden. Je größer nun die Anzahl der Sterne ist, um so größer ist auch die Masse der jeweiligen Galaxie und damit umso tiefer das Gravitationspotential. Die Rotationsgeschwindigkeit wird meist mit großen Radioteleskopen mittels der 21cm Linie des Wasserstoffs gemessen und kann daher auch für mittlere Entfernungen noch recht genau bestimmt werden. In der Praxis wird die scheinbare Helligkeit mit optischen Teleskopen gemessen, hier ist aber bei der Bewertung Vorsicht geboten. 199 Ultraviolett-Stahlung (UV): Für das blosse Auge nicht sichtbare elektomagnetische Strahlung mit kürzeren Wellenlängen zwischen (400 - 10 nm). Die Sonne ist eine starke UV-Strahlungsquelle, aber der größte Teil wird von der oberen Erdatmosphäre abgeblockt, für uns Menschen ein glücklicher Umstand, da große Dosen UV-Strahlung tödlich sind und zu Hautkrebs führen. Untersuchungen von UV-Strahlung von Sternen werden deshalb von Geräten in Raketen oder künstlichen Satelliten aus untersucht. Virialsatz: Das Virial-Theorem besagt, dass in einem abgeschlossenen System, in dem Körper durch die Gravitationskräfte aneinander gebunden sind, über einen längeren Zeitraum betrachtet die durchschnittliche kinetische Energie die Hälfte der potentiellen Energie beträgt. Weißer Zwerg: Sehr kleiner, extrem dichter Stern. Die Atome darin sind aufgespalten und die einzelnen Bestandteile mit größtmöglicher Dichte gepackt, so dass die Dichte eines Weißen Zwerges das Millionenfache der Dichte von Wasser erreicht. Ein Löffel voll Materie des Weißen Zwerges würde viele Tonnen wiegen. Ein Weißer Zwerg hat seinen nuklearen Brennstoff verbraucht und befindet sich im letzten Stadium seiner Entwicklung. Nur Neutronensterne sind noch kleiner und dichter. Weltzeit: Ortszeit für Greenwich bei London (0 Grad geographische Länge), als mittlere Sonnenzeit des Nullmeridians ist sie Bezugspunkt auch für astronomische Zeitsysteme. Wird als Standardzeit weltweit gebraucht, andere Bezeichnungen: Universal Time (UT), Greenwich Mean Time (GMT), Mittlere Greenwich Zeit (MGZ) oder Westeuropäische Zeit (WEZ). Winkeldurchmesser: gibt an, wie groß ein Himmelsobjekt von der Erde aus erscheint. Der Winkeldurchmesser wird in der Regel in Bogensekunden angegeben, in der Interferometrie mit Millibogensekunden oder gar Mikrobogensekunden. Zeitgleichung: Sie ist definiert als die Differenz zwischen mittlerer und wahrer Sonnenzeit. Die Zeitgleichung beträgt maximal +16 min oder -14 min. Viermal im Jahr ist die Zeitgleichung = 0. Zenit: Höchster Punkt am Himmel, genau senkrecht über dem Beobachter. 200 Glossar: Astronomische Begriffe der Kosmologie Zustandsgleichung des Vakuums: Zusammenhang zwischen Dichte der Vakuumenergie und Druck des Vakuums: PV = w ρV ; der Parameter w bezeichnet die Zustandsgleichung der Vakuumenergie. Für eine kosmologische Konstante als Ursache der beschleunigten Expansion gilt w = −1 für alle Zeiten, d.h. die Vakuumenergiedichte bleibt zeitlich konstant. Sie ist auch räumlich konstant und klumpt im Unterschied zur Dunklen Materie nicht. Zwergnovae: Eine Untergruppe der eruptiven Veränderlichen. Es sind enge Doppelsterne, sogenannte kataklysmische Veränderliche. Der Hauptstern ist ein Weißer Zwerg, der von einer Akkretionsscheibe umgeben ist. Sie besteht aus Material, das vom Begleiter, einem massearmen Roten Zwerg abströmt. Fast alle Zwergnovae zeigen im Minimum keine konstante Helligkeit, sondern ein rasches Flackern. Zu Klärung der Ursache der Ausbrüche werden im wesentlichen zwei Modelle vorgeschlagen: entweder Änderungen in der Massenflussrate oder Instabilitäten der Akkretionsscheibe. Beide Modelle gehen von einem Massenfluss vom Roten Begleiter auf der Akkretionscheibe aus. Abbildungsverzeichnis 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9 1.10 1.11 1.12 1.13 1.14 1.15 1.16 1.17 1.18 1.19 Durchlässigkeit der Atmosphäre Refraktor von Niza . . . . . . . Refraktor von Niza . . . . . . . Yerkes Refraktor . . . . . . . . Das Newton Teleskop . . . . . . Das 100 Zoll Hooker Teleskop . Das Samuel Oshin Teleskope . . Paranal-Observatorium . . . . . VLT Teleskope . . . . . . . . . Keck Teleskope auf mauna Kea . E–ELT . . . . . . . . . . . . . . Hubble Weltraumteleskop . . . . Gamma–Himmel . . . . . . . . Kosmische Schauer . . . . . . . Sonnensystem . . . . . . . . . . Milchstraße . . . . . . . . . . . Die Andromeda M31 . . . . . . Hubble Klassifikation . . . . . . Hubbles Ultra-Deep Field . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 5 5 6 7 8 10 11 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 22 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10 2.11 2.12 2.13 2.14 Lascaux . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stonehenge . . . . . . . . . . . . . . . . Himmelsscheibe von Nebra . . . . . . . . Sonnenobservatorium von Goseck . . . . Sonnenobservatorium von Goseck . . . . Palomar Karte mit Virgo–Galaxienhaufen Weltbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . Galileo Galilei . . . . . . . . . . . . . . . Bahn des Kometen Halley . . . . . . . . Messier Objekte . . . . . . . . . . . . . . 60 Zoll Teleskop auf Mount Wilson . . . Extrasolare Planeten . . . . . . . . . . . Kosmos Entwicklung . . . . . . . . . . . Zyklisches Universums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 30 31 32 33 34 36 37 38 40 42 45 47 48 202 Abbildungsverzeichnis 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 3.9 3.10 3.11 3.12 3.13 3.14 3.15 Andromeda . . . . . . . . . Die Galaxis . . . . . . . . . Komponenten einer Galaxie Rotationskurven . . . . . . . LHC Ring . . . . . . . . . . Das Galaktische Zentrum . . Das Galaktische Zentrum . . Die Hubble–Klassifikation . NGC 1316 Fornax A . . . . Grand Design . . . . . . . . Dreiecksnebel M33 . . . . . Balkenspirale M95 . . . . . Antennengalaxie . . . . . . Galaxiengruppen . . . . . . Galaxienhaufen Perseus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 56 57 59 60 61 62 64 65 66 67 68 69 70 72 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8 4.9 4.10 4.11 4.12 4.13 4.14 4.15 4.16 4.17 4.18 4.19 4.20 4.21 4.22 4.23 4.24 4.25 4.26 4.27 Der Venus Transit . . . . . . . . . . Parallaxe . . . . . . . . . . . . . . . 61 Cygni . . . . . . . . . . . . . . . Die nächsten Sterne . . . . . . . . . Eigenbewegung . . . . . . . . . . . Hipparcos–Katalog . . . . . . . . . GAIA Module . . . . . . . . . . . . GAIA Module . . . . . . . . . . . . Fokalebene von Gaia . . . . . . . . Anforderungen an Gaia . . . . . . . Zeitplan von Gaia . . . . . . . . . . Cepheiden in M100 . . . . . . . . . Die Periode–Leuchtkraft Beziehung Pulsation von Sternen . . . . . . . . Spektrum einer Galaxie . . . . . . . Spektrum eines Quasars . . . . . . . Edwin Hubble . . . . . . . . . . . . Expansion des Universums . . . . . Hubble Key Projekt . . . . . . . . . Neues Hubble Key Projekt . . . . . Supernovae Klassifikation . . . . . Supernova Typ Ia . . . . . . . . . . Historische Supernovae . . . . . . . Der Krebsnebel . . . . . . . . . . . Cassiopeia A . . . . . . . . . . . . Supernova SN1006 . . . . . . . . . Kalibration der Supernovae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 77 78 79 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 91 93 94 95 96 98 99 100 102 103 104 105 Abbildungsverzeichnis 203 4.28 Hubble–Diagramm der lokalen Supernovae . . . . . . . . . . . . . 106 4.29 Kosmische Distanzleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10 5.11 5.12 5.13 5.14 5.15 5.16 5.17 5.18 5.19 5.20 5.21 5.22 5.23 5.24 5.25 5.26 5.27 5.28 5.29 5.30 5.31 5.32 5.33 5.34 5.35 5.36 5.37 5.38 5.39 5.40 Kosmologisches Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . Rotverschiebungsdurchmusterungen . . . . . . . . . . . Cassiopeia A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cassiopeia A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2dF Survey . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . SDSS Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cosmic Web . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Galaxienclustering . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lichtkegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einsteinsche Gravitation . . . . . . . . . . . . . . . . . Raummodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Raummodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Robertson und Walker . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dichteparameter des Universums . . . . . . . . . . . . . Friedmann Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschleunigtes Universum . . . . . . . . . . . . . . . . Expansion flacher Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . Hubble–Diagramm der kosmologischen Supernovae . . . Hubble–Diagramm Supernovae . . . . . . . . . . . . . . Alter des Universums als Funktion der Rotverschiebung . Fundamentalebene der Kosmologie . . . . . . . . . . . . Fundamentalebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschichte des Universums . . . . . . . . . . . . . . . . Unification . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kosmische Inflation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Supersymmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Supersymmetrische Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . Phasendiagramm der Q–Materie . . . . . . . . . . . . . Primordiale Nukleosynthese . . . . . . . . . . . . . . . Von Rekombination zu Reionisation . . . . . . . . . . . Kosmische Sternentstehungsrate . . . . . . . . . . . . . Entdeckung der Hintergrundstrahlung . . . . . . . . . . WMAP Satellit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . WMAP Satellit Bahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Temperatur–Fluktuationen WMAP . . . . . . . . . . . . Temperatur–Fluktuationen CBI . . . . . . . . . . . . . . Leistungsspektrum der Temperaturfluktuationen . . . . . Temperatur–Fluktuationen WMAP . . . . . . . . . . . . Der Planck Satellit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erste Aufnahmen von Planck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 113 114 115 116 117 119 120 123 124 125 126 126 127 128 131 132 133 134 136 137 138 142 143 144 145 146 148 149 151 152 154 155 156 157 158 159 160 161 162 204 Abbildungsverzeichnis 5.41 Erste Aufnahmen von Planck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 5.42 Korrelation zwischen Wolkenbedeckung und galaktischer kosmischer Strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 5.43 Korrelation zwischen kosmischer Strahlung und Galaktischer Position166 5.44 Korrelation zwischen kosmischer Strahlung und Wasseroberflächentemperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 5.45 Fortschritt in der Kosmologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Index Äquivalenzprinzip, 122 Lichtkegel, 122 Astronomische Konstanten, 179 Mount Wilson, 113 Galaxiengruppen, 70 Galaxienhaufen Coma, 72 Perseus, 71 Galaxienverteilung Homogeneität, 112 Himmelsbeobachtungen Bronzezeit, 28 Goseck, 32 Jungsteinzeit, 28 Lascaux, 28 Nebra, 31 Stonehenge, 30 Himmelsdurchmusterungen, 112 2dF, 117 Allgemein, 113 CfA, 115 SDSS, 118 Zwicky Katalog, 114 Hubble Bedeutung Konstante, 125 Radius, 120 Zeit, 121 Kosmische Hintergrundstrahlung Dipolanisotropie, 156 Penzias und Wilson, 153 Planck, 161 Planck Gesetz, 153 Temperaturanisotropien, 157 WMAP, 155 WMAP Temperaturfluktuationen, 159 Kosmoklimatologie CLOUD Experiment, 168 Eiszeiten, 168 Kosmische Strahlung, 165 Svensmark, 164 Thesen, 165 Kosmologisches Prinzip, 110 Olbersches Paradoxon, 111 Sonnenobservatorium Goseck, 32 Sonnensystem Planeten, 17 Supernova Cassiopeia A, 102 Entfernungsbestimmung, 104 Krebsnebel, 101 SN1006, 103 Supernovae Brian Schmidt, 109 Hubble-Diagramm, 130 Teleskope E-ELT, 13 Hooker, 8 Kepler, 3 Montierungen, 10 Palomar, 9 Paranal, 10 Refraktoren, 3 Spiegel, 8 VLT, 11 Yerkes, 6 Universum Dunkle Ära, 142, 150 FRW Metrik, 124 Inflation, 144 Leptonen–Ära, 147 Nukleosynthese, 149 Planck–Ära, 143 Quark–Gluonen Plasma, 145 Raumformen, 124 Rekombination, 150 Relativistisch, 119 Timeline, 168